SCHWERPUNKT UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN Okuläre Manifestationen neu ­auftretender Infektionskrankheiten Globalisierung, Migration und Klimawandel sind Themen, die in den letzten Jahren für Schlagzeilen sorgten. Inwieweit sich diese Faktoren auch im medizinischen Bereich auswirken, wird erst allmählich erkennbar. In Deutschland neu auftretende Krankheitsbilder sowie das Vordringen bisher wenig bekannter Erreger sind dabei Aspekte, die auch in der Augenheilkunde an Bedeutung gewinnen. Prof. Uwe Pleyer, FEBO, (Berlin) stellt die systemischen sowie jeweils okulären Manifestationen von Infektionskrankheiten dar, die durch ihre zunehmende Prävalenz für den Augenarzt relevant werden können. I nfektiöse Ursachen müssen bei allen Patienten mit Uveitis in Betracht gezogen werden. Im Vordergrund stehen Viren der Herpes-Familie sowie ein breites Spektrum an Bakterien, die für Syphilis, Borreliose, Tuberkulose und Bartonellose auslösend sind, sowie Parasiten, die zur okulären Toxoplasmose und Toxocarasis führen können. Zunehmend müssen aber auch neue Erreger für so genannte emerging infections diseases (EID) als mögliche Ursachen systemischer und (begleitender) intraoku­ lärer Entzündung berücksichtigt werden. Diese Infektionen lassen sich in Krankheiten unterscheiden, die sich primär außerhalb von Deutschland etab­liert haben oder aber zunehmend und infolge der Globalisierung auch für die Bevölkerung hierzulande zu einem Risiko werden („globale“ EID). Zurückgeführt wird die Zunahme neuer Infektionskrankheiten unter anderem auf die weltweiten Handelsbeziehungen, die zahlreichen Fernreisen und die wachs­ende internationale berufliche Mobilität. Zum anderen handelt es sich um Krankheiten, die in Deutschland endemisch sind beziehungsweise werden und zusehends häufiger auftreten („endemische“ EID). Gefahr kommt hierbei durch Infek- tionen, an deren Übertragung Insekten, Nagetiere oder Vögel beteiligt sind. Die Populationsstärke dieser Vektoren und ihr Übertragungspotenzial werden in besonderem Maße von Klimafaktoren beeinflusst, wobei die gegenwärtigen klimatischen Veränderungen eine Verbreitung von Infektionserregern und Krankheitsüberträgern begünstigen. Ein Beispiel hierfür sind Mückenpopulationen, die aus tropischen Regionen inzwischen auch nach Europa eingeschleppt wurden. Im Folgenden werden die systemischen und okulären Manifestationen von einigen inzwischen importierten Infektionskrankheiten in ihrer Relevanz für die augenärztliche Praxis dargestellt. Dengue-Fieber Das Dengue-Fieber ist vermutlich die bekannteste unter den emerging infections. Inzwischen ist eine stetig steigende Zahl von Betroffenen in Deutschland zu verzeichnen. Das Dengue-Fieber zählt nach Einschätzungen der WHO zu den größten gesundheitlichen Bedrohungen und stellt weltweit gesehen eine der häufigsten durch Moskitos übertragenen viralen Erkrankung dar. Es betrifft Abb. 1: Geografische Verbreitung des Chikungunya-Virus, rote Felder weisen Transmission des Virus aus. (CDC website on July 17 2015) 24 DER AUGENSPIEGEL MÄRZ 2016 SCHWERPUNKT UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN Abb. 2: Makulopathie bei Dengue-Fieber. Infrarot-Fundus und OCT-Darstellung bei einem 24-jährigen Studenten, der aus Vietnam zurückkehrte. Eine Visusminderung des LA auf 0.4 (RA 1.0) trat sieben Tage nach Diagnose des Dengue-Fiebers auf. Die Fundusbeurteilung wies keine