DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Wachstumshormon-Mangel Die Diagnose muß der komplexen Pathogenese Rechnung tragen Michael B. Ranke und Jürgen R. Bierich D as menschliche Wachstumshormon (WH) (Synonyme: Somatotropes Hormon = STH; human growth hormone = hGH) ist ein Peptidhormon aus 191 Aminosäuren, welches in der Hypophyse gebildet wird. Mangel an Wachstumshormon führt in der Kindheit zu Minderwuchs. Eine vermehrte Sekretion führt bei Kindern zum Gigantismus, nach Abschluß des Wachstums zur Akromegalie. Die Ursachen des Wachstumshormonmangels sind vielfältig (Tabelle 1). Das klinische Bild des Wachstumshormonmangels ist charakteristisch. Die Patienten zeigen einen proportionierten Minderwuchs (Abbildung 1) mit relativer Adipositas, geringer Muskelentwicklung, dünner Haut, feinen Haaren, kleinen Händen und Füßen (Akromikrie) sowie einem im Verhältnis zum Hirnschädel kleinen Gesichtsschädel mit auffällig kleinem Kinn, was einen puppenhaften Ausdruck entstehen läßt. Noch typischer als die Verminderung der Körpergröße gegenüber der Altersnorm ist die verminderte Wachstumsgeschwindigkeit. Die Knochenreifung ist retardiert. Die Diagnose muß dann vermutet werden, wenn andere offenkundige Ursachen für eine Wachstumsstörung fehlen, wie zum Beispiel angeborene Skelettdysplasien, Fehlbildungssyndrome , Stoffwechselstörungen und Neben den „klassischen" Testverfahren zur Feststellung des Wachstumshormonmangels gibt es inzwischen eine Reihe neuer diagnostischer Methoden, die es erlauben, die pathogenetische Vielfalt des Krankheitsbildes weiter aufzudecken. Weil sich dadurch ein Wandel unseres Verständnisses abzeichnet, der möglicherweise zu einer Indikationserweiterung für Wachstumshormon führen wird, müssen Wege zur klaren Orientierung und rationellen Diagnostik des Wachstumshormonmangels aufgezeigt werden. eine Verdauungsinsuffizienz. Die Diagnose sollte so frühzeitig wie möglich gestellt werden, da durch frühe Substitutionsbehandlung mit menschlichem Wachstumshormon (früher als Leichenhypophysen, heute biosynthetisch gewonnen) eine normale Erwachsenengröße erzielt werden kann; ebenso wichtig ist jedoch gegebenenfalls der Ausschluß eines WachstumshormonAbteilung Allgemeine Kinderheilkunde mit Poliklinik (Direktor: Professor Dr. med. Jürgen R. Bierich), Eberhard-Karls-Universität Tübingen A-2852 (36) Dt. Ärztebl. 84, Heft 43, 22. Oktober 1987 mangels, damit ungeeigneten Patienten die Unannehmlichkeiten einer langfristigen Therapie und auch die durch die Behandlung entstehenden hohen Kosten vermieden werden. Ätiologie Die verschiedenen Ursachen des Wachstumshormonmangels gehen aus Tabelle 1 hervor. Die Störung kann primär im Hypothalamus oder aber in der Hypophyse lokalisiert sein. Entsprechend den Untersuchungsergebnissen mit heute verfügbaren verfeinerten diagnostischen Methoden sind die hypothalamischen Formen häufiger als die hypophysären. Es ist daher im Prinzip falsch, all diese Störungen unter dem Oberbegriff „hypophysärer Minderwuchs" zu subsummieren. Eher trifft die Bezeichnung „hypothalamo-hypophysärer Minderwuchs" zu. Zu den in der Tabelle aufgelisteten Störungen treten verschiedene weitere Syndrome mit sehr ähnlichem klinischen Bild hinzu, die man als pseudohypophysäre Minderwuchsformen bezeichnen kann: der Laronsche Zwergwuchs, bei dem die Rezeptoren der somatomedinbildenden Hepatozyten für das Wachstumshormon vermindert sind, der Zwergwuchs der Pygmäen, bei dem ebenfalls ein Mangel an Somatomedin C/IGF I besteht, und der von Bierich et al. beschriebene Minderwuchs, bei dem eine Störung der Somatomedinrezeptoren vorliegt. Im weiteren Sinne gehört zum Syndrom des Wachstumshormonmangels aber auch die konstitutionelle Entwicklungsverzögerung, bei der kein organischer, sondern doch ein funktioneller Wachstumshormonmangel besteht. Die Provokationstests für Wachstumshormon fallen in der Regel normal aus, die