Deutsch-sowjetische Sondierungen über einen separaten

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Sonderdrucke aus der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
BERND MARTIN
Deutsch-sowjetische Sondierungen über
einen separaten Friedensschluß im Zweiten Weltkrieg
Bericht und Dokumentation
Originalbeitrag erschienen in:
Inge Auerbach (Hrsg.): Felder und Vorfelder russischer Geschichte : Studien zu Ehren von Peter
Scheibert. Freiburg: Rombach, 1985, S. 280 - 308
Deutsch-sowjetische Sondierungen über
einen separaten Friedensschluß im Zweiten Weltkrieg
Bericht urid Dokumentation
Folgt man unbesehen zeitgenössischen bzw. unmittelbar nach dem letzten Krieg
entstandenen Berichten, dann haben sich d r r deutsche Außenminister von Ribbent r o p urid sein sowjetisclier Kollege Molotov während des deutscli-sowjetisclicn
Konflikts allein dreimal getroffen, um einen Separatfrieden auszuhandeln: Im
Herbst 1942 in Stalinol. irn Juni 1943 in Kirovograd2 und in der letzten Juliwoclie
1943 sogar in Moskau.' Alle drei Meldungen g e h r e n in das Reich der Fabel. Sie
zeugen jedoch von der Virulent und Hartnäckigkeit entsprechender Gerüchte von
einer erneuerten deutsch-sowjctisclien Übereinkunft, die vom Beginn des Unternehmens ~Barbarossa-bis z u r deutschen K a ~ i t u l a t i o nnicht verstummen wollten. Solche irreführenden Verlautbarungen wie auch seriösere Meldungen über deutschsowjctisclie Gesprächskontakte werfen quellenkritische und methodische Fragen
auf, die sich dem Zeirhistoriker in dieser Form nur auf dem ,glatten Parkett<diplomatischer oder gehcimdienstlicher ,Friedens.-Fühlungnahrnen stellen. Auch das
bewußt verstreute Gerücht über angebliche Friedensverhandlungen hatte, je nachdem von welcher Seite und welcher Regierungsstelle es kam, eine unterschiedliche
pcilitische Funktion. Außerdem kam ein offizielles Dementi von Friedcnsgesprächen
nicht s c l ~ r neinem Signal gleich, nunmehr ungestört den G e ~ ~ r ä c h s f a d eaufzugrein
fcn4, und kanii folglich nicht automatisch als Absage an Verhandlungen interpretiert werdcri. D e r Wahrheitsgehalt von unterschiedlichsten Quellen, wie Prcssenotizen, diplomatischen Depeschen, militärischen Meldungen, Geheimdienstberichteri. individuellen T a g e b ~ c h e i n t n g u n ~ eund
n
nachträglichen Erinnerurigen, läßt
sich geradc irn Fall der deutscli-sowjetischen Sondierungen in Ermangelung russischen Quellenmaterials5 und angesiclits d e r schütteren deutschcn Quellenbasis nicht
exakt bestimmen, sondern nur erschließen. Sind daher schoti die Fakten über die
Sondierungen nur mühsam zu ermitteln, s o bleiben die Motive und Intentionen der
sowjetischen Seite, im Jahre 1942/43 Gesprächsbereitschaft zu bekunden, ebenso
weitgehend irn Dunkeln wie der Entscheidungsprozeß auf der deutschen Seite, im
September 1944 endlich einen autorisierten Unterhandler nach Stockholm zu eritsenden
Je nach Interpretation der wenigen bislang bekannten Fakten und je nach politischem Standort des Betrachters stellen daher die deutsch-sowjetischen Kontakte
eine rGeschichtslegende~dar, die noch dazu im wesentlichen auf den Erinnerungen
eines nNazi-Diplomatenu und späteren notorischen ~Rechtsradikalenr basiereb,
eine Erfindung der bürgerlichen Elistoriographie7, oder sie werden, wie in der wis-
senschaftlichen Literatur der Bundesrepublik, als eine ernstzunehmende Alternative
in der Stalinschen Deutschlandstrategie gedeutet.' Wiederum verleitet die Einseitigkeit einer westlichen Perspektive gern dazu, die Initiative zu diesen Sondierungen
ausschließlich der sowjetischen Seite zuzuschreiben und ihr die Zielsetzung eines
Sofern
simplen Erpressungsmanövers gegen~berden Westalliierten zu unter~tellen.~
die spärlichen deutsch-sowjetischen Kontaktbemühungen jedoch vor dem Hintergrund der politischen Spannungen innerhalb der widernat~rlichenAllianz der Gegner Hitler-Deutschlands betrachtet und mit den viel zahlreicheren und tatsächlich
stattgefundenen Gesprächen zwischen deutschen Unterhändlern und amerikanischen, wie etwa Allen DullesLo,verglichen werden, drängt sich eher die Deutung
auf, da5 der Kalte Krieg, das politisch-diplomatische und von beiderseitigem Mißtrauen uberschattete Ringen um den Einfluß in Mitteleuropa, bereits 1941 mit dem
durch Hitlers tiberfall auf die Sowjetunion erzwungenen Zweckbündnis begann.
In Ankn~pfungan diese, bereits anderweitig veröffentlichtel1 Interpretation der
Sondierungsverhandlungen als Ausgangspunkt des Kalten Krieges, sollen die folgende Abhandlung und Dokumentation vorwiegend dazu dienen, die deutsche
Quellenbasis zu erweitern und Zweifel an der Authentizität der Kontaktversuche
endlich zu zerstreuen. Die Sondieningen in Stockholm haben durchaus ihren Niederschlag in deutschen Akten, diplomatischen, militärischen und geheimdienstlichen sowie in privaten Aufzeichnungen gefunden. Obwohl die Masse des Materials
mit Sicherheit bei Kriegsende vernichtet wurdelz, erlauben die erhaltenen Belege
eine annähernde Rekonstruktion der Vorgänge und vermitteln darüberhinaus bisweilen sogar Einsichten in die Motive der Akteure und ihrer politischen Hintermänner. Auf diese Weise lassen sich auch die Erinnerungen des BKronzeugena Peter
Kleistl' und die Aussagen des speziell für Ostkontakte an die Stockholmer Gesandtschaft versetzten Abwehrbeauftragten Werner G. Boeningl* teilweise überprüfen.
Die dem ehemaligen SS-Standardenführer Kleist gern unterstellte Einseitigkeit liegt
weniger darin, daß er über eine sowjetische Gesprächsbereitschaft in den Jahren
1942/43 zu berichten weiß, als darin, daß er die von ihm 1944 weitaus intensiver
und nunmehr auf Anordnung des deutschen Außenministers unternommenen Sondierungen in seinen Erinnerungen verschwiegen hat.15 Gerade über diese Kontaktversuche im vorletzten Kriegsjahr liegt - ganz im Gegensatz zu den Vorjahren aber Material vor16, das eine nahezu lückenlose Rekonstruktion des äußeren
Ablaufs erlaubt.
Obwohl es weder 1942/43 noch 1944 zu einem Gesprilch zwischen deutschen und
sowietischen autorisierten Unterhändlern kam und die Kontakte waihrend des
gesamten Krieges lediglich von einem Agenten der deutschen militärischen Abwehr
Edgar Klaussi7 gehalten wurden, erscheint es dennoch sinnvoll, bei den Stockholmer F~hlungnahmenzwei Phasen zu unterscheiden. Vom Beginn des Krieges bis
zum Vorabend der Moskauer Außenministerkonferenz signalisierte die sowjetische
Seite eine unterschiedlich starke Verhandlungsbereitschaft den Deutschen gegenüber. Hingegen warb nach den in Teheran getroffenen Übereinkünften der ~ G r o ßen Drei* in den letzten anderthalb Kriegsjahren die deutsche Seite um die Gunst
sowjetischer Unterhändler. In der ersten Phase untersagte Hitler aus doktrinärer
Befangenheit die Aufnahme von Gesprächen; in der zweiten zeigte sich nunmehr
Stalin desinteressiert, da die Deutschen dem Vormarsch der Roten Armee und den
politischen Zusagen der Westalliierten nichts mehr entgegenhalten konnten.
Die Ernsthaftigkeit einer sowjetischen Bereitschaft, sich mit deutschen Unterhändlern zu treffen und Klarheit uber deutsche Zielsetzungen im Osten zu gewinnen,
erkiart sich aus einer Reihe unterschiedlicher Faktoren. Deutsche Regiemngsstellen
hatten alle Nachrichtenwege zur sowjetischen Seite nach Kriegsbeginn gekappt und
auch jegliche Friedensverhandlungen untersagt." Das deutsche Kriegsziel, die
Sowjetuniori binnen weniger Wochen zu zerschlagen und in den Status einer Kolonie herabzudrücken, erübrigte aus der Sicht siegessicherer Militär- und Rcgierungskreise die sonst auch zu Kriegsgegnern üblichen Kontakte. Die mehrfach auf diplomatischen Kanälen ausgesprochene sowjetische Bereitschaft, die Haager Landkriegsordnung anzuerkennen, blieb daher in Berlin unbeachtet." Die Anbahnung
zur gegnerischen Seite war daher auch eine
eines sicheren K~mmunikationsstran~es
durch das deutsche Vorgehen den Russen diktierte N o t ~ e n d i g k e i tDie
. ~ ~ aus Stockholm bereits im Juli 1941 gemeldete Bereitwilligkeit der sowjetischen Gesandtin
Aleksandra Kollontaj, sich in deutsche Obhut zu begebenz1, diente wohl in erster
Linie diesem Zweck, n~mlichentweder in Stockholm oder - in einer Form von Imitation des He@-Fluges- in Berlin eine zuverl!tssige Verbindung zu den Deutschen
herzustellen. Wenn auch die Altbolschewistin auf Hitlers großzugiges Aufnahmeangebot nicht einging", so war mit dieser spektakulären Fluchtgeste eine Nachrichtenverbindung über den deutschen Agenten Klauss etabliert, auf der die sowjetische
Seite erstmals im September 1941 Bereitwilligkeit zu Friedensgesprächen übermitteln konnte?' Die historische Analogie zum Frieden von Brest-Litovsk, den kommunistischen Staat durch einen Venichtfrieden zu retten, und das Mißtrauen der
sowjetischen F~hrunggegenüber den Anglo-Amerikanern mit ihren 1941 völlig
ließen Gedanken an Friedenssondiebedeutungslosen materiellen Hilf~lieferungen~~
rungcn nicht als abwegig erscheinen, sondern als einen Akt staatspolitischer Notwendigkeit. Da zudem die westliche Presse voll von Gerüchten ~ b e einen
r
bevorstehenden Separatfrieden war und Gedanken über eine Stalin folgende demokratische
Regierung unter Kerenskij anstellte2s,wurden die vermeintlichen Drohungen des
sowjetischen Diktators den Westmachten gegenüber, sich dann doch lieber mit den
Deutschen einigen zu wollen, in Berlin aufmerksam registriertzb,politisch aber nicht
verwertet.
Die sowjetsche Bereitschaft, mit den Deutschen in Kontakt zu kommen, resultiert
daher plausibler aus der verheerenden militärischen Situation und der ungefestigten
Allianz mit den Westmachten, als da5 sie allein von der Glaub- oder Unglaubwürdigkeit der Person des deutschen Agenten und seiner Berichte abzuleiten wäre.
Bedenken gegen~berKlauss, er sei ein .gerissener H o c h s t a p l e r ~oder
~ ~ Scharlatan
gewesen, sind in dieser Form nicht gerechtfertigt, obgleich sein etwas undurchsichtiger Lebensweg, seine großrnännische, in Stockholm zur Schau gestellte Lebensweise und auch viele seiner überbrachten Informationen schon während des Krieges
manche Zweifel an seiner Person aufkommen liei3en.z8Als der deutsche Gesandte in
Stockholm entsprechende abträgliche Urteile über Klauss nach Berlin weiterleitetez9,wurde er irn Auftrage von Canaris persönlich gebeten, den *deutschen Staatsangehörigen Edgar Klaussu gegen Verleumdungen in Schutz zu nehmen und dessen Paß regelmäßig verlängern zu lassen, .da er (Klauss) dort über sehr gute Beziehungen verfügt und somit für Abwehr wertvolle Dienste leisten kann=.'O Klauss
erfreute sich bei der Abwehr und im Auswärtigen Amt derartiger Hochschätzung,
daß er, obgleich aus Schweden im August 1942 abgeschoben31, sogleich wieder auf
Intervention hoher deutscher Stellen einreisen und dort verbleiben konnte. Obwohl
die Schweden ihn im Mai 1943 erneut ausweisen wollten, konnte ihn das OKW mit
der Argumentation halten, daß ~Schünemann(Klauss) ausschließlich gegen RuIJland arbeitet und seine Meldungen so wichtig sind, daß auf sein weiteres Verbleiben
in Schweden sehr großen Wert gelegt wirdu." Auch als die militrrische Abwehr im
April 1944 vom Auslandsnachrichtendienst des Himmler unterstellten Reichssicherheitshauptamtes übernommen wurde, genoß Klauss, obgleich Jude von Herkunfts3,
das absolute Venrauen seiner SS-Auftraggeber und des Kessodeiters Schellenberg.34 Die Vermutung, ein Hochstapler hätte die deutschen Abwehrstellen über
vier Jahre lang mit erfundenen Meldungen in die Irre gefühn", darf daher als unbegründet verworfen werden.
Vielmehr steht zu vermuten, daß gerade die über Klauss gewonnenen Informationen bei Goebbels und Ribbentrop, ja schließlich vermutlich sogar bei Hitler, wenn
auch verspätet, einen Prozeß des Umdenkens eingeleitet haben, anstelle der allseits
favorisierten mWestl6sungr einen vorzeitigen Friedensschluß im Osten zu erwsgem31 Doch die ideologischen und auch realpolitischen Vorbehalte Hitlers und in
dessen Gefolgschaft Ribbenuops waren bis Ende 1943 noch viel zu stark, um auf
die sowjetischen Sondierungen auch nur einzugehen und unverfängliche Gespräche, wie sie in Geheimkontakten zu den westlichen Mächten längst ublich waren,
iiberhaupt anzuknüpfen. Selbst Anregungen der Seekriegsleitung" und des Auslandsnachrichtendienstes der SS3' vom Frühjahr 1943, den Gedanken eines deutschsowjetischen Sonderfriedens in der Propaganda auszuspielen, um auf diese Weise
die Englsnder und Amerikaner unter Druck zu setzen, sich mit Deutschland zu verständigen, verhallten ungehört. In einem Rundtelegramm des Auswärtigen Amtes
über die Konferenzen von b i n , und Teheran wird zwar beklagt, da5 die westlichen Zugeständnisse an Stalin auf die Sorge vor einer erneuten deutsch-sowjetischen Versttindigung zunickzuf~hrenseien, aber die politische Kurzsichtigkeit der
Führer Englands und Amerikas dafür verantwortlich gemacht, mdaß sie den grundsätzlichen deutschen Standpunkt, der einen Kompromiß mit dem bolschewistischen
Gegner ausschloß, nicht verstehen konnten=.39Eine Vielzahl solcher Aktenbelege
wie auch die grundsstzliche Weigerung Hitlers, japanische Vermittlungsbemiihungen aufzugreifena0oder Mussolinis seit Dezember 1942*' geäußerte Argumentation
für die Notwendigkeit eines Friedensschlusses im Osten zu übernehmen, zeugen
von einer eindeutig abweisenden deutschen Haltung noch im Jahre 1943, so daß die
Initiative zu den drei - letztendlich an diesen deutschen Vorbehalten - gescheiterten Kontaktaufnahmen nicht von der deutschen Fiihrung, ja nicht einmal von untergeordneten deutschen Stellen ausgegangen sein kann.
