Die Entstehung von Sternen und Planeten VON THOMAS HENNING UND RALF LAUNHARDT Zwar wissen die Forscher seit langem, dass sich Sterne und Planeten aus interstellaren Gas- und Staubwolken formen. Doch wie diese Vorgänge genau ablaufen, ist nicht geklärt. Unbekannt ist ebenfalls, wie wahrscheinlich die Bildung erdähnlicher Planeten ist. Erst durch den Einsatz neuer Teleskope beginnen sich die Rätsel zu lösen. Mich dünkt, man könne hier in gewissem Verstande ohne Vermessenheit sagen: Gebet mir Materie, ich will eine Welt daraus bauen! Das ist, gebet mir Materie, ich will euch zeigen, wie eine Welt daraus entstehen soll. Immanuel Kant, 1755 D ie Geburt und der Tod von Sternen sind die fundamentalen Prozesse in der stofflichen Entwicklung des Universums. Einerseits entstehen Sterne aus interstellarem Gas; und andererseits reichern insbesondere massereiche Ster- 14 SuW-Dossier Planetensysteme ne in den Spätphasen ihrer Entwicklung durch Abstoßen ihrer äußeren Schichten das interstellare Gas mit schweren Elementen an, die sie in ihrem Inneren durch Kernfusion aus den beiden leichten Elementen, Wasserstoff und Helium, erzeugt haben. Ohne Sterne enthielte der Kosmos nur die beiden leichten Elemente sowie Spuren von Lithium, welche bereits der Urknall hinterlassen hat. Ohne Sterne könnte es keine Planeten mit festen Oberflächen geben, denn die sind vor al- lem aus schweren Elementen aufgebaut. Und ohne Sterne wäre selbstverständich ebenfalls die Entstehung des Lebens unmöglich gewesen – wir Lebewesen sind aus Sternenstaub geboren! Kürzlich haben die Messungen des Mikrowellensatelliten WMAP (Wilkinson Microwave Anisotropy Probe), gezeigt, dass die Sternentstehung bereits 200 Millionen Jahre nach dem Urknall einsetzte. Nachdem dessen Feuer abgeklungen war, erlebte das Weltall eine dunkle Epoche, die erst das Licht der ersten Sterne beendete. Zugleich setzte die Synthese der schweren chemischen Elemente ein. Die Schöpfung geht weiter Die Bildung neuer Sterne im Milchstraßensystem und in anderen Galaxien ist allerdings noch längst nicht abgeschlossen. Im langjährigen Mittel entsteht in mestrahlung der durch das Sternlicht erwärmten Staubpartikel. Die leuchtkräftigsten Infrarotgalaxien haben Sternentstehungsraten von bis zu 1000 Sonnenmassen pro Jahr, wobei solch ein intensiver Sternentstehungsausbruch vermutlich 10 bis 100 Millionen Jahre andauert. Starbursts werden in vielen Fällen durch die Kollision oder die Verschmelzung zweier Galaxien ausgelöst. Sterngeburt im jungen Universum Die Bildung der ersten Sterne im jungen Universum lief anders ab als heute. Das ursprüngliche Gas enthielt, wie oben bereits erwähnt, nur Wasserstoff und Helium. Die schweren Elemente fungieren im heutigen Universum beim Kollaps von Gaswolken als Kühlmittel unserer Heimatgalaxie pro Jahr ungefähr ein neuer Stern. In der Regel handelt es sich um Sterne, die eine Masse ähnlich der Sonne haben. Massereiche Sterne mit einem Materiegehalt von bis zu etwa 100 Sonnenmassen entstehen zwar auch, aber sie sind sehr viel seltener. Eine deutlich höhere Sternentstehungsrate haben die so genannten Starburst-Galaxien, die häufig intensive Infrarotstrahlung aussenden und eine sehr hohe Strahlungsleistung von bis zu einigen zehn Billionen Sonnenleuchtkräften besitzen. Das ist mehr als 200-mal so hell wie unser Milchstraßensystem. Sehr gut untersuchte Starburst-Galaxien im lokalen Universum sind NGC 6240, M 82 (Abb. 3) und Arp 220 (Abb. 4). (Siehe auch SuW-Special 1/03 »Das junge Universum«). Bei der Infrarotstrahlung handelt es sich überwiegend um die Wär- Abb. 1: Blick des Weltraumteleskops HUBBLE in das so genannte Schlüsselloch der Carina-Sternentstehungsregion. Neben Filamenten dünnen, ionisierten Gases sind auch kompakte Wolkenklumpen, die möglicherweise zu neuen Sternen kollabieren werden, zu erkennen. Nach jüngsten Erkenntnissen der Astrophysiker spielen turbulente Bewegungen des interstellaren Gases im Spiel der Schöpfung eine wichtige Rolle. (Bild: HST) Abb. 2: Die Spiralgalaxie Messier 83, aufgenommen vom VLT im sichtbaren Licht. Die Spiralarme werden von Dichtewellen hervorgerufen, die das Zentrum der Galaxie umlaufen. Die Wellen komprimieren das interstellare Gas und fördern so den Kollaps von Gaswolken, woraufhin diese neue Sterne gebären. Aus diesen Gründen liegen die Sternentstehungsregionen (rot) und die Haufen junger Sterne (blau) längs der Spiralarme. (Bild: ESO) und ermöglichen so die Bildung relativ massearmer Sterne. Die Astrophysiker vermuten, dass die ersten Sterne eine viel größere Durchschnittsmasse hatten als die heute entstehenden Sterne. Aber trotz des fehlenden Kühlmittels war die Sternentstehungsrate in den früheren Phasen des Universums höher als heute. Die fernsten bekannten Welteninseln sind in aller Regel Starburst-Galaxien. Noch verstehen die Forscher nicht vollständig, welche Mechanismen in den Gaswolken die Rate und die typischen Massen der entstehender Sterne regulieren. Entstehung der Planeten Die Bildung von Planetensystemen ist unmittelbar mit dem Prozess der Sternentstehung verbunden. Diese Hypothese stellten vor etwa 250 Jahren SuW-Dossier Planetensysteme 15 M 82 SuW-Dossier Planetensysteme Abb. 3: Die Spiralgalaxien M 81 und M 82 sind aneinander vorbeigeflogen, was bei M 82 zu einem Starburst geführt hat. Das Bild ist eine Aufnahme des 3.5-Meter-Teleskops auf dem Kitt Peak, die beide Galaxien und ihren heutigen Abstand voneinander zeigt. In dieses Bild wurde eine Detailaufnahme des HST von M 82 hineinkopiert: Der Strahlungsdruck des Lichts heißer junger Sterne und SupernovaExplosionen verwirbeln die Gas und Staubwolken. (Bild: HST) 16 M 81 Abb. 4: Infrarotaufnahme des Weltraumteleskops HUBBLE von Arp 220, dem leucktkräftigsten Objekt des lokalen Universums. Es handelt sich um das Resultat der Verschmelzung zweier Spiralgalaxien. Die hohe Strahlungsleistung ist auf den durch die Kollision induzierten Starburst in den beiden Galaxienkernen zurückzuführen, die im Bild deutlich sichtbar sind. (Bild: HST) Abb. 6: Pierre Simon de Laplace (1749–1834). Abb. 