Geologische Exkursionen im Bergell Ausstellung in der Ciäsa Granda, Talmuseum in Stampa Gr. H.-R. Wenk, University of California at Berkeley Copyright 2012 H.R. Wenk & Società Culturale Bregaglia 2 Vorwort ___________________________________________________________________________ Das Bergell ist vor allem durch die wilde Landschaft und abwechslungsreiche Flora und Fauna berühmt. Die typischen Landschaften reichen von Kastanienhainen in Castasegna bis zu Alpenrasen im Val Forno, und Wäldern und Wiesen mit einer Mannigfaltigkeit von Pflanzen und Tieren. Vor allem sind es aber die Berge, die dieser Region einen einmaligen Charakter geben. Die Verbundenheit mit den Bergen prägt die Talbevölkerung, und die Berge ziehen viele Besucher an, die ins Bergell kommen zum Bergsteigen und Wandern. Das äussere Erscheinungsbild der Berge wird bestimmt durch die physikalischen Eigenschaften der Gesteine aus denen sie aufgebaut sind, und die Vielfalt von Gesteinen im Bergell ist ausserordentlich. Die schroffen Felswände des Pizzo Casnile und Pizzo Badile im Süden sind typisch für Granit der tief im Erdinnern erstarrt ist. Sanftere Formen bilden die viel heterogeneren und gebänderten Gneise und Schiefer im Norden. Es sind metamorphe Gesteine die zum Teil als Sedimente im Meer abgelagert wurden. Die grossen Weiden in Tombal und Plän Vest oberhalb von Soglio sind auf Moränen entstanden, die vom Gletscher während der Eiszeit abgelagert wurden. Diese Moränen fehlen auf der Südseite, oberhalb von Bondo und Stampa. Figur 1 zeigt in ein paar Querschnitten die geologische Struktur und besonders den Bergeller Granit im Stapel der Alpinen Decken. Diese Zusammenfassung können Sie als geologischen Führer verwenden. Eine Ausstellung im Museum bereitet Sie anschaulich auf einige Exkursionen vor oder umgekehrt gibt Ihnen Gelegenheit an einem Regentag Beobachtungen in Ruhe besser zu verstehen. Sie zeigt für das Bergell typische Gesteine und geologische Formationen und erklärt etwas über ihre Entstehung. Die Beschreibung richtet sich an Nichtgeologen, Wanderer und die Talbevölkerung, die etwas mehr über ihre Umgebung lernen möchten. Fachleute sind auf eine umfangreiche Literatur verwiesen, die bis auf Bernhard Studer (1851) zurückgeht. Das Bergell besitzt eine ausserordentliche Vielfalt von Gesteinen und birgt einige einmalige geologische Schätze: einen der jüngsten Granite von Europa, ausserordentliche Feldspatverwachsungen in Amphiboliten von Cavloc, einen “Tripelpunkt” südlich von Bondo, wo die Al2SiO5 Mineralien Disthen, Andalusit und Sillimanit zusammen koexistieren und damit Druck und Temperatur während der Alpinen Metamorphose definieren, kaum sonst irgendwo auf der Welt gibt es so perfekte Plattengneise wie in den Steinbrüchen von Soglio und Promontogno. Hinweis: Die Buchstaben im Text (A, B, ...) verweisen auf die Proben in den Vitrinen im Museum, Zahlen [1, 2, 3...] auf Orte in der Karten. Ich danke dem Bundesamt für Wasser und Geologie (Bern) für Zugang zu den Originalzeichnungen und Unterstützung der Feldarbeit. Ebenso der Stazione Valchiavenna per lo studio dell'ambiente alpino und dem GeoForschungs- Zentrum Potsdam für Hilfe mit den Abbildungen, sowie dem Architekten G.M. Maurizio für das Entwerfen der Vitrinen. Beiträge von A. Conforto, A. Hendrich, A. Isler, R. Maurizio und G. Mazzoleni waren sehr wertvoll. Diesen Führer widme ich meinen drei Töchtern Elizabeth, Rebecca Ciresa und Evelyn die mich auf vielen Touren im Bergell begleiteten. 3 Figur 1. Profile durch den Bergeller Granit. 4 Exkursion 1. Maloja, Cavloc, Val Forno, Murettopass. Die nördliche Kontaktzone des Granits ______________________________________________________________ Auf dem Weg vom Malojapass (Pt. 1790) nach Orden durchquert man die Maloja Muskowit-Albit-Mikroklin Gneise der Margnadecke (A). Diese Muskowit-AlbitMikroklin-Gneise waren ursprünglich Granit und intrudierten während der Karbonzeit vor 300 Millionen Jahren. Während der Alpenfaltung sind sie in Gneise umgewandelt worden. Man beachte die polierten Oberflächen mit Gletscherschliffen [1]. Lohnend ist auch ein Abstecher zu den Gletschermühlen im Bergföhrenwald westlich von Malojapass (Koord. 