110-114.qxd 06.09.2006 10:45 Seite 110 ORIGINALBEITRAG D. Kaiser1, V. Neumeister2, L. Stößer3, G. Hetzer1 Fluoridkonzentration im Speichel und in der Plaque nach Verzehr fluoridsalzhaltiger Speisen In die Studie waren 15 freiwillige Probanden im Alter zwischen 19 und 62 Jahren einbezogen. Die Fluoridkonzentrationen im Speichel und in der Plaque wurden an fünf verschiedenen Tagen bestimmt, nachdem die Probanden fluoridsalzhaltige Mahlzeiten (Spaghetti – U1, Reis – U2, Kartoffelbrei – U3) oder fluoridiertes Trinkwasser mit 1 ppm F (U4) konsumiert oder eine MFP-Zahnpaste mit 1000 ppm F (U5) benutzt hatten. Proben von unstimuliertem Speichel und interdentaler Plaque wurden jeweils vor Versuchsbeginn sowie nach 5, 30 und nach 60 Minuten gesammelt. Die Basiswerte der Fluoridkonzentrationen lagen im Speichel bei 0,033 ± 0,002 ppm F, in der Plaque bei 5,01 ± 0,03 ppm F. Im Speichel fanden sich fünf Minuten nach dem Konsum der Nahrungsmittel oder dem Zähneputzen signifikant erhöhte Messwerte (U1, U2, U3: 0,13 ± 0,03 ppm F; U4: 0,15 ± 0,03 ppm F; U5: 1,3 ± 0,39 ppm F). Auch nach 30 Minuten waren die Fluoridkonzentrationen noch signifikant erhöht. In allen Fällen wurden die Basiswerte nach 60 Minuten wieder erreicht. In den Plaqueproben zeigte sich ein gleiches Verlaufsmuster. Die Fluoridkonzentrationen nach dem Zähneputzen (U5) unterschieden sich signifikant von denen nach dem Konsum der Speisen bzw. des Trinkwassers (U1 bis U4). Dagegen zeigte sich beim Vergleich der Speisen unter- 1 2 3 110 Abteilung für Kinderzahnheilkunde, Universitätsklinikum Dresden Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Universitätsklinikum Dresden Poliklinik für Präventive Zahnheilkunde, FriedrichSchiller-Universität Jena einander sowie der Speisen mit dem Trinkwasser, dass nach deren Verzehr keine signifikanten Unterschiede der Fluoridkonzentrationen in Speichel und Plaque auftraten. Die Aufnahme fluoridsalzhaltiger Speisen führt also, ähnlich wie der Konsum fluoridierten Trinkwassers über einen Zeitraum von etwa einer Stunde zu erhöhten Fluoridkonzentrationen im Speichel und in der Plaque. Schlüsselwörter: Fluoride, Speichel, Plaque, Speisesalzfluoridierung Einleitung Die Verwendung fluoridierten Speisesalzes gilt als bewährte und international anerkannte kollektive kariespräventive Maßnahme [14]. In Deutschland ist Jodsalz mit Fluorid seit 1991 als Haushaltsalz zugelassen. Sein Marktanteil betrug Ende 2005 66,9 %. Zur systemischen Fluoridaufnahme über fluoridiertes Speisesalz bzw. zur Fluoridausscheidung im Urin liegen zahlreiche Untersuchungsergebnisse vor [9, 15]. Seit geraumer Zeit ist jedoch bekannt, dass die präventive Wirksamkeit des Fluorids vor allem auf lokalen Effekten in der Mundhöhle beruht [5]. Ständig leicht erhöhte Fluoridkonzentrationen fördern die Remineralisation und hemmen die Demineralisation des Zahnschmelzes. Wie hoch die Fluoridkonzentration im Speichel sein muss, um die Remineralisation zu fördern, lässt sich jedoch schwer beziffern, weil diese Balance zwischen De- und Remineralisation sehr stark von den jeweiligen Milieubedingungen in der Mundhöhle beeinflusst wird [8]. Bei In-vitro-Untersuchungen gelang es, mit Fluoridkonzentra© Deutscher Ärzte-Verlag, Köln tionen unter 0,1 ppm die Remineralisation initialer Schmelzläsionen zu fördern [3, 4, 10]. In klinischen Vergleichsstudien zeigte sich, dass kariesfreie Kinder, unabhängig vom Fluoridgehalt des örtlichen Trinkwassers