5: Immanuell Kant (1724– 1804). Abb. 7: In den zirkumstellaren Gasscheiben können sich, zunächst aus dem darin enthaltenen Staub, Planeten formen. Hier dargestellt sind Scheiben im Orion-Nebel, aufgenommen vom Weltraumteleskop HUBBLE. (Bild: HST) M 82 bereits Immanuel Kant (1724 bis 1804, Abb. 5) und Pierre Simon de Laplace (1749 bis 1827, Abb. 6) auf. Doch erst mit den technischen Möglichkeiten von heute können die Astronomen die Hypothese empirisch überprüfen. Das Weltraumteleskop HUBBLE und andere moderne Großteleskope konnten im sichtbaren Licht und im Infraroten Direktaufnahmen von zirkumstellaren Gasscheiben um Protosterne gewinnen, in denen womöglich Planeten entstehen (Abb. 7). Millimeterwellenteleskope konnten die Gasbewegung in solchen Scheiben anhand des Profils von Moleküllinien analysieren. Und mittels hochgenauer Spektroskopie benachbarter Sterne über Zeiträume von Monaten und Jahren ließen sich massereiche Planeten um einige dieser fremden Sonnen nachweisen. So entwickelte sich die Erforschung der Planetenentstehung von zumeist spekulativen Überlegungen zu einem zentralen Forschungsschwerpunkt der modernen Astrophysik. Das ehrgeizige Ziel der wissenschaftlichen Arbeit in den nächsten Jahren ist der Nachweis relativ massearmer, erdähnlicher Planeten, was bisher technisch noch nicht möglich ist. Und danach wollen die Forscher die faszinierende Frage beantworten, ob es in anderen Planetensystemen ebenfalls lebensfreundliche Bedingungen und womöglich sogar tatsächlich Leben gibt. Von turbulenten Molekülwolken zu dichten Kernen Sterne entstehen, wenn Gaswolken – oder Teile von ihnen – unter ihrer eigenen Schwerkraft in sich zusammenfallen. In der Scheibe des Milchstraßensystems befinden sich etwa fünf Milliarden Sonnenmassen interstellaren Gases. Es besteht zu etwa 70 Prozent aus Wasserstoff, zu 29 Prozent aus Helium und zu einem Prozent aus schweren Elementen. Etwa die Hälfte des interstellaren Gases liegt in Form einzelner Atome vor und ist nahezu gleichmäßig in der galaktischen Scheibe verteilt. Diese Gaskomponente weist eine durchschnittliche Dichte von einem Atom pro Kubikzentimeter auf. Die andere Hälfte des Gases befindet sich in Wolken molekularen Gases, die etwa 200-mal so dicht sind, aber nur 0.3 Prozent des gesamten Volumens der galaktischen Scheibe einnehmen. Die Sternentstehung findet in diesen dichten Molekülwolken und nicht im atomaren Gas statt. Die Scheibe des Milchstraßensystems enthält heute über 100 Milliarden Sterne, die zusammen mehr als zehnmal so viel Masse auf die Waage bringen wie das gesamte interstellare Gas. Die Sterne nehmen aber nur etwa den zehntrilliardsten Teil des Scheibenvolumens ein! Bei der Sternbildung handelt es sich also um einen Prozess, bei dem aus einem mehr oder weniger gleichmäßig verteilten dünnen Gas hochkompakte Gasbälle »herauskondensieren«, wobei eine Verdichtung um etwa 25 Größenordnungen stattfindet! Man kann diesen Prozess ganz grob in drei Stufen einteilen: Entstehung von Molekülwolken. Die Spiralarme der Scheibengalaxien sind das SuW-Dossier Planetensysteme 17 SuW-Dossier Planetensysteme 18 Abb. 8: Infrarotaufnahme des VLT vom Sternentstehungsgebiet RCW 38. Ein Haufen neu geborener Sterne hat mit dem Druck seines Lichts ein Loch in die riesige Molekülwolke gefressen, aus der er vor wenigen Millionen Jahren hervorgegangen ist. Abb. 9: Massereiche Sterne explodieren als Supernovae, wenn sie den nuklearen Brennstoff in ihrem Inneren aufgebraucht haben. Detailaufnahme des Weltraumteleskops HUBBLE vom Cygnus-Nebel, Überrest einer Explosion vor etwa 15 000 Jahren. Die expandierende Explosionswolke verwirbelt das interstellare Gas und löst sich allmählich darin auf. In den Molekülwolken ist die Gasdichte mit über 100 Molekülen pro Kubikzentimeter hoch genug, damit der dem Gas beigemischte Staub – ein Produkt vorheriger Sternentstehungszyklen – die Moleküle von der UV-Strahlung anderer Sterne abschirmen kann, die sie ansonsten wieder zerstören würde. Außerdem übernehmen einige in geringer Menge in der Wolke vorhandene Molekülarten, wie zum Beispiel Kohlenmonoxid und Wasser, die Rolle eines Kühlmittels, indem sie bei charakteristischen Wellenlängen Energie abstrahlen (Moleküllinien). Daher sinkt die Temperatur im Innern der Wolke auf etwa 10 bis 30 Grad über dem absoluten Nullpunkt ab. Um noch einmal auf die Umstände der Sternbildung im jungen Universum zurückzukommen, ist zu bedenken, dass die Molekülwolken damals nur Wasserstoffmoleküle (H2) enthalten konnten. Bei diesen gibt es jedoch keine energetischen Übergänge, die zur effektiven Abstrahlung im Millimeterwellenbereich führen. Daher können die Wasserstoffmoleküle die Wolke nicht kühlen. Wenn es eine effektive Kühlung gibt, dann verringert sich der innere thermische Druck des Gases, so dass er dem Druck der Gravitation nicht mehr genügend entgegenwirken kann. Die Wolke kann so unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabieren. Würde nur dieser Mechanismus wirken, dann müsste die Wolke sich innerhalb von etwa einer Million Jahren vollständig in Sterne umwandeln. Doch entsprechend hohe Sternentstehungsraten können die Astronomen in der Milchstraße nicht beobachten. Wir wis- Bremsen Magnetfelder die Sterngeburt … Für die niedrige Sternentstehungsrate haben die Forscher zwei gegensätzliche Erklärungen parat. Die eine besagt, dass Magnetfelder den Wolkenkollaps aufhalten und so die Sternentstehung verzögern. Ein Teil des Gases ist nämlich durch die hochenergetische kosmische Strahlen und durch die UV-Strahlung der bereits vorhandenen Sterne ionisiert. Durch Reibung mit den neutralen Molekülen verhindern die im Magnetfeld gefangenen Ionen, dass das Gas der Wirkung der Gravitationskraft schnell folgen kann. Da diese Kopplung aber nicht ideal ist, können die neutralen Moleküle trotzdem, der Schwerkraft langsam folgend, zum Zentrum driften. Effektivität der Sternbildung sen auch, dass sich im Mittel nur etwa 10 Prozent der Masse einer Wolke in Sterne umwandeln und dass Sterne nur dort entstehen, wo es lokale Verdichtungen