Weidekokzidiose – keine neue Krankheit

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LANDPOST
A USBILDUNG UND B ERATUNG
4. SEPTEMBER 2010
Erfolgreich füttern: Kälber und Jungvieh erkranken auf der Weide
Weidekokzidiose – keine neue Krankheit
Aus der Praxis werden in diesem
Sommer vermehrt ernsthafte gesundheitliche Probleme mit größeren Kälbern und Jungrindern während der Weideperiode gemeldet.
Selbst bei einem späteren Austrieb
auf zuvor geschnittenen Grasflächen erkrankten größere Kälber und
auch Jungvieh bis zu einem Alter
von 18 Monaten. Die Ursache ist eine Krankheit, die oft mit dem Befall
von Magen- und Darmwürmern verwechselt wird und in diesem Jahr
durch das feuchtwarme Wetter stärker in Erscheinung tritt – die Weidekokzidiose.
Der für diese Krankheit typische
anhaltende Durchfall führt zu Wachstumsdepressionen, starkem Gewichtsverlust und sogar zu Totalausfällen. Weidekokzidiose ist aber keine
neue Krankheit, allerdings scheint
der Befallsdruck in diesem Jahr deutlich größer zu sein. Den Betrieben
entsteht durch Weidekokzidiose ein
erheblicher wirtschaftlicher Schaden,
besonders, wenn die Krankheit nicht
schnell genug erkannt wird und nicht
sofort Gegenmaßnahmen eingeleitet
werden.
Krankheitsbild
Kokzidien sind einzellige Parasiten, die die Darmwand der Jungrinder schädigen. Die Darmwand wird
derart angegriffen, dass Darmgewe-
Damit größerer Schaden vermieden
wird, müssen die Krankheitsanzeichen
schnell erkannt und Behandlungsmaßnahmen eingeleitet werden. Bei Erkrankung ist die umgehende Aufstallung der
gesamten Gruppe erforderlich.
Fotos: Johannes Thomsen
be und Gefäße geschädigt werden
und Blut und Plasma austreten. Der
Kot bildet bei klinischer Erkrankung
Blasen, ist dünnbreiig und wässrig
mit zum Teil erheblichen Blutbeimengungen und Gewebefetzen. Die
erkrankten Tiere werden dadurch
sehr stark geschwächt. Außerdem ist
die Nährstoffaufnahme nur noch eingeschränkt möglich. Bei sehr starker
Erkrankung liegt die Todesrate bei 5
bis 10 % der Tiere. Die erkrankten
Tiere werden träge und stehen mit
krummem Rücken auf der Weide.
Der Afterbereich und die Beine sind
immer stark mit Kot verschmiert.
Diese Symptome zeigen sich meist
zehn bis 15 Tage nach Weideaustrieb.
Betroffen sind meist junge Rinder
bis zu einem Jahr, ältere Tiere dienen
häufig als Erregerreservoir. Kokzidien werden mit dem Kot ausgeschieden und vermehren sich dann besonders in feuchtwarmer Umgebung sehr
schnell. Die Ansteckung der Jungrinder erfolgt durch die Aufnahme infektiöser Oozyten über Futter, Weidegras, Stroh und Wasser. Dieser Zyklus
kann sowohl im Stall als auch auf der
Weide ablaufen. Kokzidien in Form
der Oozyten sind sehr widerstandsfähig und können auf der Weide bis zu
einem Jahr überleben.
Alle befallenen Jungrinder bleiben
in der Gewichtsentwicklung zurück, in
der Praxis dauert diese Phase zwischen drei Wochen und vier Monaten.
Durch die starke Zerstörung der
Darmwände bleibt ein Teil der erkrankten Rinder auf Lebenszeit
„Kümmerer“. Alttiere scheiden oft
Kokzidien aus, werden aber aufgrund
einer gewissen Immunität nicht so
stark geschädigt.
Neben den klinisch erkrankten Tieren gibt es auch die subklinische Form
der Kokzidiose. Praxiserhebungen in
norddeutschen Betrieben haben ergeben, dass die Durchseuchung der erstsömmrigen Kälber bei 30 bis 40 %
liegt. Es wurde festgestellt, dass diese erkrankten, aber symptomlosen
Tiere eine um 12 % verminderte Gewichtszunahme aufwiesen. In jedem
Fall muss von Anfang an auf Anzeichen der Weidekokzidiose geachtet
werden, damit die Krankheit schnell
genug bekämpft und größerer Schaden vermieden wird.