Die von sowjetischer Regierungsseite der amerikanischen Botschaft am 13. November 1943 übermittelte Versiona2der Kontakte mit den Deutschen bezieht sich daher
entweder - was wenig wahrscheinlich ist - auf eine im deutschen Material nicht
aktcnkundiee E~isodeoder entstellt - wofür vieles soricht - am Vorabend der
Teheraner Konferenz bewuflt den Sachverhalt, indem die Initiative der deutschen
Seite zugeschoben wird. Molotov berichtete in einem Schreiben, daß der sowjetischen Gesandtschaft in Stockholm Mitte Oktober 1943 ,ein Brief zugegangen sei, in
dem ein nicht genannter Absender unter Hinterlassung einer Kontaktadresse seine
guten Dienste zur Beendigung des Krieges angeboten habe. Bei einer Kontaktaufnahme habe sich der Verfasser als deutscher Staatsangeheriger Klauss zu erkennen
gegeben, der im Auftrage einer Industriellengnippe u m IÜeist Friedensgespr~che
auf der Basis der Grenzen von 1914 angeboten und ein megliches Treffen Ribbentrops mit sowjetischen Unterhandlern in Aussicht gestellt habe. Wohl summen die
Namen der Unterhändler und auch die vorgeschlagene Regelung der Grenzfrage,
aber letzteres ging ebenso wie die gescheiterte Kontaktaufnahme vom September
1943 auf sowjetische Vorschläge zurück.43
" .
Der erste Hinweis in den Uberlieferten deutschen diplomatischen Akten auf eine
von Klauss ausgegangene Meldung über eine sowjetische Bereitwilligkeit, meinen
Sonderfrieden mit Deutschland zu schließen*, findet sich in einem Sammelbericht
der militärischen Abwehr vom März 1942 mit unterschiedlichsten Informationen
über die sowjetische Verhandl~n~sbereitschaft?~
Das Schriftst~ckwurde dem Chef
des O K W (Keitel) vorgelegt", jedoch ist über Rückwirkungen nichts bekannt. Im
Oktober 1942, als sich die deutsche Sommeroffensive im S~dwestenRußlands festgefahren hatte und in der deutschen Offentlichkeit die Gerüchte tiber einen bworstehenden Separatfrieden im Osten nicht verstummen wollten46, äußerte Klauss zur
Frage eines Ausgleichs zwischen Deutschland und Sowjetrußland, wdaß beide Staaten heute nicht mehr dieselben wie im Juni 1941 seien.."
Offensichtlich hatte sich
der Sicherheitsdienst Himmlers in die von Klauss geknüpften Kontakte bereits zu
diesem Zeitpunkt eingeschaltet und erwartete Anfang November ein Fnedensangebot Stalins.&
Doch scheint erst die alliierte Landung in Nordafrika die Russen zu deutlicheren
bewogen zu haben.4PVermutlich tasteten
Hinweisen auf ihre Ge~~rächsbereitschaft
sich sowjetische Diplomaten ~ b e rdie Finnen an die deutsche Adresse vor. Am
11. November 1942 erstattete der finnische Gesandte in der *Wilhelmstraßer
Bericht, daß der Legationsvertreter Jartsev an der Sowjetgesandtschaft in Stockholm einen finnisch-sowietischen Friedensschluß auf der Grundlaee der Grenzen
von 1939 angeboten habe. Der Hinweis des Gesandten, ein Friede zwischen Finnland und Rußland sei nur dann sinnvoll, wenn gleichzeitig Deutschland und Rußland Frieden schlössen50, verweist auf Berlin als den eigentlichen Adressaten der
sowjetischen Sondiemng. In einem persönlichen Schreiben über die zukünftige
deutsche Ostpolitik wollte Staatssekretär Weizsäcker daraufhin den Gedanken an
einen Separatfrieden im Osten bei Hitler nicht vollständig ausschließen51 und empfahl zwei Wochen später den Finnen, die sowjetische Sondierung vorsichtig aufzugreifen.52 Obwohl Ribbentrop sogleich den Finnen alle Kontakte zu den Russen
untersagtes3, will er selbst - sofern man den Erinnerungen des Außenministets
Glauben schenkt5' - zu diesem Zeitpunkt Hitler erstmals um die Ermächtigung
gebeten haben, über Madame Kollontaj Verhandlungen aufzunehmen und dabei
Teile der deutschbesetzten Ostgebiete als Faustpfänder auszuspielen. Hitler
habe diesen Vorstoß entrüstet zurückgewiesen. Tatsächlich holte sich der italienische Außenminister Ciano, als er ähnliche Gedanken äußerte, im Dezember 1942
bei Hitler eine Abfuhr.55
Vor diesem ~olitischenHinteremnd fand am 14. Dezember 1942 das erste Treffen
zwischen dem Ministerialdirigenten im Osuninisterium Peter Kieist, der in Doppelfunktion auch für Ribbentrop diplomatisch d t i g war, und Edgar Klauss in Stockholm statt.16 Die Zusammenkunft hatte der deutsche Abwehrbeauftragte Boening in
seinem Ferienhaus arrangiert.17 Bei dieser Gelegenheit habe Klauss die Grenzen von
1939 aneeboten. falls Deutschland zu einem Friedensschluß bereit sei. O b Kleist tatsschlich, wie er in seinen Erinnemngen vorgibt, als Privatmann fungierte und daher
ernsthaften Gesprächen ausweichen mußte, bleibt unbewiesen, erscheint aber im
Hinblick auf die vollig abweisende Haltung Hitlers und Ribbentrops wahrscheinlich, so daß Kleist in Berlin lediglich Widerstandskreise, U. a. den ehemaligen Botschafter Schulenburg, inf~rrnierte.~Wenkbar
wsre sogar, daß Kleist diese Sondierungen in Stockholm, die urspfinglich einer Kontaktaufnahme zu den Westrnächten dienten, mit Wissen, wenn nicht sogar im Auftrage von Regimegegnern durchgeführt hat. Die Tatsache des Gesprärches mit Klauss wird jedoch durch einen Hinweis anläßlich der späteren, dritten Zusammenkunft bestätig~~9
L
.
-
Die KIImpfe um Stalingrad gaben Gerüchten uber ein deutsch-sowjetisches Arrangement Auftrieb, doch scheinen diese jeglicher Grundlage entbehrt zu haben. Ftir
die Behauptung, die sowjetische Seite habe sich während der Endkämpfe in Stalingrad direkt an die deutsche Gesandtschaft gewandt, fehlen stichhaltige BelegeL0,
obgleich einige Indizien dafür sprechen, daß die Fuhlungnahmen über Klauss
zumindest nicht abrissen. Auch amerikanische Meldungen, denen zufolge Ende
April 1943 intensive Verhandlungen, sogar zwischen den-beiden ~ e s a n d t e nThomSen und Kollontaj stattgefunden hättenL1,finden im deutschen Material keine Bestätigung. Ein Treffen von Spitzendiplomaten erscheint schon im Hinblick auf die
unüberwindlichen Schwierigkeiten, Kleist für eine Verhandlungsaufnahme auch
nur auf inoffizieller Basis zu autorisieren. als eine Absurditat. die der damaligen
*Gerüchteküchea entsprang. Um dergleichen Spekulationen ein Ende zu setzen und
das Verhaltnis zu den Westmschten trotz des Abbruchs der Beziehungen zur polnischen Exilregierung zu verbessern, fühlte sich Stalin genbtigt, in einem Tagesbefehl
zum 1. Mai 1943L2alle deutschen Hoffnungen auf einen separaten Friedensschluß
als Wunschdenken hinzustellen und die Formel der bedingungslosen Kapitulation
erstmals zu bekräfti~en.
Der sowjetische Wille zur Annäherung an den Westen, weiter unterstrichen durch
die Auflösung der Komintern, wurde durch die am 4. Juni erfolgte Absage einer
zweiten Front für 194363auf das stärkste brüskiert. Die Beziehungen der Sowjetunion zu ihren beiden westlichen Partnern erreichten im Sommer 1943 ihren absoluten Tiefpunkt. Stalin und die sowjetische Diplomatie drohten unverhohlen den
Westmächten *mit gravierenden Konsequenzen für den weiteren Kriegsverlaufa6',
was nach Lage der Dinge einer versteckten Drohung mit einem Separatfrieden
gleichkam. Die Sowjetunion trug die Bürde des Krieges gegen Hitler-Deutschland
und erwartete zudem im Juni 1943 eine erneute deutsche Sommeroffensive. Da sich
die Westmächte in ihren Abmachungen mit der Sowjetunion zu keinen territorialen
Konzessionen hatten bereitfinden können und nicht einmal die aus ethnischen
Gründen gerechtfertigte Curzon-Linie als zukünftige russische Westgrenze bestätigten wolltenb5, kamen in der sowjetischen Fuhrung Befürchtungen auf, für die
Belange der kapitalistischen Staaten verbluten und bei Kriegsende leer ausgehen zu
müssen. Die in Moskau sicherlich bekanntrrewordene Tatsache von Verhandlun~en
"
zwischen amerikanischen und deutschen Unterhändlern in der Schweiz und die britische Weigerung, Heß vor Gericht zu stellenL6,verstärkten den Argwohn über eine
mßgliche Einigung der kapitalistischen Mrchte gegen die Sowjetunion.
Die sowjetische Diplomatie scheint daher Mitte Juni 1943 auf ein Treffen mit deutschen htihergestellten Regierungsvenretern geradezu gedrangt zu haben. Dem auf
Durchreise in Stockholrn weilenden Kleist offerierte daher Klauss am 18. Juni 1943
eine Zusammenkunft mit dem ehemaligen Leiter der Mitteleuropaabteilung des
sowjetischen Außenministeriums, Aleksandr M. Aleksandrov. Obwohl diese sowjetisch-deutsche F~hlungnahmedurch eine schwedische Presseindiskretion bekannt
geworden waF7 und ein promptes Dementi von TASSLBbewirkt hatte, spannte
Klauss Sonar die deutsche Gesandtschaft ein6', als von Kleist keine weiteren Nachrichten kamen, um ein solches Treffen zu arrangieren. Die deutsche Seite ging auf
diese Fühler nicht ein. Statt dessen wurde Kleist bei seiner Ankunft in Berlin verhaftet und der VersmIl als .jüdische Provokationa verw~rfen.'~Wer letztlich gegenuber Hitler mit dem Reizwort, Klauss sei Jude, die Gesprachsaufnahme torpedierte,
Iäßt sich nicht eindeutig klären.'l Es spricht jedoch einiges dafür, dai3 Canaris im
Einklang mit den Befürchtungen des Widerstandes vor einer erneuten Übereinkunft
der beiden Diktatoren, diese sich in Stockholm aufgetane Gesprächschance bewußt
sabotierte.'l
.d
-
Die Abwehr der deutschen Sommeroffensive bei Kursk (5.-16. Juli) überzeugte die
sowjetische Führung endgültig davon, die strategische Initiative erlangt zu haben.
Die Gründung des ~NationalkomiteesFreies DeutschlandJ3 und die Rückberufung
der Botschafter Maiskij7* (London) und Lit~inov'~(Washington) manifestierten
einen eigenständigen, selbstbewußten Kurs der sowjetischen Außenpolitik, der im
August 1943 auf einen Separatfrieden mit Deutschland abzuzielen schien."
Diese offenkundigen Spannungen innerhalb der gegnerischen Koalition scheinen
den deutschen Außenminister bewogen zu haben, die sowjetischen Avancen ernster
zu nehmen und aufmerksamer beobachten zu lassen. Am 29. Juli ~bermitteltedie
japanische Regierung ein mtrglicherweise mit russischen Diplomaten abgesprochenes sowjetisches Friedensangebot, das die Grenzen von 1914 vorsah und deutsche
Reparationen beim Wiederaufbau der Sowjetunion verlangt^.^' Ribbentrop lehnte
eine solche Vermittlung selbstverständlich ab, bat aber den deutschen Botschafter in
Tokio, angelegentlich über die Japaner herausfinden zu lassen, was Molotov mit
seinen angeblichen Äußerungen uber eine sowjetische Handlungsfreiheit gegenuber
den Westmächten genau gemeint haben könne." Gleichzeitig genehmigte er die
Reise eines Diplomaten nach Stockholm, um dort über Mittelsmänner Informationen über die innere Lage der Sowjetunion einzuholen7g.*Während deutsche militärische Stellen Weisung erhielten, allen Spekulationen über einen deutsch-sowjetischen Sonderfrieden entschieden entgegenzutretens0, bestellte Ribbentrop, sofern
Kleists Aussagen zutreffen, diesen in sein Hauptquartier ein, um auf der Grundlage
einer nochmaligen Berichterstattung über die Vorgänge im Juni Hitler erneut Vortrag zu halten und zur Aufnahme des Gesprächsfadens zu drängen. Hitler habe
angeblich abgelehnt, Ribbentrop aber Kleist dennoch aufgefordert, erneut nach
Stockholm zu reisen und die sowjetische Seite zu beobachten." Offensichtlich
wurde diese Mission als diplomatische Aktion des nunmehr dem perstrnlichen Stab
des Ministers zugeordneten Kleist getarnt."
Als Kleist am 4. September 1943 erneut in Stockholm mit Klauss zusammentraf,
war er erstmals dazu autorisiert, besaß aber vermutlich auf ausdrückliche Weisung
Ribbentrops keinerlei Vollmachten, mit einem sowjetischen Regierungsvertreter
zusammenzutreffen und Verhandlungen aufzunehmen. Ein entsprechendes Angebot der sowjetischen Seiw, der ehemalige sowjetische Botschafter in Berlin Dekanosov stehe zu einer Aussprache bereita3, ließ Kleist zurückschrecken und es ihm angebracht erscheinen, zuvor persanlich die Einwilligung des Ministers einzuholen.
Obwohl die Chancen für ein solches Treffen sicherlich im September 1943 am
größten waren, weil nunmehr auch auf deutscher Seite eine verhaltene Gespr~chsbereitschaft anklang, scheiterte das Treffen an der von Berlin nicht erteilten Autorisation für Kleist, mit dem sowjetischen Spitzendiplomaten z~sammenzutreffen.~~
Trotz der vermutlich auf Geheiß Hitlers obermittelten Ablehnung scheinen Ribbentrop Zweifel an der Richtigkeit dieses Vorgehens gekommen zu sein. Denn acht
Tage spriter forderte Ribbentrop den potentiellen Unterhändler Kleist auf, nach
Stockholm zurückzukehrenu, ohne ihn jedoch für Verhandlungen zu autorisieren.
Der sowjetische Diplomat Dekanosov hatte anscheinend mehrere Tage in der
schwedischen Hauptstadt vergebens gewarteta7. Als Kleist am 28. September wiederum in Stockholm eintraf, konnte ihm Klauss allein das Scheitern der Mission
bestätigen!# Um die Verbindung zu den Russen über Klauss zumindest aufrechtzuerhalten, honorierte Kleist im Auftrag seines Ministers die vergeblichen Bemühungen des Agenten mit einem fürstlichen Geldgeschenk - in Form gefälschter britischer P f ~ n d n o t e n Einen
. ~ ~ Tag spnter gestand der Erste Sekretär der sowjetischen
Gesandtschaft in Stockholm auf Befragen eines amerikanischen Diplomaten ein,
da5 in letzter Zeit Kontakte stattgefunden hatten?O Angesichts der deutschen Wei-
gerung, auf ernsthafte Gespr~cheeinzugehen, zerschnitt die sowjetische Führung
den zu den Deutschen ausgeworfenen Verhandlungsfaden und arrangierte sich auf
den interalliierten Kriegskonferenzen Ende des Jahres 1943 endgültig mit ihren
westlichen Verb~ndeten.Das auf britische Anregung unterzeichnete Geheimabkommen, einander fortan über alle Friedensfiihler zu informieren9', und Stalins sarkastische Bemerkungen zu angeblichen Berichten liber sowjetisch-deutsche Verh a n d l ~ n g e nbedeuteten
~~
das Ende der sowjetischen Gesprächsbereitschaft, ohne
daß freilich die deutsche Seite von diesen Schritten Kenntnis hatte.
