SOZIOLOGIE FÜR ARCHITEKTEN Zusammenfassung Lernstoff TEIL 1 EINFÜHRUNG 1. DAS PROBLEM - WAS IST GLOBALISIERUNG UND WELCHE FOLGEN HAT SIE? Warum und Wozu Soziologie? Definition: Die Soziologie ist die systematische Art über die Gesellschaft nachzudenken. • modernen Menschen ist die selbstgeschaffene soziale Welt meist ein Rätsel. Heutige Gesellschaften mit ihren millionen von Mitgliedern erscheinen undurchschaubar. Unser Wissen über die Welt stammt meist aus den Medien -> uns fehlt die Kompetenz zum Verstehen, Einordnen und Entscheiden von Informationen. • Für Menschen auf früheren Epochen war ihre soziale Welt, die aus weniger Menschen bestand, überhaupt nicht rätselhaft. Sie konnten die Natur mit Hilfe eines Mythos erklären. Wozu Soziologie? • • • • • • verschiedene Perspektiven auf das soziale Leben zu entwickeln und diese vergleichen Veränderungsprozess (sozialer Wandel) verstehen um politische Maßnahmen zu beurteilen Hilfe zur Selbsterkenntnis & Kontrolle über unser Leben Gesellschaftskritik Berufsvorbereitung für verschieden Tätigkeiten Was kann die Soziologie? • ist eine wissenschaftliche Disziplin, die das Leben sozialer Gruppen, Institutionen und Gesellschaften untersucht und dafür eigene Begriffe und Methoden entwickelt hat. • Der Gegenstand reicht von flüchtigen „Begegnungen“ bis zu globalen Prozessen • Soziologie erfordert, über alltägliches Leben hinauszugehen und stellt Ansichten von Laien immer wieder in Frage • versucht systematisch Regelmäßigkeit zu entdecken, Handeln zu verstehen und soziale Zusammenhänge zu erklären • Soziologen sind „Mythenjäger“(Norbert Elias) Die Soziologie zerstört Gesellschaftsmythen und trägt zur Aufklärung bei. Was kann die Soziologie nicht? • • • • eine Naturwissenschaft sein, bzw. nach diesen Methoden arbeiten soziale Gesetze finden die Zukunft der gesellschaftlichen Entwicklung exakt prognostizieren ein Instrument gesellschaftlicher Planung im großen Stil zu sein Soziologisches Denken C. Wright Mills (1961-62) meinte, es gäbe eine soziologische Denkweise, die darin bestünde, sich von den vertrauten Routinen des alltäglichen Lebens „fortzudenken“, um diese neu zu betrachten. Zum Bsp.: alltägliche Handlung einen Kaffee zu trinken heißt demnach: • • • • • Ein Ritual, bei dem es mehr auf das Symbol als auf das Getränk ankommt eine sozial akzeptierte, stimulierende Droge(Koffein) ein Produkt, das weltweit gehandelt wird(globales Netzwerk) setzt vergangene soziale und ökonomische Entwicklungen voraus(Kolonialismus) dessen Konsum ist heute mit Markennamen verknüpft und hat politische Bedeutung 2. SOZIOLOGISCHE GRUNDBEGRIFFE • Soziale Struktur • beabsichtigte und nichtbeabsichtigte Folgen des Handelns Soziale Struktur • die Umgebung(der soziale Kontext), in der wir handeln, ist kein zufälliges Chaos, sondern geordnet. • die Muster dieser Ordnung nennen Soziologen STRUKTUR • STRUKTUR besteht(formal) aus Elementen und Beziehungen • manche soziale Strukturen erleichtern oder beschränken das Handeln • durch unser Handeln stellen wir diese Strukturen her, reproduzieren sie-> STRUKTURIERUNG Beabsichtigte & nicht-beabsichtigte Folgen des Handelns • wenn wir etwas tun(also handeln), tun wird das oft, weil wir etwas bestimmtes anstreben, ein Ziel verfolgen, eine Absicht haben ->GRÜNDE • oft verfehlen wir das Ziel ->NEBENFOLGEN • nicht-beabsichtigte Folgen-> KONSEQUENZEN • auf allen Ebenen des sozialen Lebens nachweisbar: MIKRO & MAKRO • Pfadabhängigkeit (z.B. Entscheidung, welcher Bildungsweg) 3. DER ENTSTEHUNGSKONTEXT DER SOZIOLOGIE • Die Soziologie ist Produkte der Aufklärung (17. und 18. Jhd.) • mit der Erwartung verbunden, dass gesellschaftliche Zusammenhänge rational und wissenschaftlich erforschbar wären und durch diese Erkenntnisse eine bessere, vernunftbasierte Gesellschaft aufgebaut werden könnte • politische Haltung durch franz. Revolution gefördert • Forderungen einer „natürlichen Ordnung“ der Aufklärer • Aufstreben des Bürgertums • Entstehung eines Fortschrittsglaubens 4. SOZIOLOGISCHE THEORIEN • • • • Theorien und theoretische Ansätze Anfänge Klassiker Moderne Theorien THEORIEN UND THEORETISCHE ANSÄTZE Grundsätzlich kann zwischen Theorien und theoretischen Ansätzen unterschieden werden. THEORIEN sind enger gefasst. Sie versuchen bestimmte Regelmäßigkeit, soziale Bedingungen oder Vorkommnisse zu erklären. Sie sind stark von Forschungsergebnissen beeinflusst. Bestehen oft aus einer Vielzahl verbundener Hypothesen. THEORETISCHE ANSÄTZE stellen „Perspektiven“ aufgrund bestimmter Denktraditionen dar. Sie bestimmen Erklärungsmuster und Herangehensweisen an soziologische Rätsel, die an anderer theoretische Ansatz gar nicht problematisieren würde. In der Soziologie gibt es eine Vielzahl von theoretischen Ansätzen. ANFÄNGE AUGUST COMTE (1798-1857) prägte den Ausdruck „Soziologie“. Er glaubte, dass alle Wissenschaften auf der selben Logik aufbauen und versuchte ähnlich den Naturgesetzen auch soziale Gesetze zu finden. War ein Vertreter des Positivismus und behauptete, dass man von Beobachtungen auf Gesetze schließen könnte. DREI-STADIEN-GESETZ: Die menschlichen Bemühungen die Welt zu verstehen. 3 Phasen: das theologische Stadium, das metaphysische Stadium und das positive Stadium KLASSIKER • EMILE DURKEIM • KARL MARX • MAX WEBER EMILE DURKHEIM: Die Suche nach der moralischen Grundlage moderner Gesellschaften • • • • soziale Tatsachen mechanische Solidarität organischen Solidarität Anomie (Norm - oder Regellosigkeit) DURHEIMS SELBSTMORDTHEORIE • Studie über den Selbstmord versuchte Anomie und Selbstmord als soziale Tatsachen aufzuzeigen • Durkheim konnte zeigen, dass Selbstmordraten zwischen Geschlechtern, Religionszugehörigkeit, Verheirateten und Nichtverheirateten, Stadt-Land und Ländern variieren. Die Selbstmordhäufigkeit nimmt in Kriegszeiten ab und in Zeiten wirtschaftlichen Wandels und Unsicherheiten zu. • Soziale Integration und soziale Reglementierung bilden nach Durkheim die ausschlaggebenden Faktoren für Selbstmord. • Er identifizierte in Bezug auf Integration und Regulation vier Typen von Selbstmord: a) egoistischer Selbstmord (zu wenig Integration), b) anomischer Selbstmord (zuwenig Regeln), c) altruistischer Selbstmord (zuviel Integration) und d) fatalistischer Selbstmord (zuviel Regeln; selten). KARL MARX: KAPITALISMUS UND KLASSENKAMPF • bringt die Entstehung moderner Gesellschaften mit den Kapitalismus in Verbindung • Kapitalismus ist ein Produktionssystem, welches Güter und Dienstleistungen den Konsumenten verkauft • Kapital (Geld, Maschinen, Fabriken) und Lohnarbeit sind die zentralen Elemente • Kapitalismus ist vor allem ein Klassensystem • Geldwirtschaft zwingt Bauern in wachsende Städte zu ziehen, um Industriearbeiter zu werden und stehen im Konflikt mit den Eigentümern an Produktionsmitteln • historischer Materialismus: nicht Ideen und Werte des sozialen Wandels, sondern wirtschaftliche Einflüsse sind die Wurzel Theorie der Produktionsbedingungen: MAX WEBER: DIE ENTZAUBERUNG DER WELT • Gegensatz zu Marx: Werte und Ideen verantwortlich für die Entstehung des Kapitalismus und der modernen Welt • Soziales Handeln: Menschen besitzen die Fähigkeit frei zu handeln und die Zukunft zu gestalten • Strukturen entstehen durch das Zusammenspiel menschlicher Handlungen • IDEALTYPEN: begriffliche und analytische Modelle, die zum Verständnis der sozialen Welt nötig wären • Menschen in modernen Gesellschaften verwerfen traditionelle Vorstellungen, Brauchtum, Religion und Aberglaube , stattdessen zunehmend rationale und instrumentale Berechnungen anstellen • Rationalisierung setzt sich als Prinzip aller Lebensbereiche wie Wirtschaft, Politik, Kunst, etc.,durch • Wirtschaft, Wissenschaft und Bürokratie werden zu den bestimmenden sozialen Organisationen - Die Welt würde damit immer mehr „entzaubert“ VERGLEICH ZWISCHEN MARX UND WEBER Marxistische Auffassung Weberianische Auffassung Der Motor der modernen Entwicklung ist die Expansion der kapitalistischen Wirtschaftsmechanismen. Der Motor der modernen Entwicklung ist die Rationalisierung der Produktion. Die modernen Gesellschaften sind von Klassenunterschieden gekennzeichnet, die eines ihrer Wesensmerkmale sind. Die Klassenzugehörgkeit ist eine Art der Ungleichheit neben anderen - wie z.B. der Ungleichheit zwischen Mann und Frau in den modernen Gesellschaften. Die wichtigsten