7 Polynome und Potenzreihen 7.1 Polynome Definition 7.1. Gegeben seien n ∈ N und komplexe oder reelle Zahlen a0 , a1 , . . . , an . Eine Funktion der Form p(x) = an xn + an−1 xn−1 + . . . + a1 x + a0 heißt Polynom in x. Die Zahlen a0 , . . . , an heißen Koeffizienten von p. Falls an 6= 0, so ist n der Grad von p, man schreibt n = Grad(p), und p heißt Polynom n-ten Grades. Wenn a0 , . . . , an ∈ R, so kann p als Abbildung von R nach R aufgefasst werden, andernfalls, falls a0 , . . . , an ∈ C, als Abbildung p : C → C. Satz 7.2. Es sei n ∈ N, p ein Polynom n-ten Grades und c ∈ R oder c ∈ C mit p(c) = 0. Dann existiert ein Polynom q(x) mit Grad < n und p(x) = q(x)(x − c). Beispiel 7.3. Bemerkung 7.4. Ist p(x) und c mit p(c) = 0 gegeben, so kann man g(x) durch Polynomdivision berechnen. Beispiel 7.3 (Fortsetzung). 49 7 Polynome und Potenzreihen Satz 7.5. Es sei p(x) ein Polynom n-ten Grades mit reellen Koeffizienten a0 , a1 , . . . , an ∈ R, und c ∈ C mit p(c) = 0. Dann ist auch p(c) = 0. Beweis. Satz 7.6. Es sei p(x) ein Polynom n-ten Grades mit der Nullstelle c ∈ C mit p(c) = 0 und dem Faktor q(x) (vgl. Satz 7.2), d.h. p(x) = q(x)(x − c). Außerdem sei c̃ ∈ C eine weitere Nullstelle von p, d.h. c̃ 6= c und p(c̃) = 0. Dann ist q(c̃) = 0. Beweis. Definition 7.7. Es sei k ∈ N und p(x) ein Polynom. c ∈ C heißt k-fache Nullstelle von p(x), wenn ein q(x) existiert mit p(x) = q(x)(x − c)k und q(c) 6= 0. Satz 7.8. (i) Jedes Polynom p(x) n-ten Grades lässt sich in C in n lineare (affine) Faktoren zerlegen. (ii) Jedes Polynom p(x) n-ten Grades mit reellen Koeffizienten lässt sich in R in (höchstens n) lineare (affine) oder quadratische Faktoren zerlegen. Beweis. Beispiel 7.9. 50 7.2 Reihen 7.2 Reihen Definition 7.10. Es sei (ak )k∈N ⊂ C eine Folge, und für alle n ∈ N sei n X sn = ak = a1 + a2 + . . . + an . k=1 Die Folge (sn )n∈N nennt man Reihe und man schreibt ∞ X (sn )n∈N = ak . n=1 P Für n ∈ N heißt sn die n-te Partialsumme von ∞ n=1 an . P∞ Definition 7.11. Eine Reihe k=1 ak heißt konvergent, wenn derPGrenzwert s = limn→∞ sn ∞ existiert. Man P∞nennt dann s den Wert der Reihe und schreibt k=1 an = s. Ansonsten nennt man k=1 an divergent. Beispiel 7.12. Satz 7.13. (i) Konvergiert P∞ k=1 ak , so ist (ak )k∈N eine Nullfolge. (ii) P Ist (ak )k∈N ⊂ R eine Folge mit ak ≥ 0P für alle k ∈ N, so konvergiert die Reihe n ∞ k−1 ak n∈N beschränkt ist. k=1 ak genau dann, wenn (sn )n∈N = Beweis. 