Schon in der Zeit der gescheiterten Kontaktaufnahme im September 1943 favorisierte Goebbels9' eine Ostlösung und versuchte, Hitler von deren Notwendigkeit zu
überzeugen. Immerhin betonte der ~Führeruvor seinem Propagandaminister, da13
er eher zu Verhandlungen mit Stalin als mit Churchill bereit sei, aber an einem
Ergebnis zweifele, Dweil das, was er im Osten verlangt, von Stalin nicht abgetreten
werden kannu.9' Hitler hatte zuvor in dem Gespräch die augenblickliche militatrische Defensivlage als ungeeigneten Zeitpunkt bezeichnet, ein Zeichen der Verhandlungsbereitschaft von sich zu geben, und damit die vermutlich Ribbentrop in ähnlicher Argumentation zugegangenen Weisungen bestätigt. Auch der Sicherheitsdienst
Himmlers, das Amt Kaltenbmnner, beobachtete seit der vorubergehenden Verhaftung und intensiven Befragung Kleists aufmerksam dessen Ostkontakte. Kleist wiederum scheint den Auslandsnachrichtendienst unter Schellenberg von sich aus auf
dem Laufenden gehalten zu haben.95 Ebenfalls scheint Ribbenuop trotz der Rückschlatge die Idee einer Gesprrchsaufnahme in Stockholm weiterverfolgt und Hitler
wiederholt - allerdings ohne Ergebnis - vorgetragen zu haben.96 Innerhalb der
deutschen Regierungsspitze formierte sich allmählich eine lose Front, die im Gegensatz zu Hitler die Chancen einer Ostlösung zumindest ausloten und damit die
Westmächte doch noch zu einer Revision ihrer Politik der bedingungslosen Kapitulation bewegen wollte.
Nach dem *Rückzieher* von Kleist scheinen japanische Diplomaten und Militärs in
Stockholm in die Bresche gesprungen zu sein, um den langgehegten Plan der
Tokioter Regierung, einen Ausgleich zwischen Deutschland und der Sowjetunion
zu vermitteln, beiden Seiten naher zu bringen. Vermutlich bestanden die Deutschen
auf einer Grenzziehung analog zum Brester Frieden, was für die russische Seite
Anfang 1944 vollständig undiskutabel war, so dag der japanische Auflenminister
über den deutschen Botschafter Hitler zum Verzicht auf die Ukraine bewegen
wollte?' Da mittlerweile entsprechend der Moskauer Übereinkunft die Amerikaner
ihren sowjetischen Verbündeten über die Friedensfühler der deutschen Opposition
informierten9', benachrichtigte der sowjetische Geschäftsträger in Washington die
amerikanische Regierung von einem erneuten deutschen Vorstoß, mit der sowjetizu treten.w M~glicherschen Gesandtschaft in Swckholm in Frieden~~espräche
weise hgngt dieser als Dementi gedachte Hinweis mit den von den Japanern abgewickelten Sondierungen in irgendeiner Form zusammen, zumal der als Urheber
genannte Werner Best (Reichsbevollmächtigter in Dänemark) aus dem Reichssicherheitshauptamt der SS stammte. Die voraus gegangene Meldung der d ' ~ ~ v d u * ,
Ribbentrop verhandle in Spanien mit englischen U~lnterhandlern~~~,
wurde schon
damals als sowjetisches Ablenkungsmanöver von eigenen Sondierungen angesehen,
scheint jedoch eher eine aStinkbombe. gegen die Kontakte des deutschen Widerstandes mit den Amerikanern gewesen zu sein.rnl Im Gegensatz zu den Jahren
1942/43 entbehrten jedoch die 1944 in Umlauf gebrachten Gerüchte über separate
Friedensverhandlungen der Substanz und sind daher eher als politisches Druckmittel bzw. Spiel der Geheimdienste zu werten.
Obgleich Hider im Msrz 1944 jeglichen politischen Kornpromiß mit der Sowjetunion ausschl05~~*,
hielt sich zur gleichen Zeit Kleist erneut in Swckholm auf, um
mit schwedischer Hilfe Fühlung zu den Russen aufzunehmen. Die Ursprünge dieser
erneuten Reise sind nicht bekannt. Ein Bericht von Klauss vom 18. Mxrz 1944, in
dem das Platzen des geplanten Treffens mit Dekanosov beklagt wurde103, mag diesen erneuten Anlauf, den Meist im Auftrage Ribbenuops unternommen haben will,
beschleunigt haben. Die Abwehr bekam jedoch wie bereits im Juni 1943 Wind von
den Kontakten und desavouierte den Unterhändler Kleist durch eine entsprechende
Anfrage im Auswärtigen Amt.lM Dieser mu5te sich daraufhin allein dem formalen
Grund seiner Reise widmen und die Umsiedlung von ~Ingmarländernund Esten
schwedischen Volkstums= betreiben. Eine von der Attacheabteilung des Generalstabes ergangene Weisung an alle deutschen Militärattaches, sich jeglicher Kontaktaufnahme von sowjetischen Dienststellen sofon zu entziehen und die Tatsache als
solche nach Berlin zu melden"J5, mag im Zusammenhang mit den erneut gescheiterten Sondierungen Kleists stehen, kennte aber auch der Abschirmung weiterer Fühler gedient haben, oder aber die übeworsichtige und offizielle Reaktion auf eine
nichtige Begebenheit sein.
D a Schweden zunehmendes Interesse an einer Vermittlung im deutsch-sowjetischen
Krieg zeigtelO", um die Rote Armee so weit wie möglich auf Distanz zu halten,
wurde der nächste Vorstoß von Kleist über das Schwedische Außenministerium eingeleitet.lO' D a die deutsche Seite in der Person von Klauss einen zuverlässigen Verbindungsmann zu der sowjetischen Gesandtschaft besaß, dem die Cjbermittlung
eines Briefes hätte ungefährlicher uberantwortet werden kennen als dem schwedischen Auflenamt, diente der fünfw6chige Aufenthalt von Kleist in Stockholm (etwa
18./25. Juni bis 22. Juli 1944)lo8vornehmlich dem Zweck, die Westalliienen mit
geziehen Indiskretionen uber deutsch-sowjetische Verhandlungen zu schrecken.
Denn der Generalsekrear im schwedischen Außenministerium gestand auf amerikanische Anfrage ein, einen Brief von Kleist an die sowjetische Gesandtschaft übermittelt zu haben.lw Der Aufenthalt von Kleist und der Besuch des England~~ezialisten vom Auslandsnachrichtendienst der SS, Ernst-Otto Sch~ddekopf"~,
in Stockholm sorgten zweifellos für Aufregung unter den Amerikanern. Kleist wiederum
erhöhte den Rang seiner Mission, indem er der sowjetischen Seite - vermutlich Spielmaterial über antisowjetische Aktivitäten in Großbritannien zusteckte.lll Der
Zweck der Reise bestand folelich
in erster Lnie darin. Mißtrauen unter den deut"
sehen Gegnern zu sxen und womaglich die eine oder die andere Seite zu Gesprächen zu zwingen.llz Der Niederschrift von Kleist zufolge könnten sich die Russen
tatsächlich haben schrecken lassen, so d a 5 sie erneut ein Gesprxch mit Aleksandrov
oder Dekanosov in Aussicht stellten. Hitler habe indes wiederum auf ein schriftlich
vorgebrachtes Memorandum Ribbentrops negativ reagiert. Kieist bat daher in dieser
für den S D (Kaltenbrunner) bestimmten Aufzeichnung um indirekte Unterstützung
seiner Kontaktbem~hungenzu den Sowjets, was Schellenberg auch nachdr~cklich
bef~rwortete.~~'
Vermutlich ist es dem vereinten Druck von Ribbentrop, Himmler und Goebbels
zuzuschreiben"', da5 Hitler endlich halbherzig seine Einwilligung gab, Kleist als
autorisierten Unterhändler nach Stockholm zu senden115,um dort mit den Russen
offizielle Gespräche aufzunehmen, ohne jedoch verbindliche deutsche Zusagen zu
machen. Mit Rticksicht auf diesen letzten Versuch wurde die Pressemeldung über
die vorgesehene G r ~ n d u n geiner russischen Befreiungsarmee unter General Vlassov
bis zum 29. September zurückgehalten."' Kleist hatte Smckholm vom 16. bis
21. September erneut kurz besucht, ohne jedoch sowjetische Unterhändler zu
Gesicht zu bekommen. Auf Weisung Ribbenuops reiste er am 30. September nochmals nach Stockholm und nahm als Köder für die russische Seite erneut Agentenmaterial riber die Engliinder mit.l17 Statt Kleist den gewrinschten Unterh~ndler
zuzuführen, wartete Klauss mit unbequemen Fragen über die Stellung des deutschen Emissärs und seine Beziehungen zum Verschworerkreis des 20.Juli auf."" Da
Kleist der sowjetischen Seite kein Unbekannter war, bedeuteten diese Nachfragen
eine hinhaltende Absage der Russen an jegliche Gespräche. Unverrichteter Dinge
fuhr Kleist am 9. Oktober schließlich nach Berlin zurück.
Auch von dieser letzten Mission hatten die Amerikaner durch gezielte Indiskretionen gehört. Kleist habe angeblich Vollmachten gehabt, den Sowjets einen Frieden
zu den von ihnen gewünschten Bedingungen zu offerieren.l19 D a zur gleichen Zeit
ein untergeordnetes Mitglied der deutschen Gesandtschaft in Stockholm ähnliche
Vorstellungen eines Friedens im Westen den amerikanischen Diplomaten zu erläutern versuchte. beurteilte der amerikanische Gesandte die Mission Kleist wie die seines diplomatischen Kollegen als gezielte Manover, um Zwietracht in die Koalition
zu brineenno. Auch der letzte F ~ h l evon
r Kleist zur sowietischen Seite war. wie alle
vorangegangenen deutschen Vorstöße, unaufrichtig, da im Grunde an die westliche
Adresse "
eerichtet. um mit dem vom bolschewistischen Rußland existenziell bedrohten Reich zu einer Einigung auf antisowjetischer Grundlage zu gelangen. Auch der
Ribbentropschen Sprachregelung vom 17. Februar 1945, dem einzigen großangelegten Friedensvorstoß des deutschen Außenministers im Zweiten Weltkrieglzl,
lagen Anliche Gedanken zugrunde. Die ~Ostlßsung*war den Deutschen bestenfalls Druckmittel, sie schied nicht allein wegen des deutschen Vorgehens im Osten
aus, sondern primär aus weltanschaulich-doktrinärer Befangenheit. Erst Ende März
um vergeblich auf das
1945 saß Kleist mit zwei hohen Diplomaten in Stockholml~~,
Wunder, den Bruch der Anti-Hitler-Koalition, zu hoffen.
UIJt sich die Frage nach den Zielsetzungen der deutschen Sondierungen zu den
Sowjets im Jahre 1944 und nach dem ihnen innewohnenden Maß an Aufrichtigkeit
nur negativ beantworten, so lassen sich die von sowjetischer Seite 1942/43 ausgestreckten F ~ h l e rnicht so pauschal abwerten. Die sowjetischen Friedenssignale nur
als Erpressungsmanöver zu werten, um von amerikanischer Seite übersteigerte
Hilfsliefeningen im Rahmen des mlend and lerne.-Programms zu erhalten und politische Konzessionen von den Westmnchten zu erlangen, greift zu kurz, auch wenn
dieser Effekt im Machtkalkül Stalins mitgeschwungen hat. Angesichts der unvorstellbaren Opfer an Menschen und Gütern war die Sorge der sowjetischen Führung
berechtigt, die Hauptlast des Krieges tragen zu mtissen und an dessen Ende,
womöglich noch immer auf einer Linie in Weißrußland stehend, sich einem angloamerikanischen Friedensdiktat fügen und noch dazu beim wirtschaftlichen Aufbau
des kriegszerstörten Landes vom Wohlwollen der kapitalistischen Verbündeten
abh~ngigsein zu müssen. Entsprechend der seit Lenin und dem Brester Friedensschluß verfolgten außenpolitischen Maxime rangierte die bloße Existenz des kornmunistischen Staatswesens vor allen machtpolitischen Überlegungen. Auch Stalin,
dessen AuSenpolitik als äußerst risikoscheu zu werten ist, dürfte den Fortbestand
der Sowjetherrschaft immer höher veranschlagt haben als das Abstecken von Einflußsphären in Osteuropa. Zudem konnte die sowjetische Führung auch 1943 trotz
des Abbruchs des Unternehmens ~Zitadellea unter dem Schock des gewaltigen
deutschen Vormarsches bis in den Kaukasus hin nicht davon ausgehen, daR sie in
weniger als zwei Jahren die Rote Fahne auf Hitlers Berliner Reichskanzlei hissen
würden. Die Öffnung von Geheimdienstkanrlen zu den Deutschen und eine mehrfach signalisierte Bereitschaft, auch auf hbherer Ebene über die Fronten hinweg im
Gespriich zu bleiben, sind im Falle der militärischen äußerst ungunstigen i a g e der
Sowjetunion 1941/42 erst einmal eine kriegsbedingte Notwendigkeit gewesen, die
nicht automatisch mit Verrat an den Bündnispartnern gleichzusetzen ist. Der H6hepunkt sowjetischer Gesprä~hswilli~keit
im Jahre 1943, nach den Siegen bei Stalingrad und Kursk, e r k l a sich aus dem Versagen der Westalliierten, die f ~ 1943
r
zugesagte zweite Front auch zu errichten. Die sowjetische Führung deutete daher
bei den gescheiterten Stockholmer Kontaktbemühungen im Juni und September
1943 eine doch wohl ernstzunehmende Option an, sich notfalls auch mit den Deutschen unter Bedingungen einigen zu müssen, die ihnen von den Westalliierten vorr
zweite Front und
enthalten wurden. Nach den entsprechenden Zusagen ~ b e eine
die Westverschiebung Polens auf der Teheraner Konferenz hat die Sowjetunion
dann auch keinerlei Gespr~chsbereitschaftgegen~berden Deutschen länger bekundet.
Dokument NT.1'"
Original-Bericht von K&WSan Boening, Ende August 194312'
Moskau - Kreml August 1943.
