Gesundheitsorientierte - Deutsche Digitale Bibliothek

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„Gesundheitsorientierte“
Ernährungsstrategien aus
lebensmittelwissenschaftlicher Sicht
Habilitationsschrift
im Fachbereich Chemie
der Universität Hannover
vorgelegt von
Hochschuldozent Dr. Andreas Hahn
März 2001
I
ABSTRACT
Abstract
Weiten Teilen der Bevölkerung ist inzwischen bekannt, dass ein Zusammenhang
zwischen Ernährung und Gesundheit besteht. Dieser wird aber vielfach
missverstanden oder falsch interpretiert. So werden echte Risiken einer
Fehlernährung nicht wahrgenommen, vermeintliche Probleme im Bereich der
Lebensmittelqualität (Rückstände, Kontaminanten, transmissile spongioforme
Enzephalopathie) hingegen weit überbewertet. Da viele Menschen offensichtlich
der Auffassung sind, eine „gesunde“ Ernährung sei heute nicht mehr ohne
weiteres möglich, suchen sie nach Auswegen und gelangen zu Verhaltensweisen,
die
subjektiv
als
„gesundheitsorientiert“
empfunden
werden,
aus
wissenschaftlicher Sicht aber einer differenzierten Betrachtung bedürfen. Zwei
dieser Verhaltensweisen werden in der vorliegenden Arbeit näher beleuchtet:
Nahrungsergänzungsmittel und vegane Ernährung.
Der steigende Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln resultiert aus der
Vorstellung, die Ernährungssituation zu verbessern und bestimmten Erkrankungen
vorzubeugen. Eigene Untersuchungen
an einem
überdurchschnittlich gut
ernährten Kollektiv älterer Frauen konnten zeigen, dass trotz der insgesamt guten
Versorgungslage der Nährstoffstatus bei einigen Substanzen nicht optimal ist und
durch eine Supplementierung verbessert werden kann. Auch verschiedene
Risikoparameter wie Homocystein lassen sich positiv beeinflussen. Inwieweit sich
hieraus langfristig präventive Effekte ergeben, kann derzeit kaum beurteilt werden.
Die Hinwendung zu einer veganen Ernährung, d.h. einer ausschließlich aus
pflanzlichen
Lebensmitteln
bestehenden
Kostform,
erfolgt
primär
aus
gesundheitlichen oder ethischen Gründen. Im Gegensatz zur lakto-(ovo-)
vegetarischen Ernährung liegen zu den ernährungsphysiologischen Effekten einer
veganen Kost bislang allerdings nur wenige Daten vor. Die im Rahmen dieser
Arbeit durchgeführten Erhebungen an erwachsenen Veganern in Deutschland
belegen, dass sich bei verschiedenen Nährstoffen (z. B. Folsäure, Vitamin C,
Vitamin E) und Risikoparametern (z. B. LDL, HDL) eine günstige Situation ergibt.
ABSTRACT
II
In anderen Bereichen (u.a. Cobalamin, Homocystein, Eisenstoffwechsel) sind
demgegenüber gravierende Defizite feststellbar, die zukünftig verstärkt beachtet
werden sollten.
Im Rahmen der Arbeit wird weiterhin ein neuer methodischer Ansatz zur
Bearbeitung ernährungs- und lebensmittelwissenschaftlicher Fragen dargestellt:
die Fuzzy Logik. Mit ihrer Hilfe lässt sich beispielsweise die Ernährungssituation
differenziert beschreiben und bewerten sowie optimieren, ohne dass dabei
grundlegende Ernährungsgewohnheiten verändert werden müssen. Weiterhin
bietet das Verfahren die Perspektive, Ernährungsempfehlungen auf Basis
biochemischer und klinischer Indikatoren abzuleiten und in Form der „nutrition
control“ die Ernährungsberatung anhand definierter Marker zu individualisieren.
ABSTRACT
III
Abstract
In the meanwhile, most people know about the close coherence of nutrition and
health, but often misunderstand or misinterpret this relationship. Proper risks of
malnutrition are not realised, whereas putative risks concerning the food quality
such as residues, contaminants or the transmissible spongioform encephalopathy
are overestimated. Since in the view of many people, it is quite difficult to consume
a ‘healthy’ diet nowadays, they are looking for resorts and practice a subjectively
healthful diet or adopt other types of nutritional behaviour, which have to be
reviewed critically under scientific aspects. Two of these nutritional behaviour
types are revised in this exposition in detail: Food supplements and vegan
nutrition.
The increasing consumption of food supplements is based on the assumption
that an improvement of the nutritional status and the prevention of certain
diseases can be achieved. We investigated a well-nourished sample of elderly
women and showed that, despite the well balanced diet, the nutrient status of
some substances was suboptimal and was improved by supplementation.
Moreover, different risk parameters such as homocysteine can be influenced
positively. Whether this will lead to long term, preventive effects cannot be
assessed presently.
A vegan diet, i.e. the exclusive consumption of plant food, is mostly consumed for
health or ethical reasons. In contrast to lacto-(ovo-)vegetarian diets data on the
physiological effects of vegan diets are scarce up to now. We studied a sample of
adult vegans in Germany, and our data revealed that there is a positive situation
regarding different nutrients such as folic acid, vitamin C, and vitamin E as well as
risk parameters (e.g. LDL, HDL). However, serious problems were seen in other
markers (cobalamin, homocysteine, iron metabolism) that should be considered
increasingly in future.
Further, in this exposition a new method for the processing of questions of nutrition
and food science is demonstrated: Via Fuzzy-Logic, it is possible to describe,
assess and optimize the nutritional situation, without the necessity of modifying
ABSTRACT
IV
basic nutrition patterns. Additionally, the method offers the chance to derive
nutrition recommendations based on biochemical and clinical indicators and to
individualize the nutrition counselling with defined markers in the form of ‘nutrition
control’.
VORBEMERKUNG
V
VORBEMERKUNG
Diese Arbeit nimmt verschiedentlich Bezug auf bereits erschienene Publikationen
des Autors (s. S. VI-VIII). Sie werden, da sie der Habilitationskommission ebenfalls
vorlagen, als „Anlagen“ 1-39 zitiert, sind aber in diesem Band nicht enthalten. Die
nachfolgende Darstellung dient zum einen als verbindende Struktur zu diesen
Veröffentlichungen. Zum anderen gibt sie eine kurze Übersicht über die Daten
zweier großer, unter Federführung des Verfassers durchgeführter und bisher nicht
publizierter Studien, der Deutschen Vegan Studie (DVS) und der Hannoverschen
Nahrungsergänzungsstudie (HANNA). Zudem sollen Perspektiven zukünftiger
Arbeiten aufgezeigt werden.
Die in den als „Anlagen“ zitierten Arbeiten dargestellten Aspekte werden nur
insoweit angeführt, wie es für das Verständnis und die Einordnung der Inhalte in
den Gesamtzusammenhang notwendig erschien. Jede detailliertere Darstellung
hätte den Umfang dieser Arbeit gesprengt. Insbesondere wurde darauf verzichtet,
den in der Literatur dokumentierten Kenntnisstand zu den verschiedenen
Themenkreisen umfassend wiederzugeben. Umfangreiche Übersichten hierzu
finden sich insbesondere in den Buchpublikationen (Anlage 2, 5, 8 und 9).
VERZEICHNISSE
VI
VERZEICHNIS DER ALS „ANLAGE“ ZITIERTEN PUBLIKATIONEN1
(NACH ERSCHEINUNGSJAHR)
Bücher / Buchbeiträge
1. Leitzmann C, Hahn A2 (1995): Grundlagen der Ernährung des Gesunden.
in: Huth K, Kluthe R (Hrsg.): Lehrbuch der Ernährungstherapie.
2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1-49
2. Leitzmann C, Hahn A (1996): Vegetarische Ernährung.
Ulmer, Stuttgart, 445 S3
3. Hahn A, Wolters M (1998): Die Forderung nach dem Verzicht bzw. der Reduzierung des
Verzehrs von Lebensmitteln tierischen Ursprungs; ein realistisches und begründbares
gesundheits- und gesellschaftspolitisches Anliegen?
in: Akademie für Tiergesundheit (Hrsg.): Jahrtausendwende und Tiergesundheit - Perspektiven
für das kommende Jahrzehnt.
Gustav Fischer, Jena, 110-143
4. Hahn A, Wolters M (1999): Vegetarische Ernährung – kritisch gesehen.
in: Evangelische Akademie Baden-Baden (Hrsg.): Vegetarisch leben – Müssen wir unsere
Eßgewohnheiten ändern?
Herrenalber Forum 23, EPB, Karlsruhe, 20-54
5. Leitzmann C, Keller M, Hahn A (1999): Alternative Ernährungsformen.
Hippokrates, Stuttgart, 261 S
6. Wirsam B, Hahn A (1999): Fuzzy methods in nutrition planning and education in clinical
nutrition.
in: Teodorescu HN, Kandel A, Jain LC (eds.): Softcomputing in Human-Related Sciences.
CRC Press LLC, Fl, 335-350
7. Zunft HJF, Wirsam B, Plank-Habibi S, Hahn A, Seppelt B, Leitzmann C (2000): Kontrolle der
Fettzufuhr durch Rückkopplung an die individuell erreichte Senkung des
Serumcholesterolspiegels in einer Doppelblind-Studie.
In: Richter V, Reuter W, Rassoul F (eds..): Aktuelle Aspekte der Lipoprotein- und
Atheroskleroseforschung.
Verlag Wissenschaftliche Skripten, Zwickau, 32-38
8. Hahn A (2001): Nahrungsergänzungsmittel.
Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, 286 S.
9. Leitzmann C, Müller C, Michel P, Brehme U, Hahn A4, Laube H (2001): Ernährung in
Prävention und Therapie.
Hippokrates, Stuttgart, 478 S.
10. Hahn A, Pfeiffenberger P, Wirsam B, Leitzmann C (1995): Bewertung und Optimierung der
Nährstoffzufuhr mit Hilfe der Fuzzy-Logik.
Ernährungs-Umschau 42, 367-371
1
Die Arbeiten sind im Gesamtpublikationsverzeichnis durch kursive Schrift kennntlich gemacht.
2
Lehrbuchbeitrag
3
Zweite Auflage in Vorbereitung
4
Lehrbuch
VERZEICHNISSE
Originalarbeiten und Reviews
11. Wirsam B, Hahn A, Uthus EO, Leitzmann C (1997): Fuzzy sets and fuzzy decision making in
nutrition.
Eur J Clin Nutr 51, 286-296
12. Hahn A, Wolters M (1999): Supplemente als Ernährung der Zukunft?
Naturarzt 139 (1), 7-10
13. Hahn A, Wolters M, Hanke G (1999): Nahrungsergänzungsmittel – Möglichkeiten und
Grenzen.
Deutsche Apotheker Zeitung, 139, 2470-2482
14. Hahn A (1999): Sekundäre Pflanzenstoffe – zwischen Nahrung und Arznei.
Ernährungs-Umschau 46, S128-S133
15. Plank-Habibi S, Wirsam B, Korhonen K, Hahn A, Seppelt B, Zunft HJF, Leitzmann C (2000):
Influence of a flexibly controlled low fat diet on serum cholesterol.
Eur J Clin Nutr (eingereicht zur Publikation)
16. Hahn A, Marohn S, Wolters M (2000): Vegane Kostformen – eine ernährungsphysiologische
Bewertung.
PZ Prisma 7, 26-37
17. Hahn A, Wolters M (2000): Nahrungsergänzungsmittel – eine Bestandsaufnahme.
I. Einordnung, Marktsituation und Verbraucherverhalten.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 167-175
18. Hahn A, Wolters M (2000): Nahrungsergänzungsmittel – eine Bestandsaufnahme.
II. Zielgruppen, Nutzen und Risiken.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 215-230
19. Hahn A, Leitzmann C (2000): Alternative Ernährungsformen. Teil 1: Ursprung Antike.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 176-186
20. Hahn A, Leitzmann C (2000): Alternative Ernährungsformen. Teil 2: Ursprung
Jahrhundertwende.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 231-235
21. Hahn A, Wolters, M (2001): Functional Foods – Lebensmittel der Zukunft?
Biologie in unserer Zeit 31, 356-366
22. Hahn A, Leitzmann C (2001): Alternative Ernährungsformen. Teil 3: Die Gegenwart I.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 2, 47-52
23. Hahn A, Leitzmann C (2001): Alternative Ernährungsformen. Teil 4: Die Gegenwart II.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 2, 114-123
24. Wolters M, Hahn A (2001): Der schmale Grat zwischen Prävention und Placebo:
Nahrungsergänzungsmittel
Biologie in unserer Zeit 31, 367-375
25. Braun K, Hahn A, Watkinson BM, Schmitt B (2001): Functional Foods – Konzept und Ziele.
Ernährungs-Umschau 48, 180-187
26. Wolters M, Hahn A (2001): Nährstoffsupplemente aus Sicht des Konsumenten
Ernährungs-Umschau 48, 136-141
VII
VERZEICHNISSE
VIII
27. Wolters M, Siekmann D, Hahn A (2001): Functional Foods – aktuelle Situation und
Perspektiven.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 2, 36-46
28. Plank-Habibi S, Wirsam B, Korhonen K, Hahn A, Seppelt B, Zunft HJF, Leitzmann C (2001):
Controlling the fat intake by feedback to the individually achieved reduction of the serum
cholesterol level by means of a double blind study.
Eur. J. Clin. Nutr. (eingereicht zur Publikation)
Beiträge in Kongress- und Symposiumsbänden sowie Kurzveröffentlichungen
29. Hahn A, Leitzmann C (1993): Vegetarische Ernährung und Eisenaufnahme.
Internistische Praxis 33, 688-689
30. Leitzmann C, Hahn A (1996): Eisenbedarf und vegetarische Ernährung (Stellungnahme).
Ernährungs-Umschau 43, 361
31. Hahn A (1996): Physiologische Grundlagen der Ernährung des Menschen.
APV-Tagung „Diätetika und Nahrungsergänzungsmittel in der Apotheke“, Frankfurt,
12.10.1996, Tagungsband, 1-13
32. Hahn A (1997): Nahrungsergänzung - ernährungsphysiologische Aspekte.
APV-Tagung „Alternativen zu Arzneimitteln“, Königswinter, 12./13.06.1997, Tagungsband, 168183
33. Hahn A (1998): Prävention ernährungsabhängiger Erkrankungen.
3. Werner-Kollath-Tagung „Ernährung und Gesundheit“, Hannover, 28.01.1998, Tagungsband,
29-45
34. Hahn A (1998): Wissenschaftlicher Hintergrund – ernährungsphysiologische Aspekte.
APV-Tagung „Nahrungsergänzungsmittel – Möglichkeiten und Grenzen“, Darmstadt,
29.06.1998, Tagungsband, 1-20
35. Hahn A (1998): Sekundäre Pflanzenstoffe – hatte Hippokrates doch recht?
1. Niedersächsisches Ernährungsforum, Hannover, 10.10.1998, Tagungsband
36. Hahn A (1999): Borderline-Lebensmittel – die Ernährung der Zukunft?
3. Niedersächsisches Ernährungsforum, Hannover, 02.10.1999, Tagungsband
37. Hahn A (2000): Was können Nahrungsergänzungsmittel (nicht)?
APV-Tagung „Nahrungsergänzungsmittel – zwischen Ernährung und Arznei – Aktuelle
Situation und Perspektiven, Würzburg, 23./24.02.2000, Tagungsband,1-20
38. Hahn A (2000): Zwischen Ernährung und Arznei. Deutsche Apotheker Zeitung 140, 1330-1333
39. Hahn A (2001): „Wirkungen und Aussagen bei Nahrungsergänzungsmitteln.
APV-Tagung „Nahrungsergänzungsmittel – Aktueller Stand in der EU - , Nürnberg 29.03.2001,
Tagungsband
VERZEICHNISSE
IX
INHALTSVERZEICHNIS:
1
EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG ........................................................................1
1.1
Lebensmittel – Mittel zum Leben oder Mittel zum Sterben? ............................. 2
1.2
Auswege aus der Krise?....................................................................................... 4
2
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? ............7
2.1
Gesundheitspolitischer und rechtlicher Hintergrund ........................................ 8
2.2
Bewertung von Nahrungsergänzungsmitteln................................................... 12
2.3
Verbraucherverhalten und Verbrauchererwartungen ...................................... 17
2.4
Eigene Untersuchungen: Die Hannoversche Nahrungsergänzungsstudie
(HANNA) ............................................................................................................... 18
2.4.1
Ziel der Untersuchung ....................................................................................... 19
2.4.2
Material und Methoden...................................................................................... 19
2.4.2.1 Probandinnen und Untersuchungsphasen ................................................................. 19
2.4.2.2 Art des eingesetzten Supplements............................................................................. 22
2.4.2.3 Untersuchungsmethodik ............................................................................................. 23
2.4.3
Ergebnisse und Diskussion ............................................................................... 26
2.4.3.1 Altersverteilung und anthropometrische Daten des Kollektivs ................................... 26
2.4.3.2 Schulbildung des HANNA-Kollektivs .......................................................................... 27
2.4.3.3 Lebensmittelzufuhr der HANNA-Probandinnen.......................................................... 28
2.4.3.4 Zufuhr an Energie und Nährstoffen ............................................................................ 29
2.4.3.5 Versorgungsstatus der Probandinnen bei der Basisuntersuchung ............................ 35
2.4.3.6 Auswirkungen der Nährstoffsupplementierung auf den Versorgungsstatus und
funktionelle Parameter................................................................................................ 39
2.4.3.7 Kognitive Leistungstests ............................................................................................. 60
2.4.3.8 Immunologische Parameter........................................................................................ 65
2.5
Zusammenfassung.............................................................................................. 68
VERZEICHNISSE
X
3
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN?....................71
3.1
Definition und Einteilung Alternativer Ernährungsformen.............................. 72
3.2
Probleme bei der Bewertung Alternativer Ernährungsformen ....................... 75
3.3
Gesundheitliche Aspekte des Vegetarismus.................................................... 76
3.4
Eigene Untersuchungen: Die Deutsche Vegan Studie (DVS).......................... 83
3.4.1
Material und Methoden...................................................................................... 84
3.4.1.1 Gewinnung der Probanden und Untersuchungsphasen ............................................ 84
3.4.1.2 Untersuchungsphasen und Untersuchungsmethodik................................................. 85
3.4.2
Statistische Verfahren ....................................................................................... 87
3.4.3
Ergebnisse und Diskussion ............................................................................... 88
3.4.3.1 Beschreibung und Einteilung des Kollektivs............................................................... 88
3.4.3.2 Lebensmittelverzehr ................................................................................................... 91
3.4.3.3 Nährstoffzufuhr ........................................................................................................... 95
3.4.3.4 Versorgungsstatus mit ausgewählten Vitaminen ..................................................... 105
3.4.3.5 Risikoparameter der Atheroskleroseentstehung ...................................................... 110
3.4.3.6 Das Problem der Cobalaminversorgung bei veganer Ernährung ............................ 119
3.4.3.7 Versorgungsstatus mit Eisen / Parameter der Erythropoese ................................... 127
3.5
Zusammenfassung............................................................................................ 134
4
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ ZUR LÖSUNG LEBENSMITTELUND ERNÄHRUNGSWISSENSCHAFTLICHER PROBLEME ....................................137
4.1
Zum Einsatz der Fuzzy-Logik geeignete Problemkreise der
Lebensmittelwissenschaft................................................................................ 137
4.2
Grundlagen der Anwendung von Fuzzy-Logik auf Probleme der
Lebensmittelwissenschaft................................................................................ 139
4.2.1
Interpretation von Nährstoffempfehlungen durch scharfe Grenzen................. 139
4.2.2
Interpretation von Nährstoffempfehlungen durch unscharfe Grenzen............. 141
4.3
Beschreibung der Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr durch Fuzzy-Sets
............................................................................................................................ 142
4.4
Aggregation von Fuzzy-Bewertungen ............................................................. 145
VERZEICHNISSE
4.5
XI
Fuzzy-gestützte Auswertung von Ernährungsprotokollen und deren
Optimierung ....................................................................................................... 147
4.6
Perspektiven I: Fuzzy-Logik als Methode zur Festlegung von
Nährstoffempfehlungen .................................................................................... 149
4.7
Perspektiven II: Fuzzy-Logik als Hilfsmittel zur Beurteilung des
Gesundheitsstatus ............................................................................................ 153
4.8
Perspektiven III: „Nutrition control“ – Fuzzy-Logik als Hilfsmittel zur
Individualisierung von Ernährungsempfehlungen......................................... 154
4.9
Zusammenfassung............................................................................................ 156
5
FAZIT UND PERSPEKTIVEN ...........................................................................157
6
ANHANG ....................................................................................................160
6.1
Anhang A: Eigene Arbeiten (Anlagen 1-39) .................................................... 160
6.2
Anhang B............................................................................................................ 168
7
LITERATUR .................................................................................................175
VERZEICHNISSE
XII
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
Abbildung 1: Altersverteilung der HANNA-Probandinnen bei der
Basisuntersuchung .........................................................................................26
Abbildung 2: Lebensmittelverzehr des HANNA-Kollektivs ....................................28
Abbildung 3: Prozentualer Anteil an Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen und
Alkohol an der Gesamtenergiezufuhr des HANNA-Kollektivs verglichen mit
den Empfehlungen der DGE...........................................................................30
Abbildung 4: Thiaminzufuhr der HANNA-Probandinnen .......................................34
Abbildung 5: Aktivierungskoeffizienten der Erythrocyten-Transketolase vor und
nach Supplementierung..................................................................................42
Abbildung 6: Korrelation zwischen α-ETK zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung
und der Differenz der Werte (nach Supplementierung minus
Basisuntersuchung) ........................................................................................43
Abbildung 7: Stoffwechsel des Homocysteins..................................................... 117
Abbildung 8: Korrelation der Plasmaspiegel an Homocystein mit der
Cobalaminplasmakonzentration ...................................................................118
Abbildung 9: Struktur des Cobalamin.................................................................. 120
Abbildung 10: Cobalaminspiegel des Gesamtkollektivs in Abhängigkeit von der
Zeitdauer der veganen Ernährung (Median, 5-95 Perzentile)....................... 126
Abbildung 11: Berechnung der Parameter MCV, MCH und MCHC .................... 128
Abbildung 12: Scharfe Funktion „erlaubte Zufuhr“ im Vergleich zum Fuzzy-Set
„Optimale Aufnahme“ eines Nährstoffs......................................................... 140
Abbildung 13: Fuzzy-Sets für Thiamin und Vitamin D ....................................... 142
Abbildung 14a: Fuzzy-Set für Fett.......................................................................143
Abbildung 14b: Fuzzy-Set für Ascorbinsäure ......................................................144
VERZEICHNISSE
XIII
Abbildung 14c: Fuzzy-Set für Cholesterol ........................................................... 145
Abbildung 15: Änderung des Prerow-Wertes bei Variation von zwei
Lebensmitteln . ............................................................................................. 148
Abbildung 16: Zusammenhang zwischen der Zinkzufuhr und dem Indikator
„Zinkkonzentration in Erythrocyten“ [Anlage 6] ............................................. 151
Abbildung 17: Fuzzy-Set „Grad der Gesundheit“ in Abhängigkeit von der
Variation des Indikators „Zinkkonzentration in Erythrocyten“........................ 151
Abbildung 18: Fuzzy Set „Grad der Gesundheit“ für die Aufnahme von Zink
bei Betrachtung des Indikators „Zinkkonzentration in Erythrocyten“............. 152
VERZEICHNISSE
XIV
TABELLENVERZEICHNIS
Tabelle 1: Untersuchte Parameter1 in der HANNA-Studie ....................................21
Tabelle 2: Zusammensetzung des Supplements und jeweiliger Referenzwert
für die Nährstoffzufuhr der DGE .....................................................................23
Tabelle 3: Klinisch-biochemische Blutuntersuchungen (soweit nicht anders
angegeben, wurden die jeweiligen Parameter im Blutplasma gemessen)......24
Tabelle 4: Mittelwerte (Median) des Körpergewichts, der Körpergröße und des BMI
zum Zeitpunkt T0 (Angaben in Klammern: 5-95 Perzentile) ...........................27
