Vergleichende Beobachtungen und Betrachtungen über die

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FO R TPFLAN ZUNG SBIO LO G IE DER O H RW ÜRM ER
ten. Der Säugrüssel von Hybophthirus gleicht weit­
gehend dem von Haematopinus. Durch das Posttentorium und das Speichelventil wird aber eine weitere
Bestätigung der Deutung der Basalsklerite als ven­
traler Hypopharynx und Prämentum möglich. Bei
Hybophthirus notophallus ist demnach der Mallophagenbauplan noch durchaus zu erkennen. Eine
365
eingehende histologische Untersuchung des ganzen
Kopfes wird mit Sicherheit noch weitere Hinweise
dieser Art liefern. Dies gilt z. B. für die Sklerite des
Cibariums und ihre Muskulatur. Man kann tatsäch­
lich Hybophthirus hinsichtlich des Kopfbaues als
Zwischenform zwischen Mallophagen und Anopluren
auffassen.
Vergleichende Beobachtungen und Betrachtungen
über die Fortpflanzungsbiologie der O h rw ü rm er
K onrad H
erter
(Z. Naturforschg. 20 b , 365— 375 [1965] ; eingegangen am 23. November 1964)
Seinem L ehrer und altem Chef, Herrn P rofessor D r. A l f r e d K ü h n , in freundschaftlicher Verehrung
zu seinem 80. G ebu rtstage gew idm et
Die Fortpflanzungsbiologie der 5 O hrw urm arten A n isolabis m aritim a, L abidu ra riparia, P rolabia
arachidis, Forficula auricularia und F. pu bescen s wurde beobachtet, a) Das V erhalten bei den
K opu lation en ist bei den „niederen“ Ohrwürmern (L a b id u rid es) grundsätzlich ebenso wie bei den
„höheren“ (F orficu lides). Bei den L abidu rides verläuft die Begattung bedeutend schneller als bei
den Forficulides. b) Ovoviviparie ist nur von P rolabia arachidis bekannt. Die E iablagen finden in
Bruthöhlen statt. Außer bei A n isolabis, bei der die Ablage innerhalb einiger Tage in Teilgelegen
erfolgt, setzen die 9 9 gleich vollzählige Gelege ab. Ein 9 kann m ehrere Gelege hervorbringen.
Der Zeitabstand zwischen der Im aginalhäutung des 9 und den Eiablagen ist bei den L abidu rides
Tem peratur-abhängig. Bei Forficula erfolgen die Eiablagen eine bestim m te Anzahl von Monaten
nach der Im aginalhäutung des 9> was als eine im Laufe der Stammesgeschichte unter dem Einfluß
bestim m ter Klim averhältnisse entstandene, erblich fixierte Eigenschaft betrachtet werden kann,
c) Die D auer der E m bryonalentw icklung ist Tem peratur-abhängig. Aus den EntwicklungsdauerHyperbeln geht hervor, daß bei den L abidu rides, A n isolabis m aritim a und L abidu ra riparia die
untere Tem peraturgrenze, unter der die Eier in Quieszenz verharren (Entw icklungsnullpunkt), be­
deutend höher liegt als bei den Forficula- Arten. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die
Entw icklungsdauer in verschiedenen K lim agebieten und die geographische V erbreitung der Arten
werden diskutiert, d) Bei den oviparen Arten erstredet sich die B ru tpflege nur auf die Eier. Das 2
von P rolabia arachidis pflegt die L x nur einige Tage, e) Die postem bryon ale E n tw icklu n g ist bei
den einzelnen Arten und Stadien in verschiedener Weise Tem peratur-abhängig, wodurch die Gesam tentwicklungsdauer und die Generationsfolgen in verschiedenen Klim agebieten bestim m t wer­
den. Das Geschlechtsverhältnis war bei den 3 F orficulides etwa 1 zu 1, bei de»-beiden L abidu rides
etwa 1 (5 zu 2 9 9 - Die Anzahl der Larvenstadien ist bei den L a bidu rides 5. Bei Forficula ist sie
ebenfalls 5, jedoch dauert das 1. Stadium nur sehr kurze Zeit. Die ovovivipare P rolabia arachidis
hat nur 4 Larvenstadien. Die im aginale Lebensdauer betrug in Gefangenschaft im M ittel etwa
7 Monate, die Gesam tlebensdauer etwa 1 Jahr. Die G liederanzahl der im aginalen A ntennen liegt,
mit wenigen Ausnahmen, bei den L abidu rides zwischen 15 und 35 und bei den Forficulides zwi­
schen 10 und 15, woraus sich folgern läßt, daß die Anzahl der Fühlerglieder im Laufe der Stam ­
mesgeschichte reduziert wurde.
D ie Ordnung der Dermaptera (Ohrwürmer) glie­
dert man in 3 Unterordnungen: die Forficulinea
(„Eigentliche Ohrwürmer“ ) , die Arixeniinea und
die Hemimerinea. Die Forficulinea werden in fol­
gende Familien geteilt:
5. Chelisochidae: Vorwiegend in der orientalischen und
australischen Region.
6. Forficulidae: Viele Arten in allen Regionen.
1. Pygidicranidae: Etwa 200, meist tropische Arten.
2. Lapiduridae: Etwa 200 Arten in allen Faunen­
gebieten.
3. Apachyidae: 2 Gattungen in den Tropen der alten
Welt.
4. Labiidae: Viele Arten in allen Regionen.
ren“ oder „prim itiveren“ Ohrwürmer enthält. Ihr
steht die Superfam ilie der Forficulides oder Eudermaptera gegenüber, in der man die 4. bis 6. Familie
zu den „höheren“ Ohrwürmern zusammenfaßt. Die
Superfam ilie der Apachyides oder Paradermaptera,
Die 1. und 2. Fam ilie bildet die Superfamilie der
Labidurides oder Protodermaptera, die die „niede­
Dieses Werk wurde im Jahr 2013 vom Verlag Zeitschrift für Naturforschung
in Zusammenarbeit mit der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der
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366
K. H ERTER
die von der 3. Familie gebildet wird, nimmt eine
Zwischenstellung ein.
Man kennt etwa 1200 Ohrwurmarten. Nur von
sehr wenigen wissen wir etwas über die Fortpflan­
zungsbiologie (s. z. B. B e i e r 1, H a r z 2 ) . S o ist nur
von den 15 folgenden Arten bekannt, daß die 99
Brutpflege ausüben.
Labidurid.es
Diplatys sp.
Anisolabis maritima
A. annulipes
A. littorea
Euborellia stali
Labidura riparia
Forficulides
Prolabia arachidis
Chelisoches morio
Chelidura pyrenaica
Pseudochelidura sinuata
Anechura bipunctata
Chelidurella acanthopygia
Forficula auricularia
F. tomis
F. pubescens
Meine Untersuchungen über die Fortpflanzungs­
biologie erstrecken sich auf 5 der aufgezählten
Arten, von denen ich viele Vertreter längere Zeit in
Gefangenschaft gehalten und gezüchtet habe.
1. Anisolabis maritima ( H e r t e r 3’ 4) : Körper­
länge: 15 —21 Millimeter. Zangenlänge: (5 <5 3 bis
3,5; 99 4 —4,75 Millimeter. Antennenglieder: 21.
Nahrung: Vorwiegend animalisch. Biotope: In und
auf feuchten Böden. Fast ausschließlich an Gewäs­
serufern; besonders am Meeresstrand. Verbreitung:
Fast „weltweit“, besonders in den Tropen und wär­
meren Teilen der gemäßigten Zonen. Meine Tiere
stammten vom Mittelmeerstrand der italienischen
Riviera (Arma di Taggia, L igurien ).
2 . Labidura riparia ( H e r t e r 5 ) :
Körperlänge:
13 —2 6 Millimeter. Zangenlänge: 6 6 6 —1 1 m m ;
99 4 —6 Millimeter. Antennenglieder: 2 7 — 30.
Nahrung: Vorwiegend animalisch. Biotope: In und
auf Sandboden. Vorzugsweise am Meeresstrand und
an Flußufern; jedoch auch in Sandböden mit hohem
Grundwasserspiegel in warmen Lagen fern von Ge­
wässern. Verbreitung: Fast „weltweit“ , besonders in
den Tropen und warmen Teilen der gemäßigten Zo­
nen. Meine Tiere stammten vom Mittelmeerstrand
der Insel Ischia (S. A n g elo ).