Der Kreml ist mit der Art der politischen Kriegführung seiner Verbündeten äusserst
unzufrieden.125Es ist kaum anzunehmen dass sich diese Stimmung in einer gewissen
Zeit ändern kann. Die wahren Pläne des Kreml sind. mit Deutschland zu einem
Einvernehmen zu kommen. Es h2ngt eigentlich mehr von Deutschland selbst ab, die
russisch-englischen entgegengesetzten Interessen zu d u r ~ h k r e u z e n . ' ~Einfach
~
gesagt, es kommt irn Kreml darauf an, wer mehr bietet. Der Kreml ist sich heute
einer Unbesiegbarkeit Russlands bewusst. Die Vorräte an Kriegsmaterial und Menschen sind gewaltig, worauf ich wiederholt hingewiesen habe und was sich als mehr
als richtig erwiesen hat. An Arbeitern mangelt es nicht, da ein Zustrom von Chinesen sehr gross ist.I2' Eine genaue Statistik über die Zahl der Chinesen lässt sich
schwer aufstellen, da eine grosse Anzahl bereits die russische Staatsangehörigkeit
erworben hat, oder ihnen vielmehr zwangsweise in die Hand gedrückt worden ist,
um Liber diese Menschen frei disponieren zu können. Tatsache ist aber, dass der
Kreml zu einer Verstindigung mit Deutschland unbedingt bereit ist. Um zu einem
solchen Einvernehmen zu kommen, erscheinen die russischen Wünsche von kaum
wichtiger Natur zu sein. Unter keinen Umständen ist es dem Kreml erwünscht, den
Englrndern Vorsprung in Mittel- und Süd-Ost-Europa zu geben. Desgleichen ist
Stalin bereit, die englisch-französische Politik zu durchkreuzen. Deshalb hat sich
der Kreml beeilt, B o g ~ r n o l o fbei
~ ~der
~ de Gaulle-Regierung zu akkreditieren und
die französische Wüsten-Regierung schleunigst anzuerkennen.
Auch steht die Rückberufung Litvinofs und MaiskislZ9in engem Zusammenhang
mit einer eventuellen Verständigung mit Deutschland. (Litvinof kenne ich persßnlich und schon im Juli 1920 bin ich 6 Wochen mit ihm und seiner Frau, welche EngIänderin ist, zusammen im Nauheim-Sanatorium Dr. Grödel gewesen. Seine Einstellung ist stets deutschfreundlich gewesen, dagegen ist Maiski ein ausgesprochener Deutschen-Fresser. Maiski ist Jude, hasst aber die Juden selbst wie die leibhaftige Sünde, ganz besonders die sogenannten Zionisten.)
Z. Zt. ist die Gesamtstirnrnung im Kreml ausgesprochen anti-englisch.
Die Parole .bedingungslose Kapitulation=13owie sie von den Amerikanern und
Engl~ndernausgegeben worden ist, ist nicht im Sinne des Kreml. Dies nicht etwa
aus Gründen der Humanität den Achsenmrchten gegenüber, sondern aus rein propagandistischen Gründen.
Die Organisation Vlasoffl" wird im Kreml als eine weissgardistische Angelegenheit
wie seinerzeit die Deniken- oder Wrangel-Angelegenheitenl'z betrachtet und keineswegs ernstgenommen. Gegen Vlasoff bestehen überhaupt viele Bedenken. Wenn
dagegen an der Spitze dieser Organisation ein echter Ukrainer1'' stunde mit echtem
ukrainischem Namen wie z. B. Kiintschuk, Shintschuk oder Korneitschuk, jedenfalls mit einem Namen auf schuk, so wrre die Sache für den Kreml gefährlicher. Es
ist für den Kreml unbegreiflich, dass man von deutscher Seite nicht irgendeinen
halbwegs schlauen Bauern oder Arbeiter mit einem derartigen Namen an die Spitze
der Organisation gestellt hat, hinter dem dann Vlasoff fungieren ktinnte.
Dokument NY.2
Notiz von Boening (ohne Datum) über ein geplantes Trefin D e k a n o ~ o ~ K l e i s t " ~
Erste Möglichkeit einer Besprechung D.-KI.lJ5 tauchte am Sonnabend 4lJ6auf, als
Claus erklärte, dass D. erwartet würde.
Am Mittwoch, dem 8.9. vorm. teilte Claus mit, dass D. am Dienstag eingetroffen
sei. Meist versuchte, Genehmigung seines Ministeriums zu erhalten auf telefonischem Wege, was missglückte.
U.flog am Donnerstag, dem 9.9. morgens ab und teilte am Nachm. telefonisch
von Bln aus mit, dass Ribb. grundsätzlich eine Zusammenkunft D. Ki. genehmigt
hatte, M. aber noch besondere Informationen zu geben wünsche. W.konnte deshalb nicht am Freitag 10.9.und Sonnabend dem 11.9.zurückkommen, da er zu R.
nach München reisen musste138.
Dokument NT. 3
Anfieichnwng Klauss (ohne Datum) über ein geplantes Trefin Dekanosov-KleistU9
Am 8. tn.I4Od. erhielt ich die Mitteilung, dass eine unverbindliche Besprechung zwischen Herrn CI. U D.'*' am Freitag den io tn.141 d. um 9%Uhr ab. stattfinden kann.
Seitens D. war die Besprechung von Mosk. aus genämigt1". Meinerseits sofort
durch Herrn B.'" übergeben.
Herr B. erhielt eine Antwort dass vor Montag den 12 tn. nicht statfinden könnte.
Auch D. musste eine Genämigung zu einer Besprechung einholen.
D. gab zur Antwort, dass wenn eine unverbindliche Besprechung seitens Herrn Cl.
erwünscht wahre, eine solche bestimmt statfinden könnte, zumal Herr von R.ld5als
Cheff des Aussenmin. unbedingt über einer solchen Handlung selbst disponieren
kann ohne weitere Rückfragen. D. bemerkte: es stehen unserem Ministarium C. 80
startbereite Flugzeuge stsndig zur verf~gung,und wird es in Deutschland nicht
anders sein.
Herr Sem.'& welcher mit aller Energie dafür war dass eine solche Besprechung statfindet1*', war sehr betrubt und misuauisch geworden, er befürchtete dass es sich
amende um einer Provokation handeln kennte wobei wie er bemerkt, falls hieriiber
etwas in der Presse seitens Deutscher Stelle erscheint seine Kariere Posten dahin
währe.14' Er wahre wie er sich ausdrückt ein toter Mann. Im übrigen ist es dass
dritte
dass solche Versuche gemacht worden sind und stets Deuucherseits
gescheitert waren. Die Herren D. s.w. Sm.150nahmen an, dass eine solche Aussprache deutscherseits unerwünscht sei.
Auf mein Zurückweisen gemachter Bedenken, solte dann versucht werden ein
Zusammentreffen zu S ~ n n a b e n d '7-9
~ ~ Uhr ab. auch solches konnte nicht statfinden.
Dokument NY.4
Schreiben Schellenberg-Kaltenbtunner vom 4. August 1944 über die Verhandlungen
von Kleist in Stockholm1s2
Amtschef V1
V1- B.
38 / 44
f. h.
-Nr.
- - - -
Berlin, den 4. August 1944
GEHEIME REICHSSACHE!
Nicht über Registratur!
1.) Vermerk:
Am 3. 8. 1944 erschien SS-Standartenfuhrer Dr. Kleist, der mir in langen Ausführungen die Hintergründe seines fünfw~chentlichenStockholmer auf enthalte^'^'
mitteilte. Er war fünf Tage beim Reichsminister und wanet zur Zeit auf Abruf. Die
Tendenz seines Besuches ging dahin, der Chef der Sicherheitspolizei und des SD
bezw. der Reichsführer-SS rnegen seine Vermittlungspläne über den Reichsaussenminister bezw. unmittelbar beim Führer unterstützen.15*Der Reichsaussenminister
habe ihn zwar zu grhsster Geheimhaltung auch uns gegenüber verpflichtet, aber
immerhin sei er doch als SS-F~hrer"~
gehalten, uns laufend zu informieren. Ich forderte ihn auf, auf ein bis zwei Seiten den Sachstand schriftlich v o r ~ u l e g e n . ' ~ ~
Stellungnahme: Dr. K l e i s t ist eine echte Verbindung zu den Sowjets vielleicht
sogar ~mgekehn'~'.Ob die meiner Ansicht nach echte Spielmöglichkeit genutzt
wird, muss höheren Orts entschieden werden.
11.)
Dem Chef der Sicherheitspolizei
und des SD
mit der Bitte um Kenntnisnahme vorgelegt.
[Schellenberg]
[am 4.8.44 durch Kurier abgesandt
Anlage: V1 - B. Nr. 38/44 g. Res.
V. 4. 8. 1944
Erd.
Erdm.]
GEHEIME REICHSSACHE!
Abschrift!
Vermerk betreffend Sowjet-Kontakt.
Bei seinem letzten Aufenthalt in Schweden ~berbrachteK.i5' einige Meldungen
aber antisowjetische militärische Pläne in England einem Mittelsmann1bo,der sie
der Sowjet-Gesandtschaft - zu der er nachgewiesenermassen beste und höchste
Verbindungen hat - übergab. Die Sowjets sind offensichtlich sehr interessiert an
dem Material gewesen und stellten eine Reihe von Rückfragen.
Im Zusammenhang mit diesen Ruckfragen ergab sich für K. die Gelegenheit, in
ITlberschreitung seiner AufträgelU die Frage aufzuwerfen, ob die Sowjets heute
noch - wie sie es vor W Jahren getan habenlcl - auf seine Anwesenheit hin prominente Angehlirige des Aussenkommissiariats zu einem Kontakt entsenden würden.
K. betonte dabei, dass er keinerlei amtliche Aufträge habe, sondern dass es ihn
lediglich als Privatperson interessieren wurde, wie die Sowjets auf seine längere
~ ~blieb zu diesem Zweck etwa
Anwesenheit in Stockholm reagieren w ~ r d e n . 'Er
4 Wochenib3 in Stockholm.
In dieser Zeit wurde ihm durch den Mittelsmann zuerst mitgeteilt, dass der mit ihm
bekannte Leiter der Europa-Abteilung des Narkomindel Alexandrofflc4 in Kairo sei
und nach einem Umweg über Ankara erst Mitte August wieder in Moskau erwartet
werde.
Als zweites kam die Nachricht, dass der frühere Geschäftsträger in Berlin Astachofflb5, nach dem sich K. gespr~chsweiseerkundigt hatte - für einen Kontakt
ungeeignet sei, da er Verbindungen des Narkomindel zu General von Seydlitz sei.
Im Zusammenhang mit dieser letzten Nachricht wurde beilaufig erwähnt, dass einer
der Stellvertreter Molotovs, DelranasoffiLL,in absehbarer Zeit in Stockholm auf der
Durchreise nach London eintreffen werde.
Delranasoffs Bereitschaft, mit K. zu sprechen, wurde durch den Mittelsmann bereits
vor W Jahren gemeldet, die Gelegenheit deutscherseits aber nicht wahrgenommen.
Kurz darauf wurde ~berraschenderweise Dekanasoff von sowjetischer Seite als
neuer Sowjetbotschafter in Sofia gemeldet.lc7 Der Mittelsmann erklärte das damals
für einen Wink der Sowjets, der von Deutschland durch einen Gegenwink beantwortet werden solle, worauf deutscherseits nicht eingegangen wurde.1b@K. hat die
Richtigkeit der Angaben seines Mittelsmannes durch eine zweite Mittelspersonlc9
im grossen und ganzen nachpdfen k ~ n n e n .
Die Sowjets erwarten jetzt die Anreise von K., deren Termin sptltestens innerhalb
von 8 Tagen durchgegeben werden musse.
Der Ftihrer hat auf eine erste schriftliche Aufzeichnung des Reichsaussenministers
ablehnend geantwortet. Der Reichsaussenminister beabsichtigt unter Hinweis darauf, dass die Chancen einer Provokation oder eines anderweitigen Reinfalles f ~die
r
Sowjets unvergleichlich viel grosser seien als für uns, den Fuhrer um eine neue Entscheidung zu bitten.170
Es würde die Sache schaden, wenn der Reichsaussenminister erfahren würde, dass
uber diese Angelegenheit auch anderweitig Kenntnis besteht.
Berlin, den 4. August 1944
Dokument
NY.5
Vermerk von Kleist f i r Ribbentrop vom 7. September 1944 über sowjetisck
Gespr~ch~berritscha~~~
Vermerk für den Herrn Rcichsaussenminister.
Seit meiner Ruckkehr aus Stockholm am 22. Juli erhielt ich von Mittelsmännern,
die Verbindung zur Sowjetbotschaft Srockholm haben, mehrere Nachrichten, die
besagten, dass Sowjetfunktionäre des Aussenkommissariats in Stockholm eingetroffen seien, die das Mandat zu Besprechungen mit mir hätten. Abgesehen von den
Kurieren A g e e v und Jelaginlr1 wurde mir gemeldet, dass der Staatssekretär im
Aussenkommissariat A s t a c h o f f 17' unter dem Vorwand, *Rotes-Kteuz*-Verhandlungen zu führen, zu einem Gespräch mit mir nach Stockholm gekommen sei. Am
5. und 7. d. M. wird gemeldet, dass wiederum eine hohe mir bekannte Persilnlichketi des Aussenkommissariats sich unter anderem Vorwand in Stockholm aufhalte
und mit mir zu sprechen wünsche.
Als Begriindung für diese nachhaltigen Versuche wird angegeben:
1. Das Fehlschlagen des Putsches vom 20. 7. habe die Sowjets der Möglichkeit
beraubt, ein ihnen willfähriges Deutschland in ihre militärischen und politischen
Kombinationen einzuspannen. Sie müssten daher mit dem Faktor Deutschland so
operieren, wie er jetzt ist."'
2. Die schnellen Waffenerfolge der Ang10-Amerikaner'~~
verschöben das Kr~fteverhältnis in Europa jeden Tag zu ungunsten der Sowjetunion.
3. Zwei neue Invasionsvorhaben, über die weiteres Material in Stockholm zur Verfügung stünde, seien auf die Deutsche Bucht und Dänemark einerseits, Griechenland und Bulgarien17bandererseits gerichtet.
Beide Vorhaben berilhrten unmittelbar Sowjetinteressen. Der Widerstand der
gesamten deutschen Front"' hindere die Sowjets, dieser Gefahr zu begegnen. Sie
wünschten daher den sofortigen Kontakt mit Deutschland zur Änderung der Lage.
Weiterhin wurde am 5. d. M. gemeldet, dass Japan mit den Sowjets über das
deutsch-sowjetische Verhältnis gesprochen habe1". Die Sowjets zögen eine direkte
Verhandlung mit Deutschland vor, weil sie
1. den Japanern misstrauten,
2. den Japanern gegenüber in Verhandlungen mit Deutschland freie Hand
behalten wollen.179
In Anbetracht der Tatsache, dass die Initiative hier eindeutig von den Sowjets ausgeht, würde ich es für vertretbar halten, jetzt unter den nötigen Vorsichtsmassnahmen ein solches Gesprach mit einem mir bekannten hohen Sowjetdiplomaten wie
Dekanasoff. Astachoff oder Alexandroff zu fuhren.
Den Sowjets ist bekannt, dass ich zwar gute Beziehungen zu hohen Beamten des
Auswärtigen Amts und anderer Stellen habe. Gleichzeitig habe ich immer wieder
eindringlich betont, dass ich keinerlei Aufträge zu irgendwelchen politischen Unterhaltungen habe und lediglich aus altem persönlichen Interesse an den Ostfragen
handle.l'O Ich würde dies auf eigene Verantwortung tun in der ganz perstinlichen
Hoffnung, dass die Aufschlüsse, die ich dabei von sowjetischer Seite bekommen
könnte, vielleicht geeignet wsren, als Basis für eine weitergehende politische Aussprache.
Weiter gebe ich zu erwägen, dass bei einem solchen Kontakt auf deutscher Seite ein
zwar den Sowjets in langjähriger Ostarbeit bekannt gewordener, aber sonst international unbekannter Mann steht, während von der sowjetischen Seite ein offizieller
international bekannter Diplomat herausgestellt werden würde. Der von den
Sowjets mehrfach übermittelte Wunsch, d e n Gesprächspartnern ein neutrales Mand a t wie z. B. Rotes Kreuz zu geben, spricht dafür, dass die Sowjets selbst nicht auf
eine Provokation ausgehen, sondern eine nach aussen hin glaubwiirdigc und verl ~ s s l i c h eT a r n u n g wünschen.
