Lebenswelt und sozialer Raum - IFZ

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Fachgespräch „Sozialraumorientierung – ein geeignetes Paradigma für die Caritas Österreich?“ ifz Salzburg, 28.03.14 „Lebenswelt und sozialer Raum“ – sozialarbeitswissenschaftliche Reflexionen Vor der Diskussion möchte ich nun die Facetten der verschiedenen Beiträge zusammenführen und die Relevanz des Konzeptes für die Soziale Arbeit ebenso wie seine disziplinären Bezüge und Verortungen reflektieren. Mich leiten dabei drei Punkte: Gliederung 1. Lebenswelt, sozialer Raum und das Konzept der Sozialraumorientierung – disziplinäre Verortungen „Was ist Sozialraumorientierung?“ 2. Der Mensch und seine Lebenswelt – der erwartete Mehrwert durch Sozialraumorientierung „Warum Sozialraumorientierung?“ 3. Sozialraumorientierung und professionelles Handeln – Herausforderungen für die Soziale Arbeit „Wie gelingt „gelingenderer Alltag“? bzw. Wie macht man Sozialraumorientierung?“ 1. Lebenswelt, sozialer Raum und das Konzept der Sozialraumorientierung – disziplinäre Verortungen oder die Frage „Was ist Sozialraumorientierung?“ Kleve (2010, S. 25) bezeichnet Sozialraumorientierung als „ein fachlich‐theoretisch, methodisch und strukturell gut entwickeltes Konzept“, wobei er in seinem Papier für den DBSH auf Spannungsfelder hinweist und Klärungsbedarf anmahnt: Sozialraumorientierung „ist fachlich als eine sozialpädagogische Innovation und systemkritische Perspektive postmoderner Arbeit zu begrüßen, sie ist aber auch politisches Mittel, um zu sparen“. Vielleicht wäre diese Einschätzung auch ein Punkt für die anschließende Diskussion. In meinem Beitrag folge ich einer Einordnung von Hinte et al. (2003, S. 32), indem ich Sozialraumorientierung als Fachkonzept Sozialer Arbeit entfalte. Mit dieser Setzung ist der Weg bereitet für eine Reflexion disziplinär‐theoretischer Herleitungen ebenso wie für eine Reflexion disziplinär‐methodischer Ableitungen. 1 Als Fachkonzept ist Sozialraumorientierung zumindest im deutschsprachigen Raum theoretisch präzisiert, differenziert und unterlegt. Zudem wird es mancherorts in die Praxis umgesetzt. Das Fachkonzept Sozialraumorientierung basiert auf unterschiedlichen Quellen, die sowohl als Erklärungsansätze dienen, als auch auf der methodischen Ebene bedeutsame Prinzipien formulieren, die für Fachkräfte handlungsleitend sind. Wieder andere charakterisieren Sozialraumorientierung als „Umsetzungskonzept“: „Sozialraumorientierung ist ein Mehrebenenansatz, der seine Überzeugungskraft und Wirkung daraus gewinnt, einander ergänzende fachliche Maximen in verschiedenen Handlungsfeldern gleichermaßen zu verfolgen“ (Budde et al. 2007, S. 13). Die Maximen oder Prinzipien des Fachkonzepts speisen sich aus unterschiedlichen Strömungen der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik: „Irgendwie ist er [der Ansatz der Sozialraumorientierung] systemisch, lebensweltorientiert, ökosozial, lösungsorientiert und empowernd“ schreibt Hinte 2007, S. 102. Das Fachkonzept Sozialraumorientierung ist im sozialarbeitswissenschaftlichen Diskurs außerdem nicht denkbar ohne die Auseinandersetzung mit der Gemeinwesenarbeit. Diese wurde jahrelang als dritte Methode (neben der Einzelfallarbeit und der Gruppenarbeit) betrachtet und erst 1980 von Krauss/Boulet und Oelschlägel zum „Arbeitsprinzip“ erkoren: Gemeinwesenarbeit wird zur sozialräumlichen Strategie, die sich ganzheitlich auf den Stadtteil und nicht pädagogisch auf einzelne Individuen ausrichtet (vgl. Oelschlägel 2001, S. 100). Soziale Probleme werden im Zusammenhang mit Gemeinwesenarbeit in ihrer raum‐
