Blut und Blutgerinnung - Morbus Osler Selbsthilfe

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Jahrestagung 2016
Morbus Osler Selbsthilfe e.V.
Blut und Blutgerinnung
In Frage und Antwort
1. Was ist Blut und wie wird es gebildet?
Priv.-Doz. Dr. med. Alexander Röth
Klinik für Hämatologie
Westdeutsches Tumorzentrum
Universitätsklinikum Essen
[email protected]
www.pnh-forum.de
Folie 2
Blutzusammensetzung
Blutbildung
Blutstammzelle
Blut
BlutRote Blutkörperchen plättchen
Folie 3
Folie 4
Abwehrzellen
Adapted from Marieb EN. Human Anatomy & Physiology. 7th ed.; 2007
Knochenmark
Definition Anämie
„Blutarmut“: Verminderung der
2. Was ist eine Anämie?
Hämoglobinkonzentration und/oder der
Erythrozytenzahl unter den Bereich einer
vergleichbaren Referenzpopulation
(„Normbereich“)
Folie 5
Folie 6
1
Blutnormbereiche
Anämiebeschwerden
Definition WHO 2011

Symptome einer Anämie sind bedingt durch:
• Verminderte periphere Sauerstoffversorgung
• Kompensatorisch gesteigertes Herzminutenvolumen
Anämie
• Ggf. spezifische Symptome der Grunderkrankung
Keine Anämie
mild
moderat
schwer
Kinder
6 - 59 Monate
5 - 11 Jahre
12 - 14 Jahre
≥ 11.0
≥ 11.5
≥ 12.0
10.0 – 10.9
11.0 – 11.4
11.0 – 11.9
7.0 – 9.9
8.0 – 10.9
8.0 – 10.9
< 7.0
< 8.0
< 8.0
Frauen
Schwangere
≥ 12.0
≥ 11.0
11.0 – 11.9
10.0 – 10.9
8.0 – 10.9
7.0 – 9.9
< 8.0
< 7.0
Männer
≥ 13.0
11.0 – 12.9
8.0 – 10.9
< 8.0

WHO. Haemoglobin concentrations for the diagnosis of anaemia and assessment of severity. Vitamin and Mineral Nutrition Information System. Geneva, World Health Organization, 2011 Folie
7
WHO/NMH/NHD/MNM/11.1) (http://www.who.int/vmnis/indicators/haemoglobin. pdf, accessed 20.05.2013).
Typische Symptome
• Blässe
• Leistungsabfall, Konzentrationsschwäche, Depressionen, Müdigkeit,
schwere Beine, …..
• (Belastungs-) Dyspnoe, Schwindel, Ohrensausen, Tachykardie, Angina
pectoris, Sehstörungen...
Gelegentlich asymptomatisch und nur
zufällig festgestellte Erniedrigung des Hämoglobinwerts!
Folie 8
Anämieursachen
Bildung
Abbau
Knochenmark
Milz
3. Welche Bedeutung hat Eisen?
n
n
Bildung
Bildung
Abbau
Abbau
Normale Bildung,
gesteigerter Abbau/Verlust
Bildungsstörung,
normaler Abbau/Verlust
Folie 9
Folie 10
Hämoglobin
Erythropoese
1
O2
BFU-ERYTHROID
EPO
EPO-Rezeptor
STAMMZELLE
CFU-ERYTHROID
Gesamtdauer
der Erythropoese
ca. 23 Tage
Fe2+
EPO-Abhängigkeit
10-13 Tage
Eisen-Abhängigkeit
3-4 Tage
2
PRO-ERYTHROBLAST
Häm-Eisen
3
Hämgruppe
Das Molekül zum Atmen!
Fe(II)
TransferrinRezeptor
ERYTHROZYT
RETIKULOZYT
Folie 11
Apotransferrin
Transferrin
ERYTHROBLAST
2
Eisenhaushalt
ABSORPTION
REGULIERUNG
1-2 m g / d
25 m g / d
~ 1000 mg
REZYKLIERUNG
3 mg
TRANSPORT
SPEICHERUNG
Total-Körpereisen
3000 - 4000 mg
~ 300 mg
~ 600 mg
~ 300 mg
VERWENDUNG
1-2 m g / d
VERLUST
~ 1800 mg
Folie 13
Symptome eines Eisenmangels



4. Wie kann sich ein Eisenmangel
bemerkbar machen?







Folie 15
Müdigkeit, Fatigue, Verminderte Leistung und Kraft
Unruhige Beine (Restless Legs)
Verminderte kognitive Funktion mit Lern- und Konzentrationsschwäche
Beeinträchtigte Thermoregulation
Haarausfall
Pica-Symptomatik: Essen von Substanzen, die nicht zur Nahrung
gehören wie: Eis (Pagophagie (50%), bis zu 9 kg/Tag), ungewöhnliche
Nahrung (knusprig), Lehm, Steinstaub etc.
Schädigung epithelialer Gewebe: Brüchige Nägel, Hohlnägel
(Koilonychie), Mundwinkelrhagaden (Cheilosis), atrophe Glossitis,
postcricoide Membran (Plummer-Vinson-Syndrom)
Symtome der den Eisenmangel verursachenden Störung
Mikrozytose der Erythrozyten
Folie 16
Anämie
Eisenmangelanämie

