Nationale Referenzzentrale für Campylobacter Jahresbericht 2013 AGES – Institut für medizinische Mikrobiologie Graz Zentrum für lebensmittelbedingte Infektionskrankheiten Beethovenstrasse 6 A-8010 Graz Tel. 050555-61217 E-Mail: [email protected] Ansprechpersonen: Dr. Sandra Jelovcan Dr. Christian Kornschober Zusammenfassung Im Jahr 2013 wurden in Österreich 5.786 Fälle von Campylobacteriose registriert (EMS, Stand 20.02.2014). Die Jahresinzidenz betrug 68,3 Fälle pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner und war damit höher als die durchschnittliche Jahresinzidenz der Vorjahre. Campylobacteriose war entsprechend den Vorjahren in allen Bundesländern die häufigste lebensmittelassoziierte Infektion. Die beiden Spezies Campylobacter jejuni und Campylobacter coli waren für 99,5 % der Campylobacteriosen verantwortlich. Die Ciprofloxacin-Resistenzrate von Campylobacter spp. betrug 63,5 %. Die Resistenzrate gegenüber Tetracyclinen betrug 22,5 %. Es wurde keine Resistenz gegenüber Makroliden festgestellt. Summary In 2013, a total of 5,786 cases of campylobacteriosis were reported in Austria (EMS as of February 20th 2014). The annual incidence was 68.3 per 100,000 population being higher than the annual average incidence of the previous years. Again, campylobacteriosis was the most frequently reported food-associated infection in all provinces. The two species Campylobacter jejuni and Campylobacter coli accounted for 99.5 % of these campylobacterioses. Resistance to ciprofloxacin was present in 63.5 % of the Campylobacter isolates. The resistance-rate to tetracyclines was 22.5 % and no resistance to macrolides was observed. 1 Einleitung Die Campylobacteriose stellt in der Europäischen Union seit Jahren neben der Salmonellose die wichtigste lebensmittelassoziierte Infektion dar. Im Jahr 2012 waren EU-weit 214.268 bestätigte Fälle von Campylobacter-Infektion und 91.034 bestätigte Fälle von Salmonellose sowie 5.363 lebensmittelassoziierte Ausbrüche registriert worden [1]. Campylobacter-Infektionen in Österreich Häufigkeit des Auftretens und zeitlicher Verlauf Im Jahr 2013 wurden in Österreich insgesamt 5.786 Fälle von Campylobacteriose registriert (EMS-Meldedaten, Stand 20.02.2014). Die Jahresinzidenz der Campylobacteriose lag österreichweit bei 68,3/100.000 Einwohnerinnen und Einwohner und war damit höher als die durchschnittliche Jahresinzidenz der Jahre 2006 bis 2012 (61,9 Erkrankungen/100.000 EW) (Abb. 1). Abbildung 1: Gemeldete Fälle und Inzidenz der Campylobacteriose, Österreich, 2006-2013. Datenquelle: 20062008 AGES; ab 2009 EMS (Elektronisches Meldesystem), Abteilung Infektionsepidemiologie, AGES IMED Wien 2 Regionale Verteilung Die höchste Inzidenz der Campylobacteriose wurde in Tirol mit 114,8 Erkrankungen/ 100.000 EW verzeichnet (Abb. 2). Über dem bundesweiten Wert liegende Inzidenzen wurden weiters in Vorarlberg (76,8/100.000 EW) und im Burgenland (78,1/100.000 EW) registriert, die niedrigste in Kärnten mit 53,8 Erkrankungen/100.000 EW. In allen Bundesländern mit Ausnahme von Wien überstieg die Inzidenz den bundesländerspezifischen Jahresmittelwert der Vorjahre. Eine markante Zunahme wurde hierbei für das Burgenland (plus 48,6 %), für Kärnten (plus 34,1 %) und für Oberösterreich (plus 29,7 %) verzeichnet. Abbildung 2: Inzidenz der Campylobacteriose in Österreich nach Bundesländern, 2013. Datenquelle: 2006-2008 AGES; ab 2009 EMS (Elektronisches Meldesystem), Abteilung Infektionsepidemiologie, AGES IMED Wien Saisonaler Verlauf sowie Alters- und Geschlechtsverteilung