M E D I Z I N KURZBERICHT Serie: Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik Manfred Zehender T-Wellen-Alternans ZUSAMMENFASSUNG Ein neues Untersuchungsverfahren zur Risikostratifikation gegenüber dem plötzlichen Herztod stellt die Erfassung von Schlag zu Schlag alternierend auftretender mikroskopischer T-Wellen-Veränderungen (Mikrovolt-T-Wellen-Alternans, TWA) dar. Einem solchen Mikrovolt-T-Wellen-Alternans werden dabei von kausaler Seite elektrische Inhomogenitäten bei der myokardialen Repolarisation zugeordnet, die als Indikator eines erhöhten Risikos für tachykarde Herzrhythmusstörungen gelten. Bisher vorliegende klinische Untersuchungen lassen für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz, einem QT-Syndrom, einer hypertrophen Kardiomyopathie oder bei bereits dokumentierten ventrikulären Tachyarrhythmien eine prädiktive Bedeutung für Arrhythmieereignisse und -rezidive in der Nachbeobach- tungsphase erkennen. Ob es sich allerdings beim Mikrovolt-T-WellenAlternans um ein unabhängiges, vergleichbaren Stratifikationsverfahren überlegenes oder diese ergänzendes Verfahren handelt, ist derzeit noch offen. Die bisher begrenzte Zahl prospektiver Studien, die fehlende methodische Standardisierung und noch ausstehende Vergleichsstudien gegenüber anderen Risikostratifikationsverfahren lassen die Erfassung eines Mikrovolt-T-Wellen-Alternans als wissenschaftlich interessantes Verfahren erscheinen, welches jedoch für die klinische Routine noch nicht empfohlen werden kann. Schlüsselwörter: T-Wellen-Alternans, plötzlicher Herztod, ventrikuläre Tachyarrhythmie T-Wave Alternans Recording of „microscopic“ T-wave changes which occur on a beat-to-beat basis (microvolt-T-wave alternans, TWA) are one of the most recent and promising diagnostic procedures to identify patients at risk for sudden cardiac death. Electrical inhomogeneities during myocardial repolarization are ascribed as the cause of microvolt T-wave alternans which are taken as an indicator for elevated risk of ventricular tachyarrhythmias. The clinical studies performed to date indicate that a rate-dependent microvolt TWA can be demonstrated especially in patients with chronic heart failure, a QT-syndrome, hypertrophic cardiomyopathy or generally elevated risk of arrhythmia and are predictive for arrhythmic events or arrhythmia recurrences during follow up. The uncertainty about the independence of this risk factor, the limited number of patients examined until now in prospective studies, the lack of methodical standardization and poor comparability of the available data, as well as the lack of comparison studies with other stratification procedures for sudden cardiac death make the microvolt-T-wave alternans appear to be a scientifically interesting procedure, but one which cannot as yet be recommended for clinical routine. Key words: T-wave alternans, sudden cardiac death, ventricular tachyarrhythmia D iagnostische Verfahren zur frühzeitigen Erkennung eines erhöhten Risikos für einen plötzlichen Herztod konzentrieren sich in den letzten Jahren zunehmend auf das autonome Nervensystem (unter anderem Herzfrequenzvariabilität, Baroreflex-Sensitivität) und ventrikuläre Repolarisationsstörungen (unter anderem QT-Intervall, QT-Dispersion). Das Interesse an der Erfassung ventrikulärer Repolarisationsstörungen leitet sich dabei vor allem aus deren unmittelbaren Bedeutung für die Auslösung und/oder Aggravation ventrikulärer Tachyarrhythmien ab. Zelluläre Repolarisationseigenschaften und das Vorliegen von Heterogenitäten der myokardialen Repolarisation gelten neben Erregungsausbreitungsstörungen als wichtigste Bestimmungsfaktoren der elektrischen Stabilität des vorgeschädigten Herzens. Mehr noch, zahlreiche Veränderungen wie die