Die Arktis ist bedroht durch Ölbohrungen, industrielle Fischerei und politische Konflikte. Greenpeace fordert ein internationales Schutzgebiet rund um den Nordpol. www.SchuetztDieArktis.at www.greenpeace.at Arktis in Gefahr Der „Kühlschrank der Erde“ schmilzt Eines der letzten nahezu intakten großen Ökosysteme dieser Erde ist in Gefahr: die Arktis. Der Klimawandel und mit ihm die Erderwärmung bringen das Eis am Nordpol so rasant zum Schmelzen wie nirgendwo anders auf dieser Welt. Das zurückgehende Eis weckt Begehrlichkeiten: Bisher unangetastete Fischvorkommen locken industrialisierte Fangflotten, die mit dem zurückweichenden Packeis immer höher Richtung Nordpol vordringen. Im Arktischen Ozean werden große Öl- und Gasvorkommen vermutet. Doch jedes weitere Verfeuern fossiler Brennstoffe heizt die Erderwärmung noch weiter an – ein Teufelskreis. Eisbären, Robben und Narwale drohen ihren Lebensraum zu verlieren. Düstere Aussichten nicht nur für das eisige Naturparadies und seine Bewohner. Die Arktis ist ein Ökosystem, das so nur einmal auf unserer Erde existiert - zum Wohl der ganzen Menschheit müssen wir sie schützen! Einzigartiger Lebensraum im Eis Die Arktis besteht zum Großteil aus einem riesigen mit Eis bedeckten Ozean, dem 15 Millionen Quadratkilometer großen Nordpolarmeer. In dessen Mitte – am geografischen Nordpol - ist er 4261 Meter tief und ganzjährig zugefroren. Nach Süden hin begrenzen fünf Anrainerstaaten den Arktischen Ozean: Russland, die USA (Alaska), Kanada, Dänemark (Grönland) und Norwegen (Lappland und Spitzbergen). Die Arktis ist seit Jahrtausenden die Heimat von vier Millionen Menschen, darunter die Polarvölker der Inuit, Nenzen, Jakuten, Ewenken und Samen. Seit 800.000 Jahren ist die Arktis von Eis bedeckt. Es ist das Zuhause einer einzigartigen Pflanzen- und Tierwelt, die sich an die extreme Kälte perfekt angepasst hat. Zu den berühmtesten „frostfesten“ Tieren am Nordpol gehören Eisbär, Walross, Pelzrobbe und Polarfuchs. Siebzehn Walarten bevölkern das Meer: Vom seltenen Narwal dem „Einhorn der Meere“ - über den weißen Beluga-Wal bis hin zu Grönlandwal, Orca und Finnwal. Nirgendwo sonst kommen zudem so viele Zugvogelarten von überall auf der Welt zum Brüten zusammen. Das Nordpolarmeer bietet ihnen allen reichlich Nahrung. Die Arktis ist eines der letzten intakten großen Ökosysteme – letzte noch unberührte Wildnis dieser Welt. Walross, Polarfuchs und Papageientaucher sie gehören zu den bekanntesten Tierarten der Arktis. 2 Das Meereis zieht sich zurück Die Polkappen sind elementare Dirigenten der Naturprozesse auf unserem Planeten. Vor allem sorgen sie als „Kühlschrank der Erde“ dafür, dass die Erde sich nicht noch mehr aufheizt. Das Eis am Nordpol reflektiert den Großteil der Energie der Sonnenstrahlen zurück ins All. Damit sorgt das Polareis für stabile Wettersysteme, von denen weltweit die Ernten abhängig sind. Verändert sich die Ausdehnung der Eisdecke an den Polen, verändert sich auch unsere Welt. Denn im Gegensatz zum Eis absorbiert die dunkle Oberfläche des Meerwassers das Sonnenlicht und heizt die Erde weiter auf. Aber wir lassen die Kühlschranktür weit offen stehen: Die Verbrennung von fossilen Brennstoffen wie Öl, Gas