spontane Sekretion von Wachstumshormon ist dagegen drastisch erniedrigt. Diese Patienten bieten nicht den klassischen Aspekt von Kindern mit hypothalamo-hypophysärem Minderwuchs. Regulation der WachtumshormonSekretion Wachstumshormon wird aus der Hypophyse episodisch sezerniert. Die direkte Kontrolle erfolgt durch zwei hypothalamische Hormone: GRF (growth hormone releasing factor) stimuliert die Sekretion, Somatostatin (SS) (Synonym: SRIF = somatotropin release inhibiting factor) hemmt die Sekretion. Übergeordnet wird die Sekretion durch kortikale Einflüsse moduliert, die über Neurotransmittersysteme auf hypothalamischer und hypophysärer Ebene wirken. Wachstumshormon übt seinen Einfluß auf wachsende Gewebe nicht direkt, sondern vermittels der Somatomedine — dem Proinsulin ähnliche Peptidhormone — aus. Zur Zeit ist nicht völlig geklärt, ob die das Körperwachstum regelnden Somatomedine nur in einem Organ (zum Beispiel Leber) gebildet und von dort über die Blutbahn an den Ort der Wirkung gelangen — im Sinne eines klassischen endokrinen Wirkmechanismus —, oder ob sie auch am Ort der Wirkung selbst gebildet werden — im Sinne eines sogenannten parakrinen Wirkmechanismus. Die Homöostase dieses Systems wird über Rückkopplungsmechanismen auf verschiedenen Ebenen reguliert (Abbildung 3). Aus diesen Regulationsmechanismen läßt sich erkennen, daß das klinische Bild des hypophysären Minderwuchses durch Störungen auf unterschiedlichen Ebenen bedingt sein kann, durch Abweichungen der zentralen Regulation, durch Fehlfunktionen in Neurotransmittersystemen sowie durch Störungen im Bereich des Hypothalamus und der Hypophyse. Diese Störungen können anatomische oder funktionelle Ursachen haben, welche entweder auf genetischer oder erworbener Grundlage entstehen. Störungen auf der Ebene der Somatomedinbildung und der Interaktion von Somatomedin mit Zielgeweben gleichen klinisch Zuständen eines funktionellen Wachstumshormonmangels und führen zur Phänokopie des hypothalamo-hypophysären Minderwuchs. Es ist offenkundig, daß die Diagnostik bei klinischen Erscheinungsbildern, die dem des Wachstumshormonmangels entsprechen, der heute bekannten sehr komplexen Pathogenese Rechnung tragen muß. -eslwil■1111.11, Tabelle 1: Ursachen des Wachstumshormonmangels Angeborene Formen: 1. erblich, bedingt durch Gen-Deletion 2. durch Fehlbildung: - Hypophysenagenesie, Hypophysenhypoplasie —sogenannte MittellinienSyndrome des Gehirns —im Rahmen von Fehlbildungssyndromen Erworbene Formen: 1. Tumoren von Hypothalamus oder Hypophyse 2. posttraumatisch 3. postinfektiös 4. nach ZNS-Bestrahlung 5. transitorisch: zum Beispiel psychosoziale Deprivation idiopatisch: ohne erkennbare Ursachen Größenmessungen und Bestimmung der Wachstumsgeschwindigkeit Bevor der Beweis oder Ausschluß des Wachstumshormonmangels durch entsprechende Hormonbestimmungen vorgenommen wird, muß der Verdacht durch den präzisen Nachweis des gestörten Wachstums untermauert werden. Dies setzt exakte Messungen der Körpergröße mit geeigneten Meßgeräten voraus. Bei angeborenem Wachstumshormonmangel besteht die Wachstumsstörung unter Umständen schon pränatal. Da die Kinder aber meistens anfangs nahezu normal groß sind, verstreicht eine gewisse Zeit, bis die Körpergröße deutlich unter den Altersnormbereich abfällt. Zwar zeigt die verminderte Körpergröße in der Regel die Wachstumsstörung an und wird allgemein als diagnostisches Kriterium herangezogen, doch ist sie kein optimales Symptom. Für den Wachstumshormonmangel ist vor allem typisch, daß die Wachstumsgeschwindigkeit gegenüber der Norm vermindert ist, wodurch die Körpergröße mit zunehmendem Alter gegenüber der Norm geringer wird. Die Bestimmung der Wachstumsgeschwindigkeit — in cm/ Jahr — setzt Größenmessungen zu zwei Zeitpunkten voraus, die, um präzise zu sein, nicht weniger als sechs Monate auseinanderliegen sollten. Als verdächtig müssen Wachstumsgeschwindigkeiten unterhalb der 25. Perzentile der Altersnorm angesehen werden. Bei Wachstumshormonmangel ist auch die Knochenreifung (sogenanntes Knochenalter, bestimmt mittels Röntgenaufnahme der linken Hand) gegenüber dem Lebensalter retardiert. Die Abweichung der Wachstumsgeschwindigkeit wird deutlicher erkennbar, wenn sie unter Verwendung des Knochenalters mit der Norm verglichen wird. Der Gebrauch von Normwerttabellen und -kurven ist Voraussetzung für eine sachgerechte Beurteilung des Wachstumsverhaltens auch in der Praxis. Dt. Ärztebl. 