Machtverhältnisse, wie jene, die die unterschiedlichsten Positionen von Männern und Frauen bestimmen, ergeben sich letztendlich aus wirtschaftlichen Ungleichheiten. Die Macht im Wirtschaftssystem ist von anderen Quellen trennbar. Die Ungleichheit zwischen Mann und Frau z.B. lässt sich nicht ökonomisch erklären. Die modernen Gesellschaften, wie wir sie heute kennen(kapitalistische Gesellschaften), sind ein Übergangsform -wir können erwarten, dass sie in der Zukunft radikal umorganisiert werden. Die eine oder andere Art von Sozialismus wird letztendlich den Kapitalismus ablösen. Die Rationalisierung wird in der Zukunft in allen Bereichen des sozialen Lebens weiter fortschreiten. Alle modernen Gesellschaften hängen von denselben grundlegenden Arten der sozialen und wirtschaftlichen Organisationen ab. Die Ausbreitung des wesentlichen Einflusses über die Welt ist hauptsächlich das Ergebnis der expansionistischen Tendenzen des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Der globale Einfluss des Westens rührt von dessen Beherrschung der industriellen Ressourcen, sowie dessen militärischer Überlegenheit her. MODERNE THEORIEN 5. FORSCHUNGSMETHODEN UND FORSCHUNGSTHEMEN Die gängigsten Verfahren der empirischen Sozialforschung (Erhebung von Daten der Sozialwissenschaft) Reaktive Verfahren: • Quantitative Fragebogenerhebung • Qualitative Interviews • Teilnehmende Beobachtung Nichtreaktive Verfahren: • • • • Inhaltsanalysen Feldexperimente Nutzerspuren Archivstudien (Statistiken, Baupläne,etc.) Forschungsthemen der Soziologie: • differenzieren sich in viele spezielle Forschungsbereiche wie z.B. Kriminalsoziologie, Nationalsmusforschung, Organistationssoziologie, Mediensoziologie • andere stark interdisziplinär verbunden, wie z.B. Wohnbausoziologie, Stadtsoziologie, Medizinsoziologie, Rechtssoziologie,... • weitere Teilgebiete sind: Kultursoziologie, historische Soziologie, vergleichende Soziologie, soziologische Theorien, Geschichte der Soziologie... TEIL 2 GLOBALISIERUNG UND SOZIALER WANDEL 1. ASPEKTE DER GLOBALISIERUNG ANHAND VON FALLBEISPIELEN Reaggae-Musik ist beispielhaft, wie der Kontakt zwischen sozialen Gruppen im Zuge der Globalisierung zur Kreation neuer musikalischer Formen führt. Im 17. Jahrhundert wurden Westafrikaner als Sklaven von den Briten auf die Westindischen Inseln gebracht, um dort auf den Zuckerrohr-Plantagen zu arbeiten. Die Nachfolger der Sklaven konnten die afrikanische Trommeltradition („Burru“) aufrecht erhalten. Sie mischten sie mit europäischen Musikstilen. In den 1930er Jahren wurde Haile Selassie zum Kaiser von Äthiopien und kämpfte gegen den Kolonialismus. Auf den Westindischen Inseln wurde er von einigen als Gott angesehen und „Prinz Ras Tafari“ genannt. Daraus entstand die Rastafari- Bewegung. Ihre Musik mischte sich mit dem US-amerikanischen Blues und wurde zu Reggae Musik. Hungerrevolten 2008 und die Krise Hungerrevolten haben 2008 mehrere Regierungen gestürzt. Sie beruhen auf einer komplizierten globalen Verkettung von Entscheidungsprozessen. Diese Revolten wurden durch rapide weltweite Steigerung von Getreidepreisen ausgelöst. Dies war die Folge von mind. drei Faktoren: • Ernteausfälle und höhere Nachfrage nach Ökotreibstoffen erhöhten die Getreidepreise. Das verweist zu einen auf ein globales Energie- und Umweltproblem, dessen Lösung zu mehr Ungleichheit auf der Welt führen kann • Erdöl- und Erdgas- und andere nichterneuerbare Ressourcen gehen zu Neige und sind geographisch ungleich verteilt • Rohstoffe und Lebensmittel sind in Weltmärkten organisiert. Ihr Handel ist über das Finanzsystem direkt mit dem Handel von Finanzprodukten, Immobilien und Fertigprodukten verknüpft. So wurde aus der Immobilienblase ein Energieproblem, eine Finanzkrise, eine Weltwirtschaftskrise, die zu zwischenstaatlicher Spannung führte. 2. DER LANGE WEG ZUR GLOBALEN GESELLSCHAFT Globalisierung als kurzer Augenblick der Menschheitsgeschichte: • Menschen gibt es seit ca. 500.000 Jahren • Ackerbau seit ca. 12.000 Jahren • Zivilisation seit ca. 6.000 Jahre In einer 24 Stunden Welt: • • • • bis 23 Uhr, 56 Minuten - Ackerbau ab 23 Uhr, 57 Minuten - Zivilisationen ab 23 Uhr, 59 Minuten und 30 Sekunden -modernen Gesellschaften in den letzten 30 Sekunden fanden mehr Änderungen statt als in der ganzen Zeit davor GESELLSCHAFTSTYPEN Die Soziologie unterscheidet zwischen zwei Hauptgruppen von Gesellschaften: • vormoderne Gesellschaften • moderne Gesellschaften • Von modernen Gesellschaften spricht man erst von industriellen Gesellschaften • Industrialisierung begann mit der industriellen Revolution in England um 1750, setzte sich im 19. Jhd in Europa und Amerika fort • erfasste erst im 20. Jhd Asiatische Gesellschaften • Industrialisierung ist mit überall mit Landflucht, Verstädterung, der Bildung von Nationalstaaten und neuen kulturellen Einflüssen verbunden • in den zeitliche Unterschieden, in denen sich die Gesellschaften entwickelten erklärt sich die Ungleichheit zwischen Ester Welt, Schwellenländer und Entwicklungsländer Alle anderen Gesellschaftstypen vormoderne Gesellschaften genannt. Dazu zählen Jägerund Sammlergesellschaften, Weidelandgesellschaften, Agrargesellschaften und traditionelle Zivilisationen. VORMODERNE GESELLSCHAFTEN Jäger und Sammlergesellschaften • 50.000 v. Chr. bis zur Gegenwart, Heute im Verschwinden begriffen • kleine Zahl von Menschen die vom Jagen, Fischen und Sammeln von essbaren Pflanzen und Früchten leben • Geringe soziale Ungleichheit: Geschlecht und Alter Weidelandgesellschaften • ca. 12.000. v. Chr. bis heute • heute meist Teil größerer staatlicher Einheiten, durch die ihre traditionelle Lebensweise untergraben wird • Viehhaltung • ausgeprägte Ungleichheiten • Häuptlinge oder Kriegskönige Agrargesellschaften • • • • • • 12.000 v. Chr. bis heute kleine ländl. Gemeinschaften heute meist Teil größerer staatlicher Einheiten ohne oder nur kleine Städte mehr Ungleichheit Häuptlinge Frühe Zivilisationen und traditionelle Staaten • • • • • • Seit ungefähr 6000 v. Chr. - 19. Jhd heute verschwunden Landanbau wurde koordiniert Landwirtschaft ist Grundlage der Wirtschaft Städte mit Handel und Güterproduktion manchmal große Imperien (Millionen von Menschen) MODERNE GESELLSCHAFTEN Industrielle Gesellschaften sind vorherrschend: • große Mehrheit der arbeitenden Bevölkerungen ist in Fabriken oder Büros beschäftigt, nicht mehr in der Landwirtschaft • 90% der Bevölkerung lebt in Städten • städtisches Leben ist unpersönlich und anonym • die politischen Systeme sind höher entwickelt; Transport und Kommunikation führt zu stärkeren integrierten „Nationalstaaten Typen moderner Gesellschaften 3. GLOBALE UNGLEICHHEIT • Seit ca. 1500 bildeten viele europäische Staaten ‘Kolonien’ in Regionen, wo davor traditionelle Gesellschaften bestanden, oftmals erfolgte die Kolonisierung gewaltsam • in Nordamerika, Australien und Neuseeland wurden europäische Siedler zur Bevölkerungsmehrheit • in Asien, Afrika und Südamerika blieb die ursprüngliche Bevölkerung in der Mehrzahl Immanuel Wallerstein entwickelte die Weltsystem-Theorie. Er geht davon aus, dass durch die europäische Kolonialisierung die Welt bis heute im Zentrum, Peripherie und Semiperipherie eingeteilt wird. Im Zentrum werden demnach hochwertige Produkte gefertigt. Die Semiperipherie dient zur politschen Stabilisierung. Die Peripherie liefert Rohstoffe, landwirtschaftliche Produkte und Arbeitskräfte. Formen globaler Ungleichheit Die Weltbank teilt Länder in drei Gruppen, nach ihrem Bruttoinlandsprodukt (BIP) • Reiche Länder: 15% der Weltbev., 79% des Weltreichtums • Mittlere Länder: 45% der Weltbev., 18% des Weltreichtums • Arme Länder: 40% der Weltbev., 3% des Weltreichtums Globale Lebensqualität 4. EINFLÜSSE AUF DEN SOZIALEN WANDEL UND ASPEKTE DER GLOBALISIERUNG Sozialer Wandel Drei Haupteinflüsse • Kulturelle Faktoren: - Religiöse Überzeugungen (Max Weber) - Kommunikationssysteme (Erfindung der Schrift) - Charismatische Führer (z.B. Ghandi) • Physische Umwelt - Klimatische Bedingungen und Vorhandensein von Pflanzen und Tieren • Politische Organisation - Demokratische Ideologie oder militärische Macht 5. THEORIEN DER GLOBALISIERUNG Globalisierungsdebatte Globalisierung: Vorgang, das internationale Verflechtungen in vielen Bereichen (Wirtschaft, Politik,..) zwischen Gesellschaften, Individuen, Institutionen und Staaten zunehmen. Marginalisierung: sozialer Vorgang bei dem Bevölkerungsgruppen an den „Rand“ der Gesellschaft gedrückt werden. 