und Kohle und die Freisetzung von Kohlendioxid als Treibhausgas ist eine der Hauptursachen des Klimawandels. Das ewige Eis schmilzt, weil wir mit fossilen Brennstoffen Energie erzeugen. Und die Arktis ist von der Erderwärmung stärker betroffen als jede andere Erdregion: Die Durchschnitts- temperatur stieg in den vergangenen 100 Jahren fast doppelt so schnell wie im Rest der Welt. Der Nordpol bald eisfrei? Noch vor wenigen Jahren schien das unvorstellbar. Doch in den letzten 30 Jahren verschwanden 75% der arktischen Eisdecke. Nur im hohen Norden ist die Arktis ganzjährig zugefroren. Gegen Süden schmilzt ein Teil der Eisfläche im kurzen arktischen Sommer weg. In den vergangenen Jahrzehnten ist diese eisfreie Fläche stetig größer geworden, die Eiskante verschiebt sich nach Norden. Klimaforscher fürchten, dass ein kritischer Kipp-Punkt bereits überschritten ist: Bereits 2020 könnte der arktische Ozean im Sommer das erste Mal seit Menschengedenken eisfrei sein. Nicht nur das Meereis, auch Grönlands Festlandsgletscher schmelzen. Das abfließende Wasser erwärmt sich und beschleunigt wiederum die Eisschmelze von unten. Und noch ein Problem entsteht: Die größere Wassermenge verursacht weltweit ein Ansteigen des Meeresspiegels – bis zu den weit entfernten Inselstaaten im Pazifik hat dies verheerende Auswirkungen, denn schon jetzt versinken ihre Inseln langsam im Meer. Der Klimawandel entfaltet seine eigene Dynamik. Wettrennen der Industrie um Öl und Fisch Die Fischerei-Industrie rückt vor Öl unter dem Eis Das zurückweichende Meereis lässt auch die Herzen der FischereiIndustrie höher schlagen: Neue, unangetastete Fischgründe tun sich auf. Je weiter das ewige Eis zurückweicht, desto weiter dringen die Fischereiflotten nach Norden vor und plündern mit ihren zerstörerischen Grundschleppnetzen jene Gebiete, die bisher auch im Sommer durch das Eis geschützt waren. Die Ureinwohner der Arktis betreiben seit Jahrtausenden nachhaltigen Fischfang. Auch ihre Lebensgrundlage wäre bedroht, wenn wir zulassen, dass Industrieflotten in arktischen Gewässern Raubbau betreiben. Ein Wettrennen der großen Ölkonzerne Shell, Gazprom, BP und Exxon um das Öl der Arktis hat begonnen – sie alle wollen aus dem Verschwinden der Eismassen für sich Profit schlagen. Denn unter dem arktischen Eis werden rund 90 Milliarden Barrel Öl (1 Barrel = 159 Liter) vermutet. Doch diese Menge entspricht gerade einmal einem Drittel der Ölreserven Saudi-Arabiens und reicht nur aus, um unseren derzeitigen weltweiten Ölbedarf drei Jahre lang zu decken. Es gibt kein internationales Abkommen, das das Fischen in den neuerdings eisfreien Bereichen regelt oder gar verbietet. Abkommen zwischen Kanada und den USA bzw. Russland sparen riesige Gebiete z.B. die Beaufort-See oder die Chukchi-See aus. Der weitaus größte Teil am Nordpol sind internationale Gewässer. Zwar ruft das internationale Seerecht für eisbedeckte Hochsee-Gebiete sehr wohl zur internationalen Kooperation zum Schutz der Meeresumwelt auf, allerdings sieht auch das Seerecht keine Regelung für die Fischerei vor. Doch ohne Regeln und Kontrolle droht der Arktis in wenigen Jahren ein ähnlich dramatischer Raubbau wie dem Rest der Ozeane. Um die Ausbeutung