Westfalen, d e n 7. September 1944
[Kleist 14/91
Anmerkungen
1 H.-].Mette, Russische Geschichte, Bonn 1949, S. 174f., beruft sich auf angebliche Dokumentenfunde amerikanischer Tmppen. Molowv habe demnach auf den Vereinbarungen
von 1939 bestanden.
2 B. H. LiddeU Hart, Geschichu des Zweiun Weltkrieges, Bd. 11, S. 610, Dusseldorf 1972.
Auch bei diesem Treffen soll Molomv auf den Grenzen von 1939 bestanden haben, Ribbentrop hingegen den Dnjepr als mssische Westgrenze vorgeschlagen haben. Hart will
deuuche Offiziere nach dem Krieg befragt haben. die angeblich zugegen waren.
3 Forcign Relations of the United' Staus (imjölgendcn: FRUS) 1943, Bd. 111, S. 690: Telegramm Tittman (Vatikan) uber Harrison (Schweiz) an Hull vom 1.Aug. 1943. Der Vatikan war eine der Hauptquellen von Geruchten über eine deutsch-sowjetische Verständigung. Ziel der vatikanischen Politik war dabei nicht, die Versandigung der Diktaturen
zu fardern, sondern einen Ausgleich Deutschlands mit dem Westen in die Wege zu leiten
(Vgl. PRUS, 1942,111, Meldung Tittman vom 25. März 1942; auch B. Martin Friedensinitiativen und Machtpolitik im Zweiten Weltkrieg 1939-1942, 2. Aufl. Düsseldorf 1976,
S. 471 ff. und 500 ff.).
4 Siehe unten S. 285.
5 Aus vers~ndlichenG ~ n d e behandelt
n
die sowjetische Literatur diese Swckholmer Kon-
takte nicht. In der Srandardgeschichte: Geschichte des zweiten Weltkrieges 1939-1945,
12 Bde., Hrsg. Heinz H o h n n . Rrinhard Brühl u.a., Berlin (Ost) 1975, V: L, Irruebun
Die Antihitlerkoalition, Moskau 1975; V: L. Irrueban und L N. Kutakov. Di lomatija
Agmsomv, Moskva 1967, finden sich keine Hinweise, lediglich in dem kurzen h e r b l i c k
von I. M. Lrmin, Vnefnaja Politika Sovjetskogo Sojuza V Period Velikoj Otekswennoj
Vojny, Moskva 1947, wird auf S. 19 von deutschen, nach Westen wie nach Osten ausgestreckten Friedensfiihlern gesprochen.
6 So der letzte Beitrag zu diesem Thema von H Graf von Einriedcl. Bridge mit Madame
Kollontaj, in: DIE ZEiT, Nr. 40, 30. Sept. 1983, S. 24. Einsiedel war zweiter Vizeprasident des ~NationalkomitcesFreies Deutschlands (Siehe seine Erinnerungen *Tagebuch
der Versuchungr, Berlin 1950. und B. Sckwrig. Freies Deutschland, M ~ n c h e n1960, S.
45).
7 D e u d l a n d im zweiten Weltkrieg, Hrsg. von einem Aumrenkollektiv unter Leitung von
W Schwmann, Bd. 4: Das Scheitern der faschistischen Defensivstratc~iean der deutschsowjetischen Front (August bis Ende 1943), Berlin (Ost), K6ln 1981, S. 306: *Die von
der bürgerlichen Historiographie erfundenen bzw. maDlos aufgebauschun Begebenheiten, .#
..
8 A. FischCr, Sowjetische Deutschlandpolitik im Zweiten Weltkrieg 1941-1945. Stutgan
1975, S. 38 ff.. A. Hillgmber, Der Zweite Weltkrieg, Stuttgan 1982, S. 101.
9 So auch die bislang profundeste Darstellung von V: Mastmy, Stalin and the Prospecu of a
Separate Peacc in World War Two, in: American Historical Review M. 77 (1972), S.
1365-88 (imjölgenhn: Stalin) und Dcn., Russia's R o d to the Cold War, Ncw York
1979. Ähnlich in der Argumentation die erste deutsche wissenschaftlicheAbhandlung von
K.-H. Minwth, Sowjetisch-deutsche Friedenskontakte 1943, in: G m , Bd. 16 (1965), S.
3 8 4 5 . Etwas differenzierter. aber in Unkcnnmis der vorhandenen Literatur und des mei-
sten Quellenmateriais H.-J. Koch, The Spectre of a Separate Peace in the East: RussoGerman .Peace Feekrs~,1942-44, in: Journal of Contemporaq History, Bd. 10 (1975),
S. 531-549. Eine gute Zusammenfassung der bislang bekannten Fakten, allerdings ohne
weiterfahrende Interpretation bei J. Schröder, Bestrebungen zur Eliminierung der Ostfront, 1941-1943, Cattingen 1985. Die Aufsatze von D. B. Sanderr (Pseudonym), Stalin
Plotted a Separate Peace, in: The American Mercury, Bd. 45 (1947), S. 519-527; P.
S c h n und G. Richard, A Seuet Mission that Almost Changed History, in: Libeny,
5. Juli 1947, S. 26, sowie R. M. M. Kempner, Stalin's *Separate Peacea in 1943, in: United
Nations World, Bd. 4 (1950), S. 7-9, sind mit ihren Halbwahrheiten und Gemchten dem
Klima des Kalten Krieges verhaftet und wissenschaftlich weitgehend unbrauchbar.
10 Reichssicherheitshauptamt ( R S H A M D 7 (Englandnferat des Auslandsnachrichtendienstes), Handakten Ernst-Otto Sch~ddekopf:Außenpolitische Kriegsziele Englands.
Originale im Bundesarchiv Koblenz nicht auffindbar. Microfilm 1195, Serial 458, Roll
458, Frames 2974992-2975297.
11 B. Martin, Verhandlungen über separate Friedensschlusse. Ein Beitrag zur Entstehung
des Kalten Krieges, in: Milidrgeschichtliche Mitteilungen, Bd. 2/1976, S. 95-113.
12 Bundesarchiv/Mili~nrchiv Freiburg im Breisgau (BA/MA): W O 1-7/201, Fragment
eines Aktenplans der Amtsgruppe Ausland des OKW vom 1. Mtlrz 1944. Demnach existierten umfangreiche Dossiers über die Sowjetunion, u.a. auch ~ b e r~Friedensfiihler
Rußlands.. Das Politische Archiv der Stockholmer Gesandtschaft wurde weisungsgemäß
verbrannt. Die interalliierte Kommission, zu der als sowjetischer Verueter der Botschaftsangehorige Semjonov znhlte, hitte sich insbesondere nach diesen Akten erkundigt, als sie
im Mai 1945 die Botschaft ubemahm (Interview Vf. mit dem damaligen deutschen
Gesch~ftsträ~er,
Gesandtschaftsrat Werner Dankwort, am 20. Nov. 1969 in BadenBaden).
13 P. Kleist, Zwischen Hitler und Stalin, 1939-1945. Aufzeichnungen, Bonn 1950.
Bmno Peter Kleist (1904-1971). Studium der Jurisprudenz in Berlin und Halle
1925-1932, Studium der osteuroprischen Geschichte an der Hochschule für Politik in
Berlin, Pancimitglied schon vor 1933, Mitglied der SS, Promotion über =Die völkerrechtliche Anerkennung Sowjeuußlands= 1934, Zusammenarbeit mit Werner Marken in
Konigsberg, 1935 Referent in der =Dienststelle Kibbenuop- für Polen und die baltischen
Linder, begleitete Ribbenuop zur Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes nach Moskau, Juni 1941 a e r n a h m e in das Ostministcrium, seit August 1943 Mitglied des persönlichen Stabes des Reichsau0enministers. Doppelfunktion seit 1941 als Angehariger des
=Ostministeriumsa und der dem Ausw. Amt unterstellten, 1940 begründeten .Zentralstelle Osteuropa-. (Interviews Vf. - Werner G. Boening am 16. April 1970 in M ~ n c h e n
und mit Kleist am 15. April 1970 in Westerham/Obb.)
14 Studium der osteuropäischen Geschichte 1931-1933 an der Hochschule fur Politik in
Berlin, Bekanntschaft mit Kleist, 1933-35 Mitarbeit beim VDA, 1935 Austauschstudent
in Krakau, 1936-39 Geschrhfuhrer der deutsch-polnischen Gesellschaft, nebenher
Tntigkeit beim Film, 4. Sept. 1939 Versetzung nach Stockholm durch das Amt Canaris,
dem B. direkt unterstand; 10. Okr. 1940 formal Filmattacht; im Mai 1941 im Auftrage
der Abwehr Klauss (s.u.) von Berlin nach Stockholm gebracht; Anlaufstelle f ~ Klauss
r
in
der dt. Gesandtschaft Stockholm; 18. April 1944 Lüsung des Dienstverhältnisses zum M,
Berlinbesuch und Einberufung zur Wehrmacht, 23. N w . 44 Verhaftung wegen Hochund Landesverrats (Ceheimdokumente angeblich der schwed. Seite zugespielt), Entlassung Gef~ngnisTegel Ende April 1945. Mai bis Juni 1945 sowjet. Kriegsgefangenschaft
(Tntigkeit ve~chwie~en).
Interview Vf - Boening am 16. August 1970 in MUnchen, Befmgung Boenings durch H. Heiber, Institut f ~Zeitgeschichte,
r
13. Dez. 1957, ZS 1624.
15 Interview Vf - Kleist: Mit den Dokumenten (Anm. 16) konfrontiert, bemerkte Kleist auf
die Frage, warum er diese Vorgnnge nicht in seinem Buch erwihnt habe, daß sein Material für diesen Zeitraum lückenhaft sei und die Gespriche nicht so ernst gemeint gewesen
seien wie 1943. Vermutlich wollte Kleist indes in seinem Buch nicht eingestehen mtissen,
daß die Initiative 1944 auf deutscher Seite gelegen hat.
16 Bundesarchiv Koblenz Dossier R 58/1225 (Best~ndeAmt V1
dienst Schellenberg - im RSHA).
- Auslandsnachrichten-
17 Edgar Klauss (I879 Riga - 1946 Gävle/Schweden), Banklehre, Makler, Verbannung
nach Sibirien im Ersten Weltkrieg und dort angeblich Kennenlernen Sulins, 1919-21
Angestellter am dinischen Konsulat in Kaunas, arbeitete schon 1919 für die Deutschen
und beobachtete das Vorgehen der Bolschewisten (Koch Anm. 8), 1924-35 als deutscher
Staatsangehliriger in Berlin, 1935-39 Besitzer eines Bergwerkes in Jugoslawien, 3. Jan.
1940 Ausstellung eines deutschen Passes in Kowno, Hilfe bei der Evakuierung der donigen deutschen Gesandtschaft, im Mai 1941 nach Swckholm als bezahlter Agent (1000
Kronen im Monat) der deutschen milit~ischenAbwehr (Amt Canaris), Internierung nach
Kriegsende im Lazarett von Gälve, d o n
am 6. April 1946 gestorben. Laut Boening übermittelten Angaben sei Klauss im sowjetischen Auftrag durch ein Herzlähmungsgift ermordet worden (Aufzeichnung Heiber, Inurviews Vf - Boening und Vf - Kleist,
Vf - Dankwort sowie Zeitungsartikel Vfildskrigets mystike man i Sverige har avslöjats.
. Kontaktman flir tysk-rysk fred' aus mSvenska Dagbladet. vom 5. Jan. 1950).
18 Murtin, Friedensinitiaciven, S. 435 ff. und 466 f. Auf Weisung Hitlers sollte z.B. auch
keine Kapitulation Lningrads oder Moskus entgegengenommen, sondern beide Sadte
sollun dem Erdboden gleichgemacht werden.
19 Mattin, Friedensinitiativen, S. 454, Anm. 32. Ausf~hrlichbei C. Streit, Keine Kameraden.
Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941-45, Stuttgart 1978.
20 Politisches Archiv, Auswiniges Amt (PA): Staatssekretär (StS) Rußland: Telegramm
Papen (Ankara) - Ribbentrop persönlich, Nr. 63 vom 15. Juli 1941. Laut turkischcn Meldungen aus Moskau habe mStalin zu Beginn des Feldzuges immer noch auf stillschweigendes Arrangement mit Hitler gehofft, etwa in dem Sinne einer Weitcrexistenz des
Sowjeuegimes im östlichen Rußland. Sein Mißtrauen gegen England sei ungeheuer ...e
21 PA Handakten Botschafter Ritur: Rußland: Aufzeichnung vom 20. Juli 1941. Die Nachricht habe Klauss (ibermictelc, Boening habe in Berlin im Sept. und Okt. 1941 Canaris perslinlich diesen Fall vorgetragen. Doch seien die Zweifel des Abwehrchefs zu groß gewesen (Interview Vf - Boening).
22 FUr die Version von Einsiedel, Klauss sei als magent provocateurr aufgetreten und habe
Mme. Kollontaj an den NKWD ausliefern wollen, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Sie
widerspricht auch dem Auftrag eines Abwehragentcn, Kontakt mit der Gegenseite zu halten und Informationen zu sammeln.
23 Siehe unten Anm. 44.
24 B. M u h , Amerikas Durchbruch zur politischen Weltmacht. Die interventionistische
Globalstrategie der Regierung Roosevelt 1933-1941, in: Milicärgeschichtliche Mitteilungen, Bd. 2/1981, S. 57-99, hier S. 76. Standardwerk G. C. Herring, Aid W Russia
1941-1946, Ncw York 1973.
25 Martin, Friedensinitiativen, S. 459,475 f.
26 Angeblich hatte Stalin Beaverbrook und Huriman bei ihrem Besuch in Moskau
(29.9.-2.10. 41) mit einem Separatfrieden gedroht (BA/MA Kriegstagebuch der 1. Seekriegsleitung, Teil D, Lageüberblick, politische Nachrichten 29. Sept. und 3. Okt. 1941,
PA StS England: Memorandum von UStS Woermann vom 25. Okt. 1941: Großbritanr
deutschen Sieg im Osten pazifien werden und fürchte deshalb
nien könne nur ~ b e einen
einen deutsch-mssischen Sonderfrieden).
27 So Einsiedel.
28 Dankwon (Interview mit dem Vi) habe Klauss persbnlich nie kennengelernt. Er habe
erstaunlich viel Richtiges und erstaunlich viel Falsches berichtet und müsse wohl Doppelagent gewesen sein. Kleist (Interview mit dem Vi) will nicht gewußt haben, daß Klauss
von der deutschen Abwehr bezahlt wurde: ~Klausswar ein primitiver Mann, alles andere
als ein Intellektuellera. Siehe auch Kleists Darstellung S. 239 ff. Demgegen~bergibt Boening an (Interview mit dem Vf; Befragung durch Heiber), mit Klauss in Freundschaft
getreten zu sein, er sei ein .genialer Manna gewesen. Auch die dem Vf. von Wcrner Boening ~berlassenenKlauss-Berichu enthalten viele phantastische Meldungen, aber auch
viele zutreffende (Vgl. Dok. 1 und 3).
29 PA, Politische Abuilung I, M i l i ~ r f r a ~ e nBd.
, 38. Abwehr Schweden: Schreiben dt.