in der Wolke gibt. Aber von Wolke zu Wolke schwankt die Effektivität der Sternbildung. So sind zum Beispiel im Orion-Nebel sehr viele Sterne auf einmal entstanden, und in einer anderen, sehr gut untersuchten Molekülwolke, dem Taurus-Komplex, sehen wir Sternentstehungsaktivität dagegen nur vereinzelt. Der Schlüssel zum genaueren Verständnis der Unterschiede liegt sehr wahrscheinlich in den lokalen Verdichtungen solch einer Wolke, in deren Verteilung und in deren Massen. Abb. 10: VLT-Aufnahme eines jungen Sternhaufens im Sternbild Chamäleon, zu dem einige der hellsten und der schwächsten Sterne im Bild gehören – entsprechend groß ist das Massenintervall, das sie abdecken. Ergebnis von Dichtewellen, die um das Zentrum der Scheibe laufen. Dabei komprimiert eine Welle das diffuse atomare Gas an einigen Stellen und führt dort zur Bildung von turbulenten Molekülwolken – ein Prozess, den die Forscher noch nicht im Detail verstehen. Sterne entstehen nur in diesen Molekülwolken, die sich aber bereits nach einigen Millionen Jahren wieder auflösen. Dafür sorgen der Strahlungsdruck des Lichts heißer junger Sterne und die besonders kurzlebigen massereichen Sterne, die als Supernovae explodieren. Die neu aufleuchtenden Sterne machen die Dichtewellen als Spiralarme sichtbar. Entstehung erster dichter Kerne, welche durch ihre eigene Schwerkraft zusammengehaltenen werden und welche die »Saatkerne« der Sternbildung darstellen. Gravitationskollaps der Kerne und Entstehung jeweils eines oder mehrerer neuer Sterne durch diesen Prozess. Abb. 11: Sonnenähnliche Sterne stoßen am Ende ihrer Entwicklung im Laufe einiger 10 000 Jahre ihre äußeren Schichten ab. Detailaufnahme des Weltraumteleskops HUBBLE vom HelixNebel, einem so genannten Planetarischen Nebel. Das Licht des zurückbleibenden Weißen Zwergs erodiert die abgestoßene Hülle. SuW-Dossier Planetensysteme 19 Dieser Prozess, der ambipolare Diffusion heißt, kann sowohl die Kontrakwtion einer Wolke als Ganzes, als auch den Gravitationskollaps eines Wolkenkerns verzögern. Mit neuen Beobachtungstechniken hat man inzwischen jedoch festgestellt, dass stabile, durch Magnetfelder im Gleichgewicht gehaltene dichte Wolkenkerne praktisch nicht existieren. Die kollapsverzögernde Wirkung von Magnetfeldern haben die Astrophysiker bisher wohl überschätzt. Sie reicht wahrscheinlich nicht aus, um die niedrige Sternentstehungsrate in der Milchstraße zu erklären. … oder sorgt Turbulenz für eine geringe Effizienz? Die andere Erklärung besagt, dass Molekülwolken zwar schnell und relativ ungehindert kollabieren können, dass innerhalb einer großen Wolke aber nur wenige Gebiete für ausreichende Zeit massereich und dicht genug werden, um unter ihrer Eigengravitation zu Sternen zu kollabieren. Neuere Computersimulationen der Vorgänge in den Wolken haben gezeigt, dass großräumige irreguläre Strömungen in der Lage sind, eine Wolke so zu durchwirbeln, dass sie den Kollaps als Ganzes verhindert können und nur lokale Verdichtungen entstehen, die in Filamenten mit Knotenpunkten angeordnet sind. Solche Filamente aus dichtem Gas sowie Ketten von Protosternen, die wie Perlenschnüre aufgereiht sind, werden tatsächlich häufig beobachtet. (Abb. 12) Unter vielen möglichen Ursachen für solche turbulenten Strömungen scheinen Stoßwellen von Supernovaexplosionen sowie Scherungen in der Scheibe der betreffenden Galaxie eine wichtige Rolle zu spielen. In diesem Szenario, das die Forscher erst ansatzweise verstehen, neigen massereiche Wolken wie jene im Orion, die relativ zu ihrer Masse wenig Turbulenz aufweisen, eher dazu, großräumig zu kollabieren und dabei durch weitere Fragmentation sehr effektiv viele Sterne auf engem Raum zu bilden. In masseärmeren und turbulenteren Wolken dagegen sind die meisten Verdichtungen gravitativ ungebunden und werden wieder zerstört, bevor dort die Gravitation die Oberhand gewinnen kann. Nur vereinzelten und zufällig verteilten Wolkenkernen gelingt es, unter ihrer eigenen Gravitation zu kollabieren. Es gibt eine Reihe von Beobachtungsbefunden, die für eine relativ kurze LebensAbb. 12: Computersimulation von Ralf Klessen vom Astrophysikalischen Institut Potsdam. Gezeigt ist die Dichteverteilung in einer Molekülwolke mit turbulenten Strömungen. Die dichteren Klumpen, potenzielle Saatkerne der Sterngeburt, sind nicht völlig zufällig in der Wolke verteilt, sondern sammeln sich längs Filamenten aus dichterem Gas. (Bild: AIP) Beobachter Gasdichte optisch dicke Linie optisch dünne Linie dauer der Molekülwolken und damit für das Szenario einer durch turbulente Strömungen gesteuerten Sternentstehung sprechen: Es ist keine Molekülwolke bekannt, deren Sternpopulation älter als fünf Millionen Jahre ist. Die Sterne in jungen Haufen, die aus einer erst kürzlich aufgelösten Molekülwolke entstanden sind, zeigen eine relativ geringe Altersbandbreite. Große Molekülwolken, die noch keine jungen Sterne enthalten, sind sehr selten. Jedoch beruhen diese Aussagen hauptsächlich auf Beobachtungen weniger, sehr gut untersuchter Molekülwolken in der Umgebung des Sonnensystems, die nur einen sehr kleinen Teil der Milchstraße umfasst. Auch ist es möglich, dass diese neuen Modelle die bisher offensichtlich überbewertete Rolle von Magnetfeldern als Kollapsbremse nun unterbewerten. Zur Überprüfung und weiteren Verbesserung der Modellszenarien müssen wir Forscher neben weiteren detaillierten Untersuchungen der internen Dich20 SuW-Dossier Planetensysteme Messung der Gasbewegung in kollabierenden Wolken D ie Kollapsbewegung eines protostellaren Moleülwolkenkerns lässt sich spektroskopisch anhand der Profile von Moleküllinien nachweisen: Die Bewegung des Gases auf das Zentrum der Wolke zu verursacht eine Doppler-Verschiebung der Wellenlänge proportional zur Geschwindigkeitskomponente entlang der Sichtlinie. Das mittlere Diagramm links ist ein Schnitt durch das simulierte Radialgeschwindigkeitsfeld einer kollabierenden und langsam rotierenden Wolke. Der Beobachter befindet sich rechts. Rot dargestelltes Gas bewegt sich vom Beobachter weg, blau dargestelltes