773.2/141.3). Bei der Brücke von Orden (und an der Orlegna gut aufgeschlossen) ist die Maloja-Störung, welche die niedrig 5 metamorphe Malojazone vom Bergeller Granit und seiner metamorphen Hülle trennt [2]. Südlich dieser Störung sind wir in der sogenannten Amphibolitfazies, mit Mineralien wie Andalusit, die während der Intrusion des Bergeller Granits im Tertiär (30 Millionen Jahre) bei hohen Temperaturen und niedrigem Druck kristallisiert sind. Ausgezeichnete Aufschlüsse von Andalusitschiefer findet man rund um den Cavlocciosee [3] (B). Östlich des Sees und auch entlang der Orlegna gibt es grüne Aktinolithschiefer mit prismatischen Kristallen (C) und Amphibolite, die einen vulkanischen Ursprung haben [4](D). Diese Lokalität ist für Mineralogen ausserordentlich interessant, weil sie bis jetzt die einzige dokumentierte Stelle ist wo die beiden Endglieder der Plagioklas Mischkristalle Albit (NaAlSi3O8) und Anorthit (CaAl2Si2O8) koexistieren. Figur 2 zeigt einen Dünnschliff dieser Probe worin Albit (Ab) und Anorthit (An) markiert sind. Wir wandern von Plan Canin ins Val Forno. Bald nach dem Stausee beginnt der Granit [5] und wir durchqueren die Kontaktzone mit Schiefern (E). Die grossen Feldspatkristalle sind typisch für den Bergeller Granit [6](F). Von der mineralogischen Zusammensetzung her ist der “Bergeller Granit” ein Granodiorit. Auf dem Gletscher traversiert man zwei Moränen. Die erste besteht aus Granit, die zweite (östliche) vorwiegend aus Marmor von der Cima di Vazzeda [7](G) im hinteren Fornotal. Hier gibt es ausgezeichnete Proben der Mineralien Tremolit, Diopsid, Granat, Vesuvian und Klinohumit, die kristallisierten, als die ursprünglichen Kalke beim Eindringen der Granitschmelze erhitzt wurden. Hinter der Fornohütte SAC finden sich schöne Aufschlüsse von Granit mit Einschlüssen von Marmor und durchkreuzt von Pegmatit- und Aplitgängen [8]. Nun gibt es zwei mögliche Fortsetzungen: Entweder kehrt man ins Tal zurück oder man übernachtet in der Hütte, um am zweiten Tag zur Sella del Forno aufsteigen. Von diesem Punkt aus hat man einen herrlichem Blick auf ein System sich kreuzender Gänge, die in die Amphibolitserie der Kontaktzone eingedrungen sind [9](H und Figur 3). Ein kurzer Abstecher nach Süden (775.9/133.3) führt zum Fuss des Monte Rosso [10](I), wo es ein im Bergell seltenes Vorkommen von Kugelgranit gibt. Dann steigt man von der Sella del Forno aus, dem Grat entlang, bis zu Pkt. 2944, und dann hinunter durch kontaktmetamorphe Schiefer und Amphibolite. Die Amphibolite weisen oft Pillowstrukturen auf (J) (Pillow=Kissen), die uns daran erinnern, dass diese Gesteine einmal ozeanische Basalte waren (e.g. 776.1/135.2) [11]. Assoziiert mit den Pillow Basalten sind Vorkommen von Rhodonit-Schiefern. Rhodonit ist ein rotes Manganmineral (K). Danach traversiert man eben zum Murettopass und auf einem guten Weg über Plan Canin zurück nach Maloja. 6 Figur 2. Dünnschliffbild von Amphibolit bei Cavloccio mit koexistierendem Anorthit (An) und Albit (Ab). Figur 3. Kontaktzone zwischen Bergeller Granit und Amphiboliten auf der Südseite des Monte Forno, betrachtet von der Sella del Forno. 