3. TEIL: SOZIALE INTERAKTION UND ALLTAGSLEBEN - -Alltägliche Begegnungen und der Nutzen diese zu untersuchen - Konzepte: Interaktion, Regeln, Rolle - Das dramaturgische Modell ALLTÄGLICHE BEGEGNUNGEN Warum alltägliche Situationen untersuchen? Normen, wie etwa die „höfliche Gleichgültigkeit“ verweisen darauf, dass: • alltägliche Begegnungen erstens meist bestimmte Regeln folgen (man erkennt oft diese Regeln durch den Regelbruch) und • dass als Folge dessen Menschen ihre Emotionen in der Öffentlichkeit nicht frei zum Ausdruck bringen Die Untersuchung alltäglicher Situationen bringt daher wichtigen Aufschluss vor allem darüber, • wie solche Regeln Struktur schaffen, in dem sie Handlungsroutinen definieren • wie die Wirklichkeit durch Interaktionen sozial konstruiert wird (z.B. Thomas-Theorem: „Wenn Menschen Situationen als real definieren, so sind auch ihre Folgen real“) • wie größere Strukturen (Makrostrukturen) aussehen (z.B.: „Höfliche Gleichgültigkeit -> Stadtleben) G.H. Mead und der Symbolische Interaktionismus • Menschen sind Symbol verwendende Tiere, sie haben eine Bewusstsein von sich selbst. • Interaktion zwischen Menschen ist ein Austausch von Symbolen und die Interpretation ihrer Bedeutung. • Symbole sind Zeichen, die für etwas anderes stehen (z.B. Mimik und Sprache). • Kinder lernen durch Imitieren der Handlungen der sie umgebenden Personen • In unorganisierten Spielen üben Kinder die Rollen von Erwachsenen aus >die Übernahme der Rolle des Anderen ’ • Kinder erwerben ihr Selbstbewusstsein als eigenständige Handelnde dadurch, dass sie sich mit den Augen anderer zu sehen erlernen: ‘I’ und ‘me’ (Ich und ICH) • In organisierten Spielen lernen Kinder ‘nach Regeln zu handeln’ • In diesem Stadium erfassen sie die Vorstellung des ‘verallgemeinerten anderen’ – damit auch die allgemeinen Werte ihrer Kultur Nonverbale Kommunikation Gesten - Gesicht - Emotion Paul Ekman: Gesichtsausdrücke eines Stammesangehörigen einer isoliert lebenden Gemeinschaft in Neu Guinea. Darstellung dient zur Veranschaulichung, dass grundlegende emotionale Ausdrücke in allen Kulturen gleich sind. Trotzdem kann festgestellt werden, dass Mimik, Gestik und Gebärde nicht nur angeboren sind. Es gibt viele individuelle und kulturelle Unterschiede. Außerdem spielt in der nonverbalen Kommunikation das Geschlecht (Gender) eine wichtige Rolle (z.B. Blickkontakt) Soziale Regeln der Interaktion • Jede Gesellschaft hat ihre eigenen Regeln für soziale Interaktionen • Die Regeln sind meist implizit und selbstverständlich • Soziologen haben diese auf verschiedenen Wegen (mit unterschiedlichen Begriffen) studiert: – Rollentheorie – Dramaturgisches Modell (Erving Goffman) – Ethnomethodologie (Harold Garfinkel) Rollentheorie: Status und Rolle Status-Set Rollen-Set Herr Meier ist zugleich: des Lehrers umfasst: • • • • • • Ehemann Vater Lehrer Gewerkschaftsfunktionär bei der Freiwilligen Feuerwehr etc. • Kollege (zu anderen Lehrern) • Lehrer verschiedener Gruppen von Studierenden • Untergebener des Direktors • Ansprechperson der Eltern • Mitglied der Personalvertretung • Leiter des Schulchors • etc. Zum Rollenset des Lehrers gehört nicht, dass Herr Meier auch in einer Band Trompete spielt, in zweiter Ehe mit Frau Meier verheiratet ist... ROLLE • Erwartungen an Rolle(n) normativ: Rechte und Pflichten • Erlernen von Rollen: Sozialisation • Rollenkonflikte(e): Interrollenkonflikt (Ehemann und Vater), Interrollenkonflikt (Lehrer), Person-Rolle-Konflikt (Selbst und Rolle) • Role model (Rollenmodell): Antizipatorische Sozialisation ROLLEN: SOZIALER ZWANG UND PERSÖNLICHE WAHL Goffman und das dramaturgische Modell • Individuen nehmen soziale Statuspositionen ein, die jede für sich mit Rollenerwartungen verknüpft ist • Wie Individuen handeln hängt von den Rollen ab, die sie gerade einnehmen • Eine Rolle einzunehmen bedeutet auch Eindrucksmanagement (impression management) auszuüben • Vorderbühne: wo die Darstellung erfolgt • Hinterbühne: dient der Vorbereitung der Darstellung Darstellung durch Ensembles und deren Vorbereitung • In schwierigen Situationen handeln Individuen oft als Teil einer Gruppe, um eine bestimmte Darstellung zustande zu bringen • Die Hinterbühne kann dann zur Planung und Einübung der Darstellung genutzt werden und dazu dienen, schwächeren Mitgliedern zu helfen • Beispiele: – Gruppenreferat in einer LV – (Fraktions-)Vorbesprechung vor Sitzungen – Teenager, die ihre Eltern von etwas überzeugen wollen: “Du sagst das und ich dann jenes” Garfinkel und die Etnomethodologie1 • DieWege,auf denen Personen ihrer sozialen Welt Sinn verleihen, wie sie die für selbstverständlich gehaltenen Regeln interpretieren wird ‘Ethnomethoden’ genannt • Ihre Untersuchung nennt sich Ethnomethodologie • Der Ausdruck wurde 1967 von Harold Garfinkel geprägt • “Krisenexperimente”:‘Hintergrundannahmen’ sollen explizit werden – Gespräche werden durch den Experimentator unterbrochen, um andere zu nötigen genau zu sagen, was sie meinen TEIL 4 - FAMILIE UND ALTER - Problemstellung Demographischer Wandel - Familie - Alter PROBLEMSTELLUNG DEMOGRAPHISCHER WANDEL Bevölkerungsgröße eines Territoriums hängt hauptsächlich von drei Faktoren ab: • Geburten • Sterbefälle • Wanderung Die demographische Zusammensetzung einer Bevölkerung hat große gesellschaftliche Relevanz. z.B.: auf Erwerbstätigkeit, Vorsorgesysteme, Stadtstruktur, Wohnbedürfnisse,... FAMILIE Die Familie in der Geschichte • Familie: eine Gruppe von Personen, die direkt miteinander verwandt sind, wobei die Erwachsenen die Verantwortung für die Kinder übernehmen • Verwandtschaft: Entweder durch Heirat oder Blutsverwandtschaft (gemeinsame Abstammung) aber auch durch Adoption • Kernfamilie, Großfamilie, Patchwork-Familie, binukleare Familie • Ehe, Lebensgemeinschaft Familienformen • Monogamie, serielle Monogamie • Polygamie - Polyandrie: Frau hat mehrere Männer - Polygynie: Mann hat mehrere Frauen • Matrilokal: Wohnsitz bei der Mutter • matrilineare Vererbung: durch weibliche Linie • Patrilokal: Wohnsitz beim Vater • Patrilineare Vererbung: durch männliche Linie • Neolokal (neolokale Wohnstruktur): Kind heiratet und zieht aus 1 ist eine Theorie des Handelns und Verstehens Drei Phasen der Entwicklung von Familienformen: 16 Jahrhundert Kernfamilie nicht deutlich getrennt von Gemeinschaft - Vor allem eine ökonomische Einheit - Unemotional - Sex dient Fortpflanzung, nicht dem Vergnügen Drei Phasen der Entwicklung von Familienformen: 17.-19. Jahrhundert Kernfamilie als besondere und eigene Einheit - Übergang findet zuerst in den oberen sozialen Schichten statt - Zunahme der Wichtigkeit von Liebe zwischen Ehepartnern und gegenüber Kindern - Zunahme der Autorität des Vaters Drei Phasen der Entwicklung von Familienformen: 20. und 21. Jahrhundert Kernfamilie mit einem hohen Grad häuslicher Privatheit - Enge emotionale Bindungen: affektiver Individualismus - Zentriert auf Kinderaufzucht - Ehe als „romantische Liebe“ oder wegen der sexuellen Attraktivität - Konsumeinheit Vielfalt der Familienformen Alleinerziehende Heterosexuelle Paare: verheiratet oder zusammen lebend Schwule oder lesbische Paare: Zivilehe oder Zusammenleben Paare (hetero- oder homosexuell) getrennt oder geschieden, aber gemeinsame Erziehung der Kinder • Patchwork-Familie, Stieffamilie • • • • Zunehmende Zahl von Scheidungen Scheidungen meint rechtliche Auflösung einer Ehe, daher wissen wir nicht (oder nicht genug) über: • • • • Pro-Forma aufrechte Ehen Trennungen ohne Scheidung Auflösung von nicht-ehelichen Gemeinschaften Wiederverheiratungsrate Warum steigen die Scheidungsraten? • • • • Rechtliche Erleichterungen Zunehmende wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frauen Abnehmende soziale Stigmatisierung der Scheidung Erwartung persönlicher Zufriedenheit in Ehen Die Suche nach Intimität Gegenwärtige westliche Gesellschaften sind gekennzeichnet durch: • • • • • Raschen sozialen Wandel Schwächer Werden traditioneller Bindungen und Identitäten Individualismus Steigende Lebenserwartung Unpersönliche globale Risiken Gegenwärtige Beziehungsideale beruhen auf: • • • • Gleichheit Aushandeln Selbsterfüllung Hafen in einer herzlosen Welt ALTER Soziologische Theorien des Alterns • Funktionalismus