Impfungen bei Immunsuppression, spez. bei onkologischen Patienten Volker Schuster, Leipzig Stand 21.9.2012 Impfungen bei immunsupprimierten Patienten Primäre Immundefekte Sekundäre Immundefekte HIV-Infektion (Z. n.) Chemotherapie Pharmakologische Immunsuppression Organtransplantation Stammzelltransplantation höheres Lebensalter Was kann passieren, wenn ich einen Patienten mit Immundefekt versehentlich mit einem Lebendimpfstoff (MMR, Varizellen) impfe? Akzidentelle Rotavirus-Impfung bei Immundefekt (SCID) Rotavirus-Impfung bei SCID (3-9 Mo; n=9): u.a. prolongierter Durchfall, keine Todesfälle Bakare N, et al. Severe combined immunodeficiency (SCID) and rotavirus vaccination: reports to the Vaccine Adverse Events Reporting System (VAERS). Vaccine. 2010 Sep 14;28(40):6609-12. Akzidentelle MMR-Impfung bei Immundefekt MMR-Impfung bei partiellem DiGeorge-Syndrom (CD4+ T-Zellen > 400 Zellen/mm3): Serokonversion 93%, gute Verträglichkeit Vaccine. 2005 Feb 25;23(14):1668-71., Pediatrics. 2003 Oct;112(4):e325. MMR-Impfung bei einem 21 Mo alten Knaben mit schwerem kombiniertem Immundefekt (CD8+ T-Zellen 1/µl, Serum-IgG ): nach 8,5 Monaten measles inclusion-body encephalitis (MIBE) Clin Infect Dis. 1999 Oct;29(4):855-61. MMR-Impfung bei Knaben mit angeborenem zellulärem Immundefekt: Fatale disseminierte Masern J Pediatr. 1994 Feb;124(2):273-6. Schuster 3/2005 Akzidentelle MMR-Impfung bei HIVInfektion MMR-Impfung bei 1 J altem HIV+ Knaben (CD4+ Zellzahl 370/µl,18%): nach 10 Tagen Lymphadenopathie, HSM und Exanthem; nach 1 Woche Entlassung Vaccine. 2001 Jul 16;19(28-29):3816-9. MMR-Impfung bei einem 21-jähringen HIV+ Mann (CD4+ Zellzahl: 10/µl): fatal-progressive Riesenzell-Pneumonie MMWR Morb Mortal Wkly Rep. 1996 Jul 19;45(28):603-6. Akzidentelle Varizellenimpfung bei HIVInfektion „Akzidentelle“ Varizellenimpfung bei vorher nicht bekannter HIV-Infektion (Gesamt-Lymphozyten 800/µl, CD4+ T-Zellen 8/µl): Disseminierter, schwerer, aber behandelbarer Verlauf. Pediatrics. 2001 Aug;108(2):E39. Akzidentelle Varizellenimpfung bei Immundefekt „Akzidentelle“ Varizellenimpfung bei vorher nicht bekanntem zellulärem Immundefekt (ADA-SCID; CD4+ T-Zellen 73/µl, 11%; CD8 + Zellen 68/µl, 10%, Serum-Ig normal): Disseminierter, schwerer, aber behandelbarer Verlauf. Pediatr Infect Dis 19:764-6, 2000 Was muss ich tun, wenn ich einen Patienten mit primärem Immundefekt oder sonstiger schwerer Immunsuppression versehentlich mit einem Lebendimpfstoff (MMR, Varizellen) geimpft habe? Schnellstmöglich Gabe von Immunglobulinen (Varitect® oder polyvalent) → führt zur Neutralisierung des Impfvirus Bei VZV-Impfung ggfs antivirale Therapie (Aciclovir u.a.) Impfungen bei primären Immundefekten Monatsschr Kinderheilkd 2011;159:451–460 Monatsschr Kinderheilkd 2009 · 157:767–781 Impfungen nach Chemotherapie Totimpfstoffe: unbedenklich, spezifische Immunantwort aber unsicher (Impfantikörper bestimmen) Impfungen möglichst erst 3 Monate nach Chemotherapie Lebendimpfstoffe: grundsäzlich kontraindiziert. Nach Abschluss der vollständigen onkologischen Therapie – einschliesslich Dauertherapie und Bestrahlung – ist eine Impfung bei Patienten in Remission (12 Monate) möglich, wenn es die Lymphozytenzahl (> 1.500/μl) zulässt. Wichtig: Kontaktpersonen impfen! 