Betrachtungen über den Islam und das Christentum von Andreas Bödecker (Vortrag am 10.5.2013 in Marrakesch und am 27.2.2016 im Potsdamer Ruder Club Germania e.V. ) - ausführliche Lesefassung – Selbst im 21. Jahrhundert werden noch immer oder sogar wieder zunehmend in vielen Weltreligionen Glaubenskriege mit großer Brutalität auch gegen einfache Menschen und mit für uns schwer begreiflichem Fanatismus geführt. Radikale islamische Gruppierungen erscheinen als Haupttreiber und hemmungslose Haupttäter dieser Auseinandersetzungen. Sie zünden Bomben an öffentlichen Plätzen, sie entführen Kinder als Geiseln, fast jeden Abend sind die Nachrichten voller Vorgänge, die uns Angst einflößen. Andererseits leben über 4 Millionen Muslime in Deutschland, deren ganz überwiegende Mehrheit in unsere Gesellschaft friedlich integriert ist. Ohne Kenntnis der religiösen und kulturellen Wurzeln der Muslime werden wir dem Fanatismus der radikalislamischen Gruppen weiterhin hilflos gegenüberstehen, und wir werden im eigenen Land eine weiter zunehmende Entfremdung zwischen den zumeist eingewanderten Muslimen und uns erleben. Ich will deshalb einen Versuch machen, Euch in diesem Vortrag in die Welt des Islam einzuführen, nicht nur in den Glauben der Muslime, sondern auch in ihre Geschichte und ihre Kulturleistungen, von denen wir teilweise heute noch profitieren. Die Götter der Römer und Griechen waren eine bunte Gesellschaft. Über 50 von Ihnen gab es. An ihrer Spitze stand Jupiter oder – griechisch – Zeus. Ansonsten gab es keine festgelegte Hierarchie, aber Zuständigkeiten: Es gab Götter für die Liebe, den Ackerbau, die Heilkunst (Aesculapius, gr. Asklepios) , und sogar für Türen und Tore war ein besonderer Gott zuständig, der doppelgesichtige Janus. Ironie oder Zufall, dass die Namen von Pluto, dem Herrscher der Unterwelt, und Plutus, dem Gott des Reichtums, zum Verwechseln ähnlich klangen? Diese Götter lebten ein fröhliches Leben, feierten Trinkgelage, heirateten, brachen die Ehe, intrigierten gegeneinander, entführten auch mal ein hübsches Mädchen, kamen gebeten oder ungebeten in Menschen- oder Tiergestalt auf die Erde und mischten sich ein. Wenn man einen von ihnen erzürnt hatte, konnte man einen anderen oder eine andere um Hilfe bitten – so wie Odysseus von Pallas Athene immer wieder gegen den zürnenden Poseidon unterstützt wurde. Auch fremde Götter fanden bei den Römern Aufnahme, ägyptische Götter wie Isis und Serapis ebenso wie der so wichtige griechische Gott des Weines, Bacchus oder Dionysos. Das Verhältnis der Römer und Griechen zu ihren Göttern war eher praktisch. Die Frage nach Moral und Sinn des Lebens konnten diese Götter zwischen Trunkenheit, Ehebruch und Racheaktionen nicht beantworten. Und nach dem -2- Tode winkte kein Paradies. Im Orcus, in der Unterwelt, wandelten alle Toten als Schatten durch eine düster-kalte Umgebung. Gleichwohl hat diese Götterwelt ein Reich zusammenhalten können, das vom Norden Englands um das ganze Mittelmeer herum bis nach Ägypten reichte, ein hochzivilisiertes Reich mit über 6.000 km befestigten Straßen, Städten mit fließendem Wasser, mit Theatern für mehrere tausend Zuschauer, selbst in kleinen Provinzstädten. Den Glauben an einen einzigen allmächtigen, allwissenden Gott, der alles geschaffen hat, der allgegenwärtig ist, alles sieht, der seine Liebe schenken aber auch mit unbarmherziger Härte strafen kann, dieser Glauben geht auf einen Mann namens Abraham zurück. Das gilt für die die Juden, die Christen und die Moslems, denn die Geschichte ist nicht nur im 1. Buch Mose (der Genesis) erzählt, sondern mit geringen Abweichungen auch im Koran. Abraham war neunzig Jahre alt geworden, er und seine Frau Sarah waren kinderlos geblieben. Da erschien ihm der Herr und verhieß ihm einen Sohn, der der Beginn einer Reihe von Nachkommen unzählig wie die Sterne am Himmel werden solle. Welcher Neunzigjährige würde ob einer solchen Verheißung nicht tief gläubig? Aber Sarah konnte keine Kinder bekommen, sie war ja selbst schon an die achtzig Jahre alt. Also vereinbarten die beiden Eheleute, dass Abraham sich zu Hagar legen sollte, einer jungen ägyptischen Magd. Und Hagar gebar Ismael. Als Abraham neunundneunzig Jahre alt war, verhiess der Herr Abraham und Sarah, dass sie nun am Ende ihres Lebensweges doch noch miteinander einen Sohn zeugen sollten. Er solle seinen Kindern und allen Kindeskindern als Zeichen des Bundes mit Gott am achten Tag nach der Geburt die Vorhaut beschneiden. Höchst zweifelnd nahmen die beiden alten Leute diese Verheißung auf. Aber Abraham beschnitt am selben Tage nicht nur seinen Sohn Ismael, sondern gleich auch alle Knechte im Hause. Neun Monate später wurde Isaak geboren. Sarah ist nun eifersüchtig auf Hagar und den erstgeborenen Sohn Ismael und verlangt von Abraham, die beiden zu vertreiben, was dieser, höchst traurig, gehorsam tut. Trösten kann ihn Gottes Versprechen, auch Ismael zu einem großen Volk machen zu wollen. Ismael wird nach einem langen Weg durch die Wüste von seiner Mutter mit einer Ägypterin verheiratet und wird damit zum Urvater aller Araber. Auch der Prophet Mohammed führt seine Abstammung in direkter Linie auf Ismael zurück. Isaak dagegen wird der Urvater aller Juden – und damit auch der Christen. Nun aber geht diese Geschichte im Alten Testament und im Koran auseinander: Eines Tages verlangt Gott von Abraham, er solle auf einen Berg gehen und -3- seinen einzigen Sohn als Opfer darbringen. Abraham gehorcht, und erst im allerletzten Moment, als er das Messer schon über seinem Sohn schwingt, gebietet ihm der Engel des Herrn Einhalt. Weil er so fest im Glauben gewesen sei, dass er sogar bereit war, seinen eigenen Sohn zu opfern, verspricht der Herr Abraham, sein Geschlecht zu vermehren wie den Sand am Ufer des Meeres. Er und seine Nachkommen sollen die Tore ihrer Feinde besitzen. Die Bibel erzählt diese Geschichte im 22. Kapitel der Genesis von Isaak und ausdrücklich n a c h der Vertreibung von Hagar und Ismael. Der Koran spricht nicht vom einzigen Sohn Abrahams, es wird kein Name des Kindes genannt. Und die Geburt Isaaks wird im Koran erst anschließend angekündigt (37:112). Die Muslime nehmen darum heute mehrheitlich an, dass Ismael, nicht Isaak geopfert werden sollte und dass sich die Verheißung auf Ismaels Nachkommen bezog. Abrahams oder, wie er im Koran bezeichnet wird, Ibrahims Opfer gilt als Vorbild für das rituelle Opfern von Schlachtvieh während der Wallfahrtszeit in der Nähe von Mekka und das jährliche Islamische Opferfest. Die Wallfahrt nach Mekka (Haddsch) geht nach islamischer Auffassung ebenfalls auf Ibrahim zurück. Er habe dort, wo heute die Kaaba steht, mit seinem Sohn Ismael die Gedenkstätte an Gott mit göttlicher Fügung entdeckt und errichtet. Auf diese Geschichte gehen also alle drei großen monotheistischen Religionen zurück, das Judentum, das Christentum, der Islam. Dieser gemeinsame Ursprung hat aber leider nicht zu einem friedlichen Zusammenleben der drei Religionen und schon gar nicht zu gegenseitiger Toleranz geführt. Bis heute führen die Angehörigen dieser drei großen Religionen blutige Auseinandersetzungen miteinander und untereinander. Augenscheinlich gebiert der Glaube an einen einzigen Gott auch das Dogma einer einzigen Wahrheit, das die jeweils Andersdenkenden ausschließt, weil schon deren Existenz das Dogma in Frage stellen muss. Anders ausgedrückt: Der Glaube an einen einzigen Gott bringt Religionsführer hervor, die verlangen, dass man an diesen Gott auch nur auf eine einzig wahre Weise glauben und an ihn auch nur auf eine einzige Weise seine Gebete richten dürfe. Selbst kleine Unterschiede in der Art des Bekenntnisses lassen die Gemeinsamkeit des Glaubens an denselben Gott in den Hintergrund treten. Ist das vielleicht so, weil es so leicht ist, anders Denkende oder anders Glaubende mit der Begründung zum verachteten Außenseiter zu machen, sie seien ungläubig? So lange die jeweilige Geistlichkeit die Definitionsmacht in den Händen hält, braucht sie dafür keinerlei nachvollziehbare Argumente, es genügt die bloße Behauptung, dieses oder jenes Verhalten sei ketzerisch oder ungläubig. -4- Über Jahrhunderte haben christliche und islamische Herrscher die Religion benutzt, um die Menschen zu Kriegen und zur Verfolgung Andersdenkender zu hetzten. Sie haben sich an die Spitze des jeweils einzig wahren Glaubens gestellt, um das eigene Machtstreben zu befördern, indem sie