zu stoppen, ruft Greenpeace zu einem FischereiMoratorium auf: Es kann der Ausbeutung in Wild-West-Manier einen Riegel vorschieben, indem der Bereich, der jetzt unter dem ewigen Eis verborgen ist, für die Fischerei gesperrt wird. Dabei setzen Shell & Co. Menschen, Tiere und Natur einem unkalkulierbaren Risiko aus, denn jeder Ölunfall in der Arktis wäre eine unermessliche Katastrophe: Regierungsdokumente belegen, dass die Beseitigung von ausgelaufenem Öl aufgrund der extremen Kälte „nahezu unmöglich“ wäre. Damit die Ölfirmen in der Arktis bohren können, müssen sie Eisberge von den Plattformen fernhalten und Treibeis mit gewaltigen Wasserkanonen zum Schmelzen bringen. Ein katastrophaler Ölunfall scheint angesichts dieser Risiken nur eine Frage der Zeit. Laut Ölbekämpfungs-ExpertInnen ist derzeit keine Methode bekannt, um die arktische Umwelt nach einem Ölaustritt zu regenerieren. Eine Ölpest würde das einzigartige Ökosystem und das Leben der Menschen dort völlig zerstören. Shell beginnt in diesem Sommer vor Alaska nach Öl zu bohren - ein gefährlicher Schritt zur Industrialisierung des einmaligen Naturraums. Eisbären auf dünnem Eis Aufrüstung und Gebietsansprüche am Nordpol Die fünf arktischen Anrainerstaaten Russland, Kanada, USA, Dänemark und Norwegen wollen das Öl unter dem Meereis für sich sichern und Teile der Arktis als Hoheitsgebiete annektieren – auch um den Nordpol wird gefeilscht. Vor wenigen Jahren machte Russland deutlich, worum es geht: Vom U-Boot aus wurde unter dem Nordpol die russische Fahne am Meeresboden deponiert. Die Gefahr von militärischen Konflikten um Gebietsansprüche in der Arktis ist real: Auf Wikileaks veröffentlichte Dokumente belegen, dass die USA “zunehmende militärische Gefahren in der Arktis” erwartet und Russland auf eine “bewaffnete Intervention” gefasst ist. Anrainerstaaten kaufen bereits U-Boote, Kampfflugzeuge und Atom-Eisbrecher. Russland und Norwegen haben sogar die Schaffung “arktischer Kampftruppen” angekündigt, um ihre nationalen Interessen durchzusetzen. Eine tragende Eisdecke über dem Meer ist das Fundament des Ökosystems Arktis. Schrumpft und schwindet das Packeis, hat dies dramatische Folgen für alle Polarbewohner, besonders aber für Robben und Eisbären. Robben ziehen auf dem Eis ihre Jungen auf. Die neugeborenen Robben können in den ersten Lebenswochen nicht schwimmen, sie brauchen festes Eis und schützende Schneehöhlen darin - ohne Eis sind die Tiere nicht überlebensfähig. Das Gleiche gilt für den „König der Arktis“ – den Eisbären. Rund um den Nordpol steht er an der Spitze der Nahrungskette. Aber auch Eisbären benötigen festes Eis und Eisschollen, um auf die Jagd nach Robben zu gehen. Zwar sind die weißen Bären hervorragende Schwimmer, doch die langen Distanzen, die sie mittlerweile im Wasser zurücklegen müssen, sind auch für diese mächtigen Tiere zu viel - sie ertrinken oder verhungern. Der Eisbär ist wie kein anderes Tier das Symbol der Arktis. Der Klimawandel und der rasante Rückgang des Packeises bedrohen die weißen Bären in ihrer Existenz. Der Eisbär ist dadurch ganz besonders zum Symbol des Klimawandels geworden. 