10.11.2005 Epidemiologisches Bulletin/Sonderdruck Robert Koch-Institut Impfungen bei „milder“ immunsuppressiver Therapie (z.B. Autoimmunerkrankungen) vor Beginn einer langfristigen Immunsuppression sollten ausstehende Impfungen komplettiert bzw. aufgefrischt werden. Totimpfstoffe: unbedenklich, ggfs. nur suboptimale Immunantwort, daher sollte eine erneute Impfung nach Beendigung der Therapie erwogen werden. Lebendimpfstoffe: meist kontraindiziert, frühestens 3 Monate nach Ende der iimmunsuppressiven Therapie (z.B. Methotrexat, Azathioprin, Etanercept etc) Keine Kontraindikation fur Lebendimpfstoffe stellen dar Topische Steroidtherapie/lokale Steroid-Injektionen, inhalative Steroid-Therapie Niedrige systemische Kortisondosen (< 2 mg/kg/Tag Prednison) Bei hohen systemischen Kortisondosen (≥ 2 mg/kg/Tag Prednison): – Behandlungsdauer < 14 Tage Impfung mit Lebendimpfstoffen unmittelbar nach Beendigung der Therapie moglich. – Behandlungsdauer > 14 Tage Impfung mit Lebendimpfstoffen 1 Monat (Mindestabstand) nach Beendigung der Therapie moglich. Epidemologisches Bulletin 2005; (39):353-364.Mit Aktualisierungen vom Höfgen© Universitätsmedizin Leipzig (2011): iik Frankfurt 27.-29.10.2011 November 2005 Besonderheiten beim Impfen von Organtransplantierten Patienten Lebenslange Immunsuppression Impfung führt evtl zu Transplantatabstossung Notwendige Impfungen noch vor Organtransplantation durchführen (ggfs. verkürzter Impfplan, bis ≥ 1 Monat vor Eingriff) Kontaktpersonen impfen Totimpfstoffe: unbedenklich, zT eingeschränkte Immunantwort (Impfantikörper bestimmen) Lebendimpfstoffe: (meist) kontraindiziert, ggfs individuelle Entscheidung (abhängig von Immunstatus) Impfungen bei Organtransplantation Immunkompetente Personen organtransplantierte Personen Transplantation Reviews 22 (2008) 274–284 http://www.theattleborozone.com/system/images/cartoon_vacc_baby_1_CA_all-n-one-vaccine.jpg ?? RKI, Epidemiologisches Bulletin, Sonderdruck 10.11.2005 indirekte Protektion immundefizienter Kinder/Erwachsener • Konsequente Impfung der Kontaktpersonen unter Vermeidung potentiell gefährlicher Impfstoffe • Immer die Indikationen für zusätzliche Impfungen „im Auge behalten“ (Influenza, Pneumokokken, Meningokokken) Was passiert „immunologisch“ nach einer Stammzelltransplantation? Kinder, n = 74 Erwachsene, n = 78 Monate nach Stammzelltransplantation „Erholung“ der CD4+ T Helferzellen nach allogener Stammzelltransplantation Biology of Blood and Marrow Transplantation 14:54-58 (2008) Impfungen nach Stammzelltransplantation Bone Marrow Transplantation (2008) 42, S77–S81 Vaccine 29 (2011) 2825–2833 Vaccine 29 (2011) 2825–2833 Take home message Impfungen bei Immunsuppression besonders wichtig Totimpfstoffe immer möglich, evtl. eingeschränkte Immunantwort (→ Booster), cave Transplantatabstossung Lebendimpfstoffe (bei schwerer Immunsuppression) kontraindiziert Kontaktpersonen impfen