3 . Prolabia arachidis ( H e r t e r 6 ) : Körperlänge:
10,5 — 12 Millimeter. Zangenlänge: 6 6 2 —2,8m m ;
99 1,7 —2 Millimeter. Antennenglieder: 11. N ah­
rung: Vorwiegend animalisch. Biotope: In warmen
1 M. B e i e r , O rthopteroidea. Bronns Klass. u. Ordng. d. T ier­
reichs 5. III. Abt. 6. Buch. 3. Lief. 455, 1959.
2 K. H a r z , Die Geradflügler M itteleuropas, Jena 1957.
3 K. H e r t e r , Zool. Beiträge N. F. 5, 199 [I9 6 0 ].
4 K. H e r t e r , S.-B. Ges. Naturforsch. Freunde Berlin N. F. 3,
103 [1963],
und etwas feuchten Kunstbauten (Lagerhäuser, Bäkkereien und dergleichen). Verbreitung: Fast „welt­
w eit“ . Ursprünglich wohl tropisch. Meine Tiere
stammten aus einem warmen Kellerraum des Ber­
liner Aquariums.
4. Forficula auricularia ( H e r t e r 7): Körper­
länge: 10 — 16 Millimeter. Zangenlänge: 6 6 4 bis
9 mm; 99 3 —3,5 Millimeter. Antennenglieder: 13.
Nahrung: Vorwiegend vegetabilisch. Biotope: In Geländen sehr verschiedener Beschaffenheit. Die Eier
und die ersten Larvenstadien in und auf mäßig
feuchtem Boden. Die älteren Larven und die Im agi­
nes an Pflanzen, unter Baumrinde und dergleichen,
auch in Gebäuden über dem Boden. Die Im agines
überwintern im Boden. Verbreitung: Fast „welt­
w eit“ . Besonders in den Tropen und den gemäßigten
Zonen. Meine Tiere stammten aus Berlin, vom N eu­
siedler See, von den Mittelmeerinseln Korsika, Sar­
dinien, Ibiza und von den Azoren.
5. Forficula pubescens ( H e r t e r 8) : Körperlänge:
7,8 —9,5 Millimeter. Zangenlänge: 6 6 3 —4 mm;
99 1,8 —2,5 Millimeter. Antennenglieder: 11. N ah­
rung: Vorwiegend vegetabilisch. Biotope: Mäßig
feuchtes bewachsenes Gelände. Die jungen Larven
und die Eier in und auf dem Boden. Die älteren
Larven und die Imagines an Pflanzen. Verbreitung:
Mittelmeergebiet: Südfrankreich (Hautes Pyrenees,
l’Ardeche, Dröme) bis Nordafrika und Iberische
Halbinsel bis Syrien. Meine Tiere stammten von
Korsika.
A. D i e
Fortpflanzungsbiologie
5 untersuchten Arten
der
a) Kopulationen
1.
Anisolabis maritima: Meistens bedrängt das
mit seinem Abdomen das 6 . Das begattungs­
bereite (5 schiebt in der Regel seinen um 1 80° tordierten Hinterleib von hinten unter die Geschlechts­
region des 9 und führt den Penis ein. Die Kopula,
die mehrmals unterbrochen werden kann, dauert nur
eine relativ kurze Zeit. Die längste beobachtete Zeit
war 58 Minuten. In Umgebungstemperaturen (U .T .)
zwischen + 18 und + 2 5 ° können die 6 6 mit belie-
9
5
6
7
8
K.
K.
K.
K.
H
erter
,
H
erter
,
H
erter
.
H
erter
,
Zool. Beiträge N. F. 8. 297 [1963].
Z. Morph. Ök. d. Tiere 40. 158 [1943].
Zool. Jb. Physiol. 71 [1965].
Zool. Beiträge N. F. 10. 1 [1964].
FO R TPFLA N ZU N G SBIO LO G IE DER OHRW ÜRM ER
bigen 29 zu jeder Tages- und Jahreszeit mehrmals
kopulieren.
2. Labidura riparia: Ebenso wie bei voriger Art.
Längste beobachtete Zeit 45 Minuten.
3. Prolabia arachidis: Das 6 packt eine Antenne
(oder ein Vorderbein) des 2 mit den Mundwerk­
zeugen. Wenn das 2 sich nicht losreißt, schiebt das
<5 seinen tordierten Hinterleib von vorne seitlich
unter das Abdomen des 2 und führt den Penis ein.
Dann läßt es die Antenne des 2 los und dreht sich
so, daß die Ohrwürmer etwa in einer geraden Linie
mit voneinander abgewandten Köpfen sitzen. Die
Kopula, die mehrmals unterbrochen werden kann,
dauert lange. Die längste beobachtete Zeit war 6 3/4
Stunden. In einer U.T. von + 2 5 ° können die <3 &
mit beliebigen 2 9 zu jeder Tages- und Jahreszeit
mehrmals kopulieren.
4. Forficula auricularia: Etwa ebenso wie bei 1
und 2. Die Kopula dauert jedoch sehr lange. Läng­
ste beobachtete Zeit über 13 Stunden. In U.T. zwi­
schen ± 0 und + 2 3 ° wurden Kopulationen beob­
achtet. Im Herbst und Winter soll ein 2 mit einem
bestimmten (5 bis zur Eiablage in derselben Erd­
höhle zusammen leben.
5. Forficula pubescens: Etwa ebenso wie bei 4.
Längste beobachtete Kopula in U.T. zwischen + 20
und + 2 2 ° 2,7 Stunden.
b) Eiablagen
1. Anisolabis maritima: Die Eier werden in einer
vom 2 gefertigten Bruthöhle im Boden oder in einem
Vorgefundenen entsprechenden Hohlraum in T eil­
gelegen innerhalb einiger Tage (meist in der Nacht)
abgesetzt. Die vollzähligen Gelege bestehen aus
einem kugelförmigen Haufen von 30 bis 90 (M =
60) Eiern. Ein 2 kann nach einm aliger Begattung
in Abständen von einigen Wochen (in meinen Zuch­
ten in verschiedenen U.T. etwa 2 bis 8) mehrere Ge­
lege (bis 5 beobachtet) hervorbringen. In U.T. zwi­
schen + 19 und + 2 8 ° kann die Ablage in jeder
Jahreszeit erfolgen. Die ersten Gelege wurden in
einer U.T. von + 2 1
im Mittel 6,5 Monate nach
der Imaginalhäutung des 2 abgesetzt; in U.T. zwi­
schen + 21 und + 2 5 c nach 5,5 Monaten und in
+ 21 bis + 2 8 " nach 1,5 Monaten.
2. Labidura riparia: Wie bei voriger Art. Jedoch
wurden innerhalb von 24 Stdn. vollzählige Gelege
von 20 bis 90 (M = 75) Eiern hervorgebracht.
Ein 2 kann nach einmaliger Begattung in einer U.T.
von + 2 5 ° in Abständen von 23 bis 24 Tagen meh­
367
rere Gelege (bis 3 beobachtet) hervorbringen. E i­
ablagen können in U.T. von etwas mehr als + 2 0 °
und weniger als + 2 8 ° erfolgen. Erste Gelege wur­
den von 2 22 etwa 2 Monate nach der Im aginalhäu­
tung abgesetzt, 8 bis 9 Tage nachdem die 2 2 aus
einer U.T. von + 2 0 ° in + 2 5 ° gebracht worden
waren.