Angst, Hass und tiefe Verachtung gegen die „Heiden“ oder die „Ungläubigen“ säten. Es ist deshalb angezeigt, sich einmal mit den Vorurteilen gegenüber der islamischen Welt auseinanderzusetzen, Vorurteilen, deren Wurzeln bis zu dem Aufruf Papst Urbans II. zum Ersten Kreuzzug zurückgehen, den dieser am 27. November 1095 in Clermont an die französischen Ritter gerichtet hat. Dieser Papst wurde übrigens noch im Jahre 1881 von Papst Leo XIII. selig gesprochen. Durch unsere abendländische Brille betrachtet, bietet heute vor allem der Islam das Bild einer aggressiven, fundamentalistischen Religion, die zur Gewalt aufruft und die uns Angst macht. Der Islam sei zur Erneuerung unfähig und die fundamentalistische Geistlichkeit wolle die Menschen in das frühe Mittelalter zurückstoßen, lautet das verbreitete Urteil gegenüber dem Islam, wie er uns heute begegnet. Aber im siebten Jahrhundert hatte der Islam mit einer ungeheuren Neuerung begonnen, hatte Mohammed mit einer beispiellos modernen Botschaft die Menschen mitgerissen - mit der Botschaft von einer egalitären Gesellschaft, die nicht von Stamm oder Stand, sondern nur vom gemeinsamen Glauben bestimmt wird. Wie wäre es sonst zu erklären, dass die Araber nur einhundert Jahre nach dem Tod des Propheten Mohammed der neuen Religion ein Weltreich erobern konnten, das von der iberischen Halbinsel bis zum Indus reichte? Erst 732 konnte Karl Martell (Großvater Karls des Großen) den Vormarsch der Araber in Frankreich bei Tours und Poitiers stoppen. Die arabischen Kalifen gründeten ein Weltreich, das der Welt eine über 500 Jahre andauernde zivilisatorische Blütezeit brachte, der wir Europäer heute noch ungeheuer viel zu verdanken haben: Die Araber verbreiteten mit dem Koran natürlich auch ihre Sprache und ihr Recht. Sie schufen dadurch eine neue Weltsprache und Rechtseinheit in einem Gebiet vom Atlasgebirge bis nach Zentralasien. Das beflügelte den Handel und den Wissensaustausch. Die Araber segelten schon 2000 vor Christi nach Indien, China, Korea, Ceylon und ins südliche Afrika. Arabische Steuerleute mussten sechs oder sieben Methoden beherrschen, den Breitengrad an Hand der Gestirne zu bestimmen.1 Seit dem 9. Jahrhundert benutzten die Araber MagnetKompanten und Astrolabien2 zur Navigation. Da glaubten die Europäer noch 1 Ibn Majid (1432- ca. 1500) schrieb in seinen beinahe 40 Traktaten zur Navigation, er kenne 70 Arten zur Messung des Breitengrades unter Verwendung fast jeden hellen Sternes am Himmel. 2 Der Magnetkompass stammte aus dem alten China und war zur Zeit der Kreuzzüge erstmals im Mittelmeer aufgetaucht, wegen seiner scheinbar magischen Kräfte machten die christlichen Seeleute aber nur im Geheimen von ihm Gebrauch. Das Astrolabium war im antiken Griechenland entwickelt worden. Die älteste Beschreibung findet sich im Almagest des Ptolomäus. Die Araber hatten es übernommen und verbessert. -5- Jahrhunderte lang, dass südlich von Kap Nun3 das Meer zu einer glühenden Masse gerinne und riesige Magnetberge alles Eisen aus den Schiffen reißen würden. Mit unserem Europa-zentrierten Weltbild vergessen wir gelegentlich, dass bis zum Beginn der Neuzeit das Mittelmeer nicht das Zentrum, sondern eher der Rand der der zivilisierten Welt war. Hinter seiner Ostküste begann die Welt der Seidenstraßen, dahinter lagen Indien, China und andere hochzivilisierte Reiche mit einem ausgedehnten Handel. Die arabische Halbinsel war seit Jahrhunderten eine der wichtigsten Handelsrouten, die diese Welt über den Seehandel an den Mittelmeerraum anschloss. Gold und Silber, Gewürze, Seide und Leder kamen aus dem Osten und Süden, der Mittelmeerraum exportierte Baumwolle, Leinen, Getreide, Öl und – wie heute auch noch – Waffen. Die Araber brachten die in Jahrtausenden entwickelte Bewässerungstechnik aus dem Zweistromland nach Nordafrika und auf die iberische Halbinsel und verwandelten Wüsten in blühende Oasen. Die Windmühle danken wir den Arabern, die sie im 9. Jahrhundert aus Persien bis auf die iberische Halbinsel gebracht haben. Erst im 12. Jahrhundert sind Windmühlen in Flandern, in Südengland und in der Normandie nachweisbar. Die Laute, die Guitarre, die Streichinstrumente und die Oboe sind arabischen Ursprungs und sind über Al Andalus nach Europa gelangt. Das Papier führen die Araber aus China ein, ergänzten preisewertere und schnell wachsende Rohstoffe und verbanden die Papierherstellung mit ihrer Mühlentechnik. Sie legten so die technische Grundlage dafür, Wissen rasch und preiswert zu verbreiten. Die Araber schufen bedeutende Bauwerke wie die Umayyaden-Moschee in Damaskus, den Felsendom in Jerusalem oder die Alhambra. Um das Jahr 1.000 lagen fünf der zehn größten Städte der Welt4 im islamischen Kulturraum, vier lagen in Ostasien. Aus dem christlichen Abendland konnte sich nur Konstantinopel auf dieser Rangliste behaupten. Rom war unbedeutend geworden. Das maurische Cordoba war mit annähernd einer halben Million Einwohner wahrscheinlich die größte Stadt der Welt. Cordoba verfügte über eine öffentliche Wasserversorgung und Entwässerung, Straßenbeleuchtung, Krankenhäuser und überall Badeanstalten für jeden Bewohner. An über 500 Schulen konnte jeder Bewohner Bildung erwerben. 3 Kap Nun liegt auf der Westseite Afrikas, südlich von Agadir und gegenüber von der Insel Lanzarote. 4 Die 10 größten Städte der Welt um 1.000 u.Z.: Al-Hasa (Arabische Halbinsel), Angkor (Kambodscha), Bagdad (Zweistromland), Cordoba (Kalifat von Cordoba), Kaifeng (China), Kairo (Ägypten), Konstantinopel (Byzanz), Kyoto (Japan), Neyshabur (Persien), Patan (Nepal) -6- Der aus Bagdad stammende Hofsänger und Wissenschaftler Abu l-Hasan ‘Ali Ibn Nafi‘ (789-857), genannt Ziryab, die Amsel5, führte in Cordoba Zahnpasta und Deodorant ein, während die Kaiser von Byzanz beim Zug durch die Stadt große Mengen von Weihrauch verbrennen ließen, um den Kloakengestank einigermaßen erträglich zu machen. Der Weihrauch stammte aus dem damals fruchtbaren Süden der arabischen Halbinsel, dem heutigen Jemen und dem Oman. Bagdad, Cordoba, Kairo, Samarkand und Buchara waren geistige Zentren einer einmaligen Wissensgesellschaft: Hoch gebildete Herrscher förderten die Sammlung des Weltwissens und die Forschung. Sie ließen die Werke der griechischen Philosophie ins SyrischAramäische und ins Arabische übersetzen. Ohne diese Übersetzungen und ohne zum Beispiel den Aristoteles-Kommentar von Ibn Ruschd (in Europa genannt Averroes, Hofarzt in Cordoba, dann in Marrakesch)6 wären uns die griechischen Philosophen kaum überliefert worden. Denn nachdem die römischen Kaiser Konstantin und Theodosius im vierten Jahrhundert das Christentum zur Staatsreligion gemacht hatten, wurde im römischen Reich alles HeidnischAntike verfolgt oder vernachlässigt. Die großen Bibliotheken der Antike gingen unter oder verbrannten, und niemand kümmerte sich um eine Rekonstruktion. Vor allem die berühmte Bibliothek von Alexandria, die berühmteste Bibliothek des Altertums überstand die zwangsweise Christianisierung des römischen Reiches nicht lange. In den arabischen Kalifenreichen dagegen entstanden unabhängig voneinander riesige Bibliotheken und Bildungsinstitutionen, in denen gesammelt, geforscht und gelehrt wurde. Die Bibliothek von Cordoba allein hatte über 500.000 Bände und Schriftrollen, mehr als alle Bibliotheken des christlichen Abendlandes zusammen. Zum Vergleich: Um das Jahr 1200 waren die größten Bibliotheken im christlichen Abendland die der Klöster Reichenau und Cluny sowie die Vaticana. Diese drei hatten zusammen etwa 3.000 Bände. Der FatimidenKalif al-`Aziz in Kairo hatte im 10. Jahrhundert eine Bibliothek mit 1 600 000 Bänden. Sie umfasste 6500 mathematische und 18 000 philosophische Schriften. 7 Auch große private Bibliotheken wurden gesammelt, der sehr 5 Ziryab war ein Lehrmeister der schönen Künste und der verfeinerten Lebensart. Er veränderte den Alltag der Menschen in al Andalus, zum Beispiel die Folge der Speisen: Esst zuerst Suppe, dann Fleisch und schließt ab mit etwas Süßem! Trinkt aus Kristallgläsern. Die heute noch übliche europäische Speisekultur geht auf einen persischen Muslim zurück. Oder die der Saison angepasste Kleidung: leichte Gewänder im Sommer, Buntes aus Seide, und erst im Winter Pelz. 6 Abū l-Walīd Muḥammad b. Aḥmad b. Muḥammad b. Rušd; * 1126 in Córdoba; 10. Dezember 1198 in Marrakesch; auch Averroes oder Averrhoës oder einfach Ibn Ruschd war ein spanischarabischer Philosoph und Arzt. Er war Hofarzt der berberischen Dynastie der Almohaden von Marokko. 