19.03.15 Kompetenzzentrum Pädiatrische Palliative Care Palliative Care Symptommanagement SCHMERZ PD Dr. Eva Bergsträsser Leitende Ärztin Onkologie und Palliative Care 8. Dattelner Kinderschmerztage 19.3.2015 Education Day Schmerzen in der Palliativversorgung – Beispiele aus der Onkologie – Stellenwert Schmerz in der Palliativversorgung – Onkologie – Nicht-Onkologie – Prinzipien der palliativen Schmerztherapie – WHO-Richtlinie – Änderung 2012 – Opioide – Beginn und Titrierung – Opioid-Rotation – Verabreichungsformen – Neuropathische Schmerzen 2 1 19.03.15 M. *05/2008 Rhabdomyosarkom (RMS) – Dx 05/2012 Metastasiertes RMS – Therapie nach CWS Protokoll – 07/2012 Wechsel auf Rezidiv-Protokoll bei fehlendem Ansprechen – 09/2012 Wechsel auf palliative Chemo (Gemcitabin und Docetaxel) – 06/2013 palliative Radiotherapie bei Einwachsen des Tumors in den Spinalkanal – Schmerzen – bis Ende August gutes Befinden “tollt umher” – dann plötzliche Verschlechterung 3 11.9. MRI – massivste Tumorprogredienz 13.9. Suprapubischer Katheter Rundtischgespräch zu Hause Einstellung Schmerztherapie Steigerung - Steigerung 1.10. Hausbesuch Tgl. Telefon 9.10. Verstirbt zu Hause – ganz friedlich 4 2 19.03.15 Diffus intrinsisches Ponsgliom A. *2009 – 10.10. kann nicht mehr laufen – 18.10. kein Stuhlgang, vermehrte Schläfrigkeit – 20.10. Bildgebung (MRI) mit deutlicher Tumorprogredienz – 20.10. stationäre Aufnahme – Hochdosierte iv Schmerztherapie – nach >24 Stunden langsame Beruhigung – 23.10. verstirbt im Beisein ihrer Eltern und Grosseltern Im Nachgespräch: – Kritik der Mutter – „ihr hättet meine Tochter früher aufnehmen müssen!“ Fazit: zur effizienten Schmerzkontrolle empfiehlt sich (Kurz-)Hospitalisation 5 Wie gut gelingt Palliative Care? Wolfe J. Symptoms and suffering at the end of life NEJM 2000 89% von 103 verstorbenen Kindern litten stark in ihrem letzten Lebensmonat Häufigste Symptome: • Schmerzen • Dyspnoe • Erschöpfung 6 3 19.03.15 Was wurde gelernt und verbessert? Wolfe et al. Easing of suffering – Is care changing? JCO 2008;26(10):1717-23 Verbesserung 2000 : 2008 • Vorausschauende Betreuung (advance care planning) • Frühere Dokumentation von REA Verordnungen Weniger Leiden – Schmerz: 66% versus 47% Weniger Kinder verstarben auf der Intensivstation • • Baseline = Cohort from 2000 7 Schmerzen bei Palliativpatienten – Problematik chronischer Schmerzen – Schmerzkomponenten (somatisch, viszeral, neuropathisch) häufig schwer zu trennen è multiple Mechanismen – Begriff „total pain“ (Cicely Saunders) 8 4 19.03.15 Prinzipien der Schmerztherapie - was ist mit der WHO-Schmerzleiter? • • • • Starke - sehr starke Schmerzen By the ladder By the clock mittelstarke By appropriate routeSchmerzen By the child leichte Schmerzen 9 Medikamentöse Schmerztherapie bei onkologischen und nicht-onkologischen Patienten – In der Onkologie häufig höchste Dosierungen von Opioiden – Kombinationstherapien sind die Regel und von grosser Bedeutung bei hohem Opioidbedarf – Hohe Individualität bzgl. Opioiden - Dosis und Wahl des Opioids – In der Neurologie Kombination mit Medikamenten gegen Spastizität/ Dystonien (alpha 2 Agonisten, Baclofen u.a.) 10 5 19.03.15 Opioide – Gemäss WHO Guideline (2012) Morphin weiterhin „firstline“ Opioid auch bei Kindern – Allerdings wird dies unter Klinikern kontrovers diskutiert. – Orales Morphin, Oxycodon und Hydromorphon bei Erw. gleichwertig1. – Breite Erfahrungen liegen mit den folgenden mu Opioiden vor: – Fentanyl – Oxycodon – Hydromorphon – Methadon – Neue Opioide: Tapentadol (zentral wirkend über mu Rezeptor und Norepinephrin Re-Uptake Inhibition) Schöne Übersichten: J Clin Oncol 2014;32:1662-70, Pediatr Drugs 2009;11(2):129-51 Zernikow et al. 1Caraceni et al. Is oral morphine still the first choice opiod...? J Pall Med 2011:25(5):402-9 11 Wie mit der Opioidtherapie starten? IMMER: Start mit kurzwirksamen Opioiden (v.a. bei kleinen, „Opioid-naiven“ Pat.) – Initiierung (langsam) für SI 4-6 (mittelstarker Schmerz) – Dosis-Wirkungskurve sehr individuell, deshalb vorsichtiger Beginn, v.a. bei „Opioid-naiven“ Patienten. – Startdosis Morphin (oder Aequivalent) 1-2mg/kg/24Std. po Bevorzugt: schnellwirksames Morphin