7 Exkursion 2. Grevasalvas-Lunghin-Maloja. Gesteine der PlattaDecke und der Ostalpinen Decken. __________________________________________________________________________ Das Thema von Exkursion 2 ist die Kollision von zwei Kontinenten, Europa und Afrika, zur Kreidezeit (vor 80-90 Millionen Jahren). Diese Vorgänge sind drei Mal älter als die Intrusion des Bergeller Granits. Damals wurden die Ostalpinen Decken („Afrika“) über die Penninischen Decken („Europa“) geschoben. Den ganzen Tag verbringen wir am Kontakt zwischen Penninischen und Ostalpinen Decken. Die Grenzlage bildet die Platta-Decke, in der Serpentin ein wichtiges Gestein ist. Wir beginnen in „Europa“. In Plaun da Lej am Silser See kann zu Beginn der Exkursion im alten Dolomitsteinbruch am Sasc da Corn (775.9/143.4) ein alter Kalkofen besichtigt werden [1] (A). Diese Dolomite sind triassische Sedimente der Margna-Decke. (Wir brauchen hier die historische Interpretation der Magna-Decke als höchste Penninische Decke. Neuerdings wird sie zum Ostalpin gezählt.) Dann folgt man der Strasse nach Grevasalvas. In den Wiesen unter den Häusern finden sich interessante Alkaliamphibol-Schiefer (B). Auf einem guten Weg steigt man auf gegen Norden. Bei der Verzweigung Pt. 2011 machen wir einen kleinen Abstecher nach Osten bis zum Schuttfeld der Ova da la Roda [2], wo Blöcke von Julier-Granit zu sehen sind (C), die aus den südlichen Hängen des Piz Lagrev heruntergestürzt sind (Figur 4). Wie der Maloja-Augengneis (Exkursion 1) ist auch dieser Julier-Granit sehr alt (ca. 330 Millionen Jahre). Er ist aber wenig durch Deformation und Metamorphose in Gneis umgewandelt wurden. Die grüne Farbe rührt von den zersetzten Feldspäten her (Saussurit). Diesen Granit der ostalpinen Bernina-Decke findet man auch am Julier Pass, Piz Lagrev und Piz Grevasalvas und er gehört zu „Afrika“. Im Granit finden sich ab und zu dunkle Gänge von Diabas, die Zeugen sind, dass zu einem späteren Zeitpunkt, als der Granit schon erstarrt war, flüssiges 8 Gestein entlang der Spalten intrudierte (D). Wie im Granit, sind auch im Diabas die ursprünglichen Mineralien umgewandelt. Wir kehren zum Weg zurück (Punkt 2011) und steigen gegen Plaun Grand, wo der Weg eine Serpentinzone kreuzt [3]. Serpentin (E), ist wie Talk-Olivin-Schiefer ein magnesiumreiches ultramafitisches Gestein. Serpentin kommt recht häufig in den höheren Decken vor und wir werden auf dieser Wanderung noch einige Aufschlüsse sehen. Er entsteht wenn Olivingesteine aus dem Erdmantel in höhere Lagen gelangen und der Olivin dabei mit Wasser zu Serpentin reagiert. Die Serpentine gehören zur Platta-Decke und somit zum obersten Teil von „Europa“. Auf Plaun Grand sieht man zur Rechten Felswände mit granitischen Gneisen (F), die zur ErrDecke gehören („Afrika“, wenigstens in der älteren Interpretation). In der Talmulde ist ein Serpentinzug und zur Linken sind metamorphe Sedimente der Margnadecke, inklusive Marmore (Figur 5). Wie die klassischen Profile von Hans Peter Cornelius (1950) zeigen und schon eine Skizze von Bernhard Studer (1851) andeutet (Figur 6), ist die Struktur in diesen höheren Alpinen Decken kompliziert. Der Weg führt weiter an der Naht zwischen „Afrika“ (rechts) und „Europa“ (links) zum Lunghinsee. Vom See aus folgt man am besten nicht dem Weg, sondern kreuzt den Bach gegen Norden und man wandert auf dem Bergrücken. Es bietet sich eine grössere Mannigfaltigkeit von Gesteinen: Serpentin (Platta), Grevasalvas Granit, zum Teil durchzogen mit Diabasgängen (D), gebänderte und verfaltete Jurassische Kalksteine (G) (Err). Vom Pass Lunghin (Punkt 2645) ist es nur ein kleiner Abstecher auf den Lunghin Gipfel, einen der schönsten Aussichtsberge mit Blick in das Oberengadin und das Bergell [4]. Von hier aus kann man die Geologie überblicken: das Tertiäre Bergeller Granitmassiv im Südwesten (von Monte del Forno bis Pizzo Badile)und rechts davon der Grufkomplex (mit Monte Gruf bis Pizzo di Prata). Auf der rechten (nördlichen) Talseite der Stapel der penninischen Decken: TamboDecke und Suretta--Decke (mit Piz Duan), Margna-Decke und Platta-Decke (mit Piz dal Sasc) und schliesslich die unterostalpine Err- und Bernina- Decke (mit Piz Grevasalvas und Piz Lagrev). In dem weiten U-förmigen Tal des Engadins ist die durch den Gletscher modellierte Morpholoigie weitgehend erhalten geblieben. Im heute durch steile Flanken begrenzten Bergell dagegen ist die eiszeitliche Talform durch Erosion, Steinschlag und Bergstürze stark verwischt. Abstieg nach Maloja, hauptsächlich durch Malojagneise. 