und Disengagement-Theorie • Altersschichtung, Theorie des Lebenslaufs: strukturelles Nachhinken z.B.: Verrentung • Politische Ökonomie des Alterns: Rolle des Staates 5. TEIL KRIMINALITÄT • Kriminalität als soziales Problem • Historische Entwicklungen • Erforschung und Messung von Kriminalität • Statistischer Überblick • Kriminalsoziologische Theorien Wichtige Konzepte: Abweichendes Verhalten Aus rollentheoretischer Sicht: Erwartungen, die an sozialen Rollen gebunden sind, werden nicht durch entsprechendes Verhalten erfüllt. HISTORISCHE ENTWICKLUNGEN Kriminalität und soziale Kontrolle in vorindustrieller Zeit Jäger und Sammlergesellschaften, der Mitgliederzahlen gering sind, bildeten eine soziale Ordnung ohne formelle Sanktionen und gesatztem Recht. Dort spielten informelle Sanktionen, wie etwa Tabus eine große Rolle. Agrargesellschaften • • • • • • Besitz wird wichtiger Soziale Schichtung komplexer Erste Kodifizierung des Rechts; aber noch ist die Vorstellung von Ehre wichtig Autoritäten treten als Schiedsrichter auf Weitgehende Blutrache und Selbstjustiz Recht wird meist religiös legitimiert (daher auch Gründe für Rechtsverstöße) Frühe Neuzeit • Entstehung des Staates • Noch kein durchgängiges Gewaltmonopol • Kommerzialisierung der Landwirtschaft: Exklusive Nutzung ehemaliger Allmende(gem. Eigentum) durch Großgrundbesitzer • Armen und Arbeitshäuser entstehen • Harsche Strafen (Folter und Todesstrafe) • Philosophie wird als Legitimierung (Begründung) staatlicher Gewalt wichtiger Industrialisierung und Urbanisierung im 19. Jhd. Soziale Konflikte werden häufiger und sichtbarer. Neue Formen von sozialer Kontrolle: • • • • • Polizei Gefängnisse modernes Gerichtswesen Kriminalistik Kriminaljournalismus Das legitime Gewaltmonopol des Staates entsteht! Verwissenschaftlichung von sozialer Kontrolle • • • • • • Pönologie (Wissenschaft von Strafen und Sanktionen) Kriminologie Kriminalistik Kriminalbiologie Kriminalpsychologie Kriminalsoziologie Soziologische Forschungsbereiche: • • • • • • • Soziologie des abweichenden Verhaltens Kriminalsoziologie Soziologie der sozialen Kontrolle Soziologie des Strafens Rechtssoziologie Drogen- und Suchtsoziologie, Jugendsoziologie Polizeisoziologie ERFORSCHUNG UND MESSUNG VON KRIMINALITÄT STATISTISCHER ÜBERBLICK Staatliche Statistiken Polizeiliche Kriminalistik: Problem der Zählung: z.B.: „echte Tatverdächtige, Überbewertungstendenz, Problem der Vergleichbarkeit nach Jahren und Staaten, absolute Zahlen, Häufigkeitszahlen, Aufklärungsquote, ermittelnde Tatverdächtige, Strafverfolgungsstatistik: Täterschwund, Sanktionierungspraxis, Verschobener Verfassungszeitraum,Reformen und Änderungen Strafvollzugsstatistik: Rückfallstatistik: Vorbestrafte nicht gleich Rückfällige Bewährungsstatistik: Verlaufsstatistik, Aufgeklärte Hellfeld - übrige Hellfeld Methoden und Probleme der Dunkelfeldforschung: • • • • • • • • • Blindschätzung Erfahrungsschätzung Experiment Teilnehmende Beobachtung Qualitative Befragung Quantitative Befragung (face to face) Telefoninterview, Briefinterview, Gruppeninterview Täterbefragung Opferbefragung Grundstatistik für Österreich KRIMINALSOZIOLOGISCHE THEORIEN Fünf Typen von kriminalsoziologischen Theorien 1. 2. 3. 4. 5. Sozialstrukturtheorien Prozesstheorien Theorien der sozialsen Reaktion Kombinierte Theorien Abschreckungstheorien Sozialstrukturtheorien: Warum gibt es Kriminalität?, Kriminalität wird durch soziale Umwelt beschrieben (Milieu), Makro Perspektive -> Kriminalität ist ein Massenphänomen Prozesstheorien: Wie werden Menschen kriminell? > Lerntheorien > Mikro Perspektive >Fallstudien Theorien der sozialen Reaktion: Interaktion zwischen Kriminellen und Nichtkriminellen Kombinierte Theorien: Moderne und komplexere Theorien Abschreckungstheorien: Wie kann durch Strafen Kiminalprävention2 beschrieben werden? Klassische- und Abschreckungstheorien • Utilitarismus: Philosophie der Aufklärung über den Menschen • Abschreckungstheorie: 2 Arten > generelle Abschreckung, spezielle Abschreckung • Rational Choice Theorie: Menschen haben einen freien Willen, wählen zwischen Möglichkeiten, rationale Entscheidungen Routine Aktivitäts-Theorie (Lawrence Cohen und Marcus Felson 1979) • Viktimisierungstheorie Reaktionstheorien • Etikettierungstheorie 2 -Vorbeugung rechtswidriger Tatsachen 6. TEIL - POLITIK • GRUNDKONZEPTE UND MACHT • NATIONALISMUS • WAHL-UND POLITISCHE SYSTEME GRUNDKONZEPTE UND MACHT Grundkonzepte der politischen Soziologie • Politik: die Mittel, die Mächtige benutzen,um Umfang und Inhalt von Regierungsaktivitäten zu bestimmen • Regierung: Zentrum der politischen Macht • Staat: politischer Apparat, der ein Territorium regiert, dessen Autorität durch Gesetze und die Möglichkeit Gewalt einzusetzen, geformt wird • Souveränität 3 • Staatsbürgerschaft • Nationalstaat, Nationalismus Modelle der Macht Drei Quellen der Autorität oder Herrschaft: • Traditionelle Herrschaft -Respekt vor lang bestehenden kulturellen Mustern legitimierter Macht • Charismatische Herrschaft -Verehrung von Führern • Rationale Herrschaft - durch gesetzliche Regeln und Vorschriften legitimiert NATIONALISMUS Was ist eine Nation? • eine vorgestellte politische Gemeinschaft • ist in Besitz eines Staates (Nationalstaat) oder ist staatenlos • gekoppelt an die Idee des Nationalismus: politische Doktrin4, dass Staats- und Nationalgrenzen übereinstimmen • eine Vorstellung von politischer Souveränität und Legitimität • Loyalitäten (Wir-Gefühle) Welche Vorstellungen von Nation gibt es? • Nation als freiwilliger Zusammenschluss von Menschen zu einer politischen Gemeinschaft (Willensnation) • Nation als Kulturgemeinschaft (Kultur-oder Ethno-Nation) • Nation als politische Einheit genetisch Verwandter 3 die Eigenschaft einer Institution, innerhalb eines politischen Ordnungsrahmens einziger Ausgangspunkt der gesamten Staatsgewalt zu sein 4 ist ein System von Ansichten und Aussagen; oft mit dem Anspruch, allgemeine Gültigkeit zu besitzen Welche Eigenschaften besitzt eine Nation? • • • • • • Konkreten Namen Vorstellung von Heimatland, das im Besitz steht geteilte Geschichte, Tradition und gemeinsame Mythen gemeinsame politische Öffentlichkeit Allgemein gültige Rechte, Pflichten und Wirtschaftsraum Ist eine moderne Erscheinung Sind Nationen alt? Nationen sind relativ moderne Gebilde. Die ersten Nationen sind in Westeuropa und in Amerika Ende des achtzehnten und Anfang des neunzehnten Jahrhunderts entstanden. Im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts verbreitete sich die Idee des Nationalismus auf ganz Europa. Im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts schließlich auf die ganze Welt. Warum entstehen Nationen? 1. Krieg und Veränderungen in der Kriegsführung, bzw. der Entstehung von großen, zentralisierten Flächenstaaten. 2. Industrialisierung: Ausbau von nationalen Bildungssystemen und Arbeitsmigration. 3. Entstehung von vorgestellten Gemeinschaften, meist Sprachgemeinschaften durch Buchdruck, Pressewesen, Literatur, elektronischen Me- dien und moderner Kommunikationstechnologien. WAHL-UND POLITISCHE SYSTEME Autoritarismus und Demokratie • Autoritarismus 5 beschränkt oder verhindert Beteiligung der Bürger: Diktaturen und Monarchien (Weissrussland, Singapur) • Demokratie: demos (Volk) und kratos (Herrschaft) • partizipatorische (oder direkte) Demokratie: Entscheidungen werden von jenen gemeinsam getroffen, die von ihnen betroffen sind direkte Demokratie (z.B. Schweiz) • Repräsentative Demokratie: Entscheidungen, die die Gemeinschaft betreffen, werden nicht von allen Mitgliedern der Gemeinschaft, sondern von zuvor für diesen Zweck gewählten Vertretern gefällt Wahlsysteme Mehrheits- und Verhältniswahlsystem • Mehrheitswahlrecht: USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Japan, Frankreich und UK • Verhältniswahlrecht: Deutschland, Österreich, Schweiz und in 67 anderen Staaten 5 diktatorische Form der Herrschaft 7. TEIL -ETHNIEN UND MIGRATION Schlüsselbegriffe • • • • • • • Rasse,(alter und neuer) Rassismus Ethnien, Ethnizität Minderheitengruppen Vorurteil, Projektion Stereotypen Diskriminierung Ethnozentrismus, Gruppenschließungen und Ressourcenverteilung Vergleich: Ethnie Nation Korrekter Name Korrekter Name Gemeinsame Abstammungsmythen Gemeinsame Mythen Geteilte Erinnerungskultur Geteilte Geschichte Kulturelle Unterscheidungsmerkmale Gemeinsame politische Öffentlichkeit Verbundenheit mit einer Heimat In Besitz eines Heimatlandes Einige (Eliten-) Solidarität Allgemein gültige Rechte und Pflichten Einheitlicher Wirtschaftsraum Viele Ethnien haben keine eigenen Nationen. Diaspora-Nationen6 (haben einen einst besessenen Staat verloren: z.B. Juden, Armenier) Einige Nationen fühlen sich einer bestimmten Ethnie zugehörig. Viele Nationen bestehen aus mehreren Ethnien = polyethnische Nationen (z.B. in föderalistischer Verfassung: Schweizer Eidgenossenschaft, Spanien, Belgien). Ethnienbegriff Der Begriff Ethnie kommt aus dem Griechischen und bedeutet Volk. Unterschied zwischen ethnos und demos (Staatsvolk; oder Gemeinde, Gesamtzahl der Bürger einer Polis oder von Demen; in der Soziologie: Legitimität des Volkes alleine aus der Willensbekundung der Gemeinschaft: politisches Gebilde). Ethnien sind Gruppen mit einer kollektiven Selbstidentität. Kriterien für ethnische Fremdund Selbstzuschreibungen sind oft ein gemeinsame Sprache und Abstammung. 