akute Myokardischämie, Elektrolytstörungen oder das autonome Nervensystem üben einen unmittelbaren, permanenten und/oder dynamischen Einfluß auf die myokardiale Repolarisationsphase aus und vermitteln hierdurch die von ihnen potentiell ausgehende arrhythmogene Wirkung. Eines der derzeit vielversprechendsten Verfahren zur frühzeitigen Erkennung gefährdeter Patienten stellt die Erfassung alternierender Repolarisationsveränderungen im Sinne eines elektrischen T-WelAbteilung Innere Medizin III – Kardiologie und Angiologie (Direktor: Prof. Dr. med. Christoph Bode), Albert-Ludwigs-Universitätsklinik, Freiburg SUMMARY len-Alternans (TWA) dar (7, 11). Dabei werden herzfrequenzabhängig auftretende und von Schlag zu Schlag alternierende Amplitudenund Morphologieveränderungen der ST-Strecke und der T-Welle erfaßt. Ihnen wird eine prädiktive Bedeutung für eine gesteigerte elektrische Instabilität des Myokards und damit verbunden eine erhöhte Arrhythmieneigung zugeordnet. Historisch gesehen handelt es sich beim T-Wellen-Alternans um ein bereits 1908 erstmals von H. E. Hearing beschriebenes Phänomen, welches bereits in den Folgejahren in Verbindung mit krankhaften Veränderungen des Herzens gebracht wurde (Tabelle). Wesentlich unterstützt wurde die weitere Entwicklung durch den zunächst Anfang der achtziger Jahre von Adam, Cohen und Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 36, 10. September 1999 (55) A-2227 M E D I Z I N KURZBERICHT Smith vollzogenen Schritt, neben deutlich im Oberflächen-Elektrokardiogramm erkennbaren, auch mikroskopische oder als Mikrovolt-TWA bezeichnete Veränderungen computergestützt zu erfassen (11, 14). Damit wurden die Voraussetzungen geschaffen für die viel beachtete Arbeit von Rosenbaum et al., die 1994 in einem entsprechenden Risikokollektiv eine vergleichbare prognostische Bedeutung eines elektrischen Mikrovolt-TWA und der programmierten Elektrostimulation beschrieb und damit den klinischen Grundstein für eine breitere Erforschung dieses neuen Untersuchungsverfahrens legte (12). Grundlagen Experimentell läßt sich am gesunden Herzmuskel bei hohen Stimulationsfrequenzen von Schlag zu Schlag oszillierende, über das Herz aber synchronisierte Repolarisationsveränderungen induzieren, die man als „konkordanten“ Alternans beschreibt. Steigert man die Herzfrequenz weiter, so läßt sich eine zunehmende Desynchronisation der myokardialen Repolarisation beobachten, die als sogenannter „diskordanter“ Alternans bezeichnet wird, mit entsprechend hohen Repolarisationsgradienten und einem erhöhten Risiko für das Auftreten polymorpher Arrhythmien einhergeht (3). Unter pathophysiologischen Bedingungen scheinen beide Alternans-Formen bereits bei deutlich niedrigeren Herzfrequenzen als im gesunden Herzen aufzutreten. Intraund extrazelluläre Messungen zeigen zum Beispiel bei akuter Myokardischämie, daß bereits kurzzeitig nach einem Koronargefäßverschluß regelhaft alternierende Veränderungen von Morphologie und Dauer des zellulären Aktionspotentials auftreten (15). Das entsprechende Ausmaß ist unterschiedlich, jedoch gilt als sicher, daß solche Veränderungen vor allem auf eine gestörte intrazelluläre Kalziumhomöostase zurückzuführen und durch Kalziumantagonisten supprimierbar sind. Bei ausgeprägten For- men eines zellulären Alternans kann lokal die zelluläre Refraktärzeit die ventrikuläre Zykluslänge überschreiten, wodurch sich Inseln mit partieller oder vollständiger Refraktärität bilden und letztlich zu einer von Schlag zu Schlag alternierenden Erregung der entsprechenden Myokardzellen führen können. Smith und Cohen konnten zeigten, daß solche inhomogen repolarisierenden Myokardstrukturen einen im Oberflä- zierten oder hypertrophierten Myokard häufig der Fall ist (8, 10) (Grafik 1). Ob