114 9 Erkrankungen des Innenohrs 9.1 Cochlea Tab. 9.1-1 Mögliche Pathomechanismen eines Hörsturzes. 쐌 Störungen von Prestin oder Ionenkanälen der Haarzellen mit zellulärer Dysfunktion, IOS Typen I und II1 쐌 efferente Fehlsteuerungen, IOS Typ I 쐌 synaptische Störungen infolge Neurotransmitter-Dysfunktion (auditorische Neuropathie), IOS Typ III 쐌 Störungen der Durchblutung (Gefäßdysregulationen, z. B. durch Vasospasmus und/oder Endothelschwellungen und Dysfunktionen und/oder rheologische Störungen), IOS Typ IV 쐌 Störungen der Ionenkanäle der Zellen der Stria vascularis mit nachfolgenden Elektrolytstörungen in der Endolymphe, u. U. mit Hydrops, IOS Typ IV 쐌 entzündliche Veränderungen (z. B. endolymphatische Saccitis), IOS Typ IV 쐌 unbekannte Pathobiochemie und Pathophysiologie Kochleäre Schwerhörigkeit Hörsturz R. Laszig und H.-P. Zenner 9 Hörsturz ist ein Symptom, keine Diagnose: Es handelt sich um eine plötzliche Innenohrschwerhörigkeit oder Ertaubung (zumeist einseitig) ohne diagnostizierbare Ursache. Mögliche Pathomechanismen sind in Tabelle 9.1-1 aufgelistet. Ein Hörsturz wird nach dem Tonaudiogramm folgendermaßen klassifiziert (Abb. 9.1-1): 쐌 Tiefton-Hörverlust (Abb. 9.1-1 a): Aufgrund klinischer und tierexperimenteller Daten beruht die Hörminderung im tiefen Frequenzbereich wahrscheinlich auf einem endolymphatischen Hydrops. Ebenfalls ist eine lokale Durchblutungsstörung der Lamina spiralis mit hypoxischer Gewebeschädigung und Störung der Elektrolythomöostase denkbar (IOS Typ IV, Tab. 9.1-8, S. 133). 쐌 Mittelfrequenz-Hörverlust (Abb. 9.1-1 b): Hier werden als Ursachen beispielsweise lokale Durchblutungsstörungen im Bereich der Lamina spiralis ossea mit hypoxischen Schäden des Corti-Organs sowie Gendefekte (familiäre IOS) diskutiert (IOS Typen I, II, IV, Tab. 9.1-8, S. 133). 쐌 Hochton-Hörverlust (Abb. 9.1-1 c): Die wahrscheinliche Pathogenese des Schräg- oder Steilabfalls der Tonschwelle im hohen Frequenzbereich oder der InnenohrHochtonsenke ist (in Abhängigkeit vom Ausmaß des Hörverlustes) eine Insuffizienz von äußeren (Innenohrschwerhörigkeit [IOS] ca. 50−60 dB Hörverlust, IOS Typ I, Tab. 9.1-8, S. 133) und/oder von inneren Haarzellen (IOS ab ca. 60 dB Hörverlust, IOS Typ II, Tab. 9.1-8, S. 133). 쐌 Pankochleärer Hörverlust (Abb. 9.1-1 d): Als pathogenetisches Substrat kommt vorrangig ein Abfall des endolymphatischen Potenzials durch eine Funktionsbeeinträchtigung der Stria vascularis und/oder der zuführenden Gefäße im Sinne einer Durchblutungsstörung und Gewebehypoxie infrage (IOS Typ IV, Tab. 9.1-8, S. 133). 쐌 Taubheit/an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit (Abb. 9.1-1 e): Diese Form des Hörsturzes ist durch das Ausmaß des Hörverlustes charakterisiert, der in der Regel alle Frequenzen betrifft. Verantwortlich könnten ein (thrombotischer/embolischer) Verschluss der A. cochlearis communis oder der V. spiralis modioli mit hypoxischer strialer Insuffizienz sein. Differenzialdiagnostisch kommt eine Fensterruptur infrage (IOS Typ IV, Tab. 9.1-8, S. 133). 