auf den Beobachter zu. Gasmoleküle auf der durchgezogenen und auf der gestrichelten Ellipse haben jeweils die gleiche, auf die Sichtlinie bezogene Radialgeschwindigkeit. Abgesehen von der »Verbiegung« des Geschwindigkeitsfeldes durch die Rotation emittieren entlang eines Sehstrahls alle Moleküle zusammen gleiche Anteile von rot- und blauverschobenen Photonen, die sich bei optisch dünnem Gas zu einer symmetrischen Spektralline aufsummieren (weiße Linie im Modellspektrum links unten). Das für den Kollaps typische asymmetrische Linienprofil (farbige Linie) entsteht nur, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: te- und Geschwindigkeitsstruktur von Molekülwolken auch umfangreiche statistische Untersuchungen des Zusammenhangs von Molekülwolken und jungen Sternen in der gesamten Scheibe des Milchstraßensystems anstellen. Zudem wird sich ein genauerer Blick auf andere, unserer Galaxis ähnliche, aber mehr »von oben« ( face-on) gesehene Spiralgalaxien lohnen. Die Massen der neuen Sterne Welche Verteilung von Sternmassen eine Molekülwolke produziert, ist offensichtlich bereits durch die Verteilung der dichten, gravitativ gebundenen Kerne vorbestimmt. Tatsächlich haben sowohl Beobachtungen als auch Computersimulationen in jüngster Zeit gezeigt, dass die Verteilung der Massen der bereits entstandenen Sterne und die Verteilung der Massen der dichten Kerne in Molekülwolken gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Die endgültige Verteilung der Sternmassen hängt zum Teil aber auch von Selbstregulierungsprozessen bei der Sternentstehung wie den Jets (siehe auch Kasten »Jets und zikumstellare Scheiben«, auf Die Moleküle im Zentrum der Wolke müs- sen höher angeregt sein, als jene in der äußeren Hülle – was durch die bei höherer Dichte häufigen Zusammenstöße mit Wasserstoffmolekülen gegeben ist. Die Linie muss optisch dick sein, so dass ein Teil der Strahlung auf dem Weg durch die Wolke wieder von anderen Molekülen absorbiert wird. Ein Molekül kann jedoch nur ein Photon absorbieren, das von einem anderen Molekül mit ähnlicher Radialgeschwindigkeit emittiert wurde. Die Linien gleicher Geschwindigkeit (links Mitte) verdeutlichen, dass ein Sehstrahl immer zwei verschieden dichte Gebiete mit gleicher Radialgeschwindigkeit passiert. Während die intensive, blauverschobene Emission des dichten Gases gleich hinter dem Kollapszentrum ohne weitere Absorption zum Beobachter gelangen kann, wird die rotverschobene Emission des dichten Gases gleich vor dem Kollapszentrum durch weiter außen in der Hülle befindliches, wenig strahlendes dünneres Gas teilweise absorbiert. Dadurch ergibt sich bei solchen Linien die typische asymmetrische Form (links unten). Rechts oben ist ein tatsächlich beobachtetes Spektrum eines kollabierenden Molekülwolkenkerns dargestellt. Seite 25) und dem Strahlungsdruck benachbarter massereicher Sterne ab. Genau verstehen die Forscher den Einfluss der verschiedenen Mechanismen jedoch noch nicht. Vom Kern zum Stern Aber was passiert nun mit einem Molekülwolkenkern, der genügend Masse aufgesammelt hat und so dicht geworden ist, dass weder der innere thermische Druck noch turbulente Strömungen ihn wieder zerstören können? Durch die hohe Dichte kann der dem Gas beigemischte Staub den Wolkenkern noch effektiver von der umgebenden Strahlung anderer Sterne abschirmen, und die Moleküllinienstrahlung kann ihn weiter kühlen. Dadurch bleibt der innere thermische Druck unter dem für die Stabilisierung gegen die Gravitation kritischen Wert. Neben der restlichen Turbulenz bieten Magnetfelder jetzt die einzige Möglichkeit, den Gravitationskollaps in der oben beschrieben Weise zu verzögern. Allerdings lässt die ambipolare Diffusion im Zentrum der Wolke die relative Konzen- Millimeterwellenintensität 10000 AE optisch dicke Linie optisch dünne Linie tration der geladenen Teilchen langsam sinken, bis auch das Magnetfeld den Kollaps nicht mehr aufhalten kann. Nun gewinnt die Gravitation im Kampf gegen die auseiandertreibenden Kräfte des thermischen, des turbulenten und des magnetischen Druckes die Oberhand. Und der Wolkenkern beginnt nahezu im freien Fall unter seiner eigenen Schwerkraft in sich zusammenzufallen. Für einen typischen Wolkenkern, der etwa eine Sonnenmasse umfasst, dauert dieser Kollaps – trotz der möglichen anfänglichen Verzögerung – insgesamt einige hunderttausend Jahre. Je größer allerdings die Masse und Dichte eines Wolkenkerns sind, desto kürzer ist diese Zeit. Massereiche Sterne entstehen also schneller als die masseärmeren, sonnenähnlichen Sterne. Massereiche Sterne leben auch viel kürzer, strahlen aber dafür umso intensiver. Der genaue Verlauf des Kollapses hängt empfindlich vom Zustand des Molekülwolkenkerns am Beginn des Kollapses ab. Obwohl Modellrechnungen bisher nur für wenige, stark idealisierte Anfangsbedingungen existieren, haben sie SuW-Dossier Planetensysteme 21 Wolkenkern Dichte: 2 10–18g/cm3 Größe: 0.3 Lj Allmählich erwärmt sich der Kern Wenn die Dichte im Zentrum etwa zehn Milliarden Molküle – oder 30 Billiardstel Gramm – pro Kubikzentimeter übersteigt, wird der Kern für die Wär- Stern (Sonne) Dichte: 1.4 g/cm3 Größe: 2 10–7 Lj mestrahlung undurchsichtig. Die Photonen, welche die Energie abtransportieren, können also nicht mehr frei entweichen, sondern werden von benachbarten Staubteilchen wieder absorbiert. Die Wärme gelangt dann nicht nach außen. Durch den Ausfall dieses Kühlmechanismus heizt sich der dichte Kern auf (Abb. 14). Mit der Temperatur steigt auch der innere Druck der Gaskugel, der nun dem Gravitationsdruck entgegenwirkt, bis sich ein Gleichgewicht einstellt, das einige Zeit anhält. Der Gravitationskollaps ist vorerst gestoppt, allerdings nur im Innern des protostellaren Kerns, den wir noch nicht als Stern bezeichnen können. Von außen fällt weiterhin Materie aus der umgebenden Wolkenhülle auf den Kern, der sich dadurch weiter aufheizt und an Masse gewinnt. Wenn die Temperatur im Innern knapp 2000 Grad Celsius erreicht und die zentrale Dichte auf etwa 30 Milliardstel Gramm pro Kubikzentimeter angestiegen