3. Prolabia arachidis: Das 2 ist ovovivipar (larv ip a r). Es gebiert fertig entwickelte Larven, die zu­
sammengekrümmt in einer zarten Hülle liegen, die
sofort vom 2 abgefressen wird. Ohne diese „Ge­
burtshilfe“ können sich die Larven nicht aus der
Hülle befreien. Das 2 fertigt (wenigstens in Gefan­
genschaft) keine Bruthöhle an. Die Würfe finden
(m eist nachts) in Vorgefundenen engen Räumen
statt. Die Larven werden in Abständen von je etwa
1/-2 Stde. einzeln geboren. Die vollzähligen Würfe
bestehen aus 15 bis 27 (M = 19) Larven. Zwischen
der Kopula und dem l.W u r f vergingen in + 2 5 °
13 bis 27 (M = 17,5) Tage. Es ist jedoch nicht be­
kannt, ob die Befruchtung der Eier während oder
gleich nach der Kopulation erfolgt. Ein 2 kann nach
einm aliger Begattung mehrere Würfe (bis 5 beob­
achtet) hervorbringen. Die Zeiten zwischen den W ür­
fen betrugen in + 2 5 ° 13 bis 23 (M = 18) Tage.
4. Forficula auricularia: Die vollzähligen Gelege
von 20 bis 80 (M = 50) Eiern werden in U.T. zw i­
schen ± 0 und + 2 3 ° in einer vom 2 (und 6 ? ) ge­
fertigten Bruthöhle in der Erde oder in einem ent­
sprechenden Vorgefundenen Hohlraum (in Gefan­
genschaft auch frei auf dem Boden) innerhalb von
24 Stdn. abgesetzt. Ein 2 kann nach einm aliger Be­
gattung mehrere Gelege (bis 3 beobachtet) produ­
zieren. Das 1. Gelege wird — anscheinend unabhän­
g ig von der U.T. — im 4. Monat, das 2. im 6. und
das 3. im 9. Monat nach der Imaginalhäutung des
2 abgesetzt. (Vielleicht kann noch ein 4. Gelege im
11. bis 12. Monat hervorgebracht werden.)
5. Forficula pubescens: Grundsätzlich wie bei
voriger Art. Das vollzählige Gelege besteht aus 2 0
bis 40 (M — 30) Eiern. Ablagen wurden zu allen
Tageszeiten in U.T. zwischen + 12 und + 2 1 ,5 ° be­
obachtet. Erste Gelege wurden — anscheinend un­
abhängig von der U.T. — wahrscheinlich im 8. und
zweite Gelege im 11. Monat nach der Imaginalhäu­
tung des 2 abgesetzt.
c) Embryonalentwicklung
Die Embryonalentwicklung beginnt bei der Be­
fruchtung des Eies und endet kurz vor dem A us­
368
K. H ERTER
schlüpfen der Larve aus der Eihülle. Bei den Ovipa­
ren Ohrwürmern erfolgt die Befruchtung wahr­
scheinlich bei der Eiablage durch die im Receptaculum sem inis des 9 bei der Begattung deponierten
Spermien. Für die normale Entwicklung ist eine
bestimmte Wärmesumme ( C ) erforderlich, die durch
das Produkt aus der Entwicklungszeit (f) und der
mittleren U.T. ( T ) in dieser Zeit ausgedrückt wer­
den kann. Unterhalb einer gewissen Temperatur —
dem Entwicklungsnullpunkt ( k ) — kann keine Ent­
wicklung stattfinden, der Keim verharrt in Quieszenz,
und kann sich erst entwickeln oder weiterentwickeln,
wenn die U.T. über diesen Nullpunkt ansteigt. Hat
man für zwei verschiedene U.T. ( 7 \ und T2) die zu­
gehörigen Entwicklungszeiten
und t.2) empirisch
ermittelt, lassen sich die Konstanten C und k nach
der Formel C —t{T —k) errechnen. Man erhält die
Entwicklungsdauer-Hyperbel (Abb. 1 ), die die Ab-
schwächliche Larven, die bald eingingen, schlüpften.
In + 2 5
schlüpften nach 1 1 bis 1 6 (M = 1 3 , 5 )
Tagen viele normale Larven.
2 . Labidura riparia:
C = 72, k = + 19°
(Kurve b ). Die Entwicklungsdauer-Hyperbel konnte
nicht genau berechnet werden, weil ich nur einen
sicheren empirischen Wert (für + 2 5 ° ) hatte. Den
zweiten konnte ich nur schätzungsweise ermitteln.
In + 2 5 ° dauerte die Entwicklung 1 1 bis 1 2 Tage.
In + 2 8 entwickelten sich die Eier nicht. In U.T.
unter + 2 5 c legten die 9 9 keine Eier.
3 . Prolabia arachidis: Die Dauer der Embryonal­
entwicklung ist nicht genau festzustellen, weil der
Zeitpunkt der Befruchtung der Eier nicht bekannt
ist. In + 2 5 ° schwankten die Zeiten zwischen zwei
Würfen desselben 9 zwischen 1 3 und 2 3 (M = 1 8 )
Tagen. Wenn man annimmt, daß die Eier gleich oder
bald nach dem vorhergehenden Wurf befruchtet wer­
den, dauert die Embryonalentwicklung („Tragzeit“ )
in + 2 5 ° im Mittel 1 8 Tage.
4.
Tage— *►
Abb. 1. Entw icklungsdauer-Hyperbeln für die Embryonalentwicklung. a : A n isolabis m aritim a, b: Labidura riparia.
c: Forficula auricularia. d : Forficula pubescens. Abszisse:
Zeitdauer in Tagen. O rdinate: Um gebungstem peratur in
+ °C.
hängigkeit der Entwicklungsdauer von der U.T.
theoretisch ausdrückt. Es gibt natürlich auch eine
obere Temperaturgrenze für die normale Entwick­
lung, bei deren Überschreitung Störungen oder
Schädigungen des Entwicklungsverlaufes eintreten,
die sich zunächst in einer Verzögerung der Entwick­
lung äußern. In diesem Temperaturgebiet stimmen
die empirischen Werte nicht mehr mit den theoreti­
schen überein.
1.
Anisolabis maritima: C = 1 1 3 , k = + 1 7
(Kurve a ). Die tiefste U.T., in der die 99 bei mir
Eier ablegten, lag bei + 1 9 ° . In + 2 0 ° betrug die
längste Entwicklungszeit 3 7 Tage. In + 2 8 ° dauerte
die Entwicklung 1 2 bis 1 4 Tage. Sie schien jedoch
gestört, da aus etwa 7 5 Eiern nur ganz wenige
Forficula auricularia: C =
243,3,
k =
4,1c
(Kurve c ) . Die tiefste U .T., in der Eiablagen beob­
achtet wurden, war i 0 ° , die höchste + 2 3 ° . Unter­
halb von + 4 , 1 ° findet keine Entwicklung statt
(Q uieszenz). Mit steigender U.T. verkürzt sich die
Entwicklungszeit zuerst sehr langsam und dann im­
mer schneller. Theoretisch beträgt sie in + 8 ° 6 2 , in
+ 1 0 ° 4 1 , in + 1 5 ° 2 3 , in + 2 0 ° 1 5 und in + 2 5 °
1 1 , 5 Tage. In meinen Zuchten dauerte die Entwick­
lung in etwa + 2 0 c 1 3 bis 1 4 Tage. In höheren
U.T. entwickelten sich einige Eier, starben jedoch
nach einiger Zeit ab oder ergaben einige schwäch­
liche Larven, die bald eingingen. Die obere Grenze
für eine normale Entwicklung scheint bei etwa + 2 2
zu liegen.
5 . Forficula pubescens: C = 2 3 9 , 5 , k = + 6 , 1 °
(Kurve d ). In meinen Zuchten dauerte die Entwick­
lung in + 2 0 ° 1 7 bis 1 8 Tage und in + 1 4 , 5 ° 2 8
bis 2 9 Tage. In U.T. von nur wenig mehr als + 2 0 °
schien die Entwicklung gestört zu sein.
d) Brutpflege
°
Das 9 betreut die Eier (oder die Larven) in der
Bruthöhle oder an der Ablagestelle. Es sitzt fast
dauernd bei oder auf dem Gelege, beleckt die Eier
und packt sie um. Bei Störungen oder bei dem Ein­
treten ungünstiger Umweltveränderungen trägt es
die Eier an einen anderen Ort. Es verteidigt die Eier
(oder Larven) gegen Feinde.