쐌 Sonstige: In diese Gruppe fallen Tonschwellenverläufe, die sich weder in die bereits genannten einordnen noch bestimmten IOS-Typen zuordnen lassen. Ihre Ursachen bleiben unbekannt. Im weiteren Sinne gehören in diese Gruppe auch stark fluktuierende Hörschwellen und der 1 Typen s. Tab. 9.1-8, S. 133; IOS = Innenohrschwerhörigkeit. Hörsturz mit Progredienz der Schwerhörigkeit unter der Therapie, z. B. infolge Liquordruckänderung und/oder immunpathologischer Mechanismen. Nicht jeder Hörsturz bedarf einer sofortigen Behandlung. Bei informierten Patienten und geringfügigen Hörverlusten ohne Beeinträchtigung des sozialen Gehörs kann zunächst einige Tage lang eine Spontanremission abgewartet werden. Bei ausgeprägtem Hörverlust (soziales Gehör betroffen), vorgeschädigten Ohren sowie bei zusätzlichen vestibulären Beschwerden und/oder Ohrgeräuschen ist eine Akutbehandlung indiziert. Meth. 9.1-1 Allgemeine Prinzipien der Hörsturztherapie (Nach: Ganzer U, Arnold W [Hrsg]. AWMF-Leitlinie HNO. Hörsturz. 2004; mit freundlicher Genehmigung) 1. Rheologika: Die Anwendung z. B. von Hydroxyethylstärke (HES) und/oder Pentoxifyllin kann für bestimmte Formen des Hörsturzes zweckmäßig sein. HES kann allerdings wegen seiner Nebenwirkungen, insbesondere der Möglichkeit des therapieresistenten Pruritus, nicht vorbehaltlos empfohlen werden, wobei eine HES-Gesamtdosis von 300 g nicht überschritten werden darf. 2. Antiödematöse Therapie: Die Glucocorticoid-Therapie sollte 3 Tage mit jeweils mindestens 250 mg Prednisolon oder einem anderen synthetischen Glucocorticoid mit äquivalenter Dosierung durchgeführt werden. Bei einem Ansprechen der Hörstörung auf diese Maßnahme wird die Therapie mit absteigender Dosierung fortgesetzt, bei ausbleibender Besserung erfolgt eine Therapieumstellung (s. u.). 3. Ionotrope Therapie: Die intravenöse Gabe von Lokalanästhetika wie Lidocain oder Procain kann Ionentransportprozesse beeinflussen. Wichtige Ionentransportprozesse des Ohrs finden sich in der sensorischen Zellen (Transduktionskanäle), in Zellen der Stria vascularis (Ionentransport) sowie an afferenten Synapsen der inneren Haarzellen (z. B. NMDA-Rezeptor-assoziierte 왔 © 2008 by Schattauer GmbH, Stuttgart; http://www.schattauer.de Aus Zenner: "Praktische Therapie von HNO-Krankheiten", 2. Aufl. 9.1 Cochlea a 115 b TieftonIOS c MitteltonIOS dB HL dB HL dB HL HochtonIOS 0 0 0 20 20 20 40 40 40 60 60 60 80 80 80 100 0,25 0,5 1 2 4 100 8 kHz 0,25 0,5 d 1 2 4 e Pankochleäre IOS dB HL Abb. 9.1-1 Innenohrschwerhörigkeit (IOS). a Tiefton-IOS. b Mittelton-IOS. c HochtonIOS. d Pankochleäre IOS. e Taubheit bzw. an Taubheit grenzende IOS. 100 8 kHz 1 2 4 8 kHz Taubheit bzw. an Taubheit grenzende IOS dB HL 0 0 20 20 40 40 60 60 80 80 100 0,25 0,5 0,25 0,5 왔 Ionenkanäle) beeinflussen. Bei Überdosierung kann es zu Krampfanfällen, zentraler Atemlähmung und HerzKreislauf-Versagen kommen. 4. Reduktion des Endolymphvolumens: Für die Dehydratationstherapie (Osmotherapie) in Anlehnung an Vollrath et al. spricht die Vorstellung, dass es sich bei einem Hörsturz im mittleren und tiefen Frequenzbereich wahrscheinlich um die Folgen eines endolymphatischen Hydrops handelt. 5. Antioxidanzien: Erhöhte zytotoxische reaktive Sauerstoff- und Stickstoff-Spezies (ROS, RNS), auch als sogenannte freie Radikale bezeichnet, wurden in experimentellen Studien in Zellen des Innenohrs gemessen. Wurden prophylaktisch synthetische Antioxidanzien, etwa die auch klinisch zugelassene ⁄ -Liponsäure, verabreicht, konnten die Zellschäden und Hörverluste experimentell signifikant vermindert werden. 