zeitlichen, historischen und gesellschaftlichen Dimension erkannt, erklärt und bearbeitet. „Das Konzept ‚Sozialraumorientierte Soziale Arbeit‘ nahm folglich einige Diskussionslinien, Erkenntnisse und methodische Prinzipien aus der GWA auf, präzisierte, ergänzte und erweiterte sie und zwar mit Blick auf die Erfordernisse im Kontext institutioneller Sozialer Arbeit“ (Hinte 2007, S. 30). Als Ziel des Fachkonzepts Sozialraumorientierung formuliert Hinte die Gestaltung der Lebensbedingungen von Menschen, damit diese „entsprechend ihren Bedürfnissen zufrieden(er) leben können“ (Hinte 2007, S. 34). 2 2. Der Mensch und seine Lebenswelt – der erwartete Mehrwert durch Sozialraumorientierung oder die Frage „Warum Sozialraumorientierung?“ Ich komme noch einmal auf die Erklärung von Hinte (2007) zurück: Die Maximen oder Prinzipien des Fachkonzepts speisen sich aus unterschiedlichen Strömungen der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik: „Irgendwie ist er [der Ansatz der Sozialraumorientierung] systemisch, lebensweltorientiert, ökosozial, lösungsorientiert und empowernd“. Die disziplinären Verortungen geben auch einen Hinweis, welche Erwartungen an das Fachkonzept Sozialraumorientierung bzw. dessen Mehrwert gestellt werden. Dann führen mich die Antworten zunächst zu der grundlegenden Frage, was Soziale Arbeit tut und welche Funktionen sie erfüllt. 1. Soziale Arbeit als Unterstützung in der Lebensbewältigung Böhnisch (2002, S. 200) ordnet Soziale Arbeit als „gesellschaftliche Reaktion auf diese Bewältigungstatsache“ ein, wobei mit „dieser Bewältigungstatsache“ für den Einzelnen kritische Lebensereignisse und damit verbundene Integrations‐ und Integritätsprobleme sowie sozialstrukturelle Probleme sozialer Desintegration gemeint sind. Kritisch werden Lebensereignisse dann erlebt, wenn die bislang verfügbaren personalen und sozialen Ressourcen für die Bewältigung nicht mehr ausreichen. Es sind kritische Lebenssituationen, in denen das psychosoziale Gleichgewicht – Selbstwertgefühle und soziale Anerkennung – gefährdet ist. Diese werden insgesamt als Probleme der Lebensbewältigung aufgefasst, die als typische gelten und die daher potentiell für jeden Einzelnen bedeutsam werden. Soziale Arbeit ist hier als „gesellschaftliche Reaktion auf diese Bewältigungstatsache“ (Böhnisch 2002, S. 200) institutionell verankert. Innerhalb einer Gesellschaft, die den Einzelnen – beispielsweise in Folge von Alter oder Krankheit – freisetzt, jedoch nicht vermitteln kann, wozu er frei ist und die den freigesetzten Menschen keine sozialen Orte bietet, „wo sie in ihren Freiheiten Halt und Sicherheit finden könnten“ (Schröer 1999, S. 40f. in Böhnisch 2002, S. 200) agiert Soziale Arbeit als Profession unterstützend bei der Lebensbewältigung. Mit Lebensbewältigung ist das Streben nach subjektiver und unbedingter Handlungsfähigkeit gemeint. „Im Mittelpunkt des sozialpädagogischen Interesses steht dabei die misslungene Balance zwischen psychischen Selbst und sozialer Umwelt, aus der heraus das ‚verwehrte Selbst‘ soziale Aufmerksamkeit auch in antisozialen bis hin zu sozial‐ oder selbstdestruktiven Handlungen sucht“ (Böhnisch 2002, S. 203). Sowohl sozialstrukturelle wie auch psychosoziale Einflussfaktoren finden in der Analyse der 3 Bewältigungsproblematik Berücksichtigung. Sie sind auch für die Gestaltung Sozialer Arbeit bedeutsam, mit der sich „die handlungsorientierte Suche nach Formen sozialer Integration, in die das Bewältigungshandeln sozial eingebettet und in diesem Sinnen normalisiert werden kann“ (Böhnisch 2002, S. 203) verbindet. 