84, Heft 43, 22. Oktober 1987 (39) A-2855 [cm] Körpergröße — Knaben 190 Wachstumshormonmangel 180 170 10•111311 160 0 150 0 140 130 • •0 120 •.• '''e • 0 o 0800 ••• 110 oji 4,1^ 100 90 80 70 (1) 0 00 • 0 •o 0 00 0 • ._.••... gc •• ♦. •• •• ♦• •0 • 0 . O • 60 = 97 50 Alter (Jahre) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 1718 Abbildung 2 (oben): Körpergröße von 97 Knaben mit WHMangel bei Stellung der Diagnose aus zwei Zentren in Vergleich zum Normbereich Abbildung 1 (links): Achtjähriger Knabe mit Wachs hoimonmangel (rechts) im Vergleich zu einem normal wickelten Jungen Spezifische diagnostische Verfahren Ein absoluter Mangel an Wachstumshormon liegt nur in denjenigen seltenen Fällen vor, bei denen auf der Basis genetischer Defekte kein Wachstumshormon gebildet werden kann In allen anderen Fällen wird Wachstumshormon in zwar unzureichenden, doch individuell erheblich variierenden Mengen hervorgebracht. Da die WachstumshormonKonzentrationen im Blut erheblich schwanken, wird ein Hormonmangel als dann bestehend definiert, wenn die Konzentrationen im Serum/Plasma unter bestimmten vorgegebenen Bedingungen, meistens Stimulationen, gewisse Grenzwerte nicht überschreiten. Diese Werte werden von den verschiedenen kinderendokrinologischen Zentren der Welt nicht ganz einheitlich definiert. Im konventionellen Verständnis wird aber heute von der Mehrheit der Autoren von einem „totalen" Wachstumshormonmangel gesprochen, wenn der Grenzwert von 5 ng/ ml (entsprechend ca. 10 i.J. E./ml) zu keiner Zeit überschritten wird. Von einem „partiellen" Wachstumshormonmangel wird gesprochen, wenn der Grenzwert von 10 ng/ml nicht überschritten wird. Für die verschiedenen Formen des funktionellen Wachstumshormonmangels gelten diese Definitionen aller- A 2858 (42) Dt. Ärztebl. 84, Heft 43, 22. Oktober 1987 - dings nicht; hier liefern die Provokationstests oft normale Werte, und nur die spontane Sekretion des Hormons ist vermindert. Meßbedingungen 1. Zufällige Einzelmessungen Einzelne WachstumshormonMessungen in zufällig gewonnenen Blutproben sind für die Diagnostik ungeeignet, weil das Wachstumshormon in pulsatilen Stößen sezerniert wird und niedrige Spiegel einschließlich 0-Werten physiologisch sind. Ein niedriger Wert bleibt daher diagnostisch ohne Aussage. 2. Serielle Messungen: Zur Erfassung der spontanen Sekretion wird das Wachstumshormon in Blutproben bestimmt, die in kurzen Abständen — zwischen 15 und 30 Minuten — über 24 Stunden oder auch in kürzeren Zeiträumen im Verlauf des Tages gewonnen werden. Besonders geeignet sind Zeiten während des nächtlichen Tiefschlafes, da Wachstumshormon gesetzmäßig während bestimmter Schlafphasen ( „slow wave"-Muster im EEG) sezerniert wird. Für die Bewertung des Sekretionsverhaltens kommen mehrere Parameter in Betracht: die Zahl der Sekretionsepisoden, die maximal erreichte Wachstumshormon-Konzentration und die integrierte Gesamtsekretion des Wachstumshormons. Im Grunde kann nur dieses, unter physiologischen Bedingungen geprüfte Sekretionsverhalten als auxologisch relevantes Kriterium gewertet werden. Gegenwärtig sind diese Verfahren noch nicht international standardisiert, und Normalwerte liegen nur aus einzelnen Zentren vor. Tabelle 2: Die Bestimmung des Wachstumshormonmangels erfolgt initial Körperliche Belastung WH max. > 10 ng/ml WH max. < 10 ng/ml kein WH-Mangel') WH