6. Fibrinogenabsenkung durch Apherese: Das Absenken von Fibrinogen reduziert die Plasmaviskosität und senkt die Neigung zur Aggregation von zellulären Bestandteilen des Blutes. Eine Effektivität der Fibrinogen왔 1 2 4 8 kHz 100 0,25 0,5 9 1 2 4 8 kHz 왔 absenkung bei Hörsturzpatienten mit erhöhten Fibrinogenspiegeln wird durch prospektive randomisierte Studien unterstützt. Kombination von Arzneimitteln: Kombinationen von Arzneimitteln können bei der Behandlung des Hörsturzes zweckmäßig sein. Dabei sind die Kompatibilität und mögliche Wechselwirkungen der Substanzen zu beachten. Therapie Akutbehandlung: Angesichts der unbekannten Ursache besteht Eilbedürftigkeit. Die Behandlung richtet sich nach der zu vermutenden Pathophysiologie, soweit sie aus dem Tonaudiogramm ableitbar ist (s. Meth. 9.1-1 u. Abb. 9.1-1). Bei Tiefton-Innenohrschwerhörigkeit (IOS) (Abb. 9.1-1 a): 쐌 bei geringen Hörverlusten ist eine initiale alleinige Cortisontherapie über 3 Tage möglich; bei Erfolg sollte sie gegebenenfalls fortgesetzt werden 쐌 Osmotherapie (s. Vollrath-Schema, Meth. 9.1-2), eventuell vorher Glycerol-Bolus (s. Meth. 9.1-7) © 2008 by Schattauer GmbH, Stuttgart; http://www.schattauer.de Aus Zenner: "Praktische Therapie von HNO-Krankheiten", 2. Aufl. 116 9 9 Erkrankungen des Innenohrs 쐌 Glucocorticoidschema (s. Meth. 9.1-1), falls Osmotherapie oder Glycerol-Bolus erfolglos Bei Mittelfrequenz-IOS (Abb. 9.1-1 b): 쐌 Glucocorticoide (s. Meth. 9.1-1); bei geringen Hörverlusten initiale alleinige Cortisontherapie über 3 Tage; bei Erfolg sollte sie gegebenenfalls fortgesetzt werden 쐌 Osmotherapie (s. Vollrath-Schema, Meth. 9.1-2), eventuell vorher Glycerol-Bolus (s. Meth. 9.1-7) 쐌 bei hochgradigem Hörverlust rheologische Therapie plus antiödematöse Therapie mit Glucocorticoiden plus Therapie mit Antioxidanzien (s. Dreifachschema, Meth. 9.1-5) Bei Hochton-IOS (Abb. 9.1-1 c): 쐌 Glucocorticoide (s. Meth. 9.1-1); bei geringen Hörverlusten ist eine initiale alleinige Cortisontherapie über 3 Tage möglich; bei Erfolg sollte sie gegebenenfalls fortgesetzt werden 쐌 eventuell rheologische Therapie (Hämodilution), ionotrope Therapie (s. Meth. 9.1-1) 쐌 bei hochgradigem Hörverlust rheologische Therapie plus antiödematöse Therapie mit Glucocorticoiden plus Therapie mit Antioxidanzien (s. Dreifachschema, Meth. 9.1-5) Bei pankochleärer IOS (Abb. 9.1-1 d): 쐌 bei geringen Hörverlusten initiale alleinige Cortisontherapie über 3 Tage; bei Erfolg sollte sie gegebenenfalls fortgesetzt werden (s. Meth. 9.1-1) 쐌 rheologische Therapie und antiödematöse Therapie mit Glucocorticoiden sowie Therapie mit Antioxidanzien (s. „Dreifachschema“, Meth. 9.1-5) 쐌 Apherese (bei nachgewiesenem Fibrinogenspiegel > 300 mg/dl) 쐌 bei Therapieversagen: Osmotherapie (s. Vollrath-Schema, Meth. 9.1-2), eventuell vorher Glycerol-Bolus (s. Meth. 9.1-7) Bei hochgradiger IOS/Taubheit (Abb. 9.1-1 e): 쐌 rheologische und antiödematöse Therapie mit Glucocorticoiden und Antioxidanzien (s. „Dreifachschema“, Meth. 9.1-5) 쐌 Apherese (bei nachgewiesenem Fibrinogenspiegel > 300 mg/dl) Bei sonstiger IOS: 쐌 Glucocorticoide (s. Meth. 9.1-1); bei geringen Hörverlusten ist eine initiale alleinige Cortisontherapie über 3 Tage möglich; bei Erfolg sollte sie gegebenenfalls fortgesetzt werden 쐌 alle übrigen Therapieansätze (s. Meth. 9.1-1) Nach notfallmäßiger Therapieeinleitung: Versuch, die Genese des plötzlichen Hörverlustes zu klären, z. B. Endolymphhydrops (s. Abschn. Endolymphhydrops, S. 118), Akustikusneurinom (s. Kap. 13.1, S. 184), HWS-Syndrom, vertebrokochleäres Syndrom (s. Kap. 12, S. 181), autoimmunes Geschehen (S. 125), Labyrinthfistel (s. Kap. 8, S. 110), genetische Schwerhörigkeiten (Tab. 9.1-3, S. 122; 9.1-4, S. 124), um gegebenenfalls eine kausale Therapie durchzuführen. Bei psychischer Komorbidität: Psychologische und/oder ärztliche Psychotherapeuten müssen hinzugezogen werden (Tab. 9.1-12, S. 137). Bei therapierefraktärer leichter oder mittelschwerer IOS: Therapieumstellung. Wird innerhalb der ersten 5−10 Tage therapeutisch keine Besserung des Hörvermögens erzielt, so ist eine Änderung der Therapie zweckmäßig. Wurde beispielsweise mit Cortison oral erfolglos begonnen, so kann ein Umsetzen auf ein Dreifachschema (Meth. 9.1-5) möglicherweise zur Besserung beitragen. Bei therapiefraktärem hochgradigem Hörverlust oder Ertaubung: Erholt sich das Ohr binnen 6−10 Tagen nicht, kann zum Ausschluss einer Perilymphfistel tympanoskopiert werden. Bei Perilymphfistel: Verschluss mit Faszie, auch bei Verdacht. Falls keine Perilymphfistel bei Ertaubung: Hier kann eine Rundfenster-Lokaltherapie mit Cortison in einem spezialisierten Zentrum diskutiert werden. Entweder wird eine Cortison-Lösung mittels Katheter und Pumpe über 3 Wochen appliziert oder ein Cortison-Gel wird ca. 3 × im Wochenabstand intratympanal injiziert. Cave: Eine gefäßerweiternde Therapie mit primären Vasodilatativa ist kontraindiziert, da eine Erweiterung präkapillärer arteriovenöser Anastomosen in der Stria vascularis eine unerwünschte Verschlechterung der kapillären Durchblutung hervorrufen kann (Steal-Effekt). Grenzstrangblockaden (Nebenwirkungen!) und hyperbare Sauerstofftherapie (oft nicht notfallmäßig zugänglich) sind umstritten. Obsolete Therapieverfahren sind: Sauerstoff-Atmung bei normalem atmosphärischem Druck, Ozon, UV-Licht, jede Form von Lasertherapie, auch in Verbindung mit z. B. Ginkgo-(biloba-)Präparaten u. Ä., suggestive Psychotherapie, alleinige Akupunktur, Eigenblutbehandlung. Ambulant, stationär: Die Therapie erfolgt je nach Einzelfall ambulant. Eine stationäre Behandlung ist in folgenden Fällen indiziert: 쐌 akuter ein- oder beidseitiger an Taubheit grenzender oder vollständiger Hörverlust 쐌 unter ambulanter Therapie Progredienz des Hörverlustes oder unzureichender Erfolg, wenn stationär andere Therapieoptionen möglich sind 쐌 kontralaterale höhergradige Schwerhörigkeit oder Taubheit 쐌 objektivierbare vestibuläre Begleitsymptomatik 쐌 Komorbidität, eingeschränkt auf schwere, z. B. internistische Begleiterkrankungen im Herz-Kreislauf- oder Stoffwechselbereich oder neurologische Erkrankungen 쐌 besonderes berufliches Betroffensein bei Behinderten oder von Behinderung Bedrohten, wenn die erforderlichen Leistungen im Einzelfall stationär erbracht werden können Bei verbleibendem beiseitigem Innenohrhörverlust: Hörgerät oder