3 Schützt die Arktis! Greenpeace-Kampagnen für die Arktis Bereits seit 1977 arbeitet Greenpeace zum Schutz der Arktis. Obwohl auch illegaler Walfang, das grausame Schlachten von Robbenbabies oder russische Atomtests Themen der Greenpeace-Arbeit waren, stand von Anfang an insbesondere die Ölförderung in Alaska durch den Ölkonzern British Petroleum (BP) in der Kritik der Umweltschützer. 2006 erreichten zwei Aktivisten zu Fuß den Nordpol, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Zuletzt starteten drei mehrmonatige Schiffs-Expeditionen, um zusammen mit Inuit-Gemeinden entlang der Beringstraße die Auswirkungen der industriellen Fischerei zu dokumentieren und mit Klima- und Meeresforschern an Bord die Folgen des Klimawandels zu untersuchen. Nun geht es aufs Ganze: Seit 2011 konfrontiert Greenpeace vor allem die Ölgiganten Shell und Gazprom, die mit ihren jüngsten Ölbohrungen die Arktis in Gefahr bringen. Im Sommer 2012 will der Shell-Konzern vor Alaska mit der Offshore-Bohrung beginnen. Greenpeace fordert: • Ein internationales Schutzgebiet rund um den Nordpol • Ein sofortiges Verbot von Öl- und Gasförderung in der Arktis • Der Ölkonzern Shell muss sämtliche Pläne für Ölbohrungen in den arktischen Meeren sofort aufgeben • Keine industrielle Fischerei in jenen historisch nicht befischten Gebieten des Arktischen Ozeans, die bisher ganzjährig von Eis bedeckt waren Schutzgebiet Arktis - jetzt handeln! Wir alle sind auf eine intakte Arktis angewiesen. Die Menschheit braucht die Arktis - und die Arktis braucht dringend Menschen, die sie schützen! Greenpeace hat daher in diesem Sommer die „Schützt die Arktis“-Kampagne ins Leben gerufen: Das Gebiet um den Nordpol muss zum internationalen Schutzgebiet erklärt werden. Verhindern wir das Wettrennen um die Ölvorräte der Arktis, schaffen wir die Voraussetzungen für einen radikalen Wandel in unserem Umgang mit Energie. Und für unsere Kinder eine Welt, die durch erneuerbare Energien versorgt wird. Jede Stimme, die gemeinsam mit Greenpeace zum Schutz dieses fragilen Lebensraums aufruft, zählt! Mitmachen und informieren: www.SchuetztdieArktis.at Vorbild: Weltpark Antarktis Genau vor 30 Jahren rief Greenpeace in einer weltweiten Kampagne zum Schutz der Antarktis auf: Am Südpol wollten Staaten und Konzerne Bodenschätze abbauen, neue Ölvorkommen sollten erschlossen werden. Niemand glaubte damals, dass es möglich wäre einen ganzen Kontinent unter Schutz zu stellen. Doch die globale Kampagne war erfolgreich: 1991 unterzeichnen 42 Staaten ein Umwelt-Zusatzabkommen zum Antarktis-Vertrag, in dem der Kontinent Antarktis zu einem “dem Frieden und der Wissenschaft gewidmeten Natur-Reservat” erklärt wurde. 1998 trat das Abkommen in Kraft, das 50 Jahre lang im „Weltpark Antarktis“ jeglichen Rohstoffabbau verbietet. Greenpeace ist eine unabhängige, global agierende UmweltschutzOrganisation, die mit gewaltfreien, kreativen Kampagnen globale Umweltprobleme aufzeigt und Lösungen vorantreibt, die für eine ökologische und friedliche Zukunft unabdingbar sind. Greenpeace in Zentral- und Osteuropa Fernkorngasse 10 1100 Wien, Österreich Tel: +43 1 5454580-0 [email protected] Juli 2012 www.greenpeace.at Titelfoto: © Jiri Rezac/Geenpeace Restliche Fotos: © Nick Cobbing/Greenpeace Grafik & Text: Antje Helms 4