mit ≥ 0,04 ppm F höhere Speichelfluoridkonzentrationen aufweisen als Kinder mit Karies (≤ 0,02 ppm F) [16]. Beim Gebrauch fluoridierten Speisesalzes kommt es während der Mahlzeiten zu einem direkten Kontakt des Fluorids mit Plaque und Speichel. Danach sind, ähnlich wie bei Verwendung anderer fluoridhaltiger Kariespräventiva, über einen bestimmten Zeitraum erhöhte Fluoridkonzentrationen in der Mundhöhle zu erwarten. Dazu liegen bislang jedoch nur wenige Daten vor [1, 12]. Ziel dieser Studie war deshalb zu prüfen, wie sich der Verzehr unterschiedlicher Speisen, die mit fluoridiertem Salz zubereitet wurden, auf die Fluoridkonzentration im Speichel und in der Plaque auswirkt. Diese Daten sollten mit der Fluoridclearance in der Mundhöhle nach dem Zähneputzen mit einer Fluoridzahnpaste sowie nach dem Spülen mit fluoridiertem Trinkwasser verglichen werden. Probanden, Untersuchungsmethoden Probandenauswahl An der Studie nahmen 15 gesunde weibliche Probanden im Alter zwischen 19 und 62 Jahren teil. Alle Teilnehmer gehörten zum Personal des Universitätsklinikums und hatten ein saniertes Gebiss. Sie hatten zuvor ihre freiwillige Teilnahme an der Studie erklärt. Von allen Probanden wurde einmalig eine Fluoridanamnese erhoben. Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 28 (2006) 3 110-114.qxd 06.09.2006 10:45 Seite 111 D. Kaiser et al.: Fluoridkonzentration im Speichel Information, Einverständniserklärung, Fluoridanamnese der Probanden ➞ Vorversuche ➞ V1 ➞ U1 Spaghetti ➞ Z1 ➞ V2 ➞ U 2 Reis ➞ Z2 ➞ V3 ➞ U 3 Kartoffelbrei ➞ Z3 ➞ V4 ➞ U 4 Trinkwasser ➞ Z4 ➞ V5 ➞ U 5 Zahnpaste V1 bis V5: Vortag eines Untersuchungstages, 24 Stunden ohne Mundhygiene U1 bis U5: Untersuchungstage, Messung der Fluoridkonzentration im Speichel und in der Plaque nach dem Verzehr von Spaghetti, Reis, Kartoffelbrei, Spülen mit fluoridiertem Trinkwasser (1 ppm F) und nach Zähneputzen (1000 ppm F-Zahnpaste) Z1 bis Z4: Zwischenzeiten: ≥ 24 Std. mit üblichen Zahnputz- und Ernährungsgewohnheiten Abbildung 1 Untersuchungsablauf Figure 1 Study design Vorversuche Anhand der Ergebnisse einer Reihe von Vorversuchen wurden Untersuchungsbedingungen und Untersuchungsablauf festgelegt. Zunächst wurde bei vier Probanden die Dauer der Erhöhung der Fluoridkonzentration im Speichel und in der Plaque geprüft. Diese Messungen erfolgten vor Untersuchungsbeginn (Basiswert), sowie fünf, 30, 60, 90 und 120 Minuten nach Verzehr fluoridsalzhaltiger Speisen, fluoridierten Trinkwassers (1 ppm F) und nach dem Zähneputzen mit Fluoridzahnpaste (Monofluorphosphat, 1000 ppm F). Es zeigte sich, dass die Ausgangswerte stets nach 60 Minuten wieder erreicht waren. Dementsprechend wurden die Messintervalle für die Hauptuntersuchung festgelegt (Basiswert, 5, 30 und 60 Minuten). In einem weiteren Versuch mit vier Probanden wurde gezeigt, dass nach dem Konsum von Speisen, die mit einem nicht fluoridierten Salz zubereitet waren, nach fünf, 30 und nach 60 Minuten gegenüber dem Basiswert keine erhöhten Fluoridkonzentrationen im Speichel und in der Plaque auftraten. Außerdem wurde wiederum bei vier Probanden nach dem Verzehr einer fluoridhaltigen Speise über einen Zeitraum von 60 Minuten die Fluoridkonzentration in der interdentalen Plaque des Ober- und Unterkiefers bzw. der rechten und linken Kieferseite verglichen. Es fanden sich jeweils keine signifikanten Unterschiede zwischen den Entnahmestellen und auch nicht im interindividuellen Vergleich. Die