Im Jahr 2013 wurden 5.100 Campylobacter-Erstisolate an die Referenzzentrale eingesandt. Ein vermehrtes Aufkommen von Campylobacter-Isolaten wurde in den Monaten Juni bis Oktober verzeichnet, mit einem Maximum in den Monaten Juni und Juli (Abb. 3). Erkrankungen durch Campylobacter spp. traten in allen Altersgruppen auf, wobei typischerweise zwei Erkrankungsgipfel zu beobachten sind: bei Kindern unter 5 Jahren und bei jungen Erwachsenen in der Altersgruppe 15-24 Jahre (Abb. 4, Meldedaten). Männer (54,7 %) waren häufiger von einer Campylobacteriose betroffen als Frauen (45,3 %). Das mittlere Alter bei einer Infektion mit Campylobacter jejuni bzw. coli betrug 30,5 bzw. 35,8 Jahre, jedoch 56,5 Jahre bei 3 Infektionen mit anderen Campylobacter-Arten (Tab. 1). Diese Angaben basieren auf Daten (N= 4.959) der nationalen Referenzzentrale. Abbildung 3: Saisonaler Verlauf, Campylobacter-Erstisolate, nationale Referenzzentrale 2013. 2006-2012: monatliche BMG-Meldedaten; 2013: Erstisolate der nationalen Referenzzentrale Abbildung 4: Inzidenz der Campylobacteriose nach Altersgruppen, Österreich, 2013. Datenquelle: 2006-2008 AGES; ab 2009 EMS (Elektronisches Meldesystem), Abteilung Infektionsepidemiologie, AGES IMED Wien. 4 Tabelle 1: Verteilung der Campylobacter-Erstisolate nach Altersgruppen und Geschlecht, Daten der nationalen Referenzzentrale 2013 Campylobacter spp. C. jejuni C. coli andere Spezies Altersgruppe G M W G M W G M W G M W <1 Jahr 96 52 44 88 46 42 8 6 2 0 0 0 1 bis 4 Jahre 367 217 150 336 200 136 29 15 14 2 2 0 5 bis 14 Jahre 463 283 180 426 262 164 36 20 16 1 1 0 15 bis 24 Jahre 969 541 428 859 487 372 109 54 55 1 0 1 25 bis 44 Jahre 1.392 721 671 1.229 633 596 160 87 73 3 1 2 45 bis 64 Jahre 960 537 423 835 478 357 117 56 61 8 3 5 65 Jahre od. älter 712 362 350 608 323 285 96 38 58 8 1 7 alle Altersgruppen 4.959 2.713 2.246 4.381 2.429 1.952 555 276 279 23 8 15 25% Quartil 18,9 17,8 20,2 18,5 17,5 19,8 21,7 20,6 23,0 43,4 10,4 49,4 Median 31,2 30,6 31,8 30,5 29,9 31,1 35,8 35,1 39,2 56,5 36,4 57,2 75% Quartil 51,9 51,6 52,6 51,5 51,5 51,4 54,3 53,3 59,3 67,8 63,1 70,7 G = gesamt , M = männlich, W = weiblich Speziesverteilung Von 5.107 an die Referenzzentrale eingesandten Erstisolaten wurde eine Speziesdifferenzierung durchgeführt. 5.100 Isolate konnten dem Genus Campylobacter zugeordnet werden, vier Isolate wurden als Helicobacter spp. und drei als Arcobacter spp. identifiziert. Von den 5.100 Campylobacter-Isolaten waren 4.498 (88,2 %) C. jejuni, 579 C. coli (11,4 %) und 23 (0,5 %) sonstige Campylobacter spp. ("andere") (Abb. 5). 5 Abbildung 5: Differenzierung der Campylobacter-Erstisolate nach Spezies (%), Daten der nationalen Referenzzentrale 2013 Antibiotikaresistenz-Entwicklung von Campylobacter spp. in Österreich Im Rahmen des Sentinel Surveillance Programms mit klinischen Isolaten (N=458) aus vier Diagnostiklabors aus den Bundesländern Vorarlberg, Salzburg, Steiermark und Wien wurde die Resistenz gegenüber klinisch relevanten bzw. epidemiologisch wichtigen Antibiotika durch Bestimmung der Minimalen Hemmkonzentration (MHK) mittels Bouillon-Mikrodilutionsmethode untersucht. Die Auswertung der MHK-Daten zu den antimikrobiellen Wirkstoffen Erythromycin, Ciprofloxacin und Tetracyclin erfolgte gemäß den klinischen Breakpoints nach EUCAST für Campylobacter jejuni/coli [2] (Tab. 2). Die Analyse der weiteren Antibiotika erfolgte mittels epidemiologischen Cut-Off Werten (ECOFF) nach EUCAST [3]. Neomycin wurde nur bei C. coli ausgewertet. Bei Imipenem wurde der klinische Breakpoint für Enterobacteriaceae für die Datenanalyse herangezogen. 