Tabelle 5: Prozentualer Anteil der Personen mit Realschulabschluss und
Hochschulreife................................................................................................27
Tabelle 6: Zufuhr von Energie und Hauptnährstoffen ermittelt aus den
Ernährungsprotokollen (Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich zur DGEEmpfehlung ....................................................................................................31
Tabelle 7: Durchschnittliche tägliche Vitamin- und Magnesiumzufuhr aus
Lebensmitteln im HANNA-Kollektiv (n=220, Median, 5-95 Perzentile)
verglichen mit den VERA-Probandinnen (Median, 2,5-97,5 Perzentile)
und den DGE-Empfehlungen..........................................................................32
Tabelle 8: Übersicht über den Versorgungsstatus des HANNA-Gesamtkollektivs
mit Mikronährstoffen bei der Basisuntersuchung, Normbereich und Prävalenz
niedriger Messwerte .......................................................................................36
Tabelle 9: Vergleich des Versorgungsstatus der HANNA- und der VERAProbandinnen .................................................................................................38
Tabelle 10: Aktivierungskoeffizient der α-ETK zu beiden
Untersuchungszeitpunkten .............................................................................41
Tabelle 11: Anzahl der Probandinnen in der Verumgruppe mit sehr gutem,
grenzwertigem und schlechtem Thiamin-Versorgungsstatus vor und nach
der Supplementierung ....................................................................................44
VERZEICHNISSE
XV
Tabelle 12: Aktivierungskoeffizient der α-EGR zur Beurteilung der Vitamin-B2Versorgung zu beiden Untersuchungszeitpunkten .........................................46
Tabelle 13: Aktivierungskoeffizient der α-EAST zur Beurteilung der
Pyridoxinversorgung zu beiden Untersuchungszeitpunkten ...........................47
Tabelle 14: Cobalaminwerte [pmol/l] und Methylmalonsäurewerte (MMA) [nmol/l]
zu beiden Untersuchungszeitpunkten.............................................................50
Tabelle 15: Plasma- und Erythrocyten-Folsäurestatus [nmol/l] und Homocysteinspiegel im Serum [µmol/l] zu beiden Untersuchungszeitpunkten ...................52
Tabelle 16: Serumwerte von Ascorbinsäure [µmol/l], Vitamin E [µmol/l], β-Carotin
[µmol/l], Coenzym Q10 [µmol/l] sowie CIAVIT-Werte zu beiden
Untersuchungszeitpunkten .............................................................................56
Tabelle 17: Serum-Selenkonzentrationen [µmol/l] und Aktivität der erythrocytären
Glutathionperoxidase (GPx) [U/g Hämoglobin] der Verum- und Placebogruppe ............................................................................................................57
Tabelle 18: Serum- und Erythrocyten-Magnesiumkonzentrationen [mmol/l] zu
beiden Untersuchungszeitpunkten .................................................................59
Tabelle 19: Einteilung der wichtigsten Alternativen Ernährungsformen ................73
Tabelle 20: Formen vegetarischer Ernährung .......................................................74
Tabelle 21: Untersuchte Blutparameter in der Deutschen Vegan Studie ..............86
Tabelle 22: Methodik der klinisch-biochemischen Bestimmungen im Rahmen der
DVS (vgl. Tabelle 21) .....................................................................................87
Tabelle 23: Kenndaten der DVS-Probanden (Median, 5-95 Perzentile)................90
Tabelle 24: Lebensmittelaufnahme des DVS-Kollektivs im Vergleich zum VERAKollektiv [Arithmetisches Mittel, g/d] ...............................................................93
Tabelle 25: Verzehr vom Tier stammender Produkte in den Untergruppen des
DVS-Kollektivs................................................................................................94
VERZEICHNISSE
XVI
Tabelle 26: Gesamtenergieaufnahme und anteilige Energie aus Produkten
tierischen Urspungs in den Untergruppen des DVS-Kollektivs .......................94
Tabelle 27: Zufuhr von Energie und prozentualer Anteil der Hauptnährstoffe an der
Energiezufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich zur
Empfehlung ....................................................................................................95
Tabelle 28: Energieaufnahme und relativer Anteil der Hauptnährstoffe an der
Energiezufuhr nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile) ......96
Tabelle 29: Durchschnittliche Nährstoffzufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95
Perzentile) ......................................................................................................97
Tabelle 30: Energiezufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95 Perzentile) im
Vergleich zu den Richtwerten der DGE ..........................................................99
Tabelle 31: Durchschnittliche Vitamin- und Mineralstoffzufuhr des DVS-Kollektivs
(Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich zum DGE-Referenzwert.................. 102
Tabelle 32: Prävalenz einer unter den Richtwerten liegenden Nährstoffzufuhr im
DVS-Kollektiv (Median, 5-95 Perzentile) ......................................................104
Tabelle 33: Versorgungsstatus des DVS-Kollektivs mit verschiedenen Vitaminen
(Median, 5-95 Perzentile) ............................................................................. 106
Tabelle 34: Versorgung mit verschiedenen Vitaminen nach Kostform und
Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile) .......................................................... 107
Tabelle 35: Prävalenz niedriger Vitaminversorgungsparameter im DVS-Kollektiv108
Tabelle 36: ß-Carotin und Tocopherol: Vergleich der Zufuhr und der Versorgung in
den Kollektiven der DVS, HANNA1- und VERA-Studie (Median, 5-95
Perzentile) .................................................................................................... 109
Tabelle 37: Hauptrisikofaktoren der Atherosklerose............................................ 111
Tabelle 38: Grenzwerte für Plasmakonzentrationen von Lipiden und Lipoproteinen im Hinblick auf die Atheroskleroseprävention ............................... 113
VERZEICHNISSE
XVII
Tabelle 39: Risikoparameter der Atheroskleroseentstehung bei den Probanden
der DVS (Median, 5-95 Perzentile)............................................................... 114
Tabelle 40: Häufigkeit kritischer Homocysteinmesswerte bei den Probanden
der DVS ........................................................................................................ 116
Tabelle 41: Prozentualer Anteil der Probanden der DVS mit über der kritischen
Grenze liegenden Risikoparametern der Atherosklerose ............................. 119
Tabelle 42: Cobalamin Blutspiegel der untersuchten Veganer, differenziert nach
Kostform (Median, 5-95 Perzentile) .............................................................. 124
Tabelle 43: Cobalaminspiegel differenziert nach Kostform und Geschlecht
(Median, 5-95 Perzentile) ............................................................................. 124
Tabelle 44: Anteil einer zu geringen Cobalaminversorgung................................ 125
Tabelle 45: Cobalamin-Plasmaspiegel in Abhängigkeit von der Dauer der
veganen Ernährung [pmol/l].......................................................................... 126
Tabelle 46: Veränderungen der Parameter des Eisenstoffwechsels bei
Nährstoffmangelanämien.............................................................................. 129
Tabelle 47: Parameter der Erythropoese und der Eisenversorgung im
Gesamtkollektiv (Median, 5-95 Perz.) verglichen mit dem Normbereich ...... 130
Tabelle 48: Transferrin-, Ferritin- und Eisenspiegel nach Kostform und
Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile) .......................................................... 131
Tabelle 49: Vergleich der DVS- (Median, 5-95 Perzentile) und VERA-Werte (2,597,5 Perzentile) hinsichtlich Parametern der Erythropoese und
Eisenversorgung...........................................................................................133
Tabelle 50: Lebensmittelverzehr der Frauen der DVS im Vergleich zu den
Teilnehmerinnen der VERA-Studie (Arithmetisches Mittel in g/d)................. 168
Tabelle 51: Lebensmittelverzehr der Männer der DVS im Vergleich zu den
Teilnehmern der VERA-Studie (Arithmetisches Mittel in g/d) ....................... 169
VERZEICHNISSE
XVIII
Tabelle 52: Aufnahme an Hauptnährstoffen, Ballaststoffen und Cholesterol im
DVS-Kollektiv nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile)..... 170
Tabelle 53: Nährstoffzufuhr bei den Frauen der DVS nach Kostform (Median,
5-95 Perzentile) ............................................................................................171
Tabelle 54: Nährstoffzufuhr bei den Männern der DVS nach Kostform (Median,
5-95 Perzentile) ............................................................................................172
Tabelle 55: Risikoparameter der Atherosklerosentsstehung bei den Frauen der
DVS (Median, 5-95 Perzentile) ..................................................................... 173
Tabelle 56: Risikoparameter der Atherosklerosentsstehung bei den Männern
der DVS (Median, 5-95 Perzentile)............................................................... 174
XIX
VERZEICHNISSE
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS:
α-EAST
Aktivierungskoeffizient des Pyridoxins (Enzym AspartatAminotransferase)
α-EGR
Aktivierungskoeffizient des Riboflavins (Enzym
Glutathionreductase)
α-ETK
Aktivierungskoeffizient des Thiamins (Enzym
Transketolase)
ADS-L
Allgemeine Depressionsskala, Langform
AMG
Arzneimittelgesetz
APV
Arbeitsgemeinschaft für pharmazeutische
Verfahrenstechnik
arithm.
arithmetisch
BfArM
Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte
BgVV
Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und
Veterinärmedizin
Ck
Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit
ConA
Concanavalin A
Cr
Chrom
DGE
Deutsche Gesellschaft für Ernährung
dl
Deziliter
Ery
Erythrocyten
FAD
Flavin-Adenin-Dinucleotid
FRAP
Ferric Reducing Ability of Plasma
FS
Fettsäure
GCP
Good clinical practices, („Leitlinie zur guten Klinischen
Praxis“)
GPx
Glutathionperoxidase
HANNA
Hannoversche Nahrungsergänzungsstudie
Hb
Hämoglobin
HDL
High density lipoprotein
HPLC
High performance liquid chromatography
(Hochleistungsflüssigkeitschromatographie)
IF
Intrinsic factor
IQ
Intelligenzquotient
KAI
Kurztest für allgemeine Basisgrößen der
Informationsverarbeitung
KHK
koronare Herzkrankheit
Kk
Kurzspeicherkapazität
LDL
Low densitiy lipoprotein
LMBG
Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz
XX
VERZEICHNISSE
LPS
Lipopolysaccharid
MCH
mean cellular hemoglobin (mittlere Hämoglobinmenge in
einem Erythrocyten)
MCHC
mean
cellular
hemoglobin
concentration
Hämoglobinkonzentration der Erythrocyten)
MCV
mean cellular volume (mittleres Erythrocytenvolumen)
MG
Molekulargewicht
n
Anzahl
NVS
Nationale Verzehrsstudie
p
Irrtumswahrscheinlichkeit
PALP
Pyridoxalphosphat
PAV
periphere arterielle Verschlusskrankheit
PHA
Phytohämagglutinin
RIA
Radioimmunoassay
RP
reversed phase
sd
standard deviation
s. u.
siehe unten
TÄ
Tocopherol-Äquivalent
TDP
Thiamindipshosphat
Tk
Gegenwartsdauer
TSE
Transmissible Spongioforme Enzephalopathie
u. a.
unter anderem
UV
Ultraviolett
VERA
Verbundstudie Ernährungserhebung und Risikofaktoren
Analytik
vgl.
vergleiche
VGM
Veganer moderat
VGS
Veganer streng
VLDL
very low densitiy lipoproteins
WAIS
Wechsler Adult Intelligence Scale
(mittlere
1
EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG
1
EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG
Die Ernährung gehört zu den elementaren Grundbedürfnissen eines jeden
Menschen. Während über Jahrmillionen der Menschheitsgeschichte die Sicherung
einer ausreichenden Versorgung mit Lebensmitteln im Vordergrund stand, sieht
sich die Bevölkerung der wohlhabenden Industrieländer seit Ende des zweiten
Weltkrieges einer nie dagewesenen Angebotsvielfalt gegenüber.
Zeitgleich ergaben sich einschneidende Veränderungen in den vorherrschenden
Todesursachen. So waren es noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorwiegend
Infektionskrankheiten, wie Tuberkulose und Lungenentzündungen, die die
Haupttodesursachen
darstellten,
während
heute
chronisch-degenerative
Erkrankungen – wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bösartige
Neubildungen – im Vordergrund stehen.
Viele dieser Erkrankungen sind ernährungsabhängig, d. h. ihre Entstehung oder
Prävention wird neben anderen Faktoren maßgeblich durch die Ernährung
beeinflusst
[vgl.
Anlage 33].
Die
hohe
Prävalenz
ernährungsabhängiger
Erkrankungen stellt inzwischen ein erhebliches gesundheitspolitisches Problem
dar: Mit derzeit etwa 120 Mrd. DM pro Jahr entfallen rund ein Drittel aller Kosten
im Gesundheitswesen auf die Erkennung und Behandlung dieser Krankheiten.
Strategien zur Verbesserung der Ernährungs- und Gesundheitssituation sind somit
nicht nur im Hinblick auf die Verbesserung der Lebensqualität und eine
Lebensverlängerung des Einzelnen von Bedeutung. Sie sind gleichermaßen
unverzichtbar, wenn die langfristige Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens
gesichert werden soll.
Entsprechend
hat
sich
Ernährungswissenschaft
auch
das
verändert.
Denken
Lange
in
Zeit
der
Lebensmittel-
war
es
durch
und
eine
Betrachtungsweise geprägt, in deren Mittelpunkt die Bekämpfung des Hungers,
die Nährstoffversorgung im Hinblick auf eine Vermeidung von Mangelkrankheiten,
mikrobiologisch-toxikologische
Sicherheitsfragen
und
schließlich
Aspekte
gesundheitsorientierter Vermeidungsstrategien (weniger Salz, Fett etc.) standen
[vgl. Anlage 25]. Die sich in den letzten drei Jahrzehnten immer klarer
abzeichnende Erkenntnis, dass Ernährung und langfristige Gesundheit unmittelbar
2
EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG
zusammenhängen,
hat
allerdings
zu
einem
Paradigmenwechsel
in
der
Ernährungswissenschaft geführt. Der frühere Denkansatz – Vermeidung von
Mangelernährung und Gesundheitsschäden – wurde überwunden, heute wird
vielmehr
eine
Optimierung
Lebensverlängerung
bei
des
gleichzeitiger
Gesundheitszustandes
Verbesserung
der
und
eine
Lebensqualität
angestrebt [vgl. Anlage 9, S. 117]. Entsprechend ist der Begriff „Ernährung“ aus
heutiger Sicht wesentlich breiter zu definieren, als dies in der Vergangenheit der
Fall war und sich noch immer in vielen Rechtsvorschriften sowie deren
Interpretation widerspiegelt [vgl. Anlage 8, S. 51ff].
1.1
Weiten
Lebensmittel – Mittel zum Leben oder Mittel zum Sterben?
Teilen
der
Bevölkerung
ist
grundsätzlich
bekannt,
dass
ein
Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit besteht. Dieser wird aber
vielfach vollkommen missverstanden oder fehlgedeutet. Immer offenkundiger wird,
dass viele Verbraucher5 echte Risiken der (Fehl-)Ernährung nicht erkennen,
vermeintliche Probleme hingegen überbewerten. Die Angst, Lebensmittel könnten
eher „Mittel zum Sterben“ sein, verdeckt den Blick für mögliche Risiken, die sich
durch die derzeitige Lebensmittelzusammenstellung ergeben. Eine „richtige“ und
„gefahrlose“ Ernährung wird vielfach offenbar für nicht mehr möglich gehalten.
Besonders deutlich wird dies in der seit Ende 2000 vehement entfachten
Diskussion über mögliche Konsequenzen der Transmissiblen Spongioformen
Enzephalopathie (TSE6) sowie der unerlaubten Verabreichung von Hormonen und
Antibiotika als Masthilfsmittel und in der Frage der Maul- und Klauenseuche. Die
Angst vor „Rinderwahn“ ist für viele Verbraucher gleichbedeutend mit der
Erkenntnis, in der heutigen Situation sei eine gesunderhaltende Ernährungsweise
ohnehin nicht mehr möglich. Das mögliche gesundheitliche Risiko durch
Kontaminanten, Rückstände oder z. B. TSE wird dabei im Allgemeinen weitaus
5
Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird im Folgenden bei allen Begriffen immer nur die
männliche Form verwendet. Gemeint sind aber jeweils Frauen und Männer gleichermaßen.
6
Nach wie vor wird die Erkrankung meist als Bovine Spongioforme Enzephalopathie (BSE)
bezeichnet. Da das Krankheitsbild die Artengrenze überschreitet, muss korrekter von TSE
gesprochen werden.
3
EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG
höher eingeschätzt als die wissenschaftlich belegten Folgen der weitverbreiteten
Fehlernährung [vgl. Anlage 3, S. 139].
Gefördert wird diese Haltung durch die enorme Informationsflut, derer sich der
Einzelne ausgesetzt sieht und die er individuell oftmals weder bewältigen, noch
inhaltlich bewerten kann. Fundierten Informationen wissenschaftlicher und
öffentlicher Institutionen sowie einer seriösen journalistischen Berichterstattung
stehen effektheischende Presseberichte, werbliche Informationen und teils
dubiose
Gesundheitsratgeber
gegenüber,
die
scheinbar
klare
Lösungen
aufzeigen, vielfach aber lediglich Produkttrends7 aufnehmen und/oder begleitende
Marketingmaßnahmen8 darstellen. Hinzu kommt, dass sich auch hinter seriös
wirkenden „Gesellschaften“ und „Instituten“ durchaus private Organisationen
finden, die nicht unbedingt wissenschaftliche Standpunkte, sondern primär eigene
Interessen vertreten9. Eine bei uns durchgeführte Pilotuntersuchung zeigt, dass
auch das Internet zum Stichwort „gesunde Ernährung“ eher ökonomisch oder
ideologisch motivierte, als wissenschaftlich fundierte Botschaften vermittelt10.
7
So wurde im Jahr 1999 Apfelessig als Mittel zur Gewichtsreduktion und Verbesserung der
Gesundheit angepriesen und in großem Umfang in Form sogenannter „Apfelessigkapseln“
vermarktet. Parallel hierzu erschienen auf dem Buchmarkt rund 50 Titel, die sich dieses Thema
annahmen.
8
Ein Paradebeispiel hierfür ist die nach ihrem „Erfinder“ benannte Markert-Diät, ein auf einem
Formulaprodukt basierendes Konzept zur Gewichtsreduktion. Markert beschreibt die
wissenschaftlich nicht haltbaren [DGE 2001] Vorzüge seines Konzeptes in einem Buch, das
Präparat selbst wird über die Apotheken vertrieben. Die im Buch gemachten Aussagen würden
als direkte Produktwerbung gegen verschiedene Vorschriften des Lebensmittel- und
Bedarfsgegenstände- sowie des Heilmittelwerbegesetzes verstoßen und wären somit verboten.
Die Publikation in einem Buch unterläuft diese Vorschriften in der Praxis.
9
Ein weitverbreiteter Irrtum betrifft beispielsweise das „Europäische Institut für Lebensmittel- und
Ernährungswissenschaften“, eine durch den Lebensmittelchemiker Udo Pollmer getragene
Organisation, die mit teils falschen, aber sehr plausibel erscheinenden Informationen an die
Öffentlichkeit tritt. Sie wird vielfach für eine Organisation gehalten, die auf dem gleichen (oder
wegen des Zusatzes „europäisch“ sogar einem übergeordneten) Level angesiedelt ist, wie die
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Auch die Deutsche Gesellschaft für Gesundes
Leben (DGGL) ist keineswegs eine wissenschaftliche Institution, sondern ein
privatwirtschaftliches Unternehmen, das sich dem Schlankheitsmarkt verschieben hat.
10
Entsprechende Ergebnisse ergaben sich in der vom Verfasser mitbetreuten Examensarbeit von
Stefanie Tillmann „Das Internet als Informationsmedium zum Stichwort: Gesunde Ernährung“.
Die Daten sind bisher unveröffentlicht.
4
EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG
1.2
Welche
Auswege aus der Krise?
Konsequenzen
Verbraucher
aus
der
individuell
unterschiedlich
empfundenen „Krise“ um Lebensmittel und Ernährung ziehen, ist unterschiedlich
und von zahlreichen Faktoren abhängig. Das Ernährungsverhalten wird durch
innere biologische Regelvorgänge und durch erlernte Verhaltensweisen und
Bedürfnisse unbewusst gesteuert. Wie die Ernährungspsychologie zeigt, ist es
beim Erwachsenen über lange Jahre geprägt, sehr stabil und nur schwer zu
verändern. Eine Modifikation der Ernährungsweise kann nicht nur, wie im
Folgenden dargestellt, höchst unterschiedlich ausfallen, sie wird auch durch
unterschiedlichste Gründe beeinflusst [vgl. Anlage 9, S. 422ff]. Darüber hinaus
sind die Ziele bei der Lebensmittelauswahl entsprechend variabel [vgl. Anlage 9,
S. 424]. Es soll daher im Folgenden nicht hinterfragt werden, warum Menschen
bestimmte Strategien verfolgen, sondern vielmehr wie diese Reaktionen aussehen
und wie sie sich auf die Gesundheit auswirken könnten.
Wenngleich die Frage nach den unterschiedlichen Verhaltensmustern bisher nicht
systematisch
untersucht
wurde,
lassen
sich
verschiedene
grundsätzliche
Verbraucherreaktionen beobachten:
(a) Die
Ernährungsweise
bleibt
unverändert.
Die
Gründe
hierfür
dürften
unterschiedlichster Natur sein, sei es das grundsätzlich fehlende Interesse an
Ernährung und Gesundheit, die (falsche?) Auffassung, man lebe bereits
„gesundheitsbewusst“ oder der vor dem Hintergrund der widersprüchlichen
Informationen entstehende Eindruck, die Wissenschaft sei sich ohnehin nicht
einig, so dass jede Veränderung sowieso sinnlos sei.
(b) Der jeweils aktuelle „Risikofaktor“ wird (vorübergehend) gemieden. Dieses
Verhalten dokumentiert sich überdeutlich in einer sinkenden Nachfrage nach
bestimmten Lebensmitteln. Allerdings zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass
EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG
5
sich der Markt nach einiger Zeit wieder stabilisiert11, ein Indiz dafür, dass die
alten Ernährungsgewohnheiten wieder aufgenommen werden.
(c) Die als nicht adäquat angesehene eigene Ernährung wird durch die Einnahme
von Supplementen ergänzt. Aus der Auffassung, die eigene Ernährung sei
„schlecht“, die „heutigen“ Lebensmittel lieferten nicht ausreichend Nährstoffe
oder im Glauben an einen zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen erfolgt eine
Hinwendung zu zusätzlichen Nährstoffen in Tabletten- oder Kapselform.
(d) Die Ernährungsweise wird radikal verändert. Statt der üblichen Mischkost, die
als Ursache für z. B. verminderte Leistungsfähigkeit, Krankheiten oder
ökologische Probleme angesehen wird, folgt die Hinwendung zu einer der
vielfältigen Alternativen Ernährungsformen.
(e) Die eigene Ernährung wird im Sinne der von den wissenschaftlichen
Fachgesellschaften geforderten Weise modifiziert. Es wird versucht, eine
vollwertige12 Ernährung zu erreichen, die nicht nur die Versorgung mit allen
Nährstoffen sicherstellt, sondern auch präventiven Charakter besitzt.
Die unter (a) und (b) dargestellten Reaktionen sind mit keiner (langfristigen)
Veränderung des Lebensmittelverzehrsmusters verbunden. Sie reflektieren daher
die Ernährung, wie sie für die Durchschnittsbevölkerung typisch ist und bereits
untersucht wurde. So liegen zur Lebensmittel- und Nährstoffzufuhr sowie zur
Nährstoffversorgung repräsentative Daten aus der Nationalen Verzehrsstudie
(NVS) bzw. der Verbundstudie Ernährungserhebung und Risikofaktoren Analytik
(VERA) vor. Sie erlauben eine relativ klare Aussage über die Ernährungssituation
11
Ein derartiges Verbraucherverhalten, das kurzzeitig zum Zusammenbruch des jeweiligen
Lebensmittelmarktes führt, war Ende der 1980er Jahre nach Berichten über Nematoden in
Fischen zu beobachten und zeigt sich auch derzeit beim Rindfleischmarkt. Auch hier ist bereits
wieder eine Stabilisierung zu beobachten, was als klares Indiz für eine nur kurzfristge
Verhaltensänderung gelten kann.
12
Unter „vollwertiger Ernährung“ ist eine Kostform zu verstehen, die den Nährstoffbedarf deckt,
sowie die ernährungsmedizinischen Erkenntnisse zur Prävention berücksichtigt. Soweit wie
möglich ist sie den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst [vgl. Anlage 8, S. 54ff]. Sie ist
jedoch nicht mit der Vollwert-Ernährung, einer Alternativen Ernährungsform [vgl. Anlage 23] zu
verwechseln.
6
EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG
und ermöglichen zumindest grundsätzlich die Charakterisierung potenzieller
Risikogruppen für eine suboptimale Ernährung.
Demgegenüber spiegeln die Punkte (c) und (d) Verhaltensweisen wider, deren
Konsequenzen bisher nicht bzw. nur ansatzweise analysiert wurden. Die
vorliegende
Arbeit
beschäftigt
sich
aus
lebensmittel-
und
ernährungswissenschaftlicher Sicht exemplarisch mit diesen Strategien eines
vermeintlich gesundheitsbewussten Verhaltens, die in der Bevölkerung in
zunehmendem Maße zu beobachten sind. Das unter (e) skizzierte Bemühen, die
Ernährungsweise zu modifizieren, scheitert in der Praxis oftmals an verschiedenen
Problemen. Daher soll gleichzeitig eine neue Methodik vorgestellt werden, die es
erlaubt, diese und andere lebensmittelwissenschaftliche Problemkreise unter
neuen Aspekten zu bearbeiten.