Gesandter Wied, Stockholm an das M vom 6. Mai 1942, Anlage Beschwcrdeschreiben
der Deutschen Handelskammer in Schweden über das Verhalten von Klauss vom
23. MYa 1942.
30 Ebcnda: Schreiben Amt Ausland Abwehr Nr. 2231142 vom 20. Juni 1942 an das M.
31 Ebenda: Schreiben Dankwon - M vom 22. Juli 1942, Note des schwedischen Außenministeriums an die dt. Gesandrschaft vom 28. Juli 1942 mit der Auffordcmng an Klauss,
das Land binnen vierzehn Tagen zu verlassen. Schreiben dt. Gesandtschaft - AA vom
15. Aug. 1942: Klauss sei vor zwei Tagen von der schwedischen Polizei über Saßnitz
abgeschoben worden.
32 Ebcnda, Telegramm M - Gesandtschaft Stockholm Nr. 1030 vom 25. Mai 1943. Antwort Thomsen - M. Nr. 1558, vom 2. Juni: Aufenthaltsgenehmigung f ~ Klauss
r
sei
unter der Hand verl~ngertworden. Wamm die Schweden an seiner Ausweisung interessiert waren, sei dem OKW nicht klar.
Solange die Deutschen in Rußland siegten oder wie 1943 wieder zu siegen schienen,
konnte ein Ausgleich zwischen Deutschland und Rußland nur die schwedische Neutralität gefährden (B. Martin, Das Deutsche Rtich und die neutralen Staaten im Zweiten
Weltkrieg, in: L.-E. Roulet und R. Bllttler, Hng., Lcs Etats neuues europccns ct la
Secondc Gucrrc Mondialc, Ncuchitel 1985.)
Die schwedischen Abschiebebem~hungenkennten als ein weiterer Beweis fiir die Ernsthaftigkeit der Bemrihungen von Klauss gewertet werden, zumal die schwedische Polizei
ihn genauestens observierte (Interview Vf - Bocning; vgl. auch Anm. 17).
33 BA R 58/221a. Agentenfahndungsbuch des RSHA IV A 1 fiir die UdSSR S. 90: wKlaus,
Edgar, Jude, 28.10.79, Riga, Brivibastr. 80, RSHA V1 Ca. Mbglichcrwcisc heißt dcr
Zusatz, Klauss könnu für den Auslandsnachrichtendienst, die Abt. VI, von Interesse sein.
34 W: Schelfenbcrg, Memoiren, Keln 1959, S. 240. .Was dieser Mann leistete, war Meisterwerk.. Hitlcr glaubte den Meldungen nicht, sondern hielt sie alle fur ein sowjetisches
Spiel. Vgl. auch den Bericht von Kleist an Schellcnberg vom 13. Okt. 1944 im Dossier
R 56/1225 im BA.
35 So Einsiedel.
36 Bei Goebbels sind entsprechende fherlegungen schon im Juli 1942 nachweisbar. Ausfrihrungen auf der Ministerkonferenz vom 28. Juli (Akten zur deutschen auswlnigen Politik
- ADAP - Serie E, Bd. 111, Dok. 138). Bei Ribbentrop (entsprechend seinen Erinnerungen: Zwischen London und Moskau, Leoni 1951, S. 262) sind solche Gedanken im Nov.
1942 aufgetaucht. Hitler, von Goebbels auf die Mbglichkeit einer Ostlßsung am 23. September 1943 angesprochen, sah zwar im Moment keinerlei Verhandlungschanccn, hielt
aber Gespräche mit Stalin frir eher denkbar als mit Churchill. (Goebbels-Tagebücher. Aus
den Jahren 1942-3, Nrsg. L. P. Lochner, Zürich 1948).
37 BA/MA KTB 1 SKI C VIII: Schreiben 1 Ski Ip Nr. 8393/43 vom 23. März 1943 an das
Ausw. Amt.
38 Anm. 10 Frame 2975014, Protokoll riber die Unterredungen A. Dulles' mit Nohenlohe
und Spitzy: .Das Problem einer friedlichen oder kriegerischen Beendigung des deutschrussischen Konfliktes schien doch die Hauptsorge der Amerikaner zu sein*. Handschriftlicher Zusatz, vermutlich von Schriddekopf. vom 28. April 1943: .Da man dem Führer
mit derartigen Ansichten laut Außemng RFSS (Himmler) nicht kommen kann - im
Gegensatz zu Ansichten der militärischen Umgebung des Fuhren - so soll wenigstens
Propagandaaktion gegen Roosevelts Wiederwahl gesmrtct werden mit Androhen einer
moglichen
~.
deutsch-sowjetischen Verständigung, ohne das jemals ernsthaft in EnvHgung
ZU ziehen..
39 PA Etzdorf, Handakun Rußland: Vom Staatssekret~Suengracht abgezeichneus Rundschreiben vom 31. Dezember 1943 an alle deutschen diplomatischen Vertretungen. (Das
Praeteritum wausschloß. ist iterativ gemeint).
40 B. Martin, Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg, Gorringen 1969, S. 114 (Ende
Juli 1942), S. 119 (Sept. 42), S. 182 (Ende Juli 43). S. 183 (Sept. 43). S. 191 (April 44) und
S. 197 (Sept. 44).
41 Murtin, Deutschland und Japan, S. 119f.
42 FRUS, 1943, I, S. 502f.: Telegramm Harriman - Hull vom 13. November 1943, obermittlung des Schreibens von Molotov vom Vortage in engl. Uberseuung.
43 Vgl. Dokumente 2 und 3.
44 PA Botschafter Ritter, Handakten Rußland: Schreiben des Amt Ausland/Abwehr Nr.
0014 vom 23. Mairz 1943.
45 Ebendort: Paraphe Keiuls.
46 M. Steine- Hiders Krieg und die Deuuchen, Wien 1970, S. 318, zitiert nach =Meldungen
uirr dem Reich vom 22. Okt. 1942. Vgl. allgemein: F. Dröge, Der zerredete Widerstand.
Zur Soziologie und Publizistik des Geruchts im Zweiren Weltkrieg, Dusseldorf 1970.
Diese inurne Fricdensdiskussion besrrtigt Egmont Zechlin in seiner kleinen ErinnemngsSchrift ~ b e hr i d und Mildred Harnack. Demnach sahen die Harnacks es als wesentlichen Teil ihrer Spionagerrtigkeit im Rahmen der .Roten Kapelle- an, Verbindungen zur
sowjeuschen Seite zu halten, um f ~Waffenstillsundsr
oder Friedensgesprlche bereiuustehen. Zechlin versuchte mit dieser Argumentation sogar, die Todesstrafe am Ehepaar
Harnack aussetzen zu lassen (E. Zechlin, Erinnerung an Arvid und Mildred Harnack, in:
G W , Bd. 33 (1982). S. 395404).
47 PA Staatssekrct%rRuBlandi Telegramm Wicd (Smckholm) - AA Nr. 2918 vom 16. Okt.
1942. Die Aussage ist vermutlich so zu verstehen, daß sich die Sowjctunion nach den
Abwehrerfolgen in der Wintcrschlacht vor Moskau 1941142 und an der Kaukasusfront
nunmehr als gleichgewichtiger Verhandlungspartner betrachte.
48 PA Inland I1 g, Bd. 430. Am 2. Nov. 1942 sandte der Chef des SD an der deutschen
Gesandtschaft Stockholm nach Berlin als 8. Anlage zu seinem Mantelbericht eine Aufzeichnung .Vorbereitung eines Friedensangebotcs Stalins.. Text und Näheres sind nicht
bekannt.
49 BA/MA W O 1-7/239, Aufzeichnung OKH/GenStdH/Aa. Abt. Nr. 1386 vom 20. Nov.
43: *Nachricht aus englischem Geheimdienst: Stalin ist auch mit englisch-amerikanischem Vorgehen in Nordafrika nicht zufrieden, da dies keine zweite Front.. Zaut einem
nach 1945 in den Westen ~bergcwechselunStabsoffizier sei in der mili~rischenFührung
erörtert worden, im Falle einer iandung der Westmitchte in Italien und auf dem Balkan
das japanische Vermittlungsangebot aufzugreifen (I. Ktylov. Soviet Staff Officer
1940-45, London 1950, S. 207).
50 PA Staatssekrctiir Rußland: Aktennotiz Weizsäcker vom 1I. Nov. 1942.
51 Ebenda: Schreiben Weizsiicker - Dr. Megerle vom 16. Nov. 1942. (Auch abgedruckt in
ADAP, E IV, Dok. 185).
52 PA Staatssekretär Rußland: Aufzeichnung Weizsrcker fhr Ribbenrrop vom I. Dez. 1942.
53 Ebenda Aufzeichnung Weizsäcker vom 7. Dez. 1942.
54 Vgl. Anm. 36.
55 Staaumsnner und Diplomaten bei Hitler, Hrsg. A. Hilfgruber, Teil 11, S. 190 ff., Unterredungen Hitler - Ciano am 19. und 20. Dez. 1942.
57 Befragung Bocning durch Heiber.
58 B. Mam'n, Deutsche Oppositions- und Widerstandskrcise und die Frage eines separaten
Friedensschlusses im Zweiten Weltkrieg, in: H. Mommsen und K.-J. Müller, Hrsg.,
Widerstand im Dritten Reich. ü T B Schöningh, Paderborn 1985.
59 Dok. Nr. 3. *Im übrigen ist es d a dritte Mal, daß solche Versuche gemacht worden
sind ...r
60 Zeitungsberichte ~StockholmrTidningen- vom 19. 6. 1947 und sAilgewine Zeitwngc vom
13. 12. 1948, die im wesentiichen auf der Darstellung in Liberty (Anm. 9) basieren: Demnach sei Aleksandrov (Aleksandr, ehem. Legationsrat an der sowjetischen Botschaft Berlin) am 26. Jan. 1943 nach Stockholm gekommen und habe uber die deutsche Gesandtschaft Kontakte aufgenommen, die zu einem Treffen Schellenberg - Aleksandrov geführt
hätten. Doch habe sich Hitler, als ihm der Vorgang vorgelegt wurde, erkundigt, ob Aleksandrov Jude sei. Auch Dankwort (Interview mit dem Vf) will sich an eine solche Kontaktaufnahme im Winter 42/43 erinnern.
Vermutlich werden hier die Koncaktversuche vom Dez. 1942 und Juni 1943 durcheinandergebracht. Die Nachfrage wegen der Religionszugehörigkcit von Klauss erfolgte im
Juli 43 (unten Anm. 70). Auch Kleist (Interview mit dem Vf) hielt diese Kontakte für auseeschlossen.
Demgegenüber hält Marhy, Stalin, S. 1369 f., die Kontakte für wahrscheinlich. Auch P.
h r k i r e h n . Der eeheime Nachrichtendienst der deutschen Wehrmacht im Krieae.
Frankfurt a k ~ain-1957,S. 194 und F. Herre. Hitler and the English, London 1954 4 s :
sen von einer Kontaktaufnahme über den Stockholmer KO-Leiter Oberst Dr. Hans Wagner zu berichten.
61 FRUS, 1943, 111, S. 667: Amerikanischer G e s c h ~ f t s ~ gHelsinki
er
- Hull vom 20. Juni
1943, bezieht sich auf Informationen des finnischen Außenministers Erkko. Vgl. auch
amerikan. Geheimdienstmeldungen bei Mastny ,S. 1376.
62 FRUS, 1943,111, S. 519. Bericht amerik. Botschaft Moskau - Hull vom 2. Mai 1943.
63 Stalin's Correspondence wich Rooswelt and Truman, New York 1963, S. 67ff.
64 Telegramm Stalin an Roosevelt vom I I. Juni 1943. In FRUS. The Conferences of Cairo
and Teheran 1943, Washington 1961, S. 8.
-
65 Unterredungen Eden Stalin im Dezember 1941 in Moskau; britisch-sowjetischer Vertrag vom 26. Mai 1942, L. Woodward: British Foreign Policy in the Second World War,
Bd. 2, London 197 1, S. 220ff. bzw. 244 ff.; amerikanisch-sowjetischer Vertrag vom
11. Juni 1942. Siehe dazu den abf~lligendeutschen Kommentar, die USA hftten sich
allein wirtschaftliche Vorteile gesichert (KTB 1 Skl C ViII vom 1 I. Juni 42).
66 Am 19. Okt. 1942 hatte die ~AavdaaGroßbritannien als Refugium für Gangster bezeichnet und die sofortige Aburteilung von Heß verlangt. Zur diplomatischen Auseinandersetzung uber diese Anschuldigung siehe Woodwrd, 11, S. 277I:.
67 PA Staatssekretar Schweden, Telegramm Thomsen - AA Nr. 1748 vom 18. Juni 1943:
Meldung in ~ N y aDagfight Affebandaa;angeblich stamme die Indiskretion von einem ehemaligen deutschen Handelsvertreter, Dr. Deck, der bis 1933 Nationalsozialist gewesen
sei, sich dann aber scharf gegen Hitler gewandt habe. Mßglicherweise lief3 daher der
deutsche Widerstand die Kontaktsuche auffliegen (siehe auch unten Anm. 72).
68 A. Rothstein (Ed.): Soviec Foreign Policy during the Great Pauiotic War. Documents and
Materials. Vol. 1: Junc 22, 1941 - Dec. 31, 1943. London o. J. (1946). W6rtliche Wiedergabe des TASS-Dementis vom 18. Juni 1943 im Anhang (nicht paginiert).
69 ADAP E V1 Dok. 107: Telegramm Thomsen - AA Nr. 1767 vom 21. Juni 1943. Bestätigung durch Denkschrift StS F. Gaus, Als der Friede noch zu retten war, in: Weltbild Nr.
10,9. Mai 1970.
70 Kleist S. 243ff. PA Inland I1 g Bd. 443: Anfrage des Bur0 RAM in Swckholm vom
11. Juli 1943, ob Klauss Jude sei. Antwort vom 22. Juli 1943 mit Telegramm Nr. 2048: Da
das entsprechende Fahndungsbuch des SD (vgl. Anm. 33) weisungsgern~flverbrannt worden sei, k ~ n n edie Anfrage nicht beantwortet werden. Dieser Telegrammwechsel stützt
somit die Version von Kleist.
71 Boening (Befragung durch H . Heiber) zweifelt an den von .Kiekt, S. 252ff., angegebenen
Inhaftiemngsgr~nden.
72 U. von Hasse4 Vom anderen Deuuchland, Zürich 1948, Tagebucheintragung vom
15. Aug. 1943: mWenn Hitler sich mit Stalin verstandigt, so ist das daraus entstehende
Unheil unvorstellbar..; Theo Kordt soll, von einer Dienstreise aus Berlin 1943 in der
Schweiz zurtick, sinngemäß ausgesprochen haben: mGott sei Dank, Hitler ist größenwahnsinnig genug, nicht darauf einzugehen.; (Interview Vf - Gesandtschaftsrat Sigismund von Bibra 28./29. Juni 1969), Manin, Deuuche Oppositions- und Widerstandskreise; Interview Vf - Kleist, der diesen Verdacht von sich aus aussprach).
73 Fischer, Sowjetische Deutschlandpolitik, S. 53ff.
74 L M. Maiskij, Memoiren eines sowjetischen Botschafters, Berlin (Ost) 1967.
75 V. Mastny, The Cassandra in +e Foreign Commissariat. Maxim Litvinov and the Cold
War, in: Foreign Affairs, Bd. 54 (1976), S. 364-76.
76 Siehe Dokument Nr. 1.
77 Martin, Deutschland und Japan, S. 182.
78 ADAP E V1 Dok. 203: Telegramm Ribbentrop - Stahmer Nr. 1146 vom 1. Aug. 1943.
79 PA Dienststelle Ribbentrop, Vertrauliche Berichte, Bd. 7: Aufzeichnung Likus vom
9. Aug. 1943.
80 BA/MA KTB 1 Skl C VIII: Anweisung an die Gruppe Sud vom 18. Aug. 43: Friedensfühler mit Rußland entbehrten jeder Grundlage. Diese Gerüchte seien von russischer Seite in
Umlauf gesetzt, um die Angelsachsen politisch unter Druck zu setzen. Ebenda: W O I 6/573 OKW, Abt. Wehrmachtpropaganda: Bericht des dt. Militarattachks Helsinkj vom
23. Juli 1943 über Unterredung mit schweizerischem Mil. Att., bei der er, auf einen
deutsch-sowjetischen Sonderfrieden angesprochen, solche Gerüchte strikt abgelehnt
habe.