Stimulationstest 1 WH max. > 40 ng/ml WH max. <40 ng/ml WH max. < 10 ng/ml kein WH-Mangel') WH max. > 10 ng/ml kein WH-Mangel") WH-Stimulationstest 3. Körperliche Belastung: Körperliche Belastung stellt einen physiologischen Streß dar, der zur Wachstumshormon-Sekretion führt. In standardisierter Form wird der Proband auf dem Fahrradergometer mit 150 bis 300 kilopond/min zehn Minuten lang belastet. Vor und 10 bis 15 Minuten nach Ende der Belastung wird Blut abgenommen. Bei kleinen Kindern ist das Verfahren nicht praktikabel; es kann aber durch lebhaftes Treppensteigen für etwa zehn Minuten ersetzt werden. Bei ca. 70 Prozent der gesunden Kinder wird der Grenzwert von 10 ng/ml überschritten. Der Test ist wegen seiner im Verhältnis zum Aufwand relativ günstigen Aussagekraft in der Praxis als orientierendes „screening" beliebt. 4. Pharmakologische Stimulationstests: Es gibt eine große Vielfalt von Pharmaka, welche die Wachstumshormon-Sekretion stimulieren. Sie können nicht alle erwähnt werden. WH max. < 10 ngiml WH max. > 10 ng/ml WH-Therapie *) Wachstumshormon-Resistenz möglich; eventuell WH-Spontansekretion messen. Voraussetzung für die Durchführung der Tests ist eine gute Standardisierung. Hierzu gehört, daß der Patient morgens nüchtern (Gabe von Wasser ist erlaubt) untersucht wird. Um mehrfache Blutentnahmen zu erleichtern, wird ein venöser Zugang geschaffen und eine Infusion von physiologischer NaCl-Lösung angehängt. Diese Maßnahmen sollten 30 Minuten vor Testbeginn vorgenommen werden, um den Ablauf der eigentlichen Untersuchung streßfrei zu gestalten. 4.1. Insulin-Toleranz-Test (ITT): Durch die Gabe von 0,1 E/kg KG Insulin („Alt"-Insulin) kommt es zu einem Abfall des Blutzuckers, der zu einer gegenregulatorischen Wachstumshormon-Sekretion führt. Der Test kann nur dann gewertet werden, wenn der Blutzucker um wenigstens 30 mg/dl vom Ausgangswert abfällt. Blutentnahmen erfol- gen vor sowie 15, 30, 45, 60 , 90 und 120 Minuten nach der Gabe von Insulin Der Test birgt das Risiko einer Hypoglykämie, namentlich wenn die gegenregulatorischen Hormone WH und ACTH fehlen. Es ist daher erforderlich, hochprozentige Glukose bereitzuhalten und den Patienten kontinuierlich zu überwachen. > Dt. Ärztebl. 84, Heft 43, 22. Oktober 1987 (45) A-2861 •• • •• •••• ••••• •• ••• • ••• ••••• • 1 Wachsturnshormon-Somatomedin-Regulation (U/m1) [SmC-RIA] Zentralnervensystem 3.0 Neuro\ transmitter Hypothalamus SRIF Hypophyse GRF • 0 0 • ••■ Plasma 2.0 Somatomedin produzierende Gewebe (z. B. Leber) 1.5 1.0 wachsende Gewebe 0.5 Abbildung 4 (rechts): Somatomedin-C-Konzentrationen im Serum bei Patienten mit Wachstumshormonmangel (n = 43) im Vergleich zum Altersnormbereich Aminosäuren wie Arginin und Ornithin stimulieren die Sekretion von Wachstumshormonen. Argininhydrochlorid wird in einer 10prozentigen Lösung, verdünnt mit physiologischer NaCl-Lösung, in einer Dosis von 0,5 g/kg KG über 30 Minuten infundiert. Blutentnahmen erfolgen zu Beginn und am Ende der Argininin-Infusion, ferner 15, 30, 45, 60 und 90 Minuten danach. Gelegentlich wird Übelkeit beobachtet. 4.3 Clonidin- Test: Vor und nach (30, 60, 90, 120 Minuten) Gabe von 0,15 mg/kg KG Clonidin p. o. erfolgen Blutentnahmen für die Bestimmung des Wachstumshormons. Nebenwirkungen können Schwindel und ein mäßiger, gelegentlich aber über Stunden persistierender Blutdruckabfall sein. •• •••• are • •• • Ilt••••• ••• • ••• •• ••• • • Alter 0 (Jahre) 1 **** • Vor und nach (30, 60, 90, 120, 180 Minuten) der Injektion von 0,5 mg Glukagon i.m. erfolgen Blutentnahmen zur Hormon- und Blutzukkerbestimmung. Der Blutzucker sollte während des Tests um das Zwei- bis Dreifache des Ausgangswertes ansteigen. Der Test kann auch durchgeführt werden, nachdem 120 Minuten vor der Glukagon-Gabe 40 mg Propranolon (bei Kindern unter 20 kg KG 20 mg) p. o. verabreicht werden. 