FO R TPFLAN ZUNG SBIO LO G IE DER OH RW ÜRM ER
1. Anisolabis maritima: Das 9 betreut nur die
Eier. Die Larven schlüpfen selbständig — ohne
H ilfeleistung der Mutter — aus den Eihüllen und
können gleich nach der Erhärtung des Chitinpanzers
allein fressen. Sie bleiben zunächst in der Bruthöhle
oder kehren nach nächtlichen Ausflügen wieder dort­
hin zurück. Die Mutter kümmert sich jedoch nicht
um sie und verläßt einige Tage nach dem Schlüpfen
der letzten Larve die Bruthöhle. Während der Brut­
pflege nimmt das 9 Nahrung auf.
2. Labidura riparia: Grundsätzlich wie bei vori­
ger Art.
3. Prolabia arachidis: Das 9 dreht sich gleich
nach der Geburt einer gekrümmt in der Eihülle lie­
genden Larve um und frißt die Eihülle ab, worauf
sich die Larve streckt. Diese wird von dem 9 be­
leckt und zu ihren vorher geborenen Geschwistern
gepackt. Die Mutter sitzt auf dem Larvenhaufen, be­
leckt ab und zu die Jungen, packt sie um und ver­
teidigt sie gegen Feinde. Die Larven können gleich
nach der Ausfärbung allein fressen und sich auch
ohne die Mutter normal weiter entwickeln. Nach
etwa 4 Tagen zerstreuen sie sich und das 9 küm­
mert sich nicht mehr um sie.
4. Forficula auricularia: Grundsätzlich wie bei
1 und 2.
5. Forficula pubescens: Grundsätzlich wie bei 1
und 2.
e) Postembryonale Entwicklung
369
Monaten; eines lebte sogar 11 Monate. Die ganze
Lebensdauer (Embryonalentwicklung + Postem bryo­
nalentwicklung + Im aginalleben) betrug in + 2 0 °
15 bis 151/2 und in + 2 2 ° 13 bis 13^2 Monate.
Die Lj leben gesellig und schließen sich am Tage in
Haufen (Schlafgesellschaften) zusammen. Die älte­
ren Stadien leben einzeln in Erdhöhlen. Am Mittel­
meerstrand fand ich A nfang September Larven sehr
verschiedener Stadien und Imagines.
2. Labidura riparia: 5 Larvenstadien (L4 bis L5).
In + 2 5 ° war die Dauer von Lj etwa 4 Tage kürzer
als die der Embryonalentwicklung. D ie Stadien 1
bis 5 dauerten etwa gleich lange; im Mittel je etwa
9 Tage. D ie weiblichen L5 entwickelten sich schneller
als die männlichen. Die ganze Postembryonalentwick­
lung dauerte etwa l 1 / 2 Monate. Das Geschlechterver­
hältnis ist etwa 1 (5 zu 2 99. Das Imaginalleben
dauerte in wechselnden U.T. 6 bis 7 Monate. Die
ganze Lebensdauer betrug in meinen Zuchten, in
denen die Eier und die ersten 4 Larvenstadien in
+ 2 5 ° und die späteren Stadien in „Zimmertempe­
ratur“ ( + 18 bis 2 2 ° ) lebten, 8 bis 9 Monate. In
einer konstanten U.T. von + 2 0 ° dürfte die Ent­
wicklung etwa doppelt so lange dauern wie in + 2 5 ° .
D ie ganze Lebensdauer beträgt unter „natürlichen“
Verhältnissen wohl etwa 1 Jahr. Die Lebensweise
der Larven ist etwa ebenso wie bei der vorigen Art.
Enge August fing ich am Strande von Ischia Vertre­
ter aller Larvenstadien (8 Lt , 5 L2, 9 L3 , 9 L4 ,
1 L5) und eine Imago (9).
3. Prolabia arachidis: 4 Larvenstadien (Lj bis
L4) . In der U.T. von + 2 5 ° dauerte die Entwick­
lung der L4 , L2 und L3 je 8 bis 9 Tage, die der
weiblichen L4 13 bis 14 und die der männlichen L4
17 bis 18 Tage. Die ganze postembryonale Entwick­
lung dauerte etwa 4 0 (99) bis 44 ( S <3) Tage. Das
Geschlechterverhältnis war etwa 1 zu 1. Über die
Lebensdauer der Im agines habe ich keine Beobach­
1.
Anisolabis maritima: 5 Larvenstadien (Lx bis
tungen gemacht. Einige von ihnen lebten länger als
L5) . In U.T. von + 2 0 und + 2 2 ° ist die Dauer von
3 Monate. Die h 1 verhielten sich nur während der
Lx kürzer als die der Embryonalentwicklung. Bei
Brutpflegezeit (etwa 4 Tage) gesellig.
den folgenden Stadien entwickelt sich das spätere
immer etwas langsamer als das vorhergehende. Die
4. Forficula auricularia: 5 Larvenstadien (Lx bis
weiblichen L5 entwickelten sich etwas schneller als
L5) . Nach abgeschlossener Embryonalentwicklung
die männlichen. Die ganze postembryonale Entwick­
liegt die mit einem Eizahn am Kopf ausgerüstete h 1
lung dauerte in + 20" 7 bis 7*/2 Monate und in
gekrümmt in der Eihülle. Beim Schlüpfen streckt sie
+ 2 2 ° 5 bis 5 i/-2 Monate. Das Geschlechterverhältnis
sich und zerreißt mit H ilfe des Eizahnes die Eihülle.
ist etwa 1 6 zu 2 99. Das Imaginalleben dauerte in
Gleich darauf vollzieht sie ihre 1. Häutung, indem
U.T. von etwa + 2 0 ^ im Mittel 7 Monate. Einige
sie die sie umgehende Exuvie mit dem Eizahn ab­
Individuen (99) erreichten ein Alter von 8 bis 9
streift. Das 1. Larvenstadium ist also nur sehr kurz
D ie Ohrwürmer machen eine heterometabole
(paurometabole) Entwicklung mit mehreren imaginiformen Larvenstadien durch. Die Dauer der einzel­
nen Stadien ist Temperatur-abhängig, was sich durch
Entwicklungsdauer-Hyperbeln darstellen läßt, deren
Konstanten (C und k) für die einzelnen Stadien ver­
schieden sind.
K. H ERTER
370
J. T.
h°C ]
16
18
20
22
24
Dauer der Stadien in Tagen
Eier
L,
20
17
15
13
12
0
0
0
0
0
U 99 U 6 6
17
15
13
11,5
10,5
15
13
10.5
9
7,5
38
21
15
11
9
37
25
19
15
12,5
84
30
18
13
10
Dauer der ganzen
Entwicklung in Monaten
99 4.2; 6 6 5,8
99 3,0; 6 (53,2
9 9 2,4;
9 9 2,0;
99 1>7;
66
66
66
2,4
1,9
1-6
Tab. 1. W erte für die E ntw icklungsdauer-H yperbeln der einzelnen Stadien bei verschiedenen U.T.
(höchstens einige M inuten). Die Larve, die sich aus
den beiden Hüllen befreit hat und sich nun völlig
streckt, ist also die L2 . Für die Dauer der einzelnen
Stadien in verschiedenen U.T. ergaben die Entwick­
lungsdauer-Hyperbeln die Werte der Tab. 1.
Die Entwicklungsdauer der L2 und L3 ist in allen
Temperaturbereichen kürzer als die Embryonalent­
wicklung. Bei der L4 dauert die Entwicklung in den
niedrigeren Temperaturen bedeutend und in den
höheren wenig länger als bei der L3 . Die weiblichen
L5 entwickeln sich in den niedrigeren Temperaturen
erheblich schneller als die männlichen. In + 2 0 °
dauert die Entwicklung bei beiden Geschlechtern
etwa gleich lange, und in den höheren entwickeln
sich die 6 6 ein wenig schneller als die 99. Das Ge­
schlechterverhältnis ist etwa 1 zu 1. Die im aginale
Lebensdauer betrug in wechselnden U.T. im Mittel
7 Monate. Vorher starben mehr 6 6 als 99. E in­
zelne Individuen — besonders 99 — lebten jedoch
13 bis 15 Monate. Die ganze Lebensdauer betrug in
+ 20"" bei den 99 9,4 bis 17,4 Monate und bei den
6 6 9,4 bis 15,4 Monate. Die Larven und die Im a­
gines leben gesellig; die jüngeren Stadien in und
auf dem Boden, die älteren auf Substraten über dem
Boden. In der Natur findet man gleichzeitig in der
Regel nur Vertreter eines Stadiums oder zweier auf­
einanderfolgender Stadien. In Berlin in klimatisch
„normalen“ Jahren im Juni nur ältere Larven (L4
und L-), im Juli L5 und Imagines und im August
fast nur Imagines. Auf Korsika fing ich zwischen
dem 18. 5 . und 2 1 . 6 . 82 Imagines und eine L5 .