51 7 Polynome und Potenzreihen P P∞ Definition 7.14. Die Reihe ∞ k=1 ak heißt absolut P∞ konvergent, falls k=1 |ak | konvergiert. Aus der absoluten Konvergenz einer Reihe k=1 ak folgt die Konvergenz der Reihe. Satz 7.15. Es sei (ak )k∈N ⊂ C. (i) Wenn der Grenzwert limk→∞ |ak+1 | |ak | = g ∈ R existiert, dann gilt: ∞ X |ak+1 | lim <1⇒ ak konvergiert absolut, k→∞ |ak | k=1 ∞ X |ak+1 | >1⇒ lim ak divergiert. k→∞ |ak | k=1 (ii) Wenn der Grenzwert limk→∞ (Quotientenkriterium) p k |ak | = g ∈ R existiert, dann gilt: ∞ X p k lim |ak | < 1 ⇒ ak konvergiert absolut, k→∞ p lim k |ak | > 1 ⇒ k→∞ k=1 ∞ X (Wurzelkriterium) ak divergiert. k=1 | (iii) Wenn limk→∞ |a|ak+1 existiert, dann existiert auch limk→∞ k| werte sind gleich. Die Umkehrung gilt nicht. Beispiel 7.16. 52 p k |ak | und die Grenz- 7.3 Potenzreihen 7.3 Potenzreihen Definition 7.17. Es sei (ck )k∈N ⊂ C eine Folge und z0 ∈ C. Eine Reihe der Form ∞ X ck (z − z0 )k k=0 heißt Potenzreihe in z0 . Die Konvergenz und der Wert der Reihe hängen von z ab. Beispiel 7.18. Satz 7.19. Es sei (ck )k∈N ⊂ C und z0 ∈ C. (i) Für z = z0 konvergiert die Potenzreihe P∞ k=0 ck (z − z0 )k = 0 natürlich. P k (ii) Wenn ∞ k=0 ck (z − z0 ) in einem Punkt z ∈ C konvergiert, dann gilt entweder: P∞ k a) k=0 ck (z − z0 ) konvergiert für alle z ∈ C, oder b) es existiert ein R > 0 so dass: X ∀z ∈ C mit |z − z0 | < R konvergiert ck (z − z0 )k , und X ∀z ∈ C mit |z − z0 | > R divergiert ck (z − z0 )k . Die Zahl R aus (ii) b) heißt Konvergenzradius, vgl. Beispiel 7.18 (ii). Man schreibt außerdem ( 0, R= ∞, P falls ck (z − z0 )k nur für z = z0 konvergiert, P falls ck (z − z0 )k für alle z ∈ C konvergiert. 53 7 Polynome und Potenzreihen Satz 7.20 (zur Berechnung des Konvergenzradius). Es sei (ck )k∈N ⊂ C, z0 ∈ C und R P k der Konvergenzradius der Potenzreihe ck (z − z0 ) . Falls die jeweiligen Grenzwerte existieren, so ist | = ∞, falls limk→∞ |c|ck+1 0, k| | R = ∞, falls limk→∞ |c|ck+1 = 0, k| 1 |ck+1 | , falls limk→∞ |ck | = q ∈ R, q 6= 0, q bzw. 0, R = ∞, 1 , w √ falls limk→∞ k ck = ∞, √ falls limk→∞ k ck = 0, √ falls limk→∞ k ck = w ∈ R, w 6= 0. Beweis. Beispiel 7.21. Satz 7.22. Es seien (ck )k∈N ⊂ C, z0 ∈ C, R der Konvergenzradius der Reihe z0 )k , und B(z0 , R) = {z ∈ C | |z − z0 | < R}. Für die Funktion ∞ X f : B(z0 , R) → C, f (z) = ck (z − z0 )k P∞ k=0 ck (z− k=0 gilt: (i) f ist stetig, (ii) f ist differenzierbar und f 0 (z) = P∞ k=0 l=k−1 kck (z −z0 )k−1 = P∞ l=0 (l +1)ck+1 (z −z0 ) (iii) f ist integrierbar und Z f dx = l=k+1 = ∞ X k=0 ∞ X k=1 Die Potenzrehen f 0 und 54 R 1 ck (z − z0 )k+1 + C k+1 1 cl−1 (z − z0 )l + C. l f dx besitzen ebenfalls den Konvergenzradius R. l ,