klinischen Veränderungen auf; im OCT stellen sich Veränderungen im IS/OS dar. etwa 100 Millionen Menschen jährlich, über eine halbe Million weisen schwere Krankheitserscheinungen auf, wovon mehr als 20.000 tödlich enden. Gefährdet sind 2,5 Milliarden Menschen weltweit. In Deutschland werden jährlich etwa 800 Infektionen gemeldet. Die Erkrankung wird durch das Dengue-Virus (ein Flavivirus mit vier Serotypen) verursacht und durch die Aedes Aegypti-Mücke übertragen. Sie ist in tropischen und subtropischen Regionen endemisch. Inzwischen wurden übertragungsfähige Mücken auch bis nach Süddeutschland eingeschleppt. Begünstigend für die Ausbreitung kommt hinzu, dass sich das Dengue-Virus in der MückenPopulation verbreitet, da es über die Eier weitergegeben wird. Anders als zum Beispiel bei Malaria muss die Mücke nicht einen infizierten Menschen stechen, um es weiter übertragen zu können. Allerdings dauert die Virämie nur wenige Tage und die nachgewiesenen Virustiter sind gering, was eine effiziente Übertragung und Ausbreitung erheblich erschweren sollte. Allgemeine Symptome und Krankheitsverlauf: Die Inkubationszeit nach dem Stich beträgt etwa drei bis 14 Tage, was bei Urlaubsrückkehrern zu berücksichtigen ist. Klinische Zeichen der Infektion sind neben Fieber (bis 40 Grad) zunächst grippeähnliche Beschwerden mit Kopfschmerzen und Myalgie. Die ausgeprägten Gelenkschmerzen wurden als „breakbone fever“ bezeichnet. Beim überwiegenden Teil der Betroffenen klingen die Symptome innerhalb einer Woche wieder ab. Bei etwa drei bis vier Prozent nehmen sie allerdings einen schweren Verlauf, der durch eine Thrombozytopenie zu Blutungen mit disseminierten Petechien bis zum „Dengue-Schock-Syndrom“ führen kann. Tritt ein DengueSchock-Syndrom ein, ist bei ein bis fünf Prozent dieser Verläufe ein tödliches Ende zu erwarten. In letzter Zeit sind zunehmend auch ophthalmologische Beteiligungen beobachtet worden. Augenbeteiligung: Augenbeteiligung durch Dengue-Fieber wurde vor allem aus Singapur, Thailand, Taiwan, Indien, Mexiko 26 DER AUGENSPIEGEL und Brasilien berichtet. Mit etwa 10 bis 40 Prozent sind okuläre Manifestationen relativ häufig zu beobachten. Sie treten meist bei jungen Erwachsenen zum Tiefpunkt der Thrombozytopenie auf. Als häufigste Beteiligung werden Petechien, subkonjunktivale Blutungen und Hyposhagma (37 Prozent) beobachtet, die vor allem bei einer Thrombozytenzahl von <50.000/μl auftreten. Weitere häufige Befunde betreffen vor allem den hinteren Pol mit retinalen Blutungen, Makulaödem und Vaskulitis. Dengue-Fieber-Makulopathie: In einer Querschnittstudie wurde in Singapur während einer Dengue-Epidemie eine Prävalenz der Dengue-Makulopathie bei zehn Prozent der hospitalisierten Patienten beobachtet. Dies geschieht durch Beteiligung der Netzhautoder Aderhautgefäße, unter anderem im Bereich der Makula. Eine Vorderabschnittsbeteiligung ist in der Regel mild und kann leicht übersehen werden. Die okulären Symptome reichen von milder bis sehr ausgeprägter Visusminderung und treten in der Regel innerhalb eines Monats nach Beginn der Dengue-Infektion auf. Die Beschwerden treten meist eine Woche nach dem Fieber auf, wenn sich die Thrombozytenzahl bereits erholt hat. Symptome der Patienten präsentieren sich als plötzliche Visusminderung (87 Prozent), zentrales Skotom (63 Prozent) oder „Floatern“ (1 Prozent). Bei mehr als 70 Prozent ist die Augenbeteiligung bilateral, aber