81 Kleist, S. 256 ff.
82 PA Inland I1 g: Notiz LR Wagner vom 21. Aug. 1943, Kleist werde Mitte der Woche
wieder in Berlin sein (d. h. um den 24. Aug. 1943).
83 Kleist, S. 265 ff. Verhandlungsziel der Sowjets sei die Grenze von 1914 gewesen. Höchstwahrscheinlich hannen die von W Leonhard, Die Revolution entläßt ihre Kinder, Köln
1956, S. 294f. geschilderten Vorgange mit der sowjetischen Gesprächsberei~chaftzusammen. Die Zeitung .Freies Deutschiund< des Nationalkomitees sollte Anfang September
1943 mit der ~ c h i a ~ z e imWaffenstillstand
le
- Das Gebot der Stunde* erscheinen "nd mit
dieser direkten Aufforderung an die deutsche Regierung den mssischen Friedenswunsch
unterstreichen. Auch wurde die Gründung des .Bundes deutscher 0fiziere.r vermutlich mit
Rucksicht auf die Stockholmer Sondierungen auf den 1 1. Sept. 1943 vertagt.
84 Dokumente Nr. 2 und 3.
86 Kleist, S. 275, Am 14. Sept. 43 erkundigte sich Ribbentrop, ob Kleist die Absage an
Klauss ubermittelt habe; am 22. Sept. forderte er ihn auf, gleich am nächsten Tag wieder
nach Stockholm zu fliegen.
87 Interview Vf - Boening.
88 Kleist, S. 277.
89 Interview Vf - Weist. h
r die FPlschungsaktion siehe Schellenberg, S. 343 ff.
90 FRUS, 1943, 111, S. 698f.: Telegramm Johnson (Stockholm) - Hull vom 29. Sept. 43:
*While he did not say in so many words that Gcrman peacc fcclers had reached the
Soviet Legation at Srockholm, his remarks implied that this had actually bccn the casc.
H e referred vaguely t o individuals who had tned t o act as ,agents< and >intermediaries<
for Germany r
...
91 FRUS 1943, I, S. 737 und 753, Geheimprotokoll vom 1. Nov. 1943. Moskovskaja Konfcrcncija Ministrov Inostrannych Del SSSR, SSA i Velikobritannii. Sbornik Dokumenwv,
Moskva 1978, S. 343.
92 C. HMII,The Memoirs of Cordell Hull. New York 1948, S. 1308ff, Stalin zu Hull auf
einem Bankett im Kreml am 30. Okt. 1943.
93 Vgl. Anm. 36. W. von Owen, Mit Gocbbels bis zum Endc. 2 Bde., Buenos Aires 1949 f.,
Bd. 11, Eintragung vom 1. Sept. 43. U. a. f ü h r u Goebbels aus: .Die elementare dcutsche
und mssische Volkskraft vereint, das wäre eine Koalition, die die Welt erzittern lassen
wurde.#
94 Goebbels-Tagebücher, 23. Sept. 1943.
95 Interview Vf - Weist. Demnach informierte Kleist seit Juni 1943 regelm3Big das RSHA
96 Ribbentrop, S. 264.
97 Martin, Deutschland und Japan, S. 188.
98 Mdrfin, Deutsche Opposiuons- und Widerstandskrcise.
99 FRUS, 1944, I, S. 498, Gromyko - Hull vom 3. Febr. 1944.
100 Vom 17. Jan. 1944. Fiir die amerikanische Reaktion siehe FRUS, 1944, I, S. 494ff., IV S.
824ff.; die britische bei Woodwdrd, 111, S. 104ff., die von Goebbels bei Owen, S. 179.
101 Harre14 Eintragung vom 7. Febr. 1944, auch Murtin, Deutsche Oppositions- und Widerstandskreise.
102 Unterredung Hitlcr - Marschall Antoncscu auf Schloß Weßheim am 24. Marz 1944 in
Anwesenheit des RAM und anderer. Hitler: *Der jetzige Konflikt (mit Rußland) k6nne
durch keinen Kompromiß beendet werden. N u r ein Sieg k h n e die Substanz der europäischen V ~ l k e crhaltcnr.
r
Hillgrwber, Staatsmanner und Diplomaten bei Hitler, S. 398.
103 Klauss-Bericht vom 18. M&z 1944, Kopie im Besitz des Vf.
104 ADAP E V1 Dok. 294. Anfrage OKW/Amt Abwehr I11 beim AA vom 25. Marz 1944.
Dementi des AA vom 6. April: Kleist halte sich nur wegen der Umsiedlungsaktionen in
Stockholm auf. Interview Vf - Kleist: Verhandlungen mit Klauss im Auftrage bzw. mit
Wissen Ribbentrops.
105 BA/MA, H 27/56, KTB der At[.-Abt. des GenStdH: Eintragungvom 10. April 1944.
106 BA/MA, H 3/45, GenStdH/Fremde Heere Ost IV Schweden und Skandinavien: Vortragsnotiz vom 12. April 1944: .Schweden will, wie Außenminister Günther dem Gesandten unmittelbar vor Ostern erklärte, sich mit Rücksicht auf die Entwicklung der Ostfrontlage bemiihen, Rußland gegenüber als ehrlicher Makler aufzutreten..
107 BA/MA, H 27/6, GenStdH/Att-Abt. Tatigkeitsberichte: Aufzeichnung Ag. Ausland Nr.
1509 vom 30. Juni 1944 rbetr. Einschaltung Schwedens bzw. Möglichkeit neuer russischer Friedensbedingungen.. (Der Inhalt des Schriftstückes ist nicht überliefen.)
108 Siehe Dok. 4 und 5. Siehe auch Anm. 153.
109 FRUS, 1944, I, S. 526: Telegramm Johnson (Stockholm) - Hull vom 27. Juni 1944 über
Unterredung mit dem Generalsekretär des schwedischen Außenamtes Boheman. Die
sowjetische Gesandtschaft habe den Brief zurückgewiesen, dennoch - so Boheman -:
~ K l e i s had
t
been in some ways an extremely useful man*, auch bei den Umsiedlungsak-
tionen von Estland-Schweden. Siehe auch ebenda S. 557 ff. Johnson - Hull vom 13. Okt.
1944: Kleist habe damals im Juni über einen schwedischen Mittelsmann Rasch zu
Semenov, Gesandtschaftsrat an der sowjetischen Mission (seit Herbst 1941), Kontakt
aufgenommen, den Semenov sogleich abgebrochen habe. Zu Semenov siehe auch Dokument Nr. 3.
110 FRUS, 1944, I, S. 526f.: Johnson - Hull vom 3. Juli 1943: Schuddekopf suche Westkontaktc, um Deutschland vorm Bolschewismus zu bewahren, und lehne die Formel von der
bedingungslosen Kapitulation ab.
11 1 Siehe Dokument Nr. 4.
112 ADAP E VIII Dok. 134, Schreiben Kaltenbrunner - AA vom 26. Juli 1944: Die britische
Abwehr in Madrid zage Erkundigungen ciber deutsch-russische Sondiemngen ein. Vermurlich handelt es sich hierbei nicht um eine Beschwerde, sondern um eine mExfolesmeldung., d a l - wie beabsichtigt - von den Smckholmer ~ e s ~ r t i c h etwas
e n >durchge:ckeni
sei. Auch die schweizerische Abwehr bekam von den Kontakten Wind: HausamannBerichte vom 18. Juli und 4. Aug. 1944 (Privatbesitz d. Vf).
113 Dokument Nr. 4.
114 Ribbenuop, S. 262, will am 30. Aug. 1944 Hitler eine Denkschrift cibcr die Notwendigkeit, Verhandlungen mit beideh Seiten aufzunehmen, vorgelegt haben. Hitler habe keine
Vollmachten erteilt. Am 12. Sept. 1944 erörtern Himmler vor Hitltr die Frage .England
oder Rußlanda (BA 1447, Zusammenstellung Himmlers ober Treffen mit Hitler). Goebbels hat angeblich am 2 1. Sept. 1944 erneut eine Denkschrift fur eine Ostbsung bei Hitler
eingereicht, die diesen allerdings nicht erreicht haben soll (Own 11, S. 142).
115 Ribbentrop, S. 262: =Kurze Zeit spatcr (d. h. nach der Absage auf seine Denkschrift vom
31. Aug., siehe Anm. 114) bekam ich durch Kleist eine Information (vermutlich Dokument 5), auch die Russen hatten den Wunsch ge~uffen,in Kontakt mit uns zu kommen.
Ich gab diesen Hinweis an den Führer weiter und erhielt endlich von ihm dit Erlaubnis,
meine Fühler in Scockholm auszustrecken.. Nach Eintragung im Jodl-Tagebuch vom
16. Sept. 1944 (zitiert bei H. Jung, Die Ardennenoffensive 1944/5, Gettingen 1971, S. 95)
zögerte Hitler, die HGr Nord auf Riga zurückzunehmen, mda russischer F ~ h l e rausgestreckt, denn Handelsobjekt nötig..
116 Auf einem Treffen am 16. Sept. 1944 hatten sich Vlassov und Himmler grundsätzlich
geeinigt. (A. Dailin, Vlasov and Separate Peace: A Nou, in: Journal of Central European
Affairs, Bd. 16 (1956/7). S. 394-396.
117 BA Koblenz, Dossier R 58/1225: Aufzeichnung Kleis- vom 10. Okt. 1944, am 13. Okt.
Schellenberg übersandt, über seinen letzten Aufenthalt in Stockholm (S. 5 der Niederschrift).
118 BA Koblenz, Dossier R 58/1225.
-
119 F W S , 1944, I, S. 539ff. Johnson Hull vom 13. Okt. 44: non this visit he is said to have
stated unequivocally that he had full powers to propose peace to Soviets on whatwer
terms they might exact. H e was however unable to make any contact with Soviet representatives.a
120 Ebenda: Sondierungen Zuechner, S. 557 ff und 563 ff.
121
R. Hansen, Ribbenrrops Friedensfühler im Fdhjahr 1945, in: GWU, Bd. 18 (1967),
S. 71&730.
122 Interview Vf - Kleist: Kleist sei am 27. März 1945 von Ribbenuov nach Stockholm beordert worden, wo bereits Legationsrat Pfleiderer (Fachreferent für Nationalkomitee) und
Gesandter Schnurre (Wirtschaftssachverst~ndigerf ~Sowjetunion)
r
saßen.
123 Klauss-Berichte. Originale im Besitz von Werner G. Boening, Kopien im Besitz des Vf.;
Boening will dieses Maurial am 3. Aug. 1944 bei seiner Abreise aus Schweden in seinem
Zimmer in Stockholm hinterlassen und 1950, bei seinem ersten Besuch nach dem Kriege,
in dem v6llig unberührten Raum vorgefunden und mitgenommen haben.
124 Der Bericht wurde nach dem 27. Aug. verfaßt, vgl. Anm. 128.
125 M. Matlox Strategic Planning for Coalition Warfare, Washington 1959, S. 285f.: Vom
1. Juli bis 19. Aug. 1943 stellw die Strategische Abteilung des amerikanischen Generalstabes aerlegungen f ~ den
r Fall eines deuuch-russischen Separatfriedens an, bei denen
auch das Stak Deparunent konsultiert wurde. BA/MA, KTB 1 Skl C VIII 4. Juli 1943:
Wiedergabe einer Meldung aus der russischen Zeitschrift SVojna i rabotij klass*; mit der
erstmals in der sowjetischen dffentlichkeit das Problem der Kriegsziele erllrtert worden
sei. Demnach falle der Sowjetunion ein entscheidendes Mitspracherecht bei der Nachkriegsgestaltung zu. Die westalliierten Vorstellungen einer Zersmrung der staatlichen
Einheit Deutschlands oder der militärischen Besetzung wurden kritisiert, polnische und
tschechoslowakische Gebietsanspdche auf deuuche Territorien bestritten, statt dessen
angedeuet, daß Deutschland einige seiner Eroberungen behalten kenne; vgl. dazu auch
Mmtny, Stalin, S. 1379; FRUS, 1943, 111, S. 560 ff., Bericht Standley (Moskau) - Hull
vom 10. Aug. 1943 tiber die durch einen Aavda-Artikel vom 8. Aug. ausgelßste heftige
sowjetische Pressekampagne mit der Forderung nach sofortiger Errichtung einer zweiten
Front. Auch Memorandum Unterstaatssekretär Sumner Welles vom 12. Aug. 1943 ~ b e r
Unterredung mit schwedischem Gesandten: Entsprechende Nachrichten seien Ger~chte,
Stalin und die Sowjetregierung bemiihten sich um inwrnationale Anerkennung (FRUS,
1943, 111, S. 684 f.) Woodward, 11, S. 560, Anm. 1: 1943 seien dem britischen Foreign
Office weniger Gerüchte über deutsch-sowjetische Verhandlungen bekannt geworden als
1942. 1943 seien G e d c h u im April und im August zu verzeichnen gewesen. Molotov
habe, darauf angesprochen, alles dementiert (Woodward gibt keine Belege). Vgl. dazu PA
StS England, Telegramm Koecher (Bern) - AA Nr. 1982 vom 10. Aug. 1943: Laut Meldungen des schweizerischen Gesandten in London habe die Abberufung Maiskijs die
sowjet.-brit. Beziehungen erheblich verschlechtert. .Die Gefahr eines eigenmächtigen
Vorgehens der Sowjetunion sei in den letzten Wochen greller geworden.. Auch in Finnland sprach der schweizerische Milit!irattachk von der Meglichkeit einer deursch-russischen tibereinkunfr (FRUS, 1943, 111, S. 682, amerikanische Gesandtschaft Helsinki Hull vom 10. Aug. 1943). die schwedische Regierung Yußerte am 13. Aug. entsprechende
Bef~rchtungen(FRUS, 1943,111, S. 686 f., Johnson - Hull vom 14.8. 1943 über Unterredung mit dem Generalsekretairdes Ausw3nigen Amtes Boheman), Telegramme des polnischen Botschafters Stockholm an die Exilregierung in London vom 17. und
18. Aug. 1943. In englischen Kreisen frage man sich, -ob es nicht im sowjetischen Interesse liege, sich mit den Deutschen zu verständigen, was ihnen die Besetzung Ost-Mitteleuropas erleichtern wurde ohne die Kompromisse, die sie gegeniiber England und Arnerika machen rnüatenr (17.8.43) - The Polish Institute and Sikorsky Museum, London. Auch die Schweizer Regierung, Bundesrat Pilet-Golaz im Gespräch mit dem deutschen
Gesandten Koecher, gab englische Angsmeldungen vber einen deutsch-russischen Ausgleich weiter und riet indirekt Berlin, Verhandlungen mit den Russen aufzunehmen, um
die Englander zum Einlenken zu bewegen (PA, StS England, Telegramm Nr. 21 15 vom
24. Aug. 1943).
126 Vgl. die Darstellung von Kleist, S. 267.
127 Ebenda und ausführliche Argumentation von Klauss am 18.6. 1943 (Kleirt, S. 249 f.).
Offensichtlich konnte sich die deutsche Führung, die eigene Arbeitsmarktsituation und
die Fremdarbeiter vor Augen, nur vorstellen, daß auch die Sowjetunion die durch Einberufungen ausgefallenen Arbeitskräfte mit Zwangsarbeiern ersetzen würde. Das Gerücht
von chinesischen Arbeitermassen in der Sowjetunion, das nicht den Tatsachen entsprach,
findet sich daher wiederholt: BA Koblenz 1447: Am 17. März 1943 brachte Himmler
diese Frage vor Hitler zur Sprache. PA StS Tilrkei: Telegramm Papen - AA Nr. 1237
vom 27. Aug. 1943: Der türkische Geheimdienst habe Informationen, daiJ ein sowjetischer Sonderbeauftragter .mit linksstehenden Chinesen wegen eines Ausgleichs mit Japan
und gleichzeitig wegen Beschaffung chinesischer Arbeitskräfte für sowjetische Kriegsindustrie- verhandle. Ribbentrop überreichte dem japanischen Botschafter am 3. Okt. 1943
eine entsprechende Abwehrmeldung, derzufolge die asiatischen Teile der Sowjetunion
von Fremdarbeitern aus Persien, Indien und China überschwemmt seien. Die Japaner
reagierten auf diese Falschmeldungen verärgen (Manirr, Deutschland und Japan,
S. 182f.)
128 Zsraerjan, S. 142 ff. filr die sowjetische Sicht. Moskau hatte das ~ C o m i t National
i
Franpism (de Gaulle) bereits am 27. September 1941 anerkannt. Das arn 3. Juni 1943 aus
AnhPngern de Gaulles und Girauds gebildete ~ComiteFrangais ak Libkration Nationaler
wurde entgegen ursprünglichen Bedenken der Amerikaner auf Druck der Engländer und
Russen von allen drei Regierungen am 27. Aug. 1943 anerkannt. A. E. Bogomolov, sowjetischer Botschafter bei den Exilregierungen, wurde auch fur die französische zuständig
(Woodzuard, 11, S. 442 ff.).
