Zusatzmerkblatt „Werdende und stillende Mütter in Tierarztpraxen und Tierkliniken“ Dieses Merkblatt soll Arbeitgebern und Arbeitnehmerinnen sowie den Personalvertretungen helfen, spezifische Gefährdungen werdender und stillender Mütter, die ihre Tätigkeit in Tierarztpraxen und Tierkliniken ausüben, zutreffend zu beurteilen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen sowie Beschäftigungsverbote bzw. -beschränkungen ausreichend zu beachten. Gesetzliche Grundlagen: 1. 2. 3. 4. Mutterschutzgesetz (MuSchG) Mutterschutzrichtlinienverordnung (MuSchRiV) Biostoffverordnung (BioStoffV) Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) Pflichten des Arbeitgebers: Neben der Mitteilungspflicht (siehe allgem. Merkblatt) ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitsplatz der werdenden und stillenden Mutter, -ggf. unter Hinzuziehen des Betriebsarztesunter besonderer Berücksichtigung folgender Bestimmungen zu überprüfen: • • • • §2 MuSchG –Gestaltung des Arbeitsplatzes §§ 3,4 und 6 MuSchG – Beschäftigungsverbote § 8 MuSchG – Mehrarbeit, Nacht- und Sonntagsarbeit MuSchRiV, wobei in die Beurteilung der Stand der Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene mit einbezogen werden muss Üben Beschäftigte in Tierarztpraxen und Tierkliniken Tätigkeiten aus, bei denen eine Infektionsgefährdung durch Erreger auftreten kann, die eine mehr oder weniger schwere Krankheit beim Menschen hervorrufen können, ist eine Zuordnung zu den Schutzstufen 2 bis 4 nach den Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe (TRBA) analog der TRBA 250 vorzunehmen Mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppe 2 bis 4 dürfen werdende Mütter nicht arbeiten, soweit bekannt ist, dass diese Arbeitsstoffe oder durch sie im Krankheitsfall bedingte therapeutische Maßnahmen die Gesundheit der schwangeren Arbeitnehmerin und des ungeborenen Kindes gefährden (MuSchRiV Anl. 1 Abs. A Nr. 2). Zu diesen biologischen Arbeitsstoffen zählen z. B. folgende Erreger: Stand März 2007 Erreger Bakterien Borrelia burgdorferi Vorkommen Übertragungsweg Erkrankung Zecken parenteral Lyme-Disease Brucella species Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine, Nagetiere, Hunde dermal (Kontakt mit Blut und Körperflüssigkeiten mit Hautwunden), oral, aerogen Brucellose Campylobacter jejuni Rinder, Geflügel, Hunde Campylobacter fetus Rinder, Schweine oral Chlamydia psittaci Vögel aerogen Gastroenteritis, Sepsis Sepsis bei Abwehrschwäche Psittakose Clostridium tetani Stuhl vieler Haustiere, Schmutz Paarhufer( Schafe, Ziege, Rinder, Wildtiere) Zecken Rinder parenteral Tetanus aerogen (Kot, Urin, Plazenta, Milch) Q-Fieber parenteral Oral (Kot) Ehrlichiose Diarrhoeen, HUS, TTP dermal (Urin), oral Leptospirose oral Salmonellose, Typhus Oral, Schmutz-und Schmierinfektion Yersiniose Coxiella burnetii Ehrlichia species Escherichia Coli (EPEC, ETEC, EIEC, EHEC) Leptospira species Ratten, Rinder, Hunde, Schweine Salmonella species Haustiere, Nutztiere, Amphibien, Reptilien Yersinia Säugetiere enterocolitica (besonders Schweine) Viren Aphthovirus Kontakt Paarhufer Aerogen, Kontakt Maul- und Klauenseuche FSME-Virus Zecken in Endemiegebieten parenteral Frühsommermeningoencephalitis Rabies- Virus Wildtiere, freilaufende Haustiere Kälber, Schweine parenteral Tollwut Oral (Kot) Gastroenteritis Rota-Virus Stand März 2007 Pilze Aspergillus species (der Risikogruppe 2) Intensivtierhaltung Parasiten Ascaris suum Echinococcus multilocularis, cysticus Sarcocystis species Schwein Hunde, Katzen, Füchse Rinder, Schweine Taenia species Rinder, Schweine aerogen Oral(Kot) Oral (Kot) Oral (Kot) Aspergillose, Aspergillom, Asthma Oral (Kot) Echinococ-cose Sarcocystose Bandwurm Nicht beschäftigt werden dürfen werdende und stillende Mütter mit Stoffen, Zubereitungen oder Erzeugnissen, die erfahrungsgemäß Krankheitserreger