Vergleichende
Betrachtungen
a) Kopulationen
Das Verhalten der Ohrwürmer vor und bei der
Begattung scheint in der ganzen Ordnung sehr ein­
heitlich zu sein. Es wird dadurch charakterisiert,
daß das 6 in der Regel den tordierten Hinterleib
unter den des 9 schiebt. Es handelt sich wohl um
eine ursprüngliche Verhaltensweise, die sich wäh­
rend der stammesgeschichtlichen Weiterentwicklung
ziemlich unverändert erhalten hat. Nur bei der zu
den „höheren“ Ohrwürmern ( Forficulides) gehören­
den Prolabia arachidis ist sie etwas modifiziert, da
das 6 vor dem Unterschieben des Hinterleibes das
9 an einem Fühler festhält, was von anderen Arten
noch nicht berichtet wurde.
Ein Unterschied zwischen den Labidurides und
Forficulides scheint zu sein, daß bei den „niederen“
Labidurides die Begattung viel schneller verläuft als
bei den Forficulides. Das könnte damit Zusammen­
hängen, daß bei den Labidurides der Ductus ejaculatorius paarig und bei den Forficulides, bei denen
sich der linke Ductus zurückgebildet hat, unpaarig
ist (s. B e i e r 1, S. 5 3 0 ). Es ist denkbar, daß das
Sperma durch den doppelten Gang schneller fließen
kann als durch den einfachen, durch den es mit Hilfe
von muskulösen Pumpeinrichtungen gepreßt werden
muß.
Ob die von W e y r a u c h 9 für Forficula auricularia
beschriebene „m onogame Brunstperiode“, in der ein
9 mit einem bestimmten 6 bis zur Eiablage in der
5.
Forficula pubescens: Grundsätzlich dasselbe Bruthöhle zusammenlebt, auch bei andere Forficu­
lides (oder bei allen) vorkommt, ist nicht bekannt.
wie bei voriger Art. Die Zahlenwerte lagen in den­
Bei F. pubescens konnte ich Andeutungen eines sol­
selben Größenordnungen. Die im aginale Lebens­
chen Verhaltens in Gefangenschaft beobachten.
dauer betrug im Mittel 9 1/2 Monate und die ganze
Lebensdauer in U.T. zwischen + 1 6 , 5 und + 2 1 °
b) Eiablagen
1 2 7 2
Monate. Auf Korsika fand ich zwischen dem
Alle eierlegenden Ohrwürmer setzen die Eier in
18. 5. und 1. 7. 36 Imagines und 6 L5 .
Bruthöhlen ab. Die Regel ist, daß in etwa 24 Stdn.
vollzählige Gelege abgesetzt werden. Eine Ausnahme
9 W . K. W e y h a u c h , Biol. Zbl. 49. 543 [1929].
FO R TPFLA N ZU N G SBIO LO G IE DER OH RW ÜRM ER
371
macht Anisolabis maritima, bei der das $ die Eier
in mehreren Portionen innerhalb einiger Tage ab­
legt. Dasselbe wird von der australischen A. littorea
berichtet ( G i l e s 10). Wenn alle Angehörigen der Gat­
tung Anisolabis sich so verhalten würden, wäre es
bemerkenswert, weil die Gattung zu den „prim itive­
ren“ Labidurides gehört; die Eiablage in Portionen
also vielleicht als der ursprüngliche Modus ange­
sehen werden kann.
Ovoviviparität ist bisher nur von Prolabia arachidis bekannt, also von einer zu den „höheren“ Ohr­
würmern gehörigen Form. In der ganzen Unterord­
nung der „Eigentlichen Ohrwürmer“ ( Forßculinea)
scheint dies der einzige derartige Fall zu sein. „Aus­
nahmslos vivipar oder ovovivipar sind hingegen
die epizoischen bzw. parasitischen Arixeniinea und
Hemimerinea“ ( B e ie r 1, S. 4 6 5 ), die die 2. und 3.
Unterordnung der Dermapteren darstellen und die
7. und 8. Familie ( Arixeniidae und Hemimeridae)
der ganzen Ordnung bilden. „Wahrscheinlich ist der
Ursprung der Hemimeridae, die wohl die phylogene­
tisch älteren sind, in der Zeitwende von der Kreide
zum Tertiär zu suchen, wogegen die zweifellos rela­
tiv jungen Arixeniidae sich vielleicht erst im frühen
Tertiär von den Forficulides (Eudermaptera) abge­
spalten haben“ ( B e ie r 1, S. 5 7 3 ) . Von rezenten
Arixeniidae sind nur zwei Arten bekannt, die auf
der Malaiischen Halbinsel und den Sundainseln in
Hauttaschen von Fledermäusen leben. Von Hemimeriden kennt man 7 Arten im tropischen Afrika
aus dem Fell von Hamsterratten. Es handelt sich um
Formen, die nur in warmen, etwas feuchten und
einigermaßen abgeschlossenen Räumen dauernd exi­
stieren können. Daß sie lebendgebärend sind, also
gleich bewegliche Junge hervorbringen, hängt wohl
mit diesen spezifischen Biotopen zusammen. In H in­
blick hierauf ist beachtlich, daß der einzige „Eigent­
liche Ohrwurm“, von dem man weiß, daß er ovo­
vivipar ist — Prolabia arachidis — anscheinend
ebenfalls nur in warmen, etwas feuchten und ge­
schlossenen Räumen gefunden worden ist (s. Herte r 3, S. 1 6 0 ).
Bei den hier behandelten 5 Ohrwurmarten kann
ein $ nach einmaliger Begattung in gewissen zeit­
lichen Abständen mehrere Gelege hervorbringen. Bei
den Labidurides Anisolabia maritima und Labidura
riparia erfolgt die Eiablage (bei der die Eier be­
fruchtet werden), vom Datum der Imaginalhäutung
des ? an gerechnet, in höheren U.T. eher als in
niedrigeren. Die Zeitdauer, die die Reifung der
weiblichen Keimzellen zu befruchtungs- und ablage­
fähigen Eiern beansprucht, ist also Temperatur­
abhängig.
Über die ovovivipare Prolabia arachidis, bei der
der Zeitpunkt der Befruchtung der Eier nicht festzu­
stellen ist, läßt sich in dieser Beziehung nichts aussagen.
Bei den beiden anderen Forficulides — Forficula
auricularia und F. pubescens — hatte sich ergeben,
daß die Eiablagen anscheinend unabhängig von der
U.T. zu einer bestimmten Zeit von einigen Monaten
nach der Imaginalhäutung des ? stattfinden. B e i e r 1
(S. 535) schreibt: „D ie Vermehrungsteilungen der
Oogonien beginnen schon sehr frühzeitig während
der Embryonalentwicklung und sind beim Schlüp­
fen der Larven bereits abgeschlossen, so daß die
Endkammern der Larvenovarien nur mehr Oocyten
I. Ordnung enthalten.“ Demnach müssen die R ei­
fungsvorgänge, durch die die Oocyten I. Ordnung
zu befruchtungs- und ablagefähigen reifen Eizellen
werden, sehr langsam erfolgen oder zeitweilig in
Diapause verharren. Da die Dauer dieser R eifungs­
vorgänge nicht wesentlich von der Höhe der U.T.
abzuhängen scheint, handelt es sich hier um einen
„fixierten Reaktionstyp“ (s. E id m an n . u , S. 373 und
W e b e r 12, S. 3 6 7 ff.). Ob diese — bisher nur bei
zwei Forficula-Arten beobachtete — Temperatur-un­
abhängige zeitliche Beziehung zwischen dem imaginalen Alter und den Eiablageterminen auch bei an­
deren Forficulides besteht, ist nicht bekannt.
