Forschungsschwerpunkte – Daniel Herwartz Radiometrische Altersdatierungen sind in den Erdwissenschaften oft die einzige Möglichkeit, um die Zeitdauer geologischer Prozesse zu quantifizieren. Neben den bekannteren Zerfallssystemen wie ‚Uran-Blei’, ‚Kohlenstoff 14’ oder ‚Rubidium-Strontium’ gibt es eine ganze Reihe von weniger bekannten Altersdatierungsmethoden. In meinen Forschungsarbeiten habe ich mich vor allem mit den Möglichkeiten des Lutetium-Hafnium-Systems auseinandergesetzt, bei dem das radioaktive Isotop 176 Lutetium (Lu) mit einer Halbwertszeit von circa 37 Milliarden Jahren zu dem stabilen Isotop 176 Hafnium (Hf) zerfällt. Lu-Hf-Isotope als Werkzeug für die Datierung von Granat Klassischerweise wird das Lu-Hf-Zerfallssystem zur Datierung des Minerals Granat verwendet. Zum Beispiel habe ich in meiner Diplomarbeit Granate aus den Alpen datiert, die aus dem metamorphen Gestein Eklogit stammen. Da sich Granat in diesen Gesteinen nur unter sehr hohem Druck bildet, konnte ich so den Zeitpunkt datieren, zu dem sich die Gesteinsprobe in circa 50 km Tiefe befunden hat. Durch Vergleiche mit den Bildungsaltern anderer Gesteine aus den Alpen lassen sich so Rückschlüsse über die Entstehungsgeschichte der Alpen ziehen. In meiner Dissertation ist es mir gelungen, zwei Granatgenerationen aus ein und derselben Gesteinsprobe zu datieren. Die untersuchte Eklogitprobe aus der Adula-Decke in den Zentralalpen enthielt eine ältere (mind. 336 Millionen Jahre) und eine jüngere (max. 38 Millionen Jahre) Granatgeneration. Diese Granate wurden während zwei verschiedener Gebirgsbildungsphasen gebildet. Die ältere Granatgeneration stellt ein Relikt aus einem früheren Subduktionszyklus dar, welcher im Zusammenhang mit der sogenannten Variszischen Gebirgsbildung stand, aus der auch die deutschen Mittelgebirge hervorgegangen sind. Die Probe wurde dann im Zuge der Alpidischen Gebirgsbildung noch einmal bis in Tiefen von circa 60 km versenkt, wo es nochmals zum Granatwachstum kam. Schließlich wurden die granathaltigen Gesteine der Adula-Decke auf das heutige Niveau von circa 2500 m über N.N. herausgehoben. Anhand der chemischen Zusammensetzung der Granate sowie der geologischen Befunde aus der Literatur komme ich mit meinen Koautoren zu dem Schluss, dass nicht nur die uncçêëÅÜìåÖëëÅÜïÉêéìåâíÉ=Ó _ÉêåÇ=oÉåÇÉäJmêÉáë=OMNN a~åáÉä=eÉêï~êíò= pí~åÇ ^ìÖìëí OMNN DFG Seite 2 von 3 tersuchte Gesteinsprobe, sondern die gesamte tektonische Adula-Decke als über 1000 km2 großer, zusammenhängender Krustenblock zweimal in Tiefen von über 50 km subduziert worden ist. Diese und andere Arbeiten, welche mehrere Granatgenerationen beschreiben, legen nahe, dass eine derart komplizierte geologische Geschichte keine Ausnahme darstellt, sondern eher den Regelfall. Die Untersuchung solcher geodynamischer Prozesse der Subduktion kontinentaler Kruste ist einer meiner derzeitigen Forschungsschwerpunkte. Lu-Hf-Isotope in fossilen Knochen Der größere Teil meiner Doktorarbeit beschäftigt sich jedoch mit der chemischen Zusammensetzung fossiler Knochen und den Elementaustauschprozessen, die bei deren Fossilisation ablaufen. Stirbt ein Tier, zersetzen sich zunächst seine organischen Komponenten, also auch das Kollagen und die Blutgefäße in den Knochen. Unter günstigen Umweltbedingungen werden die dabei entstehenden Hohlräume dann durch Calciumphosphat und/oder andere Sekundärminerale aufgefüllt, sodass der Knochen meist innerhalb von einigen tausend Jahren versteinert. Bei diesem Fossilisationsprozess nimmt der Knochen aus seiner Umgebung eine Vielzahl von Elementen auf, zu denen auch das Lutetium gehört. Mittels des Lu-HfZerfallssystems konnte ich deshalb untersuchen, ob sich fossile Knochen als geschlossene Systeme verhalten. Fände nach dem Fossilisiationsprozess kein weiterer Elementaustausch mit der Umgebung statt, so wäre mittels Lu-Hf-Zerfallssystems sogar eine direkte radiometrische Datierung fossiler Knochen möglich. Interessanterweise stellte sich jedoch heraus, dass es in den meisten untersuchten Fossilfundstellen einen ganz massiven Austausch zwischen dem Sediment und den fossilen Knochen gegeben haben muss, da die ermittelten Lu-Hf-Alter immer signifikant jünger waren als die Alter der fossilführenden Sedimente. Auch fossile Zähne, welche aufgrund ihrer größeren Apatitkristalle und dem geringen Anteil an organischer Substanz als widerstandsfähiger gelten, ergaben zu junge Lu-Hf-Alter. So lieferte der Fangzahn eines Mastodonsaurus, dem größten Amphib aller Zeiten, aus der Fundstelle Vellberg (Baden Württemberg) ein LuHf-Alter von nur etwa 65 Millionen Jahren, obwohl laut geologischer Schichtenfolge ein Alter von etwa 234 Millionen Jahren zu erwarten war. Die zu jungen Lu-Hf-Alter zeigen, dass die Aufnahme von Lu in den Knochen vermutlich nicht über nur Jahrtausende andauerte, sondern viel länger, über Zeiträume von Millionen von Jahren vonstatten ging. Außerdem wurde ein beträchtlicher Teil des Tochterisotops 176 Hf, welches im Knochen aus dem Zerfall von 176 Lu entstanden ist, aus dem Fossil heraustransportiert. Diese Ergebnisse zeigen klar, dass Fossilisations- beziehungsweise cçêëÅÜìåÖëëÅÜïÉêéìåâíÉ=Ó _ÉêåÇ=oÉåÇÉäJmêÉáë=OMNN= a~åáÉä=eÉêï~êíò= pí~åÇ=^ìÖìëí=OMNN= DFG Seite 3 von 3 Elementaustauschprozesse fossiler Knochen über viel längere Zeitskalen ablaufen als bisher bekannt. Da der Elementaustausch zwischen Fossil und Umgebung über Diffusion erfolgt, untersuche ich derzeit fossile Knochen aus Fundstellen, deren einbettende Sedimente möglicherweise keine oder nur wenig Diffusion zulassen und so den Knochen möglicherweise von außen abschließen. cçêëÅÜìåÖëëÅÜïÉêéìåâíÉ=Ó _ÉêåÇ=oÉåÇÉäJmêÉáë=OMNN= a~åáÉä=eÉêï~êíò= pí~åÇ=^ìÖìëí=OMNN= DFG