eher asymmetrisch mit einer mittleren Sehschärfe von 0,5. In einer größeren Serie wurden als Fundusbefunde retinale Blutungen (45 Prozent), Gefäßeinscheidungen (45 Prozent), subretinale Infiltrate (28 Prozent), Foveolitis (16 Prozent), Papillenhyperämie (14 Prozent) und Ödeme (11 Prozent) berichtet. Die Dengue-Fieber-Makulopathie kann sowohl die Netzhaut- als auch Aderhautzirkulation betreffen. Entsprechend sind Fluoreszein- und Indocyanin-Grün-Angiographie wichtige Maßnahmen bei der Beurteilung des Schweregrades. Interessanterweise sind drei bis fünf Prozent der Augen bei Fluoreszeinangiographie unauffällig trotz klinisch beobachteter Veränder­ ungen. Die Optische Kohärenztomographie (OCT) hat sich als sehr MÄRZ 2016 SCHWERPUNKT UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN Erreger/Familie Dengue-Virus Flavivirus (4 Serotypen) Chikungunya-Virus Togaviren West-Nil-Virus Flavivirus Marburg-Virus Ebola-Virus Filoviren (Einzelstrang RNA-Viren) Krankheit Dengue-Fieber Chikungunya West-Nil-Virus-Infektion Marburg-/Ebolafieber Inkubationszeit 3-14 Tage 3-12 Tage 3-12 Tage 2-21 Tage Leitbefunde Allgemein ·· Unspezifisches Fieber ·· Schüttelfrost ·· Meningismus ·· Gelenkschmerzen ·· Hämorrhagisches Fieber (3-4 %) ·· Hohes Fieber ·· Arthralgien ·· Myalgien ·· Schwere Polyarthritis ·· Makulopapuläres Exanthem ·· Multiorganversagen ·· 80 % ohne Symptome ·· „grippeähnliche“ Symptomatik ·· 1 % schwere neurologische Symptomatik (Encephalomeningitis, Paralyse) ·· Hämorrhaghisches Fieber ·· Erbrechen ·· Diarrhoe ·· Abdominalschmerzen ·· Hautveränderungen (Erythem, Desquamation) ·· Multiorganversagen Leitbefunde Auge Auge: ·· Retinale Blutungen ·· Makulaödem ·· Vaskulitis Auge: ·· Akute anteriore Uveitis ·· Retinitis ·· Makulaödem ·· Konjunktivitis ·· Episkleritis Auge: ·· Bilaterale multifokale Chorioretinitis ·· Anteriore Uveitis ·· Retinale Vaskulitis ·· Paralysen ·· Nystagmus Auge: ·· Konjunktivitis (z.T. noch vor Fieberausbruch), wenn hämorrhagisch meist mit letalem Ausgang verbunden ·· (Pan-)Uveitis ·· (Latenzzeit 1-3 Monate) ·· RT-PCR (in der akuten Phase) ·· ELISA ·· Antikörpernachweis im Serum und Liquor ·· RT-PCR (hohe Spezifität, Sensitivität <Serologie) ·· ELISA: Kreuzreaktionen möglich ·· Nachweis viraler RNA oder Antikörper ·· Labor: wenig charakteristische Veränderungen (Leukopenie, Lympho­ penie, Thrombozyto­ penie) MELDEPFLICHT Labordiagnose ·· PCR (Nachweis der RNAViren im 1. Fieberschub) ·· IgM-Nachweis relativ schwierig (oft erst nach Abklingen der Virämie möglich) RT-PCR = Real-Time PCR Tab. 1: Neue virale Erreger als Ätiologie intraokulärer Entzündungen. (mod. nach Pleyer et al. 2015) hilfreich und unverzichtbar bei Augen mit verminderter Sehschärfe, aber ohne offensichtliche Läsion bei der Angiographie erwiesen. Die Foveolitis, die sich klinisch als gut abgrenzbare, blass-gelbliche Läsion im Zentrum der Fovea darstellt, ist am besten mit dem OCT darstellbar. Das OCT ist in der Lage, einen entsprechenden Bereich der äußeren neurosensorischen Netzhaut-RPE in der Fovea darzustellen und hat sich auch als nützlich für die Verlaufsbeobachtung erwiesen. Die pathophysiologischen Abläufe der Dengue-Makulopathie sind noch unklar. Okuläre Symptome treten durchschnittlich sieben Tage nach Beginn der Erkrankung auf. Diese Verzögerung und die Beobachtung, dass die Serum-Spiegel für Komplementfaktoren (C3) zu diesem Zeitpunkt vermindert