Eisenmangelanämie
Eisenmangel
• Ferritin < 20 µg/l

Eisenmangelanämie
• Hb < 9 g/dl
• MCV
• MCH
Typisches Blutbild:
Hämoglobin
7,5 g/dl
MCV
64 fl
Leukozyten
7.500 /µl
Thrombozyten
530.000 /µl
• Oft Thrombozyten

Häufigste Form der Anämie weltweit
(ca. 80%, ca. 80% Frauen)

Abklärung der Ursache des Eisenmangels!
Folie 17
Folie 18
Normalbefund
Eisenmangelanämie
3
Therapie der Eisenmangelanämie

Immer Eisen substituieren
• Optimale Ernährung ist nicht ausreichend
5. Wie kann man einen Eisenmangel
behandeln?

Eisenmangelanämie bei gesundem Patienten
• Orale Eisengabe sinnvoll und effizient

Intravenöse Substitution
• Chronischer Blutverlust
• Compliance/Unverträglickeit
• Begleiterkrankungen (ACD)
• Malabsorption (Störung des Darms)
Folie 19
Folie 20
Intravenöse Eisentherapie
Basisregeln oraler Eisentherapie

Einnahme nüchtern effizienter
• 1 Tbl nüchtern = 3 Tbl während bzw. zu den Mahlzeiten
• Häufiger Nebenwirkungen (Magenprobleme, Durchfall/Verstopfung)


Intravenöse Eisengabe ist heute sicher und einfach

Berechnung der gesamten Eisendosis zu Beginn!
• Toxizität von zuviel Eisen
Nahrung, Kaffee, Tee, Milch hemmen die Eisenabsorption
• Kein Mechanismus den Eisenüberschuss zu eliminieren
• Orale Eisengabe sinnvoll und effizient
• Falls berechnete Dosis > 3000 mg  Berechnungsfehler wahrscheinlich

Eisenaufnahme bei schwerem Eisenmangel effizienter

Auffüllen der Eisenreserven benötigt 3-6 Monate!

100-200 mg elementares Eisen (Fe2+)/Tag
• Bei Eisenmangel ohne Anämie, Formel nicht brauchbar
(~ 500 mg Reserveeisen)
Gesamteisendefizit [mg] =
(15 – aktueller Hb [g/dl]) x Körpergewicht [kg] x 3
• Nur jeden 2. Tag (Mo, Mi, Fr)?
• Bei Nebenwirkungen ggf. Dosis reduzieren
Folie 21
Folie 22
• Jedes Präparat hat seine Vor- und Nachteile
Überwachung der Eisentherapie
Intravenöse Eisentherapie

Präparat
Maximale
Tagesdosis
Testdosis
Anaphylaxie
Nebenwirkungen
Eisen-Gluconat
(Ferrlecit®)
EisenSaccharose
(Venofer®)
EisenCarboxymaltose
(Ferinject®)
Dextran Eisen
(CosmoFer®)
62,5 mg
Infusion 20-30
Min
200 mg
Infusion 10 Min
1x / Woche
1000 mg
Infusion 15 Min
1 x / Woche
Totaldosis
möglich
Nein
Nein
Nein
Ja
Selten
Praktisch keine
Praktisch keine
Selten (0,6%)
Hypotonie
Kopfschmerzen
Nausea
Muskelkrämpfe
Kopfschmerzen
GI-Nebenwirkungen
Pruritus
Cave:
Überdosierung
Urtikaria,
Fieber, Nausea,
Erbrechen,
Arthralgien,
Muskelkrämpfe
Kopfschmerzen
Blutdruckveränderungen
Nausea
Kurzfristiges Ziel (5-10 Tage)
• Aufnahme & Einbau des Eisens in das Hämoglobin
• Insbesondere bei oraler Therapie
• Normalisierung Ret-He > 28 pg innerhalb von 5-10 Tagen

Mittelfristiges Ziel (4 Wochen)
• Korrektur der Anämie (Hb)
• Hb-Anstieg 1-2 g/dl innerhalb von 4-6 Wochen

Langfristiges Ziel (3-6 Monate)
• Auffüllen von Eisenreserven
• Normalisierung von Ferritin 100-150 µg/l und sTfR
Folie 23
Folie 24
4
Eisenmangel(-anämie) bei M. Osler
Eisenmangel(-anämie) mit häufigstes Symptom
Ursache: Nasenbluten, Blutungen im Magendarmtrakt
 Inadäquate Eisenversorung führt über Mangel zur Anämie
 Blutbild- (Retikulozyten!) und Eisenparameter (Ferritin!)
sollten überwacht werden
 Behandlung der Blutungen, Tranexamsäure (3 x 1 gr)
 Orale Eisengabe, bei starker Blutung (>60 ml/d)
intravenöse Eisengabe
 Gabe von Folsäure (5 mg/d), ggf. auch Vitamin B12 nach
Spiegel
 Bluttranfusionen bei bedrohlichen Blutungen
 Vorsorgliche Hepatits-B-Impfung