Plaquemengen waren jedoch im Unterkiefer etwa dreimal so groß wie im Oberkiefer. Um genügend Plaque gewinnen zu können, wurde deshalb in der Hauptuntersuchung auf die Plaqueentnahme im Oberkiefer verzichtet und stattdessen die Plaque aus zwei Interdentalräumen des Unterkiefers zu jeweils einer Probe zusammengefasst. Schließlich wurden im Rahmen der Vorversuche bei zehn Probanden auch die Fluoridkonzentrationen im Speichel und in der Plaque nach sieben Tagen fluoridarmer Ernährung (Verzicht auf Schwarztee, Mineralwasser) und dem Zähneputzen mit einer fluoridfreien Zahnpaste bestimmt. Diesem Untersuchungszeitraum ging bei jedem Probanden eine professionelle Zahnreinigung voraus. Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 28 (2006) 3 Untersuchungsablauf Die Messungen für die Hauptuntersuchungen wurden an fünf verschiedenen Tagen (U1 bis U5) jeweils morgens durchgeführt (Abb. 1). Die Probanden wurden gebeten, am jeweiligen Vortag (V1 bis V5) nur morgens die Zähne zu putzen, damit für die Messungen eine 24 Stunden alte Plaque zur Verfügung stand. Außerdem sollten die Teilnehmer am Morgen vor den Untersuchungen noch nichts gegessen oder getrunken haben. Andere Auflagen hinsichtlich der Ernährung wurden nicht erteilt, um realitätsnahe Ergebnisse zu erhalten. Die Bestimmung der Fluoridkonzentrationen erfolgte im unstimulierten Speichel und in der interdentalen Plaque (als Basiswert, sowie nach 5, 30 und 60 Minuten) nach dem Verzehr von Spaghetti (U1), Reis (U2), Kartoffelbrei (U3), nach dem Spülen mit fluoridiertem Trinkwasser (1 ppm F) (U4) sowie nach dem Zähneputzen mit Fluoridzahnpaste (Monofluorphosphat 1000 ppm F) (U5). Die Probanden kauten jeweils zwei Minuten lang eine Speiseportion (Esslöffel), die danach geschluckt wurde, spülten über zwei Minuten mit dem Wasser, was anschließend auch geschluckt wurde und putzten zwei Minuten die Zähne mit einer fabrikneuen Zahnbürste. Nach dem Zähneputzen wurde einmalig mit 10 ml destilliertem Wasser kurz ausgespült. Die Speisen für alle Probanden wurden jeweils am Vorabend immer von derselben Person unter Verwendung fluoridierten Speisesalzes zubereitet. Dazu wurde ein Liter Leitungswasser (0,25 ppm F) mit einem Teelöffel fluoridierten Speisesalzes (Bad Reichenhall, 250 ppm F) und 125 g Spaghetti bzw. Reis zehn Minuten lang gekocht. Der Kartoffelbrei wurde aus einem Halbfertigprodukt unter Zugabe von einem Liter Leitungswasser und einem Teelöffel fluoridierten Speisesalzes zubereitet. So wurden ähnliche Fluoridkonzentrationen in den Speisen erreicht. Die Speisen wurden so zubereitet, dass sie wohlschmeckend waren. Das fluoridierte Trinkwasser wurde durch Auflösung von 1 mg Fluorid in einem Liter destillierten Wassers gewonnen. Die Untersuchungstage wurden so festgelegt, dass dazwischen mindestens ein Tag mit den üblichen Ernährungs- und Mundhygienegewohnheiten lag (Z1 bis Z4). Speichelgewinnung und Plaquesammlung Der Speichel wurde über eine Minute als unstimulierter Speichel gesammelt; vor 111 110-114.qxd 06.09.2006 10:45 Seite 112 D. Kaiser et al.: Fluoridkonzentration im Speichel F-Konzentration (ppm) Speichel Plaque „mit Fluorid“ „ohne Fluorid“ 0,033 ± 0,002 0,023 ± 0,002 5,01 ± 0,03 3,60 ± 0,32 Tabelle 1 Fluoridkonzentrationen (ppm) im Speichel und in der Plaque unter Normalbedingungen („mit Fluorid“) und nach 7 Tagen fluoridfreier Mundhygiene und fluoridarmer Ernährung („ohne Fluorid“); n = 10 Probanden. Table 1 