7 Bis um 1500 war die größte Herrscher-Bibliothek des christlichen Abendlandes die des Ungarnkönigs Matthias Corvin mit rund 1.400 Bänden. -7- einträgliche Beruf des Buchhändlers entstand in dieser Zeit. Und die ersten Universitäten der Welt wurden nicht etwa in Bologna, Paris oder Oxford8 gegründet, sondern schon im achten und neunten Jahrhundert in Bagdad und Kairo. Die Al-Ahzar Universiät von Kairo (859 gegr.) kann heute den Rang als älteste bestehende Universität der Welt beanspruchen. Als Medresse, also Rechts- und Koranschule entstanden, wurde die Al-Ahzar Universität bald auch zu einem Zentrum der arabischen Medizinforschung. Alhazen9 entdeckt hier die Gesetze der Optik und die Funktion des Auges. Weitere Zentren sind Bagdad und Cordoba. Die Araber übernehmen zunächst auch das bedeutende medizinische Wissen der antiken Griechen, der Juden und der Perser. Aber sie forschen und entwickeln intensiv weiter. Arabern und Juden war es im Gegensatz zu den Christen nicht verboten zu sezieren. Kein Wunder, dass ein Araber den großen und den kleinen Blutkreislauf entdeckte. Kein Wunder, dass Abu l-Qasim10, Hofarzt des zweiten Kalifen von Cordoba (al-Hakam II.) mit seinem chirurgischen Wissen die Medinzinerausbildung bis in die Renaissance hinein prägte. Er schrieb eine medizinische Enzyklopädie in 30 Bänden mit Kapiteln über Chirurgie, Medizin, Augenheilkunde, Orthopädie, Pharmakologie, Ernährung und anderes. In Cordoba forschte und lehrte auch der bedeutende jüdische Philosoph, Arzt und Astronom Maimonides11. Nicht nur im maurischen Andalusien, sondern auch in anderen islamischen Städten arbeiteten und forschten jüdische und arabische Ärzte und Naturwissenschaftler gleichberechtigt miteinander. Ohne das Lebenswerk des persischen Arztes Ibn Sina (lat. Avicenna) war bis in das 17. Jahrhundert hinein in Europa Medizinerausbildung nicht denkbar. Noch heute sind Medizinforscher erstaunt über die Wirksamkeit seiner pharmakologischen Rezepte. Avicenna entdeckte im 11. Jahrhundert schon, dass Mäuse und Ratten die Pest übertragen – in Europa wurde die Pest noch Jahrhunderte als Strafe Gottes angesehen. Und Avicenna führte erste Experimente mit Narkosen bei Operationen durch. 8 Universität von Bologna gegr.1088, Universität von Paris 1200, Universität von Oxford im 13. Jhd. 9 Abu Ali al-Hasan ibn al-Haitham, latinisiert Alhazen (* um 965 in Basra; † 1039 oder 1040 in Kairo), war ein muslimischer Mathematiker, Optiker und Astronom arabischer oder persischer Herkunft. 10 Abu l-Qasim Chalaf ibn al-Abbas az-Zahrawi (* 936 in El Zahra; † 1013 in El Zahra), als Abdulcasis bekannt, war ein andalusisch-arabischer Arzt und Wissenschaftler. Er war vermutlich der bedeutendste mittelalterliche Arzt muslimischer Herkunft, dessen umfangreiche medizinische Schriften, die arabische und klassisch griechisch-römische Lehren kombinieren, die europäische Medizin bis zur Renaissance geprägt hat. Sein wichtigstes Werk ist at-Tasrif, eine 30-bändige Sammlung medizinischen Wissens. 11 Moses Maimonides * zwischen 1135 und 1138[1] in Córdoba; † 13. Dezember 1204 in Kairo) war ein jüdischer Philosoph, Rechtsgelehrter und Arzt. Er gilt als bedeutender Gelehrter des Mittelalters und als einer der bedeutendsten jüdischen Gelehrten aller Zeiten. -8- Auf Sizilien verfasst im 12. Jahrhundert der muslimische Kartograph und Geograph al-Idrisi seine „Reise des Sehnsüchtigen, um die Horizonte zu durchqueren“. Darin unterteilt er die Welt in sieben Klimazonen und liefert neben genauen Karten detaillierte Beschreibungen der kulturellen, politischen und sozioökonomischen Bedingungen der jeweiligen Regionen. In seinem Hauptwerk verknüpfte al-Idrisi das Wissen, welches über die Jahrhunderte von islamischen Kaufleuten und Forschern über Afrika, den Indischen Ozean und den Fernen Osten gesammelt worden war mit den Informationen der normannischen Seefahrer über die nördliche Welt zur akkuratesten Landkarte der Vormoderne, eingraviert in eine massive Silberscheibe von 2 m Durchmesser. Wie rasch sich Wissen im arabisch-islamischen Kulturraum verbreitete, zeigen die indischen Dezimalzahlen: Um 825 schreibt der persische Gelehrte alChwarizmi12 das erste Lehrbuch über das Rechnen mit indischen Zahlen. Von seinem Namen leitet sich übrigens das Wort „Algorithmus“ ab. Schon wenige Jahre später macht der Hofdichter und Gelehrte Abbas Ibn Firnas13 die indischen Zahlen in Andalusien (al-Andalus) bekannt. In Byzanz werden die indischen Dezimalzahlen zwar früh übernommen. Aber im westlichen Europa setzen sie sich erst langsam durch, früheste Belege ihrer praktischen Verwendung, beispielsweise in England,14 stammen erst aus der Wende zum 15. Jahrhundert. Und die Verwendung der Null verbreitet sich sogar erst im 17. Jahrhundert. 15 Ibn Firnas erfand außerdem ein Verfahren zur Herstellung von Glaslinsen als Sehhilfe. Und Ibn Firnas gelang es, nach dem Vorbild der Vögel einen Flugapparat zu bauen, mit dem er von einem Hügel bei Cordoba aus über 400 12 Abu Dscha'far Muhammad ibn Musa al-Chwarizmi, Var. Chwarazmi, * um 780; † zwischen 835 (?) und 850) war ein choresmischerUniversalgelehrter, Mathematiker, Astronom und Geograph während der abbasidischen Blütezeit, der den größten Teil seines Lebens in Bagdad verbrachte und dort im „Haus der Weisheit“ tätig war. Von seinem Namen leitet sich der Begriff Algorithmus ab. 13 Abu al-Qasim Abbas ibn Firnas (* um 810 in Ronda; † 887 oder 888[1] in Córdoba) war ein Dichter und Gelehrter berberischer Abstammung in Al-Andalus. Er war unter den Emiren al-Hakam I., Abd ar-Rahman II. und Muhammad I. Hofdichter der Umayyaden im Emirat von Córdoba. Als Gelehrter interessierte er sich für die Mathematik, Astronomie und Physik. Er machte das indische Dezimalsystem in Andalusien bekannt, das er selbst bei einer Reise in den heutigen Irak kennengelernt hatte. 14 Auf einem Quadranten von 1396 und im Turm von Hathfield Church, Sussex, 1445 15 Der Mathematiker Leonardo Fibonacci (* um 1180 in Pisa; † nach 1241 ebenda), der im heutigen Algerien als Sohn eines italienischen Handelsvertreters lebte und deshalb mit den arabisch-indischen Zahlen inklusive der Null vertraut war, führte diese zwar 1202 mit seinem Werk Liber abaci, (dem ersten Lehrbuch kaufmännischen Rechnens in Europa), in Italien ein. Im praktischen Rechnen setzten sich die indisch-arabischen Zahlen aber erst Jahrhunderte später durch. Um 1220 hatte Fibonacci die einzig erhaltene Abschrift seines Werkes gefertigt und sie Michael Scotus gewidmet, damals Arzt und Hofastrologe am Hofe des Stauferkaisers Friedrichs II. in Sizilien. Fobonacci räumt der Null aber nicht den gleichen Stellenwert wie den übrigen Zahlen ein – in seinem Buch nennt er sie Zeichen statt Zahl. Noch der Humanist, Mathematiker und Arzt Gerolamo Cardano kam in seinem 1545 erschienenen Buch Ars magna sive de Regulis Algebraicis, in dem er Methoden zur expliziten Lösung von Gleichungen dritten und vierten Grades entwickelte, ohne die Null aus. -9- Meter flog und zum Startpunkt zurückkehrte. Bei der Landung brach er sich leider beide Beine. Er wurde in eines der zahlreichen Krankenhäuser von Cordoba eingeliefert, wo sich auch die christlichen Herrscher der benachbarten Reiche gern behandeln ließen. Hier werden seine Brüche und Verletzungen auf einem hohen chirurgischen und vor allem auch hygienischen Standard behandelt – 1.000 Jahre vor Ignaz Semmelweis wussten die Araber auch um die entscheidende Bedeutung der Hygiene für den Heilungserfolg. Ibn Firnas wurde nach wenigen Wochen geheilt nach Hause entlassen. Seine Flugexperimente setzte er allerdings nicht fort. Juden und Christen verschiedener Glaubensrichtungen konnten unter der Herrschaft des Islam leben, ohne Verfolgung leiden zu müssen. Gegen eine Kopfsteuer - die aber zumeist niedriger war als die vorher zu leistenden Abgaben an Byzanz - erhielten sie den Status von Dhimmi, von Schutzbefohlenen. Sie mussten zwar eine Reihe von diskriminierenden Vorschriften, zum Beispiel Kleidervorschriften hinnehmen und waren auch vor Gerichten den Muslimen gegenüber nicht gleichberechtigt - aber die Sicherheit vor Verfolgung war ein ausschlaggebender Faktor für die Akzeptanz der neuen Fremdherrschaft.16 Warum war diese junge Religion so erfolgreich und so weltoffen? Und warum wirkt der Islam spätestens seit dem 12. Jahrhundert in weiten Teilen der islamischen Welt wie geistig erstarrt? In seiner Blütezeit war der Islam - im krassen Gegensatz zum christlichen Europa - offen für das Wissen der gesamten Welt, innovativ und relativ tolerant, vor allem, wenn man die Maßstäbe der damaligen Zeit anlegt. 