allein die oben genannten Mechanismen für die Alternansphänomenen zugeordnete, erhöhte Arrhythmieneigung verantwortlich sind, ist derzeit ebenso unklar wie, inwieweit das Auftreten eines elektrischen Alternans eine eher indikative oder eher die Arrhythmie auslösende und/oder aggravierende Bedeutung besitzt. Pathophysiologi- Tabelle Elektrischer T-Wellen-Alternans (TWA) in der historischen Entwicklung 1909 Hearing Erstbeschreibung eines elektrischen Alternans 1911 Lewis Elektrischer Alternans als pathophysiologisches Phänomen 1913/28 Mines und Taussig Experimentelle Untersuchungen zum elektrischen Alternans 1936 Hamburger Elektrischer Alternans und postmortal nachgewiesene Herzerkrankung 1948 Kalter und Schwartz Erhöhte Mortalität (bis 62 Prozent) beim Nachweis eines elektrischen Alternans 1950 Hellerstein und Liebow Experimenteller Nachweis eines elektrischen Alternans nach Koronarokklusion verbunden mit einer erhöhten Arrhythmieneigung 1971 Fisch T-Wellen-Alternans infolge abrupter Frequenzänderungen 1981 Adam und Cohen Mikrovolt-T-Wellen-Alternans 1988 Smith Einführung der Fast-Fourier-Transformationsanalyse 1991 Nearing Einführung der komplexen Demodulationsanalyse 1994 Rosenbaum Kontrollierte Studie mit Nachweis einer vergleichbaren prognostischen Bedeutung von T-Wellen-Alternans und programmierter Elektrostimulation chen-EKG sichtbaren, häufiger aber noch, subtiler ausgeprägte und mit den Augen kaum erkennbare Alternansphänomene (Mikrovolt-TWA) verursachen (14). In jedem Falle ist ein ischämiebedingter Alternans kausal mit regionalen Inhomogenitäten der myokardialen Repolarisation und Fragmentierungen der Erregungsfront verbunden (11, 15). Dies begünstigt das Auftreten polymorpher ventrikulärer Tachyarrhythmien, insbesondere auch wenn zusätzliche strukturelle Leitungsbarrieren vorliegen, wie dies im infar- A-2228 (56) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 36, 10. September 1999 sche Erkenntnisse hinsichtlich elektrischer Alternansphänomene wurden jüngst auch beim LQT3-Syndrom berichtet. Sie zeigen, daß hier eine Steigerung der Herzfrequenz mit einer alternierenden Aktionspotentialdauer insbesondere in den zwischen Endo- und Epikard gelegenen M-Zellen verbunden ist, die bis hin zur Umkehr der transmuralen Repolarisationsgradienten und zur T-Wellen-Inversion im OberflächenEKG führen kann (13). Als ursächlich wurde auch hier in erster Linie eine Störung der zellulären Kalziumhomöostase angenommen. ! M E D I Z I N KURZBERICHT Methodik und Referenzwerte trischer TWA vor, so wird neben der Amplitude der T-Wellen-Veränderungen häufig die Kenngröße K als Ausdruck des Verhältnisses zwischen Ausprägung des TWA in der FFT-Analyse und überlagernden Störsignalen angegeben. Liegt der dabei bestimmte Wert über 2,5 beziehungsweise 3, geht man von einem signifikanten elektrischen TWA aus (Grafik 2). Hinsichtlich der diagnostischen Zuverlässigkeit ist der Ein elektrischer TWA läßt sich gelegentlich bereits im OberflächenEKG erkennen. Definitionsgemäß handelt es sich dabei um Variationen der Amplitude und/oder der Morphologie der T-Welle beziehungsweise der ST-Strecke, die alternierend von Schlag zu Schlag auftreten. Allerdings setzt eine solche Bewertung einen konstanten Grafik 1 und regelmäßigen Sinusrhythmus (SchwankunA Linksventrikuläres EKG gen der RR-Intervalle < Kontrolle 20 msec) voraus. Okklusion Unter dem Gesichts1 min punkt des diagnostischen Ansatzes konzentriert 2 min sich die Erfassung eines 3 min elektrischen TWA in erKammertachykardie ster Linie auf „mikroKammerflimmern skopische“ Schwankun10 mV 1 sec gen in der T-Welle (auch als Mikrovolt-TWA beB Alternans-Niveau zeichnet), die in aufwenKammerflimmern (mV/msec) digen computergestütz30,0 ten Analysen aus dem Oberflächen-EKG herausgefiltert werden. Ein 20,0 solcher TWA tritt typischerweise bei jedem 10,0 zweiten Schlag auf und besitzt somit eine cha0 16, rakteristische Frequenz 0 , 0,0 12 von 0,5 Zyklen/Schlag. 