9 Figur 4. Blick von Piz Salacina auf Silser See und Piz Lagrev. Figur 5. Blick von Fuorcla Grevasalvas gegen Piz Lunghin. Margna-Decke zur Linken. In der Talmulde Platta-Decke mit Serpentin und rechts granitische Gesteine der Err-Decke. 10 Figur 6. Geologische Profile des Gebietes nördlich von Maloja (Hans Peter Cornelius, 1950 und Skizze von Bernhard Studer, 1851). 11 Exkursion 3. Casaccia - Val Maroz - Val da Cam - Plan Lo – Tombal Soglio. Gesteine der Penninischen Decken (Sentiero Panoramico). ___________________________________________________________________________ Von Casaccia aus nimmt man die Strasse ins Val Maroz. Wo immer möglich, sollte man den neu ausgegrabenen mittelalterlichen Weg mit den alten Pflastersteinen als Abkürzung benützen. Zur Rechten sieht man einen Bergsturz vom Piz Lunghin der immer wieder aktiv wird (zuletzt um 1975). Bevor man ins Bergtal einbiegt, traversiert man hellgrüne Gesteine [1]. Es sind schwach metamorphe Albit-EpidotChlorit Gneise, auch “Prasinit” benannt (A). Wir werden sie auf dieser Tour immer wieder sehen. Auf dem Weg von Maroz Dora zu Maroz Dent sieht man auf der rechten Seite Felswände mit Kalkschiefern (B). Diese Jurassischen Kalkschiefer nennt man Bündnerschiefer und wechsellagernd oft mit den Prasiniten. Bei Koord. 768.1/140.3 [2] entspringen einige Quellen am nördlichen Hang mit KalkSinterterrassen (C) die an die allerdings viel grösseren Terrassen im Yellowstonepark (USA) oder in Pamukale (Türkei) erinnern. Der Vollständigkeit halber seien auch drei sehr interessante Fundpunkte etwas abseits der der vorliegenden Route erwähnt. Am Piz Lizun im Süden [3] gibt es basaltisch-andesitische Gänge, die auf eine Episode von Vulkanismus weisen (D). Sie sind etwas älter als der Bergeller Granit und entstanden in einer frühen Phase der Alpenfaltung. Im Gegensatz zu den Gängen im Grevasalvas Granit (Exkursion 2, D) sind die Mineralien in den Lizun Gängen nicht umgewandelt und man erkennt in 12 den Proben helle Kristalle von Plagioklas und dunkle Kristalle von Hornblende. Die gleichen Gänge findet man bei Alp Furcela und unter La Margneta. Beim Aufstieg durch das Val da Cam befindet sich auf der rechten Seite der Piz Duan und auf der linken Seite Piz Cam, die beide aus Bündnerschiefern und Prasiniten aufgebaut sind. Die kalk- und tonhaltigen Gesteine bilden Böden für eine reiche Flora. Unter Piz Cam findet man Sturzblöcke mit roten Manganmineralien (Kutnahorit, Rhodonit, Rhodochrosit und Piemontit) [4] (E). Diese Mineralien sind ein Hinweis darauf, dass diese Gesteine ihren Ursprung in einem tiefen Ozean hatten. Auf dem Abstieg nach Plan Lo (beim Seelein Koord. 766.3/137.7) [5] durchquert der Weg an der Basis der Bündnerschiefer eine Lage von Quarzit (F) und Marmor (G). Diese weissen Gesteine waren einmal Sandstein und Kalkstein und wurden in der Triaszeit vor ca. 240 Millionen Jahren gebildet. Sie werden in weiten Teilen der Alpen als Leithorizont gebraucht. Unter den alpin metamorphen Sedimenten der Surettadecke (e.g. Bündnerschiefer, Quarzit und Marmor) folgt der kristalline Grundgebirgssockel mit Augengneisen (H). Der Weg zieht sich ab Plan Lo dem Hang entlang, mit schönem Blick auf die Granitberge im Süden (Figur 7). Der Gegensatz zwischen den schroffen Wänden im Süden und den weiten Wiesen im Norden ist eklatant (Figur 8). In Plän Vest beginnt der steile Abstieg nach Soglio. Hier quert man nochmals ein Marmorband [6], das zur tieferen Tambodecke gehört. Da Marmor im Bergell selten ist, wurden die wenigen Marmorvorkommen intensiv abgebaut. Einen alten Kalkofen gibt es am Westende von Tombal (Koord. 