ist, halten die Bindungen zwischen den Wasserstoffatomen den Planet (Erde) Dichte: 5.5 g/cm3 Größe: 10–9 Lj Abb. 13: Die Entwicklung von Dichte und Größe auf dem Weg von einer Molekülwolke über Wolkenkerne und Scheiben zur Bildung von Sternen und Planeten. Die Dichte nimmt immer mehr zu, die Größe dagegen immer mehr ab. doch geholfen, die physikalischen Vorgänge während des Kollapses prinzipiell zu verstehen. Anhand der Moleküllinienspektren können die Astronomen beobachten, wie das Gas in einem Wolkenkern auf dessen Zentrum zustürzt (Kasten »Messung der Gasbewegung in kollabierenden Wolken«). Mit dem Kollaps geht ein Druckanstieg im Innern des Wolkenkerns einher. Die dadurch erzeugte Wärme überträgt sich durch Stöße von den Wasserstoffmolekülen auf die beigemischten Staubteilchen und wird danach von diesen als infrarote Wärmestrahlung in den Weltraum abgestrahlt. Dadurch bleibt die Temperatur etwa konstant bei sieben bis zehn Grad über dem absoluten Nullpunkt. Scheibe Dichte: 2 10–13g/cm3 Größe: 0.001 Lj Molekülwolke Dichte: 3 10–22 g/cm3 Größe: 100 Lj Abb. 14: Die Temperatur und die Dichte einer sphärisch symmetrischen Wolke verändern sich während des Kollapses. Die Dichte im Zentrum einer interstellaren Wolke muss etwa um den Faktor 1024 und die Temperatur um den Faktor 106 anwachsen, ehe die Wolke einen Stern bilden kann. Die Bedingungen im Zentrum der Sonne sind zum Vergleich gezeigt. 108 Sonne Temperatur im Zentrum [Kelvin] 107 1. dynamischer Kollaps 106 1. Gleichgewichtsphase 2. dynamischer Kollaps 2. Gleichgewichtsphase 105 104 atomarer Wasserstoff 103 Aufheizung 102 Dissoziation molekularen Wasserstoffs Abkühlung isotherme Phase 10 1 22 nahezu undurchlässig für infrarote Wellenlängen 102 SuW-Dossier 104 106 Planetensysteme 108 1010 1012 1014 1016 1018 1020 Dichte [Anzahl der Moleküle pro Kubikzentimeter] 1022 1024 1026 Zuerst »brennt« Deuterium Da diese Dissoziation fast die gesamte Energie der weiterhin einfallenden Materie verbraucht, können Temperatur und Druck im Innern nicht mehr schnell genug wachsen, um der Gravitation entgegenzuwirken. Der bisher im Gleichgewicht befindliche protostellare Kern beginnt erneut unter seiner eigenen Schwerkraft zu schrumpfen. Wenn aller Wasserstoff dissoziiert ist, verlangsamt sich der Kollaps bei einer Dichte von etwa 10 Milligramm pro Kubikzentimeter erneut und die Temperatur steigt wieder schneller an. Wenn die Temperatur im Zentrum etwa eine Million Grad erreicht – die Atome sind jetzt vollständig dissoziiert und die Materie befindet sich in einem Plasmazustand aus freien Protonen und Elektronen – setzt langsam die ers- te thermonukleare Fusionsreaktion ein: das Deuteriumbrennen. Deuterium wird auch »schwerer Wasserstoff« genannt; seine Atomkerne bestehen jeweils aus einem Proton und einem Neutron. Diese verbinden sich nun nach und nach unter Freisetzung von Energie zu Heliumatomen (jeweils zwei Protonen und zwei Neutronen). Da der Gasball nun eigenständig Energie produziert, wäre es nicht falsch, ihn bereits als Stern zu bezeichnen. Die Astrophysiker nennen ihn jedoch weiterhin Protostern, da er noch sehr viel mehr Masse akkretieren wird und vorerst noch weit mehr Energie durch den Aufprall der einstürzenden Materie und die bei der Kontraktion freiwerdende Gravitationsenergie als durch die Kernfusion freisetzt. (Das wesentlich effektivere Wasserstoffbrennen setzt erst in einer viel späteren Entwicklungsphase ein, wenn eine Temperatur von sechs bis zehn Millionen Grad und eine Dichte von mehreren Gramm pro Kubikzentimeter erreicht sind.) VLT ALMA Stößen nicht mehr stand. Der bisher molekulare Wasserstoff dissoziiert in ein atomares Gas. Abb. 15: Das Atacama Large Millimeter Array (ALMA) ist ein Teleskop für den Millimeter- und den Submillimeterwellenbereich. Es besteht aus 64 Antennen mit jeweils 12 Metern Durchmesser, die in der nordchilenischen Atacama-Wüste, in 5000 Metern Höhe errichtet werden sollen. Um eine sehr hohe Bildschärfe zu erreichen, sind die Antennen zu einem Interferometer gekoppelt. Mit ALMA werden die Astronomen Details der Stern- und Galaxienentstehung studieren können, die in keinem anderen Wellenlängenbereich zugänglich sind. Das Inset gibt den Standort von ALMA an. SuW-Dossier Planetensysteme 23 Jets und zirkumstellare Scheiben D as Bild unten zeigt die Jets von HH 211 im Licht einer Spektrallinie des Kohlenmonoxyd-Moleküls (blau) zusammen mit der Kontinuumsemission des Staubs bei einer Wellenlänge von 1.3 Millimetern (rot), die auf eine Staubscheibe um den zentra- len Protostern hinweist. Die Messungen erfolgten durch F. Gueth aus Grenoble am Millimeterinterferometer des deutsch-französisch-spanischen Instituts für Millimeterastronomie IRAM auf dem Plateau de Bure in den französischen Alpen. Farbig unter- legt ist eine Aufnahme durch Marc McCaughrean aus Potsdam von der Emission molekuraren Wasserstoffs bei einer Wellenlänge von 2.12 Mikrometern, die durch Stöße angeregt wird. Noch befindet sich der Protostern tief versteckt in der ihn weiterhin fütternden Wolkenhülle, deren beigemischter Staub die gesamte Strahlung absorbiert und als Wärmestrahlung nach außen abgibt. Der Protostern bleibt also weiterhin für normale Teleskope unsichbar und kann nur mit Infrarotkameras oder großen Millimeterwellenteleskopen nachgewiesen werden (Abb. 15). Wohin mit dem Drehimpuls? Wir haben bisher jedoch ein wichtiges Problem vernachlässigt: Jede interstellare Gaswolke besitzt, genau wie das Milchstraßensystem als Ganzes, einen gewissen Drehimpuls; sie rotiert. Ohne äußeren Einfluss kann sich dieser Drehimpuls nicht verändern. Das heißt, wenn 24 SuW-Dossier Planetensysteme Abb. 16: Eigene Aufnahme der kleinen Molekülwolke CG 30. Sie ist im sichtbaren Licht schwarz – bis auf einen leuchtenden Jet. Die Millimeterwellenaufnahme (weiße Linien), welche die Wärmestrahlung des Staubs zeigt, enthüllt einen Doppelkern im Zentrum in der Wolke. Tief eingebettet in jedem dieser Kerne befindet sich ein Protostern. Die beiden übrigen Bilder zeigen zirkumstellare Scheiben, von der Kante aus