2. Eine Ermöglichung der Rahmung von Aneignungsprozessen In der „Spannung von Gesellschaft und Subjektivität“ (Winkler 2003, S. 18) besteht die Aufgabe Sozialer Arbeit darin, dem Einzelnen in den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen die Wiederherstellung und/oder Sicherung von Subjektivität sowie Handlungsweisen zu ermöglichen, die ihm eine selbstbestimmte Lebensführung erlaubt. Mit dem Begriff des Subjektes werden Sein und Selbstverständnis des Menschen seit der Moderne bezeichnet. All das, was dem Subjekt als vorgegeben gegenübertritt, womit es konfrontiert, was ihm quasi entgegengeworfen ist, ist „Objekt“, welches ein Aneignungshandeln erfordert. Aneignung ‐ sich etwas zu Eigen machen ‐ bezeichnet einen selbsttätigen Akt des Subjektes in der Auseinandersetzung mit der vorgefundenen Umgebung. Wo Aneignung gelingt, entsteht Subjektivität – wo sie misslingt, gerät das Subjekt in einen „Modus der Differenz“. Aus der Perspektive der Sozialen Arbeit geht es dann darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, die gelingende Aneignungsprozesse ermöglichen, so dass das Subjekt aus dem „Modus der Differenz“ wiederum zu einem „Modus der Identität“ findet und damit Subjektivität erlangt. Zentral ist hierbei die angemessene Gestaltung des Ortes, die als methodisches Handeln vor dem Handeln zu verstehen ist. Sozialpädagogisch gestaltete Orte gelten als Angebote mit Aufforderungscharakter, zu deren Ausgestaltung das Subjekt aufgefordert ist. Soziale Arbeit hat daher zu klären, „wie ein Ort beschaffen sein muß, damit ein Subjekt an ihm leben und sich entwickeln kann, damit er auch als Lebensbedingung vom Subjekt kontrolliert wird“ (Winkler 1988, S. 278f.). Was Soziale Arbeit damit und darin tut, „sollte weniger als pädagogische Aktivität, sondern mehr als eine Beratung, vielleicht besser noch als eine Begleitung beschrieben werden“ (Winkler 1999, S. 324). 4 3. Alltags‐ und Lebensweltorientierte Soziale Arbeit Soziale Arbeit agiert in der alltäglichen Lebenswelt ihrer Adressat/innen. Beschrieben ist hiermit die „Summe der Bedingungen, unter denen sich Handlungen und Orientierungen von Menschen in ihrer gewohnten Umgebung vollziehen“ (Klein 2001, S. 10). Hierzu gehören die historischen und gesellschaftlichen Verhältnisse einer Zeit sowie deren kulturelle und soziale Bedingungen, in die Menschen quasi hineingeworfen werden. Es ist die „bereits vorgefundene und vorinterpretierte, jedoch zugleich veränderbare Lebenswirklichkeit“ (Grunwald/Thiersch 2004, S. 17f.), die unhinterfragt als ‚selbstverständlich wirklich‘ erlebt wird; hier formt sich der Mensch seine eigene Wirklichkeit; Identität und Lebenssinn sind hierin begründet. Die alltägliche Lebenswelt ist auch „Ort des Arrangements und der Bewältigung“ (ebd.). Soziale Arbeit hat zuerst die lebensweltlichen Bedingungen der Menschen zu rekonstruieren. Hierbei kommt den Kategorien von Raum, Zeit und sozialen Beziehungen in ihrem jeweils