762.0/135.15). Von dieser Wiese aus sollte man gegen Westen schauen, wo man unter Cävi in der Schlucht Drögh Grand eine Zone mit weissen Felsen sieht [7] (Figur 9). Sie gehören ebenfalls zu einem Triaszug. Es handelt sich aber nicht um Marmor, sondern um Gips (I). Gips ist selten in Gebieten der Metamorphose, weil er sich leicht umwandelt. Er entstand ursprünglich in tropischen Lagunen und isolierten Salzpfannen, wie dies heute beispielsweise randlich am Toten Meer geschieht. Tombal ist eine grosse Moränenwiese, die in der Eiszeit vom Talgletscher abgelagert wurde. In der Runse am N-Ende (Koord. 762.6/135.2) [8] findet man unter den Moränengeröllen Granite vom Piz Grevasalvas und Serpentine vom Lunghin Pass (Exkursion 2) (J). Anschliessender Abstieg nach Soglio. Am folgenden Tag sollte man die Tambo Plattengneise in den Steinbrüchen von Soglio oder Promontogno anschauen. Kaum irgendwo sonst findet man Gesteine mit so perfekter Spaltung über grosse Flächen (K). Auch diese Plattengneise waren ursprünglich Granite, die in der Karbonzeit aufgedrungen sind. 13 Figur 7. Blick von Tombal auf die Granitgipfel im Val Bondasca: Cacciabella, Sciora, Cengalo und Badile. Der Granit bildet nur die Gipfelpartie. In den Tälern findet man Gneise und und Migmatite. Figur 8. Blick von Cänt nach Norden auf den Piz Duan und Piz Cam. Die Deckeneinheiten sind markiert. 14 Figur 9. Blick von Tombal gegen Westen. Beachte den weissen Gipsaufschluss in der Runse unterhalb Cävi. 15 Exkursion 4. Albigna. Zentraler Teil des Bergeller Granits Bergeller Granit findet man in der Schweiz an keiner Strasse. Man muss zu einem Aufschluss dieses Gesteins mindestens eine Stunde zu Fuss wandern. Wie schon Bernhard Studer (1851) beobachtete, ist Granit immer in der Gipfelpartie zu finden, während die Täler aus Gneisen bestehen. Das ist ein Ausdruck der tektonischen Struktur, wie wir später sehen werden. Am einfachsten nimmt man die Seilbahn der EWZ von Pranzaira (NE von Vicosoprano) aus und gelangt so mitten in den Granit bei der Staumauer der Bergeller Kraftwerke am Albignasee. Am besten folgt man von der Bergstation der alten Strasse mit ausgezeichneten Aufschlüssen von verschiedenen granitischen Gesteinen [1]: Megakristallinem Bergeller Granit (Granodiorit) mit meist parallel orientierten Alkalifeldspäten (A), Aplitgängen (B) und Pegmatitgängen (C) (Figur 10). Man überquert den Damm und steigt zur Albignahütte (SAC) auf. Von dort empfiehlt sich ein Abstecher nach Osten entlang einer alten Wasserleitung (2300 m) mit Gletscherschliffen und sehr schönen magmatischen Strukturen [2]. Dann zurück zum Weg der zum See absteigt, und sich undeutlich durch Felsen und Moränen bis zu den Gletscherzungen am Ende des Sees fortsetzt. Bei Pt. 2305 erreicht man den Gletscher. 16 Verbringen Sie eine Stunde, um die verschiedenen Blöcke in der Hauptmoräne zu studieren [3]. Wenn man Glück hat findet man in Pegmatiten blaue Beryllkristalle. Interessanterweise besteht die Moräne vorwiegend aus Hornblendegneis und nicht aus Granit. Dieses Gestein gleicht dem Tonalit (Italienisch “Serizzo”), der in Bagni del Masino unterhalb, d.h. im Liegenden des Bergeller Granits (Italienisch “Ghiandone”) vorkommt (D). Wir vermuten, dass im tiefsten Teil des Val Albigna ein “Fenster” existiert, gegenwärtig vom Gletscher bedeckt, in dem Tonalit aufgeschlossen ist und schliessen daraus, dass der Granit auch im zentralen Teil eine flachliegende Decke und keine sich in die Tiefe fortsetzende Intrusion darstellt. Betrachten Sie die Profile in Figur 1 und vergleichen Sie diese mit der Morphologie (Figur 11). Anschliessend überquert man den Gletscher und steigt von Pt. 769.7/131.8 ins Cacciabellakar hinauf [4]. Hier ist homogener Granit (ohne Feldspat Megakristalle) aufgeschlossen, der sich in einer zylinderförmigen Struktur durch das ganze Massiv von Bondasca bis Forno erstreckt (E). Auf einem bei Koord. 769.64/132.80 beginnendem Weg erreicht man ohne Schwierigkeiten das Wärterhaus am Damm und von dort die Bergstation der Seilbahn. Figur 10. Pegmatit- und Aplit-Gänge, die den Granit durchkreuzen. 17 Figur 11. Blick auf Val Albigna. Man vergleiche die Morphologie mit den Profilen von Figur 1. 