übertragen können, wenn sie den Krankheitserregern ausgesetzt sind (Art. 1 § 5 Abs. 1 Nr. 2 MuSchRiV). Krankheitserreger können - möglicherweise noch unerkannt - vorhanden sein in: - Blut und Blutprodukten, - Plasma und Serum, - Exsudaten (z. B. Eiter), - Speichel, Tränenflüssigkeiten, serösen Körperflüssigkeiten, - Urin und Stuhl Bei bestimmungsgemäßem Umgang mit diesen Stoffen oder damit benetzten Instrumenten, Geräten oder Oberflächen kann die werdende Mutter dann weiter beschäftigt werden, wenn ausreichende Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Als ausreichende Schutzmaßnahme gelten z. B. die Arbeit mit geschlossenen Systemen, geeignete Schutzhandschuhe, Schutzbrillen usw. Werdende und stillende Mütter dürfen nicht mit schneidenden oder stechenden Gegenständen, wie z. B. Skalpellen oder Injektionsnadeln, die mit Blut, Serum, Sekreten oder Exkreten kontaminiert sind, umgehen. Handschuhe reichen als Schutzmaßnahme gegen ein Verletzungsrisiko nicht aus. Unzulässig ist somit die Beschäftigung werdender oder stillender Mütter z. B. - mit der Blutabnahme, - mit Tätigkeiten im Labor, bei denen das Risiko des Kontaktes mit Blut besteht, - in der Sterilisation auf der unsauberen Seite, - bei Operationen, - mit dem Verabreichen von Injektionen. Die werdenden und stillenden Mütter dürfen keinen Kontakt zu Tieren haben, von denen die Gefahr einer aerogenen Infektion ausgeht (z. B. mit Vögeln, Schafen, Ziegen oder mit atemwegsinfizierten Tieren, bei denen die Gefahr einer Übertragung auf den Menschen besteht). Stand März 2007 Prophylaxe vor Eintritt in die Schwangerschaft Eine möglichst frühzeitige Prophylaxe vor Infektionskrankheiten ist der beste Schutz für die Mutter und das ungeborene Kind sowie unter Kosten- und Organisationsaspekten die günstigste Lösung für den Arbeitgeber. Bei erhöhter Infektionsgefährdung hat der Arbeitgeber nach § 15 Abs. 1, 4 BioStoffV eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung sowie Beratung und eine prophylaktische Impfung anzubieten. Kommt es bei einer Beschäftigten ohne ausreichende Immunität zu einer Schwangerschaft, so ist die Freistellung dieser Mitarbeiterin von allen risikobehafteten Tätigkeiten die einzig mögliche Alternative. Derartige nach dem Gesetz zwingende Beschäftigungsverbote verursachen dem Arbeitgeber neben organisatorischen Problemen vermeidbare Kosten. Im Rahmen der Arbeitsmedizinischen Immunitätslage gegenüber besonders Vorsorgeuntersuchung wird empfohlen, die relevanten Krankheitserregern festzustellen. Bei nicht ausreichender Immunität empfiehlt sich - soweit dies unter Berücksichtigung anderer medizinischer Aspekte möglich ist - eine Impfung vor Eintritt einer Schwangerschaft. Von Impfungen während der Schwangerschaft sollte generell abgesehen werden. In jedem Fall müssen Impfungen gegen FSME, bei Tollwutgefährdung auch gegen das Tollwutvirus angeboten werden. Eine Impfung gegen Tetanus wird zusätzlich empfohlen. Unfallgefahr Werdende und stillende Mütter dürfen nicht mit Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie einer erhöhten Unfallgefahr ausgesetzt sind. Eine erhöhte Unfallgefahr ist z. B. gegeben bei rektalen Untersuchungen von Großtieren, Geburtshilfe bzw. Bissen von Tieren. Gentechnische Laboratorien Werdende oder stillende Mütter dürfen keinen Umgang mit Versuchstieren haben, insbesondere keine mikrobiologischen oder toxikologischen Tierversuche durchführen. Nicht infizierte spezifisch pathogenfreie Tiere (SPF-Tiere) dürfen versorgt werden. Weiterhin dürfen werdende oder stillende Mütter nicht mit der Bearbeitung unfixierter Präparate aus tierischen Organen beschäftigt werden. Die Züchtung von Normal- und Tumorzellen, sowie deren Haltung kann von werdenden oder stillenden Müttern durchgeführt werden, sofern diese Zellen keine menschenpathogenen Viren enthalten. Stand März 2007