sind, sprechen dafür, dass die Makulopathie eher eine immunvermittelte Reaktion ist und nicht eine direkte virale Infektion des Auges. Diagnostik: Die Diagnose des Dengue-Fiebers basiert auf der typischen klinischen Präsentation. Die RNA-Viren können im Frühstadium der Erkrankung durch PCR nachgewiesen werden; nach einigen Tagen lässt sich auch eine positive Dengue-Serolo- MÄRZ 2016 gie mit positivem IgM-Titer belegen. Die Erkrankung ist meldepflichtig und der Umgang mit Patientenmaterial unterliegt strengen Sicherheitsvorschriften. Behandlung: Die Behandlung beschränkt sich auf symptomatische Maßnahmen, da keine kausale Therapie existiert. Steht das hämorrhagische Fieber im Vordergrund, sind intravenöse Flüssigkeitszufuhr und Kontrolle der Thrombozytopenie notwendig. Auch bei der Behandlung einer Augenbeteiligung können symptomatisch lokale sowie systemische Steroide oder intravenös angewendete Immunglobuline hilfreich sein. Eine Behandlungsindikation wird bei infektionsassoziierter Uveitis und Neuritis mit Visusabfall auf weniger als 0,5 gesehen. Prognose: Die Prognose ist überwiegend günstig; die Funktion erholt sich bei der Mehrzahl der Patienten wieder auf dem Niveau vor der Erkrankung. Bei Makulopathie oder Optikusschädigung verbleiben allerdings häufiger entsprechende Schäden. Nach der Genesung von einer ersten Dengue-Infektion verbleibt eine Immu- DER AUGENSPIEGEL 27 SCHWERPUNKT UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN nität vor den verbleibenden drei Dengue-Serotypen für zwei bis drei Monate. Leider ist dies kein Langzeitschutz. Fatalerweise wird bei einer zweiten Infektion eine „antikörperabhängige Verstärkung der Infektion“ beobachtet. Dies bedeutet klinisch eine stärkere Virämie und ein höheres Risiko eines schwerwiegenderen Verlaufes. Somit ist Vorsicht bei Reisenden vor einer Re-Infektion nach durchgemachtem Dengue-Fieber anzuraten. Die wichtigste Maßnahme bleibt die Prävention vor Moskitostichen infektiöser Tiere. Studien mit einem Dengue-Impfstoff laufen derzeit in Südostasien an. Bis zur Marktreife werden jedoch voraussichtlich noch einige Jahre vergehen. West-Nil-Virus-Infektion Das West-Nil-Virus (WNV) wurde erstmals in 1937 in Uganda isoliert und zählt zu den RNA-Flaviviren. Es ist in Afrika, Europa, Australien und Asien weit verbreitet und hat sich seit 1999 sehr schnell in der westlichen Hemisphäre verbreitet. Epidemien wurden aus USA, Kanada, Mexiko und der Karibik und in Teilen von Zentral- und Südamerika berichtet. Das Virus infiziert durch Moskitostiche hauptsächlich Vögel und kann auf Menschen und Säugetiere übergreifen. Studien zur Ausbreitung des WNV in Deutschland und Europa haben gezeigt, dass ein serologischer Nachweis in einheimischen Vögeln und Zugvögeln bei etwa fünf Prozent positiv ist. Auch Bluttransfusionen, Organtransplantation oder transplazentare Übertragung sind als Infektionsweg beschrieben worden. Symptome und Krankheitsverlauf: Die Inkubationszeit der WNV Infektion reicht von drei Tagen bis zu zwei Wochen. Etwa 80 Prozent der Infektionen verlaufen beim Menschen offenbar symptomlos. Beschwerden betroffener Patienten äußern sich unspezifisch als hochgradiges Fieber mit Kopfschmerzen, Myalgie, Arthralgie, Übelkeit mit Erbrechen und Hautausschlag. Die akute Krankheit ist überwiegend selbstlimitiert. Da das Virus die Blut-Hirn-Schranke passieren kann, sind Enzephalomeningitis oder Paralyse