18 Exkursion 5. Val Bondasca, Trubinasca. Der NW Kontakt des Granits. ___________________________________________________________________ Für Legende siehe Exkursion 4. Von Bondo gelangt man zu Fuss (oder gegen Gebühr mit dem Auto) ins Val Bondasca. In 1000 m Höhe durchquert man einen Tunnel in dem Tambo Augengneise aufgeschlossen sind [1](A). Wie die Malojagneisse (Exkursion 2) waren auch die Tambogneise vor 300 Millionen Jahren herzynische Granite, obwohl sie eine gewisse Ähnlichkeit zum jungen Bergeller Granit aufweisen (30 Millionen Jahre). Bei der Staumauer Prä sieht man verfaltete Migmatite (B), die zum GrufKomplex gehören, der im Val Bondasca eine enge Antiklinalstruktur bildet. Die GrufMigmatite sind noch wesentlich älter als 300 Millionen Jahre und stellen die wichtigsten Gesteine zwischen Val Bondasca und Novate am Lago di Mezzola dar. Während der Alpinen Metamorphose waren diese Gneise nicht flüssig wie der junge Bergeller Granit. Sie wurden aber infolge der hohen Temperaturen teilweise aufgeschmolzen und dadurch ebenfalls mobil, was zur Verfältelung und Bänderung führte (Figur 12). Ca. 250 m westlich von Gerp ist auf der Südseite eine alte Lavezmine (Jahrzahl 1777), die Material zur Herstellung von Töpfen lieferte [2]. Lavez (Speckstein, Giltstein, Ofenstein) ist ein zähes Talk-Olivingestein (C), das in grossem Masstab in Piuro (Plurs), Chiavenna und Val Malenco abgebaut wurde. Die Bearbeitung von Lavez ist in der Ausstellung nebenan erklärt. Es lohnt sich auch, die alten Steinbrüche hinter Chiavenna zu besuchen! 19 Die Strasse endet bei Punkt 1247 und man folgt nun dem Weg nach Sasc Furä, der den Bach bei Lumbardui überquert. Unmittelbar nach der Brücke, durch Wiesen und Gebüsche nach Südosten in Richtung Jerta, findet man in einem Bergsturz ausgezeichnete Beispiele von Gruf-Migmatiten [3]. Die Migmatite sind von Pegmatiten durchkreuzt, die Turmalin und Beryll enthalten. Zurück zum Weg und steil hinauf nach Sasc Furä. Bei der SAC Hütte erkennt man Tonalit, der über den Gruf-Migmatiten liegt. Würde man weiter gegen die Badilekante emporsteigen (eine auch geologisch lohnende Klettertour), so würde man weiter oben Bergeller Granit über dem Tonalit finden. Geologisch interessanter ist es jedoch, der Wasserleitung entlang nach Westen ins Val Trubinasca einzusteigen. Auf 2200 m, am Fuss des Trubinasca Gletschers befindet man sich am Übergang zwischen Migmatit, Tonalit und Bergeller Granit [4]. Im Gegensatz zu Val Forno und Albigna ist der Granodiorit hier intensiv deformiert, was wir an der ausgezeichneten Ausrichtung der Alkalifeldspäte erkennen (D und Figur 13). Am Gletscherrand gibt es Aufschlüsse mit Schwärmen von dunklen hornblendereichen Einschlüssen im Granit (Figur 14). Diese sogenannten Xenolithe sind Reste von Kontaktgestein, die lokal vom Granit durchdrungen und umgewandelt worden sind. Besonders eindrücklich sind Blöcke von Xenolithen in der Moräne westlich von Punkt 2228 die aus den oberhalb des Gletschers liegenden Felswänden stammen. Eine ultramafitische Breccie (die zur Lavezformation Gerp-Denc dal Luf- PiuroChiavenna gehört) ist metasomatisch verändert und eine kugelig-schalige Zonierung mit Olivin (Zentrum) Talk Chlorit Aktinolith Hornblende Biotit (am Rand) aufweisen (E). Selten ist im Zentrum noch Dolomit erhalten, was darauf hinweist, dass diese Gesteine vielleicht einmal karbonatische Sedimente waren. In den pelitischen Schiefern findet man blauen Cordierit (F), ein Mineral das bei hohen Temperaturen entsteht. Der Blick nach Süden, in Richtung Pizzo Trubinasca, zeigt unmittelbar oberhalb des Gletschers Grufmigmatite, und darüber sind Felswände mit Tonalit. Den Gipfelgrat bildet eine dünne Decke von Bergeller Granit. Man erkennt wiederum die horizontale Lagerung des Granits (Profile in Figur 1 und Figur 7). Es wird empfohlen wieder über die SAC Hütte Sasc Furä abzusteigen, weil die alten direkten Wege ins Tal kaum mehr zu finden sind. 20 Figur 12. Verfältelter und gebänderter Gruf-Migmatit. Figur 13. Deformierter Bergeller Granit mit eingeregelten Alkalifeldspatkristallen. Val Trubinasca. 