aktives Mittelohrimplantat (Meth. 9.1-10). © 2008 by Schattauer GmbH, Stuttgart; http://www.schattauer.de Aus Zenner: "Praktische Therapie von HNO-Krankheiten", 2. Aufl. 9.1 Cochlea 117 Prognose Bei leichtgradigem Hörverlust, vor allem im Mittel- und Tieftonbereich, besteht mehrheitlich eine gute Prognose mit partieller, selten vollständiger Restitution des Hörvermögens. Spontanremissionen ohne Therapie sind möglich. Mit zunehmendem Hörverlust und/oder bei gleichzeitiger Gleichgewichtsfunktionsstörung verschlechtert sich die Prognose. (schlechte Prognose bei hochgradigem Hörverlust, Ertaubung, Diabetes mellitus und hohem Lebensalter). Hörsturzrezidive sind mit bis zu 30 % nicht selten. Rezidive im Kindesalter sind nicht selten genetisch determiniert (s. Kap. 10, S. 170). Beim Erwachsenen handelt es sich dann zumeist um ein fluktuierendes Hörvermögen beim rezidivierenden Endolymphhydrops (s. Abschn. Endolymphhydrops, fluktuierendes Hörvermögen, rezidivierender Tieftonhörverlust, S. 118). Meth. 9.1-2 Vollrath-Schema zur Dehydratationstherapie 쐌 1.−3. Tag: 250 ml Osmosteril 20 % Infusionslösung, über 2 h 쐌 anschließend 500 mg Diamox®, langsam i. v. 쐌 4.−8. Tag: 250 mg Diamox®, oral 1-mal/d Kontraindiziert bei Niereninsuffizienz! Nach jeder Diamox®-Injektion am folgenden Tag Elektrolyt- und Blutbildkontrolle (Cave: Hypokaliämie; ggf. K+-Substitution oral). Anschließend Betahistin (z. B. Vasomotal® 16 mg, 3 × 1 Tbl./d) für einige Wochen. Meth. 9.1-3 Lidocain-Infusionsschema zur ionotropen Therapie 쐌 1. Tag: 400 mg Novocain in 500 ml Dextran-Lösung 쐌 2. Tag: 600 mg Novocain in 500 ml Dextran-Lösung 쐌 3. Tag: 800 mg Novocain in 500 ml Dextran-Lösung 쐌 4.−10. Tag: 800 mg Novocain in 500 ml Dextran-Lösung Nur unter Überwachung der Vitalfunktionen anwenden! Vor der ersten Infusion sollte Promit vorgespritzt werden, um das Risiko einer allergischen Reaktion zu vermindern. Sofern der zeitliche Abstand zwischen den einzelnen Infusionen mehr als 24 Stunden beträgt, muss erneut Promit vorgespritzt werden. Die Infusionsgeschwindigkeit soll mindestens 4 Stunden betragen. Kontraindikationen: Bekannte Intoleranz gegen niedermolekulare Dextrane oder gegen Procain. Relative Kontraindikationen: Kardiovaskuläre Erkrankungen (z. B. Bluthochdruck, KHK, Z. n. Myokardinfarkt), Gerinnungsstörungen, unmittelbar postoperativ. Meth. 9.1-4 Orales Prednisolon-Schema Zur Therapie mit Tabletten à 50 mg über 3 Wochen erhält der Patient folgende Rezeptur: 쐌 Prednisolon 50 mg (N2 = 50 Tbl.) 쐌 OMEP® 20 mg (N2 = 30 Tbl.), alternativ Nexium® 20 mg Darreichung: 쐌 1. Tag: 250 mg Tagesdosis = 5 Tbl. morgens zusätzlich: OMEP® 20 mg, 1 × tgl. morgens, unzerkaut vor dem Frühstück Audiokontrolle am 3. Tag, Therapiefortsetzung oder Therapieumstellung oder Entscheid über Therapieende 쐌 2.−3. Tag: 250 mg Tagesdosis = 5 Tbl. morgens 쐌 4.−6. Tag: 200 mg Tagesdosis = 4 Tbl. morgens (nur bei Therapiefortsetzung) 쐌 7.−9. Tag: 150 mg Tagesdosis = 3 Tbl. morgens 쐌 10.−12. Tag: 100 mg Tagesdosis = 2 Tbl. morgens 쐌 13.−15. Tag: 50 mg Tagesdosis = 1 Tbl. morgens 쐌 16.−18. Tag: 25 mg Tagesdosis = ½ Tbl. morgens 쐌 19.−21. Tag: 12,5 mg Tagesdosis = ¼ Tbl. morgens Meth. 9.1-5 Dreifachschema (H.-P. Zenner) 1. rheologische Therapieschemata (Meth. 9.1-6) 2. 