Betriebe, die Probleme mit Weidekokzidiose haben, sollten Kälber und
Jungrinder nur auf Weiden lassen, auf
denen im Vorjahr keine Rinder geweidet haben.
Das feuchtwarme Wetter der vergangenen Wochen begünstigt die Vermehrung
der ansteckenden Oozyten, die bei jungen Rindern zum Ausbruch der Kokzidiose führen.
Vorbeuge und Behandlung
Es ist anzunehmen, dass die krank
machenden Oozyten den vergangenen
Winter unter der schützenden
Schneedecke überlebt haben. Besonders feuchte Stellen an Tränken und
Futterplätzen bieten den Kokzidien
gute Überlebenschancen. Aus Untersuchungen ist bekannt, dass auch gemähtes Gras und Heu von Flächen mit
im Vorjahr erkrankten Jungrindern
noch ansteckungsfähige Parasiten
enthalten. Weiterhin kann davon ausgegangen werden, dass das feuchtwarme Wetter der vergangenen Wochen die Vermehrung der ansteckenden Oozyten auf der Grasnarbe begünstigt hat. Besondere Risikofaktoren sind typische Kälberweiden, auf
denen nur geweidet wird, hoher Tierbesatz, krasser Rationswechsel von
Silagen auf Weidegras und schon im
Stall gestresste Kälber mit Vorerkrankungen und ungenügendem Ernährungszustand.
Wird ein Auftreten der Weidekokzidiose vermutet, sollte umgehend eine Kotprobenuntersuchung durch den
Tierarzt eingeleitet werden. Die Kotprobe sollte etwa eine Woche nach
Weideauftrieb, spätestens aber bei
Auftreten des ersten Durchfalls gezogen werden. Eine tierärztliche Behandlung muss bei Kokzidioseerkrankung sofort erfolgen, die gesamte
Gruppe muss behandelt werden. Je
später die Behandlung eingeleitet
wird, desto größer sind die Darmschäden. Je früher behandelt wird, desto
größer ist der Behandlungserfolg.
Schwer erkrankteTiere müssen sofort
von der Gruppe getrennt und umgehend aufgestallt werden. Besser ist
es, die gesamte Gruppe aufzustallen.
Tiere mit starken Entzündungen im
Darm müssen mit genügend Flüssigkeit, Elektrolyten und Puffersubstanzen versorgt werden.
Hinsichtlich des Weidemanagements sollte geprüft werden, ob eine
Senkung des Befallsdrucks durch
jährlichen Wechsel der Weiden für
erstsömmrige Rinder erreicht werden
kann. Die Weidehygiene verbessert
sich auch, wenn auf den typischen
Hofweiden eine Narbenerneuerung
durch Neuansaat durchgeführt wurde.
Im Stall gelten die bekannten Hygieneregeln, die zur Führung einer
guten Kälberaufzucht dazugehören.
Insgesamt ist der Befallsdruck durch
Kokzidien in den gut geführten Betrieben deutlich geringer. Die regelmäßige Reinigung der Tränken und
der Tröge ist eine wichtige Maßnahme zur Reduzierung des Kokzidienbefalls. Besonders hervorzuheben
sind die regelmäßige Entmistung und
Säuberung der Einzel- und Gruppenbuchten. Dazu gehört auch die sachgemäße Desinfektion des Liegebereichs der Kälber mit kokzidienwirksamen Desinfektionsmitteln (DVGListe).
Fazit
Die Weidekokzidiose ist eine
Krankheit, die im Jungviehbestand sehr großen Schaden anrichten kann. Da die Ansteckungswege bekannt sind, sollte
das Bestandsmanagement darauf ausgerichtet werden, dass
diese Krankheit gar nicht erst
zum Ausbruch kommt. In einigen
Betrieben schränkt dies den Weidegang bei Kälbern erheblich
ein. Es kommt weiterhin darauf
an, den Befall und den Krankheitsausbruch rechtzeitig zu erkennen und umgehend Behandlungsmaßnahmen einzuleiten.
Nur so können Tierverluste, Leistungseinbrüche und wirtschaftlicher Schaden in größerem Ausmaß vermieden werden.
Johannes Thomsen
Landwirtschaftskammer
Tel.: 0 43 81-90 09-47
[email protected]
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