16 Die römischen Kaiser Konstantin I. (röm. Kaiser von 206-337 u.Z.) und Theodosius (letzter Kaiser des gesamten Römischen Reiches, Kaiser von 347-395 u.Z.) hatten das Christentum faktisch zur Staatsreligion gemacht und in den ersten beiden Konzilen von Nicäa (325) und Konstantinopel (381) die Natur von Jesus als Mensch und Gott und die Trinitätslehre verbindlich festgeschrieben. Schon unter Konstantin begannen die Verfolgungen der christlichen Sekten, die abweichenden Glaubensüberzeugungen anhingen, Arianer, Nestorianer, Monophysiten. Im Frühjahr 1096 setzten sich eine Vielzahl Gruppen von Rittern und Bauern, durch die Kreuzzugspredigten angeregt, aus verschiedenen Teilen Deutschlands und Frankreichs gegen die Juden in Bewegung. Der größte dieser Kreuzzüge, der am stärksten in die Angriffe auf Juden eingebunden war, wurde von Graf Emicho angeführt. Eine Armee von rund 10.000 Männern, Frauen und Kindern aus dem Rheinland, Ostfrankreich, Lothringen, Flandern und sogar England war im Frühsommer 1096 gestartet, wälzte sich durch das Rheintal, den Main hinauf bis zur Donau. Schon während der als „Reconquista“ bezeichneten Rückeroberung der iberischen Halbinsel durch Nachfahren der Westgoten kam es (1391) in Sevilla unter Fernand Martinez zu einem ersten Pogrom. Nach Abschluss der Reconquista Spaniens stellten die „katholischen Könige“ Ferdinand II. und Isabella I. mit dem Alhambra-Edikt vom 31. März 1492 die Juden Spaniens vor die Wahl zwischen Exil oder Konversion zum Christentum. Die meisten sephardischen Juden flohen ins Osmanische Reich. -10- Das Erlangen von Wissen galt den frühen Muslimen als frommes Werk, selbst wenn man von den ungläubigen Völkern lernte. Beispielhaft drei Hadithe (durch Zeugen belegte Äußerungen des Propheten Mohammed) hierzu: „Wer auf der Suche nach Wissen hinauszieht, der ist auf dem Wege Allahs, bis er wiederkehrt.“ „Streben nach Wissen ist Pflicht für jeden Muslim.“ „Strebt nach Wissen und sei es in China.“ Vor allem der letzte Hadith belegt, dass Wissen ausdrücklich auch außerhalb des islamischen Kulturkreises gesammelt werden sollte. Nach Auffassung der katholischen Kirche dagegen war die Bibel die einzige Quelle göttlicher Offenbarung. Forschung an irdischen Objekten konnte daher nicht gottgefällig sein. Europa war im Mittelalter geistig geradezu abgeschottet. Dem Islam gegenüber baute die katholische Kirche des Mittelalters ein düsteres Feindbild auf, das in den Kreuzzügen gipfelte und Form von Vorurteilen teilweise bis heute Spuren hinterlassen hat. Natürlich hat es den Arabern militärisch geholfen, dass sowohl das persische Sassanidenreich als auch Byzanz durch jahrzehntelange Kriege miteinander erschöpft waren und mit dem neuen, vom jungen Glauben inspirierten Gegner im Süden nicht gerechnet hatten. Das allein hätte aber kaum ausgereicht, ein Weltreich zu erobern - und vor allem zu halten. Das Geheimnis muss in dem neuen Glauben selbst liegen. Im Koran sind Kernelemente des Christentums und des Judentums eine einzigartige Verbindung eingegangen und zu einem starken neuen Glauben mit hoher Überzeugungskraft geworden – es ist daher sinnvoll, Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. Zum Christentum bestehen fünf wesentliche Gemeinsamkeiten und zwei Hauptunterschiede: 1) Allen drei Religionen ist gemeinsam das Bekenntnis zu einem einzigen Gott, der Schöpfer und Anfang und Ende von allem ist. Alle drei Religionen gehen auf Abraham zurück und glauben an denselben einzigen Gott. Sure 29, 46: „Wir glauben an das, was als Offenbarung zu uns und zu Euch (Juden und Christen) herabgesandt worden ist. Unser und Euer Gott sind einer. Ihm sind wir ergeben.“ Auch die Propheten haben die drei Religionen gemeinsam, Adam und Noah, Ismael, Isaak, Moses, David, Salomo, Johannes der Täufer, sie alle werden im Koran ebenso als Propheten geehrt, auch Jesus von Nazareth, Isa ben Myrriam. Mohammed ist der letzte in dieser Reihe der Propheten, er ist -11- „das Siegel der Propheten.“ Jesus wird jedoch im Koran nicht als Gottes Sohn angesehen, sondern nur als Prophet, denn Gott ist nach dem Glauben der Muslime ewig, er hat weder gezeugt, noch wurde er gezeugt. (Sure 112, 1-3) Unsere schwer verständliche christliche Dreifaltigkeitslehre, Vater, Sohn und Heiliger Geist seien Gott, ist folglich für die Muslime Gotteslästerung und Unglaube. Entsprechend heißt es im Koran: (Sure 5, 17): „Ungläubig sind diejenigen die sagen: Gott ist Christus, der Sohn der Maria“… Und (Sure 5,73): „Ungläubig sind diejenigen, die sagen: Gott ist einer von dreien“… Goethe drückte diesen Gedanken im West-Östlichen Divan aus: „Jesus fühlte rein und dachte Nur den Einen Gott im Stillen; Wer ihn selbst zum Gotte machte kränkte seinen heil'gen Willen. Und so muß das Rechte scheinen Was auch Mahomet gelungen; Nur durch den Begriff des Einen Hat er alle Welt bezwungen.“ Diese Trinitätslehre wurde erst Ende des vierten Jahrhunderts u.Z. zum verbindlichen Dogma der Christenheit. Gleichzeitig erklärten die Kirche und der römische Kaiser Konstantin damit einen Großteil der Christenheit im Nahen Osten zu Häretikern – die danach der Verfolgung ausgesetzt waren, was deren bereitwillige Unterwerfung unter die neuen arabischen Herrscher erklärt. 17 2) Die Bücher der Christen, Juden und Muslime sind nach islamischer Vorstellung eines Ursprungs. - die Thora, die Moses gegeben wurde - die Psalmen, die David gegeben wurden - das Evangelium, das Jesus geoffenbart wurde - der Koran, der an Mohammed erging. Sie alle entstammen nach islamischer Auffassung einem geheimen Buch in Himmel, dem al-Kitab, der Mutter des Buches, der Urschrift. Der Koran schließt diese Überlieferungen ab, ersetzt sie aber nicht. 17 Sh. Fußnote 16 -12- 3) Die Gemeinschaft des Islam ist wie der christliche Glaube für jeden zugänglich, der glaubt - unabhängig von Volkszugehörigkeit, Stamm oder Stand.18 Jude wird man dagegen durch Geburt von einer jüdischen Mutter. Beispielhafte Textbelege: Mohammed in einer Predigt auf seiner letzten Wallfahrt in Mekka, 632 u.Z.: „O ihr Menschen, wahrlich wir haben euch geschaffen von einem männlichen und einem weiblichen und haben euch zu Völkerschaften und zu Stämmen gemacht, so dass ihr einander kennt. Wahrlich, der edelste unter euch vor Allah ist der Gottesfürchtige unter euch" (Sure 49/13) „Ein Araber ist nicht vorzüglicher als ein Nichtaraber, noch ein Nichtaraber vorzüglicher als ein Araber; Ein Schwarzer ist nicht vorzüglicher als ein Weißer, noch ein Weißer als ein Schwarzer, außer durch Frömmigkeit.“ Brief des Paulus an die Galather 3,26-28: „Denn ihr seid alle Söhne Gottes durch den Glauben in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Es gibt nicht mehr Juden noch Griechen, nicht mehr Sklaven noch Freien, nicht mehr männlich noch weiblich; denn ihr seid alle einer in Christus Jesus.“ Folge dieses entscheidenden Unterschiedes zum Judentum: Muslime sind wie auch die Christen aufgerufen, Ihren Glauben zu verbreiten. Die Juden missionieren nicht. Daher gibt es heute auf der Welt etwa 2,1 Mrd. Christen und 1,3 Mrd. Muslime aber nur 15 Millionen Juden. 4) Mit dem Christentum hat der Islam gemeinsam die zentrale Bedeutung des Lebens nach dem Tode und des Jüngsten Gerichtes. Das Paradiesversprechen und noch mehr die Angst vor der Hölle sind ein wichtiger Handlungsantrieb für die Gläubigen. 5) In der gelebten Glaubenspraxis gibt es eine weitere Gemeinsamkeit aller drei monotheistischen Religionen: Religiöse Autorität wird im Islam, im Judentum, in der katholischen Kirche und in der orthodoxen Kirche ausschließlich und in den protestantischen Kirchen ganz überwiegend durch Männer ausgeübt. Als ein hervorstechendes Herrschaftsinstrument dient eine graduell unterschiedliche, rigide Sexualmoral, vor allem gegenüber Frauen. Diese wurzelt aber in allen drei Religionen in der Tradition, kaum im Buch des Glaubens selbst. 