600 mg ⁄ -Liponsäure (duralipon®), morgens ½ Stunde vor dem Frühstück oral über 2 Monate (Antioxidans = Sauerstoffradikalen-Fänger) 3. Prednisolon-Schema (Meth. 9.1-4) Meth. 9.1-6 Rheologische Therapieschemata (H.-P. Zenner) Infusionsschema 1.−10. Tag: 쐌 500 ml NaCl + 15 ml (300 mg) Pentoxifyllin (Trental®) 쐌 Laufzeit jeweils ca. 4 Stunden 쐌 4 und 8 Stunden nach Infusion jeweils 400 mg Pentoxifyllin (Trental®) oral nach 10 Tagen: 쐌 Fortsetzung nach oralem Schema Orales Schema 쐌 Pentoxifyllin (Trental® 400), 3 × 1 Tbl. bis zu 3 Monate Hinweis: Bei oraler Applikation liegt die absolute Bioverfügbarkeit (Fabs) von Pentoxifyllin (z. B. Trental®) nur bei ca. 20 %. Bei derart niedrigen Fabs-Werten ist mit beträchtlicher interindividueller Variabilität zu rechnen. Angesichts des hohen First-Pass-Metabolismus ist insbesondere bei Patienten mit Lebererkrankungen eine erheblich höhere Bioverfügbarkeit anzunehmen. Dann ist eine Dosisreduktion erforderlich. Bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion sollte die Dosis ebenfalls reduziert werden. © 2008 by Schattauer GmbH, Stuttgart; http://www.schattauer.de Aus Zenner: "Praktische Therapie von HNO-Krankheiten", 2. Aufl. 9 118 9 Erkrankungen des Innenohrs Prophylaxe Ototoxische Substanzen (s. Tab. 9.3-3; diese Liste ist dem Patienten nach Möglichkeit mitzugeben) und Lärmexposition sollten vermieden werden. Ein Rauchverbot sowie die Überwachung der Herz-Kreislauf-Funktion sind indiziert. Endolymphhydrops, fluktuierendes Hörvermögen, rezidivierender Tieftonhörverlust U.-M. Roos 9 Als Ursache der Beschwerden wird eine endolymphatische Drucksteigerung durch einen Hydrops vermutet (IOS Typ IV, Tab. 9.1-8, S. 133). Ob es sich bei dieser besonders im Tieftonbereich ausgeprägten Hörminderung ohne Schwindelbeschwerden und mit nur fakultativ auftretendem Tinnitus um eine Früh- bzw. Abortivform des Morbus Menière handelt, ist ungeklärt. Therapie Akutbehandlung: Zur Therapieeinleitung und gleichzeitigen Differenzialdiagnostik wird der modifizierte GlycerolTest nach Klockhoff eingesetzt (Meth. 9.1-7). Bei negativem Klockhoff-Test bietet sich eine Soforttherapie wie beim Hörsturz (s. S. 114) an. Bei positivem Klockhoff-Test mag auch eine Dehydratationstherapie nach Vollrath et al. (s. Meth. 9.1-2) erfolgreich sein. Dauerbehandlung: An die mehrtägige Akutbehandlung schließt sich eine 6-wöchige bis 6-monatige Dauerbehandlung mit Betahistin (z. B. Vasomotal®, 3 × ½ Tbl./d, oder Aequamen® [6 mg], 3 × 1 Tbl./d bzw. Aequamen® forte [12 mg], 3 × ½ Tbl./d) an. Meth. 9.1-7 Modifizierter Glycerol-Test nach Klockhoff 쐌 Tonaudiogramm nüchtern 쐌 Glyceroltrunk (1,5 ml Glycerol 86,5 % pro kg KG mit der gleichen Menge Aqua dest. verdünnt) 쐌 Saft einer Zitrone zur Geschmacksverbesserung 쐌 15 Minuten später Tonaudiogramm 쐌 2 Stunden später Tonaudiogramm Ein positives Testergebnis liegt vor, wenn eine Gehörverbesserung von 15 dB oder mehr über mindestens 3 Frequenzen nachzuweisen ist. Als Nebenwirkungen können Kopfschmerzen und Übelkeit auftreten. Prognose Wird die Behandlung innerhalb der ersten Woche eingeleitet, kann bei ca. 90 % der Kranken mit einer Besserung der akuten Hörverschlechterung gerechnet werden. Durch die starken Schwankungen des Hörvermögens im Krankheits- verlauf bleibt die Abgrenzung zur Spontanremission schwierig. Liegt der Eintritt der Hörminderung länger als 2 Wochen zurück, kann nur in 30 % der Fälle ein Ansprechen auf eine Therapie (s. o.) erwartet werden. Presbyakusis (sog. „Schwerhörigkeit im Alter“) H.