Fluoride concentrations (ppm) in saliva and in the plaque under normal conditions („with fluoride“) and after a 7-day period with a fluoride-free toothpaste and avoiding fluoride-rich food („without fluoride“); n = 10 subjects. Versuchsbeginn sowie nach fünf, 30 und 60 Minuten. Die Sammlung der Plaqueproben erfolgte ebenfalls vor Versuchsbeginn und dann nach 30 und nach 60 Minuten. Um eine für die Messungen ausreichende Plaquemenge zu erhalten, wurde die 24Stunden-Plaque im Unterkiefer-Seitenzahngebiet mit Hilfe eines Zahnseidehalters aus jeweils zwei Interdentalräumen entnommen und zu einer Probe zusammengefasst. Aufgrund prothetischer oder anatomischer Gegebenheiten wurden die Plaqueproben bei sechs Probanden nur vom rechten Unterkiefer entnommen: von 43/44 und 44/45 als Basiswert, sowie von 45/46 und 46/47 nach 30 Minuten. Bei den übrigen neun Probanden erfolgte die Plaqueentnahme vom linken Unterkiefer: von 33/34 und 34/44 als Basiswert, sowie von 35/36 und 36/37 nach 60 Minuten. Dieses Vorgehen schien gerechtfertigt, da sich bei den Vorversuchen keine signifikanten Unterschiede der Fluoridkonzentration an den einzelnen Entnahmestellen gezeigt hatten. Bestimmung der Fluoridkonzentrationen Die Fluoridbestimmung erfolgte mittels ionenselektiver Elektrode (Radiometer Analytical A/S, Copenhagen) nach dem Prinzip der Eichkurventechnik [20]. Von den Speichelproben wurde je 0,5 ml mit dem gleichen Volumen TISAB II gemischt und direkt zur Messung verwendet. Die Plaqueproben wurden zusammen mit der Zahnseide aus den vorgewogenen Haltern herausgetrennt, durch Differenzwägung die Plaquemenge ermittelt, diese in 150 μl TISAB III aufgenommen, danach zwei Minuten im Ultraschallbad von der Zahnseide abgelöst und suspendiert. 20 μl der Probe wurden zur Bestimmung der Fluoridkonzentration eingesetzt. Die Fluoridbestimmung der getesteten Speisen mit jeweils 112 Zeit (Min) Speisen Spaghetti Reis Kartoffelbrei Trinkwasser Zahnpaste 0 0,033 ± 0,004 0,032 ± 0,003 0,032 ± 0,005 0,034 ± 0,005 0,034 ± 0,004 5 0,150 ± 0,025* 0,132 ± 0,034* 0,111 ± 0,023* 0,150 ± 0,032* 1,302 ± 0,385* 30 0,105 ± 0,018* 0,107 ± 0,024* 0,082 ± 0,016* 0,117 ± 0,020* 0,473 ± 0,169* 60 0,039 ± 0,003 0,038 ± 0,004 0,039 ± 0,004 0,039 ± 0,005 0,038 ± 0,005 Tabelle 2 Fluoridkonzentrationen im Speichel (ppm; Mittelwerte ± Standardabweichungen) nach dem Verzehr fluoridsalzhaltiger Speisen, fluoridierten Trinkwassers (1 ppm) und nach Zähneputzen mit Fluoridzahnpaste (1000 ppm MFP); n = 15 Probanden. * signifikanter Unterschied gegenüber dem Basiswert und dem Wert nach 60 Minuten; p < 0,05 Table 2 Fluoride concentrations in saliva (ppm; mean ± SD) after consumption of meals prepared with fluoridated salt, of fluoridated drinking water (1 ppm) and after toothbrushing with fluoridated toothpaste (1000 ppm MFP); n = 15 subjects. * significant difference in comparison with baseline and 60 min values; p < 0.05 Zeit (Min) Speisen Spaghetti Reis Kartoffelbrei Trinkwasser Zahnpaste 0 (n = 15) 5,01 ± 0,15 4,98 ± 0,06 4,98 ± 0,09 4,95 ± 0,09 4,96 ± 0,08 5 (n = 4)** 15,91 ± 0,14* 15,19 ± 0,06* 14,55 ± 0,11* 15,11 ± 0,02* 31,10 ± 0,18* 30 (n = 6) 9,95 ± 0,31* 9,94 ± 0,40* 9,76 ± 0,48* 10,07 ± 0,37* 15,21 ± 0,70* 60 (n = 9) 5,03 ± 0,12 5,06 ± 0,07 5,10 ± 0,10 5,02 ± 0,08 6,05 ± 0,19 Tabelle 3 Fluoridkonzentrationen in der Plaque (ppm; Mittelwerte ± Standardabweichungen) nach dem Verzehr fluoridsalzhaltiger Speisen, fluoridierten Trinkwassers (1ppm) und nach Zähneputzen mit Fluoridzahnpaste (1000 ppm MFP); n = Anzahl der Probanden. * signifikanter Unterschied gegenüber dem Basiswert und dem Wert nach 60 Minuten, p < 0,05 ** Messwerte aus den Vorversuchen Table 3 Fluoride concentrations in the plaque (ppm; mean ± SD) after consumption of meals prepared with fluoridated salt, of fluoridated drinking water (1 ppm) and after toothbrushing with fluoridated toothpaste (1000 ppm MFP); n = subjects. * significant difference in comparison with baseline and 60 min values; p < 0.05 ** pilot study 100 mg erfolgte analog mit dem 10fachen TISAB-Volumen zu der in der Plaque. Die Genauigkeit und Reproduzierbarkeit der Messwerte wurde jeweils durch Doppelbestimmung gesichert. Die Präzision lag bei 3,2 % (Speichel) bzw. 4,7 % (Plaque) des Mittelwertes der Proben. Statistische Bearbeitung Die statistische Bearbeitung der Messwerte erfolgte mit dem Post-Hoc-Test Bonferroni und einer univariaten Varianzanalyse (SPSS für Windows, Release 11.0). Bei allen Testverfahren wurde ein Signifikanzniveau von p < 0,05 festgelegt. Ergebnisse Die Fluoridanamnesen ergaben, dass sich alle Untersuchungsteilnehmer regelmäßig zwei- bis dreimal täglich die Zähne mit Fluoridzahnpaste putzten, zusätzlich Fluoridgelee oder -spüllösungen einsetzten und im Haushalt fluoridiertes Speisesalz verwendeten. Der Fluoridgehalt des örtlichen Trinkwassers betrug 0,25 ppm. Nach einem siebentägigen Zeitraum unter fluoridfreier Mundhygiene und fluoridarmer Ernährung („ohne Fluorid“) fanden sich signifikant niedrigere Fluoridkonzentrationen im Speichel und in der Plaque als unter den oben genannten Normalbedingungen („mit Fluorid“) (Tab.1). Der Verzehr von Spaghetti, die mit nicht fluoridiertem Salz zubereitet worden waren, führte über einen Zeitraum von 60 Minuten zu keinen signifikanten Veränderungen der Fluoridkonzentration im Speichel und in der Plaque. Der Fluoridgehalt der mit fluoridiertem Speisesalz zubereiteten Speisen wurde an jedem Untersu- Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 28 (2006) 3 110-114.qxd 06.09.2006 10:45 Seite 113 D. Kaiser et al.: Fluoridkonzentration im Speichel chungstag bestimmt. Er betrug durchschnittlich 1,03 ± 0,05 ppm F. Die Fluoridkonzentrationen der einzelnen Speisen unterschieden sich nicht signifikant voneinander. Die Fluoridclearance im Speichel und in der Plaque verlief bei allen Untersuchungen (U1 bis U5) und bei allen Teilnehmern immer nach dem gleichen Muster. Nach einem initialen steilen Anstieg folgte ein Abfall der Fluoridkonzentrationen, sodass die Basiswerte nach 60 Minuten wieder erreicht waren (Tab. 2 und 3). Im intra- und interindividuellen Vergleich zeigten die Basiswerte bei den einzelnen Untersuchungen keine signifikanten Unterschiede. Die jeweils fünf Minuten nach Versuchsbeginn gemessenen mittleren Fluoridkonzentrationen im Speichel unterschieden sich signifikant von den Basismittelwerten und betrugen 0,13 bis 0,15 ppm F nach den Nahrungsmitteln und dem Trinkwasser sowie 1,3 ppm F nach der Zahnpaste. Auch nach 30 Minuten waren alle Messwerte gegenüber den Ausgangswerten noch signifikant erhöht (Tab 2). In der Plaque ergaben sich ebenfalls noch nach 30 Minuten gegenüber den Basiswerten signifikante Erhöhungen der Fluoridkonzentrationen, die nach den Nahrungsmitteln und dem Wasser etwa eine Verdopplung und nach der Zahnpaste eine Verdreifachung darstellten. Der Vergleich der Messwerte der einzelnen