Folie 25
6. Wie funktioniert Gerinnung?
Folie 26
Gerinnung-Hämostaseologie
Blutgerinnung
3 Phasen
 Primäre Blutstillung (Hämostase):
Bildung eines Thrombozytenpropfes: Wechselwirkung zwischen
Thrombozyten und Kollagen/Tissue-Factor durch Vermittlung des
„Lehre vom Stehen und Steckenbleiben des Blutes“
von Willebrand-Faktors  Adhäsion und Aggregation 
Gefäßabdichtung
Rudolf Marx 1953
 Sekundäre Blutstillung (Hämostase):
Stabilisierung des Thrombozytenaggregates durch Bildung eines
Fibrinnetzes
Neu: „Lehre der Regulation und Dysregulation
des Hämostasesystems“
Folie 27
 Auflösung des Blutgerinnsels (Fibrinolyse):
Auflösung des Fibrinnetzes, Wiederherstellung des Durchgängigkeit
Folie 28
Blutgerinnung und Blutungsneigung
Erkrankung der Gefäßwand
Von-WillebrandSyndrom
7. Wie kann es zu einer Blutungsneigung kommen?
Folie 29
Mangel an
Gerinnungsfaktoren
(Hämophilie)
Mangel an Plättchen
Plättchenfunktionsstörung
Folie 30
Luxembourg B et al. Dtsch Arztebl. 2007; 104(21):A 1489-98.
5
Gerinnungshemmung durch Medikamente
Hauptwirkung
 Phenprocoumon (Marcumar), Warfarin (Coumadin)
8. Können Medikamente die Gerinnung
beeinflussen?
 Heparine, Heparinoide und Pentasaccharide
 Direkte Thrombininhibtoren (Argata, Dabigatran)
 Orale Faktor Xa-Inhibitor (Xarelto, Eliquis)
 Fibrinolytika (Urokinase, Actilyse)
 Thrombozytenaggregationshemmer (ASS, Plavix/Iscover)
Folie 31
Folie 32
Gerinnungshemmung durch Medikamente
Gerinnungshemmung durch Medikamente
Nebenwirkung
Nebenwirkung
 ASS (Aspirin)
 Bestimmte Antibiotika (z.B. Piperacillin)
 Diclofenac (Voltaren)
 Antiepileptika (z.B. Valproinsäure)
 Ibuprofen
 Antidepressiva (z.B. Sertalin)
 Indometacin
 Antiarrhythmika (z.B. Verapamil)
 Bestimmte Infusionslösungen (z.B. Dextrane, HAES)
 Chemotherapeutika
Nicht: Paracetamol, Metamizol (Novalgin), Tramadol (Tramal)
Folie 33
Folie 34
Gerinnungshemmung durch Medikamente
Nebenwirkung
 Enzympräparate (Bromelain, Papain)
 Ginkgo-Präparate
9. Können nur Medikamente die
Gerinnung beeinflussen?
 Knoblauch-Präparate
Grundsätzlich: Viele Präparate der Phytotherapie oder TCM
Folie 35
Folie 36
6
Gerinnungshemmung durch Lebensmittel
Gerinnungshemmung durch Lebensmittel
Folie 37
Folie 38
HNO kompakt. 2008; 16:207-8.
Gerinnungsprobleme bei M. Osler
10. Welche Rolle spielt die Gerinnung
beim M. Osler und ist auch eine
Blutverdünnung möglich?

Nicht nur Blutung! Auch Thrombosen/Embolien möglich!

Eisenmangel
kann
Thromboseneigung
begünstigen
(FVIII)

Bei Thrombosen sollte eine Blutverdünnung erfolgen
(Dauer?)

Bei Schlaganfall/Herzinfarkt sollten zunächst die übliche
Blutverdünnung
(unabhängig
von
der
Erkrankung)
erfolgen
Folie 39
Folie 40
Gerinnungshemmung bei M.Osler?
Gerinnungshemmung bei M.Osler?
 Große Variation der Blutungskomplikationen beim Einsatz
von Gerinnungshemmer bei M.Osler!
 Niedrigdosierte Gerinnungshemmer eher günstiger (z. B.
ASS 50/75/100 mg vs. 300 mg)
 Somit keine absolute Kontraindikation!
 Einsatz nach Abwägung der Bedeutung der Indikation
und Verlauf (individuelle Entscheidung)
Folie 41
n=973
Folie 42
Devlin HL et al. N Engl J Med. 2013; 368:876-8.
Devlin HL et al. N Engl J Med. 2013; 368:876-8.
7
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