60,0 8,0 140,0 Die Auswertung erfolgt 4,0 220,0 üblicherweise anhand ,0 0 Zeit nach KoronarZeit nach R-Zacke (msec) von 128 konsekutiven okklusion (min) und möglichst regelmäßigen Herzschlägen, A: Progressive Zunahme eines T-Wellen-Alternans (EKG abgeleitet aus wobei die Höhe der T- dem linken Ventrikel) bei akutem Verschluß des Ramus interventriculaWelle an einem relativ ris anterior. B: Dreidimensionale Darstellung des entsprechenden Alterzum QRS-Komplex fest- nansniveaus (y-Achse) für die Repolarisationsphase 60–220 msec gelegten Punkt vermes- nach der R-Amplitude (x-Achse) aufgetragen gegenüber der Zeit nach sen und Schlag-zu- Koronarokklusion (z-Achse). Das Auftreten von Kammerflimmern korSchlag-Variationen do- relierte eng mit dem Maximum alternierender T-Wellen-Veränderungen kumentiert werden. Ei- (modifiziert nach 8). ne sich anschließende „Fast - Fourier - Transformationsana- Nachweis eines elektrischen TWA yse“ (FFT, „beat-domain“) dient da- also eng mit der Fähigkeit des Unterzu, die T-Wellen-Veränderung zu suchungsansatzes und des Erfasidentifizieren, die die charakteristi- sungssystems verbunden, Störsignasche TWA-Frequenz von 0,5 Zy- le und Rauschüberlagerungen zu miklen/Schlag besitzt und diese von an- nimieren. deren periodischen Einflüssen (reAlternansphänomene können spiratorische Schwankungen, Bewe- bei jeder Herzfrequenz auftreten. Es gungsartefakte und andere) abzu- wurde in Untersuchungen der achtgrenzen. Liegt ein erkennbarer elek- ziger Jahre jedoch deutlich, daß ein elektrischer Mikrovolt-TWA sich bei der Mehrzahl der Patienten erst durch eine Anhebung der Herzfrequenz demaskieren läßt. Die Frequenzanhebung kann dabei durch eine hochfrequente Vorhofstimulation, die Belastungselektrokardiographie oder jüngst durch Atropinapplikation erfolgen (3, 11). Bei der Mehrzahl der Patienten ist dabei eine Herzfrequenz von 100 bis 120 pro Minute erforderlich und ausreichend, um einen latenten TWA zu erfassen (Sensitivität versus Spezifität: 42 Prozent versus 93 Prozent bei 100 Schläge/min, 65 Prozent versus 63 Prozent bei 120 Schläge/min). Die Invasivität einer Vorhofstimulation, Unklarheiten, ob im Belastungs-EKG ein spezifisches Protokoll, gegebenenfalls eine zu präferenzierende maximale oder submaximale Belastung erforderlich ist, oder die Schwierigkeit mittels Atropinapplikation eine erforderliche und konstante Herzfrequenz zu erreichen, sind Probleme, die bisher weniger den wissenschaftlichen Untersuchungsansatz als vielmehr die praktische Anwendung in der Klinik limitieren. Nach entsprechender Frequenzanhebung wird die T-Wellenanalyse meist mit einem kommerziell verfügbaren Analysesystem (zum Beispiel der Firma Cambridge Heart Inc., USA) unter Verwendung der Standardableitungen oder eines Frank orthogonalen EKG-Ableitungssystems und multi-segmentalen Elektroden zur Reduktion von Artefakten und Störsignalen durchgeführt. Klinische Bedeutung Ein breites klinisches Interesse erfuhr das Phänomen des elektrischen ST-Wellen-Alternans und TWA erstmals als Folge einer 1994 von Rosenbaum et al. publizierten Studie (12). Die Autoren beobachteten bei 83 Patienten mit der Indikation zur elektrophysiologischen Untersuchung, daß die Auslösbarkeit von anhaltenden Kammertachykardien und -flimmern, durch den Nachweis eines elektrischen TWA erfaßt mittels Vorhofstimulation, zuverlässig vorhersagbar war (relatives Risiko Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 36, 10. September 1999 (57) A-2229 M E D I Z I N KURZBERICHT Grafik 2 A Maximale T-Wellen-Höhe Mittel Minimale T-Wellen-Höhe