6 religiöse oder ethnische Gruppen, die ihre traditionelle Heimat verlassen haben und unter Andersdenkenden lebend über weite Teile der Welt verstreut sind Das einzige moderne Definitionsmerkmal ist eine kombinierte Selbst- und Fremdzuschreibung als Ethnie. Wenn z.B. eine Gruppe sich selbst als Ethnie bezeichnet und die Nachbarn nicht, dann ist diese ethnische Selbstzuschreibung meist auch instabil. Hier wird also ein emischer 7 Ethnienbegriff herangezogen. Ethnische Minderheiten sind wie auch andere soziologisch definierte Minderheiten durch folgende Punkte gekennzeichnet. 1. Nachteile und Diskriminierung in der Ressourcenverteilung gegenüber der Mehrheitsgruppe (Reichtum, Macht, Prestige, Aufstiegschancen). Siehe auch: Institutionelle Diskriminierung (Minderheit, Rasse, Kaste und Nationalität). 2. Gruppensolidarität, die auch oft zur Gruppenschließung bei der Mehrheits- wie auch bei der Minderheitsbevölkerung führt. Dies führt etwa bei ethnischen Minderheiten zu Endogamie8. Gruppenschließung als freiwillige soziale Absonderung (Selbstsegregation) ist oft eine Vermeidungsstrategie der Minderheit Konflikten aus dem Weg zu gehen. Manchmal entschließen sich ethnische Minderheiten zum passiven Widerstand (z.B. Weigerung, härter zu arbeiten als Angehörige von dominanten Gruppen). 3. Ethnozentrismus: Das ist der Argwohn gegenüber einer anderen Gruppe verbunden mit einem Überlegenheitsgefühl. Dieser äußert sich vor allem in Vorurteilen (z.B. der Rassismus), Stereotypen (Denken in unveränderlichen Kategorien), Verschiebung (Gefühle der Feindseligkeit und Wut richten sich auf Objekte oder Personen, die nicht der wirkliche Ursprung von Ängsten sind: z.B. („Sündenböcke“). Projektionen (z.B. Identifikation von Sündenböcken; Die unbewusste Zuschreibung der eigenen Wünsche oder Merkmale auf andere. Z.B. sexuelle Lüsternheit schwarzer Männer). RASSISMUS Der Rassismus ist eine Form von Vorurteil, welcher körperliche Unterschiede ins Zentrum rückt. Er basiert auf der Annahme der Überlegenheit aufgrund „rassischer“ Unterschiede. Das Konzept des institutionellen Rassismus besagt, dass Rassismus keine Sache von Einzelnen darstellt, sondern eine Form von institutioneller Diskriminierung darstellt, bei der eine Mehrheitsgruppe bevorzugt und eine Minderheitengruppe benachteiligt wird, wie z.B. diskriminierende Praktiken im Gesundheits- und Bildungs- und Justizwesen, bzw. in der Polizei. Einige Sozialwissenschaftler unterscheiden zwischen einen alten und neuen Rassismus. Wohingegen der alte Rassismus sich auf biologische Unterscheidungsmerkmale stützt, um diskriminierende Praktiken zu legitimieren, ist der neue Rassismus ausgefeilter. Es 7 Emisch bedeutet „mit den Augen eines Insiders“ einer Kultur oder eines Systems und bezeichnet eine Beschreibung, die in erster Linie aus Sicht eines Teilnehmers der untersuchten Kultur sinnvoll ist. Sie kann dementsprechend nicht neutral sein und soll es auch nicht. 8 bezeichnet in der Ethnosoziologie eine Heiratsordnung, die Eheschließungen innerhalb der eigenen sozialen Gruppe,Gemeinschaft oder sozialen Kategorie bevorzugt oder vorschreibt handelt sich um einen kulturellen Rassismus, der die Vorstellung kultureller Unterschiede benutzt, um Menschen mit Vorteilen auszuschließen. Der moderne Rassismus ist zur Zeit der Kolonisierung durch die Europäer entstanden. Erste Versuche einer Naturgeschichte der Menschheit, einer Anthropologie und einer Kategorisierung von Menschen (z.B. in Japhetiten, Semiten und Hamiten) fand in der Aufklärung statt. Im neunzehnten Jahrhundert wurden im Zuge des Darwinismus die ersten Rassenlehren entworfen (z.B. Graf Arthur de Gobineau oder Houston Steward Chamberlain). Im 20. Jahrhundert wurde der Rassismus in politisches Handeln umgesetzt, wie z.B. durch die Rassenpolitik der Nazis oder die südafrikanische Apartheidspolitik. MIGRATION9 UND ETHNISCHE BEZIEHUNGEN Formen von Migration • • • • lokale Migration (geringe Entfernung, geringe Distanzierung), zirkulare Migration (beliebige Entfernung, geringe Distanzierung), Kettenmigration (mittlere bis große Entfernung, mittlere Distanzierung) und Karrieremigration (große Entfernung und große Distanzierung) (Tilly 1978). Modelle der Migration Klassisches Modell (Australien, USA) • Nationsbildung durch Immigration; Staatsbürgerschaft wird rasch erteilt Koloniales Modell (Großbritannien, Frankreich) • Bevorzugt Immigranten aus früheren Kolonien; teilweise Verleihung der Staatsbürgerschaft Gastarbeitermodell (Deutschland, Österreich, Schweiz) • Immigranten als vorübergehende Arbeitskräfte; keine Staatsbürgerschaft Illegale Formen • Schlepper, Überziehen von Visa, Asylsuchende Modelle ethnischer Integration • Assimilation: Übernahme der kulturellen Gewohnheiten der Mehrheitsbevölkerung • Schmelztiegel: Vermischung der verschiedenen Kulturen unterschiedlichster Gruppen von Einwanderern • Kultureller Pluralismus: Multikulturalismus („Mulitkulti“) Nebeneinander verschiedener Kulturen 9 dauerhafter Wohnortwechsel von Menschen Gegenwärtige globale Entwicklungen • Beschleunigung: Migration über Staatsgrenzen hinweg wird quantitativ weiter zunehmen • Auffächerung: Immigranten unterschiedlichsten Typs • Globalisierung: Mehr Länder beteiligt > Entsende-, Transit-, und Aufnahmeländer • Feminisierung: Globale Nachfrage nach Haushilfen, Pflegepersonal und Sexarbeiterinnen Schub- und Sogfaktoren Schubfaktoren: drängen Migranten dazu, ihr Ursprungsland zu verlassen • • • • • Politische Unterdrückung Krieg Hunger und Unterernährung Armut Bevölkerungsdruck Sog-Faktoren: Umstände, die Migranten anziehen in ein anderes Land zu gehen • Beschäftigungsmöglichkeiten • Höherer Lebensstandard • Geringere Bevölkerungsdichte Globale Migrationsysteme Interaktion von Mikro und Makro: • Mikro: Ressourcen, Wissen und Verständnis der Migrantenpopulation • Makro: politische Situation, Einwanderungsgesetzgebung, Wandel der int. Ökonomie 8. TEIL - STÄDTE UND URBANE RÄUME Georg Simmel (1858 -1918) Theorien über Urbanismus 1: Georg Simmel • das Stadtleben bombardiert den Geist mit Bildern, Eindrücken, Reizen und Aktivitäten • Die Großstadtbewohner schützen sich, indem sie blasiert und uninteressiert werden • Die Großstädte und das Geistesleben (1903) Ferdinand Tönnies (1855 -1936) Theorien über Urbanismus 1: Ferdinand Tönnies • Urbanisierung untergräbt das traditionsverwurzelte, auf engen Bindungen, persönlichen und beständigen Beziehungen zwischen Nachbarn und Freunden beruhende Leben, in dem ein klares Bewusstsein von der eigenen sozialen Position gegeben war • In der Gesellschaft sind Beziehungen typischer-weise von Interessenlagen gelenkt und von zweckrationalem Handeln geprägt • Gemeinschaft und Gesellschaft (1887) Robert E. Park (1864-1944) Theorien über Urbanismus 2: Chicagoer Schule STADTÖKOLOGIE Organische Analogie: Stadt ist ‘a great sorting mechanism’ (Robert Park) „Sobald sie einmal besteht, ist eine Stadt, wie es scheint, ein großer Sortiermechanismus, der aus der Gesamtbevölkerung unfehlbar diejenigen Individuen selektiert, die an das Leben in einer bestimmten Region oder in einem bestimmten Milieu am besten angepasst sind“ Louis Wirth (1897 -1952) Theorien über Urbanismus 2: Chicagoer Schule Urbanismus als Lebensform • Bezieht sich auf Stadt als eine Form der sozialen Existenz • große Mengen von Menschen wohnen sehr nahe beieinander, meist ohne einander persönlich zu kennen Park, Burgess, McKenzie (1925), The City, University of Chicago Press = Verbindung Organismus (Menschen) und seine Umwelt (Stadt). Begründer: Chicago School 1920er bis 194er: hauptsächlich Robert Park Ziel war: Analyse natürlicher Umgebungen (“natural areas”) von Menschen (ummittelbare Gemeinschaften – Nachbarschaften) und deren symbiotische Beziehung zu den Gesellschaftsvierteln und Industriezonen der Stadt Park und Ernest Burgess suchten nach generellen Mustern für das Wachstum amerikanischer Städte: Sie entwickelten ein 5schichtiges Entwicklungsmodell. 