18 Beim Islam war dies von Anfang an so, das war eine der revolutionären Neuerungen von Mohammeds Botschaft. Im Christentum war zunächst umstritten, ob man sich als eine jüdische Sekte versteht oder ob der neue Glaube offen ist für jedermann. Entschieden wurde diese Frage erst um das Jahr 35, als der Apostel Petrus den römischen Centurio Cornelius in Caesarea Palaestina bekehrte und taufte. -13- Das sind die Gemeinsamkeiten, aber mit der nächsten Frage beginnen die entscheidenden Unterschiede: 6) Wie kann ich als Gläubiger am jüngsten Tag in das Paradies gelangen? Hier unterscheidet sich der Islam ganz wesentlich vom Christentum: Für uns Christen ist die Frage außerordentlich schwer zu beantworten, weil die Bibel dazu keine konkreten rituellen Vorschriften enthält, die jeder Christ begreifen kann. Jesus spricht "Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich." (Joh. 14,6) Das ist ziemlich abstrakt. Was heißt das praktisch? Die katholische Kirche hat sich damit beholfen, die Gläubigen zum Tun guter Werke aufzufordern, was im 16. Jahrhundert im Ablasshandel gipfelte. Martin Luther hat später dagegengehalten: Der Mensch könne sich die Seligkeit nicht verdienen, sie werde ihm von Gott aus Gnade geschenkt. Epheser (2,8-9): “Denn aus Gnade seid ihr selig geworden durch Glauben, und das nicht aus euch; Gottes Gabe ist es, nicht aus Werken", Mohammed verkündet den Muslimen einen Glauben, der ganz klare und verständliche Regeln enthält, wie ein gläubiger Muslim und wie die muslimische Gemeinschaft zu leben hat. Kern dieses Regelwerkes sind diese fünf Säulen des Islam: 1. Das Glaubensbekenntnis (Shahada): Es gibt keinen Gott außer Allah und Mohammed ist sein Prophet. 2. Das fünfmal täglich vorgeschriebene Ritualgebet (Salat), das mindestens am Freitag in der Gemeinschaft der Gläubigen, also in der Moschee zu verrichten ist. 3. Das Almosen (Zakat): eine nur von Moslems zu zahlende Steuer, die den Bedürftigen zu Gute kommen soll aber auch zur Ausbreitung des Islams verwendet wird. 4. Das Fasten (Saum) im Fastenmonat Ramadan 5. Die Pilgerreise (Hadsch) nach Mekka mindestens einmal im Leben. Darüber hinaus enthält der Koran zahlreiche Vorschriften über die Reinlichkeit, Speisevorschriften wie das Verbot von Schweinefleisch, über -14- die Beschneidung der Jungen, Vorschriften, die weitgehend denen der Juden gleichen. Die Verschleierung der Frauen gehört ausdrücklich nicht zu Mohammeds Kanon. Offenheit des Glaubens für jeden, der ihn annimmt - verbunden mit einem klar verständlichen Ritus, den jeder einhalten kann und der die Gemeinschaft der Gläubigen stiftet und sichtbar hält – diese Kombination ist der Kern der Überzeugungskraft des Islam. 7) Der zweite wesentliche Unterschied zwischen Christentum und Islam besteht im Verhältnis zu Staat und Recht: Unsere Bibel ist allein Quell des Glaubens. Nur an einer Stelle des Neuen Testamentes äußert sich Jesus zur Loyalität des Christen gegenüber dem Staat, im Zusammenhang mit der Steuerpflicht: (Mt. 22,21) „So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ Zwar haben alle christlichen Herrscher ihre Herrschaft von Gottes Gnaden legitimiert, die Bibel verlangt aber nicht den Gottesstaat, für Christen ist auch eine laizistische Demokratie mit dem Glauben vereinbar, so lange sie ihn darin bekennen dürfen. Unser Recht beruht zwar größtenteils auf christlichen Traditionen, ist aber von Menschen geschaffen, kann also veränderten Verhältnissen angepasst werden und unterlag im Laufe der Jahrhunderte auch gewaltigen Anpassungen, vom Codex Justinianus bis zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Das ist beim Islam ganz anders: Mohammed war nach seiner Flucht aus Mekka 622 in Medina erst zum Schiedsrichter und schließlich zum Regieren berufen. In den Suren, die Mohammed in Medina offenbart wurden, geht es weniger um Erlösung und Verdammnis, es geht um das Eherecht und das Erbrecht, das Verbot von Zinsen, um die Beuteverteilung aus Raubzügen, das Verbotene und Erlaubte, kurz: um das Regieren. Für die traditionellen Muslime sind nicht nur der Koran selbst und die in ihm enthaltenen Rechtsvorschriften unmittelbar göttlichen Ursprungs. Auch das Regierungshandeln Mohammeds und die Rechtsvorschriften, die Mohammed in Medina und Mekka erlassen hat, ja selbst überlieferte Meinungsäußerungen des Propheten sind für die Muslime unmittelbar göttlichen Ursprungs so wie der Koran selbst. Entscheidende Konsequenz dieses göttlichen Ursprungs: Sie sind deshalb nicht aus der Zeit ihrer Verkündung heraus zu interpretieren, sie gelten für alle Zeiten und Orte. Und sie sind widerspruchslos und gläubig hinzunehmen. Das Forschen nach der Bedeutung und der inneren Logik der Gesetze ist nur zulässig, -15- wo Allah selbst den Weg dazu weist. Da diese Äußerungen und das Regierungshandeln des Propheten größtenteils nur mündlich überliefert waren, eröffnete sich hier ein breiter Handlungsraum für spätere Dogmatiker. 19 Die Ulama, die Gelehrten im Islam, sind stets Koran- und Rechtsgelehrte in einem. Während der Kalif die weltliche Herrschaft über das Reich des Islam innehatte, wachten die in den Medressen ausgebildeten Ulama über die Einhaltung des rechten Glaubens und des islamischen Rechts. Erst der dritte rechtgeleitete Kalif, Uthman, hat ab 64420, also zwölf Jahre nach Mohammeds Tod, begonnen, den Koran aufschrieben zu lassen. Er legte auch das Arabische als einzig gültige Sprache des Koran fest. Jahre danach haben die Ulama angefangen, darüber hinaus die überlieferten Äußerungen und Regierungshandlungen Mohammeds, die sogenannten Hadithe, aufzuschreiben und in verbindlichen Sammlungen zu vereinigen. Die maßgeblichen Hadith-Sammlungen stammen aus dem 8. und 9. Jahrhundert u.Z. Allein Ahmad Ibn Hanbal (780-855) hat in Bagdad eine monumentale Sammlung mit über 29 Tausend Prophetenzitaten zusammengetragen. In eine solche Sammlung einhundert bis zweihundert Jahre nach dem Tod des Propheten sind aber 19 Zunächst gab es vier zulässige Quellen der islamischen Rechtsfindung: der Koran selbst, der aber nur wenige unmittelbare Rechtsvorschriften enthält, die Hadithe, die Analogie (qiyas) und die Konsensentscheidung (idschma). Wo diese Rechtsquellen nicht griffen, konnten die Juristen einen Rechtsspruch (fatwa) auch aufgrund eigenständiger Überlegungen fällen, der dann allerdings der Bestätigung der Gemeinde bedurfte (idschtihad). Das sollte sich im 9. und 10. Jahrhundert u.Z. ändern. 20 Die ersten vier Kalifen nach dem Tod Mohammeds (632) werden als „rechtgleitete Kalifen“ bezeichnet, weil sie persönliche Weggefährten Mohammeds oder sogar, wie Ali ibn Ali Talib, mit dem Propheten verwandt waren. 632–634 Abu Bakr - Vater von Mohammeds zweiter Frau Aisha, er führte die Umma, die nach dem Tod des Propheten auseinander zu fallen drohte, in den sogenannten Ridda-.Kriegen wieder zusammen. 634–644 Umar ibn al-Chattab – aus dem führenden Clan Mekkas, den Umayyaden. Unter ihm begann die kriegerische Ausbreitung der Herrschaft des Islam. 636 wurde Damaskus erobert, 638 Jerusalem, 640 wurde Ägypten überrannt, 642 fiel Alexandria, 698 Karthago. 642 wurde das persische Sassanidenreich bei Nehawend besiegt und ging in der Folge im islamischen Reich auf. Umar wurde 644 von einem christlichen persischen Sklaven ermordet. 644–656 Uthman ibn Affan - Mit der Herrschaft von Uthman ibn Affan begann eine Zeit innerer Auseinandersetzungen im Islam, die letzten Endes zur Spaltung der Gemeinde führen sollte. Er war wie Mohammed ein Angehöriger des Stammes der Banu Quraisch, aber gehörte zum reichen Clan der Umayyaden und setzte deren Interessen durch, zum Beispiel, indem er sämtliche Emire (Statthalter) durch Angehörige des eigenen Clans ersetzte. Der Wichtigste unter ihnen war Mu'awiya in Syrien (später Muawiya I.). 656 wurde Uthman während des Gebets in Medina von Aufständischen ermordet. Seine bedeutendste Tat war die abschließende und bis heute maßgebliche Redaktion des Koran, etwa zwanzig Jahre nach dem Tod des Propheten Mohammed. 