Viel Futter, viel Nachwuchs?

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Wildernährung und Fortpflanzung
Viel Futter, viel Nachwuchs?
B
eim Säugetier ist die Fortpflanzung
hormongesteuert. Der Eisprung,
das Einnisten der befruchteten Eier in
die Gebärmutter und das Austragen der
Frucht werden durch spezifisch wirkende Hormone bestimmt. Hormone sind
Stoffwechselprodukte von Drüsen, die
über die Blutbahn an die jeweiligen
Organe, wie etwa die Eierstöcke, ge20
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langen und dort bestimmte Reaktionen
auslösen. Sichtbare Zeichen sind die
Brunft und die Begattung. Die Vermehrung hat aus der Sicht der Natur einen
hohen Stellenwert, geht es doch um die
Arterhaltung. Eine Beeinflussung durch
Umweltfaktoren wie beispielsweise die
Ernährung ist außer in Extremsituationen unwahrscheinlich. In einer solchen
Extremsituation hätte das Überleben
des Einzelindividuums einen höheren Stellenwert als die Arterhaltung,
zum Beispiel gilt das für die so genannte Hungersterilität. In der freien Wildbahn kommt das in unseren
Breiten aber nicht vor.
Wesentlich ist, dass sich die Zahl
der Nachkommen abhängig von der
Foto: B. Diercks
Wir Jäger – so fordern die Grundeigentümer – sollen Reh und Wildschwein möglichst scharf bejagen und den
Bestand niedrig halten, um Wildschäden zu vermeiden. Viele fordern auch, wir sollen möglichst nicht füttern.
Vor allem die Kritiker der Rehwild-Fütterung argumentieren, dass die im Winter über das Futter zugeführte
Energie die Fruchtbarkeit der Rehe erhöhe und so für mehr Nachwuchs sorge. Das Gleiche gelte auch für eine
zusätzliche Kirrung beim Schwarzwild. Stimmt‘s? Dr. Josef Bauer, Vorsitzender des BJV-Ausschusses Wildkrankheiten und Wildernährung nimmt hierzu Stellung.
Die Rehgeiß setzt in der Regel zwei Kitze, egal ob in
der Notzeit gefüttert wird oder nicht.
Tierart in engen biologischen Grenzen hält. Deshalb
darf man für Reh- und Schwarzwild auch nicht die
gleichen Maßstäbe anlegen.
Fütterung von Rehwild in der Notzeit hat
keinen Einfluss auf die Zahl der Kitze
Beim Reh haben wir es mit einer Wildart zu tun, die in
der Regel pro Wurf zwei Kitze setzt, ganz selten sind
es drei. Erstgebärende Geißen setzen meist nur eines.
Ein Ernährungseinfluss zur Zeit der Brunft durch eine
zusätzliche Futtergabe ist unrealistisch und eine Fütterung in der winterlichen Notzeit kann die Reproduktionsrate körperlich gesunder Stücke nicht beeinflussen, so Professor Reinhold Rudolf Hofmann vom Arbeitskreis Wildbiologie an der Universität Gießen.
Ein Blick auf die Rinderhaltung in Bayern kann das veranschaulichen: Ausgewachsene Fleckviehkühe wiegen
heutzutage durchschnittlich 750 bis 800 Kilogramm.
Aufgrund der besseren Fütterung sind sie um bis zu
50 Prozent schwerer als noch vor über 50 Jahren.
Doch damals wie heute bringt die Kuh nur ein Kalb
pro Geburt.
Als Schlussfolgerung ergibt sich, dass durch eine Winterfütterung die Fruchtbarkeit beim Reh nicht beeinflusst wird, das heißt die Zahl der Kitze pro Wurf ist
auch bei bester Versorgung nicht höher. Entsprechende Untersuchungen belegen das eindeutig. Die Angst
vor zu viel Nachwuchs kann also kein stichhaltiges Argument gegen eine Rehwild-Fütterung sein.
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Anders als beim Reh bringt beim Schwarzwild eine gute Ernährung eine hohe Ovulationsrate und viele Frischlinge.
Deshalb heißt es Vorsicht beim Kirren: Nur ein Kilogramm pro Kirrung und nur eine Kirrung pro 100 Hektar.
Beim Schwarzwild gilt: Gute
Ernährung – viele Frischlinge
Als mehrgebärende Tierart hängt die
Wurfgröße stark von der Ovulationsrate
ab und diese wird nachweislich von der
Höhe der Nährstoffversorgung – vor allem vor der Rausche – beeinflusst. Eine
gute Versorgung vor der Rausche bedeutet mehr befruchtungsfähige Eier. In
der landwirtschaftlichen Ferkelerzeugung macht man sich diesen Effekt zu
Nutze, indem vor der Rausche mehr
und reichhaltiger gefüttert wird. Dies
wird als „flushing-effect“ bezeichnet.
Außerdem nehmen bei einer guten
Nährstoffversorgung weibliche Wildschweine schon ab einem Lebendge22
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wicht von 25 Kilogramm an der Reproduktion teil. Denn das Lebendgewicht
hat auf die Entwicklung der Sexualfunktion einen größeren Einfluss als das
Alter. Für Schwarzwildpraktiker ist das
nichts Neues: Jahre mit ausgeprägter
Eichel- und Buchenmast haben stärkere Würfe und viele „Frischlingsbachen“
zur Folge. Unter den heute generell
günstigen Ernährungsbedingungen ist
über viele Monate des Jahres in der
Feldflur reichlich Fraß vorhanden. Aus
jagdlicher Sicht kann diese Entwicklung durch eine nicht sachgerechte
Kirrung noch verstärkt werden. Kirrung ist hilfreich, um leichter zu Schuss
zu kommen. Man sollte aber hier das
rechte Maß walten lassen und die richtige Strategie wählen. Nicht umsonst
heißt die Empfehlung: maximal ein
Kilogramm Körner pro Kirrstelle und
nur eine Kirrung pro 100 Hektar. Das
Hinauskarren von großen Haufen Mais
ist in jeder Hinsicht kontraproduktiv: Es
fördert die Zahl der Nachkommen und
senkt den Jagderfolg. Eine Absprache
mit den Reviernachbarn über Ort und
Zahl der Kirrstellen kann für eine Re-
gulierung der Schwarzwildbestände
hilfreich sein.
Fazit: Beim Rehwild beeinflusst die Fütterung die Zahl der Nachkommen nicht.
Beim Schwarzwild hingegen heißt es
„zu viel Kirrung – zu viel Wild“.
Der Autor im Blickfeld:
Dr. Josef Bauer
Dr. Josef Bauer ist seit vielen
Jahrzehnten Revierinhaber und
Vorsitzender des Ausschusses
Wildkrankheiten und Wildernährung im BJV.
Fotos: M. Breuer, M. Kühn/piclease
Anders ist es beim Schwarzwild. Das
Wildschwein zählt zu den so genannten
mehrgebärenden Tierarten mit vier bis
acht Frischlingen pro Wurf. Bei grundsätzlich gleichen hormonellen Abläufen
bestehen nun artspezifisch andere Gewichtungen. Beim Schwein gibt es einen deutlichen Einfluss der Ernährung
auf die Zahl der Nachkommen.
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