1: Zentraler Geschäftsdistrikt 2: Übergangszone: Arme > viel Kriminalität 3: Arbeiterdistrikt 4: Wohnzone 5: Pendlerzone In jeder Zone gibt es Migrationsmuster (Invasion, Herrschaft, Nachfolge) > Grund für Probleme David Harvey • Urbanismus ist ein Aspekt der künstlich geschaffenen Umwelt • Trennlinie zwischen Stadt und Land schwindet • Raum wird neu strukturiert (z.B. Standortwahl von Fabriken, Unternehmen, Universitäten etc.): Grundstückkauf • Staatshilfen und Kredite: Immobilienmarkt Manuel Castells • Städte: Prozesse der räumlichen Umwandlung verstehen • Erscheinungsbild und architektonische Merkmale sind Ausdruck von Kämpfen und Konflikten zwischen sozialen Gruppen • Städte sind Orte des kollektiven Konsums • Auch unterprivilegierte Gruppen gestallten in diesen Kämpfen die Stadt STÄDTE IN VORMODERNEN GESELLSCHAFTEN • • • • • • 3500 v. Chr.: erste Städte in Ägypten, Zwischenstromland Sehr klein: Babylon 15-20.000 Ew. Antike Städte von Stadtmauern umgeben Zentrale Gebäude meist für zeremonielle Anlässe Eliten lebten in den Stadtzentren, die weniger Privilegierten am Stadtrand Grosse Unterschiede zwischen Stadt und Land, wenig Kontakte und kaum Verkehr Catal Hüyük in Anatolien: Die vielleicht älteste Stadt der Welt Athen Rom, unter Kaiser Augustus mit ca. 300.000 Einwohnern vermutlich die größte Stadt (im Westen) INDUSTRIE UND URBANISMUS Im Vergleich zur Antike sind moderne Städte sehr groß Oft bilden Städte ein Cluster Megalopolis, z.B. die Region zw. Washington und Boston Urbanisierung überall im Zusammenhang mit Industrialisierung, als deren Folgen Menschen vom Land in die Städte ziehen • Migration war manchmal ein internationales Phänomen, z.B Einwanderer in die USA • • • • Megalopolis Die 22 größten urbanen Bereiche der Welt NIEDERGANG UND WANDEL DER STÄDTE • • • • • Suburbanisierung führt zum Verfall der Städte Stadtflucht Erneuerung der Städte Stadt Recycling – der Umbau alter Gebäude für neue Zwecke Gentrifikation: wohlhabende kehren in Städte zurück URBANISIERUNG IN DEN ENTWICKLUNGSLÄNDERN • 2030 werden vier Fünftel der weltweiten städtischen Bevölkerung in Entwicklungsländern leben • Oftmals riesige Agglomerationen – sog.‘megacities’ • Herausforderungen: Wachstumsgeschwindigkeit und fehlende Regulierung führen zu Umweltproblemen • Verschmutzung, Wohnungsmangel, fehlende Sanitäreinrichtungen und Wassermangel • Armut und Altersaufbau, Kinderarbeit, Bettler und Obdachlose GLOBAL CITIES - GLOBALE STÄDTE Saskia Sassen: vier Merkmale • • • • „Kommandostellen“ für die Weltwirtschaft Schlüsselpositionen für finanzielle und spezialisierte Dienstleistungsunternehmen Stätten der Produktion und Innovation für diese aufstrebenden Branchen Märkte, auf denen die „Produkte“ von Finanz- und Dienstleistungsindustrien gekauft, verkauft oder anderweitig verwendet werden 9.TEIL PRIVATHEIT UND ÖFFENTLICHKEIT ALS FORSCHUNGSPROBLEME DER STADTSOZIOLOGIE DIE POLARITÄT VON ÖFFENTLICHKEIT UND PRIVATHEIT IN DER EUROPÄISCHEN STADT Hans-Paul Barth (1961) „Die moderne Stadt“ • Öffentlichkeit und Privatheit sind Grundkategorien der modernen europäischen Stadt • Im Gegensatz zum Land ist die europäische Stadt von einer Polarisierung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit bestimmt Land • „geschlossenes System“= so gut wie alle Beziehungen sind durch persönliche Bindungen und Kontakte geprägt • Lückenloses Beziehungssytem: System der Einordnung jeder Person • Niemand ist völlig unbekannt: jeder kann eingeordnet werden • Lückenloses Beziehungssystem schiebt sich zwischen Subjekten • Es verhindert, dass sich Individuen als Individualitäten begegnen Stadt • Dort dominiert der „Markt“ • Individuen treten nur mit einem Ausschnitt ihrer Persönlichkeit in gegenseitigen Kontakt; nur in einer bestimmten, meist sachlich definierten Rolle • Am „Markt“ kenn man die „Käufer“ meist nicht persönlich • „offenes“ Sozialgefüge: unter Einhaltung bestimmter Regeln werden Kontakte frei gewählt • „unvollständige Integration“: meisten Ausschnitte der Persönlichkeit bleiben unberührt • Individualität wird erst möglich; Voraussetzung: Möglichkeit anonym zu bleiben In der Stadt entsteht die Vorraussetzung zur Öffentlichkeit Diese besitzt drei Aspekte: 1. Stilisierung: a) Kanon an Themen, auf die Fremde angesprochen werden dürfen b) Besondere Darstellung und Überbetonung bestimmter Signale (Gesten) 2. Repräsentation: Symbolische Kommunikation von Inhalten durch Kleidung etc. 3. Distanznormen: Regeln, die die Distanz zwischen Personen aufrecht halten Öffentlichkeit und Privatheit • Als Gegenpol zur Öffentlichkeit bildeten sich in den Städten der Wunsch nach Privatheit • Das heißt, bestimmte Facetten und Verhaltensweisen werden der Öffentlichkeit entzogen • Barth erklärt dies aus dem Bedürfnis nach einer Privatsphäre als Schonraum z.B.: Innerstädtische Häuserblocks: Innengarten und aussen repräsentative Fassaden und Räume HISTORISCHE GRÜNDE FÜR DIE ENTSTEHUNG VON PRIVATHEIT UND ÖFFENTLICHKEIT IN DER EUROPÄISCHEN STADT Haus und Markt in historischer Perspektive Haus • Die Hauswirtschaft (Oikos) war vereinte Wohn- und Arbeitsstätte • Sie war ein interner Wirtschaftszyklus, gebunden an Verwandtschaft und persönlicher Bindung z.B.: Bauernhof, Gutshof, Kloster • Begriff „Familie“ erst im 18. Jhd. im Deutschen: davor „Haus“ Markt • Haushalte werden durch unpersönliche Austauschbeziehungen miteinander verbunden • ist gekennzeichnet durch ökonomische Interessen und nicht durch politische Macht bestimmt • Um Märkte entstanden im Mittelalter viele Plätze Eigenschaften des Marktes und der Stadt • Arbeit und Freizeit werden räumlich und zeitlich voneinander getrennt • Die Freizeit entsteht als Kategorie: unproduktive Zeit • Raum-zeitliche Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit (18. & 19. Jhd.) • Eigene Bereiche und Zeiten für intime Beziehungen, Emotionen und die Kultivierung bestimmter individueller Eigenschaften • Bürgerliche Lebensweise • Jürgen Habermas (1962) „Strukturwandel und Öffentlichkeit“ - wichtige Theorie der Öffentlichkeit. • Herausbildung einer Schicht Kleinwaren produzierenden Bürgertums im 18. Jahrhundert. • Herauslösen der Marktwirtschaft aus dem Herrschaftsbereich von Staat und Kirche. • Die Öffentlichkeit entsteht als Ort des eigenständigen Diskurses über Vernunft und gesellschaftliche Angelegenheiten: Aufklärung • Die Öffentlichkeit als „herrschaftsfreier Raum“ • literarische Salons und Kaffeehäuser • Privatbereich stellt nochmalige Trennung zu Öffentlichkeit und Staat her: Intimsphäre. WANDEL UND VERFALL DER ÖFFENTLICHKEIT Verfall der bürgerlichen Öffentlichkeit Habermas: 1) durch das Verschwinden des liberalen, Kleinwaren produzierenden Bürgertums und der Entstehung von Großunternehmungen. 