4.5. L - Dopa Test: Vor und nach (30, 60, 90, 120, 150, 180 Minuten) einer oralen Gabe von 100 bis 500 mg L-Dopa (bis 15 kg KG 100 mg; zwischen 15 bis 30 kg KG 250 mg; >30 kg KG 500 mg) erfolgen Blutentnahmen zur Bestimmung des Wachstumshormons. Häu- lt* 3 5 0 • •• * • ,,,e•• .• • •• , Os* 4.4. Glukagon- Test: A-2862 (46) Dt. Ärztebl. 84, Heft 43, 22. Oktober 1987 • 11111111110 ••• • ••• • 40 0.1 •• ••• • •• • • ■■• •■ ••• • Abbildung 3 (oben): Modell der Wachstumshor on-Somatomedin-Regulation 4.2. Arginin-Test: •• •• ••• • ■• I: 2.5 * O 4 • tte • • 7 9 11 13 15 ° c.4e imadult fig werden bei diesem Test Übelkeit und Erbrechen beobachtet. Die genannten Tests sind Standarduntersuchungen für die Diagnostik des Wachstumshormonmangels. Die Mechanismen, über die die Stimulierung der WachstumshormonSekretion erfolgt, sind unterschiedlich und nicht in jedem Falle völlig geklärt Allen Tests ist gemeinsam, daß es auch bei gesunden Probanden und bei Kindern mit Minderwuchs anderer Genese in ca. 15 Prozent zu einer subnormalen Wachstumshormon-Sekretion kommen kann ( „falsch positive Ergebnisse"). Aus diesem Grunde werden verminderte Reaktionen in zwei Standard-Tests gefordert, bevor eine Therapie mit Wachstumshormonen begonnen wird. Die Autoren favorisieren den Arginin-Test, dem der Insulin-Toleranz-Test angeschlossen wird. Wie erwähnt kann ein Wachstumshor- monmangel aber auch dann vorliegen, wenn allein die spontane Sekretion des Hormons vermindert ist, obwohl die allgemein gültigen Grenzwerte der pharmakologischen Tests nicht unterschritten werden. Dies ist vor allem bei der konstitutionellen Entwicklungsverzögerung der Fall, der häufigsten Form des Minderwuchses im Kindesalter. Tabelle 3: Die Bestimmung des SM-C/IGF I erfolgt vor den Funktionstests SM-C i IGF 1 normal niedrig kein WH-Mangel (Somatomedin-Resistenz möglich) 5. GRF Test: - Das Peptidhormon growth hormone releasing factor (GRF) (Synonym: GHRH) ist derzeit in Formen mit 29 (GRF [1-29] NH 2), 40 (GRF [1-40]) und 44 (GRF [1-44]) Aminosäureresiduen erhältlich. GRF setzt Wachstumshormon spezifisch aus der Hypophyse frei. Nebenwirkungen sind bis auf eine transitorische Gesichtsrötung und ein begleitendes Wärmegefühl (Fluch) nicht zu beobachten. Blutentnahmen erfolgen vor und 15, 30, 45, 60 und 90 Minuten nach Gabe von 1-(2) ug/kg KG GRF i.v. Ein maximaler Anstieg des Wachstumshormons über 10 ng/ml gilt als normal Werden höhere Werte erreicht, liegt entweder kein Wachstumshormonmangel vor (bei Anstieg >40 ng/ml ist dies außerordentlich wahrscheinlich), oder aber die Ursache des Wachstumshormonmangels ist primär im Hypothalamus lokalisiert. In solchen Fällen ist die endogene Stimulation der das Wachstumshormon produzierenden Zellen der Hypophyse durch das körpereigene hypothalamische GRF unzureichend. In ca. 75 Prozent der Fälle mit idiopathischem Wachstumshormonmangel fällt der GRFTest pathologisch aus. Nach einer Vorstimulation mit GRF (zum Beispiel 5 Tage lang 2mal täglich 3 bis 10 ug/kg KG s.c.) kommt es in einem Teil der Fälle, die auf die initiale GRF-Gabe subnormal reagiert haben, zu einer WH-Antwort über 10 ng/ml hinaus. Durch ein derartiges „Priming" lassen sich Fälle von hypothalamisch bedingtem Wachstumshormonmangel von solchen mit hypophysärem Hormonmangel unterscheiden. In mehr als 50 Prozent der Fälle mit idiopathischem WachstumshormonA-2864 GRF Test WH max. > 40 ng ml WH max. < 10 ng/ml WH-Stimulationstest WH max. 10-40 ng/ml WH max. >10 ng/ml kein WH-Mangel') WH max. 5-10 ng/ml Therapie mit WH Therapie mit WH WH-Stimu ationstest WH max. <10 ng/ml kein WH-Mangel') WH-Stimulationstest WH max. > 10 ng/ml kein WH-Mangel') WH max. < 10 ng/ml WH max. > 10 ng/ml kein WH-Mangel') *) Wachstumshormon-Resistenz möglich; eventuell WH-Spontansekretion messen. mangel liegt ein überwiegend hypothalamischer Defekt vor. Hier erscheint im Prinzip eine Dauerbehandlung mit GRF möglich. Den Vorzügen der Spezifität des Wirkmechanismus und der Nebenwirkungsfreiheit des GRF-Tests steht der Nachteil der eingeschränkten diagnostischen Sensitivität gegenüber. Tests mit Pharmaka ergeben häufig „falsch pathologische" Ergebnisse, GRF-Tests hingegen häufig — in ca. 25 Prozent — „falsch normale" Ergebnisse. Ein patholo- (48) Dt. Ärztebl. 