Die nachfolgenden Darstellungen sind entsprechend der unter (c), (d) und (e)
aufgezeigten Aspekte gegliedert:
•
Kapitel 2 versucht, die potenzielle Bedeutung von Nahrungsergänzungsmitteln
zu beleuchten.
•
Kapitel 3 geht am Beispiel der veganen Ernährungsweise der Frage nach,
welche gesundheitlichen Vor- und Nachteile diese Alternative Ernährungsform
aufweist.
•
Kapitel 4
präsentiert
eine
in
der
Lebensmittelwissenschaft
erstmals
angewandte Methodik, die es auf Basis mathematischer Verfahren ermöglicht,
durch
vergleichsweise
geringe
Modifikationen
des
Ernährungsmusters
deutliche Verbesserungen der Ernährungssituation zu erzielen.
Es kann und soll nicht Ziel dieser Arbeit sein, alle Aspekte des weit verzweigten
Themengebietes umfassend darzustellen. Vielmehr sollen wesentliche Eckpunkte
aufgezeigt und zudem Perspektiven künftiger Arbeiten skizziert werden.
7
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
2
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR
GESUNDHEIT?
Der Griff zu Nährstoffsupplementen ist für viele Verbraucher mittlerweile
Gewohnheit und die Auffassung, hiervon zu profitieren, entsprechend weit
verbreitet (vgl. Kapitel 2.3). Supplemente stellen, wie bereits auf S. 5 unter Punkt
(c) angeführt, eine mögliche Reaktion auf die Unsicherheit in Ernährungs- und
Gesundheitsfragen dar.
Allerdings ist gleichzeitig kaum eine Produktgruppe in den letzten Jahren so
polarisiert diskutiert worden wie die Nahrungsergänzungsmittel. Der wesentliche
Grund hierfür liegt darin, dass die Produkte rechtlich als Lebensmittel gelten,
durch ihr arzneitypisches Erscheinungsbild in Form von z. B. Tabletten oder
Kapseln sowie durch ihre Positionierung und Bewerbung aber faktisch in einem
Grenzbereich zu Arzneimitteln angesiedelt sind [vgl. Anlage 17, Anlage 38]. Somit
sind viele Diskussionen vielfach weniger von wissenschaftlichen, als von
merkantilen Interessen geprägt. In der Extremhaltung sprechen Gegner den
Präparaten jeglichen Nutzen ab, während vehemente Befürworter sie beinahe für
unverzichtbar halten.
Eine sachliche naturwissenschaftliche Bewertung von Nahrungsergänzungsmitteln
ist schwierig und bisher nicht erfolgt. Daten, die den potenziellen Nutzen einer
Nährstoffsupplementierung
für
die
gesunde
Durchschnittsbevölkerung
untersuchen, liegen fast nicht vor und waren der wesentliche Grund für eine
eigene, in Kapitel 2.4 dargestellte, Untersuchung. Darüber hinaus stellt die als
Anlage 8 zitierte, im März 2001 erschienene, Buchpublikation einen ersten
Versuch dar, das vorhandene Datenmaterial aus lebensmittelwissenschaftlicher
Sicht zusammenfassend aufzuarbeiten.
Die folgenden Kapitel 2.1 - 2.3 geben einen kurz gefassten Überblick über die
Rahmenbedingungen
Bedeutung.
für
Nahrungsergänzungsmittel
und
ihre
mögliche
8
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
2.1
Gesundheitspolitischer und rechtlicher Hintergrund
Die Bedeutung von Nahrungsergänzungsmitteln sollte vor dem Hintergrund des
insgesamt
wachsenden
Gesundheitsmarktes
und
der
steigenden
Selbstmedikation gesehen werden. Dabei konkurrieren Nahrungsergänzungsmittel
in der Gunst des Verbrauchers mit anderen Produktgruppen, von denen er sich
einen
Nutzen
für
Gesundheit
und
Wohlbefinden
verspricht.
Zu
diesen
Gesundheitsprodukten, die im weitesten Sinne einer Selbstmedikation dienen,
können
neben
Nahrungsergänzungsmitteln
auch
Functional
Foods,
(frei
verkäufliche) Arzneimittel, insbesondere solche traditioneller13 Art und teilweise
auch Kosmetika gerechnet werden. All diese Produktgruppen versprechen oder
suggerieren dem Verbraucher mehr oder minder einen gesundheitlichen Gewinn
im Hinblick auf „Wellness“, physische und psychische Leistungsfähigkeit oder die
Prävention von Erkrankungen. Sie sind für den Laien in ihrer unterschiedlichen
Intention und rechtlichen Abgrenzung aber kaum fassbar [vgl. Anlage 8, S. 4ff,
Anlage 34].
Grundsätzlich sind derartige Produkte gesundheitspolitisch erwünscht: Im Idealfall,
sinnvoll konzipiert, helfen sie Krankheiten zu vermeiden und senken dadurch
Kosten. Besonders deutlich wird dies am Konzept der Functional Foods [vgl.
Anlage 21, Anlage 36]. Hierbei handelt es sich um – von ihrem Erscheinungsbild
her
typische –
Lebensmittel,
die
neben
der
klassischen
ernährungsphysiologischen Funktion als Nährstofflieferant einen gesundheitlichen
Zusatznutzen („added value“) besitzen. Sie können übliche Lebensmittel ersetzen
und sollen die Gesundheit positiv beeinflussen [vgl. Anlage 25]. Forciert wird die
Entwicklung von Functional Foods durch die sich erweiternden Möglichkeiten ihrer
Bewerbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen14 [vgl. Anlage 25].
In dieser
13
Traditionelle Arzneimittel im Sinne des § 109a AMG sind solche, bei denen die Anwendung auf
traditioneller Überlieferung beruht. Hierzu zählen insbesondere viele Phytopräparate und
Tonika. Eine wissenschaftlich nachgewiesene pharmakologische Wirksamkeit besitzen diese
Präparate im Allgemeinen nicht.
14
Der § 18 LMBG regelt die Verbote der gesundheitsbezogenen Werbung mit Lebensmitteln.
Danach ist es bisher u. a. verboten, Lebensmittel mit krankheitsvorbeugenden Aussagen zu
bewerben. Allerdings zeichnet sich hier eine europaweite Liberalisierung ab, die es zukünftig
ermöglichen dürfte, derartige Wirkungen, sofern sie wissenschaftlich belegt sind, auszuloben
[Details s. Anlage 17 und Anlage 8, S. 20ff].
9
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Hinsicht werden sie faktisch anders behandelt als Nahrungsergänzungsmittel [vgl.
Anlage 39]. Allerdings finden sich bisher kaum Functional Foods, die sich auf eine
wissenschaftliche Basis stützen. So besitzt der Großteil der angebotenen
Produkte bis auf wenige Ausnahmen keinen nachgewiesenen Nutzen, sondern
scheint eher auf Marketingüberlegungen zu basieren [vgl. Anlage 27].
Der
in
den
vergangenen
Nahrungsergänzungsmitteln
gesetzlichen
Jahren
geht
Rahmenbedingungen
zu
wesentlich
zurück,
beobachtende
auf
vor
die
sich
allem
im
Boom
von
verändernden
Bereich
des
Arzneimittelrechtes. So wurden Vitamin- und Mineralstoffsupplemente früher
vornehmlich als Arzneimittel vermarktet. Seit einigen Jahren sind allerdings
Neuzulassungen von Kombinationsarzneimitteln, wie z. B. Multivitaminpräparate,
nur noch in sehr begrenztem Umfang15 möglich [vgl. Anlage 13]. Zudem ist die
Neuzulassung eines Arzneimittels nicht nur langwierig und kostenintensiv,
sondern das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) genehmigt
bei neu zugelassenen Arzneimitteln von wenigen Ausnahmen abgesehen nur die
aus Marketingsicht wenig lukrative Indikation „Vorbeugung eines Mangels“ (bei
höheren Dosierungen ggf. „Vorbeugung und Therapie eines Mangels“). Die derzeit
noch bei vielen Altarzneimitteln zu findenden „lyrischen“16 Indikationen ohne
sichere
wissenschaftliche
Grundlage
dürften
nach
Abschluss
des
Nachzulassungsverfahrens im Rahmen der 10. AMG-Novelle zukünftig nicht mehr
zulässig sein17 [vgl. Anlage 8, S. 47f, Anlage 37].
Durch diese Entwicklungen forciert, hat sich in den vergangenen Jahren das
Segment der Nahrungsergänzungsmittel wesentlich verstärkt, das zunehmend
15
Faktisch besteht hierzu bei Kombinationspräparaten nur noch dann eine Möglichkeit, wenn es
sich um monographiekonforme Produkte handelt, z. B. für eine fixe Kombination von
B-Vitaminen [vgl. Anlage 8, S. 47f]
16
Der Ausdruck wird im Rahmen der Arzneimittelzulassung gerne für die sehr umfangreichen, oft
extrem spezifischen Indikationen verwendet, wie sie sich bei vielen Altarzneimitteln finden.
Wissenschaftliche Belege hierfür sind im Allgemeinen nicht vorhanden.
17
Derzeit finden sich am Markt noch zahlreiche, als fiktiv zugelassen geltende Altarzneimittel mit
aus heutiger Sicht wissenschaftlich nicht zu belegenden Indikationen. Für diese Produkte
waren, sofern auf die Zulassung nicht verzichtet wird, bis spätestens 31.01.2001 im Rahmen
des ex-ante-Verfahrens Nachzulassungsanträge zu stellen. Diese werden derzeit beim BfArM
bearbeitet. Es ist damit zu rechnen, dass für viele Produkte eine Versagung erfolgt oder
zumindest die Indikationsbereiche eingeschränkt werden.
10
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
auch
von
klassischen
Arzneimittelherstellern
besetzt
wird.
Nahrungsergänzungsmittel können – aus Sicht der Vertreiber – demnach in
vielfacher Hinsicht als Weg aus der zunehmend schwierigeren Situation bei
nährstoffhaltigen Arzneimitteln gesehen werden. Nur sie erlauben es zudem,
schnell auf wissenschaftliche Erkenntnisse oder Markttrends zu reagieren.
Nach wie vor existieren in Deutschland und der Europäischen Union keine
Legaldefinitionen des Begriffs Nahrungsergänzungsmittel [vgl. Anlage 13]. Im
Allgemeinen werden darunter Produkte (in meist arzneilicher Darreichungsform18)
verstanden, die der gezielten Zufuhr von z. B. Vitaminen oder Mineralstoffen
dienen. Sie sollen die übliche Ernährung mit Nährstoffen in konzentrierter Form
ergänzen, aber nicht der Energieversorgung dienen [vgl. Anlage 17]. Das
Spektrum der tatsächlich am Markt angebotenen Inhaltsstoffe ist außerordentlich
vielgestaltig und umfasst neben den vorgenannten Substanzen u. a. Fettsäuren,
sekundäre Pflanzenstoffe, Vitaminoide und probiotische Bakterienkulturen [vgl.
Anlage 8, S. 3, Anlage 12]. Die lebensmittelrechtliche Zulässigkeit der einzelnen
Stoffe wird in der Praxis je nach Überwachungsbehörde höchst unterschiedlich
beurteilt. Das als oberste Bundesbehörde für Lebensmittel (und damit auch
Nahrungsergänzungsmittel)
zuständige
Bundesinstitut
für
gesundheitlichen
Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) steht vielen dieser Substanzen
im Sinne eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes kritisch gegenüber.
Nahrungsergänzungsmittel sind den Lebensmitteln zuzuordnen und dienen damit
nach § 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) der
Ernährung
und/oder
dem
Genuss.
Da
einem
Großteil
der
Nahrungsergänzungsmittel aufgrund der arzneitypischen Darreichungsform kein
Genusswert zukommt, steht der Ernährungszweck im Vordergrund. Nach derzeit
weitgehend
18
anerkannter
Rechtsauffassung
besteht
dieser
darin,
dass
Die galenischen Formen von Nahrungsergänzungsmitteln sind vielfältig und umfassen u. a.
Hart- und Weichgelatinekapseln, Tabletten, Dragées, Kautabletten, Pulver, Granulate und
Trinkampullen.
11
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Nahrungsergänzungsmittel etwaige Mängel an Inhaltsstoffen der Nahrung19
ausgleichen oder einen erhöhten Bedarf des Organismus decken [vgl. Anlage 13,
Anlage 37].
Problematisch ist die Abgrenzung von Nahrungsergänzungsmitteln zu anderen
Produktkategorien, die aufgrund ihrer Darreichung, der Werbeaussagen oder der
Verbrauchererwartung
Ähnlichkeiten
aufweisen,
aber
nicht
als
Nahrungsergänzungsmittel anzusehen sind [vgl. Übersicht in Anlage 8, S. 4ff].
Insbesondere die Abgrenzung zu Arzneimitteln stellt häufig ein Problem dar.
Arzneimittel dienen nach § 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG) dazu, Krankheiten
zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen bzw. die Beschaffenheit, den
Zustand oder die Funktion des Körpers zu beeinflussen. Derartige Funktionen
können vom physiologischen Standpunkt gesehen auch von Lebensmitteln
ausgeübt werden [vgl. Anlage 8, S. 53]. Ein Produkt kann rechtlich betrachtet
grundsätzlich nur Arzneimittel oder Lebensmittel, jedoch nicht beides gleichzeitig
sein. Die Einstufung wird zudem dadurch erschwert, dass Arzneimittel und
Nahrungsergänzungsmittel
z. T.
in
gleicher
oder
sehr
ähnlicher
Zusammensetzung auf dem Markt sind [vgl. Anlage 17]. Zur Einstufung eines
Präparates muss daher anhand der Inhaltsstoffe und der Zweckbestimmung
geprüft werden, ob es als Lebens- oder Arzneimittel anzusehen ist. Auch
Lebensmittel
dürfen
Ernährungszweck
arzneiliche
überwiegen
[vgl.
Ziele
verfolgen,
Anlage 8,
allerdings
S. 5ff].
Vor
muss
allem
für
der
die
Überwachungsbehörden, aber auch für die damit befassten Gerichte, ist es
vielfach schwierig, anhand objektivierbarer Parameter eine Entscheidung zu
treffen. Daher wird versucht, Beurteilungskriterien heranzuziehen, die eine
Einordnung in eine der beiden Produktgruppen erlauben [vgl. Anlage 17].
Eine gesetzliche Regelung für Nahrungsergänzungsmittel, auch auf europäischer
Ebene, ist seit langem angekündigt, bisher aber nicht umgesetzt. Ein vom
Verfasser dieser Arbeit, in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft für
19
Die Formulierung zeigt bereits die rechtlichen Probleme, die aus physiologischer Sicht nicht
existierende Grenze zwischen Lebens- und Arzneimitteln einzuhalten: Die Beseitigung eines
Nährstoffmangels entspricht der gesetzlich definierten Funktion eines Arzneimittels; der
Euphemismus „Mängel an Inhaltsstoffen der Nahrung“ soll eine Lebensmittelfunktion
ausdrücken.
12
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
pharmazeutische Verfahrenstechnik (APV) entwickelter und im Februar 2000 mit
Vertretern des Gesundheitsministeriums sowie der obersten Bundesbehörden für
Lebensmittel- und Arzneimittelfragen abgestimmter Vorschlag zum Umgang mit
den Produkten liegt vor [„Würzburger Deklaration“, vgl. Anlage 17].
2.2
Bewertung von Nahrungsergänzungsmitteln
Eine
lebensmittel-
und
ernährungswissenschaftliche
Beurteilung
von
Nahrungsergänzungsmitteln muss sich daran orientieren, welcher physiologische
Nutzen von den Produkten ausgeht [vgl. Anlage 18]. Dabei sind Anforderungen an
die Qualität, die Unbedenklichkeit und die Effektivität20 zu stellen. Am klarsten sind
dabei die Anforderungen an die Qualität und die Unbedenklichkeit zu definieren.
So sollten hinsichtlich der Qualität Standards geschaffen werden, die sich im
Wesentlichen an Vorgaben für Arzneimittel anlehnen. Diese Standards müssen
die hygienische
Qualität, die Reinheit und Identität der Zutaten (wertgebende
Inhalts- und Hilfstoffe) sowie die Dosierung und Stabilität sicherstellen.
Die Anforderungen an die Unbedenklichkeit umfassen die toxikologische
Sicherheit aller enthaltenen Substanzen einschließlich der Hilfsstoffe bei der
vorgegebenen Verzehrempfehlung. Solange es sich bei den Inhaltsstoffen um
lange bekannte Substanzen in üblicherweise auch mit der Nahrung zugeführten
Dosierungen handelt, kann dabei auf bekannte toxikologische Daten oder
zumindest Erfahrungen zurückgegriffen werden [vgl. Anlage 8, S. 62ff]. Hierin liegt
allerdings eine grundsätzliche Schwierigkeit, wie sich am Beispiel des β-Carotins
verdeutlichen lässt. So haben zwei placebokontrollierte Interventionsstudien
gezeigt, dass β-Carotin in hoher Dosierung das Bronchialcarcinomrisiko bei
Rauchern erhöhen kann. Die Studienteilnehmer supplementierten täglich 20 bzw.
30 mg β-Carotin [ATBC 1994, Omenn et al. 1996a, Omenn et al. 1996b]. Die
durchschnittliche β-Carotin-Zufuhr mit der Nahrung liegt in Deutschland nach den
20
Diese Anforderungen wurden in dieser dezidierten Form und Begriffswahl erstmals in der
„Würzburger Deklaration“ festgeschrieben. Sie sind kongruent mit den Anforderungen an ein
Arzneimittel. Für Nahrungsergänzungsmittel wurde allerdings vorgeschlagen, kein behördliches
Zulassungsverfahren einzuführen, sondern eine Beurteilung durch zugelassene, unabhängige
Sachverständige.
13
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Daten der VERA-Studie bei 1,56 mg/d [Heseker et al. 1994a]. Auch wenn das
Studiendesign in mehrfacher Hinsicht Anlass zur Kritik gibt [vgl. Anlage 8, S. 121f,
Anlage 34] und es nicht zulässig erscheint, aus diesen Untersuchungen mit
Hochrisikogruppen Schlussfolgerungen für die Allgemeinbevölkerung zu ziehen,
zeigt dies zumindest, dass als gesundheitsförderlich eingeschätzte Stoffe in
bestimmten Situationen und/oder bei hohen Dosierungen21 ein Gesundheitsrisiko
darstellen können. β-Carotin kommt darüber hinaus insofern eine Sonderstellung
zu, da es nicht nur in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt wird, sondern in
zahlreichen anderen Lebensmitteln als Farbstoff dient. Zudem wird es weit
verbreitet vor allem Getränken, aber auch Milchprodukten, Cerealien und anderen
mit Vitaminen angereicherten Produkten zugesetzt. Daraus resultiert eine
unkontrollierte, in Einzelfällen möglicherweise ähnlich hohe Aufnahme, wie sie in
den beiden Studien zum Tragen kam. Aus diesen Gründen hat sich das BgVV für
Höchstmengen an β-Carotin ausgesprochen, die sicherstellen sollen, dass weder
durch die
Lebensmittelfärbung
noch
durch
anderweitige
Verwendung
in
Lebensmitteln und damit auch in Nahrungsergänzungsmitteln jeweils mehr als
1 mg/d in isolierter Form aufgenommen wird [BgVV 2001].
Für
die
meisten
Vitamine
und
Mineralstoffe
können
inzwischen
relativ
umfangreiche Angaben zur Toxikologie gemacht werden. Danach besitzen die
meisten dieser Substanzen, mit Ausnahme der Vitamine Vitamin A und D sowie
einiger Spurenelemente, eine große therapeutische Breite. Dies wird auch aus
einer 1997 erschienenen Übersicht zu den toxikologischen Kenndaten von
Mikronährstoffen deutlich [vgl. Anlage 8, Tabelle 3-3, S. 63]. Das Risiko einer
Überdosierung durch legal in Vertrieb befindliche Nahrungsergänzungsmittel ist
bei sachgerechter Verwendung relativ gering, da inzwischen Empfehlungen bzw.
Obergrenzen für die enthaltenen Vitamin- und Mineralstoffmengen bestehen, bei
deren
Überschreitung
die
Überwachungsbehörden
bzw.
Abmahnverbände
entsprechend reagieren. Das BgVV hat im September 1998 eine Empfehlung22
21
Neben der Frage der Dosierung sollte bedacht werden, dass die Bioverfügbarkeit von isolierten
Substanzen z. B. in Kapselform deutlich von der aus einer komplexen Mahlzeit abweichen
kann.
22
Diese Angaben besitzen zwar keinen rechtsverbindlichen Charakter, werden aber juristisch
vielfach als Referenz herangezogen.
14
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
herausgegeben, in der die maximale tägliche Zufuhrmenge an Vitaminen und
Mineralstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln angegeben wird [vgl. Anlage 8,
S. 64f, Tab. 3-4 und 3-5] [BgVV 1998].
Problematisch hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen ist die Verwendung von
solchen Substanzen, bei denen bis heute relativ wenig über toxikologische Risiken
bekannt ist. Hierzu gehören z. B. die sekundären Pflanzenstoffe, für die
inzwischen zahlreiche protektive Effekte belegt sind oder diskutiert werden
[Anlage 35, Watzl und Leitzmann 1999]. Bisher ist es allerdings zumeist nicht oder
nur in Ansätzen möglich, die hierfür notwendigen Lebensmittelmengen zu
benennen
oder
das
„Wirkprinzip“
auf
einzelne
Inhaltsstoffe
festzulegen.
Entsprechend können keine Angaben zu protektiv wirksamen Aufnahmemengen
gemacht werden [vgl. Anlage 14]. Zudem sind bei sehr hohen Dosierungen von
einzelnen Substanzen im Tierversuch und in Zellkulturen auch unerwünschte
Wirkungen aufgetreten, so dass Mengen, die über den üblichen Verzehrsmengen
liegen, nicht in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt werden sollten [vgl.
Anlage 8, S. 65f].
Besonders schwierig zu definieren sind die Anforderungen an die Effektivität von
Nahrungsergänzungsmitteln, da ein „Wirksamkeitsnachweis“ kaum zu erbringen
ist. Die mögliche physiologische Bedeutung von Nahrungsergänzungsmitteln liegt
in folgenden Bereichen [vgl. Anlage 18]:
•
Zusätzliche Zufuhr von Nährstoffen zum Ausgleich ernährungsbedingter
Mangelsituationen
und
zur
Ergänzung
in
Situationen
mit
erhöhtem
Nährstoffbedarf.
•
Zufuhr von Nahrungsinhaltsstoffen zur Erhöhung des physischen und
psychischen Wohlbefindens und/oder der Leistungsfähigkeit.
•
Zufuhr von Nahrungsinhaltsstoffen zur Gesunderhaltung / Prävention.
Beim ersten Punkt muss berücksichtigt werden, dass eine ergänzende
Nährstoffzufuhr dann besonders effektiv ist, wenn tatsächlich eine Mangelsituation
vorliegt. Diese Risikogruppen sind jedoch schwer zu ermitteln. Es lassen sich
zahlreiche Situationen definieren (z. B. chronische Erkrankungen), in denen
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
15
bestimmte Nährstoffe kritisch sein können [vgl. Übersicht in Anlage 8, S. 66ff]. Wie
häufig eine marginale Nährstoffversorgung tatsächlich auftritt, ist allerdings in
vielen Fällen nicht bekannt. Zumindest in der Durchschnittsbevölkerung finden
sich nach den Daten der VERA-Studie selbst bei den als kritisch geltenden
Nährstoffen wie Folsäure nur bei einem sehr geringen Anteil der Bevölkerung
niedrige Messwerte, die auf eine unzureichende Versorgung23 hindeuten. Dieser
Anteil wird beispielsweise bei Folsäure mit 3,8 %, bei Ascorbinsäure mit 6,7 %
sowie bei β-Carotin mit 6,6 % der VERA-Stichprobe angegeben [Heseker et al.
1994b]. Klarer zu definieren sind Situationen eines erhöhten Bedarfs (z. B.
Schwangerschaft und Stillzeit).
Inwieweit eine Erhöhung des physischen und psychischen Wohlbefindens bzw.
der Leistungsfähigkeit durch Nahrungsergänzungen zu erreichen ist, lässt sich nur
schwer messen. In der Werbung mit Nahrungsergänzungsmitteln wird vielfach der
Eindruck erweckt, dass Befindlichkeitsstörungen, Konzentrationschwächen, die
Anfälligkeit für Erkältungen und andere unspezifische leichtere Beschwerden
durch eine Nahrungsergänzung behoben werden können. Tatsächlich finden sich
in der Literatur einige Hinweise, wonach die Immunfunktion [De la Fuente et al.