subjektiven Erleben der Menschen eine besondere Bedeutung zu. Innerhalb dessen müssen die Menschen in ihren Selbstdeutungen und Handlungsmustern wie auch der Eigenlogik ihrer Bewältigungsstrategien verstanden werden. Soziale Arbeit orientiert sich konsequent an den Adressaten und deren grundsätzlich autonomer Zuständigkeit für ihren eigenen Alltag; dies gilt unabhängig von der Unterstützungsbedürftigkeit und der Perspektive von Professionellen oder Institutionen (vgl. Grunwald/Thiersch 2001, S. 1136f.). Der Respekt vor den Anstrengungen der Menschen, in den gegebenen Verhältnissen zu Rande zu kommen, auch wenn die Ergebnisse unglücklich sein mögen, die „Geschicklichkeit des Sich‐Arrangierens im Überleben – jenseits von Stringenz und Prinzipien oder in sich konsistenten Begründungen“ (Grunwald/Thiersch 2004, S. 20) ist grundlegend. Eine solche Soziale Arbeit sieht ihre Aufgabe in der „Unterstützung in den Krisen heutiger, risikoreicher Normalität“ (Grunwald/Thiersch 2001, S. 1141). Sie zielt darauf, den Adressaten einen gelingenderen Alltag zu ermöglichen. 4. Das gute Leben – eine normative Orientierung Erst wenn wir eine „Vorstellung davon haben, welches die wichtigen Tätigkeiten im menschlichen Leben sind und welche Unterstützung sie zu ihrer Entfaltung benötigen, können wir immerhin ansatzweise angeben, welche Rolle die verschiedenen Arten der von anderen Menschen geleisteten Fürsorge spielen“ (Nussbaum 2002a, S. 210). Lebensbewältigung in Krisensituationen, die sozialpädagogisch in der alltäglichen Lebenswelt der Betroffenen zu rahmen, zu beraten und zu begleiten sind, werfen die Frage auf, wie ein 5 gelingenderer Alltag und Subjektivität ermöglicht werden können und fordern zu einer normativen Konkretisierung heraus. Zur Bestimmung dessen, was das „gute Leben“ umfasst, legt Nussbaum daher eine Liste zentraler Eigenschaften „unserer gemeinsamen Humanität“ (Nussbaum 1998, S. 208) zu Grunde. Es geht dabei um menschliche Fähigkeiten, eine Bestimmung für das vielfältige Leben, das es in einer breiten Weise zu fördern gilt, deren Ausübung aber keine Verpflichtung darstellt. Fähigkeiten (capabilities) sind hierbei wechselseitig miteinander verschränkt, gemeint sind die den Menschen innewohnenden Fähigkeiten wie auch Rahmenbedingungen und Mittel der Verwirklichung, die Möglichkeiten der Befähigung zu einem guten Leben fördern sollen. Die Entscheidung der tatsächlichen Ausgestaltung liegt dann bei jedem Einzelnen (Nussbaum 1998, S. 17). Zu berücksichtigen sind hierbei die je nach Lebenssituation unterschiedlichen Ressourcen und Bedürfnisse, denn die gleiche Behandlung aller führt nicht zwangsläufig zum guten Leben aller. 5. Ökosoziale Handlungstheorien Ökosoziale Handlungstheorien schlagen den Bogen zur Systemtheorie. „In einem Ökosystem steht jedes einzelne Moment in seinem Gefüge in einem dynamischen Verhältnis zum Ganzen“ (Wendt 2010, S. 11). Gegenstand ist der einzelne Mensch in seinen Lebenskreisen und im öffentlichen Raum. Bei der Betrachtung des Gegenstands geht es darum, wie Menschen in ihrer Lebenswelt ihren „Haushalt führen“ und ihr Leben haushalten, wie sie also ihre Ressourcen für die Gestaltung ihres gelingenden Lebens einsetzen (Wendt 2010, S. 12). Soziale Arbeit sieht Wendt in diesem Kontext als „eine Sorgearbeit, die sich zu dem Verhalten, bei sie problemlösend hilft oder in das sie interveniert, die Verhältnisse