Speisen und des Trinkwassers untereinander ergab keine signifikanten Unterschiede. Dagegen zeigten sich im Speichel und in der Plaque signifikante Unterschiede der Fluoridkonzentrationen nach dem Zähneputzen (U5) im Vergleich zu den Messwerten nach dem Verzehr der Speisen und des Trinkwassers (U1 bis U4). Diskussion Bei den Probanden handelte es sich um Angehörige des medizinischen Personals mit einer sehr guten Compliance bei der Durchführung der Untersuchungen. Die auffallend geringen intra- und interindividuellen Unterschiede der Basiswerte der Fluoridkonzentrationen im Speichel und in der Plaque bestätigen die Einhaltung der Untersuchungsbedingungen und dokumentieren die relative Homogenität der Probandengruppe. Alle Probanden hatten in der Fluoridanamnese eine regelmäßige und häufige Verwendung fluoridhaltiger Kariespräventiva angegeben. Das erklärt die relativ hohen Basiswerte der Fluoridkonzentrationen an den einzelnen Untersuchungstagen, obwohl jeweils 24 Stunden ohne Fluoridanwendung vorangegangen waren. Erst nach einem 7-tägigen Intervall ohne Verwendung fluoridhaltiger Kariespräventiva und fluoridarmer Ernährung ergaben sich mit 0,023 ± 0,002 ppm F (Speichel) und 3,60 ± 0,32 ppm F (Plaque) signifikant niedrigere Fluoridkonzentrationen gegenüber den Basiswerten unter den für die Probanden üblichen Bedingungen (0,033 ± 0,002 ppm F im Speichel; 5,01 ± 0,03 ppm F in der Plaque). Die ausgewählten Speisen sind in Deutschland allgemein übliche und häufig verzehrte Bestandteile einer Mittagsmahlzeit, sodass sich aus den Ergebnissen praxisrelevante Folgerungen ableiten lassen. Das zweiminütige Zähneputzen und Spülen entspricht etwa den üblichen Anwendungsbedingungen. Ein zweiminütiges Kauen von Speisen ist dagegen eher unrealistisch, wird aber durch die Dauer einer Mahlzeit kompensiert. Für die Untersuchungen U1 bis U5 wurden vergleichbare Kontaktzeiten des „Testproduktes“ mit Speichel und Plaque geschaffen. Der systemische Einfluss des Fluorids durch Aufnahme über den Gastrointestinaltrakt in die Blutbahn und die anschließende Sekretion über die Speicheldrüsen in die Mundhöhle kann wegen der sehr geringen Mengen vernachlässigt werden [7, 19]. Die Pilotstudien zeigten durchgängig, dass schon nach 60 Minuten die Basiswerte der Fluoridkonzentrationen im Speichel wieder erreicht waren und dass in den folgenden 60 Minuten keine Erhöhung, das heißt, kein systemischer Einfluss nachweisbar war. Zwei bislang vorliegende Studien zur Dauer der Erhöhung der Fluoridkonzentrationen im Speichel und in der Plaque nach Verzehr fluoridsalzhaltiger Speisen zeigen sehr unterschiedliche Ergebnisse. Nach dem Konsum einer 30-Gramm-Portion von Backwaren, die mit Fluoridsalz (250 ppm) zubereitet worden waren, wurden im Speichel nach fünf Minuten ähnliche Fluoridkonzentrationen gemessen (0,16 bis 0,25 ppm F) wie bei den hier vorliegenden Untersuchungen U1 bis U4 (0,15 ppm F). Die Ausgangswerte waren jedoch bereits nach 20 Minuten wieder erreicht [12]. In der zweiten Studie [1] fanden sich 30 Minuten nach dem Verzehr fluoridsalz- Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 28 (2006) 3 haltigen Popcorns gegenüber den Basiswerten im Speichel mehr als zehnfach und in der Plaque etwa dreifach erhöhte Fluoridkonzentrationen. Nach 120 Minuten waren immer noch erhöhte Fluoridkonzentrationen in Plaque und Speichel nachweisbar. Allerdings wurde das Popcorn über einen Zeitraum von 30 Minuten „genascht“, und die dabei aufgenommenen Salzmengen waren höher als bei der hier beschriebenen Studie. Außerdem führte vermutlich die Klebrigkeit von Popcorn zu einer länger anhaltenden Fluoridretention in der Mundhöhle. Die Höhe und Dauer der Fluoridkonzentration in der Mundhöhle wird also sowohl von der Fluoridkonzentration als auch von der physikalischen Beschaffenheit des verwendeten Produktes bestimmt. Darüber hinaus können zahlreiche, hier nicht untersuchte individuelle Parameter, wie Schluckfrequenz oder Speichelfließrate die Fluoridclearance beeinflussen [17]. Das zweiminütige Spülen mit einem fluoridhaltigen Trinkwasser (1 ppm F) hatte ähnliche Auswirkungen auf die Fluoridkonzentration in der Mundhöhle wie das Kauen der fluoridsalzhaltigen Speisen, deren Fluoridkonzentration auch etwa 1 ppm F betrug. Studien zur Speisesalzfluoridierung, die in den 60er und 70er Jahren in Kolumbien durchgeführt wurden, zeigten grundsätzlich die gleiche kariespräventive Wirksamkeit von Speisesalz- und Trinkwasserfluoridierung [13]. Diese Feststellung gilt allerdings nur, wenn das fluoridierte Salz generell verwendet wird und sich damit vergleichbare Aufnahmefrequenzen von fluoridiertem Salz und fluoridiertem Trinkwasser ergeben. Aus diesem Grunde wird auch angestrebt, fluoridiertes Salz nicht nur im Haushalt, sondern auch in der Gemeinschaftsverpflegung einzusetzen, um eine höhere Aufnahmefrequenz zu gewährleisten. Das in der verwendeten Zahnpaste enthaltene Monofluorphosphat muss im Gegensatz zu ionisch gebundenen Fluoriden zunächst hydrolisiert werden, ehe Fluorionen frei werden. Deshalb werden in den ersten zehn Minuten nach Anwendung dieser Zahnpaste niedrigere Fluoridkonzentrationen im Speichel und in der Plaque gemessen als nach Zähneputzen mit natriumfluoridhaltigen Pasten [2, 18]. Im weiteren Verlauf ergeben sich jedoch mit beiden Fluoridzahnpasten ähnliche Konzentrationsverläufe [21]. 113 110-114.qxd 06.09.2006 10:45 Seite 114 D. Kaiser et al.: Fluoridkonzentration im Speichel SUMMARY Salivary and plaque fluoride concentration after consumption of meals prepared with fluoridated salt The study involved 15 volunteers (age 19 – 62 years). The salivary and plaque fluoride concentrations were measured in the morning of five separate days after consuming meals prepared with fluoridated salt (Spaghetti – U1, rice – U2, mashed potatoes – U3) after drinking fluoridated water with 1 ppm F (U4) or using MFP-toothpaste with 1000 ppm F (U5). Samples of unstimulated saliva and interdental plaque were collected at baseline and 5, 30 and 60 min after each application. Baseline values were 0.033 ± 0.002 ppm F (saliva), 5.01 ± 0.03 ppm F (plaque). In saliva after five minutes a significant increase was measured (U1, U2, U3: 0.13 ± 0.03 ppm F; U4: 0.15 ± 0.03 ppm F; U5: 1.3 ± 0.39 ppm F). Also after 30 min a significant increase was found. In all cases fluoride concentrations had returned to baseline by 60 minutes. The same pattern was disclosed in the plaque samples. Differences between the fluoride concentrations after using fluoride toothpaste (U5) on the one hand and after eating/drinking (U1 – U4) on the other hand were statistically significant. But there were no statistically significant differences between the fluoride concentrations after consuming the different food items (U1 – U3) and drinking water U4). Consumption of fluoridated salt-containing meals or fluoridated drinkingwater, provides