EKG B 128 Schläge 200 50 Zeitweise 180 160 20 120 10 0 20 40 60 80 100 Anzahl der Schläge Atemeinfluß 30 FFT 140 100 Spektrum 40 0 0,0 120 BelastungsArtefakt Alternans 0,1 0,2 0,3 0,4 Frequenz (Zyklen/Schlag) 0,5 EKG C 128 Schläge 50 Atemeinfluß 40 Average FFT 30 Belastungs- Alternans Artefakt 20 10 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 Frequenz (Zyklen/Schlag) 0 0,0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 Frequenz (Zyklen/Schlag) A: Darstellung der T-Wellen-Veränderungen beim Auftreten eines im Oberflächen-EKG erkennbaren T-Wellen-Alternans. B: Erfassung solcher, allerdings im Ausmaß geringerer T-Wellen-Veränderungen während einer Serie von 128 Schlägen (Zeitserie) bei stets gleichem Meßpunkt in der T-Welle. Erst die folgende Fast-Fourier-Transformations-(FFT-)Analyse demaskiert das Vorliegen eines Mikrovolt-TWA mit charakteristischer Frequenz (0,5 Zyklen/Schlag). Abzugrenzen hiervon sind Artefakte durch Atmung et cetera. C: Erhöhung der Anzahl der Meßpunkte entlang der T-Welle mit folgender FFT-Analyse der Einzelreihen und Ermittlung eines Durchschnittswertes erlaubt die Erfassung des Ausmaßes eines Mikrovolt-TWA über die ganze T-Welle betrachtet. A-2230 (58) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 36, 10. September 1999 M E D I Z I N KURZBERICHT bei TWA-Quotienten >2,5 : 5,2). Dieses Ergebnis erwies sich als unabhängig davon, welche Herzkrankheit vorlag, und ebenfalls unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt der Untersuchung eine antiarrhythmische Therapie bestand oder nicht. Wurden die Patienten über 20 Monate nachverfolgt, so lag die Arrhythmiefreiheit bei 94 Prozent der Patienten ohne nachweisbaren Mikrovolt-TWA gegenüber 32 Prozent bei Patienten mit positivem TWA-Befund. Die prognostische Aussagekraft war unabhängig von jeder antiarrhythmischen Therapie und vergleichbar zur programmierten Elektrostimulation (Grafik 3). In zwei weiteren Veröffentlichungen berichtete die gleiche Arbeitsgruppe in den Folgejahren über analoge Ergebnisse, wenn die Vorhofstimulation durch eine Belastungsergometrie ersetzt wurde und daß die prognostische Aussagekraft eines elektrischen TWA der Erfassung von Spätpotentialen überlegen war (1, 11). TWA bei hypertropher Kardiomyopathie Die hypertrophe Kardiomyopathie als eigenständiges Krankheitsbild ist mit einer jährlichen Mortalität von 2,5 Prozent bei Kindern beziehungsweise 6 Prozent bei Erwachsenen und einem deutlich erhöhten Risiko für den plötzlichen Herztod verbunden. Eine positive Familienanamnese mit frühzeitigem plötzlichem Herztod, rezidivierende Synkopen, nichtanhaltende Kammertachykardien und ein inadäquater Blutdruckanstieg unter Belastung gelten als die wichtigsten klinischen Prädiktoren für das Auftreten lebensbedrohlicher Tachyarrhythmien. In einer kürzlich von Murda’h et al. publizierten Studie bei 54 Patienten mit hypertrophierter Kardiomyopathie fand sich ein belastungsinduzierter elektrischer Mikrovolt-TWA bei 75 Prozent der Patienten, die klinisch als Risikogruppe galten, aber nur bei 25 Prozent der Patienten der Niedrigrisikogruppe (7). Patienten mit anamnestisch anhaltenden ventrikulären Tachyarrhythmien wiesen stets einen elektrischen TWA auf. Analoge Befunde wurden von Mo- miyama et al. in einer weiteren Studie mit 14 Patienten berichtet, auch hier waren bei allen vier Patienten mit anhaltenden Tachyarrhythmien ein elektrischer TWA nachweisbar (5). TWA bei Herzinsuffizienz Das Vorliegen einer manifesten Herzinsuffizienz infolge einer koronaren oder primär myokardialen Herzerkrankung impliziert stets ein erhöhtes Risiko für den plötzlichen Herztod. Die Häufigkeit wird dabei mit 25 bis 40 Prozent der Todesfälle in den großen ACE-Hemmerstudien der neunziger Jahre angegeben. Bei