2) Durch den Wohlfahrtsstaat: Staat greift direkt in Privatsphäre in (umgeht die bürgerliche Öffentlichkeit): „Refeudalisierung“ und „Repolitisierung“ des Sozialsphäre. Öffentlichkeit nun durch Verbände und Konzern bestimmt. „Scheinprivatheit“ entsteht: Konsumgüter und Freizeitindustrie. Barth: Entprivatisierung der Privatsphäre Grund: Verstärkte Lohnarbeit in Großbetrieben und nicht mehr „freie“ Berufe Privatheit wird zur „Fluchtburg“, gekennzeichnet durch Konsum „Deurbanisierung“: Öffentlichkeit verschwindet. Großkonzerne haben Einfluss auf lokale Politik. Geheimhaltung von Immobilienprojekten und Stadtplanung. Entzentralisierung der Städte: z.B. Shopping Center 10. TEIL - SUBURBANISIERUNG • Verhältnis von Privatheit und Öffentlichkeit spiegelt auch bestimmte sozioökonomische und stadtentwicklungsmäßige Veränderungen wieder. • Bis Anfang des zwanzigsten Jahrhundert waren Städte relativ kleinräumig und durch große Bevölkerungsdichten gekennzeichnet. • Wege konnten zu Fuss erledigt werden. • Arbeiten und Wohnen waren entweder gemeinsam oder nicht weit von einander entfernt. Heute in Europa: • Baudichte oft geringer als vor dem Zweiten Weltkrieg. • Wohlstand, Anonymität und Privatheit: Emanzipationsprozess: Lebensstil und freiwillige Wohnplanung werden wichtiger. • Suburbanisierung:Verkehrsinfrastruktur und billige Immobilien (Immobilienmarkt) am Stadtrand • Kreditsystem Eigentum und Einfamilienhaus: als Lebensstil Kernfamile Urbane Mentalität im Wandel Suburbanismus und soziale Ungleichheit • • • • Landflucht Stadtflucht Zuwanderung und Suburbanismus Verteuerung von Eigentum in der Stadt (Gentrifizierung) und Suburbanismus Lebensstil und Wohnform Lebenstilgruppen, Wohnstatus und Wohnwunsch Suburbanisierung in der Dritten Welt und in Schwellenländern China, Indien, Brasilien, Südafrika etc.: • großer Platzverbrauch, schnelles Wachstum, • Individualverkehr, Immobilienpreise und Gated Communities Gemeindestudien (Community Studies) Zur Erforschung gesellschaftlicher Prozesse in einem engen geographischen Raum: Zweck:Vorgänge in Gemeinden sind ... 1) Fallbeispiele für die Totalität gesamtgesellschaftlicher Prozesse 2) Teilaspekte des sozialen Lebens, von Institutionen und Aspekten 3) zeigen die Besonderheiten einer bestimmten Stadt oder Gemeinde auf Gemeindestudien wurden in den 1920er und 19030er Jahren besonders in den USA entwickelt. Gemeinden (communities) gelten dort als Grundform der Gesellschaft. Bekannte Gemeindestudien Middletown-Studien (1924/1925 und 1935) - Lynd/Lynd • Beschreibung eines Familien- und Gemeindelebens einer kleinen amerikanischen Gemeinde von 1890 bis 1925 und von 1926 bis 1935. • Studie basiert auf 124 Interviews von Personen der Arbeiterschicht und 40 Angehörigen von Unternehmerfamilien, der Analyse von Dokumenten, Statistiken Unterlagen von Gerichten, Schulen, Zeitungen,Tagebücher und teilnehmenden Beobachtungen. • Ende der 1920er Jahre verarmte die Gemeinde im Zuge der Weltwirtschaftskrise. Daher wurde 1935 eine Folgestudie in der selben Gemeinde durchgeführt. Nun wurde gefragt, ob sich durch die Krise das alte Gemeindeleben und der Zusammenhalt halten konnte. Nun wurden auch die Machtbeziehungen der Gemeinde untersucht. Es kam heraus, dass einen Familie die Wirtschaft und das Gemeindeleben beherrscht (was in der ersten Studie nicht erwähnt wurde). • Der Befund der Studie war, dass die Unterschiede zwischen den Klassen im Gegensatz zur ersten Studie deutlich zugenommen hat. Während die erste Studie sich noch auf die Gemeinde begrenzte, machte die zweite Studie klar, dass Verflechtungen über die Gemeinde hinaus, auf nationaler und internationaler Ebene wichtig sind. Eine Gemeinde ist nicht länger ein abgeschlossener Mikrokosmos. Die Arbeitslosen von Marienthal (1931/1932) - Larzersfeld, Jahroda und Zeisel • Eine Studie über eine von Arbeitslosigkeit gekennzeichnete Gemeinde in Niederösterreich (Grammatneusiedl) Anfang der 1930er Jahre. • Die Studie zählt zu den Klassikern der empirischen Sozialforschung. Erstmals wurden mehrere Forschungsmethoden gleichzeitig angewendet(Triangulation), wie Fragebogenbefragung, Interviews, teilnehmende Beobachtung, Dokumentenanalyse, Feldexperimente, Messung von Gehgeschwindigkeit etc. • Die Studie zeigt, dass Massenarbeitslosigkeit nicht zu einer aufrührerischen oder revolutionären Stimmung führt, sondern zu Resignation und Verarmung sozialer Beziehungen. Etablierte und Außenseiter (1965) - Elias und Scotson • Studie über eine englische Industriegemeinde der Nachkriegszeit über das Verhältnis („Figuration“) zwischen Alteingesessenen und zugezogenen Außenseitern. • Beide Gruppen unterschieden sich bloß aufgrund des Zeitraums ihrer Anwesenheit in der Gemeinde und wiesen sonst keine sozialen und ethnischen Unterschiede auf. • Die Etablierten besaßen kaum Beziehungen zu den Neuen. Vielmehr setze ein Prozess der „Stigmatisierung 10“ gegenüber den Neuen ein. • Zwischen den beiden Gruppen besteht eine ungleiche Machtbalance. Die Alteingesessenen besitzen mehr Macht und bilden eine homogenere Gruppe, die besser untereinander vernetzt ist. • Die Neuen sind heterogener und kennen sich erst seit kurzem. • Die Alteingesessenen kennen sich schon seit langem und haben einen eingespielten Verhaltens- und Normkodex entwickelt, den die Neuen noch nicht kennen. • Die Neuen stören diese ortsüblichen Verhaltensmuster. Deshalb fühlen sich die alten Familien in ihrer Lebensweise bedroht. • Die Aussenseiter werden in eine Gegnerschaft hineingetrieben und verhielten sich anscheinend so, wie von ihnen erwartet. Sie waren unzuverlässig, unsauber und undiszipliniert. • Aussenseiter und Etablierte bilden einen Zusammenhang. Die Aussenseiter messen sich an den Etablierten. • Wenn die Aussenseiter mehr Macht bekommen, kommt es zu einer Gegenstigmatisierung. 11. TEIL - SEGREGATION DER SEGREGATIONBEGRIFF Bezeichnet den Vorgang der Entmischung von unterschiedlichen Elementen in einem Beobachtungsgebiet Zwei Bedeutungen von sozialer Segregation: • Funktionsraum: verschiedene (berufliche) Funktionen konzentrieren sich an verschiedenen Räumen. 10 wird in der Soziologie ein Prozess verstanden, durch den Individuen bestimmte andere Individuen in eine bestimmte Kategorie von Positionsinhabern einordnen Sozialraum: verschiedene Schichten und Gruppen der Stadtbevölkerung sind nicht gleichmäßig über die Wohngebiete der Stadt verteilt. Es entstehen wohlhabende Gebiete, Arbeiterviertel, Einwandererviertel, Studentenviertel etc. (= residuelle oder soziale Segregation.) Soziale Segregation ist a) ein Ausdruck sozialer Ungleichheit. b) gibt Distinktionsbedürfnisse11 wieder. • Soziale Segregation bildet sich daher durch ökonomische Ungleichheiten (Bodenpreise, Immobilienpreise) und • durch symbolische Abgrenzung aufgrund von Milieus als Träger bestimmter Lebensstile oder Subkulturen (Bourdieu: Sozialraummodel, Raum der Lebensstile, Raum der sozialen Positionen, Raum als semantischer Assoziationsraum: Situationsrendite, Okkupationsrendite, Positions- und Rangrendite). • Städte sind Räume in denen soziale und symbolische Konflikte (Selbstrepräsentation) ausgetragen werden, weil Klassen, Gruppen, Schichten, Lebensstile und ethnische Gemeinschaften auf engem Raum aufeinandertreffen. Als Ergebnis solcher Kämpfe entstehen exklusive Räume. • Je stärker die Streuung der Wohnorte von Angehörigen einer Gruppe von der statistischen Zufallsverteilung abweicht, desto höher ist das Maß der Segregation. • D.h. mit Segregation wird die Konzentration bestimmter sozialer Gruppen auf bestimmten Teilräumen einer Stadt oder eines Stadtteils gemessen. Segregations- oder Dissimilaritätsindex IS (Duncan&Duncan 1955) k = Teilgebiet einer Stadt Ni,Wi =Größe der Bevölkerungsgruppe im Teilgebiet i N,W = Gesamtgröße der Bevölkerungsgruppen Ni und Wi über die Teilgebiete i ...k N = ∑ Ni und W = ∑Wi IS = 1/2 ∑ | Ni/N - Wi/W| Wert zwischen 0 und 1 0 = zwei Gruppen leben gleichmäßig verteilt; 1 = zwei Gruppen leben völlig getrennt voneinander. Prozentwert der Minderheit, die umziehen müsste, damit eine für alle Teilgebiete der Stadt gleiche Verteilung der Minderheiten zustande kommt. Die Aussagekraft des Segregationsindex ist beschränkt, weil: 1) Kann Verteilung der Muster der Segregation nicht erfassen. 2) Lediglich Zustandsbeschreibung. Keine Info über Prozesse. 3) Kann nicht auf tatsächliche räumliche Distanz geschlossen werden. 11 Distinktion steht allgemein für Auszeichnung, Rang, hoher Rang oder Unterschied 4) Weicht Muster der Segregation in einer Stadt stark vom Muster der Teilgebiete, für die der Index berechnet wurde, wird durch ihn die Höhe der tatsächlichen Segregation unterschätzt. 