21 Figur 14. Xenolithschwärme in Bergeller Granit, Bereich der Kontaktzone. 22 Exkursion 6. Bondo – Bocchetta della Tegiola - Val Codera Novate. Granulit Fazies Gesteine des Gruf Komplexes. __________________________________________________________________ Für Legende siehe Exkursion 4. 23 Diese mühsame 2 Tagestour mit mehr als 2000 m Höhenunterschied bietet Einblick in einige der ausserordentlichsten Gesteine der Alpen und gleichzeitig in eine wilde Gebirgslandschaft, die schon Bernhard Studer (1851) faszinierte. Wir beginnen wieder in Bondo, aber folgen der Strasse nach Ceresc. Dort lassen wir das Gepäck und gehen etwa 1 km auf der Forststrasse gegen Cugian. Von Koord. 762.0/132.6 bis 762.4/132.75 sind gute Aufschlüsse von pelitischen Schiefern zu sehen [1]. Man erkennt in quarzreichen Lagen rosarote prismatische Kristalle von Andalusit (siehe Exkursion 1). Bei näherer Untersuchung von Dünnschliffen mit dem Mikroskop findet man, dass im gleichen Gestein drei Mineralien der gleichen Zusammensetzung Al2SiO5 zusammen auftreten: Andalusit (rosa), Disthen (blau) und Sillimanit (weisse Nadeln) (A). Um die Bedeutung dieser Beobachtung zu verstehen, ist ein kurzer Exkurs in die Chemie notwendig. Mineralien sind nur innerhalb bestimmter Temperatur (T)- und Druckbereiche (P) stabil. Figur 15a zeigt bei welchen Temperatur- und Druckbedingungen dies für dir drei Minerale Andalusit, Disthen und Sillimanit zutrifft. Wie man sieht, berühren sich die Stabilitätsfelder dieser drei Minerale an einem einzigen gemeinsamen Punkt, dem sogenannten Tripelpunkt. Aus der Koexistenz der drei Minerale folgt deshalb, dass zur Zeit der alpinen Metamorphose, als diese drei Minerale gebildet worden sind, eine Temperatur von 500 C und ein Druck von 400 MPa geherrscht haben muss. Ceresc-Vöga ist ein solcher Tripelpunkt, ein zweiter findet sich in der Nähe von Cataeggio in Val Masino. Diese sind bis jetzt die beiden Fundorte auf der Welt, an denen der Tripelpunkt nicht nur mikroskopisch belegt ist (Figur 16), sondern auch durch die regionale Verteilung der Minerale belegt ist. So tritt Andalusit im Nordosten (niedriger Druck), Sillimanit im Süden (mittlerer Druck, hohe Temperatur) und Disthen im Nordwesten, hoher Druck, niedrigere Temperatur) von Ceresc auf. man vergleiche dazu die Farbfelder im Phasendiagramm (Figur 15a) mit den entsprechenden Farbfeldern auf der Karte (Figur 15b), um die Temperatur-Druck Bedingungen während der Metamorphose im Bergell zu verstehen. Nun zurück zum Gepäck. Der Rest der Exkursion verläuft im Gebiet des Sillimanitfeldes in dem während der Metamorphose die höchsten Temperaturen der Region geherrscht haben. Ein Weg führt über Cänt, Vec, nach Alpe Tegiola. Auf 1580 m, bei einer idyllischen Quelle, durchquert man einen Ultramafitzug (den Trubinasca Breccien von Exkursion 5 entsprechend). Von Alpe Tegiola an ist man in Grufmigmatiten. Isoklinale Verfaltung, Bänderung und Mobilisate sind typisch. Gegen Bocchetta della Tegiola zu findet man zahlreiche Ultramylonitlagen [2](B). Diese dunklen, flintartigen, feinkörnigen Gesteine beweisen intensivste Deformation, wahrscheinlich im Zusammenhang der Platznahme der Bergeller Granit Decke. Ein gangartiger Ausläufer von Bergeller Granit reicht bis tief in die Grufmigmatite im Westen und endigt nahe am Grat der Cima di Codera (C). Vom Pass aus hat man einen guten Blick nach Süden ins Val Codera und gegen den Pizzo Ligoncio. Wie im Trubinascakessel ist auch hier die Deckenstruktur des Granits gut sichtbar (Figur 17). Er bildet die Gipfelpartie (Pizzo Ligoncio und Cime di Gaiazzo) und liegt auf Tonalit, darunter sind Marmore und Kalksilikateinschlüsse sowie die Migmatite des Gruf-Komplexes. Auf seiner