Zweisprachigkeit trainiert das Gehör

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01. Mai 2012, 07:20 Uhr
Hirnforschung
Zweisprachigkeit trainiert das Gehör
Mehrsprachig aufzuwachsen schult anscheinend auch die Fähigkeit, Sprache von
Störgeräuschen zu unterscheiden. Bei einem entsprechenden Test hängten bilinguale
Jugendliche ihre einsprachig erzogenen Altersgenossen locker ab.
Wer als Kind zwei Sprachen lernt, kann sich nicht nur vielseitiger verständigen, sondern verbessert auch
sein Gehör: Zweisprachigen Menschen fällt es laut einer aktuellen Studie leichter, eine Silbe von
Störgeräuschen zu unterscheiden. Bilinguale Teenager konnten im Experiment die einfache, keiner
bestimmten Sprache zugeordnete Silbe "da" aus einem Gewirr von Musik und Stimmen besser
heraushören als Gleichaltrige, die nur eine Sprache beherrschten.
Diese Fähigkeit gehe über die bisher bekannten Effekte der Bilinguität hinaus: Sie basiere auf einer
effektiveren Verarbeitung von Lauten im Hirnstamm, dem primitivsten Hirnteil, berichten die Forscher im
Wissenschaftsmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences". Bisher kannte man solche tief
greifenden Anpassungen der Hörfähigkeit nur von Profimusikern.
"Zweisprachige Menschen sind natürliche Jongleure", sagt Studienleiterin Nina Kraus von der
Northwestern University in Evanston. Ihr Gehirn arbeite ständig mit verschiedenen sprachlichen Reizen.
Die Herausforderung, von Kindheit an zwei Sprachen erkennen und unterscheiden zu müssen, mache das
Gehirn offenbar aufmerksamer für alle sprachtypischen Reize. "Die Bilingualität fördert damit die
Fähigkeit, generell den Klang menschlicher Sprache aus der Umgebung herauszupicken und unwichtige
Geräusche zu ignorieren", sagt Kraus.
Silbe aus Geräuschsalat herausgehört
Es war bereits bekannt, dass sich die Zentren für Sprachverarbeitung und Gedächtnis in der
Großhirnrinde verändern, wenn sie bilingual aufwachsen. Nun sei festgestellt worden, dass sich diese
neuronale Spezialisierung auch auf untergeordnete, grundlegendere Fähigkeiten und Gehirnbereiche
erstrecke, schreiben die Forscher. Ob dieser Effekt auch auftritt, wenn man eine zweite Sprache später
im Leben erlernt, wollen die Wissenschaftler nun in weiteren Experimenten herausfinden.
Die Forscher untersuchten die Hörfähigkeit von 23 zweisprachig (Englisch/Spanisch) aufgewachsenen
Jugendlichen und 25 Teenagern, die nur Englisch sprechen. Im ersten Versuchsteil hörten die Probanden
über einen Kopfhörer mehr als 6000 Mal in verschiedenen Abständen die gesprochene Silbe "da". Über
am Kopf befestigte Elektroden zeichneten die Forscher das typische Hirnstrommuster der am Hören
beteiligten primitiveren Gehirnbereiche auf.
Im eigentlichen Test spielten die Forscher erneut mehrfach diese Silbe ein - einmal ohne Störgeräusche,
einmal inmitten eines Stimmengewirrs von weiblichen und männlichen Sprechern, die sinnlose englische
Sätze durcheinanderredeten. Über die Elektroden registrierten die Forscher, wie häufig und gut die
untersuchten Hirnbereiche unter diesen erschwerten Bedingungen noch auf die "da"-Silbe reagierten.
"Der Hirnstamm der zweisprachigen Teenager reagierte deutlicher auf den Schlüsselreiz in Form der
Silbe", berichten Kraus und ihre Kollegen. Besonders ausgeprägt sei dieser Unterschied während des
Stimmengewirrs gewesen. "Die größere Erfahrung mit verschiedenen Klängen hat das Hörsystem der
Zweisprachigen effektiver, fokussierter und flexibler gemacht, es arbeitet daher vor allem unter
schwierigen Bedingungen besser", erklärt die Forscherin.
wbr/dapd
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