5) Je größer Teilgebiete, desto inhomogener sind sie, desto kleiner Index. Man kann dabei schwer Städte vergleichen. Bloss Prozesse in einer Stadt bei mehrmaliger Messung. Entwicklung von sozialer Segregation seit WK II: • Nach dem Krieg: Neuaufbau - geringere Segregation • 1960 bis 1990: Schulausbau, Kindergärten • Sozialer Wohnbau (in Graz etwa bis etwa Mitte 1990er Jahre) • Seit 1990er Jahre: Zunahme der Segregation • Gentrifizierungsprozesse12 • Ethnische Segregation - Suburbanisierung Warum ist Segregation ein Problem? • Gefahr füröffentliche Sicherheit (Aufstände etc.) • Gefahr für öffentliche Gesundheit (z.B.: Lebenserwartung) • Unterschiedliche Lebenschancen aufgrund des Wohnstandorts - Subkulturen • Konsistenz ethnischer Gemeinschaften? • Widerspruch zum Ideal der Gleichheit SOZIALE SEGREGATION Ursachen: • Hinsichtlich der Angebotsseite des Wohnungsmarktes. • Hinsichtlich der Nachfrageseite des Wohnungsmarktes. • Einbettung individueller Entscheidungen in politische, ökonomische und soziale Zusammenhänge und Determinanten: 12 bezeichnet man den sozioökonomischen Strukturwandel bestimmter großstädtischer Viertel im Sinne einer Abwanderung ärmerer und eines Zuzugs wohlhabenderer Bevölkerungsgruppen. Parallel kommt es zu einem Anstieg des Wohnpreisniveaus. Angebotsseite: Wichtige Akteuere: Grundstückseigentümer, Investoren, Kreditinstitute, Stadtplaner,Wohnungspolitiker, Wohnungsbeauftragte,Vermieter, Makler • Moderne Stadtstruktur entstand ung. zwischen 1860 und 1910 • bis 1918 fast ausschließlich privater Wohnungsmarkt und Wohnbau • nach 1945: Stadtsanierung von Kriegsschäden Sozialer Wohnbau • 4 Formen von Differenzierung städtischer Räume: • politische • ökonomische • symbolische • Zusammensetzung der Bewohnerschaft Nachfrageseite: • Ressourcen: ökonomische, kognitive, soziale, politische, bisherige Position auf dem Wohnungsmarkt. • Präferenzen: • Umzugsmobilität Lebenszyklus Kinder Arbeit • Alter Wunsch nach sozialer Homogenität freiwillige/aktive - erzwungene/passive Segregation Der Milieueffekt: Das Quartier als Lernraum • Ein benachteiligtes Milieu wirkt sich durch Sozialisationseffekte und durch die Beschränkung sozialer Interaktionen aus. • Massgebliche Sozialisationsinstanzen sind: Eltern, Medien, Schule, Nachbarschaft und Peer-Groups. D.h., das Wohnquartier ist ein Lernraum. • Alltägliche Kontakte: Rollenvorbilder: Quartier schafft Subkulturen. Z.B. Kriminelle Aktivitäten (Lerntheorien). • Wohnquartiere prägen auch das Selbstbild. Marginalisierte Quartiere: • räumliche Konzentration: Deklassierung • materielle Benachteiligungen • symbolische Benachteiligungen (Stigmatisierung) • enge Netzwerke ETHNISCHE SEGREGATION Grund: • Diskriminierende Praktiken • Unterschiedliche Wohnpräferenzen (z.B. Gastarbeiterwohnungen). • Strukturelle Ursachen (Größe der Agglomeration, Schichtzugehörigkeit),oft erzwungene Segregation. Freiwillige Segregation • Zuwanderung von besser Ausgebildeten: Auswirkung auf den Wohnungsmarkt Ethnische Segregationsmuster: • Großstädte als primäres Zielgebiet der Zuwanderung • Konzentration auf wenige Stadtviertel Vier unterschiedliche Quartierstypen: • Innerstädtische, nichtmodernisierte Altbauten (oft Substandard) • Alte Arbeiterquartiere • Wohunungsstandorte an besonders umweltbelasteten Orten • Sozialwohnungen an ungünstigen Standorten Pro und Contra ethnische Segregation Contra: Kontakthypothese: Konzentration behindert Kontakte nach außen und daher Integration. Mehr Kontakte = mehr Toleranz Pro: Konflikthypothese: Räumliche Trennung ist eine Möglichkeit der Konfliktvermeidung. weiters: ökonomische und soziale Hilfen durch ethnische Gemeinschaftsbildung. Typen von ethnisch segregierten Gebieten Integration und kulturelles Leitbild 12. TEIL - SCHICHTUNG UND KLASSENSTRUKTUR Grundbegriff: Soziale Schichtung, Klasse, Schicht, Stand (Status), Klassenstruktur, soziale Mobilität Wichtige Begriffe: Sklaverei, Kaste, Stand, Oberschicht, Mittelschicht, Arbeiterklasse, Bauern, Produktionsmittel, Kapitalisten, Mehrwert, Übergangsklassen, Prestige, Parias, widersprüchliche Klassenlagen, soziale Schließung, Vermögen, Einkommen, Unterklasse, vertikale Mobilität, horizontale Mobilität, Intragenarationsmobilität, Intergenerationsmobilität, Abwärtsmobilität, absolute Armut, relative Armut, Wohlfahrtsabhängigkeit Was ist soziale Ungleichheit? Unter sozialer Ungleichheit versteht man, dass materielle Ressourcen, Prestige, Macht und Chancen innerhalb einer Gesellschaft ungleich verteilt sind. Reproduktion von sozialer Ungleichheit Soziale Ungleichheit stabilisiert sich erst in großen Gesellschaften. Es entsteht in solchen großen Verbänden eine soziale Schichtung. Das bedeutet, dass materiellen Ressourcen, Prestige, Macht und Chancen strukturiert ungleich verteilt werden. Soziale Ungleichheit wird daher zu einem Teil der sozialen Struktur. Das bedeutet, dass soziale Ungleichheit auch von einer Generation zur nächsten weitergeben wird. Vor- und Nachteile werden also „sozial vererbt“. Man spricht daher von der Reproduktion sozialer Ungleichheit. Diese Reproduktion erfolgt durch Institutionen wie Gesetze, Traditionen, Bildungssystem und Handels- bzw. Produktionsbedingungen. Systeme sozialer Schichtung Alle geschichteten Systeme haben drei Merkmale gemeinsam: 1. Die Rangordnung beruht auf sozialen Merkmalen, die Personen gemeinsam aufweisen, ohne dass diese notwendigerweise miteinander verknüpft sind oder einander gegenseitig beeinflussen. (Kategorien bleiben bestehen, auch wenn Individuen in einen anderen Rang wechseln). 2. Die Lebenserfahrungen und Lebenschancen von Menschen hängen stark davon ab, welchen Rang die Kategorie hat, die sie zugeordnet sind. 3. Die Rangplätze verschiedener sozialer Kategorien ändert sich im Verlauf der Zeit nur wenig. Historisch lassen sich vier grundlegende Systeme sozialer Schichtung unterscheiden: • Sklaverei • Kastenwesen (jedem ist sozialer Status lebenslang fix; Reinheit der Kaste durch Endogamie) • Stände (auf Abstammung beruhende traditionelle Aristokratie; Adel, Klerus, Gemeinen: Leibeigene, freie Bauern, Kaufleute, Handwerker; durch Heirat soziale Mobilität zu einem gewissen Grad möglich) • Klassen (sind fließend, Klassenlage ist in gewissen Umfang erworben, sind wirtschaftlich bestimmt, sind unpersönlich) Was sind die Gründe von sozialer Schichtung? Generell lassen sich am besten zwei Ursachentheorien unterscheiden: • Kriegerische Theorien • Friedliche Theorien 1. Überlagerungsmodell Das Überlagerungsmodell ist ein klassischer Fall einer kriegerischen Theorie. Der Ursprung von sozialer Schichtung wird dadurch gesehen, dass eine Menschengruppe von einer anderen unterworfen wird und dass sich die Eroberer als Aristokratie etablieren. Friedliche Schichtungsmodelle Als im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert die Industrialisierung in Europa einsetzte, wurde eine soziale Schichtung aufgrund ökonomischer Ungleichheit augenscheinlich. 2. Produktionsmodell (Physiokraten, klass. Nationalökonomie, Marx) • Stellung im Produktionsprozess Soziale Klassen:z.B.: Kapitalist & Arbeiter Nach Marx ist das Verhältnis der Klassen immer von Ausbeutung geprägt. Die Arbeiter arbeiten mehr, als sie bezahlt bekommen. Dieser Mehrwert macht den Profit aus. Vor dem Kapitalismus bestanden nach Marx Ausbeutungsverhältnisse zwischen Freien und Sklaven, bzw. zwischen Feudalherrn und Leibeigenen. 3. Funktionales Modell (Weber, Parsons) Multidimensionales Modell Soziale Schichtung: z.B.: Unter-, Mittel-, Oberschicht Achtung: Schicht und Klasse beschreiben im deutschen Sprachraum also Unterschiedliches! In bisherigen Schichtungsmodelle berücksichtigten vor allem das Phänomen der vertikalen Schichtung (oben-unten). Die modernen europäischen Gesellschaften mit einer breiten Mittelschicht differenzieren sich aber auch horizontal (Schelsky: nivellierte Mittelstandsgesellschaft). Pierre Bourdieu hat ein Modell entwickelt, dass es erlaubt Menschen auch horizontal zu klassifizieren. Schichtungsmodell nach Pierre Bourdieu: Ende der Klasse? Ulrich Beck spricht vom „Fahrstuhleffekt“. Alle sozialen Klassen und Schichten haben eine Verbesserung ihrer materiellen Lebensumstände erlebt. Dadurch habe ein Individualisierungsschub eingesetzt. Es entstehen unterschiedliche aber stabile Lebensstile. GLOSAR Realeinkommen: Einkommen in Beziehung zur Kaufkraft. Das Realeinkommen berechnet sich aus dem Nominaleinkommen (ausgedrückt in Geldeinheiten) dividiert durch einen Preisindex (meist: Preisindex der Lebenserhaltung). Lorenzkurve: Beschreibt die Einkommensverteilung in einer Gesellschaft. Auf einer Achse sind Einkommensbezieher auf der anderen die gesamten Einkommen in Prozent aufgetragen. Gini-Koeffizient: Ein Maß für die Einkommensungleichheit. Bei Vollkommener Gleichverteilung ist der Gini-Koeffizient null, wenn eine Person alles bekommt 1. Vermögen: Summe aller in Geld bewerteten Wirtschaftsgüter einer Person oder eines sonstigen Wirtschaftssubjekts (Firmen, Genossenschaften etc.). -ENDE-