1998, Chandra 1992] und die kognitive Leistungsfähigkeit [Ortega et al. 1997,
Riedel und Jorissen 1998, Launer und Kalmijn 1998] durch Vitamin- und/oder
Mineralstoffgaben positiv beeinflussbar sind [vgl. auch Anlage 8]. Daher sollte
auch im Rahmen der HANNA-Studie [vgl. Kapitel 2.4] untersucht werden, ob
Effekte auf den Immunstatus und die kognitive Leistungsfähigkeit nachzuweisen
sind.
Der dritte Punkt greift den Aspekt Gesunderhaltung und Prävention auf. Hierbei
muss
allerdings
hinterfragt
werden,
inwieweit
epidemiologische
Studienergebnisse, nach denen z. B. niedrige β-Carotinspiegel im Plasma das
Krebsrisiko erhöhen, kausaler Natur sind und zu Supplementierungsempfehlungen
führen können. So scheint β-Carotin eher einen Indikator für einen niedrigen
23
Die Festsetzung von Normwerten einer ausreichenden Nährstoffversorgung wird von
verschiedenen Untersuchern höchst unterschiedlich gehandhabt [vgl. auch Kapitel 2.4.3.5].
Insofern ist die Prävalenz niedriger Versorgungsparameter ganz wesentlich von den
verwendeten Grenzwerten abhängig.
16
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Gemüse- und Obstverzehr darzustellen [vgl. Anlage 8, S. 130]. Ein hoher
Gemüse- und Obstverzehr kann aber aus verschiedensten Gründen (sekundäre
Pflanzenstoffe, Ballaststoffe, geringere Fettaufnahme) mit einem erniedrigten
Risiko für Tumoren assoziiert sein kann, so dass die alleinige Supplementierung
von β-Carotin vermutlich nur geringe Wirkungen besitzt. Auch im Hinblick auf
präventive Aspekte gilt, wie auch durch die Beobachtungen der Linxian-Studie
nachgewiesen, dass eine Nährstoffergänzung in einem schlecht versorgten
Kollektiv am effektivsten das Erkrankungsrisiko reduzieren kann [vgl. Anlage 18,
Blot et al. 1993]. Allerdings kann sich zum Teil auch bei gut versorgten Kollektiven
eine Verminderung von Risikofaktoren, z. B. des Homocysteinspiegels ergeben
(vgl. Kapitel 2.4.3.6, S. 51).
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die durchschnittlich praktizierte
Ernährung ausreicht, um alle Nährstoffe in optimaler Menge zu liefern oder ob in
Einzelfällen höhere Dosierungen wünschenswert wären. Während Anbieter von
Supplementen und Functional Foods zur weitreichenden Ergänzung der Nahrung
raten, wird von wissenschaftlichen Institutionen wie der Deutschen Gesellschaft
für Ernährung (DGE) lediglich eine Supplementierung bzw. Verwendung
angereicherter Produkte für einzelne Nährstoffe (Folsäure, Jod) bzw. einzelne
Bevölkerungsgruppen empfohlen [DGE et al. 2000].
Insgesamt ist die Datenlage über die Auswirkungen einer Supplementierung sehr
lückenhaft. Ein Grund hierfür liegt in den rechtlichen Rahmenbedingungen: Wie in
Fußnote
14,
S. 8,
angemerkt,
sind
gesundheitsbezogene
Aussagen
mit
Lebensmitteln nur sehr eingeschränkt möglich. Entsprechend gering ist das
Interesse der Hersteller, derartige Studien durchführen zu lassen. Hinzu kommt
die Schwierigkeit, was als Messgröße herangezogen werden könnte. LangzeitInterventionsstudien zur Ermittlung der Morbidität und Mortalität und damit zum
Nachweis möglicher präventiver Wirkungen bei Gesunden wären erstrebenswert.
Sie sind aber – schon unter dem Kostenaspekt – kaum realisierbar. Der
schnelllebige Markt für Nahrungsergänzungsmittel macht derartige Studien für die
Anbieter auch unter dem Zeitaspekt wenig attraktiv, zumal eine Exklusivität für ein
Produkt und ein dadurch zu erzielender Marktvorteil für ein Nährstoffpräparat nicht
zu erreichen ist.
17
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Aber
auch
zu
möglichen
kurzfristigen
Auswirkungen
einer
Gabe
von
Nahrungsergänzungsmitteln bei Gesunden ist kein Material verfügbar. Dies war
der Ausgangspunkt für die in Kapitel 3.4 dargestellte Untersuchung, zumal viele
Nahrungsergänzungsmittel einen unmittelbaren Nutzen zumindest suggerieren.
Dass dies bei einer unbefriedigenden Ernährungssituation der Fall sein kann, ist
evident. Unklar ist hingegen, inwieweit Personen, die sich vergleichsweise
ausgewogen ernähren, hiervon profitieren könnten.
2.3
Verbraucherverhalten und Verbrauchererwartungen
Nährstoffsupplemente werden in großer Vielfalt angeboten und erfreuen sich beim
Verbraucher wachsender Beliebtheit. Aus Erhebungen ist bekannt, dass in
Deutschland 18 bis 37 % der Bevölkerung diese Produkte mehr oder weniger
regelmäßig verwenden. Bei diesen Zahlen ist allerdings zu berücksichtigen, dass
aufgrund der im Kapitel 2.1 beschriebenen und für den Laien nicht transparenten
Abgrenzungsprobleme zu Arzneimitteln viele Verbraucher nicht in letzter
Konsequenz
angeben
können,
ob
das
verwendete
Präparat
ein
Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel ist. Eine von uns durchgeführte
repräsentative Befragung in Niedersachsen ergab eine Einnahmeprävalenz von
36,1 % [vgl. Anlage 26]. Trotz einer eingeschränkten Vergleichbarkeit der
verschiedenen Studien aufgrund abweichender Einteilung der Supplemente,
Altersgruppen und vor allem Einnahmezeiträume zeigte sich übereinstimmend,
dass Frauen diese Präparate häufiger verwenden als Männer und dass die
Verwendung mit zunehmendem Alter ansteigt. Zudem belegen verschiedene
Studien, dass der Konsum positiv mit einer höheren Schulbildung, einer
gesundheitsbewussteren Ernährung und schon vorhandenen gesundheitlichen
Problemen korreliert [vgl. Anlage 8, S. 28].
Verbraucher erhoffen sich von der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln vor
allem einen verbesserten Krankheitsschutz oder möchten eine nach eigener
Einschätzung unausgewogene Ernährung ausgleichen [vgl. Anlage 26]. Die Daten
der Nationalen Verzehrsstudie und unsere in Niedersachsen durchgeführte
Untersuchung haben gezeigt, dass bevorzugt Multivitaminpräparate konsumiert
werden. Zudem nimmt die Mehrzahl der Konsumenten die Nährstoffsupplemente
18
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
regelmäßig ein. Als wichtigstes Kriterium beim Kauf der Produkte wird die
Zusammensetzung erachtet [vgl. Anlage 26].
2.4
Eigene Untersuchungen: Die Hannoversche
Nahrungsergänzungsstudie (HANNA)
Obwohl Nahrungsergänzungsmittel nicht nur in Deutschland, sondern weltweit in
großem Umfang konsumiert werden, liegen, wie in der als Anlage 8 beigefügten
Buchpublikation ausführlich dargestellt, nur wenig Daten aus Interventionsstudien
vor. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob sich auch bei einer relativ
guten Ernährungssituation Effekte von Nahrungsergänzungsmitteln ergeben.
Nachfolgend werden die wesentlichen Ergebnisse der vom Verfasser dieser Arbeit
initiierten,
geplanten
und
maßgeblich
durchgeführten
Hannoverschen
Nahrungsergänzungsstudie (HANNA) dargestellt, die versucht hat, hierauf erste
Antworten zu geben24.
Ebenso wie bei den Daten der Deutschen Vegan Studie (vgl. Kapitel 3.4) sollen
auch hier nur die wesentlichen Ergebnisse kurz dargestellt werden25. Aus diesem
Grund
wird
auch
darauf
verzichtet,
das
methodische
Vorgehen,
die
Auswertestrategien und alle Ergebnisse im Detail zu beschreiben. Vielmehr sollen
die grundsätzlichen Beobachtungen und Bewertungen dargestellt werden.
Weitergehende Analysen, insbesondere zur Ableitung konkreter Empfehlungen,
werden
Gegenstand
zukünftiger
Untersuchungen
sein.
Neben
einer
übergreifenden Darstellung der Gesamtergebnisse wird am Beispiel von Thiamin
detaillierter betrachtet, welche Auswirkungen eine Supplementierung bei gut
versorgten Seniorinnen hat. Im Allgemeinen gilt die Thiaminversorgung bei älteren
Menschen vor allem dann als kritisch, wenn eine einseitige Nahrungsauswahl
24
Die Studie wurde finanziell durch Industriemittel und eine Förderung der Stoll-VITA-Stiftung,
Waldshut, ermöglicht.
25
Im Rahmen der Untersuchungen entstanden zwei Dissertationen, die sich mit speziellen
Aspekten der umfangreichen Fragestellung beschäftigen [Hermann 2000, Wolters 2001]. Einige
Teilergebnisse aus diesen vom Verfasser betreuten Arbeiten sind aus Gründen des
Gesamtüberblicks über die Studie in die folgende Darstellung eingeflossen. Die Daten wurden
allerdings vorher z.T. einer erneuten Auswertung und Bewertung unterzogen.
19
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
erfolgt und die Ernährung insgesamt unzureichend ist [Bässler et al. 1997, Volkert
et al. 1990].
2.4.1 Ziel der Untersuchung
Ziel der Hannoverschen Nahrungsergänzungsstudie war es, die mögliche
Bedeutung von Nährstoffsupplementen exemplarisch an einem Kollektiv sich
überdurchschnittlich gut ernährender Frauen zu untersuchen. Die Untersuchung
wurde als randomisierte, placebokontrollierte Doppelblind-Interventionsstudie nach
den Qualitätskriterien der in den „Good clinical practices“ (GCP) festgelegten
Kriterien für klinische Studien konzipiert und durchgeführt („Leitlinie zur guten
Klinischen Praxis“: CPMP/ICH/135/95 [RiliBÄK 1988]. Dabei wurde der Einfluss
der Supplementierung mit einem marktüblichen Multivitamin-/Mineralstoffpräparat
(vgl. Tabelle 2) über sechs Monate auf den Ernährungsstatus, verschiedene
funktionelle Parameter des potenziellen Krankheitsrisikos, auf immunologische
Werte
sowie
auf
die
kognitive
Leistungsfähigkeit
eines
Kollektivs
von
anamnestisch gesunden Frauen im Alter von ≥ 60 Jahren ermittelt.
Zusätzlich wurden anthropometrische und sozio-ökonomische Daten sowie Daten
zum
Lebensmittelverzehr,
zu
den
Ernährungsgewohnheiten
sowie
zum
Gesundheitsstatus erhoben. Die untersuchte Gruppe stellt hinsichtlich Alter und
Geschlecht
die
quantitativ
bedeutendste
Konsumentengruppe
von
Nahrungsergänzungsmitteln dar [vgl. Anlage 26].
2.4.2 Material und Methoden
2.4.2.1 Probandinnen und Untersuchungsphasen
Die freiwilligen Probandinnen wurden durch mehrfache Aufrufe zur Teilnahme in
der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, der Hannoverschen Neuen Presse
sowie kostenlosen Werbezeitungen in und um Hannover26 etwa fünf bis sechs
Monate vor Studienbeginn rekrutiert. Von den insgesamt ca. 420 Interessentinnen
26
Die lokale Begrenzung auf den Großraum Hannover erfolgte aus logistischen Überlegungen.
20
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
konnten
241
in
die
Untersuchung
einbezogen
werden,
die
folgende
Einschlusskriterien erfüllten:
•
Mindestalter 60 Jahre,
•
Anamnestisch gesund im Hinblick auf Erkrankungen mit Auswirkungen auf den
Nährstoffstatus (z. B. Carcinome, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen,
Diabetes mellitus),
•
Keine Einnahme von Arzneimitteln mit Einfluss auf die Nährstoffversorgung,
•
Verzicht auf den Konsum von Vitaminsäften und –präparaten ab acht Wochen vor und
während der gesamten sechsmonatigen Interventionsphase,
•
Bereitschaft zur Teilnahme an allen Untersuchungen im Rahmen der Studie.
Die
Probandinnen
wurden
per
Losverfahren
der
Verum-
(n=121)
bzw.
Placebogruppe (n=120) zugeteilt. 17 Probandinnen brachen während des
sechsmonatigen Studienverlaufs ihre Teilnahme ab bzw. mussten wegen
auftretender Erkrankungen oder mangelnder Compliance ausgeschlossen werden.
Von den zur zweiten Blutabnahme erschienenen 224 Studienteilnehmerinnen
wurden im Nachhinein vier weitere ausgeschlossen, da sich herausstellte, dass
sie während des Untersuchungszeitraums eine Vitamininjektion erhalten hatten.
Insgesamt konnten somit die Daten von 220 Personen in die Auswertung
einbezogen werden; 111 gehörten der Verum-, 109 der Placebogruppe an.
Im Rahmen der Studie wurden folgende Erhebungsinstrumente verwendet:
•
Detaillierter Anamnesebogen zur aktuellen und zurückliegenden Krankengeschichte
sowie Fragebogen zu sozio-demographischen und –ökonomischen Daten.
•
Ernährungstagebuch: Geschlossenes Schätzprotokoll zur direkten Erfassung des
Lebensmittelverzehrs mit 142 Lebensmitteln bzw. Lebensmittelgruppen. Für die
Auswertung wurde jeweils der Verzehr von drei aufeinander folgenden Tagen
ausgewertet (darunter ein Tag des Wochenendes). Pro Probandin wurden jeweils
zwei Ernährungstagebücher erhoben, einmal vor Beginn der Intervention (Oktober)
und einmal am Ende der Interventionsphase (April), um eventuelle saisonale
Schwankungen des Lebensmittelverzehrs zu erfassen.
Als Basis des für die HANNA-Studie verwendeten Ernährungsprotokolls diente ein
validiertes Protokoll [Hoffmann et al. 1994], das leicht modifiziert und nach einem PreTest an einer kleineren Gruppe von nicht an der Studie teilnehmenden über 60jährigen Frauen verwendet wurde. Die Nährwertberechnungen erfolgten mit dem
Nährwertberechnungsprogramm „FOODOPT“ der Firma Albat + Wirsam, Linden, auf
der Grundlage des Bundeslebensmittelschlüssels (BLS) Version II.2. Die ermittelten
Daten wurden in das Statistikprogramm SPSS Version 10.0 aufgenommen.
21
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
•
Blutentnahmen und anthropometrische Daten (einschließlich der Ermittlung der
Körperzusammensetzung durch die Bioelektrische Impedanzanalyse) sowie die
kognitiven Leistungstests wurden am Institut für Lebensmittelwissenschaft der
Universität Hannover durchgeführt. Das Nüchternblut wurde direkt aufbereitet und am
gleichen Tag den kooperierenden klinischen Labors an der Universität Gießen und am
Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Aerosolforschung, Hannover, überstellt. Die auf
–18°C tiefgekühlten Proben für die Coenzym-Q10-Analytik wurden gesammelt und
nach dem jeweiligen Untersuchungszeitraum zur Forschungsgesellschaft für Lungenund Thoraxerkrankungen (FILT GmbH) nach Berlin gebracht. Tabelle 1 zeigt die
untersuchten Parameter. Die in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische
Psychologie der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführten Tests zur
Messung der kognitiven Leistungsfähigkeit werden im Kapitel 2.4.3.7 separat
beschrieben.
Tabelle 1: Untersuchte Parameter1 in der HANNA-Studie
Untersuchter
Bereich
Parameter
Blutbild
Zahl der Erythrocyten, Leukocyten, Thrombocyten, Neutrophile,
Eosinophile, Basophile, Monocyten, MCV, MCH, MCHC,
Hämatokrit
Fettstoffwechsel
Triglyceride, Gesamtcholesterol, HDL-Cholesterol, LDL-Cholesterol
Vitamine
Plasmakonzentrationen an Cobalamin, Folsäure, Ascorbinsäure,
β-Carotin, α-Tocopherol; erythrocytäre Aktivierungskoeffizienten als
Versorgungsparameter für Thiamin, Riboflavin, Pyridoxin;
Homocystein bzw. Methylmalonsäure als Versorgungsparameter für
Folsäure bzw. Cobalamin
Mineralstoffe
Selen, Magnesium, Eisen, Transferrin, Hämoglobin
Antioxidatives
Potenzial
FRAP-Test (Ferric Reducing Ability of Plasma), Aktivität der
Glutathionperoxidase
Immunologische
Untersuchungen
Interleukin-2-Rezeptor,
Leukocytenzahl,
Lymphocytenproliferationstest nach Mitogenstimulierung, Aktivität der Natürlichen
Killerzellen
Kognitive
Leistungsfähigkeit
Allgemeine Depressionsskala, Langform (ADS-L), Wechsler Adult
Intelligence Scale (WAIS II) - Untertest „Symbol Search“, Kurztest
für allgemeine Basisgrößen der Informationsverarbeitung (KAI),
Mustererkennungstest zur Erfassung der Gedächtnisleistung
Sonstiges
Coenzym Q10, Bilirubin, Harnsäure, Gesamteiweiß
1
In Kapitel 3.4.3 werden nur ausgewählte Parameter dargestellt.
Mit den aufgeführten Parametern wurden insbesondere die bei älteren Menschen
kritischen Nährstoffe und funktionellen Risikoparameter untersucht. Zudem
wurden
solche
Untersuchungen
aufgenommen,
mit
denen
viele
Nahrungsergänzungsmittel, allerdings nicht das untersuchte Präparat selbst, direkt
22
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
oder indirekt beworben werden (z. B. verbesserte körpereigene Abwehr,
Konzentration und geistige Leistungsfähigkeit).
Auf eine Erhebung von Daten zu den Vitaminen Pantothensäure, Biotin, Niacin
und Vitamin K wurde hingegen verzichtet. Diese Vitamine sind zwar Bestandteil
einer Vielzahl von Nahrungsergänzungsmitteln, so auch des eingesetzten
Präparates,
die
Versorgung
mit
diesen
Substanzen
kann
in
der
Durchschnittsbevölkerung aber als gesichert gelten [vgl. Anlage 8]. Zudem ist ihre
analytische Bestimmung extrem aufwendig27, so dass der Aufwand hierfür im
Hinblick auf den (nicht) zu erwartenden wissenschaftlichen Nutzen nicht
gerechtfertigt erschien.
2.4.2.2 Art des eingesetzten Supplements
Die Untersuchungen wurden mit einem Nahrungsergänzungsmittel in Form einer
Weichgelatinekapsel
durchgeführt,
das
die
in
Tabelle
2
aufgeführten
ernährungsphysiologisch bedeutsamen Bestandteile enthielt28. Die eingesetzten
Placebokapseln waren in Form und Farbe absolut identisch, enthielten aber
lediglich das zur Herstellung verwendete Trägeröl ohne Vitaminzusatz. Die
Probandinnen wurden angewiesen, die Kapseln einmal täglich, zum Frühstück,
einzunehmen. Die Dosierung des Supplements lag für die Vitamine etwa im
Bereich des dreifachen Referenzwertes der DGE.
27
Mit dem Problem der Analytik von Biotin und Niacin beschäftigen sich zwei Publikationen, an
denen der Verfasser dieser Arbeit beteiligt war [Stein et al. 1992, Stein et al. 1994]. Sie sind
nicht als Anlage beigefügt, da sie in keinem thematischen Zusammenhang stehen.
28
Das eingesetzte Produkt ist eines der umsatzstärksten Präparate am Markt und als ein
typischer Vertreter der Produktkategorie von Nahrungsergänzungsmitteln anzusehen, die mit
einem relativ begrenzten Substanzspektrum, aber vergleichsweise hohen Dosierungen
aufwartet. Dem gegenüber stehen die inzwischen ebenfalls weit verbreiteten Präparate mit
einem sehr breiten Spektrum an Inhaltsstoffen und einer niedrigeren Dosierung („A-ZFormulierungen“).
23
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Tabelle 2: Zusammensetzung des Supplements und jeweiliger Referenzwert für
die Nährstoffzufuhr der DGE [DGE et al. 2000]
Inhaltsstoff
Dosierung in 1 Kapsel
DGE-Wert1 für Frauen
der Altersgruppe 51 < 65 Jahre
Vitamin E (TÄ2)
36 mg
12 mg
β-Carotin
9 mg
2-4 mg Carotinoide
Thiamin
2,4 mg
1,0 mg
Riboflavin
3,2 mg
1,2 mg
Pyridoxin
3,4 mg
1,2 mg
Cobalamin
9 µg
3 µg
150 mg
100 mg
Folat-Äquivalent
800 µg
400 µg
Biotin
200 µg
30-60 µg
Niacin
34 mg
15 mg
Pantothensäure
16 mg
6 mg
Magnesium
50 mg
300 mg
Selen
60 µg (aus 60 mg Selenhefe)4
30-70 µg
30 mg
keine Empfehlung
Ascorbinsäure
3
Coenzym
Q105
1
DGE-Zufuhrempfehlungen und –Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr
2
Tocopherol-Äquivalent; 1 mg TÄ entspricht 1 mg RRR-α-Tocopherol
3
Nach neuer Definition entspricht 1 µg Folat-Äquivalent = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg
synthetischer Folsäure (Pteroylmonoglutaminsäure)
4
Zu den Hintergründen des Einsatzes von selenhaltiger Hefe in Nahrungsergänzungsmitteln
vgl. Anlage 8, S. 177
5
Coenzym Q10 (Ubichinon-50) ist eine den Vitaminoiden zuzurechnende, nicht
zufuhressenzielle Substanz, die in zahlreichen Nahrungsergänzungsmitteln Verwendung
findet und insbesondere als Antioxidans fungiert (vgl. Anlage 8, S. 187ff)
2.4.2.3 Untersuchungsmethodik
Alle Untersuchungen (Vitaminparameter) wurden nach den Standardverfahren der
Deutschen Gesellschaft für klinische Chemie bzw. dem Methodenhandbuch der
VERA-Studie
[Speitling
et
al.
1992]
durchgeführt.
Tabelle
3
Untersuchungsparameter sowie die jeweiligen Bestimmungsmethoden.
zeigt
die
24
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Tabelle 3: Klinisch-biochemische Blutuntersuchungen
(soweit nicht anders angegeben, wurden die jeweiligen Parameter im
Blutplasma gemessen)
Parameter
Methodik
β-Carotin
RP-HPLC mit UV-Detektion
Vitamin A
RP-HPLC mit UV-Detektion
Vitamin E
RP-HPLC mit UV-Detektion
Folsäure
Plasma und Erythrocyten:
Chemolumineszenz-Messung
Cobalamin
Kompetitiver Immunoassay mit Chemolumineszenz-Messung
Ascorbinsäure
Photometrisch nach Umsetzung mit Dinitrophenylhydrazin
Thiamin
1
Kompetitiver
Immunoassay
mit
Bestimmung der Aktivität der Erythrocyten-Transketolase vor und
nach Zusatz von TDP zur Ermittlung des Aktvierungskoeffizienten
(α-ETK)
Riboflavin1
Bestimmung der Aktivität der Erythrocyten-Glutathionreductase
vor und nach Zusatz von FAD zur Ermittlung des
Aktvierungskoeffizienten (α-EGR)
Pyridoxin1
Bestimmung
der
Aktivität
der
ErythrocytenAspartataminotransferase vor und nach Zusatz von PALP (αEAST)
Coenzym Q10
RP-HPLC mit Diodenarray-Detektion
Magnesium
Plasma und Erythrocyten: Photometrisch nach Umsetzung mit
Xylidinblau
Selen
Atomabsorptionsspektrometrie mit Zeeman-Untergrundkorrektur
Methylmalonsäure
Gaschromatographie/Massenspektrometrie nach Silylierung
Homocystein
Immunoassay mit fluorimetrischer Messung
Transferrin
Immunochemisch mit spezifischen Antikörpern mit Nephelometer
Glutathionperoxidase-Aktivität
Gekoppelter photometrischer Test, Aktivität in Erythrocyten
bezogen auf den Hämoglobingehalt
Differenzialblutbild2
Vollblut:
Automatisiertes
Verfahren,
vorwiegend
Streulichtmessung im kontinuierlichen Durchfluss
Ferritin
Photometrisch als Ferrozin-Komplex
Eisen
Photometrisch nach Umsetzung mit Ferrozin
Hämoglobin
Vollblut: SLS-Hämoglobin
Triglyceride
Gekoppelter enzymatischer Test mit photometrischer Bestimmung
Gesamtcholesterol
Gekoppelter enzymatischer Test
HDL-Cholesterol
Homogener enzymatischer Farbtest
LDL-Cholesterol
Homogener enzymatischer Farbtest
Atherogener
Index
Rechnerisch als Verhältnis der LDL- zur HDL-Konzentration
über
25
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
1
Die Versorgung mit diesen Vitaminen wird auf Basis der Aktivierbarkeit von Enzymen
gemessen, die Metaboliten des jeweiligen Vitamins als Cofaktor nutzen [vgl. VERAMethodenhandbuch, Speitling et al. 1992]
2
Erythrocyten, Leukocyten, Thrombocyten, Neutrophile, Eosinpophile, Basophile,
Monocyten, MCV, MCH, MCHC, Hämatokrit. Diese Parameter wurden nicht im Hinblick auf
die Fragestellung Nahrungsergänzungsmittel untersucht, sondern mit Blick auf die
Ernährungssituation von Seniorinnen. Diese wird Gegenstand zukünftiger Arbeiten sein.