wahrnimmt, in dem die Hilfe und die Intervention nötig sind“ (ebd.). Die ökosoziale Theorie ist eine Theorie der Wohlfahrt. Es geht um die soziale Lebensgestaltung unter Gesichtspunkten sozialer Problembewältigung, an der professionell in einem bestimmten Umfeld in einem natürlichen, gesellschaftlichen und individuellen Bezugsrahmen gearbeitet wird. Soziale Arbeit wird als Ressource gesehen, die von staatlicher Seite eingesetzt wird, um prekären Lebenssituationen im persönlichen und gemeinschaftlichen Leben von Menschen zu begegnen. 6 3. Sozialraumorientierung und professionelles Handeln – Herausforderungen für die Soziale Arbeit oder die Frage „Wie macht man Sozialraumorientierung?“ Im Fachkonzept der Sozialraumorientierung ist der Gegenstand Sozialer Arbeit bestimmt als staatliche Aufgabe zur Herstellung von Gerechtigkeit durch die garantierte Unterstützung eigener Aktivität in möglichst selbstbestimmten Lebenszusammenhängen (vgl. Hinte 2007, S. 58). Anders als es die Raumsemantik nahelegt handelt es sich um ein „hochgradig personenbezogenes Konzept“ (Fehren 2011, S. 443. Dies wird durch die konsequente Orientierung am Willen der Menschen und die daraus in logischer Folge entwickelten weiteren Prinzipien des Fachkonzepts unterlegt. Den Professionellen obliegt es, innerhalb der strukturellen Gegebenheiten ihrer Institution und ihres Auftrags ethische Postulate als Grundlegung ihres Handelns zu realisieren. Voraussetzung ist eine Haltung der Professionellen, mittels der im Sinne einer Verantwortungsethik der spannungsreiche Ausgleich zwischen moralischer Angemessenheit und Effizienz gelingen kann (vgl. Stimmer 2000, S. 41). In Anlehnung an M. Buber wird der Mensch als soziales und dialogisches Wesen verstanden, das auf ein Gegenüber, ein Du hin angelegt ist. Erst in der Verbundenheit der Menschen als selbstständiger und voneinander unabhängig existierender Wesen entsteht eine Beziehung. „Der Mensch wird am Du zum Ich“ (Buber 1995, S. 28). Es geht darum, den anderen als einmaliges und einzigartiges Wesen auch in der Differenz zu bejahen und ihn in seiner Person bedingungslos zu akzeptieren. Mit dieser Respektbekundung vor der Person des Anderen geht ein Zugeständnis an dessen ‚So‐sein‘ einher. Diese Wahrnehmung des Anderen in seiner Ganzheit, die darauf zielt, den Kern der Person des Anderen wahrzunehmen, ist Voraussetzung dialogischer Verantwortung (vgl. Buber 1995). Das Fachkonzept Sozialraumorientierung beinhaltet insgesamt vier Ebenen, die in ihrem Zusammenwirken zielführend für dessen Umsetzung sind: Die geographische, die finanzierungstechnische und die Steuerungsebene sind strukturgebend für die Umsetzung des Fachkonzepts. Auf der methodischen Ebene werden die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter im Kontakt mit den Adressatinnen und Adressaten aktiv. „Auf der methodischen Ebene bedarf es eines zugehenden, aktivierenden Ansatzes, der aufmerksam den Willen der Betroffenen erkundet und Aushandlungssituationen ‚auf Augenhöhe‘ schafft, in denen unter Nutzung individueller und sozialräumlicher Ressourcen gemeinsam Perspektiven und Handlungsschritte zur Unterstützung von Menschen in schwierigen Lebenslagen entwickelt werden“ (Hinte et al. 2003, S. 32). 