elevated fluoride levels in saliva and plaque for a period of approximately one hour. Keywords: Fluoride, saliva, plaque, salt fluoridation nach dem Zähneputzen die Ausgangswerte nach 60 Minuten wieder erreicht. Vergleichbare Studien mit Monofluorphosphat-Zahnpaste brachten ähnliche Ergebnisse [11]. Bei Verwendung aminfluoridhaltiger Zahnpaste deuten sich aufgrund höherer Substantivität des Aminfluorids längere Retentionszeiten nach 30 Minuten an [18]. Auf jeden Fall können fluoridsalzhaltige Mahlzeiten dazu beitragen, dass in den Pausen zwischen dem täglichen Zähneputzen leicht erhöhte Fluoridkonzentrationen in der Mundhöhle zur Verfügung stehen. 114 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. Schlussfolgerungen 13. Der Verzehr fluoridsalzhaltiger Speisen führt zu einer kurzzeitigen, aber signifikanten Erhöhung der Fluoridkonzentrationen im Speichel und in der Plaque. Die wiederholte Aufnahme derartiger Speisen kann folglich dazu beitragen, dass ständig leicht erhöhte Fluoridkonzentrationen in der Mundhöhle verfügbar sind und damit das Gleichgewicht zwischen De- und Remineralisation stabilisiert wird. Die Verwendung fluoridierten Speisesalzes ist also eine sinnvolle Ergänzung des täglichen Zähneputzens mit fluoridierter Zahnpaste und stellt insbesondere für Personen mit erhöhtem Kariesrisiko eine nützliche kariespräventive Maßnahme dar. Entsprechend den aktuellen Empfehlungen der Leitlinie zur Fluoridanwendung sollte fluoridiertes Speisesalz generell eingesetzt werden [6]. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. Featherstone JDB. Prevention and reversal of dental caries. Role of low level fluoride. Community Dent Oral Epidemiol 27, 31-40 (1999) Gülzow HJ, Hellwig E, Hetzer G. Leitlinie Fluoridierungsmaßnahmen zur Kariesprophylaxe. www.zzq-koeln.de Fejerskov O, Ekstand J, Burt BA (eds). Fluoride in dentistry 2nd ed, Munksgaard, Copenhagen 1996, 55-68, 206-213, 218 Hellwig E, Lussi A. What is the optimum fluoride concentration needed for the remineralization process? Caries Res 35 (suppl 1), 57-59 (2001) Hetzer G, Straube H, Neumeister V. Zur Verwendung fluoridierten Speisesalzes in der Gemeinschaftsverpflegung. Dtsch Zahnärztl Z 51, 679-682 (1996) Ismail HJ. What is the effective concentration of fluoride? Community Dent Oral Epidemiol 23, 246251 (1995) Issa AJ, Toumba KJ. 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Allerdings wurden auch 5. 2. 3. 4. Björnström H, Naji S, Simic D, Sjöström I, Twetman S. Fluoride levels in saliva and dental plaque after consumption of snacks prepared with fluoridated salt. Europ J Paediatr Dent 5, 41-45 (2004) Brunn C, Givskov H, Thylstrup A. Whole saliva fluoride after toothbrushing with NaF and MFP dentifrices with different F concentrations. Caries Res 18, 282-288 (1984) ten Cate JM. In vitro studies on the effects of fluoride on the de- and remineralisation. J Dent Res 69, 614-619 (1990) Eakle WS, Featherstone JDB, Weintraub JA, Shain SG, Gansky SA. Salivary fluoride levels following application of fluoride varnish or fluoride rinse. Community Dent Oral Epidemiol 32, 462-469 (2004) 佥 Korrespondenzadresse Prof. Dr. Gisela Hetzer Abteilung für Kinderzahnheilkunde Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden Fetscherstraße 74 01307 Dresden Tel.: +49 (0) 351 / 458-2714 Fax: +49 (0) 351 / 458-5303 E-Mail: [email protected] Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde 28 (2006) 3