Statistische Methodik
Die Auswertung der Daten erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS für Windows,
Version 10.0. Als statistische Kenndaten wurden, sofern nicht anders angegeben,
der Median und als Streuungsmaß der 90 %-Wertebereich (5-95er Perzentile)
angegeben, da die Werte häufig nicht normalverteilt waren. Auch als
Durchschnittswerte
gekennzeichnete
Werte
bezeichnen
den
Median.
Zur
Überprüfung von Hypothesen wurde bei gegebener Normalverteilung der t-Test für
unabhängige Stichproben angewendet. Bei nicht gegebener Normalverteilung
wurde der nichtparametrische U-Test nach Mann-Whitney für zwei unabhängige
Stichproben verwendet. Die Nullhypothese wurde für die Testverfahren nur dann
zurückgewiesen,
wenn
die
Irrtumswahrscheinlichkeit
p ≤ 0,05
war.
Eine
Beurteilung, ob für den jeweiligen Wert eine Normalverteilung vorlag, erfolgte
anhand der von Hecker [1997] angegebenen maximal zulässigen Schiefe bei
definierten Stichprobenumfängen.
Um
abhängige
Zeitpunkten)
auf
Normalverteilung
Stichproben
(gleiche
Unterschiede
der
t-Test
für
zu
Kollektive
untersuchen,
gepaarte
zu
zwei
verschiedenen
wurde
bei
gegebener
Stichproben
und
bei
nicht
normalverteilten Daten der Wilcoxon-Test angewendet.
Um Zusammenhänge zwischen zwei Parametern zu untersuchen, wurden
unterschiedliche Korrelationen verwendet. Bei vorhandener Normalverteilung
wurde der Pearson-Korrelationskoeffizient, bei nicht gegebener Normalverteilung
der Spearman-Korrelationskoeffizient angegeben.
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
26
2.4.3 Ergebnisse und Diskussion
2.4.3.1 Altersverteilung und anthropometrische Daten des Kollektivs
Das Mindestalter für die Teilnahme an der HANNA-Studie betrug 60 Jahre. Ein
Höchstalter wurde nicht festgelegt. Abbildung 1 stellt die Altersverteilung der
HANNA-Probandinnen dar. Zwischen der Verum- und der Placebogruppe bestand
kein statistisch signifikanter Altersunterschied.
Häufigkeit (Anzahl)
30
20
10
0
60
65
70
75
80
85
90
Alter bei der Basisuntersuchung
Abbildung 1: Altersverteilung der HANNA-Probandinnen bei der
Basisuntersuchung
Die anthropometrischen Daten des Kollektivs zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung
sind Tabelle 4 zu entnehmen. Der Body Mass Index (BMI) ergibt sich als Quotient
der Körpermasse [kg] und der Körpergröße [m2] und korreliert gut mit dem
Körperfettanteil. Der BMI des Gesamtkollektivs lag bei 25,2 kg/m2 und damit in
einem für ältere Menschen als normal angesehenen Bereich.
27
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Tabelle 4: Mittelwerte (Median) des Körpergewichts, der Körpergröße und des BMI
zum Zeitpunkt T0 (Angaben in Klammern: 5-95 Perzentile)
p1
Verumgruppe
Placebogruppe
n = 111
n = 109
63 (60-74)
64 (60-75)
n.s.
Körpermasse [kg]
68,0 (52,2-88,2)
69,0 (54,5-89,5)
n.s.
Körpergröße [m]
1,63 (1,54-1,74)
1,64 (1,55-1,74)
n.s.
25,0 (20,0-33,1)
25,5 (20,4-33,0)
n.s.
Alter [Jahre]
2
BMI [kg/m ]
1
U-test nach Mann-Whitney bezogen auf Verum- und Placebogruppe
2.4.3.2 Schulbildung des HANNA-Kollektivs
Erwartungsgemäß
Probandinnen
mit
meldeten
sich
auf
überdurchschnittlich
die
Aufrufe
hoher
zur
Studienteilnahme
Schuldbildung,
die
an
ernährungswissenschaftlichen Fragestellungen besonders interessiert waren. Ein
ähnlicher Trend wurde bereits in
anderen
Studien,
wie
der
Gießener
Seniorenlangzeitstudie (GISELA) [Gritschneder et al. 1998], festgestellt. Tabelle 5
zeigt den Anteil der Personen mit Realschulabschluss bzw. Hochschulreife unter
den über 60-Jährigen in Deutschland, unter den HANNA-Probandinnen und unter
den GISELA-Studienteilnehmern. Die HANNA-Probandinnen können daher nicht
als repräsentativ für Seniorinnen in Deutschland angesehen werden, sondern
ernähren sich vermutlich ausgewogener als der Durchschnitt. Dies war im Hinblick
auf die Hauptfragestellung erwünscht, da die mögliche Bedeutung einer
Nahrungsergänzung bei einem überdurchschnittlich gut ernährten Kollektiv
untersucht werden sollte.
Tabelle 5: Prozentualer Anteil der Personen mit Realschulabschluss und
Hochschulreife
Realschulabschluss (%)
Hochschulreife
(%)
über 60-jährige Deutsche
[Statistisches Bundesamt 1994]
13
8
HANNA-Kollektiv
42
22
GISELA-Kollektiv
[Gritschneder et al. 1998]
32
23
28
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
2.4.3.3 Lebensmittelzufuhr der HANNA-Probandinnen
Da sich zwischen den beiden zu Studienbeginn und Studienende erhobenen
Ernährungsprotokollen
keine
Unterschiede
ergaben,
wurden
die
Daten
zusammengefasst und hieraus die durchschnittliche (arithmetisches Mittel)
tägliche Lebensmittelzufuhr errechnet. Die Daten zeigen, dass die HANNAProbandinnen eine überdurchschnittlich ausgewogene Kost verzehren. Abbildung
2 gibt eine Übersicht über die aus den Lebensmittelprotokollen ermittelten
Lebensmittelmengen.
400
300
Mittelwert [g/d]
200
100
0
n
ie
re
be
ab iten
Kn ke le
g Ö
ßi
d
Sü n
u
en
tte
ar
Fe
-w
h
nd
sc
Fi h u
e
sc
kt
ei
du
Fl
ro
-p
er d
Ei un
h
t
ilc
M
itz
rh
t
bs , e
O se h
ü o
t
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G se sam
ü
e
em , g
G se
el
ü
itt
em n
G ffel hrm n
ä
e
rto , N ar
Ka ide ckw
re B a
et
G nd
u
ot
Br
Abbildung 2: Lebensmittelverzehr des HANNA-Kollektivs
Die DGE empfiehlt für eine ausreichende Nährstoffzufuhr eine tägliche Aufnahme
von 200-250 g Obst sowie von 275 g Gemüse und Hülsenfrüchten einschließlich
Salat [Kluthe et al. 1999]. Vor dem Hintergrund der aus epidemiologischen
Erhebungen bekannten protektiven Wirkung eines höheren Gemüse- und
Obstkonsums im Hinblick auf verschiedene Erkrankungen, vor allem Krebs, ist ein
möglichst hoher Verzehr dieser Lebensmittel anzustreben. Wie Abbildung 2 zeigt,
erreichten die Studienteilnehmerinnen im Durchschnitt die empfohlenen Mengen.
29
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Dabei wurden ca. 90 % des Obstes und ca. 40 % des Gemüses in roher Form
aufgenommen, was wegen der Thermolabilität vieler Vitamine und sekundärer
Pflanzenstoffe erstrebenswert ist.
Der Verzehr von Milchprodukten wurde mit etwa 300 g/d berechnet und durch die
Zufuhr von Milch, Käse (magere und fette Sorten), Quark und Joghurt erreicht. Die
Verzehrsmengen lagen im Bereich der Ernährungsempfehlungen. Der Konsum
von Brot war mit 175 g/d geringer als die Zufuhrempfehlungen der DGE (250350 g/d). Das Gleiche gilt für den Verzehr von Kartoffeln, von denen
durchschnittlich nur 115 g/d konsumiert wurden. Die DGE empfiehlt für diese
Lebensmittelgruppe eine tägliche Portion von 250-300 g bzw. alternativ die
Aufnahme von Getreide und Nährmitteln, wie Reis und Nudeln, mit einer Portion
von 75-90 g/d in roher Form (entsprechend 220-270 g gekocht). Die Aufnahme
dieser Nährmittel betrug bei den HANNA-Teilnehmerinnen nur etwa 50 g/d. Die
Verzehrsmengen an Fisch lagen unter den DGE-Empfehlungen, wonach
1-2 Portionen wöchentlich (pro Portion 150 g) konsumiert werden sollten [Kluthe et
al. 1999]. Als günstig ist zu bewerten, dass die maximal empfohlene Aufnahme
von 3 Eiern (ein Ei 55 g) pro Woche nicht erreicht wurde. Der Verzehr von Fetten
und Ölen erfolgte äußerst sparsam und lag mit 20 g/d unter den maximalen
Werten der DGE, welche höchstens 40 g/d an Streich- und Kochfetten vorsieht.
Der Vergleich mit den in der VERA-Studie erhobenen Daten [Heseker et al.
1994a, S. 99] für Frauen im Alter der HANNA-Probandinnen zeigt, dass sich die
Teilnehmerinnen unserer Untersuchung insgesamt stärker pflanzlich orientiert
ernährten und deutlich weniger Fleisch- und Wurstwaren konsumierten. Insgesamt
kann
die
Ernährung
des
HANNA-Kollektivs,
beurteilt
anhand
der
Lebensmittelzufuhr, als überdurchschnittlich gut angesehen werden.
2.4.3.4 Zufuhr an Energie und Nährstoffen
Die Nährstoffzufuhr wurde auf Basis der beiden zu Studienbeginn und -ende
geführten Ernährungsprotokolle ermittelt. Da hinsichtlich der Nährstoffzufuhr
zwischen den beiden Protokollen kein signifikanter Unterschied bestand, wurden
die durchschnittlichen Werte zusammengefasst. Aus Abbildung 3 wird ersichtlich,
dass das HANNA-Kollektiv trotz der relativ ausgewogenen Lebensmittelauswahl
30
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
nicht die Empfehlungen für die Verteilung der Hauptnährstoffe erreichte. So lag
der Anteil an Fett an der Gesamtenergiezufuhr zu hoch, der an Kohlenhydraten zu
niedrig. Die Situation stellte sich aber günstiger dar als in der VERA-Studie, bei
der in dieser Altersgruppe der Kohlenhydrat- und Fettanteil bei ca. 40 % der
Energieaufnahme lag [Heseker et al. 1994]. Tabelle 6 zeigt die genauen Anteile
der Hauptnährstoffe an der Energiezufuhr für die Verum- und die Placebogruppe
der HANNA-Studie. Zwischen den beiden Subkollektiven bestand kein signifkanter
Unterschied.
DGE-Empfehlung
Fett
30%
HANNA-Kollektiv
Alkohol
4%
Protein
15%
Protein
17%
Fett
36%
Kohlenhydrate
55%
Kohlenhydrate
43%
Abbildung 3: Prozentualer Anteil an Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen und
Alkohol an der Gesamtenergiezufuhr des HANNA-Kollektivs verglichen mit
den Empfehlungen der DGE [DGE et al. 2000]
31
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Tabelle 6: Zufuhr von Energie und Hauptnährstoffen ermittelt aus den Ernährungsprotokollen (Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich zur DGE-Empfehlung
DGE1
Verumgruppe
Placebogruppe
n = 108
n = 108
-
8,13 (5,59-11,41)
8,53 (5,92-11,72)
n.s.
> 50
43,7 (32,7-52,5)
43,4 (33,4-51,9)
n.s.
Brennwert
Protein (% der
Gesamtenergie)
15
16,7 (12,4-21,1)
16,8 (13,2-20,2)
n.s.
Brennwert
Fett (% der
Gesamtenergie)
max. 30
34,9 (26,9-44,4)
35,7 (29,0-42,6)
n.s.
-
3,8 (0,0-10,5)
3,8 (0,0-11,2)
n.s.
Energie [MJ/d]
Brennwert
Kohlenhydrate (%
der Gesamtenergie)
Brennwert Alkohol
(% der Gesamtenergie)
p
1
Richtwerte für die prozentualen Anteile der Deutschen Gesellschaft für Ernährung [DGE et
al. 2000]
Aus den beiden Ernährungsprotokollen wurde außerdem die durchschnittliche
tägliche Vitaminzufuhr errechnet (Tabelle 7). Dabei wurden nur die analysierten
Vitamine und Magnesium berücksichtigt. Für Coenzym Q10 und Selen liegen keine
Daten im Bundeslebensmittelschlüssel vor, so dass sich deren Zufuhr nicht
ermitteln ließ.
32
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Tabelle 7: Durchschnittliche tägliche Vitamin- und Magnesiumzufuhr aus Lebensmitteln im HANNA-Kollektiv (n=220, Median, 5-95 Perzentile) verglichen mit
den VERA-Probandinnen (Median, 2,5-97,5 Perzentile) und den DGEEmpfehlungen [Heseker et al. 1994, DGE et al. 2000]
Vitamin- und
Magnesiumzufuhr der
HANNAProbandinnen
Vitamin- und
Magnesiumzufuhr der
VERA-Probandinnen (55-64
Jahre)1
Empfeh
lung2
Thiamin (mg)
1,3 (0,8-2,0)
1,1 (0,6-2,0)
1,0
Riboflavin (mg)
1,7 (1,1-2,6)
1,4 (0,6-2,6)
1,2
Pyridoxin (mg)
1,9 (1,2-3,3)
1,5 (0,7-2,7)
1,2
Cobalamin (µg)
4,5 (2,2-8,8)
4,7 (1,6-18,8)
3,0
Folsäure-Äquivalente (µg)
297 (189-526)
175 (74-305)
400
Ascorbinsäure (mg)
167 (89-304)
99 (28-231)
100
Tocopheroläquivalent (mg)
12,8 (7,4-20,3)
13,6 (7,2-28,1)
12
β-Carotin (mg)
6,2 (2,4-14,6)
1,5 (0,5-6,1)
2-4
Magnesium (mg)
404 (291-583)
311 (167-481)
300
Vitamin / Mineralstoff
1
Aufgrund der Altersverteilung des HANNA-Kollektivs mit dem größten Anteil an
Probandinnen im Alter von 60-63 Jahren wurde die VERA-Gruppe von 55-64 Jahren als
Vergleichsgruppe gewählt und nicht die Gruppe ≥ 65 Jahre.
2
Referenzwerte der DGE für Frauen (51- < 65 Jahre) [DGE et al. 2000]
Tabelle 7 verdeutlicht, dass sich die im Vergleich zur VERA-Untersuchungsgruppe
günstigere Lebensmittelauswahl des HANNA-Kollektivs auch in der Zufuhr an den
untersuchten Nährstoffen niederschlägt. Der Median der Nährstoffaufnahme lag
bei fast allen Nährstoffen im Bereich der Empfehlungen, teilweise sogar
beträchtlich darüber. Lediglich bei Folsäure ergibt sich bereits auf den ersten Blick
eine ungünstige Situation. Der Median lag mit 297 µg/d deutlich unter der
aktuellen29 Empfehlung von 400 µg/d. 172 von 213 Frauen (81 %) wiesen eine
Zufuhr unterhalb des empfohlenen Wertes auf.
Obwohl die Situation bei den anderen Nährstoffen sehr viel günstiger erschien,
darf auch ein über der Empfehlung liegender Durchschnittswert nicht darüber
29
Die bis Frühjahr 2000 gültige Empfehlung zur Folsäurezufuhr betrug 300 µg/d [DGE 1991]. Der
Wert wurde bei der Neuformulierung der Referenzwerte [DGE et al. 2000] mit Blick auf eine
Senkung des Homocysteinspiegels auf 400 µg/d angehoben.
33
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
hinwegtäuschen, dass ein Teil der Probandinnen nicht die empfohlene
Nährstoffaufnahme erreichte. Dies gilt z. B. bei Thiamin (16 %, der Probandinnen),
Ascorbinsäure (9,1 %), Riboflavin (9,1 %) sowie Cobalamin (11,8 %). Im Hinblick
auf die mögliche präventive Wirkung eines guten Vitamin-E-Versorgungsstatus ist
auch der Anteil von 41 % der Frauen, die den DGE-Schätzwert nicht erreichten,
als ungünstig anzusehen. Besser war die Situation bei Pyridoxin. Hier
unterschritten nur 2,7 % der Frauen die erwünschte Zufuhr. Auch bei β-Carotin
kann die Zufuhrsituation als günstig beurteilt werden, insbesondere mit Blick auf
die Ergebnisse der VERA-Studie. Der Schätzwert für ein adäquate Zufuhr von
2-4 mg wurde nur von drei Probandinnen (1,4 %) nicht erreicht. Beim Magnesium
lag der Anteil bei 6 % der Studienteilnehmerinnen.
Insgesamt
wiesen
die
Teilnehmerinnen
der
HANNA-Studie
eine
überdurchschnittlich gute Ernährung auf. Die Probandinnen entsprachen somit
dem Studienziel, die möglichen Auswirkungen einer Supplementierung bei
Personen
zu
untersuchen,
die
den
wissenschaftlich
anerkannten
Ernährungsratschlägen im Wesentlichen folgen.
Nahrungszufuhr an Thiamin
Der aus den Mittelwerten der beiden Ernährungsprotokolle ermittelte Median der
Thiaminzufuhr der HANNA-Probandinnen lag bei 1,3 mg/d und damit im von der
DGE empfohlenen Bereich. Die Verteilung der Häufigkeiten der Thiaminzufuhr
stellt Abbildung 4 dar. Zwischen den beiden Ernährungsprotokollen im April und im
Oktober bestand hinsichtlich der Thiaminzufuhr kein signifikanter Unterschied. Die
VERA-Probandinnen im Alter von 55-64 Jahren wiesen mit 1,1 mg/d eine etwas
geringere Thiaminzufuhr als die HANNA-Probandinnen auf [Heseker et al. 1994].
Obwohl die Zufuhr im Durchschnitt auf eine gute Versorgung schließen lässt,
zeigte sich, dass 35 Frauen (16 %) unterhalb der DGE-Empfehlung lagen.
Als gute Thiaminquellen in der Nahrung gelten Muskelfleisch, insbesondere vom
Schwein, sowie Vollkornprodukte (vor allem Haferflocken), Hülsenfrüchte und
Kartoffeln [DGE et al. 2000, S. 103]. Es ließen sich jedoch keine signifikanten
34
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Korrelationen zwischen der Lebensmittelzufuhr an Fleisch und/oder Getreidebzw. Vollkornprodukten und der Thiaminzufuhr nachweisen.
50
40
30
Häufigkeit (n)
20
10
Std.abw. = ,39
Mittel = 1,34
N = 213,00
0
63
3,
38
3,
13
3,
88
2,
63
2,
38
2,
13
2,
88
1,
63
1,
38
1,
13
1,
8
,8
3
,6
Thiaminzufuhr
Abbildung 4: Thiaminzufuhr der HANNA-Probandinnen
Die Thiaminzufuhr ist eng mit der Energieaufnahme verknüpft, da das Vitamin
vorwiegend in energiereichen Lebensmitteln vorkommt. Nach den Daten der
VERA-Studie
erreichten
Frauen
eine
Zufuhr
von
1,1 mg/d
bei
einer
Energieaufnahme von > 8,37 MJ [Heseker et al. 1994]. Diese Grenze der
kritischen Energiezufuhr lässt sich bei den HANNA-Probandinnen auch für die
etwas geringere Zufuhrempfehlung von 1,0 mg Thiamin bestätigen. So wiesen 34
der 35 Probandinnen mit einer Thiaminzufuhr von unter 1,0 mg/d eine
Energiezufuhr von ≤ 8372 kJ/d auf.
35
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
2.4.3.5 Versorgungsstatus der Probandinnen bei der Basisuntersuchung
Die Bewertung von Messgrößen der Nährstoffversorgung, hier insbesondere der
Vitaminversorgung, gestaltet sich schwierig [Übersicht bei Heseker 1993]. Dies gilt
sowohl für die Aussagekraft von Einzelmessungen als auch für die Festlegung von
Referenzwerten. Hier besteht, im Gegensatz zu vielen anderen, lang etablierten
Messgrößen
der
klinischen
Chemie,
eine
erhebliche
Unsicherheit,
da
umfangreiche internationale Daten zur Definition von Normbereichen bisher
fehlen. Dies wurde auch bei der Analyse der Daten aus der HANNA-Studie
evident.
Im Allgemeinen wurden zur Bewertung (wie auch bei den Daten der Deutschen
Vegan Studie, vgl. Kapitel 3.4.3.4) die vom jeweiligen Labor zugrunde gelegten
Referenzwerte herangezogen. In der Literatur publizierte Daten zu solchen
Grenzwerten variieren, so dass nicht von einem „richtigen“ Referenzwert
ausgegangen werden kann. Neben den geschilderten Problemen ergibt sich bei
vielen „Normwerten“ eine weitere grundsätzliche Frage: Unter präventiven
Gesichtspunkten könnten für einige Nährstoffe höhere Plasmaspiegel als
wünschenswert gelten als dies bisher der Fall war. Dies gilt insbesondere für
Antioxidanzien [Übersicht in Anlage 8, S. 119ff], beispielsweise für Vitamin E, bei
dem ein unterer Grenzwert von 30 µmol/l (1,29 mg/dl)30 (statt 17,4 µmol/l
entsprechend 0,75 mg/dl) als präventiv diskutiert wird [vgl. Anlage 8, S. 118ff].
Gleichermaßen wurde für Ascorbinsäure eine Plasmakonzentration ≥ 50 µmol/l (≥
0,88
mg/dl)
(statt
> 28,4 µmol/l
entsprechend
> 0,5 mg/dl)
vorgeschlagen
[Biesalski et al. 1995]. Auch für Selen gehen einige Autoren von höheren
wünschenswerten Serumspiegeln im Bereich von 1,27-1,65 µmol/l (100-130 µg/l)
aus [Schmidt und Bayer 1992]. Dieser Gesichtspunkt wird bei der kurzen
Darstellung der einzelnen Substanzen noch einmal aufgegriffen.
30
In der klinischen Chemie werden Messwerte nach wie vor oft in der Dimension Masse/dl bzw.
Masse/l angegeben. Dort wo sie häufig zu finden sind, werden sie teilweise in Klammern
angeführt.
36
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Tabelle 8: Übersicht über den Versorgungsstatus des HANNA-Gesamtkollektivs
mit Mikronährstoffen bei der Basisuntersuchung, Normbereich und
Prävalenz niedriger Messwerte
Versorgungsparameter
Gesamtkollektiv
(Median, 5-95
Perzentile, n)
Normbereich1
Anteil der Probandinnen mit
niedrigem
Versorgungsstatus (%)
Thiamin [α-ETK]
1,12 (1,04-1,26)
n = 218
< 1,1
72
Riboflavin [α-EGR]
1,15 (1,02-1,36)
n = 218
< 1,5
1,4
Pyridoxin [α-EAST]
1,54 (1,25-1,93)
n = 218
< 1,8
12,8
Cobalamin [pmol/l]
267 (177-436)
n = 214
111-664
0
Folsäure im Plasma
[nmol/l]
19,26 (11,03-31,72)
n = 212
6,80–45,31
0
Folsäure in
Erythrocyten [nmol/l]
609 (356-976)
n = 216
340
2,8
Ascorbinsäure
[µmol/l]
103,9 (65,9-144,8)
n = 207
> 28,4
0
Vitamin E [µmol/l]
34,60 (25,54-46,20)
n = 218
17,4-53,4
<1
β-Carotin [µmol/l]
0,95 (0,36-2,34)
n = 218
> 0,75
33
CIAVIT-Wert
3,39 (0,99-11,16)
n = 206
nicht
festgelegt
-
Coenzym Q10 [µmol/l]
0,99 (0,54-1,71)
n = 216
0,92-1,37
40
Selen [µmol/l]
1,13 (0,85-1,54)
n = 205
0,89-1,012
8
Magnesium im Serum
[mmol/l]
0,86 (0,75-1,06)
n = 219
0,7-1,05
0
Magnesium in
Erythrocyten [mmol/l]
2,50 (1,70-3,50)
n = 217
2,3-3,8
30
1
Normbereich: abgesehen von gekennzeichneten Ausnahmen wurden die vom jeweiligen
Labor angegebenen Werte zugrunde gelegt.