möglich. Eine schwere neurologische Beteiligung (Meningoenzephalitis) wird vor allem bei fortgeschrittenem Alter und Diabetes berichtet und betrifft weniger als ein Prozent der Patienten. Augenbeteiligung: Vor allem bei Patienten mit neurologischer Beteiligung sind intraokuläre Befunde als anteriore Uveitis, Chorioretinitis und Neuritis nervi optici beschrieben worden. Am häufigsten wird eine meist beidseitige multifokale Chorioretinitis beobachtet, die bei etwa 80 Prozent der Patienten mit akuter neurologischer Erkrankung beobachtet wird. Als ein zusätzlicher prädisponierender Faktor wurde ein gleichzeitig bestehender Diabetes mellitus herausgestellt. Aktive chorioretinale Läsionen stellen sich als chorioidale Infiltrate in der mittelperipheren Netzhaut/Aderhaut dar. Inaktive Läsionen sind teilweise atrophisch, teilweise pigmentiert 28 DER AUGENSPIEGEL Abb. 3: Fundusabbildung. Retinitis durch Chikungunya-Virus mit hyper­ämischer Papille, Cotton-Wool-Herden und Vaskulitis. (Abb. von Prof. Rathinam, Madurai, Indien) und werden häufig als „zielscheibenähnlich“ beschrieben. Kennzeichnend ist eine linienförmige Anordnung der Herde, die auf den Nervenfaserverlauf der Netzhaut zurückgeführt wird. Überwiegend ist der hintere Pol betroffen und es liegen rund 20 bis 50 dieser Läsionen klasterartig vor. In der FA-Angiographie zeigten aktive Stadien der Erkrankung eine Hypofluoreszenz in der Frühphase, die später eine Anfärbung vorweisen. In der ICG-Angiographie können gut abgrenzbare, hypofluoreszente Aderhautläsionen dargestellt werden. In prospektiven Fallserien hat sich die Retinopathie als relativ typisch für die WNV-Infektion bei Patienten mit Meningoenzephalitis herausgestellt und kann somit bei diesen Patienten zur Diagnose beitragen. Weitere Augenmanifestationen betreffen retinale Vaskulitis mit Blutungen, Gefäßleckage und okklusive Vaskulitis. Eine Sehnervbeteiligung kann als Neuritis nervi optici und Papillenödem in Erscheinung treten. Weitere ophthalmologische Symptome sind Paralysen und Nystagmus. Diagnostik: Die Diagnose der WNV-Infektion stützt sich auf den klinischen Verdacht und die Labordiagnostik. Im Serum und Liquor der Patienten können spezifische Antikörper nachgewiesen werden. Der Nachweis mit PCR ist weniger sensitiv als die Serologie jedoch hochspezifisch. Dies liegt daran, dass die Virämie oft nur kurze Zeit besteht und mit dem Auftreten von IgM-Antikörpern verschwindet. In der Differentialdiagnose der WNV-Infektion sind Herpes-Virus-Infektionen, andere virale Enzephalitiden sowie als nicht infektiöse Genese der systemische Lupus erythematodes zu berücksichtigen. Behandlung: Derzeit gibt es keine etablierte Therapie der WNVInfektion. Symptomatisch kann unterstützend mit Ribavirin, Interferon-alpha oder intravenösem Immunglobulin behandelt werden. Lokale und systemische Steroide sind hilfreich. MÄRZ 2016 SCHWERPUNKT UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN Prognose: Die Prognose der Allgemeinerkrankung ist überwiegend günstig. Nur bei schwerem Verlauf können neurologische Folgeerscheinungen oder ein letaler Ausgang vor allem bei älteren Patienten eintreten. Auch die Augenbeteiligung weist meist einen selbstlimitierenden Verlauf auf. Verbleibende Sehstörungen werden auf die chorioretinalen Herdbefunde beziehungsweise eine Sehnervbeteiligung zurückgeführt. Wichtig sind präventive Maßnahmen, um die Virusausbreitung, zum Beispiel