656–661 Ali ibn Abi Talib – der Cousin Mohammeds und Ehemann von Fatima, der Tochter des Propheten, wurde 656 in der Moschee von Medina zum vierten Kalifen gewählt. Er war bereits dreimal bei der Wahl übergangen worden, zum einen, weil er als zu jung angesehen wurde, zum anderen aber auch, weil die Prophetengefährten das Kalifenamt wählbar erhalten und keine Kalifendynastie in der Familie des Propheten zulassen wollten. Die Umayyaden akzeptierten die Wahl Alis jedoch nicht, und Mu'awiya rief sich in Damaskus selbst zu Kalifen aus. Damit begann die Spaltung des Islam in Schiiten (von Shiat Ali = Alis Partei) und Sunniten (von arab. Sunna = Brauch, überlieferte Norm). -16- quasi naturgesetzlich die Anschauungen derjenigen eingeflossen, die die Sammlung zusammengetragen und über die Echtheit einzelner Hadithe entschieden haben. Die Scharia, die Gesamtheit des islamischen Rechts, reflektiert daher teilweise mehr die Rechtsüberzeugungen der Korangelehrten des 8. und des 9. Jahrhunderts als die der islamischen Gemeinschaft zu Zeiten Mohammeds. Ibn Hanbal – obwohl mehr Theologe denn Rechtsgelehrter - war gleichzeitig der Begründer der radikalsten Rechtsschule der Sunniten. Die hanbalitische Rechtsschule trat für die alleinige Anerkennung von Koran und Überlieferung als Rechtsquellen ein und lehnte jede Form menschlicher Rechtsfindung ab. Im 18. Jahrhundert stütze sich dann der Hanbalit Muhammad Ibn Abd alWahhab (1703- 1792) auf die hanbalitische Lehre, als er die radikalfundamentalistische „wahhabitische Bewegung“ ins Leben rief, die heute noch von Saudi-Arabien aus auf der Arabischen Halbinsel, in Afrika, Ägypten und Indien großen Einfluss hat und mit erheblichen finanziellen Mitteln fundamentalistische und gewaltbereite islamistische Gruppierungen fördert. Die Scharia gilt immer noch unmittelbar in einigen muslimischen Staaten wie Saudi-Arabien, dem Iran, in Afghanistan, in Teilen Nigerias und auf den Malediven. In anderen Staaten hat sie starken Einfluss auf die Gesetzgebung, die Auslegung und Anwendung des staatlichen Rechts. Und in vielen von Muslimen bewohnten Staaten wird ihre Wiedereinführung von fundamentalistischen islamischen Bewegungen gefordert. Da die hoch angesehenen Rechtsschulen (Medressen) immer mehr Gelehrte ausbildeten, bildete sich im Laufe der Zeit eine Altershierarchie unter den Ulama heraus, die den Drang jeder Geistlichkeit zum Traditionalismus noch beförderte. Mehr und mehr setzen sich die traditionalistischen Rechtsschulen durch. Spätestens im 11. Jahrhundert erklärten die Ulama die islamische Rechtssammlung für vollendet und die Tore der selbstständigen Rechtssuche für geschlossen. Mit dem immer weiter zunehmenden Einfluss der traditionalistischen Rechtsschulen tritt an die Stelle der anfänglichen Ideen- und Meinungsvielfalt ein rigider Formalismus mit striktem Festhalten an Präzedenzfällen und der Unterdrückung jeden selbstständigen Denkens. Es überrascht nicht, dass die Ulama ihre Macht und ihren Einfluss auch gegen das freie Geistesschaffen und das luxuriöse Leben in den großen islamischen Metropolen einsetzten. Die großartige weltoffene Kultur des maurischen Andalusien ging nicht etwa an der christlichen Reconquista zugrunde, sondern schon im 12. Jahrhundert, als die fundamentalistischen Almoraviden und danach die -17- Almohaden aus Marokko die Herrschaft in Al Andalus an sich rissen.21 Und Bagdad wurde zweimal aus dem Osten erobert, erst im 11. Jahrhundert von den aus Zentralasien stammenden Seldschuken und dann 1258 unter unvorstellbaren Gräueln von den Mongolen. Die in die islamische Welt ab dieser Zeit eingezogene Innovationsfeindlichkeit zeigt sich am Beispiel des Buchdrucks: Diese Erfindung hätte in der Wissensgesellschaft unter den arabischen Kalifen rasche Verbreitung gefunden. Im osmanischen Reich des 15. Jahrhunderts dagegen fürchteten die islamischen Gelehrten offenbar um ihr Wissensund Deutungsmonopol. Der Koran sollte einzigartig bleiben, neben ihm sollte kein zweites Buch existieren. 1483 hatte der osmanische Sultan Bayezid II. den Muslimen deshalb den Buchdruck mit beweglichen Lettern bei Todesstrafe verboten. Erst 1727 erhielt der aus Ungarn stammende osmanische Gelehrte Ibrahim Müteferrika (1670-1745) die Erlaubnis, die erste Druckerei zum Druck nichtreligiöser Werke im osmanischen Reich einzurichten. 1729 erschien das erste gedruckte osmanische Buch, ein Wörterbuch der arabischen Sprache, mehr als 250 Jahre, nachdem Johannes Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfunden hatte. Die christlichen Päpste versuchten übrigens im 15. und 16. Jahrhundert ebenfalls, den Druck und die Verbreitung der Bibel in Laienhänden und die Übersetzung in Volkssprachen mit den Mitteln der Zensur und der Inquisition zu verhindern. Das Buch des Glaubens sollte nicht dazu benutzt werden dürfen, womöglich das Auslegungsmonopol der alleinseligmachenden Mutter Kirche in Zweifel zu ziehen. Selbst die Sprache des Korans wurde erst nach dem Tode des Propheten dogmatisch geprägt: Die arabische Sprache, in der der Koran unter dem Kalifen Uthman aufgeschrieben wurde, wird ebenfalls als unmittelbar göttlich angesehen, weil Mohammed seine Offenbarungen in dieser Sprache empfangen haben soll. 1972 wurde jedoch die größte Sammlung früher Koranfragmente im jemenitischen Sana´a entdeckt, zwischen Dach und Decke einer Moschee, die nachweislich noch zu Lebzeiten des Propheten Mohammed errichtet worden war – und diese Koranfragmente waren nicht in arabischer, sondern in syrisch-aramäischer Sprache 21 Und von Osten her eroberten ab der Jahrtausendwende die zum Islam übergetretenen türkischen Seldschuken von Osten her die gesamten islamischen Gebiete östlich des Mittelmeeres und vom Byzantinischen Reich Anatolien und beendeten dort die Herrschaft der Araber. Aus den Seldschuken gingen die Osmanen hervor. In Ägypten und im Maghreb übernahmen Berber, die schiitischen Fatimiden, die Macht. Ende des 12. Jahrhunderts können die Abassidenkalifen noch einmal ihre Macht wiederherstellen, dann aber fegt der Mongolensturm das Reich hinweg. 1258 erobern die Mongolen Bagdad und zerstören die zweitgrößte Stadt der Welt in einem blutigen Massaker. Vor allem aber zerstören sie auch die komplexen Bewässerungssysteme Mesopotamiens und leiten damit die Desertifikation des Zweistromlandes ein. Das war das Ende des über 500 Jahre währenden arabischen Weltreiches. -18- verfasst. Stehen damit auch Deutungen und Dogmen in Frage? In der 55. Sure (und an sieben anderen Stellen im Koran) werden die „Huri“ beschrieben, nach traditioneller arabischer Lesart „Jungfrauen keuschen Blickes“, die den besonders frommen Muslimen als Belohnung im Paradies in Aussicht gestellt werden. Nach den syrisch-aramäischen Texten könnte hier tatsächlich jedoch nur von weißen, kristallklaren Trauben die Rede sein. Da wird mancher Selbstmordattentäter enttäuscht sein, wenn er denn überhaupt ins Paradies gelangen sollte – was selbst unter Islamgelehrten umstritten ist. Anschauliche Beispiele für die nachträgliche Dogmatisierung des Islam lange nach dem Tod des Propheten liefert auch die Lehre vom Dschihad, dem heiligen Krieg. Mohammed hatte für die Führung des heiligen Krieges (arab. Dschihad) im Koran Vorschriften erlassen, die der Genfer Konvention ähneln, insbesondere zum Schutz der Zivilbevölkerung, von Frauen und Kindern.22 Der Prophet gebietet, vom Kampf abzulassen, wenn der Gegner vom Kampf ablässt. Vor allem aber verbietet die zweite Sure des Koran den Angriffskrieg! (Sure 2, 190) „Aber beginnt nicht mit den Kampfhandlungen! Allah liebt nicht den Angreifer.“ Der Heilige Krieg ist nur zur Verteidigung gegen Unterdrücker des Glaubens zulässig. (vgl. auch Sure 22,39 ff.)23 Letzteres geriet dann alsbald nach dem Tod des Propheten in Vergessenheit und man berief sich lieber auf den Aufruf in der neunten Sure: ..“führe Krieg gegen die Ungläubigen und die Heuchler und sei hart gegen sie“ obwohl diese Aufforderung speziell gegen die damals noch polytheistischen Mekkaner und ihre in Medina versteckten Parteigänger gerichtet waren, die gegen Mohammed und seine kleine Gemeinschaft Krieg führten. Erst ab dem zweiten rechtgeleiteten Kalifen, Umar, wird der Islam wirklich zur Eroberungsreligion. (vgl. Fußnote 16) Nach der nach dem Tode des Propheten entwickelten islamischen Dschihad-Lehre ist die Welt aufgeteilt in das Haus des Islams (Dar al22 Kern der Lehre vom Dschihad war die Unterscheidung von Kämpfenden und Nichtkämpfenden. Frauen, Kinder, Geistliche und andere Zivilpersonen zu töten war unter allen Umständen verboten. Dieses Verbot wurde später auf die Folterung von Kriegsgefangenen, die Verstümmelung von Toten (eine alte arabische Tradition zur damaligen Zeit) und auf jede Art sexueller Gewalt im Krieg ausgedehnt: Ebenso war es verboten, religiöse oder medizinische Einrichtungen zu beschädigen. 