Die Entstehung dieser Beziehung läßt sich viel­
leicht historisch verstehen. Wahrscheinlich ist die
Ordnung der Dermapteren in einem feucht-warmen
Klima entstanden, wofür die heutige Verbreitung
spricht, die in allen Familien Schwerpunkte in den
Tropen und Subtropen hat. Der älteste Fossilfund
eines Insekts von unverkennbarem DermapterenHabitus — Protodiplatys jortis — stammt aus dem
Jura von Turkestan. Aus dem Tertiär der alten und
neuen Welt liegen zahlreiche Funde vor, die den
rezenten Formen sehr ähnlich sind. Man vermutet,
daß die Ordnung der Dermapteren schon vor der
Jurazeit, vielleicht in der Trias, entstanden ist. „D ie
Teilung in Labidurides (Prodermaptera) und For­
ficulides (Eudermaptera) dürfte ebenfalls frühzeitig,
jedenfalls noch im Mesozoikum erfolgt sein, wobei
10 E. T. G iles , Trans. Roy. Soc. New Zealand 80, 383 [1953].
11 H. E idmann , Lehrbuch der Entomologie, Berlin 1941.
12 H. W eber , Grundriß der Insektenkunde, 3. Aufl., S tuttgart
1954.
372
K. HERTER
Cold Spring Harbour N. Y., wo die mittleren Tem­
letztere vermutlich direkt aus den ersteren hervor­
peraturen niedriger sind (Jahr + 1 1 , Juli + 2 3 ,
gegangen sind“ ( B e i e r 1, S. 5 7 2 /7 3 ).
Januar — 1 ), soll dieselbe Art hauptsächlich im
Sicher hat es in dieser Zeit Regionen gegeben, in
Juli und August Eier legen und in einem Larven­
denen in den Sommern längere Zeit die N ieder­
stadium überwintern ( B e n n e t t 13) . Auf der Insel
schläge aufhörten, oder so gering waren, daß in grö­
Vancouver mit einem bedeutend rauheren Klima
ßeren Gebieten in einigen Monaten die oberen B o­
(Jahr + 7 , Juli + 1 5 , Januar ± 0 ), wohin die
denschichten stark austrockneten und die Bodenvege­
Ohrwürmer vermutlich aus dem Orient verschleppt
tation verdorrte. Heute ist dieser Klimatyp in den
wurden, dauert die ganze Entwicklung zwei Jahre.
tropischen und subtropischen Zonen weit verbreitet;
Den ersten Winter verbringen die Tiere als Lt und
z. B. herrschen in großen Teilen des MittelmeerL .,, den zweiten als L5 oder junge Imagines
gebietes solche warmen, sommertrockenen Klimate.
(G u p p y 14) .
In derartigen Biotopen konnten in den Trockenzei­
Den Uferohrwurm Labidura riparia, der noch
ten die durch ihre starken Chitinpanzer relativ ge­
wärmebedürftiger als Anisolabis maritima zu sein
gen Austrocknung geschützten Imagines der Ohrwür­
scheint, findet man an den Sandstränden des Mittel­
mer wohl existieren, namentlich, da sie auf Grund
meeres zu jeder Jahreszeit in allen Entwicklungssta­
ihrer großen Beweglichkeit und Grabfähigkeit die
dien. Wahrscheinlich hat er hier 3 (bis 4) Genera­
Möglichkeit hatten, einigermaßen feuchte Stellen auf
oder im Boden aufzusuchen. Die unbeweglichen Eier
tionen im Jahr.
Ohrwurmarten, die nicht so eng an das Wasser
und die zarten ersten Larvenstadien, die ein größe­
gebunden sind, wie die erwähnten Labidurides-Yorres Feuchtigkeitsbedürfnis hatten, konnten die
men, und daher in weniger feuchten Biotopen leben
monatelangen Trockenzeiten nicht überstehen.
müssen, könnten sich in Gebieten mit sommerlichen
In den Gebieten mit langen Trockenzeiten konn­
Trockenzeiten nicht halten, wenn sich ihre Eiablage­
ten sich Ohrwürmer nur in Biotopen in der warmen
termine nur nach der Höhe der U.T. richten würden.
Jahreszeit fortpflanzen, die dauernd feucht waren,
Finden dagegen die Eiablagen zu einer erblich fixier­
oder nur für kurze Zeit austrockneten. Solche B io­
ten Zeit von einigen Monaten nach den Imaginaltope sind vor allem die Meeresküsten und Regionen
häutungen der 99 statt, kann die für die Jugendsta­
in der Nähe nicht austrocknender Gewässer.
dien verderbliche Trockenzeit überbrückt werden.
Heute sind in solchen warmen, sommertrockenen
Die 99 von Forficula auricularia produzieren ihre
Klimagebieten an den Gewässerufern einige Ver­
1. Gelege im 4., ihre 2. Gelege im 6. und ihre 3. Ge­
treter der Labidurides weit verbreitet. An den Ufern
lege im 9. Monat nach der Imaginalhäutung. Hat
des Mittelmeeres findet man — oft in größeren „K o­
sich ein 9 kurz vor dem Beginn einer 4 Monate dau­
lonien“ — Anisolabis maritima (und einige andere
Arten der Gattung Anisolabis) und Labidura ripa­ ernden Trockenperiode zur Imago gehäutet, wird es
ria. Die Ohrwürmer können sich hier zu jeder Jah­ sein 1. Gelege am Anfang einer humiden Zeit, in der
sich die Eier entwickeln können, absetzen. Dauert
reszeit fortpflanzen, in der die U.T. eine gewisse
die aride Zeit länger, kann es das 2. und 3. Gelege
Höhe erreicht oder überschreitet. Die Dauer der E i­
reifung, der Embryonal- und der Postem bryonal­ ebenfalls in einer feuchten Zeit absetzen und die
Brut aufziehen. D ie 99 von Forficula auricularia,
entwicklung und damit die Anzahl der jährlichen
die ich als junge Im agines im Mai und Juni auf
Generationen hängt von den lokalen geographischen
Korsika gefangen hatte, brachten in Berlin im Ok­
Temperaturverhältnissen ab.
In meinen Zimmerzuchten legten die 9 9 von Ani­ tober, Dezember und Februar die meisten Gelege
hervor. Auf Korsika beginnt die Trockenperiode in
solabis maritima in U.T. zwischen -f 19 und + 2 8 c
der Regel in der zweiten Maihälfte und endet in der
zu jeder Jahreszeit Eier. In dem milden Klima der
ersten Septemberhälfte. Die Eier wurden also in
ligurischen Mittelmeerküste (Temperaturmittelwerte:
Monaten abgelegt, in denen in der Heimat der Ohr­
Jahr + 1 5 , 5 , Juli + 2 5 , Januar + 7 , 5 ° ) fand ich
würmer ein feuchtes, für die Entwicklung der Brut
gleichzeitig verschiedene Larvenstadien und Im agi­
günstiges Klima herrschte. Meine F. pubescens von
nes. Die Meeresstrand-Ohrwürmer können hier also
Korsika verhielten sich ähnlich.
mehrere Generationen im Jahr hervorbringen. Bei
13 C. B . B e n n e t t , Earwigs (A n isolabis m aritim a Bon.). Psyche,
A. J. Entomol. 11, 47 [1904].
14 R.
G
uppy
.
Proc. Ent. Brit. Columbia 46. 14 [1950].
FO R TPFLAN ZUNG SBIO LO G IE DER O H RW ÜRM ER
Der Legerhythmus — Eiablage zu bestimmten
Zeiten nach der Imaginalhäutung des 9 — ist im
Erbgut der Art fixiert und wird daher auch beibe­
halten, wenn die Ohrwürmer in Klimaten ohne
regelm äßige Trockenperioden leben. 10 9 9 von For­
ficula auricularia, die als ältere Larven in Berlin
gefangen worden waren, häuteten sich zwischen dem
3 . 7 . und 1 . 8 . zu Imagines. Sie produzierten 10
erste Gelege zwischen dem 14. 11. und 20. 12., also
3,5 bis 5,5 (M = 4 ,5 ) Monate nach den Imaginalhäutungen. Zweite Gelege wurden von Berliner Tie­
ren zwischen dem 2 6 . 12. und 1 5. 2. , d. h. etwa 5,5
bis 7,2 ( M = 6 ,2 ) Monate nach den Imaginalhäutungen, abgesetzt. Einige wenige 3. Gelege erhielt
ich im Frühling des nächsten Jahres.