6 Tabelle 2: Übersicht über untersuchte Antibiotika, Breakpoints (µg/ml) und Messbereiche der MHK-Testung (µg/ml) Spezies C. jejuni C. coli 1 klinische Breakpoints EUCAST ECOFFs EUCAST S≤ R> R> antimikrobieller Wirkstoff Abk. Ampicillin AMP - - 8 1-64 Chloramphenicol CHL - - 16 2-64 Ciprofloxacin CIP 0,5 0,5 0,5 0,06-32 Erythromycin ERY 4 4 4 0,25-128 Gentamicin GEN - - 2 0,12-16 Imipenem IMI - 8 - 0,06-16 Nalidixinsäure NAL - - 16 2-256 Neomycin NEO - - - 0,12-8 Streptomycin STR - - 4 0,5-32 Tetracyclin TET 2 2 1 0,12-64 Ampicillin AMP - - 8 1-64 Chloramphenicol CHL - - 16 2-64 Ciprofloxacin CIP 0,5 0,5 0,5 0,06-32 Erythromycin ERY 8 8 8 0,25-128 Gentamicin GEN - - 2 0,12-16 1 1 Messbereich Imipenem IMI - 8 - 0,06-16 Nalidixinsäure NAL - - 16 2-256 Neomycin NEO - - 4 0,12-8 Streptomycin STR - - 4 0,5-32 Tetracyclin TET 2 2 2 0,12-64 EUCAST klinischer Breakpoint für Enterobacteriaceae S= sensibel, R = resistant Von den 458 untersuchten Isolaten waren 410 von der Spezies C. jejuni, bei 48 Isolaten handelte es sich um C. coli. Gegen Tetracyclin waren 22,5 % der Campylobacter-Isolate resistent, gegenüber Ciprofloxacin 63,5 % (Analyse mittels EUCAST klinischer Breakpoints) (Tab. 3). Resistenz gegenüber Erythromycin konnte nicht festgestellt werden. In Abbildung 6 finden sich die Verteilung der MHK-Werte und die Resistenzraten der C. jejuni- bzw. C. coli-Isolate für die oben genannten sowie für weitere Antibiotika (analysiert anhand EUCAST ECOFFs, ausgenommen Imipenem). Sowohl C. jejuni als auch C. coli waren gegenüber Gentamicin, Chloramphenicol und Imipenem empfindlich. Eine hohe Resistenzrate wurde für Ampicillin sowohl bei C. jejuni als auch bei C. coli beobachtet. Die Ciprofloxacin- bzw. Nalidixinsäure-Resistenzrate war in beiden Populationen annähernd gleich hoch, die Tetracyclin Resistenz war hingegen in C. coli mit 37,5 % signifikant höher als in C. jejuni mit 21,5 %. 7 Tabelle 3: Antibiotika-Resistenzraten von Campylobacter spp. und nach Spezies, Daten der nationalen Referenzzentrale 2013 (N=458). Klinische Breakpoints, EUCAST. Erythromycin Tetracyclin Ciprofloxacin % resistent % resistent % resistent C. jejuni 0,0 20,7 63,2 C. coli 0,0 37,5 66,7 Campylobacter spp. 0,0 22,5 63,5 Spezies Abbildung 6: Verteilung der MHK-Werte und Resistenz bei Campylobacter jejuni und Campylobacter coli, Daten der nationalen Referenzzentrale 2013 (N=458). ECOFFs, EUCAST. MHK-Verteilung (%) AMP resistent (%) 28,3 CHL 0,0 AB C. jejuni N=410 KI (95%) 0,03 0,06 0,12 0,25 [ 24.2- 32.8] 0,5 1 2 4 8 16 32 64 128 0,2 13,9 18,0 24,9 14,6 4,6 6,8 11,0 5,9 67,1 20,7 10,0 2,2 1,7 39,0 12,4 7,3 2,4 [ 0- 0.7] CIP 63,2 ERY 0,0 [ 0- 0.7] GEN 0,0 [ 0- 0.7] IMI 0,0 [ 0- 0.7] [ 58.4- 67.7] NAL 62,2 [ 57.4- 66.8] STR 1,5 TET 21,5 [ 0.7- 3.2] [ 17.8- 25.7] AMP 41,7 [ 28.8- 55.8] CHL 0,0 CIP 66,7 ERY 0,0 21,2 96,8 12,7 2,0 1,0 0,2 9,3 44,4 37,8 53,4 40,2 6,3 2,9 0,2 21,5 38,3 83,4 11,0 18,8 8,3 [ 0- 5.9] 9,5 23,9 3,9 0,5 0,2 0,7 0,2 1,2 0,2 0,2 0,2 2,1 6,3 18,8 31,3 18,8 25,0 45,8 27,1 2,1 16,7 27,1 18,8 10,4 2,1 6,3 6,3 39,6 22,9 C. coli GEN 0,0 N=48 [ 0- 5.9] 8,3 50,0 41,7 IMI 0,0 [ 0- 5.9] 27,1 70,8 2,1 NAL 66,7 [ 52.5- 78.3] NEO 2,1 [ 0.5- 10.9] 8,3 75,0 14,6 25,0 18,8 20,8 75,0 4,2 STR 6,3 [ 2.3- 16.9] TET 37,5 [ 25.2- 51.7] Weiß hinterlegt: Messbereich der MHK-Testung 10,4 0,7 14,6 7,8 [ 0- 5.9] [ 52.5- 78.3] 7,8 25,0 6,3 4,2 16,7 0,5 9,5 1,7 5,6 12,9 2,1 6,3 14,6 2,1 2,1 2,1 50,0 2,1 2,1 33,3 256 512 48,0 4,1 1024 14,6 2,1 