46 LANDPOST A USBILDUNG UND B ERATUNG 4. SEPTEMBER 2010 Erfolgreich füttern: Kälber und Jungvieh erkranken auf der Weide Weidekokzidiose – keine neue Krankheit Aus der Praxis werden in diesem Sommer vermehrt ernsthafte gesundheitliche Probleme mit größeren Kälbern und Jungrindern während der Weideperiode gemeldet. Selbst bei einem späteren Austrieb auf zuvor geschnittenen Grasflächen erkrankten größere Kälber und auch Jungvieh bis zu einem Alter von 18 Monaten. Die Ursache ist eine Krankheit, die oft mit dem Befall von Magen- und Darmwürmern verwechselt wird und in diesem Jahr durch das feuchtwarme Wetter stärker in Erscheinung tritt – die Weidekokzidiose. Der für diese Krankheit typische anhaltende Durchfall führt zu Wachstumsdepressionen, starkem Gewichtsverlust und sogar zu Totalausfällen. Weidekokzidiose ist aber keine neue Krankheit, allerdings scheint der Befallsdruck in diesem Jahr deutlich größer zu sein. Den Betrieben entsteht durch Weidekokzidiose ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden, besonders, wenn die Krankheit nicht schnell genug erkannt wird und nicht sofort Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Krankheitsbild Kokzidien sind einzellige Parasiten, die die Darmwand der Jungrinder schädigen. Die Darmwand wird derart angegriffen, dass Darmgewe- Damit größerer Schaden vermieden wird, müssen die Krankheitsanzeichen schnell erkannt und Behandlungsmaßnahmen eingeleitet werden. Bei Erkrankung ist die umgehende Aufstallung der gesamten Gruppe erforderlich. Fotos: Johannes Thomsen be und Gefäße geschädigt werden und Blut und Plasma austreten. Der Kot bildet bei klinischer Erkrankung Blasen, ist dünnbreiig und wässrig mit zum Teil erheblichen Blutbeimengungen und Gewebefetzen. Die erkrankten Tiere werden dadurch sehr stark geschwächt. Außerdem ist die Nährstoffaufnahme nur noch eingeschränkt möglich. Bei sehr starker Erkrankung liegt die Todesrate bei 5 bis 10 % der Tiere. Die erkrankten Tiere werden träge und stehen mit krummem Rücken auf der Weide. Der Afterbereich und die Beine sind immer stark mit Kot verschmiert. Diese Symptome zeigen sich meist zehn bis 15 Tage nach Weideaustrieb. Betroffen sind meist junge Rinder bis zu einem Jahr, ältere Tiere dienen häufig als Erregerreservoir. Kokzidien werden mit dem Kot ausgeschieden und vermehren sich dann besonders in feuchtwarmer Umgebung sehr schnell. Die Ansteckung der Jungrinder erfolgt durch die Aufnahme infektiöser Oozyten über Futter, Weidegras, Stroh und Wasser. Dieser Zyklus kann sowohl im Stall als auch auf der Weide ablaufen. Kokzidien in Form der Oozyten sind sehr widerstandsfähig und können auf der Weide bis zu einem Jahr überleben. Alle befallenen Jungrinder bleiben in der Gewichtsentwicklung zurück, in der Praxis dauert diese Phase zwischen drei Wochen und vier Monaten. Durch die starke Zerstörung der Darmwände bleibt ein Teil der erkrankten Rinder auf Lebenszeit „Kümmerer“. Alttiere scheiden oft Kokzidien aus, werden aber aufgrund einer gewissen Immunität nicht so stark geschädigt. Neben den klinisch erkrankten Tieren gibt es auch die subklinische Form der Kokzidiose. Praxiserhebungen in norddeutschen Betrieben haben ergeben, dass die Durchseuchung der erstsömmrigen Kälber bei 30 bis 40 % liegt. Es wurde festgestellt, dass diese erkrankten, aber symptomlosen Tiere eine um 12 % verminderte Gewichtszunahme aufwiesen. In jedem Fall muss von Anfang an auf Anzeichen der Weidekokzidiose geachtet werden, damit die Krankheit