durch Geflügelüberwachung und Kontrolle der Mückenausbreitung einzudämmen. Bisher besteht keine Impfung gegen das Virus. in Tansania „der gekrümmt Gehende“ und bezieht sich auf die oft schweren Muskel- und Gelenkschmerzen. Chikungunya-Virus Augenbeteiligung: Zunächst wurden bei Chikungunya überwiegend milde Veränderungen mit Konjunktivitis, Episkleritis und vereinzelt Keratitis berichtet. Aktuelle Untersuchungen zeigen jedoch auch Veränderungen mit multifokaler Chorioiditis, Neuroretinitis, Gefäßverschlüssen und Optikusneuritis. Eine anteriore Uveitis kann sich als granulomatöse oder nichtgranulomatöse Entzündung ähnlich einer Herpes-Virus-Infektion präsentieren. Diffuse Endothelpräzipitate, Vorderkammerreizzustand und erhöhter Intraokulardruck werden beobachtet. Im Das Chikungunya-Virus ist ein RNA-Virus, das beim Stich der infizierten Anophelesmücke übertragen wird. Es ist für einige Infektionsepidemien in Ostafrika, Indien und Sri Lanka verantwortlich. Auch in Deutschland wurden zum Beispiel 2006 bei einer Epidemie 53 Patienten gemeldet. 2013 trat eine Epidemie auf der Karibikinsel St. Martin auf, die sich rasch auf den amerikanischen Kontinent ausbreitete und über 800.000 Personen betraf. Der Begriff Chikungunya bedeutet in der Sprache der Makonde Allgemeine Symptome und Krankheitsverlauf: Nach einer Inkubationszeit von drei bis zwölf Tagen tritt hohes Fieber auf, dem wiederum grippeähnliche Beschwerden folgen. Typisch ist eine schwere symptomatische Polyarthritis, bei etwa der Hälfte der Patienten tritt ein makulopapilläres Exanthem auf. Bereits in diesem Stadium kann ein schwerer Verlauf mit Multiorganversagen und neurologischen Komplikationen zum Tod führen. ANZEIGE MÄRZ 2016 DER AUGENSPIEGEL 29 SCHWERPUNKT UVEITIS/ENTZÜNDUNGEN Gegensatz zur herpetischen Keratouveitis ist die beidseitige Entzündung hervorzuheben. Patienten mit posteriorer Uveitis weisen ebenfalls überwiegend einen beidseitigen Befund auf. Die Patienten präsentieren sich mit Visusminderung, zentralen oder zen­ trozökalen Skotomen und Farbsinnstörungen. Die ChikungunyaRetinitis verläuft ebenfalls ähnlich einer herpetischen Retinitis mit vergleichbar schlechter Prognose. Bemerkenswert ist ein deutlich geringerer Reizzustand im Glaskörper. Diagnostik: Die Diagnose wird im Verdachtsfall durch Laboruntersuchungen gestellt. In der akuten Phase kann durch PCR das Virus im Serum und Liquor nachgewiesen werden. Später sind im ELISA Antikörper nachweisbar. Behandlung: Die Behandlung bleibt unspezifisch und symptomatisch. Zur Therapie der Arthralgie werden nichtsteroidale Antiphlogistika empfohlen. Interferon-alpha und Ribavirin wurden eingesetzt, um die Virusreplikation zu hemmen. Bei anteriorer Uveitis sind topische Steroide und gegebenenfalls drucksenkende Lokaltherapie sinnvoll. Bei posteriorer Uveitis können Steroide symptomatisch hilfreich sein. Prognose: Im Allgemeinen verläuft die Erkrankung selbstlimitierend und relativ gutartig. Nach Chikungunya-Infektion besteht eine lebenslange Immunität. Ebola-Fieber Eine der folgenreichsten Infektionsepidemien der letzten Jahre erfolgte durch das Ebola-Virus. Es zählt zu den Filo-Viren. Zu dieser Familie gehört auch das Marburg-Virus, benannt nach dem Erstausbruch eines hämorrhagischen Fiebers in einem Labor der Behring-Werke in den 1970er Jahren in Deutschland. Das Reservoir des Virus stellen Fledermäuse dar. Die Übertragung der Infektion