Bakterien in Dialysewassersystemen Identifizierung von Bakterien in Dialysewasser Das in der Hämodialyse verwendete Wasser muss hohen Qualitätsansprüchen genügen und daher auch regelmäßig kontrolliert werden. Bakterien, die sich in Dialysewasser vermehren können, sind eine potentielle Quelle für verschiedenste Risiken aller Art, sowohl bekannte als auch bislang unentdeckte. Die Kenntnis der Arten hilft dabei, diese Gefahrenquellen zu identifizieren und die Lebensweise der Bakterien in diesem nährstoffarmen Milieu besser zu verstehen. Die meisten Bakterienarten sind unbekannt Bakterien kommen überall vor. Trotz ihrer geringen Größe sind Sie keine primitiven Organismen. Allerdings kann nur ein geringer Teil der natürlich vorkommenden Arten im Labor kultiviert und so leicht nachgewiesen werden. So sind derzeit lediglich ca. 14.300 verschiedene Spezies gesichert beschrieben1. Zum Vergleich: Bislang wurden weltweit etwa 350.000 Arten von Käfern entdeckt. Die tatsächliche Vielfalt der Bakterien ist um Größenordnungen höher und kann nur erahnt werden. So wurden für komplexe Standorte wie Erdböden die Anzahl der unterschiedlichen Spezies auf bis zu 500.000 geschätzt2. Biofilme bilden sich häufig an der Grenzschicht zwischen festem Substrat und Flüssigkeiten. Sie bestehen aus einem Verbund von Zellen, der in eine schleimartige Matrix eingebettet ist. Diese stellt eine Schutzschicht gegen äußere Einflüsse dar und die Zellen im Biofilm können leichter Nährstoffe austauschen. 18 Spektrum der Dialyse & Apherese I Vol 05, No 2, 2015 Der Großteil der Bakterien kommt natürlicherweise nicht „frei“ vor, sondern bildet an festen Substraten einen anhaftenden Biofilm3, meistens in Gesellschaft mit anderen Mikroorganismen. Dieser Zustand ist für die Vermehrung vieler Bakterien sogar obligatorisch, so dass einzelne Arten aus dem Verbund oft nicht isolierbar sind. Wie werden kultivierbare Arten in Dialysewasser bestimmt? Eine Artbestimmung mittels der im Labor üblichen sogenannten „bunten Reihen“ (Testung von einigen physiologischen Merkmalen) wäre für Isolate aus Dialysewasser unzureichend, da diese Systeme nur für ein begrenztes Spektrum von vorwiegend pathogenen Keimen konzipiert sind. Zur exakten Bestimmung eines Isolates ist die Analyse einer Vielzahl von genetischen, morphologischen, phänotypischen und chemotaxonomischen Merkmalen notwendig, was jedoch sehr aufwändig ist. Daher beschränkt man sich vorwiegend auf die molekulargenetische Bestimmung eines oder weniger Gene mittels der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) und einer anschließenden Sequenzierung der DNA. Über den Vergleich der erhaltenen Sequenz mit Sequenzen bereits identifizierter Arten in frei zugänglichen Datenbanken ist so bereits eine Zuordnung zu einer Gattung möglich. Hierdurch können dann Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Bakterien wie eine mögliche Pathogenität oder Toxizität gezogen werden. Identifizierte Bakterien in Dialysewasser Bei den in der Literatur beschriebenen Bakterienarten in Dialysewasser sind überwiegend Gramnegative Alpha-, Beta- und Gammaproteobakterien identifiziert worden4-9. Viele Vertreter dieser Bakterien bilden Endotoxine10, was deren regelmäßiges Vorkommen in mikrobiologisch belasteten Dialysewassersystemen erklärt. Bei Kultivierung in flüssigem Nährmedium im Labor bilden viele Arten dieser Gruppen auffällige Aggregate, die mit bloßem Auge erkennbar sind. Im Mikroskop sind diese als große Zellverbände erkennbar, ähnlich wie bei einem Biofilm (Abb. 1). Es kann davon ausgegangen werden, dass sich diese Bakterien in Wasserkreisläufen von Dialysezentren ähnlich verhalten. Für manche Vertreter der Proteobakterien, darunter auch für solche, die in Dialysewasser gefunden werden, ist in der Literatur die Fähigkeit beschrieben, eine Vielzahl von anthropogenen Substanzen wie z. B. Pestizide abzubauen, die für andere Bakterien sogar toxisch sind. Diese Substanzen und deren Abbauprodukte können den Organis- Abb. 1: Mikroskopisches Bild eines bakteriellen Zellaggregates (Bosea sp.), isoliert aus Dialysewasser und im Labor vermehrt. Neben dem Zellcluster sind einzelne Zellen erkennbar. men innerhalb eines Biofilms als Nährstoffe dienen. Darüber hinaus sind Bakterien identifiziert worden, die in der Lage sind, den im Wasser gelösten Stickstoff für sich und andere Organismen verfügbar zu machen. Vermutlich ermöglicht dieses Zusammenspiel von verschiedenen Mikroorganismen im Biofilm ein Wachstum in einem an sich nährstoffarmen Wassersystem. Neben Proteobakterien werden gelegentlich Vertreter der Gram-positiven Gattung Bacillus und verwandter Taxa in Dialysewasser gefunden4-9. Diese zum Teil pathogenen Bakterien bilden sogenannte Endosporen, Überdauerungsformen, die sehr resistent gegen Hitze, chemische Einflüsse und sogar Strahlung sind. Diese Endosporen sind überall in jeder nicht sterilisierten Umgebung nachweisbar. Ob Bacilli in Dialysewasser lediglich in Form von inaktiven Sporen vorkommen oder sich auch vermehren ist bislang noch nicht geklärt. Endotoxine, auch als Pyrogene bekannt (vom griechischen pyros, „Feuer“), verursachen beim Menschen schon in sehr geringer Konzentration hohes Fieber. Darum muss alles, was mit Blut von Patienten in Kontakt kommt, auf Endotoxine überprüft werden. Der Nachweis von Endotoxinen in Dialysewasser dient als Indikator für eine bakterielle Kontamination. Ausblick Mittels moderner molekularbiologischer Methoden wie Metagenomik ist es mittlerweile möglich, auch solche Mikroorganismen nachzuweisen und zu analysieren, die nicht kultivierbar sind. Dabei steht die umfassende Charakterisierung eines kompletten Biotops statt einzelner Spezies im Focus. Diese Studien belegen, dass es viel mehr Bakterienarten gibt als bislang angenommen. Allerdings wird hierdurch deutlich, dass wir nur ein oberflächliches Wissen über die mikrobielle Welt haben. Artikel Online Literatur / Quellenangaben: 1 Leibniz Institute DSMZ-German Collection of Microorganisms and Cell Cultures, Germany, Prokaryotic Nomenclature Up-to-date. 2 Dykhuizen (1998) Antonie van Leeuwenhoek 73: 25-33. 3 Hansen (2013) Spektrum der Dialyse und Apherese 8: 36-37. 4 Arvanitidou et al., (2003) J Appl Microbiol 95: 180-185. 5 Bambauer et al. (1994) ASAIO J 40: 1012–1016. 6 Borges et al. (2007) J Appl Microbiol 103: 1791-1797. 7 Gomila et al. (2005) FEMS Microbiol Ecol 52: 101-114. 8 Gomila et al. (2006) Kidney Res 70: 1567-1576. 9 Oie et al. (2003) J Hosp Infect 54:115-119. 10Lohmeyer M (2013) Spektrum der Dialyse und Apherese 7: 28-30. Praxishandbuch Hygiene in Dialysewassersystemen Inhalt Mikrobiologische und rechtliche Grundlagen Die richtige Probenahme Bewertung von Befundbeispielen Maßnahmeempfehlungen Bestellen Sie sich das kostenlose Praxishandbuch „Hygiene in Dialysewassersystemen“ Mikrobiologisches Grundlagenwissen Rechtliche Aspekte Schritt für Schritt Anleitung mit Fotos zur richtigen Probenahme Bewertung von Befundbeispielen Maßnahmeempfehlungen, u. v. m. Telefon +49 (0) 251 / 14 37 65 [email protected] 19