7 Daraus leiten sich die fünf Prinzipien sozialraumorientierter Sozialer Arbeit ab: 1. Konsequente Orientierung am Willen der Adressatinnen und Adressaten 2. Unterstützung von Eigeninitiative und Selbsthilfekräften 3. Erkennen, Aktivieren und Nutzen von Ressourcen der Menschen und des sozialen Raumes 4. Zielgruppen‐ und bereichsübergreifende Sichtweise 5. Kooperation und Vernetzung Sozialräumliche Arbeit ist ganzheitlich angelegt, sie bezieht einen weiten Kontext in Fallbetrachtung, Fallgestaltung und Falllösung mit ein. Das Fachkonzept Sozialraumorientierung ist anspruchsvoll und setzt Standards im Handeln der Professionellen. Das bedeutet auch, dass die Träger in den Diskurs gehen müssen – so wie es hier geschieht – welche strukturellen Rahmenbedingungen es braucht, um das Fachkonzept Sozialraumorientierung in die Praxis Sozialer Arbeit zu implementieren. Literatur Böhnisch, L. (2002). Lebensbewältigung. Ein sozialpolitisches Paradigma für die Soziale Arbeit. In: Thole, W. (Hrsg.). Grundriss Soziale Arbeit. Ein Einführendes Handbuch. Opladen; S. 199 – 213. Böhnisch, L. (2002). Lebensbewältigung. Ein sozialpolitisches Paradigma für die Soziale Arbeit. In: Thole, W. (Hrsg.). Grundriss Soziale Arbeit. Ein Einführendes Handbuch. Opladen; S. 199 – 213. Buber, M. (1995). Ich und Du. Ditzingen. Budde, W. / Früchtel, F. / Hinte, W. (Hg.) (2006). Sozialraumorientierung – Wege zu einer veränderten Praxis. Wiesbaden. Budde, W./ Früchtel, F. (2005). Sozialraumorientierte Soziale Arbeit – Ein Weg zwischen Budde, W./Früchtel, F. (2006). Chancen und Risiken eines Sozialraumbudgets. In: Springer Fachmedien (Hg.): Sozial Extra. Wiesbaden; S. 9–13. DBSH (2011): Leitziel professineller Sozialer Arbeit. Herausgegeben von Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. Berlin. Fehren, O.(2011). Sozialraumorientierung sozialer Dienste. In: Evers, A./ Heinze, R. G./ Olk, T. (Hg.): Handbuch Soziale Dienste. Wiesbaden; S. 442–460. Grunwald, K. & Thiersch, H. (2001). Lebensweltorientierung. In: Otto, H.‐U. & Thiersch, H. (Hg.): Handbuch Sozialarbeit/ Sozialpädagogik. 2., völlig überarbeitete Auflage. Neuwied; S. 1136–1148. Grunwald, K./Thiersch, H. (2004). Das Konzept lebensweltorientierte Soziale Arbeit – einleitende Bemerkungen. In: Grunwald, K./Thiersch, H. (Hrsg.): Praxis lebensweltorientierter Sozialer Arbeit. Handlungszugänge und Methoden in unterschiedlichen Arbeitsfeldern. Weinheim und München; S. 13‐40. 8 Hinte, W. (2007). Das Fachkonzept Sozialraumorientierung unter historischen und systematischen Aspekten. In: Haller, D./ Hinte, W./ Kummer B. (Hg.) (2007): Jenseits von Tradition und Postmoderne ‐ Sozialraumorientierung in der Schweiz, Österreich und Deutschland. Weinheim, München. Hinte, W./ Litges, G./ Groppe, J. (2003). Sozialräumliche Finanzierungsmodelle. Qualifizierte Jugendhilfe auch in Zeiten knapper Kassen. Berlin. Hinte, W./ Treeß H. (2007). Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe. Theoretische Grundlagen, Handlungsprinzipien und Praxisbeispiele einer kooperativ‐integrativen Pädagogik. Weinheim. Klein, H.