2,1 4,2 2,1 Diskussion Mit 5.786 gemeldeten Fällen und einer Inzidenz von 68,3 Fällen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist die Campylobacteriose weiterhin die häufigste lebensmittelassoziierte Infektion in Österreich. Die Anzahl der gemeldeten Fälle und die Inzidenz lagen im Berichtsjahr über dem Mittelwert der Vorjahre (durchschnittliche Jahresinzidenz der Jahre 2006-2012: 61,9 Erkrankungen/100.000 Einwohnerinnen und Einwohner). Derartige jährliche Schwankungen der Inzidenz entsprechen jedoch den Beobachtungen der vergangenen Jahre, womit die Inzidenz der Campylobacteriose derzeit relativ stabil zu sein scheint. Die FluorochinolonResistenz lag wie im Vorjahr bei rund 63 %, womit nach einem Maximum von 65,7 % im Jahr 2011 auch im aktuellen Berichtsjahr kein weiterer Anstieg zu verzeichnen war. Eine deutliche Verminderung der Resistenz gab es jedoch bei den Tetracyclinen. Hier sank die Resistenzrate für Campylobacter spp. auf 22,5 % und lag somit deutlich unter dem langjährigen Durchschnittswert von 29,7 % (Mittelwert 2007-2012), wobei dieser Rückgang jedoch nur bei C. jejuni zu verzeichnen war. Allerdings war die Tetracyclin-Resistenz in der Vergangenheit immer wieder Schwankungen unterworfen. Im Berichtsjahr konnte keine Makrolid-Resistenz festgestellt werden, 8 diese befindet sich somit seit Jahren unverändert auf sehr niedrigem Niveau. Gegenüber Antibiotika wie Gentamicin, Chloramphenicol und Imipenem ist bei C. jejuni und C. coli nach wie vor Empfindlichkeit gegeben. Im Jahr 2013 wurden in Primärlaboratorien isolierte Campylobacter-Isolate erstmals österreichweit an die nationale Referenzzentrale übermittelt. Von den rund 5.300 eingesandten Erstisolate konnten 96,0 % erfolgreich rekultiviert, typisiert und für weiterführende Analysen asserviert werden. Danksagung Die nationale Referenzzentrale dankt allen einsendenden Labors sowie den beteiligten Behörden für die gute Zusammenarbeit. Besonderer Dank gilt den am Sentinel Surveillance Programm beteiligten Laboratorien: LKH Feldkirch Institut für Pathologie (Leiter: Prim. Univ.-Prof. Dr. Felix Offner, Ansprechperson: OA Dr. Ulrike Gruber-Mösenbacher), Medizinische Universität Graz Institut für Hygiene, Mikrobiologie und Umweltmedizin (Leiterin: Univ.-Prof. Dr. Andrea Grisold, Ansprechperson: Ass. Prof. Dr. Gebhard Feierl), Labor Dr. Richter / Dr. Mustafa Salzburg (Ansprechperson: BMA Alexandra Wojna), sowie AGES Institut für medizinische Mikrobiologie und Hygiene Wien (Leiter: Dr. Alexandra Indra, Ansprechperson: Dr. Steliana Huhulescu). Die nationale Referenzzentrale dankt zudem dem Team der Abteilung Infektionsepidemiologie unter der Leitung von Dr. Daniela Schmid, AGES IMED Wien, für die Aufbereitung und Analyse der Meldedaten und Frau Bakk. Hao Sun, AGES Bereich Daten, Statistik, Risikobewertung, für die Aufbereitung der Resistenzdaten. Literatur [1] European Food Safety Authority, European Centre for Disease Prevention and Control; The European Union Summary Report on Trends and Sources of Zoonoses, Zoonotic Agents and Food-borne Outbreaks in 2012; EFSA Journal 2014; 12(2):3547. Available online: www.efsa.europa.eu/efsajournal [2] European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing (EUCAST). Breakpoint tables for interpretation of MICs and zone diameters. Version 4.0, valid from 2014-0101. http://www.eucast.org [3] European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing (EUCAST). Data from the EUCAST MIC distribution website, last accessed 29.01.2014. http://www.eucast.org 9