gesehen: Oben links ist der Infrarot-Nebel im Sternbild Chamäleon zu sehen. Der große Reflexionsnebel entsteht durch Streuung des Lichts des jungen Sterns, der selbst von der Staubscheibe völlig verdeckt ist, an kleinen Staubteilchen in der ausgedehnten Wolkenhülle. Die Staubscheibe ist an ihrem Schatten, der den schmetterlingsförmigen Nebel in der Mitte teilt, erkennbar. Die Aufnahme stammt von den Astronomen Marc McCaughrean und Hans Zinnecker aus Potsdam). Das kleine Bild rechts zeigt einen änlichen Infrarot-Reflexionsnebel in der kleinen Molekülwolke CB 26, der ebenfalls durch den Schatten einer von der Kante aus gesehenen zirkumstellaren Staubscheibe geteilt ist. Allerdings ist es hier gelungen, die thermische Millimeterwellenemission der Staubscheibe selbst zu beobachten und dem Infrarotbild zu überlagern. Die Messungen erfolgten durch einen der Autoren (R. Launhardt) am Millimeterwellen-Interfero- meter des California Institute of Technology im Owens Valley. Die Form des Balkens entspricht der gemessenen Wärmestrahlung des Staubes. Die Farbkodierung gibt das aus der beobachteten Dopplerverschiebung einer Rotationslinie des CO-Moleküls berechnete Geschwindigkeitsprofil der Scheibe wieder. Die Scheibe befindet sich in KeplerRotation um den Zentralstern, wobei sich die rote Seite von uns weg, und die blaue Seite auf uns zu bewegt. Diese junge Staubscheibe ist etwa dreimal so groß wie unser heutiges Sonnensystem. sich die Wolke auf einen kleineren Raum zusammenzieht, muss sie schneller rotieren. Dieses Prinzip kann man sehr gut bei Pirouetten drehenden Eiskunstläuferinnen beobachten. Sie drehen sich allein dadurch schneller, dass sie die anfangs ausgestreckten Arme dichter an den Körper heranziehen. Aus Messungen der Dopplerverschiebung von Moleküllinien wissen wir, dass kleine interstellare Wolken oder Wolkenkerne, die etwa soviel Masse wie die Sonne enthalten, einen Drehimpuls besitzen, der das Objekt trotz der gewaltigen Eigengravitation durch die Fliehkraft zerreißen würde, sobald es sich auf etwa die dreifache Größe des Sonnensystems zusammengezogen hat. Zu diesem Zeitpunkt hat das Deuteriumbrennen noch längst nicht eingesetzt. Wir wissen aber, dass Sterne existieren und dass der Drehimpuls eines typischen Sterns nur etwa ein Millionstel des Anfangsdrehimpulses einer protostellaren Wolke beträgt. Die Natur hat offensichtlich einen effektiven Weg gefunden, um 99.9999 Prozent des ursprünglichen Drehimpulses der protostellaren Wolke während des Sternentstehungsprozesses herauszutragen, am Ende aber noch ge- nug übrigzulassen, damit später eventuell entstehende Planeten nicht in den Stern stürzen. Die Astrophysiker wissen allerdings erst ansatzweise, wie die Natur dieses so genannte Drehimpulsproblem löst. hindert, dass das Gas direkt auf den zentralen Protostern fällt. Stattdessen bildet sich um den Protostern eine so genannte Akkretionsscheibe, in der sich die von außen kommende Materie sammelt. Turbulente Reibung in der Scheibe überträgt einen Teil des Drehimpulses auf Gas, das radial nach außen wandert. Der größte Teil des Scheibengases kann sich so mit verringertem Drehimpuls weiter dem Stern nähern. Allerdings besitzt auch dieses Gas immer noch zuviel Drehimpuls um tatsächlich auf dem Protostern zu landen. Wiederum überträgt sich ein großer Teil des Drehimpulses auf einen kleinen Teil des Gases – und zwar jenen Teil, der als elektrisch leitfähiges Plasma vorliegt. Das Magnetfeld der Scheibe beschleunigt das Plasma und bündelt es zu zwei Jets, die beidseitig senkrecht zur Scheibe fortschießen. Bildung von Doppelsternen und von Akkretionsscheiben Zwei wichtige Konsequenzen ergeben sich aus der Tatsache, dass protostellare Wolken rotieren. Zum einen beobachten wir, dass protostellare, gravitativ gebundene Wolkenkerne in der Regel nicht rund, sondern länglich sind. Aufgrund der Rotation fragmentieren (zerreißen) sie daher sehr leicht, wenn sich ihre Drehgeschwindigkeit infolge einer weiteren Materiekonzentration erhöht (siehe Abb. 14). Dadurch wird bereits ein Teil des Eigendrehimpulses der Wolke in Bahndrehimpuls der sich umkreisenden Protosterne umgewandelt. Tatsächlich beobachten wir, dass die meisten Sterne in Doppel- oder Mehrfachsternsystemen vorkommen. Unsere Sonne ist als Einzelstern eher untypisch. Zum anderen besitzt die auf die Einzelfragmente einstürzende Materie weiterhin einen gewissen Drehimpuls, der ver- Plasmafontänen transportieren Drehimpuls nach außen Das Plasma der Jets rotiert schnell um die Jetachse und trägt so Drehimpuls fort. Auch wenn wir Astrophysiker diesen Mechanismus noch nicht vollständig verstehen, so beobachten wir doch, dass sol- SuW-Dossier Planetensysteme 25 Erste Hinweise auf Staubscheiben um junge sonnenähnliche Sterne lieferten Durchmusterungen im infraroten Spektralbereich und bei Millimeterwellenlängen: Die zirkumstellaren Staubteilchen absorbieren das Sternlicht, erwärmen sich dadurch und geben die Energie als Wärmestrahlung bei langen Wellenlängen wieder ab. Durch Messung dieser Strahlung im Millimeterwellenbereich konnte man erstmals die Massen des zirkumstellaren Materials direkt abschätzen. Sie betragen typischerweise ein Prozent der Sonnenmasse. Würde man dieses Material in einer kugelförmigen Hülle um den Stern anordnen, dann würden wir ihn nicht mehr sehen. Viele der untersuchten Objekte sind jedoch optisch sichtbar. Sie werden nach einem Prototypen als T-Tauri-Sterne bezeichnet. Die Erklärung für die teilweise Sichtbarkeit ist, dass der Staub in einer Scheibe angeordnet ist. Die heutigen Teleskope können zirkumstellare Scheiben sehen … Mit dem Weltraumteleskop HUBBLE, aber auch mit Hilfe der adaptiven Optik an bodengebundenen Teleskopen, die eine ebenso hohe Bildschärfe liefert, ist 26 SuW-Dossier Planetensysteme … aber eine Beobachtung der Planetenbildung ist schwierig Einige Astrophysiker bezeichnen die zirkumsolaren Scheiben auch als »protoplanetare Scheiben«. Doch bisher gibt es kaum empirische Hinweise für eine Planetenbildung in den Scheiben. Denn Planetenbausteine von weniger als