-G. Kempf Für den vornehmlich die hohen Frequenzen betreffenden Hörverlust im Alter, von dem überwiegend Männer betroffen sind, werden biologische oder genetische Faktoren verantwortlich gemacht, vor allem aber trägt die jahrzehntelange zivilisatorische Schallexposition offenbar wesentlich zum Hörverlust bei. Dabei liegt eine kombinierte periphere (zumeist IOS Typ I, Tab. 9.1-8, S. 133) und zentrale Funktionsstörung vor. Naturvölker kennen praktisch keine Presbyakusis. Die Presbyakusis-Patienten klagen zumeist über Sprachverständnisschwierigkeiten („Partyeffekt“), eine verminderte Aufnahme hoher Töne sowie zum Teil auch über Ohrgeräusche. Therapie Der Verlust von Haarzellen und Neuronen lässt sich durch Medikamente nicht rückgängig machen. Die Therapie der Wahl ab beidseitiger mittelgradiger Schwerhörigkeit ist die Hörrehabilitation mit einem Hörgerät (konventionell oder implantierbar; Einzelheiten S. 126). Bei noch manuell geschickten Kranken auch auf beiden Ohren. Wichtig sind auch weitere technische Hilfsmittel (Tab. 9.1-2, S. 119) für spezielle Situationen wie Telefonieren, Vorträge etc. Durch Besserung des Allgemeinzustandes (bei Exsikkose ausreichende Mengen trinken) sowie durch Verstehensübungstherapie (z. B. nach Alich) lässt sich bei manchen älteren Menschen auch die Sprachkognition verbessern. Prognose Ohne Rehabilitation führt der Sprachdiskriminationsverlust häufig in die soziale Isolation. Prophylaxe Meidung von ototoxischen Medikamenten (s. Tab. 9.3-3, S. 162) und Lärm. Akustische Hörschäden, Lärmschwerhörigkeit R. Laszig und H.-P. Zenner Knalltrauma Das Knalltrauma entsteht durch einmalige oder wiederholte Einwirkung einer sehr starken und steil ansteigenden Schalldruckwelle, deren Druckspitze 160−190 dB erreichen kann (Impulslärm). Dauer und Anstiegsphase der Druck- © 2008 by Schattauer GmbH, Stuttgart; http://www.schattauer.de Aus Zenner: "Praktische Therapie von HNO-Krankheiten", 2. Aufl. 9.1 Cochlea 119 Tab. 9.1-2 Technische Hilfsmittel bei Schwerhörigkeit – Zusatzgeräte und Hilfsmittel für Schwerhörige mit und ohne Hörgerät. 1 Schwerhörige ohne Hörgerät 1.1 Kopf- oder Kinnbügelhörer zum direkten Anschluss an Radio und Fernsehen. Der Kopfhörer wird an den Kopfhöreroder Lautsprecherausgang des Radio- oder Fernsehgerätes angeschlossen. Ein Regelkästchen erlaubt die Einstellung der Lautstärke und der Klangfarbe (Tonblende). Die maximale Ausgangsleistung dieser Hörer erreicht etwa 110 dB. Dieselbe Vorrichtung wie unter 1.1 ist auf drahtlosem Weg über Infrarotsender möglich, sodass der Schwerhörige sich frei bewegen kann. Telefonverstärker. Eine Muschel wird über den Telefonhörer gestülpt und gibt verstärkten Schall ab. Die Verstärkung ist regelbar. 