2
Normbereich nach Letsche u. Schweinsberg 2000
Insgesamt wiesen die HANNA-Probandinnen bei den untersuchten Parametern
einen relativ guten Versorgungsstatus auf (vgl. Tabelle 8). Die Prävalenz niedriger
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
37
Messwerte31 war bei Thiamin32 mit rund 70 % am höchsten. Auf eine weniger gute
Versorgung deuten auch die Prozentzahlen bei Ubichinol und β-Carotin.
Der gute Versorgungsstatus der HANNA-Probandinnen wird auch bei einem
Vergleich mit dem VERA-Kollektiv deutlich. Tabelle 9 gibt eine Übersicht über die
Versorgungsparameter der VERA- und HANNA-Probandinnen. Dabei zeigte sich
anhand der Mediane eine bessere Versorgung der HANNA-Probandinnen vor
allem bei Folsäure, Ascorbinsäure und β-Carotin, aber auch bei Riboflavin,
Pyridoxin, Vitamin E, Selen und Magnesium. Ein geringfügig niedrigerer Status als
im VERA-Kollektiv war lediglich beim Cobalamin festzustellen. Dies könnte auf
einen geringeren Verzehr an Fleisch und Fleischwaren im HANNA-Kollektiv
zurückzuführen sein, der nur etwa bei der Hälfte der von den VERA-Probandinnen
aufgenommenen Menge lag [Heseker et al. 1994]. Interessanterweise war die
Differenz der Cobalaminzufuhr trotz des deutlich geringeren Verzehrs an diesen
Lebensmitteln nur unwesentlich niedriger (VERA-Kollektiv: 4,7 µg/d, HANNAKollektiv: 4,5 µg/d) (Tabelle 7). Daher muss als eine weitere Ursache der Differenz
die etwas abweichende Altersstruktur angesehen werden. Die betrachtete VERAGruppe im Alter von 55-64 Jahren wies im Vergleich zum HANNA-Kollektiv mehr
jüngere Frauen auf. Der schlechtere Versorgungsstatus könnte sich dadurch
ergeben, dass die Cobalaminabsorption und damit der Versorgungsstatus im
höheren Lebensalter häufig aufgrund von gastrointestinalen Problemen, wie z. B.
atrophischer Gastritis, beeinträchtigt ist. Schätzungen gehen davon aus, dass
10-15 % der über 60-Jährigen einen suboptimalen Vitamin-B12-Spiegel aufweisen,
ohne dass klassische Mangelsymptome auftreten [Baik und Russell 1999, Stabler
et al. 1997].
31
In Anbetracht der grundsätzlich schwierigen Bewertung ist es nicht angemessen, bei
Unterschreiten des Normbereichs von einem Mangel an der jeweiligen Substanz auszugehen.
Der niedrige Messwert ist vielmehr ein Indiz für eine marginale Vitaminversorgung, die sich
langfristig durch unspezifische Mangelsymptome (insbesondere Beeinträchtigungen des
psychischen Befindens und der Leistungsfähigkeit) bemerkbar machen kann.
32
Der hohe Anteil von Probandinnen mit marginalem Versorgungsstatus bedarf einer
detaillierteren Betrachtung, da er sich im Wesentlichen durch den vom Labor fixierten
Normbereich ergab (s. S. 40).
38
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Tabelle 9: Vergleich des Versorgungsstatus der HANNA- und der VERAProbandinnen
Versorgungsparameter
HANNAGesamtkollektiv
(Median, 5-95
Perzentile, n)
VERA, Frauen
55-64 Jahre1
(Median, 2,5-97,5
Perzentile, n)
Thiamin [α-ETK]
1,12 (1,04-1,26)
n = 218
1,10 (1,01-1,21)
Riboflavin [α-EGR]
1,15 (1,02-1,36)
n = 218
1,33 (1,08-1,65)
Pyridoxin [α-EAST]
1,54 (1,25-1,93)
n = 218
1,58 (1,26-1,92)
Cobalamin [pmol/l]
267 (177-436)
n = 214
280 (124-669)
Folsäure im Serum
[nmol/l]
19,26 (11,03-31,72)
n = 212
13,0 (5,0-36,0)
609 (356-976)
n = 216
n.b.
Ascorbinsäure
[µmol/l]
103,9 (65,9-144,8)
n = 207
82,6 (32,9-119,2)
Vitamin E [µmol/l]
34,60 (25,54-46,20)
n = 218
34,2 (18,9-61,0)
β-Carotin [µmol/l]
0,95 (0,36-2,34)
n = 218
0,72 (0,25-2,08)
CIAVIT-Wert
3,39 (0,99-11,16)
n = 206
2,03 (0,16-15,12)2
Coenzym Q10 [µmol/l]
0,99 (0,54-1,71)
n = 216
n.b.
Selen [µmol/l]
1,13 (0,85-1,54)
= 205
1,03 (0,75-1,41)
Magnesium im Serum
[mmol/l]
0,86 (0,75-1,06)
n = 219
0,79 (0,64-0,97)
Magnesium in
Erythrocyten [mmol/l]
2,50 (1,70-3,50)
n = 217
n.b.
Folsäure in
Erythrocyten [nmol/l]
n.b. - nicht bestimmt
1
Aufgrund der Altersverteilung des HANNA-Kollektivs mit dem größten Anteil an
Probandinnen im Alter von 60-63 Jahren wurde die VERA-Gruppe von 55-64 Jahren als
Vergleichsgruppe gewählt und nicht die Gruppe ≥ 65 Jahre.
2
errechnet aus den Daten der VERA-Untersuchung [Heseker et al. 1994b]
39
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
2.4.3.6 Auswirkungen der Nährstoffsupplementierung auf den
Versorgungsstatus und funktionelle Parameter
Nachfolgend
werden
die
Ergebnisse
der
Intervention
zusammenfassend
dargestellt. Am Beispiel von Thiamin sollen einige weitergehende Analysen
erläutert werden. Sie bieten einen ersten Ansatz für zukünftige Arbeiten, die
darauf abzielen, den potenziellen Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln in
bestimmten
Versorgungssituationen
näher
zu
charakterisieren.
Auf
die
Wiedergabe weiterer Details, insbesondere bei anderen Nährstoffen, wurde
aufgrund des Überblickcharakters dieser Abhandlung verzichtet.
Thiamin
Thiamindiphosphat kommt aufgrund seiner Coenzymfunktion bei dehydrierenden
Decarboxylierungs–
und
Transketolasereaktionen
insbesondere
für
den
Kohlenhydratstoffwechsel und die Energiebereitstellung große Bedeutung zu.
Über
die
Funktionen
Coenzymfunktion
im
hinaus
Nervensystem
besitzt
[Haas
Thiamintriphosphat
1988].
Ferner
werden
spezifische
funktionelle
Zusammenhänge zwischen dem Thiamin- und Acetylcholinstoffwechsel in
cholinergen Nervenendigungen diskutiert sowie eine Rolle des Vitamins bei der
Freisetzung des Neurotransmitters Acetylcholin [Gaßmann 1997].
Thiamin wird in niedrigen Konzentrationen aktiv (energie- und natriumabhängig),
in höheren Dosierungen über einfache Diffusion absorbiert. Der aktive, carriervermittelte Transport ist bei intestinalen Konzentrationen von etwa 2 µmol/l
gesättigt, so dass mit steigender Dosis der prozentuale Anteil an absorbiertem
Thiamin abnimmt. Das in der Mucosa phosphorylierte Thiamin wird über die
Pfortader zur Leber transportiert und liegt im Vollblut zu 75 % in den Erythrocyten,
zu 15 % an Leukocyten, und zu 10 % im Plasma vor allem an Albumin gebunden
vor [Bässler et al. 1997]. Trotz dieser Proteinbindung weist Thiamin eine sehr
kurze Halbwertszeit von nur etwa einer Stunde auf und wird dann renal
ausgeschieden [Weber und Krewitz 1985]. Die Thiaminspeicherkapazität des
Organismus ist mit 4 bis 10 Tagen die niedrigste aller B-Vitamine [Gubler 1991],
so
dass
einer
kontinuierlichen
Zufuhr
für
die
Aufrechterhaltung
der
Körperbestände besondere Bedeutung zukommt. Da thiaminabhängige Enzyme
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
40
an der Bereitstellung von Energieäquivalenten beteiligt sind, ergibt sich eine
positive Korrelation zwischen Energie- und Thiaminumsatz, so dass bei hohem
Energieumsatz ein erhöhter Thiaminbedarf besteht [vgl. auch Anlage 8, S. 141ff].
Die empfohlene Thiaminzufuhr liegt für Frauen aller Altersgruppen bei 1 mg/d
[DGE et al. 2000].
Zur Beurteilung des Thiamin-Versorgungsstatus wird üblicherweise nicht der stark
zufuhrabhängige Plasmaspiegel des Vitamins herangezogen, sondern der
Aktivierungskoeffizient der Thiamindipshosphat(TDP)-abhängigen erythrocytären
Transketolase (α-ETK). Dieser errechnet sich als Quotient der Aktivität der
Transketolase in der Probe nach Zusatz von TDP im Vergleich zur Aktivität des
Enzyms ohne Zugabe von TDP zum Reaktionsansatz. Ist die Enzymaktivität durch
die Thiamingabe deutlich aktivierbar, ist dies ein Zeichen für eine knappe
Versorgungslage. Die Verringerung eines erhöhten Aktivierungskoeffizienten ist
mit einer Verbesserung der Versorgungslage gleichzusetzen.
Der Grenzwert, oberhalb dessen von einem niedrigen Versorgungsstatus
ausgegangen werden kann, wurde vom kooperierenden Labor mit ≥ 1,1
angegeben. Dieser Wert wurde auch bei allen Auswertungen zugrunde gelegt. Die
Auswertungen der VERA-Studie beziehen sich demgegenüber auf einen
Grenzwert von ≥ 1,2. Welche Bedeutung diesem Unterschied zukommt, wird bei
Betrachtung der Werte des HANNA-Kollektivs vor der Supplementierung deutlich
(vgl. auch Tabelle 8, S. 36). Wird ein Grenzwert von 1,1 zugrunde gelegt, liegt die
Prävalenz niedriger Messwerte im Gesamtkollektiv bei 72 %, bei einem Grenzwert
von 1,2 nur bei 12,8 %.
Die Grenzwertdiskussion soll nicht Gegenstand dieser Ausführungen sein. Die
Daten legen aber zumindest nahe, diesen Bereich, in dem sich vor der
Intervention 58,2 % der Probandinnen befinden, zu berücksichtigen. Gerade unter
dem Gesichtspunkt, dass in der klinischen Chemie (vgl. auch Kapitel 4.7) ohnehin
keine exakten Schwellenwerte zu formulieren sind, verdient der unscharfe Bereich
(1,1 < α-ETK < 1,2) Beachtung.
Tabelle 10 zeigt, dass die HANNA-Probandinnen bei der Basisuntersuchung im
Durchschnitt geringfügig oberhalb des wünschenswerten Aktivierungskoeffizienten
41
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
lagen. Zwischen Verum- und Placebogruppe bestand zu diesem Zeitpunkt kein
signifikanter Unterschied. Zwischen der Nahrungszufuhr an Thiamin und dem
Versorgungsstatus
zum
Zeitpunkt
der
Basisuntersuchung
bestand
keine
signifikante Korrelation.
Tabelle 10: Aktivierungskoeffizient der α-ETK zu beiden Untersuchungszeitpunkten
Untersuchungszeitpunkt
Verumgruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
Placebogruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
p1
Basisuntersuchung
1,12 (1,03-1,27)
1,14 (1,04-1,27)
n.s.
n = 110
n = 108
nach Supplementierung
1,07 (1,00-1,16)
1,13 (1,03-1,25)
n = 111
n = 107
p < 0,01
n.s.
p
2
p < 0,01
1
U-Test nach Mann-Whitney auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und
Placebogruppe
2
Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten
Nach der Supplementierungsphase wies die Verumgruppe im Vergleich zur
Basisuntersuchung einen signifikant niedrigeren Aktivierungskoeffizienten auf; der
Median
lag
im
wünschenswerten
Bereich.
Verum-
und
Placebogruppe
unterschieden sich zu diesem Zeitpunkt signifikant (Abbildung 5). Die beobachtete
Verbesserung des Versorgungsstatus spiegelt sich auch in der verminderten
Prävalenz niedriger Messwerte nach Supplementierung wider. So wiesen vor der
Intervention 156 der 218 Frauen (72 %) einen Aktivierungskoeffizienten ≥ 1,1 auf,
nach der Supplementierung betraf dies nur noch 107 Frauen (49 %), von denen
jedoch nur 26 der Verumgruppe angehörten. Dennoch reichte die verabreichte
Thiamindosis, die mit 2,4 mg/d mehr als das Doppelte der DGE-Empfehlung
lieferte, nicht aus, um den Aktivierungskoeffizienten aller Probandinnen auf einen
Wert unter 1,1 zu bringen.
42
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
1,4
Aktivierungskoeffizient der alpha-ETK
1,3
1,2
1,1
1,0
Basisuntersuchung
nach 6 Monaten
,9
N=
110
110
106
Verum
106
Placebo
Abbildung 5: Aktivierungskoeffizienten der Erythrocyten-Transketolase vor und
nach Supplementierung
Der hohe Anteil an Frauen mit erhöhten Aktivierungkoeffizienten vor der
Supplementierung von fast ¾ aller Probandinnen deutet auf eine relativ schlechte
Versorgungssituation insgesamt hin. Dass mit einem höheren Lebensalter eine
Verschlechterung des Thiaminstatus verbunden ist, zeigte sich auch in anderen
Untersuchungen. So wiesen ältere Menschen unabhängig von Komorbiditäten
signifikant niedrigere Thiamindiphosphatkonzentrationen auf als eine jüngere
Vergleichsgruppe [Wilkinson et al. 2000].
Um zu überprüfen, inwieweit sich der Versorgungsstatus der Probandinnen vor
der Supplementierung auf die Veränderung der Werte auswirkte, wurden die
Aktivierungskoeffizienten der Verumgruppe vor der Supplementierung mit den
Differenzen der jeweiligen Koeffizienten (α-ETKnach Intervention - α-ETKvor Intervention)
korreliert. Dabei zeigte sich eine hochsignifikante Korrelation (r = 0,79; p < 0,01).
Bei
Probandinnen,
die
vor
der
Supplementierung
einen
höheren
Aktivierungskoeffizienten und damit einen schlechteren Versorgungsstatus
43
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
aufwiesen,
wurde
demnach
eine
stärkere
Verminderung
des
Aktivierungskoeffizienten erzielt als bei solchen, die ohnehin besser versorgt
waren (Abbildung 6).
r = 0,79
0,30
Diff alpha-ETK
p < 0,01
0,10
$
$ $
$$
-0,10
$
$
$
$$
$ $
$ $
$ $ $ $
$$$
$
$$$ $
$$ $
$$
$
$ $$ $
$$ $ $ $ $
$ $ $ $$
$ $ $$
$ $
$$ $
$ $$
$ $ $
$$
$$ $
$$ $
$ $ $$
$ $$
$
$$
$
$
$$ $ $ $
$$
$
$
$
$$
$
-0,30
1,00
1,10
1,20
1,30
1,40
1,50
alpha-ETK zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung
Abbildung 6: Korrelation zwischen α-ETK zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung
und der Differenz der Werte (nach Supplementierung minus Basisuntersuchung)
Die deutliche Statusverbesserung durch das Supplement zeigte sich auch nach
Einteilung der Verumgruppe in 3 Klassen. Der Klasse 1 wurden alle Probandinnen
mit
einem
Aktivierungskoeffizienten
< 1,1
zugeordnet,
die
die
beste
Thiaminversorgung aufwiesen. In Klasse 2 wurden alle Probandinnen mit
Aktivierungskoeffizienten von 1,1 bis < 1,2 und in Klasse 3 alle mit Werten ≥ 1,2
eingeteilt.
44
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Tabelle 11: Anzahl der Probandinnen in der Verumgruppe mit sehr gutem,
grenzwertigem und schlechtem Thiamin-Versorgungsstatus vor und nach
der Supplementierung
Klasse 1 (AK < 1,1)
Klasse 2 (AK 1,1 - < 1,2)
Klasse 3 (AK ≥ 1,2)
Anzahl (Prozent,
gerundet)1 der
Probandinnen vor der
Supplementierung,
Median des AK
Anzahl (Prozent,
gerundet)1 der
Probandinnen nach der
Supplementierung,
Median des AK
33 (30,0 %)
85 (76,6 %)
1,08
1,06
64 (58,2 %)
24 (21,6 %)
1,14
1,13
13 (11,8 %)
2 (1,8 %)
1,24
1,21
1
Die Prozentzahlen geben den Anteil der Probandinnen an der Gesamtverumgruppe zum
jeweiligen Zeitpunkt an,
In der Literatur finden sich widersprüchliche Befunde zur Versorgungssituation mit
Thiamin bei älteren Menschen. Übereinstimmend mit unseren Ergebnissen wiesen
in einer kanadischen Untersuchung fast die Hälfte von 60 untersuchten
Seniorinnen und Senioren im Alter von ≥ 65 Jahren, deren Nahrungszufuhr an
Thiamin oberhalb der Empfehlung lag, Aktivierungskoeffizienten ≥ 1,14 auf, die in
dieser Studie als Zeichen einer niedrigen Versorgung definiert wurden. Zudem
fand sich auch hier keine Korrelation zwischen der Thiaminzufuhr mit der Nahrung
und dem biochemischen Status [Nichols und Basu 1994]. Die Autoren
schlussfolgern, dass die Nahrungszufuhr als Indikator für die tatsächliche
metabolische
Verfügbarkeit
ungeeignet
ist.
In
einer
randomisierten,
placebokontrollierten Untersuchung an 80 älteren Frauen, die in der Verumgruppe
täglich 10 mg Thiamin erhielten, ergaben sich im Vergleich zur Placebogruppe
signifikante Verbesserungen hinsichtlich des Wohlbefindens, der Müdigkeit sowie
eine Steigerung des Appetits [Smidt et al. 1991]. Wie auch bei den HANNAProbandinnen
festgestellt,
beeinflusst
die
Versorgungssituation
vor
einer
Supplementierung deutlich das Ausmaß der zu erwartenden Senkung des
Aktivierungskoeffizienten. Dies zeigte sich auch in einer Untersuchung an
222 älteren Menschen ≥ 65 Jahren, deren erythrocytären Thiamindiphosphatkonzentrationen zweimal im Abstand von drei Monaten bestimmt wurden. 18 %
wiesen nur bei der ersten, aber nicht bei der zweiten Messung niedrige
45
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Konzentrationen auf, während 16 % bei beiden Untersuchungen durch niedrige
Messwerte auffielen. Nach oraler Supplementierung von 10 mg/d Thiamin ergaben
sich nur bei denen, die bei beiden Untersuchungen niedrige Messwerte hatten,
deutliche Verbesserungen der Werte [Wilkinson et al. 1997].
Auf einen unzureichenden Thiaminstatus insbesondere bei institutionalisierten
älteren Menschen deuten Untersuchungen, in denen diese mit gesunden Senioren
verglichen wurden. Während bei den gesunden Probanden keine Hinweise auf
eine unzureichende Versorgung bestanden, wiesen die institutionalisierten
Senioren sowohl eine geringere alimentäre Thiaminzufuhr wie auch biochemische
Werte auf, die auf eine Mangelsituation schließen ließen [O’Rourke et al. 1990].
Bei der Beurteilung einer marginalen Thiaminversorgung sollte auch berücksichtigt
werden, dass bei älteren Menschen insgesamt eine verminderte Aktivität der
α-ETK vorliegt. So zeigten Untersuchungen, dass in der Zeitspanne zwischen dem
18. und dem 90. Lebensjahr eine statistisch signifikante Verminderung der
Enzymaktivität um 25 % auftritt, die unabhängig vom Geschlecht und von
Erkrankungen zu beobachten ist. Diese Verringerung besteht auch nach
Thiamindiphosphatzugabe bei der Ermittlung des Aktivierungkoeffizienten, so dass
der Aktivierungskoeffizient die altersbedingte Veränderung nicht widerspiegelt
[Rooprai et al. 1990]. Kommt zu der altersbedingten Verminderung der
Enzymaktivität ein unzureichender Versorgungszustand mit Thiamin hinzu, kann
die Enzymfunktion hierdurch insgesamt gravierend reduziert sein.
Riboflavin
Zur
Beurteilung
Aktivierungskoeffizient
des
Riboflavin-Versorgungszustandes
α-EGR,
der
sich
als
Quotient
der
diente
der
Aktivität
der
erythrocytären Glutathionreductase mit und ohne Zusatz von Flavin-AdeninDinucleotid (FAD) errechnen lässt. Als Normbereich werden Werte < 1,5
angegeben. Eine Verringerung des Wertes ist analog zu α-ETK mit einer
Verbesserung des Versorgungsstatus gleichzusetzen. Die Versorgung der
HANNA-Probandinnen mit diesem vor allem über Milch und Milchprodukte
aufgenommenen Vitamin war bereits vor der Supplementierung sehr gut (Tabelle
8). Trotz der guten Versorgungssituation konnte nach der Supplementierung in der
46
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Verumgruppe eine signifikante Verminderung des Aktivierungskoeffizienten
gegenüber der Basisuntersuchung und ein signifikant niedrigerer Wert verglichen
mit der Placebogruppe beobachtet werden (Tabelle 12).
Tabelle 12: Aktivierungskoeffizient der α-EGR zur Beurteilung der Vitamin-B2Versorgung zu beiden Untersuchungszeitpunkten
Untersuchungszeitpunkt
Verumgruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
Placebogruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
p
Basisuntersuchung
1,15 (1,01-1,36)
n = 109
1,16 (1,02-1,37)
n = 109
n.s.1
nach Supplementierung
1,02 (1,00-1,10)
1,16 (1,00-1,35)
p < 0,012
n = 111
n = 107
p < 0,01
n.s.
p
3
1
t-Test auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe
2
U-Test nach Mann-Whitney auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und
Placebogruppe
3
Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten
Bereits
vor
der
Intervention
überschritten
im
Gesamtkollektiv
nur
drei
Probandinnen den wünschenswerten Aktivierungskoeffizienten von < 1,5, nach
der
Supplementierung
lagen
alle
Frauen
im
Normbereich.
Durch
die
Supplementierung konnte in der Verumgruppe zwar eine weitere Verbesserung
der Situation erreicht werden, die aber ohne praktische Bedeutung ist, da auch
vorher eine sehr gute Versorgungssituation festzustellen war. Dies ist vermutlich
darauf zurückzuführen, dass Milch und Milchprodukte in der wünschenswerten
Menge verzehrt wurden.
Pyridoxin
Auch der Pyridoxinstatus wurde anhand eines Aktivierungskoeffizienten (α-EAST)
beurteilt. Hierbei diente die Aktivierbarkeit des Enzyms Aspartat-Aminotransferase
in den Erythrocyten nach Zusatz von Pyridoxalphosphat (PALP) im Vergleich zur
Messung ohne Coenzymzusatz als Messparameter. Werte über 1,8 können als
Hinweis auf eine unzureichende Versorgung angesehen werden.
47
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung wiesen 87,2 % des Gesamtkollektivs einen
α-EAST-Wert
von
< 1,8
auf,
gleichbedeutend
mit
einer
ausreichenden
Versorgung; die Prävalenz erhöhter Messwerte lag bei 12,8 %. Der Median des
α-EAST-Wertes betrug 1,54. Nach der Supplementierung lagen die α-EAST-Werte
bei 89,4 % des Gesamtkollektivs unter einem Wert von 1,8. Allerdings hatte sich in
der Placebogruppe eine nicht erklärbare Verschlechterung der durchschnittlichen
Versorgungssituation ergeben, erkennbar an einem Anstieg des Medians von 1,56
auf 1,63 (Tabelle 13).
Tabelle 13: Aktivierungskoeffizient der α-EAST zur Beurteilung der
Pyridoxinversorgung zu beiden Untersuchungszeitpunkten
Verumgruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
Placebogruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
p1
Basisuntersuchung
1,51 (1,25-2,05)
1,56 (1,21-1,93)
n.s.
n = 109
n = 108
nach Supplementierung
1,48 (1,32-1,77)
1,63 (1,37-1,98)
n = 111
n = 107
p < 0,01
p < 0,01
Untersuchungszeitpunkt
p
2
p < 0,01
1
U-Test nach Mann-Whitney auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und
Placebogruppe
2
Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten
Insgesamt zeigte sich ein guter Versorgungsstatus der HANNA-Probandinnen mit
Pyridoxin, der durch die Supplementierung noch geringfügig verbessert wurde.