23 Der indisch-muslimische Denker Sir Sayyid Ahmad Khan (1817- 1898) vertrat unter Berufung auf den Koran sogar die Auffassung, dass der Dschihad für Muslime nur dann verpflichtend sei, wenn es eine „aktive Unterdrückung oder Behinderung der Religionsausübung“ gebe. Da die Briten aber weder das rituelle Gebet, noch das Ramadan-Fasten und die Pilgerfahrt nach Mekka behinderten, sei ein Dschihad gegen sie unzulässig. Ahmad Khan versuchte die Muslime in Indien nicht nur davon zu überzeugen, der britischen Herrschaft gegenüber loyal zu sein, sondern auch etwas von der westlichen Kultur aufzunehmen. 1875 gründete er in Aligarh (Indien) die Aligarh Muslim University. -19- Islam), was gleichbedeutend mit den Haus des Friedens ist - und in das Haus des Krieges (Dar al-Barb), wo die Ungläubigen wohnen. Allen Ländern und Völkern waren danach bestimmt, in das Haus des Islam einzutreten. Dabei ging es - anders als im Christentum - um die Herrschaft des Islam, nicht um Zwangsmissionierung. „In der Religion gibt es keinen Zwang“, hatte Mohammed verkündet. (Sure 2, 256)24 Die Christen und Juden hatten die Wahl, entweder freiwillig zum Islam überzutreten oder den Status kopfsteuerpflichtiger Schutzbefohlener (Dhimmi) zu wählen oder weiterzukämpfen. Den übrigen Ungläubigen blieb allerdings nur die Wahl, zum Islam überzutreten oder zu kämpfen.25 Heute üben die religiösen Fundamentalisten immer noch oder wieder beherrschenden Einfluss auf viele mehrheitlich von Muslimen bewohnte Staaten aus. Großer Druck geht von den saudi-arabischen Wahabiten aus, die überall in der Welt mit ihren Petro-Dollars fundamentalistische Schulen und Vereinigungen wie die Salafisten oder die ägyptischen Muslim-Brüder fördern und formen. Wenn man nach den Ursachen dafür forscht, warum so viele Muslime empfänglich für diesen radikalen, aggressiven Fundamentalismus sind, dann mus man wohl berücksichtigen, dass große Teile der arabischen Halbinsel, Ägypten und der Maghreb (bis auf Marokko) jahrhundertelang der Fremdherrschaft unterworfen waren, erst der Osmanen, dann der von England oder Frankreich. Die korrupten Eliten, die danach die Macht übernommen und mit Unterstützung westlicher Staaten lange gehalten haben, haben das Vertrauen der Menschen in die westliche Demokratie und den Rechtsstaat nicht gerade gefördert. Vor allem aus der traditionellpatriarchalischen und wenig gebildeten Landbevölkerung gewinnen die Fundamentalisten dankbare Anhänger. 24 Es ist die Wahrheit, die von Eurem Herrn kommt, wer nun will, möge glauben, und wer will, möge nicht glauben. (Sure 18,29) 25 Die Eroberungen von Damaskus 636 und von Jerusalem 637 werden zum Modellfall der frühen islamischen Eroberungen und zum Markstein islamischer Toleranz gegenüber Christen und Juden. In Damaskus gewährt der Kapitulationsvertrag den Christen und Juden weitgehende Religionsfreiheit gegen Zahlung der „Dschizya“, der Kopfsteuer. Vom Zakat, der vom Koran vorgeschriebenen Almosenabgabe sind sie befreit. Der Bischof von Damaskus behält sein Amt. In Jerusalem bot der Patriarch nach sechs Monaten Belagerung im Jahre 637 u.Z. die Übergabe der Stadt jedoch nur an den Kalifen persönlich an. Im April reiste Kalif Umar nach Jerusalem, um die Unterwerfung der Stadt anzunehmen. Als ihn der Patriarch in die Grabeskirche zum Gebet einlud, lehnte der Kalif die Einladung ab mit der Begründung, wenn er in dieser Kirche beten würde, würden seine Muslime sie anschließend zu einer Moschee machen. Das wolle er den Christen von Jerusalem ersparen. Was für ein barbarisches Massaker dagegen veranstalteten die Kreuzfahrer im Jahre 1099 am Schluss des ersten Kreuzzuges unter den Muslimen und Juden von Jerusalem. Nach der Eroberung Jerusalems wurde fast die gesamte Bevölkerung hingemordet. Zwischen 30.000 und 70.000 wehrlose Männer, Frauen und Kinder wurden an einem einzigen Nachmittag und in einer Nacht abgeschlachtet. In der Al-Aqsa-Moschee, wohin sich viele Familien geflüchtet hatten, war das Gemetzel so groß, dass die Kreuzfahrer bis an die Knie im Blut wateten. So berichten die „Gesta francorum“, eine Sammlung von christlichen Augenzeugenberichten, heute noch die wichtigste abendländische Quelle für die Kreuzzüge. -20- Ich darf am Schluss meiner Betrachtungen eine These wagen: In fast allen mehrheitlich von Muslimen bevölkerten Staaten der Welt werden heute Christen diskriminiert oder sind sogar Verfolgungen ausgesetzt. Selbst in der Türkei, die ja in die EU aufgenommen werden möchte, gibt es starke gesetzliche und tatsächliche Diskriminierungen der Christen. 26 Wir im sogenannten Westen sind heute glücklich, in einer pluralistischen Gesellschaft zu leben – es ist aber sehr fraglich, ob wir uns dafür, wie das viele Politiker tun, auf „christlich-abendländische Traditionen“ berufen dürfen. Denn die christlich-abendländischen Traditionen sind von der Verfolgung anders Glaubender gekennzeichnet: Seit dem vierten Jahrhundert werden Menschen, die anderen oder auch nur abweichenden Glaubensüberzeugungen als denen der Kirche anhängen, verfolgt, bekriegt, gefoltert, versklavt, hingerichtet oder vertrieben. Auch bei uns Christen wurde aus dem Glauben der Liebe das Dogma vom „bellum justum“ vom heiligen Krieg,27 zum Dogma, das die Kreuzzüge ebenso rechtfertigte wie die blutigen kolonialen Eroberungen der Portugiesen und Spanier, eine Tradition, in die dann später die protestantischen Holländer und die anglikanischen Engländer nahtlos eingetreten sind. „Wer nicht glauben will, muss dran glauben“ wurde über Jahrhunderte zur Maxime der Christenheit, mit der sie sich fast die ganze Welt unterwarf. 1494 teilte der Borgia-Papst Alexander VI. im Vertrag von Tordesillas die gesamte nichtchristliche Welt entlang dem 46. Längengrad (46° 37´West) zwischen Spanien und Portugal auf. Fast vergessen: „ Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen“ (Mt. 5,44) Die Wurzeln des Fortschritts im Zusammenleben der Menschen in der westlichen Welt, die unser Leben heute so friedlich wie nie zuvor in und so angenehm macht, liegen weniger im Christentum. Sie liegen in der Renaissance und in der Aufklärung. Die Renaissance sah den geistigen Aufbruch der Menschheit in einer Rückbesinnung auf die Antike. Nicht nur die Inquisition und der Prozess gegen Galileo Galilei belegen den heftigen Unwillen der 26 Christliche Kirchen sind in der Türkei nicht als Körperschaften anerkannt, damit befinden sich die christlichen Kirchen in einem rechtlichen Vakuum. Sie können nicht klagen, keine Anträge stellen, und ihre Liegenschaften unterliegen der Gefahr der Einziehung. Kirchliche Körperschaften können zwar als Eigentümer noch eingetragen sein, aber das sie rechtlich nicht existieren, wird das Grundstück rechtlich als herrenlos angesehen. Die Kirchen dürfen keine Priester ausbilden. Christliche Straßenfeste und Prozessionen sind verboten, christlichen Rundfunksendern wird grundsätzlich keine Lizenz erteilt. In den Personenstandsregistern der Türkei wie auch auf türkischen Personalausweisen findet sich die Rubrik ‚Religion’, was den Weg zu zahlreichen Diskriminierungen eröffnet, vor allem bei Konversionen. 27 Kirchenvater Augustinus von Hippo entwickelt im vierten Jahrhundert u.Z. die Lehre vom „bellum justum“, vom gerechten Krieg, die alsbald kanonisches Recht wird und die Kreuzzüge ebenso rechtfertigt wie die kolonialen Eroberungen der Portugiesen und Spanier. (schriftlich um 1140 im Decretum Gratiani – dem Grundwerk des Corpus Juris Canonici) Menschen tendieren zur Vereinfachung, und so wurde daraus bald der christliche Grundsatz: „Wer nicht glauben will, muss dran glauben.