1 Einführung in die Prädikatenlogik Die Aussagenlogik behandelt elementare Aussagen als Einheiten, die nicht weiter analysiert werden. Die Prädikatenlogik dagegen analysiert die elementaren Aussagen und benutzt für die logischen Ableitungen deren Aufbau. Die Aussagenlogik sagt nur, ob die Aussagen als Ganzes wahr oder falsch sind. Oder sie muss beide Möglichkeiten in Betracht ziehen. Aber dann sind viele logische Schlüsse nicht nachvollziehbar. Beispiel: Alle Menschen sind sterblich. Sokrates ist ein Mensch. Also ist Sokrates sterblich. Wenn man die Aussagen in der Aussagenlogik durch Variable darstellt, kann man festlegen: A = Alle Menschen sind sterblich. B = Sokrates ist ein Mensch. C = Sokrates ist sterblich. Der Schluss hat dann die Form (A ∧ B) → C . Aber dieser Schluss ist nicht allgemeingültig. Wenn A und B wahr sind, kann C falsch sein. Dann ist der Schluss nicht richtig. Aber der Schluss oben scheint allgemeingültig zu sein. Man kann andere Sätze der gleichen Form verwenden. Der Schluss ist immer richtig. Alle Fische haben Kiemen. Der Hering ist ein Fisch. Also hat der Hering Kiemen. Alle Lüneburger sind Niedersachsen. Mägde ist ein Lüneburger. Also ist Mägde ein Niedersachse. Alle Londoner sind Briten. Trittin ist ein Londoner. Also ist Trittin ein Brite. Der letzte Schluss ist auch richtig. Zwar ist Trittin kein Brite, aber es war eine Prämisse falsch. Deshalb kann die Konklusion falsch sein und der Schluss als Ganzes richtig. Warum ist der Schluss richtig, auch wenn er mit den Mitteln der Aussagenlogik nicht bewiesen werden kann? Es liegt daran, dass hier die Bestandteile der Sätze eine Rolle spielen. So kommt es in dem Schluss Alle Menschen sind sterblich. Sokrates ist ein Mensch. 1 EINFÜHRUNG IN DIE PRÄDIKATENLOGIK Also: Sokrates ist sterblich. darauf an, dass z.B. im ersten Satz Mensch vorkommt und im zweiten auch. Es kommt auch auf das Wort Alle an. Denn der folgende Schluss ist nicht richtig: Einige Menschen sind weiblich. Sokrates ist ein Mensch. Also: Sokrates ist weiblich. Aus diesem Grund muss man die Sätze anders beschreiben. Aussagen sind im allgemeinen Prädikationen. In den Aussagen wird einem Objekt ein Prädikat zu- oder abgesprochen. Ein Prädikat ist eine Eigenschaft. Es kann auch mehreren Objekten ein Prädikat zu- oder abgesprochen werden. Wir schreiben das Prädikat vor das Objekt und setzen das letztere in Klammern. 'Sokrates ist sterblich' wird zu 'Sterblich(Sokrates)' 'Sokrates ist ein Mensch' wird zu 'Mensch(Sokrates)' 'Beate sieht Hans' wird zu 'Sehen(Beate, Hans)' 'Beate und Hans sind verheiratet' wird zu 'Verheiratet(Beate, Hans)' 'Franz kennt Egon nicht' wird zu '¬Kennen(Franz, Egon)' 'Beate und Hans sind verheiratet (aber nicht miteinander)' wird zu 'Verheiratet(Beate) ∧ Verheiratet(Hans)' So kann man die Implikation 'Wenn Beate mit Hans verheiratet ist, dann ist auch Hans mit Beate verheiratet' ausdrücken durch Verheiratet(Beate, Hans) → Verheiratet(Hans, Beate) Weitere Beispiele: Vater(Heinrich, Bernd) → Kind(Bernd, Heinrich) Vater(Heinrich, Bernd) → Männlich(Heinrich) Wie kann die erste Prämisse 'Alle Menschen sind sterblich.' umgesetzt werden? Es bietet sich etwas an wie 'Sterblich(Mensch)'. Aber Mensch ist auch ein Prädikat. Es würde dann ein Prädikat auf ein anderes angewandt werden. Und das Wort 'Alle' wird auch nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund wird der Satz in anderer Form ausgedrückt: Wenn etwas ein Mensch ist, dann ist es auch sterblich. Mit anderen Worten: 2 1.1 Regeln für die Prädikatenlogik Für alle Objekte x gilt: ist x ein Mensch, dann ist x auch sterblich. In prädikatenlogischer Sprache: ∀x(M ensch(x) → Sterblich(x)) Der erste Schluss hat dann die Form ∀x(M ensch(x) → Sterblich(x)) M ensch(Sokrates) Sterblich(Sokrates) Das Zeichen ∀ ist der Allquantor. ∀xP (x) steht für 'Für alle x gilt: x hat die Eigenschaft P' Daneben wird noch der Existenzquantor ∃ verwendet. ∃xP (x) steht für 'Es gibt ein x mit der Eigenschaft P' Der erste Schluss hat allgemein die Form: ∀x(P (x) → Q(x)) P (s) Q(s) 1.1 Regeln für die Prädikatenlogik Regeln für Prädikatenlogik: 1. Aus ∀xP (x) folgt ∃xP (x) 2. Aus ∀xP (x) folgt P (s) für jedes Objekt s 3. Aus P (s) folgt ∃xP (x) für jedes Objekt s. 4. ¬∀xP (x) ist äquivalent zu ∃x¬P (x) 5. ¬∃xP (x) ist äquivalent zu ∀x¬P (x) 6. ∃x(P (x) ∨ Q(x)) ist äquivalent zu ∃xP (x) ∨ ∃xQ(x) 7. ∀x(P (x) ∧ Q(x)) ist äquivalent zu ∀xP (x) ∧ ∀xQ(x) Mit diesen Regeln lässt sich der Syllogismus beweisen: Es gilt ∀x(P (x) → Q(x)) und P (s). Regel 1 erzeugt aus der ersten Prämisse P (s) → Q(s) Aus P (s) und P (s) → Q(s) erhält man mit dem modus ponens das Ergebnis Q(s). 3 1 EINFÜHRUNG IN DIE PRÄDIKATENLOGIK 1.2 Beispiel Verwandtschaft Seien die folgenden Prädikate deniert: • V ater(x, y): x ist Vater von y • M utter(x, y): x ist Mutter von y • M aennlich(x): x ist männlich • W eiblich(x): x ist weiblich • V erheiratet(x, y): x und y sind verheiratet Es sollen nur Menschen als Objekte in Frage kommen. Drücken Sie folgendes in Prädikatenlogik aus: Jede männliche Person hat einen Vater. Jede Person hat einen Vater und eine Mutter. Jeder Mann hat Kinder. Jede Frau hat Söhne. Birgit und Sigrid sind Geschwister. Heinrich ist der Groÿvater von Barbara. Jeder Mann ist mit höchstens einer Frau verheiratet. Jede Frau ist mit mindestens einem Mann verheiratet. Wer nicht verheiratet ist, hat auch keine Kinder. Wer männlich ist, ist nicht weiblich, und umgekehrt. Denieren Sie die Prädikate • Sohn(x, y) • T ochter(x, y) • Grossvater(x, y) • Grossmutter(x, y) • Geschwister(x, y) • T ante(x, y) • Onkel(x, y) 1.3 Beispiele aus der Mathematik Kommutativgesetz der Addition: ∀x∀y(x + y = y + x) Dabei wird als Zeichen '=' verwendet. Es handelt sich dann um Prädikatenlogik mit Gleichheit. 4 1.3 Beispiele aus der Mathematik Assoziativgesetz der Addition: ∀x∀y∀z((x + y) + z = x + (y + z)) Denition von '|' (teilt): x|y :⇔ ∃z(z · x = y) Es gibt unendlich viele natürliche Zahlen: ∀x∃y(y > x) 0 ist die kleinste natürliche Zahl: ∀x(x ≥ 0) Denition der Primzahlen: prim(x) :⇔ x > 1 ∧ ∀y(y|x → (y = 1 ∨ y = x)) Übung: Drücken Sie folgendes für natürliche Zahlen aus: 1. für alle Zahlen x gröÿer 0 gilt: x ist verschieden von 2 · x 2. Es gibt keine Zahl, die gröÿer ist als sie selbst 3. Jede gerade Zahl gröÿer oder gleich 4 ist darstellbar als Summe von zwei Primzahlen 4. Es gibt unendlich viele Primzahlzwillinge (Primzahlzwillinge sind Primzahlen mit dem Abstand 2, z.B. 3 und 5, 5 und 7, 11 und 13 usw.) Übung: Drücken Sie folgendes für rationale Zahlen aus: 1. für jede Zahl x und y mit x < y gibt es eine Zahl z, die dazwischen liegt 2. Es gibt Zahlen ungleich 0, die beliebig dicht an 0 dran liegen 3. Jede Zahl x ist durch jede Zahl y 6= 0 teilbar 5