Wie im Falle von Thiamin wurde durch die Supplementierung nicht bei allen
Probandinnen der Versorgungsparameter unter den kritischen Grenzwert gesenkt.
Cobalaminstatus und Methylmalonsäure als Versorgungsindikator
Die Cobalaminkonzentration im Serum spiegelt den Versorgungsstatus nur
unzureichend wider, da davon ausgegangen wird, dass die Serumwerte im
Anfangsstadium eines Mangels zu Lasten der Gewebespeicher konstant gehalten
werden. Die Aussagekraft eines Cobalamin-Serumspiegels im Normbereich ist
daher eingeschränkt. Der Normbereich ist weit gestreut und wurde vom Labor für
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
48
die verwendete Bestimmungsmethode mittels Chemilumineszenz-Immunoassay
mit 111-664 pmol/l (150-900 ng/l) Serum angegeben33.
Als Alternative zur Serumkonzentration wird diskutiert, ob im Mangel entstehende
Metaboliten (wie Homocystein und Methylmalonsäure) als sensitivere Indikatoren
des Versorgungsstatus herangezogen werden können. Zudem könnte eine
Erhöhung des unteren Normwertes auf 258 pmol/l (350 ng/l) sinnvoll sein, da bei
einem niedrigeren Minimalwert eine große Anzahl von Personen mit einem Defizit
nicht diagnostiziert wird [Lindenbaum et al. 1990, 1994].
Weder bei der Basisuntersuchung noch nach der Supplementierung gab es
Probandinnen, deren Cobalaminspiegel im Serum unterhalb des festgelegten
Grenzwertes von 111 pmol/l (150 ng/l) lag. Wird jedoch der von Lindenbaum et al.
[1994] für ältere Menschen festgesetzte Grenzwert von 258 pmol/l herangezogen,
so lagen die Serumspiegel von 97 HANNA-Probandinnen (44,7 %) bei der
Basisuntersuchung darunter. Nach der Supplementierung waren es noch
87 Frauen (39,7 %), die unter dem Grenzwert von 258 pmol/l lagen. 62 von ihnen
gehörten der Placebogruppe an, 25 der Verumgruppe.
Da es im Cobalaminmangel zu einem Anstieg von Methylmalonsäure (MMA) im
Plasma kommt [vgl. Kapitel 3.4.3.6, S. 119), kann Methylmalonsäure als
spezifischer Parameter für die Cobalaminversorgung herangezogen werden. Bei
unzureichender Cobalaminversorgung kann Methylmalonyl-CoA nicht zu SuccinylCoA isomerisiert werden, so dass die Methylmalonsäurekonzentration im Plasma
steigt. Aufgrund der hohen Sensitivität für die Diagnose eines Cobalaminmangels
ist die Methylmalonsäurekonzentration als Indikator für ein frühes Cobalamindefizit
besonders geeignet. So fanden Lindenbaum et al. [1994] bei etwa 40 % der über
70-Jährigen, deren Serum-Cobalaminspiegel unter 158 pmol/l (200 pg/ml) lag,
erhöhte Plasmakonzentrationen.
Zudem kann mit Hilfe der Methylmalonsäurewerte zwischen einem Folsäure- und
einem Cobalaminmangel differenziert werden. Erhöhte Homocysteinspiegel
33
Zu den unterschiedlichen Normbereichen der Cobalaminversorgung s. auch Kapitel 3.4.3.6,
S. 124.
49
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
können in einem Defizit an Folsäure, Pyridoxin und/oder Cobalamin begründet
sein, während erhöhte Methylmalonsäurewerte spezifisch einen Cobalaminmangel
anzeigen.
Zwischen den Cobalaminspiegeln der Verum- und Placebogruppe zeigten sich bei
der
Basisuntersuchung
keine
signifikanten
Unterschiede.
Demgegenüber
unterschieden sich die Gruppen nach der Supplementierung hoch signifikant: die
Verumgruppe wies gegenüber der Placebogruppe einen um 28 % höheren
Medianwert auf (Tabelle 14, S. 50). Wurde der Verlauf der Placebo- und der
Verumgruppe separat untersucht, zeigte sich eine hoch signifikante Senkung der
Serum-Cobalaminspiegel bei der Placebogruppe zwischen der Basis- und der
Enduntersuchung. In der Verumgruppe wurde die Versorgungssituation signifikant
verbessert. Dennoch lagen auch nach der Supplementierung die Messwerte von
rund 23 % der Probandinnen der Verumgruppe unter dem als kritisch diskutierten
Grenzwert. Hierbei muss aber berücksichtigt werden, dass die Gründe einer
unzureichenden oder marginalen Cobalaminversorgung im Alter weniger in einer
unzureichenden Zufuhr zu sehen sind als vielmehr in Verwertungsstörungen, z. B.
durch einen Mangel an dem zur Absorption des Vitamins notwendigen IntrinsicFactors. In diesen Fällen ist entweder die parenterale Gabe des Vitamins
notwendig oder die Verabreichung von Dosierungen von mehreren Hundert
Mikrogramm des Vitamins zur parazellulären Absorption. Inwieweit derartige
Störungen bei den Probandinnen vorlagen, kann nicht beurteilt werden. Aufgrund
der Häufigkeit des Cobalaminmangels bei älteren Menschen wird inzwischen eine
generelle Supplementierung mit Vitamin B12 empfohlen [Russell et al. 1999].
Als Normwert für die Methylmalonsäurekonzentration im Serum wurde der Bereich
von 76-271 nmol/l (9-32 µg/l) zugrunde gelegt [Savage et al. 1994, Koehler et al.
1996]. Insgesamt lagen bei der Basisuntersuchung 89,8 % der Probandinnen
innerhalb dieses Normbereichs. Nach der Supplementierung überschritten
weniger als 1 % der Probandinnen der Verumgruppe und etwa 12 % der
Probandinnen der Placebogruppe den Grenzwert. Nach der Supplementierung
zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen der Verum- und der
Placebogruppe; die Werte der Placebogruppe lagen höher. Bei Betrachtung der
Unterschiede zwischen den Untersuchungszeiträumen innerhalb der Gruppen wird
deutlich, dass die Supplementierung in der Verumgruppe nicht zu einer
50
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
signifikanten Veränderung der MMA-Werte führte. Demgegenüber war in der
Placebogruppe eine signifikante Zunahme zu verzeichnen34. Die Werte vor und
nach der Supplementierung für beide Untersuchungsgruppen sind in Tabelle 14
dargestellt.
Als positiver Effekt der Supplementierung kann die Beobachtung gewertet werden,
dass bei Probandinnen der Verumgruppe, die bei der Basisuntersuchung die
Normgrenze von 271 nmol/l Methylmalonsäure überschritten, eine Senkung in den
Normbereich
erfolgte.
Insgesamt
sind
die
Auswirkungen
der
Cobalaminsupplementierung mit 9 µg/d relativ gering. Es wird zukünftig zu klären
sein, ob die Bioverfügbarkeit solcher Supplemente in der Praxis durch Verteilung
auf drei Kapseln pro Tag verbessert werden kann.
Tabelle 14: Cobalaminwerte [pmol/l] und Methylmalonsäurewerte (MMA) [nmol/l]
zu beiden Untersuchungszeitpunkten
Untersuchungszeitpunkt
Verumgruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
Placebogruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
p1
Cobalamin bei der
Basisuntersuchung
274 (173-474)
261 (182-400)
n.s.
n = 109
n = 105
Cobalamin nach
Supplementierung
321 (205-537)
251 (162-379)
n = 110
n = 106
p < 0,01
p < 0,01
MMA bei der
Basisuntersuchung
164 (93-313)
159 (102-390)
n = 109
n = 107
MMA nach Supplementierung
169 (104-247)
174 (100-353)
n = 108
n = 107
n.s.
p < 0,05
p
2
p2
p < 0,01
n.s.
p < 0,05
1
U-Test nach Mann-Whitney auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und
Placebogruppe
2
Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten
34
Gegenstand weitergehender Analysen wird auch die Frage sein, welche Einflussfaktoren für die
in der Placebogruppe beobachtete Verschlechterung verschiedener Parameter (u. a. PlasmaAscorbinsäure, Cobalamin, Homocystein) verantwortlich gewesen sein könnten.
51
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Folsäurestatus und Homocysteinspiegel im Serum
Zur Bestimmung des Folsäurestatus wurde die Folsäurekonzentration sowohl in
den Erythrocyten wie auch im Plasma gemessen. Der Plasmaspiegel stellt einen
guten Parameter für die derzeitige Versorgungslage mit Folsäure dar, während der
Folsäuregehalt im Erythrocyten als Langzeitparameter angesehen wird. Der
Normwert der Erythrocyten-Folsäure liegt bei 340-1019 nmol/l (150-450 µg/l), der
der Plasmafolsäure zwischen 6,8-45 nmol/l (3-20 µg/l). Einen sensitiven Indikator
der Versorgungssituation mit den Vitaminen Folsäure, Cobalamin und Pyridoxin
stellt auch Homocystein dar. Diese Aminosäure entsteht im Stoffwechsel aus
Methionin und gilt bei erhöhten Serumwerten als Risikofaktor der Atherogenese,
da Untersuchungen zufolge bereits bei einem leicht erhöhten Homocysteinspiegel
das Risiko für Atherosklerose und koronare Herzerkrankungen steigt. Eine
unzureichende Versorgung mit den am Stoffwechsel von Homocystein beteiligten
Vitaminen führt zu einer Erhöhung der Aminosäure im Plasma [vgl. Anlage 8,
S. 74ff und Kapitel 3.4.3.6]. Eine durch Supplemente bewirkte Senkung der
Homocysteinkonzentrationen ist nach bisherigen Untersuchungen in erster Linie
durch eine Folsäureverabreichung zu erwarten [Homocysteine Lowering Trialists
Collaboration 1998, vgl. Anlage 8, S. 74ff].
Bei allen Probandinnen zeigte sich gemessen an den Normwerten sowohl im
Plasma als auch in den Erythrocyten eine sehr gute Folsäureversorgung. Zum
Zeitpunkt der Basisuntersuchung lagen die Plasma-Folsäurewerte bei allen
Frauen innerhalb der Norm und auch nur wenige Frauen wiesen einen
Erythrocyten-Folsäurewert unterhalb des Normbereichs auf (Tabelle 8, S. 36).
Während bei der Basisuntersuchung zwischen der Verum- und der Placebogruppe
keine
signifikanten
Unterschiede
hinsichtlich
der
erythrocytären
Folsäurekonzentrationen festzustellen waren, wies die Verumgruppe geringfügig,
aber signifikant, höhere Plasma-Folsäurespiegel auf. Nach der Intervention
ergaben sich sowohl im Plasma als auch in den Erythrocyten in der Verumgruppe
im Vergleich zur Placebogruppe signifikant höhere Werte (Tabelle 15).
52
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Tabelle 15: Plasma- und Erythrocyten-Folsäurestatus [nmol/l] und Homocysteinspiegel im Serum [µmol/l] zu beiden Untersuchungszeitpunkten
Untersuchungszeitpunkt
Verumgruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
Placebogruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
p
Plasma-Folsäure bei
der Basisuntersuchung
20,4 (12,5-34,4)
18,4 (10,4-30,1)
p < 0,051
n = 109
n = 105
Plasma-Folsäure nach
Supplementierung
58,9 (34,9-89,5)
18,6 (9,5-43,3)
n = 110
n = 106
p < 0,01
p
2
p < 0,014
Erythrocyten-Folsäure
bei der Basisuntersuchung
609 (353-1033)
612 (353-961)
n = 110
n = 106
Erythrocyten-Folsäure
nach Supplementierung
1298 (952-1760)
686 (392-981)
n = 111
n = 106
p < 0,01
p
2
9,65 (6,86-14,15)
9,40 (6,30-15,90)
n = 110
n = 109
Homocystein nach
Supplementierung
8,20 (6,32-11,62)
10,10 (7,15-16,75)
n = 111
n = 109
p < 0,01
p
n.s.1
p < 0,011
p < 0,012
Homocystein bei der
Basisuntersuchung
4
p < 0,011
n.s. 3
p < 0,013
p < 0,012
1
t-Test bei unabhängigen Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede
zwischen Verum- und Placebogruppe
2
t-Test bei gepaarten Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen
den Untersuchungszeitpunkten
3
U-Test nach Mann-Whitney zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen
Verum- und Placebogruppe
4
Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten
Wider Erwarten stiegen die Folsäurewerte nicht nur in der Verumgruppe an,
sondern auch in der Placebogruppe zeigten sich nach der Supplementierung
signifikant
höhere
Plasma-
und
Erythrocyten-Folsäurewerte
als
bei
der
Basisuntersuchung. Bei Betrachtung der prozentualen Erhöhung der Werte wird
jedoch deutlich, dass der Anstieg in der Placebogruppe nur vergleichsweise gering
ausfiel. So lag der Anstieg zwischen den beiden Untersuchungszeitpunkten bei
der Folsäurekonzentration in Erythrocyten in der Placebogruppe nur bei rund 12 %
gegenüber 113 % in der Verumgruppe.
53
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Die Homocysteinwerte im Serum der HANNA-Probandinnen lagen bei der
Basisuntersuchung im Median bei 9,5 µmol/l und damit in dem als normal
angesehenen Bereich zwischen 5,0 und 15,0 µmol/l [Verhoef et al. 1998]. Zu
diesem Zeitpunkt bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den
beiden Untersuchungsgruppen. Demgegenüber wies die Verumgruppe nach der
Supplementierungsphase einen um 23 % signifikant niedrigeren Wert als die
Placebogruppe auf. Diese hohe Differenz dürfte jedoch auch in einer Erhöhung
der Homocysteinspiegel der Placebogruppe begründet sein, deren Werte sich vor
und nach der Supplementierung signifikant unterschieden. Während die
Verringerung des Homocysteinwertes innerhalb der Verumgruppe gegenüber den
Ausgangswerten durchschnittlich bei 1,45 µmol/l (15 %) lag, war in der
Placebogruppe eine Erhöhung um durchschnittlich 7,4 % zu verzeichnen (Tabelle
15). Nach der Intervention wiesen alle Probandinnen der Verumgruppe einen
Homocysteinwert von höchstens 15 µmol/l auf.
Da einige Autoren diskutieren, ob nicht sogar Homocysteinspiegel unter 10 µmol/l
anzustreben sind [Gerhard und Duell 1999], ist die Erhöhung des Anteils der
Frauen der Verumgruppe, die derartige Werte erreichten, von rund 56 % bei der
Basisuntersuchung auf rund 84 % nach der Supplementierung als positiver Effekt
der Intervention zu werten.
Die Ergebnisse der HANNA-Untersuchung zeigen, dass die durchgeführte
Vitamingabe nicht nur die Versorgung mit den Vitaminen Pyridoxin, Cobalamin
und Folsäure bei den Teilnehmerinnen verbessert hat, sondern auch den
Homocysteinspiegel deutlich senken konnte, obwohl die HANNA-Probandinnen
zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung überwiegend eine zufrieden stellende
Versorgung der drei Vitamine aufwiesen. Wurden die Probandinnen je nach
Versorgungsstatus zu Beginn der Untersuchung in Klassen eingeteilt, zeigte sich
sowohl bei α-EAST als auch bei den Serum-Cobalaminwerten und den FolsäureParametern, dass die am schlechtesten versorgten Klassen am stärksten von der
Supplementierung profitierten, d. h. die deutlichste durchschnittliche Senkung des
Homocysteinspiegels
zu
verzeichnen
hatten.
Dennoch
profitierten
auch
Probandinnen der Verumgruppe mit normalen Blutparametern der Vitamine
Pyridoxin
(α-EAST-Wert
> 258 pmol/l)
und
< 1,8),
Folsäure
Cobalamin
(Cobalaminspiegel
(Erythrocyten-Folsäure
> 340 nmol/l)
im
Serum
von
der
54
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
ergänzenden Zufuhr. Obwohl der Homocysteinmedian dieser gut versorgten
Probandinnen der Verumgruppe (n = 55) bei der Basisuntersuchung mit 9,1 µmol/l
bereits in einer wünschenswerten Höhe lag, führte die Intervention zu einer
weiteren Verringerung des Medians um 11 % auf 8,1 µmol/l [Hermann 2000].
Beeinflussung des Antioxidanzienstatus durch die Supplementierung
Zahlreiche Studien haben belegt, dass ein unzureichender Versorgungsstatus mit
antioxidativ wirksamen Nährstoffen das Risiko für bestimmte Erkrankungen, wie
Atherosklerose, Tumoren, Maculadegeneration etc., erhöhen kann [Maxwell
1995]. Daher wurde im Rahmen der HANNA-Studie auch untersucht, wie
Parameter des Antioxidanzienstatus durch die Supplementierung beeinflusst
werden.
Hierzu wurde der Status von lipidstandardisiertem35 Vitamine E, Ascorbinsäure,
β-Carotin, Coenzym Q1036 sowie Selen ermittelt und als funktioneller Parameter
am
Ende
der
Intervention
die
Aktivität
des
selenabhängigen
Enzyms
Glutathionperoxidase in den Erythrocyten bestimmt. Darüber hinaus wurde der
CIAVIT-Wert, das Produkt der molaren Konzentration an Ascorbinsäure,
lipidstandardisiertem Vitamin E und β-Carotin ermittelt. Dieser Wert soll eine
Gesamtbeurteilung des Antioxidanzienstatus ermöglichen. Da die antioxidative
Wirkung der drei Substanzen durch Synergien gekennzeichnet ist, wird das
Produkt und nicht die Summe der Werte zur Berechnung herangezogen [Gey et
al. 1987]. Aus Tabelle 8, S. 36, wird ersichtlich, dass der Versorgungsstatus zum
Zeitpunkt der Basisuntersuchung relativ gut war. Dass ein hoher Anteil der Frauen
den vom Labor angegebenen Normbereich bei β-Carotin unterschritt, dürfte auch
in dem relativ hohen unteren Normwert von 0,75 µmol/l (40 µg/dl) begründet sein.
35
Die Spiegel an Vitamin E korrelieren in hohem Maße mit den Spiegeln an Cholesterol und
Triglyceriden. Um hierdurch bedingte Fehlinterpretationen auszuschließen, wurden die Werte
daher nach der von Heseker et al. [1993] beschriebenen und von Groeneveld [1994]
modifizierten Methode lipidstandardisiert.
36
Der Stellenwert von Coenzym Q10 in der antioxidativen Abwehr wird kontrovers diskutiert [vgl.
Anlage 8, S. 115 und S. 188]. Es ergeben sich aus heutiger Sicht aber synergistische Effekte zu
Vitamin E, die zumindest eine weitere Betrachtung erwägenswert machen.
55
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Als präventiv werden bereits Werte oberhalb von 0,4 µmol/l (21 µg/dl) angesehen
[Biesalski et al. 1995].
Einen Überblick über den Versorgungsstatus mit antioxidativ wirksamen
Vitaminen, Coenzym Q10 sowie über die CIAVIT-Werte vor und nach der
Supplementierung in beiden Subkollektiven vermittelt Tabelle 16. Wie aus der
Tabelle ersichtlich, bestanden zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung bei keinem
der betrachteten Parameter signifikante Unterschiede zwischen der Verum- und
der Placebogruppe. Am Ende der Interventionsphase war mit Ausnahme von
Ascorbinsäure bei allen Parametern in der Verumgruppe jeweils ein signifikant
höherer Wert als in der Placebogruppe zu verzeichnen. Zudem ergab sich nach
der Supplementierung ein signifikanter Anstieg gegenüber der Basisuntersuchung.
Ascorbinsäure stellte in dieser Beziehung eine Ausnahme dar. Während die Werte
der Verumgruppe sich zwischen den beiden Untersuchungszeitpunkten nicht
signifikant unterschieden, war in der Placebogruppe eine signifikante Verringerung
feststellbar. Diese könnte möglicherweise durch saisonale Schwankungen bedingt
sein.
Vor der Supplementierung wurde der als präventiv angesehene Vitamin-EPlasmaspiegel von 73,8 µmol/l (1,30 mg/dl) [Biesalski et al. 1995] von 21 % der
HANNA-Probandinnen
unterschritten,
demgegenüber
erreichten
nach
der
Intervention alle Frauen der Verumgruppe diesen Wert. Die anhand des vom
Labor angegebenen Normbereichs relativ schlechte Coenzym-Q10-Versorgung
verbesserte
sich
durch
die
Intervention
deutlich.
So
lagen
vor
der
Supplementierung 39 % der Verumgruppe unterhalb des Normbereiches, am
Ende der Interventionsphase traf dies demgegenüber nur noch für eine Probandin
(< 1 %) zu. Welche Faktoren für den signifikant höheren Coenzym-Q10-Wert der
Placebogruppe
am
Ende
der
Interventionsphase
gegenüber
der
Basisuntersuchung verantwortlich sind, ist unklar. Im Vergleich zur Verumgruppe
fiel der Anstieg jedoch deutlich geringer aus.
56
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Tabelle 16: Serumwerte von Ascorbinsäure [µmol/l], Vitamin E [µmol/l], β-Carotin
[µmol/l], Coenzym Q10 [µmol/l] sowie CIAVIT-Werte zu beiden Untersuchungszeitpunkten
Untersuchungszeitpunkt
Verumgruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
Placebogruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
p
Ascorbinsäure bei der
Basisuntersuchung
102,8 (67,0-140,9)
103,9 (62,0-161,3)
n.s.1
n = 103
n = 104
Ascorbinsäure nach
Supplementierung
100,5 (69,9-136,9)
84,1 (42,6-129,5)
n = 110
n = 107
n.s.2
p < 0,012
Vitamin E bei der
Basisuntersuchung
34,83 (26,94-47,37)
34,60 (25,08-45,05)
n = 110
n = 108
Vitamin E nach
Supplementierung
40,40 (34,37-51,32)
33,67 (26,24-46,44)
n = 111
n = 107
p < 0,012
n.s.3
β-Carotin bei der
Basisuntersuchung
1,01 (0,36-2,34)
0,91 (0,35-2,49)
n = 110
n = 108
β-Carotin nach Supplementierung
1,71 (0,77-3,77)
1,00 (0,46-2,04)
n = 111
n = 107
p
p
p < 0,01
p
3
1,02 (0,54-1,94)
0,98 (0,55-1,62)
n = 110
n = 106
Coenzym Q10 nach
Supplementierung
1,98 (1,06-3,50)
1,31 (0,98-2,46)
n = 110
n = 108
p < 0,01
p < 0,01
CIAVIT bei der Basisuntersuchung
3,48 (0,85-11,56)
3,20 (1,03-11,06)
n = 103
n = 103
CIAVIT nach Supplementierung
7,24 (2,36-17,44)
2,66 (1,16-7,57)
n = 110
n = 106
p < 0,013
p < 0,013
p
n.s.1
p < 0,011
n.s.4
p < 0,014
n.s.3
Coenzym Q10 bei der
Basisuntersuchung
p
p < 0,011
n.s.
p < 0,01
n.s.4
p < 0,014
1
t-Test für unabhängige Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen
Verum- und Placebogruppe
2
t-Test für gepaarte Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen
den Untersuchungszeitpunkten
3
Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten
4
U-Test nach Mann-Whitney zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen
Verum- und Placebogruppe
57
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Auch über den Schwellenwert einer ausreichenden Selenversorgung wird
kontrovers diskutiert. Während der Normbereich von 0,89-1,01 µmol/l (70-80 µg/l)
von vielen Autoren als adäquat angesehen wird [Letsche und Schweinsberg
2000], wird von anderen Autoren die zur Sättigung der GlutathionperoxidaseAktivität in den Thrombocyten notwendige Serumkonzentration von 1,27 µmol/l
(100 µg/l) als untere Grenze betrachtet [Schmidt und Bayer 1992]. Diese wurde
von rund 75 % der HANNA-Probandinnen unterschritten. Am Ende der
Intervention lagen die Serumspiegel sowohl in der Verum- als auch in der
Placebogruppe signifikant höher als vor der Supplementierung, allerdings war der
Anstieg in der Placebogruppe nur gering und vermutlich auf saisonale
Schwankungen zurückzuführen (Tabelle 17). Die Aktivität der erythrocytären
Glutathionperoxidase wurde nur am Ende der Supplementierung bestimmt. Sie lag
in der Verumgruppe signifikant höher als in der Placebogruppe und korrelierte bei
ausschließlicher Betrachtung der Werte im Bereich bis 1,27 µmol/l positiv mit den
Serum-Selenwerten.