einigen Kilometern Größe höchstens indirekt nachweisbar sind. Die winzigen Staub- Von zirkumstellaren Staubscheiben zu Planetensystemen es den Astronomen unterdessen gelungen, solche Scheiben direkt abzubilden. Die hochauflösende Spektroskopie mit Millimeterwelleninterferometern ließ es in einigen Fällen sogar zu, die Rotationsbewegung des Gases in der Scheibe zu messen. Daraus ergab sich, das es sich um eine Bewegung handelt, die wie bei Planeten den Keplerschen Gesetzen genügt. In den kommenden Jahren werden wir mit Hilfe der optischen und der Infrarot-Interferometrie am Very Large Telescope Interferometer (VLTI) der Europäischen Südsternwarte (ESO) auf dem Cerro Paranal in Chile sowie mit dem zur Zeit ebenfalls in Chile entstehenden großen Millimeterinterferometer ALMA (siehe Abb. 15) in der Lage sein, die Struktur solcher Scheiben genauer zu untersuchen. Möglicherweise wird es gelingen, die Existenz so genannter Resonanzlücken in den Scheiben, die durch die Wechselwirkung von Planeten mit dem Gas der Scheibe zustande kommen, direkt nachzuweisen. Abb. 18 zeigt ist das Instrument MIDI (Mid-infrared Interferometric Instrument), bei dem es sich um das erste große VLT-Interferometrieinstrument für den Infrarotbereich handelt. Es wurde am Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg gebaut und liefert seit kurzem die ersten wissenschaftlichen Daten. Abb. 17: Numerische Simulation der Gasströmung um einen in die zirkumstellare Scheibe eingebetteten Planeten. Gezeigt ist die Gasdichte nach 210 Umläufen des Planeten. Die Abszisse gibt den radialen Abstand vom Zentralstern, die Ordinate den Winkelabstand in der Scheibe an. Der Zentralstern besitzt die Masse der Sonne, der Planet hat etwa die halbe Masse des Jupiter. Die Simulation wurde mit der Methode der geschachtelten Gitter durchgeführt, welche die Auflösung hochdynamischer Strömungen auf verschiedenen Skalen erlaubt. Das Diagramm links oben zeigt das gesamte simulierte Gebiet der Scheibe. Von links nach rechts werden jeweils vergrößerte Ausschnitte um den Planeten gezeigt. Die grüne Kurve zeigt die so genannte Roche-Grenze, an der sich die Gravitationsanziehung und die Fliehkraft die Waage halten. Materie aus der Scheibe, die in diesen Bereich hineingelangt, wird unweigerlich vom Planeten angezogen. che spektakulären Jets überall dort auftreten, wo Akkretionsvorgänge (Masseneinfall) stattfinden, von Protosternen bis hin zu Schwarzen Löchern in den Kernen von Galaxien. Nachdem das meiste Gas aus der umgebenden Wolkenhülle durch die Akkretionsscheibe auf den Stern gestürzt, und ein Teil durch die Jets weggeblasen worden ist, wird der junge, von einer rotierenden Scheibe aus Gas und Staub umgebene Stern endlich sichtbar. Abb. 18: MIDI (Mid-infrared Interferometric Instrument for VLTI) ist ein Gerät für Infrarotbeobachtungen mit dem VLT-Interferometer. Das Photo entstand im interferometrischen Labor des VLTI bei der Installation des Teils des optischen Aufbaus, der bei Raumtemperatur betrieben wird. Die Optik zur Strahlvereinigung befindet sich im kastenförmigen Kryostaten (am hinteren Ende des Tisches) und wird bei Temperaturen unterhalb minus 230 Grad Celsius betrieben. Bei diesen tiefen Temperaturen wird die störende Wärmestrahlung des Geräts selbst weitestgehend unterdrückt. SuW-Dossier Planetensysteme 27 teilchen lassen sich dagegen viel leichter direkt nachweisen, weil sie in ihrer Gesamtheit eine extrem große Oberfläche besitzen. Etappen der Planetengeburt Die Natur muss mehr als 12 Größenordnungen überwinden, um aus diesen Krümeln Planeten zu »backen«. Aufgrund theoretischer Überlegungen, numerischer Simulationen sowie experimenteller Untersuchungen haben die Astrophysiker ein erstes Szenario entworfen, wie Planeten aus zirkumstellaren Gas-StaubScheiben entstehen könnten (Abb. 19 und SuW-Special »Monde«, S. 8). Dabei gibt es folgende Phasen: Die Staubteilchen sind nicht perfekt an das Gas gekoppelt, wodurch sie sich relativ zueinander bewegen können. Sie stoßen daher gelegentlich zusammen, verkleben miteinander und bilden nach und nach immer größere Körper. Es bilden Abb. 19: Drei wichtige Phasen der Entstehung eines Planeten in einer zirkumstellaren Scheibe aus Gas und Staub: Links: Zusammenstöße kleiner Staubteilchen lassen diese aneinander haften und größere Konglomerate bilden. Mitte: Langsam kollidierende größere Brocken bilden unter Mithilfe der gegenseitigen Graviationsanziehung so genannte Planetesimale. Rechts: Große Protoplaneten können aufgrund ihrer Schwerkraft Gas aus der Scheibe ansammeln und sich so zu Gasplaneten entwickeln. SuW-Dossier Nicht alle Phasen dieses Standardszenarios der Planetenentstehung sind wirklich verstanden. So erreichen in Modellrechnungen metergroße Körper so hohe Geschwindigkeiten relativ zueinander, dass die Modelle bei Zusammenstößen ein Zerbrechen der Brocken und kein weiteres Wachstum vorhersagen. Eine Lösung bietet hier eventuell das umliegende Gas, welches die Stöße dämpft. Eine andere Schwierigkeit besteht in der Tatsache, dass die gravitative Verschmelzung eigentlich viel zu lange dauert, wenn man die berechnete Zeitskala mit der aus der Beobachtung abgeleiteten Lebensdauer von Scheiben, die sich nur auf einige Millionen Jahre beläuft, vergleicht. Wir wollen an dieser Stelle auch nicht unerwähnt lassen, dass es noch ein 10 km 1 mm 28 sich kilometergroße, so genannte Planetesimale, die nicht mehr durch Reibung vom Gas in der Scheibe mitgerissen werden, sondern auf eigenen Bahnen um den jungen Stern kreisen. Die ersten Schritte dieses Wachstums lassen sich auch im irdischen Labor oder in Weltraumexperimenten verfolgen. In der zweiten Phase verschmelzen die Planetesimale aufgrund ihrer gegenseitigen gravitativen Anziehung und bilden schließlich Planetenkerne, die eine Größe wie der Mars erreichen. Die letzte Phase des Wachstum besteht in weiteren Verschmelzungen der Planetenkerne durch Stöße und – im Falle der Riesenplaneten – im Aufsammeln von Gas aus der Scheibe. Planetensysteme ganz anderes Szenario für die Entstehung von Riesenplaneten