‐J. (2001). Alltag. In: Schäfers, B. (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie. Opladen; S. 10‐12. Kleve, H. (2010). Sozialraumorientierung ‐ sieben Grundfragen im Fachdiskurs. In: Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (Hg.): Der kostensparende Sozialraum? Berufs‐ und fachpolitische Perspektiven des Sozialraumsatzes in der Sozialen Arbeit. Uckerland; S. 20–27. Lebenswelt und Steuerung. In: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins, 7/2005: S. 238‐242 und 8/2005: S. 287‐392. Nussbaum, M. (1998). Menschliches Tun und soziale Gerechtigkeit. Zur Verteidigung des aristotelischen Essentialismus. In: Steinfath, H. (Hrsg.). Was ist ein gutes Leben? Philosophische Reflexionen. Frankfurt am Main; S. 196‐234. Nussbaum, M. (1999). Gerechtigkeit oder das gute Leben. Frankfurt am Main. Nussbaum, M. (2002). Konstruktion der Liebe, des Begehrens und der Fürsorge. Drei philosophische Aufsätze. Stuttgart. Oelschlägel, D. (2001). Lebenswelt oder Gemeinwesen? Anstöße zur Weiterentwicklung der Theoriediskussion in der Gemeinwesenarbeit. In: Hinte, W./ Lüttringhaus, M./Oelschlägel, D. (Hg.): Grundlagen und Standards der Gemeinwesenarbeit. Ein Reader für Studium, Lehre und Praxis. Münster. Stimmer, Franz (2000). Grundlagen des Methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit. Stuttgart. Teubert, A. (2012). Das Fachkonzept Sozialraumorientierung Basis einer wirkungsorientierten Kinder‐ und Jugendhilfe. Eine Analyse kommunaler Umsetzungsvarianten des Fachkonzepts in den Städten Rosenheim, Ulm und Zürich sowie den Landkreisen Ravensburg und St. Wendel. Universität Duisburg‐Essen. Online‐Veröffentlichung (http://duepublico.uni‐duisburg‐
essen.de/authoring/buildZip.xml?type=zip&id=33258). Wendt, W.R. (2010). Das ökosoziale Prinzip. Soziale Arbeit, ökologisch verstanden. Freiburg. Winkler, M. (1988). Eine Theorie der Sozialpädagogik. Stuttgart. Winkler, M. (1999). „Ortshandeln“ – die Pädagogik der Heimerziehung. In: Colla, H.E. (Hrsg.): Handbuch Heimerziehung und Pflegekinderwesen in Europa. Handbook residential an foster care in Europe. Neuwied; S. 307‐323. Winkler, M. (2003). Theorie der Sozialpädagogik ‐ eine Rekonstruktion. In: Zeitschrift für Sozialpädagogik, Jg. 1 (1); S. 6–24. 9 Institut für angewandte Sozialwissenschaften
Lebenswelt und sozialer Raum –
sozialarbeitswissenschaftliche Reflexionen
Fachgespräch Sozialraumorientierung – ein geeignetes Paradigma für die Caritas Österreich?
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Prof. Dr. Susanne Schäfer-Walkmann | Institut für angewandte Sozialwissenschaften, DHBW Stuttgart
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„Lebenswelt und sozialer Raum“ – sozialarbeitswissenschaftliche Reflexionen
AGENDA
1. Lebenswelt, sozialer Raum und das Konzept der
Sozialraumorientierung – disziplinäre Verortungen
2. Der Mensch und seine Lebenswelt –
der erwartete Mehrwert durch Sozialraumorientierung
3. Sozialraumorientierung und professionelles Handeln –
Herausforderungen für die Soziale Arbeit
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Seite 2
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„Lebenswelt und sozialer Raum“ – sozialarbeitswissenschaftliche Reflexionen
AGENDA
1. Lebenswelt, sozialer Raum und das Konzept der
Sozialraumorientierung – disziplinäre Verortungen
2. Der Mensch und seine Lebenswelt –
der erwartete Mehrwert durch Sozialraumorientierung
3. Sozialraumorientierung und professionelles Handeln –
Herausforderungen für die Soziale Arbeit
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DAS KONZEPT SOZIALRAUMORIENTIERUNG
Sozialraumorientierung
„ist fachlich als eine
sozialpädagogische Innovation und
systemkritische Perspektive postmoderner Arbeit
zu begrüßen,
sie ist aber auch politisches Mittel, um zu sparen“
(Kleve 2010, S. 25).