84, Heft 43, 22. Oktober 1987 gischer GRF-Test läßt die Diagnose des Wachstumshormonmangels somit sicherer stellen als andere Stimulationsverfahren, ein normaler Anstieg schließt ihn jedoch nicht aus. Sicher bedarf es aber noch umfangreicherer Erfahrungen, um hier zu eindeutigen Aussagen zu kommen 6. Somatomedin: Aufgrund des Wirkungsmechanismus des Wachstumshormons leitet sich die Verminderung des So- matomedins im Serum zwanglos von dem Wachstumshormonmangel ab. Normale Somatomedinspiegel schließen einen Wachstumshormonmangel weitestgehend aus. Der Spiegel des Somatomedins schwankt im Tagesverlauf nur gering, so daß eine Bestimmung im Nüchternblut als repräsentativ gelten kann. Wegen der Altersabhängigkeit der Spiegel setzt eine Bewertung jedoch die Kenntnis altersbezogener Normalwerte voraus. Besonders bei Kleinkindern, die niedrige Somatomedinspiegel haben, wird nicht selten eine Uberlappung pathologischer und normaler Werte gesehen, was den diagnostischen Wert der Bestimmung erheblich einschränkt (Abbildung 4). Auch bezüglich der angewendeten Bestimmungsmethoden bestehen heute noch Probleme. Als besonders nützlich hat sich die Bestimmung von Somatomedin C (nach der Zürcher Nomenklatur IGF I) im Radioimmunoassay (RIA) erwiesen, durch welche eine Abgrenzung zwischen normalen und pathologischen Werten präziser möglich ist als bei der Verwendung anderer Bestimmungsmethoden, zum Beispiel der Bioassays. Es sind Fälle mit dem klinischen Bild des Wachstumshormonmangels beschrieben worden, die spontan und nach Stimulation normale WHWerte, doch verminderte Somatomedin-Spiegel aufweisen. In diesen Fällen wird ein biologisch inaktives endogenes Wachstumshormon hervorgebracht, das im RIA „normal" reagiert. Nach Gabe von exogenem Wachstumshormon steigt das Somatomedin in diesen Fällen an. Die Patienten können wie solche mit echtem Wachstumshormonmangel mit den auf dem Markt erhältlichen Wachstumshormon-Präparaten zum Wachstum gebracht werden. Der Verdacht auf das Vorliegen einer solchen Störung kann ohne Bestimmung des Somatomedins nicht erhoben werden, wodurch die Patienten um die Chance der Therapie gebracht werden. Auch in Fällen mit gestörter Somatomedinsynthese, — entweder primär angeboren (zum Beispiel bei Laron-Zwergwuchs und bei Pygmäen) oder sekundär erworben (etwa bei Hepatopathien, Mal- absorption und Insulinmangel) — können Wachstumsstörungen vom WH-Mangel-Typ auftreten, die mit normalen oder sogar erhöhten WHSpiegeln im Blut einhergehen. Schließlich haben Bierich et al. (1985) eine weitere Gruppe von Patienten mit gleichem klinischen Aspekt beschrieben, bei denen die Ursache der Wachstumsstörung in einer Resistenz gegenüber Somatomedin beruht, was sich laborchemisch in einer Erhöhung von WHund Somatomedinspiegeln im Serum manifestiert. Diagnostische Strategie Der Ausgangspunkt für Laboruntersuchungen, welche die Diagnose des Wachstumshormonmangels beweisen, ist der klinische Verdacht, der sich auf den klinischen Aspekt und das Verhalten des Wachstums gründet. Je überzeugender das klinische Bild erscheint, desto konsequenter wird mit laborchemischen Methoden auch nach den selteneren Formen gefahndet werden müssen. Auf der anderen Seite besteht kein Zweifel darüber, daß keineswegs alle mit Wachstumshormonmangel einhergehenden Störungen den typischen Aspekt des hypothalamo-hypophysären Minderwuchses aufweisen. Namentlich die größte Gruppe der dem Kinderarzt vorgestellten minderwüchsigen Patienten, die Kinder mit konstitutioneller Entwicklungsverzögerung, deren Wachstumsverhalten sich im Prinzip nicht von demjenigen beim hypophysären