129 Siehe oben Anm. 74 und 75. Abberufung Maiskijs (London) am 2. und Ltvinovs (Washington) am 22. Aug. 1943.
130 Stalin hatu der Casablanca-Formel vom 24. Jan. 1943 erst in einem Tagesbefehl vom
1. Mai 1943 affentlich zugestimmt (Vgl. Anm. 62).
131 Der sowjetische Generalleutnant Andreij A. Vlasov, der sich bei den Abwehrkämpfen um
Moskau 1941 einen Namen gemacht hatte, geriet am 12. Juli 1942 in deutsche Kriegsgefangenschaft. Am 7. Aug. 1943 wurde er von Gustav Hilger, ehem. Botschaftsrat in Moskau, nunmehr im AA, verhan (Kriegstagebuch des OKW 1942, Bd. II 2, S. 1287 f.),
nachdem er in einer Denkschrift vom 3. Aug. vorgeschlagen hatte, die Herrschaft Stalins
durch russische Hilfe zu beenden. Den von der Wehrmacht unter der Hand betriebenen
Aufbau von russischen Freiwilligenformationen lehnte Hitler am 8. Juni 1943 endgültig
ab, gleichfalls eine Freiheit~erklärun~
für Rußland. Am 15.7. 1944 ertirterte Himmler mit
Hitler die Frage eigenständiger russischer Divisonen (BA Koblenz 1447) und erhielt dessen stilles Einverstrndnis zur Bildung des Vl<lsou-Komitees.Am 16. Sept. 44 erfolgte die
grunds3iuliche Einigung Vlasov-Himmler (Anm. 116). J H o f i n n . Die Geschichte der
Wlassow-Armee, Freiburg i. Br. 1948.
132 D. h. als konterrevolutionare, weißgardistische Aktion und nicht, was weit gefährlicher
ware, als nationale Unabhangigkeitsbeweg~n~
etwa der Ukrainer. Anton J. Denikin
(1872-1947), seit 1918 Kommandeur der Don-Kosaken, besetzte 1919 mit Rückendekkung der Entente-Machte das Donec-Gebiet und stieß auf Moskau bis nach Kursk und
Orel vor; grö5te Gefährdung der jungen Sowjeunacht. Nach Zerschlagung seiner Truppen gab Denikin. auf die Krim zurückgeworden, das Kommando an den General Petr N.
Vrangl' ab, der 1920 während des russisch-polnischen Krieges nochmals über die Krim
hinaus vorstoaen konnte, jedoch im Nov. 1920 die Resttruppen nach Konstantinopel evakuieren muate (Handbuch der Geschichte Rualands, Bd. 3: 18561945. Von den autokratischen Reformen zum Sowjetstaat, Hrsg., G. Schramm, Stuttgan 1983, S. 639 ff. mit
ausfuhrlichen Literaturangaben zum Brirgerkrieg, hier den Beitrag von H. temberg).
133 Zum Gegensau zwischen dem Reichskomrnissar fur die Ukraine Erich Koch und Alfred
Rosenberg, der die Unabhängigkeitsbestrebungen der Ukrainer politisch nutzen wollte,
siehe A. DaUin, German Rule in Russia 1941-1945, London 1957, S. 147 ff. Die Namen
dürften fiktiv sein. Aleksandr Kornejtuk, einer der Stellvenreter Molowvs, durfte nicht
gemeint sein.
134 Klauss-Papiere, im Besitz von Werner G. Boening, Kopien im Besitz des Vf. Die zeitgentissische, mit Bleistift von Boening verfaßu Notiz entstand nach dem i1. Sept. 1943. Um
die Echtheit des Dokumentes zu erhrmn, wurde eine Papieranalyse vorgenommen. Aus
dem Untersuchungsbericht des Dipl. Chemikers Dr. Arnold Renz, Bad Ems, vom
17. Dez. 1984: *Die Eigenschaften des Papiers sind typisch fur die Erzeugnisse aus den
Kriegsjahren, so dass die vermutete Herstcllungszeit (1943) h~chstwahrscheinlichrichtig
ist. Die Qualität des Papiers ist wegen des Zusatzes von Holzschliff als schlecht zu
bezeichnen und ist charakteristisch f ~die
r Kriegsjahre, vor allem auch deshalb, weil minderweniger Holzschliff zusammen mir hochwertigen Hadern in normalen Zeiten zur
Papierherstellung nicht verwendet werden. In der Kriegszeit wurden Papiere aus den verschiedensten Materialien, die man erhalten konnte, hergestellt*.
135 Dekanosov - Klcist. Vladimir Georgi'evit Dekanosov leitete die sowjetische Botschaft in
Berlin vom 19.Dez. 1940 bis zum Knegsbeginn am 22.Juni 1941.
136 4.September 1943.
137 Es finden sich die unterschiedlichsten Schreibweisen: Klaus, Klau%, Claus, Clauß. In
einem Brief an Boenings Schwester vom 24.Mrrz 1946 (Klauss-Papiere) gab er als
Absender an: Konsul a. D. Edgar Klauss.
138 Vgl. die den Sachverhalt bestltigende Darstellung bei Kleist, S. 265 ff., Besatigung ferner
durch Dok. Nr. 3.
139 Klauss-Papiere. Der Vorgang kann sich nur auf Sept. 1943 beziehen, Freitag, den 10.,
gab cs 1944 nur am 10.M&z und 10.November, Daten, zu denen eine versuchte Kontaktaufnahmc nicht bekannt ist. Im Jahre 1943 fiel dcr 10. nur noch im Dezember auf
einen Freitag, auch zu diesem Zeitpunkt sind keine Kontakte nachweisbar.
140 Mittwoch, vgl. Dok. 2.
141 Kleist - Dekanosov.
142 Vgl. Dok. Nr. 2.
143 Die im Text nicht verbesserten orthographischen Fehler sind typisch für die Berichte von
Klauss und dessen mangelhafte Deuwchkenntnissc (vgl. Befragung Boening durch Heiber).
144 Werner G.Bocning (vgl. Anm. 14).
145 Joachim vom Ribbentrop.
146 Vladimir Semenovit Semcnov (geb. 191 I), Tatigkeit als Diplomat an der sowjetischen
Bowchaft 1940/1 in Bcrlin; Herbst 1941 Versetzung nach Stockholm als Gesandtschaftsrat; 194516 Beauftragter des Außenministeriums beim OB der 1. Ukrainischen Front;
1946-1953 politischer Berater der Sowjet. Milit3rverwaltung in Karlshorst, 1953/54
Hohcr Kommissar der UdSSR in Deutschland und Botschafter in der DDR; seit 1980
Botschafter in der Bundesrepublik.
147 Vgl. auch Kleist, S. 267 f., demzufolge Semenov mit Klauss gesprochen haben muß.
148 Offensichtlich war das bei der Presse-Indiskretion vom 18.Juni 1943 nicht der Fall gewesen (vgl. Anm. 67 oben).
149 14.Dez. 1942 und 18.Juni 1943,siehe oben S.284 und S. 285.
150 Dekanosov und Semenov.
151 11.Sept. 1943.Vgl. Dok. Nr. 2.
152 BA Koblcnz: Dossier R. 58/1225. Der gesamte Vorgang, d.h. dieses Dossier, hatte
Himmler vorgelegen und war von dessen Adjutanten am 24. Okt. 1944 an Kaltenbmnncr,
Chef des SD, zur~ckgesandtworden. Die Schriftstücke - siehe Bemerkung am Kopf liefen nicht uber die Regismturen.
153 Vgl. Dok. Nr. 5 Rückkehr aus Stockholm am 22.Juli 1943, vgl. in der Aufzeichnung
Kleist vom 4.Aug. 1944: m4 Wochen., d. h. Aufenthalt etwa vom 18.Juni oder 25.Juni
an.
154 Himmler kam der Bitte nach. siehe Anm. 114 oben.
155 SS-Standanenf~hrer;Kleist informierte seit seiner Verhaftung im Juni 1943 rcgelm~flig
Kaitenbmnner und den Auslandsnachrichtendicnstder SS ( I n t e ~ i e wVf - Kleist).
156 Als Anlage.
157
D.h. Schellenberg hielt Klcist für eine Person, der auch die Sowjets Vertrauen schenkten
und folglich ernsthafte, für Bcrlin gedachte Mitteilungen machten.
158 Klcist.
159 Edgar Klauss.
160 Sicherlich unzutreffend, im Sinne der Sprachregelung formulien, Deutschland verhandle
nicht im Osten.
161 Scpumber 1943, siehe Dok. 2 und 3.
162 Ebenfalls bei Sondierungen übliche Sprachregelung.
163 Vgl. Anm. 153.
164 Aleksandr M. Aleksandrov, siehe oben S. 285, die Kontaktaufnahmc vom Juni 1943.
165 Geotgi Astachov, 1939 Geschrftsv~geran der sowjetischen Botschaft in Berlin. Mit A.
knüpfu Kleist im April 1939 erste Kontakte, die schließlich in die Verhandlungen zum
deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt mündeun (Kleist, S. 26 ff). Ober eine Tzugkeit
Astachovs für das Nationalkomitee i n nichts bekannt. Auch W. von SPydlitz Stalingrad.
Konflikt und Konsequenz, Oldcnburg 1977, erwrhnt den Namen nicht.
166 Dekanosov, vgl. Anm. 135.
167 Vgl. die identische Darstellung bei Klcist, S. 272.
168 Klcist, S. 272, will demnach ~ i b b c n c r uvorgeschlagen
~
haben, im Gegenzug Schulenburg
zum Botschafter in Sofia zu ernennen. Bulgarien, obwohl dc-facto ein Verbundeter des
Reiches, hatte der Sowjetunion nicht den Krieg erklin. Beidc Seiten verfiigten uber
diplomatische Missionen in Sofia. Siehe H.-/. Hoppe, Bulgarien - Hitlers eigenwilliger
Verb~ndetcr,Stuttgan 1979.
169 Vermutlich Boening.
170 M(lglichcnveise handelt es sich um Ribbentrops Denkschrift vom 30. Aug. 1944. Siehe
Anm. 114 oben.
171 BA Koblenz Dossier R 58/1225.
172 Die Namen ließen sich nicht überpr~fen.In dem Abschlußbericht vom 10. Oktober (am
13. Okt. an Schellenberg übersandt, R 58/1225) bezieht sich Kleist nochmals auf die
=beiden Kuriere-, über welche die Verbindung nach Moskau lief. Offensichtlich zogen es
die sowjetischen Diplomaun in Stockholm vor, diese heiklen Fragen einer Gcsprächsaufnahme mit den Deutschen per Kurier nach Moskau zu tibermituln.
iaut Auskunft von Wcrner G. Boening (Interview mit dem Vf) erhielt Klauss militärische
Informationen von den sowjetischen Kurieren der Linie Moskau-Stockholm-hndon.
Diese Kuriere seien ehemalige Anhinger des 1937 hingerichteten Marschalls Tuchatwskij gewesen, Klauss habe sie fiir ihm Arbeit auch gut bezahlt.
173 Vgi. Anm. 165.
174 a e r die Reaktion der Sowjetunion auf die VorgYnge des 20. Juli 1944 siehe: Martin,
Deutsche Oppositions- und Widcrstandskreise. Zwischen dem NKFD und den Widcrstandsgruppen des 20.Juli gab es keine direkun Verbindungen.
175 Nachdem die zweite Front endlich stand. war nun wiederum der schnelle westalliierte
Vormarsch Stalin suspekt. Er vermutete geheime deutsch-angloamerikanische Absprachen tibcr einen moglichen gemeinsamen Frontenwechsel gegen die Rote Armee.
176 Nicht bekannte Planungen. Die R o u Armee war am 31. Aug. 1944 in Bukarest eingerückt; die Sowjetunion erklärte Bulgarien am 5. Sept. 1944 den Krieg. Eine westliche
Landung konnte dem sowjetischen Einmarsch, der am 9. Sept. erfolgte, nicht mehr
ruvorkommcn.
177 Eine falsche Behauptung angesichts des Zusammenbtuchs der HGr Mitte im Sommer
1944. Die Rote Armee scand zu diesem Zeitpunkt an den Grenzen Ostpreußens und vor
den Toren Warschaus (vgl. zu der gdßten miliarischen Katastrophe des deutschen Ostheeres: 7: Kröker, Fehleinschätzung der sowjetischen Operationsabsichten im Sommer
1944. Der Zusammenbruch der Wecresgruppc Mitu. (Diss. masch.) Freiburg i. Br. 1983).
178 4. Sept. 1944, Unterredung japan. Botschafter - Hitier; gleichzeitig Vorstoß in Moskau
(Manin, Deutschland und Japan, S. 196 f.).
179 Vorgegebene Grunde; die Sowjetunion hatte sich auf den Konferenzen von Moskau und
Teheran zu der von der amerikanischen Seite gewtinschten Kriegsbeteiligung gegen
Japan bereitgefunden und war daher auch an Verhandlungen mit Japan nicht länger
interessien.
180 Vermutlich war dieser Vermerk für Ribbentrop irn Hinblick auf eine Vorlage bei Hitler
abgefaßt und enthielt deswegen teils abertriebene, teils unrichtige Meldungen. Vor allem
muilte, sollte Hitler seine Zustimmung zur Kontaktaufnahme erteilen, die Initiative eindeutig auf der sowjetischen Seite liegen. Wahrscheinlich bezieht sich R i b h h o p (S. 265)
auf dieses Schriftst~ckals neue Informationen von Kleist, mit denen er Hitler endlich die
Erlaubnis abhandelte. FUr den letzten Aufenthalt Kleists in Smckholm siehe dessen Aufzeichnung vom 10. Okt. 1944 und das Schreiben Kaltenbmnner-Himrnler vom 9. Okt.
1944. Beides im BA Koblenz Dossier R 58/1225.
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