gibt, nämlich ihre direkte Entstehung durch eine Gravitationsinstbilität in einer relativ massereichen Scheibe. Extrasolare Planeten Über den Entstehungsprozess von Planeten und ganzen Planetensystemen lässt sich nicht nur aus der Analyse von protoplanetaren Scheiben etwas lernen, auch die heute erstmals entdeckten, bereits voll entwickelten extrasolaren Planeten sonnenähnlicher Sterne tragen Informationen mit sich, die etwas über ihren Entstehungsprozess aussagen. Vergleicht man die bisher gefundenen extrasolaren Planeten mit unserer kosmischen Heimat, so fällt auf, dass es massereichere Objekte als Jupiter geben kann, die zudem noch näher beim Zentralstern liegen. Bisher wurde von einer oberen Massengrenze für Planeten von etwa einer Jupitermasse ausgegangen, weil ein Planet größerer Masse eine Lücke in der Scheibe bilden sollte, die ein weiteres Wachstum verhindern würde. Unsere Simulationen und die anderer Gruppen zeigen jedoch, dass der Planet trotz der Lücke in der Lage ist, Materie aus der Umgebung aufzunehmen. Das Wachstum wird erst bei etwa zehn Jupitermassen begrenzt. Durch die Wechselwirkung des Planeten mit der Scheibe entstehen gravitative Drehmomente, die auf den Planeten einwirken, und es kommt zur Änderung seiner Bahnparameter. Dies kann zu einer 10000 km Wanderung nach innen führen. Wir wissen gegenwärtig jedoch noch nicht, welcher Prozess maßgeblich ist, um diese Bewegung zu stoppen. Eine anderer Beobachtungsbefund sind die hohen Exzentrizitäten der Planetenbahnen, die bei einer ganzen Reihe von extrasolaren Planeten entdeckt wurden. Sie lassen sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf die gravitative Wechselwirkung der Planeten miteinander zurückführen. Vielversprechende Zukunft In den kommenden Jahren können wir eine Flut neuer Beobachtungsdaten bis hin zur direkten Abbildung von Planeten erwarten, die uns auch der Beantwortung der Frage, wie Planetensysteme entstehen und sich entwickeln, einen wesentlichen Schritt näherbringen werden. Wir haben gelernt, dass unser Sonnensystem nur eines unter vielen ist, die oft nach ganz anderen Plänen aufgebaut sind. Wir wissen jedoch noch nicht, wieviele andere Systeme mit erdähnlichen Planeten es gibt. Aber auch hier ist die Antwort greifbar nahe. Die Ausdehnung unserer Beobachtungsmöglichkeiten vom optischen Spektralfenster in die viel breiteren Bereiche der Infrarot- und Radiowellen, aber auch in den Röntgenbereich, haben es uns ermöglicht, die frühesten Phasen der Sternentstehung zu identifizieren und ein erstes Bild von ihr zu zeichnen. Viele Fragen sind noch unbeantwortet, so wie die nach der Bildung der Molekülwolken und ihrer Stabilität, oder die nach der Lösung des Drehimpulsproblems. Erst kürzlich ist es uns gelungen, zirkumstellare Scheiben direkt abzubilden, wobei die Bestimmung der genauen Lebensdauer dieser Scheiben, insbesondere aber der Lebensdauer der Gasscheiben, noch offen ist. Wir konnten Sterne sehr geringer Masse wie die Braunen Zwerge finden und Sternentstehung im frühen Universum nachweisen. Schließlich stellt die Entdeckung der ersten extrasolaren Planeten eine Pionierleistung der Astronomie und einen Meilenstein in unserem Verständnis der Planetenentstehung dar. Wir haben auch gelernt, dass ein tieferes Verständnis der Prozesse, die zur Entstehung von Sternen und Planetensystemen führen, nur durch das enge Zusammenwirken von Astronomen mit Vertretern der numerischen Astrophysik und der Laborastrophysik erreicht werden kann. Das gesamte Gebiet befindet sich gegenwärtig in Goldgräberstimmung: Mit der optischen und Infrarotinterferometrie sowie mit ALMA werden wir die Struktur von Scheiben aufklären und der Lösung des Drehimpulsproblems näher kommen. Die Infrarot-Weltraumobservatorien SIRTF, HERSCHEL, und schließlich der Nachfolger des Weltraumteleskops HUBBLE, das James Webb Space Telescope (JWST), werden eine genaue Bestimmung der Massenverteilung der Sterne bis hin zu substellaren Massen erlauben und die genaue Lebensdauer der Scheiben bestimmen können. Suche nach den Schwestern der Erde Mit der Transitmethode, bei der die leichte Lichtabschwächung eines Sterns beobachtet wird, vor dem ein ihn umkreisender Planet vorbeizieht, wird es möglich sein, die ersten erdähnlichen Planeten Abb. 20: Stark vergrößerte Aufnahme eines im Labor durch Zusammenstöße kleiner Silikatkugeln erzeugten Staubagglomerats. zu finden. Hochpräzise astrometrische Messungen, sowohl vom Erdboden als auch vom Weltraum aus, werden so den alten Traum der Naturforscher, nach einer zweiten Erde zu suchen, Wirklichkeit werden lassen. Mit adaptiver Optik und mit kontraststeigernden Verfahren wie der differentiellen Spektroskopie (Nachweis einer zweiten, sehr schwachen Quelle im Spektrum eines Sterns) und der Polarimetrie (siehe SuW-Special 3/2003 »Europas neue Teleskope«) wird es wohl möglich sein, die ersten Riesenplaneten vom Boden aus direkt abzubilden. Hier kommt auch der Nullungsinterferometrie, bei der das Licht des Zentralsterns auf interferometrische Weise ausgelöscht wird, sowie der Koronographie (Abblendung des Sterns) auf dem JWST eine besondere Bedeutung zu. In 15 bis 20 Jahren werden die von der ESA und der NASA geplanten Missionen DARWIN und Terrestrial Planet Finder – möglicherweise als eine gemeinsame Mission – zur Abbildung von erdähnlichen Planeten und Untersuchung ihrer Atmosphären führen. Wenn wir Glück haben, dann finden wir auf einigen dieser Planeten auch erste Zeichen für biologi sche Aktivität. Prof. Thomas Henning ist geschäftsführender Direktor des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg, Leiter der Abteilung Stern- und Planetenentstehung am Institut und Mitherausgeber unserer Zeitschrift »Sterne und Weltraum«. Ralf Launhardt beschäftigt sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter am MPI für Astronomie mit der Entstehung von Sternen und Planeten sowie mit interferometrischen Beobachtungsmethoden. Er ist am Institut verantworlich für die Entwicklung eines Instruments für die DARWIN-Mission. SuW-Dossier Planetensysteme 29