der chronischen Herzinsuffizienz ist die myokardiale Schädi- Klingenheben und Hohnloser weisen einen deutlich ausgeprägten Mikrovolt-TWA bei bis zu 56 Prozent der untersuchten Patienten nach (4). Dieser korreliert mit einer erhöhten Mortalität und dem Auftreten tachykarder Herzrhythmusstörungen in der Nachbeobachtungsphase. Aus der gleichen Arbeitsgruppe liegen auch erste Befunde von Patienten nach überlebtem plötzlichem Herztod und mit implantiertem Defibrillator vor. Bei diesen Patienten war ein ereignisfreier Nachbeobachtungszeitraum bei Fehlen eines nachweisbaren Mikrovolt-TWA signifikant wahrscheinlicher und das Verfahren bisherigen Untersuchungsverfahren wie der programmierten Elektrostimulation, der Grafik 3 Arrhythmiefreie Patienten, nachbeobachtete Patienten (%) Arrhythmiefreie Patienten, nachbeobachtete Patienten (%) 100 100 90 90 80 80 70 70 60 60 50 50 40 40 30 30 Alternans negativ Alternans positiv 20 10 0 EPU negativ EPU positiv 20 10 A 0 4 8 12 16 20 Monate 0 B 0 4 8 12 Monate 16 20 Kaplan-Meier-Analyse zur Arrhythmiefreiheit stratifiziert nach den Ergebnissen der Mikrovolt-TWA-Erfassung (A) und den Ergebnissen der programmierten Elektrostimulation (B) (EPU) bei 66 Patienten mit einer Nachbeobachtungszeit von 20 Monaten. Ein nachweisbarer Mikrovolt-TWA (Ratio: > 3) wies die gleiche prognostische Aussagekraft auf wie die Auslösbarkeit von anhaltenden Kammerarrhythmien während programmierter Elektrostimulation (nach 11, 12). gung typischerweise durch ein Nebeneinander von Narbengewebe, akuter und chronischer Ischämie, Hypertrophie, Fibrose und anderem gekennzeichnet und prädisponiert damit zu alternierenden Veränderungen im Aktionspotential ebenso wie zu einer vermehrten Dispersion der Repolarisationseigenschaften im myokardialen Zellverband. Erste prospektive Untersuchungen in einem solchen Patientenkollektiv von Spätpotentialerfassung, der Herzfrequenzvariabilität und der Baroreflex-Sensitivität überlegen (2). TWA bei idiopathisch verlängertem QT-Intervall Ein idiopathisch verlängertes QT-Intervall ist in Abhängigkeit von Ausmaß, zugrundeliegender genetischer Abnormalität und äußeren Einflüssen (akute Streßsituationen, Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 36, 10. September 1999 (59) A-2231 M E D I Z I N KURZBERICHT plötzliche Frequenzsprünge und anderem) mit einem deutlich erhöhten Risiko für den plötzlichen Herztod verbunden. Ein im OberflächenEKG erkennbarer TWA gilt dabei seit längerem als entsprechender Prädiktor. Zareba et al. untersuchten 1994 erstmals das Phänomen eines Mikrovolt-TWA in dieser Patientengruppe und fanden eine enge Beziehung zwischen dem Ausmaß einer QT-Verlängerung (QTc) und dem Vorliegen eines solchen Alternans, jedoch ohne eigenständige prognostische Bedeutung desselben (16). In einem von Moss et al. geführten Register fand sich ebenfalls eine Korrelation zwischen Mikrovolt-TWA und dem QTc-Intervall. Das Vorliegen eines TWA war bei deutlich verlängertem QTc-Intervall mit einem erhöhten Risiko für schwerwiegende kardiale Ereignisse verbunden (6). TWA bei akuter transitorischer Myokardischämie und Prinzmetal-Angina Analog zu experimentellen Untersuchungen von Verrier und Nearing (15) zeigen einzelne klinische Befunde, daß ein akuter Koronargefäßverschluß in etwa der Hälfte der Fälle mit einem reversiblen elektrischen Alternans auf der Ebene des Aktionspotentials einhergeht. Nur selten bildet sich ein solcher Alternans im Oberflächen-EKG ab. Aussagekräftige und auf das Vorliegen eines Mikrovolt-TWA ausgerichtete klinische Untersuchungen mit dieser Fragestellung fehlen bisher. Gleiches gilt für die sogenannte Prinzmetal-Angina, für die seit Anfang der siebziger Jahre eine erhöhte Arrhythmieneigung beim Auftreten eines T-Wellen-Alternans