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DAS FACHKONZEPT SOZIALRAUMORIENTIERUNG
„Sozialraumorientierung ist ein Mehrebenenansatz, der seine
Überzeugungskraft und Wirkung daraus gewinnt, einander ergänzende
fachliche Maximen in verschiedenen Handlungsfeldern gleichermaßen zu
verfolgen“ (Budde et al. 2007, S. 13).
„Irgendwie ist er [der Ansatz der Sozialraumorientierung]
systemisch, lebensweltorientiert, ökosozial, lösungsorientiert und empowernd“
(Hinte 2007, S. 102).
Gestaltung der Lebensbedingungen von Menschen,
damit diese „entsprechend ihren Bedürfnissen
zufrieden(er) leben können“ (Hinte 2007, S. 34).
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1. Lebenswelt, sozialer Raum und das Konzept der
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2. Der Mensch und seine Lebenswelt –
der erwartete Mehrwert durch Sozialraumorientierung
3. Sozialraumorientierung und professionelles Handeln –
Herausforderungen für die Soziale Arbeit
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DAS FACHKONZEPT SOZIALRAUMORIENTIERUNG
„Irgendwie ist er
systemisch,
lebensweltorientiert,
ökosozial,
lösungsorientiert
und
empowernd“
(Hinte 2007, S. 102).
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DER ERWARTETE MEHRWERT DURCH SOZIALRAUMORIENTIERUNG
THEORETISCH-DISZIPLINÄRE BEZÜGE
Soziale Arbeit als
Unterstützung in der
Lebensbewältigung
(Bönisch)
Ermöglichung der
Rahmung von
Aneignungsprozessen
(Winkler)
Gestaltung der
Lebensbedingungen
von Menschen, damit
diese „entsprechend
ihren Bedürfnissen
zufrieden(er) leben
können“
(Hinte 2007, S. 34).
Alltags- und
Lebensweltorientierte
Soziale Arbeit
(Thiersch)
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Das gute Leben
(Nussbaum)
Ökosoziale
Handlungstheorien
(Wendt und andere)
Das dialogische Prinzip
(Buber)
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Sozialraumorientierung – disziplinäre Verortungen
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der erwartete Mehrwert durch Sozialraumorientierung
3. Sozialraumorientierung und professionelles Handeln –
Herausforderungen für die Soziale Arbeit
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SOZIALRAUMORIENTIERUNG UND PROFESSIONELLES HANDELN
Im Fachkonzept der Sozialraumorientierung
ist der Gegenstand Sozialer Arbeit bestimmt
als staatliche
Aufgabe zur Herstellung von Gerechtigkeit
durch die garantierte Unterstützung eigener Aktivität
in möglichst selbstbestimmten
Lebenszusammenhängen
(vgl. Hinte 2007, S. 58).
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SOZIALRAUMORIENTIERUNG UND PROFESSIONELLES HANDELN
PRINZIPIEN
„Auf der methodischen Ebene bedarf es
eines zugehenden, aktivierenden
Ansatzes, der aufmerksam den Willen der
Betroffenen erkundet und
Aushandlungssituationen ‚auf Augenhöhe‘
schafft, in denen unter Nutzung
individueller und sozialräumlicher
Ressourcen gemeinsam Perspektiven
und Handlungsschritte zur Unterstützung
von Menschen in schwierigen
Lebenslagen entwickelt werden“
(Hinte et al. 2003, S. 32).
1. Konsequente Orientierung am
Willen der Adressatinnen und
Adressaten
2. Unterstützung von
Eigeninitiative und
Selbsthilfekräften
3. Erkennen, Aktivieren und
Nutzen von Ressourcen der
Menschen und des sozialen
Raumes
4. Zielgruppen- und
bereichsübergreifende
Sichtweise
5. Kooperation und Vernetzung
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