“ -21- katholischen Kirche, den Menschen geistige Freiheit zuzugestehen. Aber durch die Erfindung des Buchdruckes konnte die Kirche das selbstständige Denken der Menschen nicht mehr aufhalten. Die Päpste hatte glücklicherweise im 15. Jahrhundert nicht mehr die weltliche Macht, wie die osmanischen Sultane den Buchdruck zu unterdrücken. Nach dem blutigen Gemetzel des dreißigjährigen Krieges um die Freiheit des Glaubens eröffnete dann im 18. Jahrhundert unsere Aufklärung den „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“, wie Immanuel Kant die Aufklärung in einem Satz zusammenfasste.28 Mit der Geburt des Zweifels, mit der schrittweisen Selbstbefreiung der Menschen vom religiösen Zwang ging auch eine allgemeine geistige Befreiung einher. Gerade das 18. Jahrhundert hat als Folge der Aufklärung einen ungeheuren Schub an Forschung und Entwicklung29 freigesetzt, der das Leben der Menschen verbessert hat wie seit der Antike und seit der Blütezeit der arabischen Kalifate nicht mehr. Dieser Entwicklungsschub nach der Aufklärung hat unseren Wohlstand und die wirtschaftliche Führungsrolle begründet, die Europa heute noch in der Welt innehat. Toleranz scheint in den monotheistischen Religionen - jedenfalls in der Praxis nicht angelegt zu sein. Im welthistorischen Maßstab kurze Phasen gegenseitiger Toleranz waren auf wenige Herrscherpersönlichkeiten zurückzuführen, die dafür von ihrer eigenen Seite oft heftigen Anfeindungen bis zum Kirchenbann ausgesetzt waren.30 Wie stark auch heute noch religöse Dogmen - nicht der Glaube selbst - trennend wirken, zeigt der 500 Jahre nach der Reformation immer noch andauernde Abendmahlsstreit oder die erst im Jahre 1992 von der katholischen Kirche ausgesprochene Rehabilitation Galileo Galileis, zeigen die langen blutigen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanden in Nordirland, zeigen die aktuellen Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten im Irak und anderenorts und zeigt der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, der beiderseits immer wieder durch radikalreligiöse Kräfte entflammt wird. Könnte der Weg zu einem friedlichen und toleranten Zusammenleben der Menschen darin bestehen, die Verbindung von Macht und Religion klar zu lösen und die Religion zu einer Privatsache zu machen? Würden die Menschen 28 In seinem Aufsatz: „Was ist Aufklärung?“ in „Berlinische Monatsschrift“, Dezember 1784 29 Z.B. die Pockenschutzimpfung, der Blitzableiter, der mechanische Webstuhl, die Dampfmaschine, das Barometer, der Chronometer, die Licht-Telegrafie, die Zuckerrübe – es wurden große Fortschritte in der Erforschung der Elektizität erzielt … 30 wie zum Beispiel der vom Papst gebannte Stauferkaiser Friedrich II., der mit dem ägyptischen Sultan Al-Kamil im Februar 1229 den Friedensvertrag von Jaffa schloss, durch den Jerusalem, Bethlehem und Nazareth den Christen zurückgegeben wurde – wodurch die beiden Herrscher ohne eine einzige Schlacht den fünften Kreuzzug beendeten. -22- friedlicher zusammenleben, wenn die Staaten sich - wie das Preußen Friedrichs des Großen im 18. Jahrhundert - darauf beschränkten, sicherzustellen, dass sich die Angehörigen unterschiedlicher Religionen und Kulturen gegenseitig respektieren und dass die jeweilige Geistlichkeit nicht gegen andere Religionen hetzt? Schon 1740, im Jahr seines Regierungsantritts, hatte König Friedrich formuliert: "Alle Religionen sind gleich und gut, wenn nur die Leute, die sie leben, ehrliche Leute sind. Und wenn Türken und Heiden kämen und wollten das Land bevölkern, so wollen wir ihnen Moscheen und Kirchen bauen." Diese Grundüberzeugung ließ der König in seinem Allgemeinen Landrecht (1794) in so durchdachter Weise Gesetz werden, dass die zentralen Grundprinzipien auch heute noch als Grundlage für das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Religion und Kultur dienen können: - Das Allgemeine Landrecht verlieh jedem Einwohner mit Gesetzeskraft vollkommene Glaubens- und Gewissensfreiheit. (ALR II. Teil, 11. Titel, §§ 1 und 2) - Nicht allein an den Staat, sondern an alle Bürger richtete sich das Gebot, dass niemand wegen seiner Religionsmeinungen beunruhigt, zur Rechenschaft gezogen, verspottet oder gar verfolgt werden sollte. (ALR II. Teil, 11. Titel, § 4) - Gleichzeitig verpflichtete das ALR die Religionsgesellschaften ausdrücklich, ihren Mitgliedern Gehorsam gegen die Gesetze, Treue gegen den Staat und sittlich gute Gesinnungen (Respekt) gegenüber anderen Mitmenschen und anderen Glaubensgemeinschaften einzuflößen. (ALR II. Teil, 11. Titel, § 11) Der Staat durfte bei Verletzungen dieser Pflichten eingreifen. Friedrich war klar, dass die Glaubensfreiheit nicht nur von der Toleranz des Herrschers abhing, sondern dass der Staat auch durchsetzen musste, dass die Staatsbürger untereinander Glaubens- und Gewissensfreiheit respektierten. In diesen preußischen Staat zogen schon ab 1745 die tatarischen Reiter und ihre Familien zu, aus denen Friedrich der Große sein Bosniakenkorps formte. Beide Seiten hatten damit offenbar gute Erfahrungen gemacht, denn zehn Jahre später, am 13. August 1755, schieb Friedrich der Große nicht ohne Stolz an Voltaire: .. „Ich verhandele derzeit mit tausend mohammedanischen Familien, denen ich in Westpreußen Heimstätten und Moscheen geben will. So wird -23- es hier die vorgeschriebenen Fußwaschungen geben, und ohne empört zu sein, wird man hilli und hilla singen hören. Dies war die einzige Sekte, die in diesem Lande noch fehlte.“… Um, einem Missverständnis vorzubeugen: Friedrich war die Religion nicht egal. Ihm war durchaus bewusst, dass die Religion die Grundlage für das moralische Handeln des Einzelnen war. Es sollte sich aber in Preußen keine Religion über die andere erheben dürfen. Friedrich formte Preußen zu einem Staat, der weder durch die Nation, noch durch eine gemeinsame Religion seiner Einwohner, sondern durch eine vorbildhafte gesetzliche Ordnung zusammengehalten wurde. Und damit konnte der Islam ebenso zu Preußen gehören wie Lutheraner, Calvinisten, Pietisten, Katholiken und Juden. Und deshalb hat das aufgeklärte Preußen Glaubensflüchtlinge und andere Zuwanderer aus vielen Ländern aufgenommen und nach kurzer Zeit ungeheuer von ihnen profitiert. Vielleicht fehlt uns heute die gesetzliche Verpflichtung aller Religionsgemeinschaften aktiv an der Herstellung eines respektvollen und toleranten Miteinanders mitzuwirken? Und vielleicht fehlt uns heute der unbedingte Wille unserer Politiker(innen), diesen gegenseitigen Respekt auch durchzusetzen? Es mag unterschiedliche Wege geben, in einem Staat ein friedliches und gleichberechtigtes Miteinander von Menschen unterschiedlicher Kultur und Religion zu organisieren. Den Weg, den Preußen vorangegangen ist, empfinde ich auch heute noch als vorbildhaft. Ob und wie weit dagegen ein religiös fundierter Staat dazu geeignet wäre, wage ich jedoch aus dem Blick auf die historische und die gegenwärtige Praxis zu bezweifeln. Außerdem gehört die Mehrheit der Menschen in modernen Gesellschaften heute entweder keiner Religion mehr an oder praktiziert diese nicht. In China beispielsweise mit seinen 1,3 Milliarden Menschen 31 gehören nur rund 22% irgendeiner Religion an. Daher findet die Auseinandersetzung über die Integration bei uns nur zum Teil zwischen Christen und Muslimen statt, viel mehr aber zwischen Religiösen und Nichtreligiösen. Am Anfang jedes Weges zu einem Miteinander steht der Respekt für den Anderen, und der beginnt mit dem Versuch, ihn zu verstehen. Ich hoffe, dass ich dazu einen kleinen Beitrag habe leisten können. 31 Nach einer Studie der Professoren Tong Shijun und Liu Zhongyu der Shanghaier Lehreruniversität von 2005 gibt es in China 150-200 Mio. Buddhisten, 25-35 Mio. Protestantische Christen, 11-18 Mio. Muslime, 8,5- 13Mio. Katholiken und 5,5 Mio. Daoisten. Die chinesische Volksreligion hat ungefähr 130 Mio. Anhänger. Diese Untersuchung kommt also auf eine Gesamtzahl von ungefähr 300 Millionen Gläubigen anstelle der bisher offiziell angegebenen Anzahl von nur 100 Millionen.. Die Daten dieser Studie beruhten auf eigenen Umfragen der Verfasser und wurden in den staatlichen Medien veröffentlicht. Dadurch, dass diese Daten auf der Politischen Konsultativkonferenz des Jahres 2007 erwähnt wurden, bekamen sie eine halboffizielle Bedeutung. -24- Eine Auswahl der verwendeten und zur Vertiefung empfohlenen Literatur: Hamed Abdel-Samad Der Untergang der islamischen Welt München, 2010 Tamim Ansary Die unbekannte Mitte der Welt Globalgeschichte aus islamischer Sicht Frankfurt / Main, New York, 2010 Reza Aslan Kein Gott außer Gott - Der Glaube der Muslime München, 2006 Georg Bossong Das maurische Spanien - Geschichte und Kultur München, 2007 Floris Cohen Die zweite Erschaffung der Welt - wie die moderne Naturwissenschaft entstand, Köln, 2010 John Freely Platon in Bagdad - Wie das Wissen der Antike zurück nach Europa kam, Stuttfgart, 2012 Albert Hourani Die Geschichte der arabischen Völker Frankfurt / Main, 2001 Gudrun Krämer Geschichte des Islam München, 2008 Ian Morris Wer regiert die Welt? Warum Zivilastionen herrschen oder beherrscht werden, Franktfurt / Main, New York 2012 Edward W. Said Orientalismus Frankfurt / Main, 2009 Montgomery Watt Der Einfluß des Islam auf das europäische Mittelalter Berlin, 1988 Zeitschriften, Aufsätze Christoph Reuter Mohammed - Wer war der Mann, der den Islam begründete? in GEO 04 / 2009 DIE ZEIT - Geschichte 2 / 2012 Der Islam in Europa - 1300 Jahre gemeinsame Geschichte