p.o. alle 4 Stunden, vor dem Schlafen doppelte Dosis. Morphin Trpf. 2% (=20mg/ml; 1ml=20 Trpf; 1 Trpf = 1 mg) Sevredol Tbl. 10mg, 30mg – Reservedosis = 4-Std. Dosis max. 1x/Std. – Dosissteigerung um 30-50% bei ungenügender Wirkung 12 6 19.03.15 Titrierung (schnell) für SI 7-10 – Bolus iv (Peak nach ca 15 min) – Dosis Morphin iv ca 0,01-0,05 mg/kgKG – Erneute Beurteilung nach 15 min (incl. AF, Sedierung) – Bei unveränderten oder stärkeren Schmerzen gleiche Dosis +20% – Bei SI 4-6 gleiche Dosis – Wenn Schmerzen deutlich besser (SI 0-3) Berechnung PCA oder Dauerinfusion (Reservedosis entspricht etwa Stundendosis) 13 Umstellung auf retardierte Präparate Wann: erst wenn Schmerzen für Patient gut genug eingestellt – Klassisch: Morphin, Hydromorphon, Oxycodon – Aber auch: Fentanyl-Pflaster – Durchbruchdosis ist erneut die „4 Stundendosis“ – bzw. 5-15% der Tagesdosis, die i.d.R. max. 1x/Stunde gegeben werden sollte. – Bei Fentanyl-Pflaster Durchbruchdosis mit den kurzwirksamen Opioiden berechnen oder bei Jugendlichen mit Lolly oder Buccal-Tbl. Rescue-Dosis i.d.R. 4-Stundendosis oder 5-15% der Tagesdosis 14 7 19.03.15 Co-Medikation zu Opioden – Verstärkung der Wirkung / Dosiseinsparung (abhängig vom „Schmerzbild“) – Antidepressiva (trizyklisch, SRI) – Antikonvulsiva – Ketamin* (DTI 0.1-0.5 mg/kg/Std. – oral 0.25-1mg/kg/Dosis 3x/d*) – Vorbeugung und Behandlung von NW – Obstipation! – Naloxon Cave: Opioid-induzierte Hyperalgesie – Methylnaltrexon *Übersichtsartikel Ketamin in Cancer Pain: Pain Medicine 2013;14:1505-17 15 Neuropathische Schmerzen in der Palliation – Bei onkologischen Patienten 17%1 (v.a. Osteo- / Ewingsarkom) – Therapie: Basis Opioide + Antikonvulsiva (Gabapentin o. Pregabalin) ± Antidepressivum (Amitriptylin) ± Clonidin, ± Ketamin, ggf. Methadon – Gute Erfahrung mit Tramadol 1 Anghelescu et al Neuropathic pain referrals to multidisciplinary ped cancer pain service. Pain Manage Nurs 2014 16 8 19.03.15 Routen der Verabreichung von Opioiden – Klassisch: p.o., i.v., transdermal – Anders: intranasal (insb. Fentanyl), buccal (Fentanyl, Hydromorphon) und subcutan – Selten (v.a. bei onkologischen Patienten): epidurale Katheter, Neurolyse, Nerven- o. Plexusblockade, u.a. zur Applikation von Lokalanästhetika, Baclofen , Opioiden u.a.1 1 Literaturreview: Regional anesthesia approaches_J Pain Symptom Manage 2013;46(6)859-73 17 6 Monate alter Knabe mit SMARD Typ 1 – CPAP Beatmung über Maske whd. 4 Monaten – darunter Unruhezustände, Atemnot – schmerzhafte Druckstellen subcutane Verabreichung von Analgetika / Sedativa 18 9 19.03.15 Kein Ceiling-Effekt bei mu-Opioid Analgetika Ceiling-Effekt heisst: höhere Dosis führt nicht zur Wirkungssteigerung – Gilt nicht für Opioide AUSSER: Tramadol, Nalbuphin und (Buprenorphin)* und alle NichtOpioide * Gemäss 2. Auflage Palliativversorgung Zernikow (S. 117) kein Ceiling-Effekt Opioid-Rotation 19 Bei ungenügender Wirkung Bei zu starken Nebenwirkungen Was muss ich wissen? – Äquivalente Dosis des Opioids, auf das ich wechseln möchte – Enddosis des neuen Opioids wird um ca 30% reduziert – Bei Wechsel auf Methadon Dosisreduktion von 75% – Bei Wechsel auf Fentanyl nur geringe Dosisreduktion (nächst kleinere Pflastergrösse 20 10 19.03.15 Analgetische Potenz der Opioide Cave: Opioid Analgetische Potenz bei parenteraler Applikation Tramadol 0.1 Nalbuphin 0.7 Morphin 1 Hydromorphon 1.5-2 Methadon 1-3 Fentanyl 100 analgetische Potenz bezieht sich auf Einzeldosen und gilt nicht bei Langzeittherapie! 21 22 11 19.03.15 Umrechnung bei auf eine andere Arzneiform Wirkstoff oral rektal Fentanyl Morphin HCl 1 Tramadol 1 transdermal subkutan 1 1 1 0.33 0.33 1 intravenös 0.66 23 Therapierefraktäre Schmerzen – V.a. in der Onkologie, aber auch bei Epidermiolysis bullosa Patienten – Definition (s.a. Zernikow Palliativversorgung) – Unerträgliche Dauerschmerzen oder Schmerzattacken – Ursachen somatisch und/oder psychosozial (Aufklärung) – Pathologische Frakturen (Onkologie) – Neuropathische Schmerzen – Interventionen – Kopfschmerzen bei Hirndruck 24 12 19.03.15 Take home – Schmerzen bleiben Thema in der PPV – Schmerzeinstellung ggf. stationär – Kombinationen nutzen – Mut zur Opioid-Rotation 25 13