schnell genug bekämpft und größerer Schaden vermieden wird. Betriebe, die Probleme mit Weidekokzidiose haben, sollten Kälber und Jungrinder nur auf Weiden lassen, auf denen im Vorjahr keine Rinder geweidet haben. Das feuchtwarme Wetter der vergangenen Wochen begünstigt die Vermehrung der ansteckenden Oozyten, die bei jungen Rindern zum Ausbruch der Kokzidiose führen. Vorbeuge und Behandlung Es ist anzunehmen, dass die krank machenden Oozyten den vergangenen Winter unter der schützenden Schneedecke überlebt haben. Besonders feuchte Stellen an Tränken und Futterplätzen bieten den Kokzidien gute Überlebenschancen. Aus Untersuchungen ist bekannt, dass auch gemähtes Gras und Heu von Flächen mit im Vorjahr erkrankten Jungrindern noch ansteckungsfähige Parasiten enthalten. Weiterhin kann davon ausgegangen werden, dass das feuchtwarme Wetter der vergangenen Wochen die Vermehrung der ansteckenden Oozyten auf der Grasnarbe begünstigt hat. Besondere Risikofaktoren sind typische Kälberweiden, auf denen nur geweidet wird, hoher Tierbesatz, krasser Rationswechsel von Silagen auf Weidegras und schon im Stall gestresste Kälber mit Vorerkrankungen und ungenügendem Ernährungszustand. Wird ein Auftreten der Weidekokzidiose vermutet, sollte umgehend eine Kotprobenuntersuchung durch den Tierarzt eingeleitet werden. Die Kotprobe sollte etwa eine Woche nach Weideauftrieb, spätestens aber bei Auftreten des ersten Durchfalls gezogen werden. Eine tierärztliche Behandlung muss bei Kokzidioseerkrankung sofort erfolgen, die gesamte Gruppe muss behandelt werden. Je später die Behandlung eingeleitet wird, desto größer sind die Darmschäden. Je früher behandelt wird, desto größer ist der Behandlungserfolg. Schwer erkrankteTiere müssen sofort von der Gruppe getrennt und umgehend aufgestallt werden. Besser ist es, die gesamte Gruppe aufzustallen. Tiere mit starken Entzündungen im Darm müssen mit genügend Flüssigkeit, Elektrolyten und Puffersubstanzen versorgt werden. Hinsichtlich des Weidemanagements sollte geprüft werden, ob eine Senkung des Befallsdrucks durch jährlichen Wechsel der Weiden für erstsömmrige Rinder erreicht werden kann. Die Weidehygiene verbessert sich auch, wenn auf den typischen Hofweiden eine Narbenerneuerung durch Neuansaat durchgeführt wurde. Im Stall gelten die bekannten Hygieneregeln, die zur Führung einer guten Kälberaufzucht dazugehören. Insgesamt ist der Befallsdruck durch Kokzidien in den gut geführten Betrieben deutlich geringer. Die regelmäßige Reinigung der Tränken und der Tröge ist eine wichtige Maßnahme zur Reduzierung des Kokzidienbefalls. Besonders hervorzuheben sind die regelmäßige Entmistung und Säuberung der Einzel- und Gruppenbuchten. Dazu gehört auch die sachgemäße Desinfektion des Liegebereichs der Kälber mit kokzidienwirksamen Desinfektionsmitteln (DVGListe). Fazit Die Weidekokzidiose ist eine Krankheit, die im Jungviehbestand sehr großen Schaden anrichten kann. Da die Ansteckungswege bekannt sind, sollte das Bestandsmanagement darauf ausgerichtet werden, dass diese Krankheit gar nicht erst zum Ausbruch kommt. In einigen Betrieben schränkt dies den Weidegang bei Kälbern erheblich ein. Es kommt weiterhin darauf an, den Befall und den Krankheitsausbruch rechtzeitig zu erkennen und umgehend Behandlungsmaßnahmen einzuleiten. Nur so können Tierverluste, Leistungseinbrüche und wirtschaftlicher Schaden in größerem Ausmaß vermieden werden. Johannes Thomsen Landwirtschaftskammer Tel.: 0 43 81-90 09-47 [email protected]