erfolgt durch Tröpfcheninfektion, Körperflüssigkeiten von Erkrankten sowie über den Genuss von infizierten Tieren (Buschfleisch). Allgemeine Symptome und Krankheitsverlauf: Fieber ist das häufigste Anzeichen der Erkrankung (mehr als 90 Prozent) und tritt nach einer Inkubationszeit von zwei Tagen bis drei Wochen ein. Es wird von Schüttelfrost und gastrointestinalen Beschwerden begleitet. Bereits frühzeitig treten Hautunterblutungen auf; relativ typisch sind im Frühstadium Hyposphagma und konjunktivale Injektion. Die Infektion weist eine hohe Letalität durch hypovolämischen Schock und Multiorganversagen auf. Allgemeinsymptomen auftreten und wird als nicht hämorrhagische Konjunktivitis als prognostisch günstiges Zeichen bewertet. Bei Überlebenden tritt ein „Post-Ebola-Syndrom“ auf. Nach etwa ein bis drei Monaten werden während der Konvaleszenz der Patienten Hautveränderungen, Kopf- und Gliederschmerzen, neurologische Symptome und neurosensorische Veränderungen beobachtet. Dazu zählen auch intraokuläre Entzündungen. Die überwiegend unilaterale Entzündung kann sich als anteriore, posteriore oder Panuveitis manifestieren. Ähnlich wie bei Infektionen mit Herpes-Viren werden erhöhter intraokulärer Druck, Hornhaut­endothelbeschläge und intraokuläre zelluläre Infiltration beobachtet. Bereits bei den ersten Infektionen mit dem Marburg-Virus konnten die Erreger im Kammerwasser der Betroffenen nachgewiesen werden. Auch bei der zuletzt aufgetretenen Epidemie in Westafrika konnten nach Abklingen der systemischen Virämie-Erreger intraokular mittels PCR belegt werden. Es wird vermutet, dass immunprivilegierte Organe (ZNS, Gonaden, Augen) eine Viruspersistenz ermöglichen. Bislang existieren keine zuverlässigen Erkenntnisse über die Häufigkeit der Beteiligung im Rahmen des Post-Ebola-Syndroms. Behandlung: Die Behandlung der Infektion erfolgt lediglich supportiv. Intravenöse Flüssigkeitszufuhr und Analgetika werden symptomatisch eingesetzt. Im Vordergrund steht, epidemische Ausbrüche zu vermeiden und im Verdachtsfall die Betroffenen zu isolieren. Da eine intensivmedizinische Betreuung von entwickelten Gesundheitsstrukturen abhängig ist, schwanken die Risiken eines letalen Ausganges zwischen 40 und 90 Prozent. Der kürzlich erfolgte Ebola-Ausbruch mit mehr als 26.000 Infizierten in Westafrika hat die Bemühungen um einen Impfstoff aktiviert. Momentan befinden sich acht verschiedene Vakzine in Phase-III-Studien. Zusammenfassung In die Differentialdiagnostik intraokulärer Entzündungen müssen „neue“ Infektionen einbezogen werden. Klinisch stehen grippeähnliche Beschwerden im Vordergrund, die ophthalmologischen Veränderungen betreffen häufig den hinteren Augenabschnitt. Zur Diagnose dieser Erkrankungen sind neben einer sorgfältigen Allgemein- und Reiseanamnese ergänzende spezifische Laboruntersuchungen notwendig. Da diese Infektionen oft durch Insekten übertragen werden und spezifische Behandlungsmöglichkeiten fehlen, kommt der Prävention eine zumindest gleich hohe Bedeutung wie der raschen Diagnostik und symptomatischen Behandlung zu. Prof. Uwe Pleyer, FEBO Augenbeteiligung: Augenbeteiligungen haben sich als wichtige diagnostische und auch prognostische Befunde herausgestellt. Sie treten meist bilateral auf. Eine Konjunktivitis kann bereits vor den 30 DER AUGENSPIEGEL Oberarzt Charité Universitätsmedizin Berlin Campus Virchow-Klinikum E-Mail: [email protected] MÄRZ 2016