1.2 1.3 2 Schwerhörige mit Hörgerät 2.1 Hören über Telefonspule 2.1.1 Induktionsplatte, welche wie ein HdO-Gerät hinter dem Ohr getragen wird. Auf induktiv-magnetischem Weg wird das Signal auf die Telefonspule des Hörgerätes übertragen. Die Induktionsplatte kann an Radio oder Fernsehen angeschlossen werden. Induktives Hören über Telefonspule des Hörgerätes in Räumen, welche mit Induktionsschleifen ausgelegt sind: Kirchen, Schulen, Hörsäle, Theater, Kino. Unter Ausblendung der Nebengeräusche wird das Sprachsignal auf magnetischem Weg auf die Telefonspule des Hörgerätes übertragen. Telefonkuppler: Das Gerät wird wie unter 1.3 über die Hörspule des Telefonhörers gestülpt und gibt ein verstärktes Magnetfeld ab. Die Verstärkung ist regelbar; die Übertragung ist induktiv wie unter 2.1.2. 2.1.2 2.1.3 2.2 Hören über Audioeingang 2.2.1 Externes Partnermikrofon. Bei hochgradig Schwerhörigen im Hörtraining und in akustisch ungünstigen Situationen (während der Autofahrt) wird ein externes Mikrofon mittels Blue-tooth-Technik oder Kabel mit dem Audioeingang des Hörgerätes verbunden. Die Nahbesprechung des Mikrofons erlaubt eine Reduzierung der Nebengeräusche. Audioanschluss am Ausgang von Radio und Fernsehen. Das Signal wird über Kabel vom Kopfhörer- oder Diodenausgang des Radio- oder Fernsehgerätes auf den Audioeingang des Hörgerätes gegeben (s. Abb. 9.1-9). Audioanschluss in Schwerhörigenschulen. Über Infrarot oder UKW wird vom Lehrersender auf den Schülerempfänger übertragen. Die Schüler können sich frei bewegen. Vom Empfänger wird das Signal elektrisch auf den Audioanschluss des Hörgerätes übertragen. Lehrer-Sender-Schüler-Empfängeranlagen (s. Abb. 10-2) für Schwerhörige in Regelschulen (Mikroport, „phonic ear“). Der Lehrer trägt den Sender, der Schüler den Empfänger, die Übertragung erfolgt über UKW. Das Hörgerät ist über Audioanschluss mit dem Empfänger verbunden, so ist eine bessere Übertragung der Lehrerstimme unter Ausblendung des Geräuschpegels in der Klasse möglich. Eine Automatik sorgt dafür, dass die Antworten der Schüler ebenfalls übertragen werden, die Lehrerstimme jedoch die Priorität behält. 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.3 Hilfsmittel für den privaten Bereich 2.3.1 Lichtsignalgeber: Telefon, Wecker, Hausklingel mit Lichtsignal. Bei Auftreten eines akustischen Signals, z. B. von Telefon, Hausklingel oder Wecker, wird eine Lichtblitzfolge ausgelöst. Ebenso verwandelt ein Babywächter das Schreien des Kleinkindes in Lichtreize. Mechanische Reizgeber: Wecker in Verbindung mit einem Ventilator oder Vibrationskissen. Der Vibrator wird ins Bett gelegt und übt durch mechanische Bewegung einen Weckreiz aus. 쐌 Telefonierhilfen: Anrufbeantworter. Der hochgradig Schwerhörige, welcher kein Telefonat führen kann, lässt sich die Nachricht auf Anrufbeantworter sprechen. 쐌 Faxgräte 쐌 Email-Technik, Internet-Nutzung 쐌 SMS-Nutzung 쐌 Schreibtelefon: Anrufender und Angerufener benötigen dieselbe Einheit des Schreibtelefons. Bei Anruf erfolgt ein Lichtsignal. Der Schwerhörige legt den Telefonhörer in den vorgesehenen Adapter des Schreibtelefons, der Anrufer tippt über Schreibmaschinentastatur seine Nachricht, welche auf einem Sichtfenster erscheint und vom Schwerhörigen gelesen werden kann. Der Dialog kann entsprechend in beide Richtungen erfolgen. 2.3.2 2.3.3 © 2008 by Schattauer GmbH, Stuttgart; http://www.schattauer.de Aus Zenner: "Praktische Therapie von HNO-Krankheiten", 2. Aufl. 9