Minderwuchs unterscheidet, bieten keinen typischen „hypophysären" Aspekt. Tatsächlich besteht in diesen Fällen, die in der amerikanischen Literatur zur Zeit unter dem Begriff der „neurosekretorischen Dysfunktion" zusammengefaßt werden, durchaus kein absoluter, sondern lediglich ein relativer Wachstumshormonmangel, der nur durch die Messung der spontanen Hormonsekretion erfaßt werden kann. Das diagnostische Vorgehen muß einerseits so wenig invasiv und gefährdend wie möglich sein, namentlich, da es sich meistens um kleine Kinder handelt. Zum anderen soll es ökonomisch sein, den labortechnischen und klinischen Gegebenheiten entsprechen und die limitierte Aussagekraft einzelner Testverfahren berücksichtigen. Da sich eine einwandfreie Bestimmung von Sm-C/IGF I noch nicht überall durchgesetzt hat, schlagen wir alternativ zwei verschiedene mögliche diagnostische Strategien vor. Bei der einen (Tabelle 2) erfolgen initial nur Bestimmungen des Wachstumshormons. Bei der anderen (Tabelle 3) wird die Bestimmung des SM-C/IGF I zur generellen Orientierung an den Anfang gestellt, bevor Funktionstests vorgenommen werden. Es ist darauf hinzuweisen, daß bei Kleinkindern Bestimmungen des Somatomedins nicht immer aussagefähig sind und auf der anderen Seite standardisierte körperliche Belastungen bei ihnen nicht sicher zu erzielen sind. Unter solchen Umständen kann die Diagnostik mit den auf den Tabellen an zweiter Stelle aufgeführten diagnostischen Schritten begonnen werden. Diskussion Das Syndrom des Wachstumshormonmangels im erweiterten Sinne ist durch Störungen der Synthese und Sekretion der wachstumsfördernden Hormone GRF, WH und Somatomedin bedingt, die auf verschiedenen Ebenen des endokrinen Systems lokalisiert sein können. Das Syndrom ist primär durch das klinische Erscheinungsbild und durch die charakteristische Störung des Wachstums gekennzeichnet. Der Begriff „hypophysärer Minderwuchs" , der früher verwendet wurde, ist als Oberbegriff unzutreffend, da auch bei denjenigen Erkrankungen, bei denen eine unzureichende Sekretion des Wachstumshormons zugrundeliegt, nur ein kleiner Teil wirklich hypophysären Ursprungs ist. Die Indikation zur Behandlung mit Wachstumshormon besteht nach derzeit noch geltender Meinung nur für diejenigen Fälle, bei denen eine verminderte WachstumshormonSekretion nachgewiesen werden Dt. Ärztebl. 84, Heft 43, 22. Oktober 1987 (53) A-2865 kann Diese Regel ist aber insofern ungenau, als mittels der üblichen Testverfahren nur die augenblickliche Sekretionsfähigkeit der Hypophyse — unter vorgegebenen Bedingungen — geprüft wird, die Kriterien zur Bewertung des Abnormen jedoch von Labor zu Labor unterschiedlich und etwas willkürlich gehandhabt werden. „Wachstumshormonmangel" stellt ein quantitatives Spektrum dar, von den seltenen Fällen des absoluten Fehlens bei Deletion des Wachstumshormongens bis hin zu der unscharfen Grenze der „unteren Normalwerte". Diese Situation macht, wie erwähnt, stets Untersuchungen mit mehreren Tests notwendig. Das Vorliegen offenkundiger Störungen, die per se mit einem nicht hormonal bedingten Minderwuchs einhergehen, zum Beispiel Ullrich-Turner-Syndrom, FanconiSyndrom und Noonan-Syndrom, schließt nicht aus, daß zusätzlich ein Defizit an Wachstumshormon besteht. Bei den genannten Störungen ist dies öfters beschrieben worden, namentlich beim Fanconi-Syndrom. Im Zweifel wird immer ein Mangel an Wachstumshormon ausgeschlossen werden müssen, um Patienten nicht der Chance einer effektiven Behandlung zu berauben. Andererseits ist bei normalen Testergebnissen nicht gesagt, daß ein minderwüchsiges Kind nicht von einer Behandlung mit Wachstumshormon profitieren könnte. Am Beispiel des Riesenwuchses bei WHproduzierendem Tumor läßt sich erkennen, daß jedes Kind mit Hilfe von Wachstumshormon vermehrt wachsen kann, wenn nur die Dosis groß genug ist. Ob eine solche Therapie, die nicht mit substitutiven, sondern