Es ist auffällig, daß die Hauptlegezeiten der in
Norddeutschland (Berlin) beheimateten F. auricu­
laria zwischen Novem ber und Februar, also in der
kältesten Zeit des Jahres, liegen, während die m ei­
sten anderen Insektenarten unserer Fauna sich im
Frühling oder Sommer fortpflanzen. Dieser eigen­
artige Fortpflanzungsrhythmus ist nur verständlich,
wenn wir ihn als eine im Laufe der Stammes­
geschichte unter anderen Klimaverhältnissen ent­
standene und erblich fixierte Eigenschaft der Art be­
trachten.
Ob auch bei anderen Forficulides ähnliche Be­
ziehungen bestehen, d. h. ob vielleicht in der ganzen
Unterordnung der heutige Fortpflanzungsrhythmus
auf die klimatischen Verhältnisse an den Ent­
stehungszentren zurückzuführen ist, läßt sich bisher
nicht entscheiden.
c) Embryonalentwicklung,
D ie Dauer der Embryonalentwicklung ist bei den
eierlegenden Ohrwürmern Temperatur-abhängig. Ob
es auch bei der ovoviviparen Prolabia arachidis so
ist, was wohl als sicher anzunehmen ist, konnte ich
nicht beobachten, weil ich die trächtigen 99 in einer
gleichbleibenden U .T. von + 2 5 ° hielt.
D ie 4 Kurven der Abb. 1 zeigen, daß die Be­
ziehungen der Entwicklungsdauer zu den U.T. bei
den Labidurides Anisolabis maritima und Labidura
riparia (Kurve a und b) einerseits und den Forficu­
lides Forficula auricularia und F. pubescens (Kurve
c und d) andererseits verschieden sind. Bei A. marit.
und L. rip. sind die Temperaturen, bei denen über­
haupt erst eine Entwicklung der Eier möglich ist
(die Entwicklungsnullpunkte) + 1 7 bzw. + 1 9 ° ,
373
also relativ sehr hoch. Mit steigender U.T. verkürzt
sich die Entwicklungszeit zunächst sehr langsam, so
daß sie in + 2 0 ° bei A. marit. noch über einen M o­
nat und bei L. rip. etwa 2l/-2 Monate dauert. Eine
starke Beschleunigung setzt dann in U.T. über + 2 0 °
ein, so daß bei beiden Arten die Larven in + 2 2 °
nach 22 bis 24 Tagen und in + 2 5 ° schon nach
etwa 11 bis 16 Tagen schlüpfen können. Eine U.T.
von etwa + 2 5 ° scheint für beide Arten am günstig­
sten für die Embryonalentwicklung zu sein. L. rip.
ist noch wärmebedürftiger als A. marit., was auch
daraus hervorgeht, daß sie vorzugsweise an war­
men Sandstränden, die langer Sonnenbestrahlung
ausgesetzt sind, lebt. Im Binnenlande findet man die
Ohrwürmer nur in und auf Sandböden mit hohem
Grundwasserspiegel (Dünen, Kiesgruben und der­
gleichen) , die viele Tagesstunden von der Sonne be­
strahlt und erwärmt werden, so daß sie auch in re­
lativ kühlen Klimagebieten — wie etwa in Nord­
deutschland — in den Frühlings- und Sommermona­
ten sehr erheblich höhere Temperaturen als die Luft
aufweisen. A. marit. lebt in ähnlichen Biotopen; ist
jedoch in bezug auf die Wärme weniger anspruchs­
voll, so daß sie sich noch in so kühlen Klimaten, wie
in dem der Insel Vancouver halten kann. Hier ist
die Embryonalentwicklung allerdings sehr verzö­
gert, da die Eier in Temperaturen unter + 1 7 ° in
Quieszenz verharren müssen.
D ie Forficulides Forficula auricularia und F. pu­
bescens können die Embryonalentwicklung in viel
tieferen U.T. als die beiden Labidurides durch­
machen, weil ihre Entwicklungsnullpunkte viel tie­
fer — bei etwa + 4 bzw. + 6 ° — liegen und die
Entwicklungsdauer-Hyperbeln (Kurve c und d) mit
der Erhöhung der U.T. bedeutend schneller ansteigen. In U.T. von + 2 0 ° dauert ihre Embryonal­
entwicklung nur 14 bis 18 Tage und in wenig höhe­
ren ist sie schon gestört. Beide Arten leben in kühle­
ren Biotopen als die vorigen; in bewachsenem Ge­
lände, in dem sie sich bei zu starker Erwärmung
durch die Sonne in die durch die Pflanzen beschatte­
ten kühleren Bodenschichten zurückziehen können.
Die kleine F. pubesc. ist etwas wärmebedürftiger
als F. auric., worauf auch ihre geographische Ver­
breitung hinweist. Sie scheint an das subtropische
Klima des Mittelmeergebietes gebunden zu sein.
F. auric, hingegen ist „fast weltweit“ verbreitet,
was zum großen Teil auf Verschleppung durch den
Menschen beruht. Der nördlichste bekannte europä­
ische Fundort liegt in Jämtland in Schweden auf
374
K. HERTER
ungefähr 6 3 c n. Br. ( Z a c h e r 15, S. 5 9 ) . Die Tempe­
raturmittelwerte betragen in diesem Gebiet im Jahr
etwa + 3 bis + 4 ° , im Juli + 1 4 bis + 1 5 ° und im
Januar —4, 5 bis —6, 5°. Daß die Ohrwürmer sich
in so kalten Klimaten halten können, verdanken sie
der Fähigkeit ihrer Eier, in U.T., die unter dem Ent­
wicklungsnullpunkt liegen, lange in Quieszenz ver­
harren zu können, ohne ihre Entwicklungsfähigkeit
zu verlieren. Wir sahen, daß die Ohrwürmer in Ber­
lin in der Regel die meisten Eier zwischen November
und Februar legen. D ie Monatsmittelwerte in 2 cm
Tiefe, die für die in der Erde liegenden Eier maß­
geblich sind, betrugen in Berlin-Dahlem in den Jah­
ren 1959 bis 1964 im Oktober + 8 , 7 , im November
+ 3,8, im Dezember —0,2, im Januar —1,3, im
Februar —0,3, im März + 2,9 und im April + 9 , 9 ° .
Alle Eier müssen demnach bis zum April in Qui­
eszenz verharren, weil erst dann die U.T. über ihren
Entwicklungsnullpunkt ( + 4 ,1 ° ) steigt. Die Embryo­
nalentwicklung fängt also in Berlin praktisch erst im
April an. Sie verläuft dann relativ schnell, weil im
Frühling die U.T. rasch ansteigen (M für Mai
+ 1 4 , 3° ) , so daß die Larven in der Regel etwa im
Mai schlüpfen können.
dagegen ein deutlicher Weibchenüberschuß. Ob man
dies verallgemeinern darf, wage ich nicht zu ent­
scheiden.