Wanderung von Val Codera 24 nach Bagni del Masino hat B. Studer als erster diese Struktur des Bergeller Granits erkannt und in seinem Buch über die Geologie der Schweiz (1851) beschrieben. Es besteht die Möglichkeit im Bivacco Pedroni dal Pra (vormals Bivacco Vaninetti) am Fuss des Pizzo Trubinasca zu übernachten [3] oder direkt ins Tal abzusteigen. Ein Abstecher lohnt sich. Unter und über dem Bivacco gibt es in der Kontaktzone mit dem Bergeller Granit hervorragende Aufschlüsse von Migmatit (Figur 18), Aplit und Pegmatitgänge (zum Teil mit Granat und Beryll) als auch Ultramafite. Beim Abstieg ins Val Codera findet man im Bachbett ca. 200m südlich der Alpe Sivigia die gleichen ultramafitischen Breccien wie in Trubinasca [4]. Aus den Seitentälern Valle del Conco und Val Piana kommen Gerölle von aluminiumreichen Schiefern mit Sillimanit, Granat, Hypersthen, Cordierit und Korund und selten Saphirin. Diese Mineralassoziation ist typisch für die tiefste Kruste, die sich bei hohem Druck und hoher Temperatur gebildet hat. Am besten zugänglich sind diese Gesteine der sogenannten Granulitfazies am klassischen Cornelius (1916) Fundpunkt (760.9/125.3) im Schutt unter einer Felswand [5](D). Die in der Nähe gelegene Capanna Luigi Brasca CAI ist im Sommer bewirtschaftet und bietet ein gutes Nachtquartier. Val Codera ist eines der wildesten Alpentäler wie ein Blick von Pizzo di Prata zeigt (Figur 19). Auf dem langen Abstieg nach Novate, beobachtet man mehr und mehr mikrogranitische Gänge, die zum Novate-Granit gehören. Dieser ist etwas jünger ist als der Bergeller Granit (E) und am besten in den Steinbrüchen von San Fedelino zu studieren [7]. Einen erholsamen Ruhetag verbringt man im Bachbett bei Novate (756.0/120.8), wo man in einem geologischen Garten inmitten polierter Blöcke schwimmen kann [6]. Fassen wir nochmals zusammen: Im Bergell gibt es alte Granite. Zu ihnen gehören Tambogneise, Surettagneise, Malojagneise und Julier Granit. Dann gibt es die jungen Alpinen Granite: Bergeller Granit (Ghiandone), Tonalit (Serizzo) und Novate Granit (Granito di San Fedelino). 25 Figur 15. (Oben) Temperatur-Druck Phasendiagramm für Al2SiO5 mit Stabilitätsfeldern von Andalusit, Disthen und Sillimanit. (Unten) Verteilung der Mineralien Andalusit, Disthen und Sillimanit in den Bergeller Alpen. Figur 16. Dünnschliffbild von pelitischem Gneiss mit koexistierendem Andalusit (A), Disthen (D) und Sillimanit (S). 26 Figur 17. Blick von der Bochetta della Tegiola gegen Süden mit Pizzo Ligoncio und Cime die Gaiazzo. Der Deckencharakter des Bergeller Granits (Gipfelpartie), der über Tonalit und Grufmigmatit liegt, ist gut sichtbar. Gezeigt ist auch ein Zitat von B. Studer, 1851. 27 Figur 18. Aufschluss von Migmatit mit teilweise aufgeschmolzenem, mobilisiertem Gestein und Adern von Pegmatit/Aplit in der Kontaktzone. Oberhalb von Bivacco Pedroni dal Pra. Figur 19. Blick vom Pizzo di Prata ins Val Codera mit Pizzo Badile und Monte Disgrazia im Hintergrund. 28 Auswahl von Publikationen zur Bergeller Geologie und Mineralogie Artus, F. (1959): Über metamorphe Breccien basischer Gesteine im Granit des Bergeller Massivs. – Hamb. Beiträge zur Mineralogie, Kristallphysik und Petrogenese 2, 1-39. Bedogne, F., Maurizio, R., Montrasio, A. & Sciesa, E. (1995): I minerali della Provincia di Sondrio e della Bregaglia grigionese. – Bettini, Sondrio. Berger, A. & Giere, R. (1995): Structural observations at the eastern contact of the Bergell Pluton. – Schweiz. mineral. petrogr. Mitt. 75, 241-258. Blanckenburg, F. (1992): Combined high precision chronometry and geochemical tracing using accessory minerals applied to the Central Alpine Bergell instrusion. – Chem. Geol. 100, 19-40. Bucher-Nurminen, K. (1977): Die Beziehung zwischen Deformation, Metamorphose und Magmatismus im Gebiet der Bergeller Alpen. – Schweiz. mineral. petrogr. Mitt. 57, 413434. 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