mit pharmakologischen Dosen des Hormons durchzuführen ist, ethisch und ökonomisch vertretbar ist, wird gegenwärtig in einer großen Reihe klinischer Untersuchungsserien geprüft. Phobie kann Infarkt ankündigen Schloß man die Werte aller Unterskalen in die Analyse ein, dann standen Phobien allein besonders stark mit ischämischem Herzleiden in Zusammenhang. Die phobische Angst war eng mit ischämischen Herzerkrankungen, nicht jedoch mit Todesfällen aus anderen Gründen Unter den Teilnehmern der Northwick-Park-Herz-Studie in Großbritannien wurde eine prospektive Untersuchung der Relation zwischen den Testergebnissen auf den sechs Unterskalen des Crown-CrispErfahrungsindex und dem nachfolgenden Auftreten ischämischer Herzleiden durchgeführt. Bei Berücksichtigung weiterer damit zusammenhängender Variablen zeigten Ergebnisse von 1457 weißen Patienten im Alter von 40 bis 64 Jahren zu Beginn der Untersuchung, daß Phobien in engem Zusammenhang zu nachfolgenden größeren ischämischen Herzerkrankungen (mit letalem und nichtletalem Ausgang zusammengenommen) standen. A-2866 4. 5. 6. 7. 8. 9. P. J.; Stanhope, R.: Clinical Features and investigation of growth hormone deficiency. Clin. Endocrinol. Metab. 15 (1986) 479-493 Bereu, B. B.; Diamond, F. B. Jr.: Growth hormone neurosecretory dysfunction. Clin. Endocrinol. Metab. 15 (1986) 537-590 Frasier, S. A.: A Review of growth hormone stimulation tests in children. Pediatrics 53 (1974) 929-934 Ranke, M. B.: Somatomedin und Wachstum. Mschr. Kinderheilk. 133 (1985) 336-342 Ranke, M. B.; Gruhler, M.; Rosikamp, R.; Brügmann, G.; Attanasio, A.; Blum, W. F.; Bierich, J. R.: Testing with growth hormonereleasing factor (GRF) (1-29 [NH 2]) and somatomedin C measurements for the evaluation of growth hormone deficiency. Eur. J. pediatr. 145 (1986) 485-492 Rosenfeld, R. G.; Wilson, D. M.; Lee, P. D. K.; Hintz, R. L.: Insulin-like growth factors I and II in evaluation of growth retardation. J. Pediatr. 109 (1986) 428-433 Schönberg, D.: Erkrankungen des Hypothalamus und der Hypophyse. In: D. Gupta (Hrsg.) Endokrinologie der Kindheit und Adoleszenz. Stuttgart/New York: Thieme Verlag, S. 28-52 (1985) Anschrift des Verfassers: Literatur 1. Bierich, J. R.: Minderwuchs. Mschr. Kinderheilk. 131 (1983) 180-192 2. Bierich, J. R.: Störungen des Wachstums. In: D. Gupta (Hrsg.): Endokrinologie der Kindheit und Adoleszenz. Stuttgart/New York: Thieme Verlag, S. 481-527 (1985) 3. Brook, C. G. D.; Hindmarsh, P. C.; Smith, FÜR SIE REFERIERT verbunden und war auch nicht größer bei Personen mit bereits zu Beginn der Studie existierendem Myokardinfarkt als bei Personen ohne derartige Vorbelastung. Es gab einen konsequenten Anstieg der Risiken letaler ischämischer Herzerkrankung mit der Punktzahl im Bereich der PhobieUnterskala. Das relative Risiko für Teilnehmer mit fünf und mehr Punkten betrug 3,77 (95 Prozent Vertrauensintervall 1,64 bis 8,64) im (54) Dt. Ärztebl. 84, Heft 43, 22. Oktober 1987 Privatdozent Dr. med. Michael B Ranke Professor Dr. med. Jürgen R. Bierich Universitäts-Kinderklinik Rümelinstraße 23 7400 Tübingen Vergleich zu den mit einem oder gar keinem Punkt Bei 49 Teilnehmern mit nachgewiesenem Myokardinfarkt zu Beginn der Untersuchung zeigten sich höhere Punktzahlen auf den Unterskalen für frei fluktuierende Ängste und funktionelle somatische Beschwerden. Der Crown-Crisp-Erfahrungsindex ist für die Patienten leicht auszufüllen und annehmbar. Wenn die Resultate mit anderen bekannten Faktoren kombiniert werden, könnte er — so die Autoren — bei der Definition hochgradiger Risikopatienten und bei der Planung von Präventionsstrategien sinnvoll sein. jhn Haines, A. P. et al.: Phobic anxiety and ischaemic heart disease, Brit. Med. Journal 295 (1987) 297-299 Prof. Dr. A. P. Haines, Department of Primary Health Care, University College London School of Medicine, Highgate Wing, Whittington Hospital, London N19 5 HT, England