im OberflächenEKG bekannt ist. Resümee Die diagnostische Erfassung eines Mikrovolt-TWA ist ein neues, aus pathophysiologischer und experimenteller Sicht interessantes Untersuchungsverfahren zum Nachweis eines erhöhten Risikos für einen plötzlichen Herztod. Das Verfahren selbst stützt sich auf seit langem be- kannte, im Oberflächen-EKG erkennbare Alternans-Phänomene der ST-Strecke und der T-Welle. Deren Pathomechanismus scheint weitgehend identisch zu sein mit einer erhöhten elektrischen Vulnerabilität und Arrhythmieneigung des Myokards auf dem Boden von Inhomogenitäten der myokardialen Erregungsausbreitung und Repolarisation. Es muß gegenwärtig allerdings offen bleiben, ob die computergestützte Erfassung und Analyse von In der Serie „Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik“ sind bisher erschienen: (1) Editorial „Neue Methoden in der kardialen Funktionsdiagnostik“, Löllgen H, Lüderitz B: Dt Ärztebl 1999; 96: A-1486–1487 [Heft 22] (2) Hust H, Heck K F, Keim MW: „Kipptisch-Test zur Diagnostik vasovagaler Synkopen“. Dt Ärztebl 1999; 96: A-1488–1492 [Heft 22] (3) Hohnloser SH: „Untersuchung der Barorezeptorenfunktion“. Dt Ärztebl 1999; 96: A-1716–1719 [Heft 25] (4) Lewalter T, Jung W, Lickfett L, et al.: „QT-Dispersion“. Dt Ärztebl 1999; 96: A-1835–1838 [Heft 27] (5) Löllgen, H.: „Herzfrequenzvariabilität“. Dt Ärztebl 1999; 96: A-2029–2032 [Heft 31-32] (6) Löllgen, H.: „Chronotrope Inkompetenz“. Dt Ärztebl 1999; 96: A-2089–2092 [Heft 33] mikroskopischen Alternans-Veränderungen der T-Welle, wie sie sich bei erhöhten Herzfrequenzen demaskieren können, eine prognostisch relevante und gegebenenfalls mehr oder weniger spezifische Bedeutung für das Auftreten tachyarrhythmischer Komplikationen oder die Gesamtmorbidität und -mortalität des Patienten besitzen. Offen bleibt auch, ob im positiven Falle diese unabhängig von anderen Risikoparametern und vergleichbaren Stratifikationsverfahren überlegen A-2232 (60) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 36, 10. September 1999 ist beziehungsweise solche Verfahren ergänzen kann. Für Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz, QT-Syndrom und hypertropher Kardiomyopathie scheint eine solche Bedeutung derzeit noch am ehesten möglich, jedoch darf nicht verkannt werden, daß bisher für die einzelnen Bereiche nur vergleichsweise wenige, methodisch häufig unterschiedlich erhobene und in der Breite kaum vergleichbare Befunde vorliegen. Es ist ferner unklar, ob bei diesen Patienten ein Mikrovolt-TWA eine ursächliche Bedeutung für eine erhöhte Arrhythmieneigung besitzt, oder bei gleicher Ursache (zum Beispiel Myokardischämie) eher ein diagnostisch verwendbares Epiphänomen darstellt. Letztlich erscheinen auch zahlreiche Fragen in bezug auf die praktische Erfassung eines Mikrovolt-TWA oder dessen Bewertung zum Beispiel gegenüber größeren Kontrollkollektiven und Normalpersonen derzeit noch nicht beantwortet. Dies alles soll jedoch nicht das wissenschaftliche Interesse an einem neuen Untersuchungsansatz in einem wichtigen Bereich der kardiovaskulären Diagnostik mindern. Es ist aber aus zahlreichen früheren Erfahrungen ein vernünftiges Maß an Zurückhaltung begründet, ein solches Verfahren, mit dem bisher in publizierter Form weltweit erst einige hundert Patienten untersucht wurden, gegenwärtig in die Routinediagnostik für die Risikoabschätzung des plötzlichen Herztods einzuführen. Zitierweise dieses Beitrags: Dt Ärztebl 1999; 96: A-2227–2232 [Heft 36] Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser und über die Internetseiten (unter http://www.aerzteblatt.de) erhältlich ist. Anschrift des Verfassers Priv.-Doz. Dr. med. Manfred Zehender Innere Medizin III Universitätsklinik Freiburg Hugstetter Straße 55 79106 Freiburg