Nach B e i e r 1 (S. 4 7 0 ) scheint die Anzahl der
Larvenstadien bei den Dermapteren „im allgem ei­
nen vier“ zu betragen. Er zählt die 6 Arten Forfi­
cula auricularia, Chelidurella acanthopygia, Labia
curvicauda, Prolabia arachidis, Chelisoches morio
und Euborellia annulipes auf, bei denen dies der
Fall sein soll, und meint, dies „scheint also bei allen
höher entwickelten Familien die Regel zu sein “ . A n­
dererseits schreibt er, daß Anisolabis littorea, „eine
primitivere Form“, und ebenso A. maritima regel­
mäßig 5 Larvenstadien haben. Dazu möchte ich be­
merken: Euborellia annulipes gehört zu den Labidu­
rides, also nicht zu den „höher entwickelten Fam i­
lien“, und Forficula auricularia (und F. pubescens )
hat 5 Larvenstadien, wenn auch das erste Stadium
nur sehr kurz ist, da die Häutung zur L2 schon wäh­
rend des Schlüpfens aus dem Ei erfolgt. Ob dies bei
Chelidurella, Labia und Chelisoches ebenfalls der
Fall ist, wurde wohl noch nicht untersucht. Die ein­
zige Form, bei der bisher einwandfrei nachgewiesen
wurde, daß nur 4 Larvenstadien Vorkommen, ist
Prolabia arachidis.
d) Brutpflege
Die Pflege durch die Mutter erstredete sich bei
den 4 eierlegenden Arten nur auf die Eier. Daß sich
die Mütter auch um die jungen Larven kümmerten,
wie mehrfach angegeben wurde, habe ich nie beob­
achtet. Bei der ovoviviparen Prolabia arachidis wur­
den die Lx nur einige Tage von der Mutter betreut.
e) Postembryonale Entwicklung
Die Entwicklungsdauer der Larvenstadien ist
ebenfalls Temperatur-abhängig. D iese Beziehungen
sind bei den einzelnen Arten und Stadien verschie­
den. Wenn man die Entwicklungsdauer-Hyperbeln
für alle Stadien kennt, kann man für die unter­
schiedlichen U.T. in den Biotopen der einzelnen
Fundorte die Gesamtentwicklungsdauer und die
möglichen Generationsfolgen berechnen, worauf ich
hier jedoch nicht näher eingehen will. Bemerkens­
wert ist, daß bei allen untersuchten Arten die Ent­
wicklungsdauer der 6 6 und 9 9 nicht gleich war;
die 6 6 brauchten meistens etwas mehr Zeit. Das
Geschlechterverhältnis war bei den 3 Forficulides
etwa 1 zu 1; bei den beiden Labidurides ergab sich
15 F.
Z
acher,
Die G eradflügler Deutschlands, Jena 1917.
Wie ich schon an anderer Stelle bemerkte ( H e r 3, S. 237) sind vielleicht 5 Häutungen und 5
Larvenstadien, wie sie bei den „prim itiveren“ Ohr­
würmern Anisolabis und Labidura festgestellt wur­
den, der ursprüngliche Entwicklungsmodus. Bei den
„fortschrittlicheren“ Forficulides besteht die Ten­
denz zur Verminderung der Larvenstadien, die bei
Forficula auricularia und pubescens in der Vorver­
legung der ersten Häutung in den Moment des
Schlüpfens der Larve aus dem Ei und der Verkür­
zung des ersten Stadiums zum Ausdruck kommt. Bei
der ovoviviparen Prolabia arachidis ist die erste
Häutung ganz weggefallen — oder in die Em bryo­
nalentwicklung vorgeschoben worden —, so daß bei
diesem, anscheinend auf geschlossene warme Räume
spezialisierten „höheren“ Ohrwurm nur (noch?) 4
Häutungen und 4 Larvenstadien Vorkommen.
In der Gefangenschaft betrug bei der Mehrzahl
meiner Ohrwürmer die imaginale Lebensdauer viele
Monate (im Mittel etwa 7 ). Die Gesamtlebensdauer
war — je nach der Höhe der U.T. während der Ent­
wicklung — etwas weniger oder bedeutend mehr als
1 Jahr. In der Natur dürfte sie in derselben Größen­
ordnung liegen.
te r
SCH ECK UNG DER SC H W ARZBUNTEN N IE D E R U N G SR IN D E R
Als taxonomisches Merkmal zur Charakterisie­
rung der einzelnen Dermapterengruppen benutzt
man auch die Gliederanzahl der imaginalen Anten­
nen. Allerdings ist dies kein sehr zuverlässiges Kri­
terium, wie schon daraus hervorgeht, daß die Auto­
ren nicht immer dieselben Zahlen angeben. B e i e r 1
(S. 5 6 2 ) schreibt in der Charakterisierung der
Unterfam ilie Anisolabiidae: „Fühler mit 25 bis 35
Gliedern“, während er (auf S. 471) für die hierher
gehörige Anisolabis littorea 21 Glieder angibt. For­
ficula auricularia soll nach H a r z 16 (S. 228) 15
Glieder und nach B e i e r 1 (S. 471) 14 Glieder haben.
Meine Zählungen an 224 Antennen ergaben in etwa
80% 13 Glieder. Trotz dieser Diskrepanzen scheint
die Anzahl der Antennenglieder eine Regel (mit
einigen Ausnahmen) auszudrücken, worauf auch
16 K. H a r z , G eradflügler oder Orthopteren. Die Tierwelt
Deutschlands 46. Teil. Jena 1960.
375
2 für die mitteleuropäischen Dermapteren hin­
weist, wenn er zur Charakterisierng der Familie
Labiduridae mehr als 15, der Labiidae 10 bis 12 und
der Forficulidae 12 bis 15 Glieder angibt. B e i e r 1
führt für die Unterfamilie der Pygidicranidae 15 bis
35, für die der Labiduridae 20 bis 35 (mit 2 Aus­
nahm en), für die der Labiidae 12 bis 15 (mit 1
Ausnahme) und für die der Forficulidae 12 bis 15
Glieder an. Demnach scheint es, daß eine große A n­
zahl Antennenglieder — mehr als 15 — für die
Labidurides und eine kleine — 15 oder weniger —
für die Forficulides typisch ist. Man möchte daraus
schließen, daß die ursprünglichsten Ohrwürmer viele
Antennenglieder hatten, und daß die Tendenz be­
steht, die Gliederanzahl mit der stammesgeschicht­
lichen Weiterentwicklung zu verringern. Das älteste
Fossil aus der Ahnenreihe der Dermapteren, Protodiplatys fortis, hat 17 Fühlerglieder ( B e i e r x, S.
5 7 2) .
H arz
Die Scheckung der schwarzbunten Niederungsrinder
II Statistisch-genetische A nalyse
R o lf D a n n eel
Zoologisches Institut der Universität Bonn
(Z. N aturforsdig. 20 b , 375— 378 [1965] ; eingegangen am 14. Dezember 1964)
H errn Prof. Dr.
A
lfred
K
ühn
m it herzlichen Glückwünschen zum 80. G ebu rtstage
Die schwarzbunten R inder des Niederrheingebietes bilden nach dem E rgebnis der statistischen
U ntersuchung eine Mischpopulation, die sich annähernd im V erhältnis 1 : 2 : 1 aus den 3 Geno­
typen Sj Sj , sxs2 und s2s2 zusammensetzt.
1.
D ie Größe, Gestalt und Anordnung der schwar­
zen und weißen Fellbezirke ist bei den schwarzbun­
ten Rindern so verschieden, daß sich viele Züchter
schon seit langem daran gewöhnt haben, von jedem
neugeborenen Kalb eine Scheckungsskizze anzuferti­
gen, mit deren H ilfe sie das betreffende Tier dann
später jederzeit mit Sicherheit identifizieren können.
Scheckung ist bei Rindern gegen Einfarbigkeit
rezessiv. Die Nachkommen zweier gescheckter Tiere
sehen dagegen stets intermediär aus. Dies gilt je­
doch nur für das Ausmaß der Scheckung, nicht für
die Einzelheiten des Zeichnungsmusters, das von
dem jenigen beider Eltern völlig abweichen kann.
Die bisher durchgeführten Kreuzungsversuche haben
weiterhin gezeigt, daß bei der Paarung mittelstark
gescheckter Rinder auch helle und dunkle Schecken
anfallen. Die Tiere mittlerer Scheckung sind also
Bastarde und lassen sich nicht rein züchten.
Aus allen diesen Beobachtungen hat man schon
sehr bald den naheliegenden Schluß gezogen, den
dann D u n n , W e b b und S c h n e i d e r 1 präziser formu­
liert haben, daß die Scheckung der Rinder auf eine
Reihe von allelen Genen mit unvollständiger D om i­
nanz zurückgehe. W ie die Autoren für die „holsteini­
schen“ Rinder ihres Landes weiterhin zeigen konn­
ten, sind die „eigentlichen“ Scheckungsfaktoren
allem Anschein nach nur für das Ausmaß der Schekkung verantwortlich, wohingegen die Form und An­
ordnung der weißen Fellbezirke weitgehend durch
1 L. C. D u n n , H. F.
229 [1923].
W
ebb
u
.
M.
S
c h n e id e r
,
J. H eredity 14,
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