Eine
Steigerung
der
Enzymaktivität
bis
zu
dieser
Serumkonzentration durch ergänzende Selengaben ist daher wahrscheinlich.
Tabelle 17: Serum-Selenkonzentrationen [µmol/l] und Aktivität der erythrocytären
Glutathionperoxidase (GPx) [U/g Hämoglobin] der Verum- und Placebogruppe
Untersuchungszeitpunkt
Verumgruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
Placebogruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
p
Selen bei der
Basisuntersuchung
1,13 (0,86-1,56)
1,13 (0,84-1,54)
n.s.1
n = 103
n = 102
Selen nach Supplementierung
1,59 (1,34-1,86)
1,17 (0,87-1,49)
n = 111
n = 108
p < 0,012
p < 0,053
25,47 (2,03-49,04)
23,43 (1,70-35,94)
n = 107
n = 107
p
GPx nach
Supplementierung
p < 0,011
p < 0,051
1
t-Test für unabhängige Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen
Verum- und Placebogruppe
2
t-Test für gepaarte Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen
den Untersuchungszeitpunkten
3
Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten
58
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Grundsätzlich zeigte sich bei Ascorbinsäure, Vitamin E und Selen, dass der
Anstieg der Werte nach der Supplementierung umso höher lag, je schlechter der
Ausgangsstatus der Probandinnen vor der Intervention war. Demnach profitieren
schlechter versorgte Personen in höherem Maße, so dass die verabreichten
Dosierungen auch bei schlechtem Versorgungsstatus als ausreichend erscheinen.
Die
Ergebnisse
zeigen
insgesamt,
dass
eine
Supplementierung
mit
Ascorbinsäure, Vitamin E, β-Carotin, Coenzym Q10 und Selen in physiologischer
Dosierung auch in einem relativ gut versorgten Kollektiv zu einer Verbesserung
des Antioxidanzienstatus führt oder zumindest eine Reduktion der Serumspiegel
wie bei Ascorbinsäure verhindert wird [Wolters 2001].
Magnesium in Plasma und Erythrocyten
Als Normbereich für die Magnesiumkonzentration in den Erythrocyten wurden vom
Untersuchungslabor
2,3-3,8 mmol/l
angegeben.
Im
Serum
werden
Magnesiumwerte von 0,7-1,05 mmol/l als normal angesehen. Dies entspricht den
in der Literatur zu findenden Angaben, wonach die Serum-Magnesiumwerte im
Bereich von 0,65-0,88 mmol/l liegen [Olson 1999]. Da kurzfristige Schwankungen
in der Magnesiumzufuhr durch eine vermehrte oder verminderte Ausscheidung
über die Nieren korrigiert werden, eignen sich die Werte in den Erythrocyten zur
Beurteilung der langfristigen Versorgung besser als Messungen im Serum.
Während die HANNA-Probandinnen den Normbereich bei den Serumspiegeln im
Durchschnitt erreichten, lagen die Erythrocytenwerte bei 30 % der Probandinnen
unterhalb der Norm (Tabelle 8, S. 36). Zwischen den Serum- und ErythrocytenWerten fanden sich nach der Supplementierung zum Teil gegenläufige
Veränderungen. In Tabelle 18 sind die Werte vor und nach der Intervention für
beide Subkollektive dargestellt.
Im Gesamtkollektiv wiesen die HANNA-Probandinnen zum Zeitpunkt der
Basisuntersuchung einen durchschnittlichen Serumwert von 0,86 mmol/l auf. Am
Ende der Interventionsphase lag dieser Wert mit 0,85 mmol/l geringfügig, aber
statistisch signifikant, niedriger. Verum- und Placebogruppe unterschieden sich bei
der Basisuntersuchung nicht signifikant, nach der Supplementierungsphase lagen
die
Werte
der
Placebogruppe
jedoch
signifikant
niedriger
als
die
der
59
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Verumgruppe,
wobei
dieser
Unterschied
nicht
auf
einen
Anstieg
der
Serumkonzentrationen in der Verumgruppe, sondern auf einen Abfall in der
Placebogruppe
zurückzuführen
war.
Die
Veränderungen
sind
durch
die
vergleichsweise geringe Streubreite der Werte zwar signifikant, sollten aber wegen
der absolut gesehen geringen Veränderung ebenso wie die Unterschiede
zwischen Placebo- und Verumgruppe zum Zeitpunkt nach der Supplementierung
nicht überbewertet werden.
Die durchschnittliche Konzentration in den Erythrocyten unterschied sich zwischen
der Verum- und der Placebogruppe zu keinem der Untersuchungszeitpunkte
signifikant, obwohl der Median in der Verumgruppe nach der Intervention
geringfügig höher lag.
Tabelle 18: Serum- und Erythrocyten-Magnesiumkonzentrationen [mmol/l] zu
beiden Untersuchungszeitpunkten
Verumgruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
Placebogruppe
Median, 5-95
Perzentile, n
p1
Serum-Magnesium bei
der Basisuntersuchung
0,86 (0,76-1,00)
0,86 (0,74-1,13)
n.s.
n = 110
n = 109
Serum-Magnesium
nach Supplementierung
0,86 (0,77-0,95)
0,84 (0,75-0,96)
n = 111
n = 109
n.s.
p < 0,01
Erythrocyten-Magnesium bei der Basisuntersuchung
2,40 (1,80-3,55)
2,50 (1,65-3,40)
n = 109
n = 108
Erythrocyten-Magnesium nach Supplementierung
2,50 (2,06-3,14)
2,50 (2,10-3,20)
n = 111
n = 108
n.s.
n.s.
Untersuchungszeitpunkt
p2
p3
p < 0,05
n.s.
n.s.
1
t-Test für unabhängige Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen
Verum- und Placebogruppe
2
Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten
3
t-Test für gepaarte Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen
den Untersuchungszeitpunkten
Insgesamt
kann
aus
diesen
Ergebnissen
gefolgert
werden,
dass
die
Supplementierung in Bezug auf Magnesium keine Effekte zeigte. Vermutlich ist die
relativ
geringe
Dosierung
des
Supplements
(50 mg)
im
Vergleich
zur
60
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
durchschnittlich mit der Nahrung zugeführten Menge des Mineralstoffs zu niedrig,
um Veränderungen zu bewirken.
Das Beispiel Magnesium zeigt, dass im Hinblick auf die unter Kapitel 2.2
formulierten Qualitätskriterien zu fordern ist, für Nahrungsergänzungsmittel
Mindestdosierungen
an
Verbrauchererwartung
den
ist
jeweiligen
darauf
Inhaltsstoffen
ausgelegt,
mit
festzulegen.
dem
Präparat
Die
einen
gesundheitlichen Nutzen zu erzielen. Die bei der Mehrzahl der am Markt
befindlichen Nahrungsergänzungsmittel zu findenden niedrigen Gehalte an
Magnesium sind galenisch bedingt, da das hohe Molekulargewicht der
zugelassenen Magnesiumsalze die Verwendung beschränkt.
2.4.3.7 Kognitive Leistungstests
Defizite an Mikronährstoffen können neben der körperlichen auch die mentale
Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. So zeigte sich in einer Studie, in der die
Beziehung zwischen dem Ernährungsstatus und der kognitiven Funktion
gesunder, älterer Menschen untersucht wurde, dass Senioren mit niedrigen
Blutwerten
an
Cobalamin
oder
Ascorbinsäure
schlechter
in
Tests
zur
Gedächtnisleistung und zum abstrakten Denken abschnitten [Goodwin et al.
1983]. Darüber hinaus wurden Assoziationen zwischen einem marginalen
Versorgungsstatus mit den Vitaminen Thiamin, Riboflavin, Cobalamin bzw.
Ascorbinsäure und vermehrter Depressivität, emotionaler Labilität und einer
Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses ermittelt [Chomé et al. 1986]. In einer
anderen Studie ergab sich bei Personen zwischen 55 und 95 Jahren nach
Korrektur
der
Daten
um
Alter,
Bildung,
Geschlecht,
Rauchverhalten,
Energieaufnahme und der Aufnahme anderer Antioxidanzien eine Assoziation
zwischen einer niedrigen Zufuhr an β-Carotin und einer beeinträchtigten kognitiven
Funktion [Warsama Jama et al. 1996]. Insbesondere Defizite an Folsäure können
zudem zu Depressionen führen [vgl. Anlage 8, S. 51].
Im Rahmen der HANNA-Studie stellte sich die Frage, ob sich auch bei einer
weitgehend ausgewogenen Versorgungssituation mit Mikronährstoffen Einflüsse
auf die kognitive Leistungsfähigkeit ergeben können. Die hierzu notwendigen
Untersuchungen wurden in Kooperation mit dem Institut für Medizinische
61
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Psychologie der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführt. Die Messung
der
Gedächtnis-
und
Konzentrationsleistung
erfolgte
über
verschiedene
Testverfahren und ausgewählte Untertests, die jeweils einen Faktor der kognitiven
Leistungsfähigkeit widerspiegeln. Diese wurden folgendermaßen festgelegt:
•
Erfassung der allgemeinen Depressivität,
•
Erfassung der Konzentrationsleistung,
•
Erfassung der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit,
•
Erfassung der Gedächtnisleistung.
Die Untersuchungen wurden jeweils an den Terminen der Blutabnahme, d. h. zu
Studienbeginn und Studienende mit jeder Probandin einzeln durchgeführt. Vor den
Tests hatten die - nüchtern zu den Blutabnahmen erschienen - Probandinnen die
Gelegenheit zu einem ausgiebigen Frühstück.
Test zur Erfassung der allgemeinen Depressivität
Die ADS-L (Allgemeine Depressionsskala, Langform), © 1993 Beltz Test
Gesellschaft, dient zur Einschätzung der Befindlichkeit und der eventuellen
Depressivität der Probandinnen. Es handelte sich um einen von den
Probandinnen selbst auszufüllenden Fragebogen mit 20 Aussagen zum
psychischen Befinden während der vorangegangenen Woche. Die Probandinnen
sollten ihre emotionale Verfassung einschätzen und die Aussagen möglichst
ehrlich beurteilen. Sie waren dabei weitestgehend unbeobachtet und ohne
zeitliche Begrenzung.
Die Auswertung der Fragebögen erfolgte mit Hilfe eines Punktesystems von 0-3,
aus dem sich in der Formel zur Berechnung des Testwertes die Summe der
"positiven" und „negativen“ Antworten ergab. Die Teilnehmerinnen erreichten in
der Depressionsskala zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung Werte zwischen 0
und 38 Punkten, wobei höhere Werte auf ein höheres Maß an Depressivität
hindeuten. Es ließ sich anhand der Mittelwertvergleiche in beiden Gruppen eine
statistisch signifikante Reduktion der Punktwerte in der Depressionsskala und
damit
der
Depressivität
zwischen
den
beiden
Untersuchungszeitpunkten
62
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
nachweisen (p < 0,01). Zwischen der Verum- und der Placebogruppe bestanden
jedoch keine signifikanten Unterschiede.
Erfassung der Konzentrationsleistung
Aus dem amerikanischen Konzentrationstest WAIS III (Wechsler Adult Intelligence
Scale), © 1991 by The Psychological Corporation, Ruth, Adam, Leonard und
David Wechsler, wurde der Untertest "Symbol Search" verwendet, bei dem
innerhalb einer begrenzten Zeit identische Symbole identifiziert werden mussten.
Je nach dem, ob das gefragte Symbol in derselben Zeile wiederkehrt bzw. es nicht
oder nur in einem kleinen Detail abgewandelt erscheint, ist das „Ja“- bzw. das
"Nein"-Feld anzukreuzen. Der Test gliedert sich in zwei Schwierigkeitsstufen und
ist in der vorgegebenen Bearbeitungszeit von 120 Sekunden nicht vollständig zu
bewältigen. Der Test erfordert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und
Konzentrationsvermögen, so dass diese Parameter hiermit überprüft werden
konnten. In der Auswertung wurde für jede richtige Antwort ein Punkt vergeben;
die maximale Punktzahl betrug 60.
Im
Symbol-Search-Test
Untersuchungszeitpunkten
des
ein
WAIS
wies
besseres
die
Verumgruppe
Ergebnis
auf.
zu
beiden
Nach
der
Interventionsphase war ein leichter Anstieg der erreichten Punktzahl sowohl in der
Verum- als auch in der Placebogruppe zu verzeichnen, der in der Verumgruppe
minimal, aber signifikant höher ausfiel (p < 0,01). Der Anstieg in beiden
Subkollektiven kann als Indiz dafür gewertet werden, dass die Verbesserungen
nicht durch das Supplement bedingt waren, sondern auf einen bei der
wiederholten Messung auftretenden Lerneffekt zurückgeführt werden können.
Erfassung der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit
Der KAI (Kurztest für allgemeine Basisgrößen der Informationsverarbeitung) von
Siegfried Lehrl diente zur Erfassung der geistigen Leistungsfähigkeit der
Probandinnen. Mit dem Test werden folgende Aspekte erfasst:
•
die allgemeinen Basiskapazitäten der Informationsverarbeitung,
63
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
•
Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (Ck),
•
Gegenwartsdauer (Tk),
•
als Produkt von 1 und 2: Kurzspeicherkapazität (Kk),
•
das aktuelle allgemeine (=globale) Intelligenzniveau (g-Faktor) (=IQ).
Der KAI besteht aus den Untertests „Buchstaben lesen“ und „Zeichen
nachsprechen“. Die Lesezeit wurde jeweils auf die Zehntelsekunde genau
registriert und sollte die Maximalgeschwindigkeit des Informationszuflusses zum
Kurzspeicher anzeigen (Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit). Der Untertest
„Zeichen nachsprechen“ setzt sich wiederum aus den Komponenten „Zahlen
nachsprechen“ und „Buchstaben nachsprechen“ zusammen. Den Probandinnen
wurde eine Zahlen- bzw. Buchstabenreihe bestehend aus zunächst drei Zeichen
vorgelesen, die sich schrittweise um ein Zeichen verlängerte, wobei jede Reihe
aus neuen Zahlen oder Buchstaben bestand. Die einzelnen Zeichen wurden im
Abstand von einer Sekunde vorgelesen, und die Reihen sollten im Anschluss
sofort von der Probandin wiederholt werden.
Das
Verfahren
„Buchstaben
lesen“
misst
die
zentrale
Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (Ck), d. h. die Anzahl der Basic Periods
of Processing/sec. Der Informationszufluss zum Bewusstsein entspricht dem Wert
Ck beim Buchstabenlesen. Dieser Wert geht anschließend in die Berechnung der
Kurzspeicherkapazität (Kk) mit der Einheit bit ein (siehe unten).
„Zeichen-Nachsprechen“ wird als Überbegriff von Buchstaben- und ZahlenNachsprechen verwendet. Als Punktzahl gilt die Anzahl der Zeichen der längsten
richtig wiedergegebenen Zeile. Wurde bei beiden oder einer der darauf folgenden
gleich langen Zeilen nur die Reihenfolge der korrekt reproduzierten Zeichen
vertauscht, wird zusätzlich ein halber Punkt vergeben. Die Leistungen im Zahlenund Buchstaben-Nachsprechen wurden gemittelt. Sie sollen ein Maß der
Gegenwarts- oder Präsenzdauer (TR) sein. Diese kann als wichtige Komponente
des allgemeinen (fluiden) Intelligenzniveaus aufgefasst werden, da sie Bestandteil
der allgemeinen Basiskapazitäten der Informationsverarbeitung ist und daher
Hinweise auf den Intelligenzquotienten liefert.
64
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Die Kurzspeicherkapazität (Kk) errechnet sich nach Frank [1960 a, b; 1969] aus
der
Multiplikation
der
beiden
Basiskapazitäten,
Informationszufluss
zum
Kurzspeicher/sec (=Ck) und Gegenwartsdauer TR aus dem Untertest ZeichenNachsprechen (Kk = Ck x TR (bit). Aus den Werten der Kurzspeicherkapazität
lässt sich der Intelligenzquotient (IQ) ermitteln. So sind in einer Tabelle nach
O. Kapoula Kk-Werten (in bit) die entsprechenden IQ-Punkte zugeordnet.
Im Untertest „Buchstaben lesen“ war die Geschwindigkeit der Lesezeit
entscheidend. Eine Reduktion der Punktzahl (Sekunden) wäre als Verbesserung
der Leistung zu bewerten. Placebo- und Verumgruppe unterschieden sich beim
Buchstaben-Lesen zu keinem Zeitpunkt statistisch signifikant voneinander.
Zwischen
den
beiden
Untersuchungszeitpunkten
bestand
allerdings
ein
signifikanter Unterschied: Beide Gruppen waren nach der Interventionsphase
schneller als bei der Basisuntersuchung (p < 0,01).
Bei den Untertests „Zahlen und Buchstaben nachsprechen“ bestanden weder vor
noch nach der Supplementierungsphase signifikante Unterschiede zwischen den
beiden Subkollektiven. Allerdings erreichten beide Gruppen bei der zweiten
Untersuchung signifikant bessere Werte (p < 0,01). Auch hinsichtlich des aus den
Kk-Werten berechneten Intelligenzquotienten ließen sich keine Effekte der
Supplementierung ableiten. Wiederum zeigen sich leichte Verbesserungen der
Ergebnisse in beiden Subkollektiven als Zeitpunkteffekt.
Insgesamt sprechen auch diese Ergebnisse für Lerneffekte und nicht für
Auswirkungen des Supplementes.
Test zur Erfassung der Gedächtnisleistung
Der Muster-Recognition-Test (Mustererkennungstest) aus dem Berliner AmnesieFragebogen mit Mustern von Warrington und James [1967b] diente der
Überprüfung der Gedächtnisleistung mit Hilfe der Wiedererkennung von zuvor
dargebotenen Mustern. Jeweils ein Muster sollte unter vier ähnlichen Mustern
herausgefunden werden. Die Probandinnen erhielten einen Punkt für jedes richtig
wieder erkannte Muster, insgesamt konnten maximal 10 Punkte erreicht werden.
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
65
Die Verumgruppe erzielte zu beiden Untersuchungszeitpunkten geringfügig
bessere Wiedererkennungswerte als die Placebogruppe. In beiden Gruppen ergab
sich ein leichter Anstieg in der Punktzahl bei der zweiten Untersuchung, der
jedoch nicht statistisch signifikant war.
Zusammenfassende Bewertung
Bei allen Untersuchungsverfahren zur Messung der kognitiven Leistungsfähigkeit
ergaben sich Unterschiede zwischen den Messungen vor und nach der
Intervention. Diese waren aber in Verum- und Placebogruppe gleichermaßen zu
beobachten. Ein Effekt des Nahrungsergänzungsmittels kommt somit nicht in
Betracht. Es ist geplant, die umfangreichen Daten dieses Studienteiles daraufhin
zu analysieren, inwieweit Beziehungen zwischen kognitiver Funktion und
Versorgung mit bestimmten Nährstoffen bestehen.
2.4.3.8 Immunologische Parameter
Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass zwischen dem Versorgungsstatus mit
Mikronährstoffen und dem Immunsystem ein enger Zusammenhang besteht. Eine
ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen gilt als Voraussetzung für ein
intaktes Immunsystem. So konnten verschiedene Erhebungen belegen, dass
neben Ascorbinsäure auch eine unzureichende Versorgung mit den Vitaminen A,
Pyridoxin und Folsäure sowie mit Eisen, Zink und Selen immunologische
Parameter negativ beeinflusst [Daniel und Benterbusch 1991, Lesourd 1999].
Insbesondere bei älteren Menschen, die häufig einen schlechteren Immunstatus
aufweisen, ergaben sich Verbesserungen durch ergänzende Nährstoffgaben. So
führte die Verabreichung eines Multivitamin-/Multimineralstoff-Präparates an
gesunde ältere Probanden in einer placebo-kontrollierten Studie zu einer
signifikanten Verbesserung immunologischer Parameter, wie der Interleukin-2Produktion und der Teilungsfähigkeit der Lymphocyten [Chandra 1992, Pike und
Chandra 1995, vgl. Anlage 8, S. 72f].
Um zu überprüfen, ob die Supplementierung zu Veränderungen des Immunstatus
der Probandinnen führt, wurden in Kooperation mit dem Institut für Toxikologie und
66
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Aerosolforschung
immunologische
der
Fraunhofer-Gesellschaft
Untersuchungen
an
einem
in
Hannover
Subkollektiv
verschiedene
der
HANNA-
Probandinnen vorgenommen. Als Indikator des Immunsystems wurde der lösliche
Interleukin-2-Rezeptor im Serum verwendet, der bei reduziertem Immunstatus
vermindert
ist.
Subpopulationen
Zudem
wurden
ermittelt
die
sowie
Gesamtzahl
im
der
Leucocyten
und
Lymphocyten-Proliferationstest
die
Teilungsfähigkeit nach Stimulation mit unterschiedlichen Mitogenen überprüft.
Darüber hinaus wurde die Aktivität der Natürlichen Killerzellen erfasst. Die
Ergebnisse zeigen, dass im Hinblick auf den Immunstatus keine Veränderungen
auftraten,
die
auf
einen
immunstimulierenden
Effekt
des
verabreichten
Nahrungsergänzungsmittels hinweisen.
Interleukin-2-Rezeptor
Beim löslichen Interleukin-2-Rezeptor im Serum zeigte sich sowohl in der Verumals auch in der Placebogruppe ein ähnlich starker, signifikanter Anstieg vom
November 1998 bis Mai 1999, der vermutlich durch saisonale Schwankungen
bedingt war. So stieg der Mittelwert in der Verumgruppe von 29,9 pmol/l auf
48,5 pmol/l und in der Placebogruppe von 27,8 pmol/l auf 44,7 pmol/l an.
Zwischen den beiden Subkollektiven waren keine statistisch verifizierbaren
Unterschiede vorhanden.
Lymphocytenproliferationstest
Der Lymphocytenproliferationstest wurde mit drei verschiedenen Mitogenen
durchgeführt
(Concanavalin
A,
ConA;
Phytohämagglutinin,
PHA;
Lipopolysaccharid, LPS), die zudem jeweils in unterschiedlichen Konzentrationen
zugesetzt wurden. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass das Supplement
keinen Einfluss auf diese Parameter ausübte. So erwies sich die Proliferation bei
Verum- und Placebogruppe in den meisten Ansätzen mit den T-Zell-Stimulatoren
ConA und PHA nach der Interventionsphase als geringer. Zudem bestanden keine
signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Der Zusatz von LPS,
eines B-Zell-Aktivators, in zwei verschiedenen Konzentrationen ergab für die
Verumgruppe zu beiden Untersuchungszeitpunkten eine annähernd gleiche
67
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
Lymphocytenproliferation, während in der Placebogruppe wiederum eine nicht
signifikante Erhöhung auftrat.
Aktivität der Natürlichen Killerzellen (NK)
Die Aktivität der Natürlichen Killerzellen wurde ermittelt, indem diese Zellen zu
Cr-51 markierten K562 Tumorzellen gegeben wurden. Nach einem 4-StundenCytotox-Assay wurde durch Messung im Gamma-Counter ermittelt, wie hoch der
Anteil der durch die NK-Zellen lysierten Tumorzellen war.
Sowohl in der Verum- als auch in der Placebogruppe war die NK-Aktivität nach der
Supplementierungsphase im Vergleich zur Basisuntersuchung vermindert.
Fazit aus den immunologischen Ergebnissen
Durch
die
Supplementierung
zeigte
sich
anhand
der
Messwerte
keine
Verbesserung des Immunstatus. Das Fehlen jeglicher Verbesserungen dürfte auf
verschiedene Gründe zurückzuführen sein. Zum einen handelte es sich bei den
Probandinnen um ein relativ gut versorgtes Kollektiv. Die Mehrzahl der Frauen war
Anfang 60 und gesund, so dass noch von einem relativ guten Immunstatus
auszugehen ist. Anhand der Literatur ist abzuleiten, dass eine Supplementierung
bei einer schlechten Versorgungslage die Immunabwehr im Sinne einer
Normalisierung verbessert. Bei einer ausreichenden Versorgung, wie im Falle des
HANNA-Kollektivs führt die zusätzliche Gabe von Nährstoffen aber offenbar zu
keiner weiteren Steigerung der immunologischen Kompetenz. Es ist von daher
anzunehmen, dass nur ein schlechter versorgtes, älteres Kollektiv in dieser
Hinsicht von der Supplementierung profitiert hätte. Dass sich im untersuchten
Kollektiv keine Effekte ergaben, dürfte aber auch darauf zurückzuführen sein, dass
keine (bekannte) immunologische Abwehrsituation vorlag. Ein alternativer
Versuchsansatz könnte darin bestehen, das Immunsystem gezielt, z. B. durch
eine Impfung, zu stimulieren. Auf dieses Vorgehen wurde aber wegen der hohen
Kosten und aufgrund ethischer Bedenken verzichtet.
Ein
weiterer
Aspekt
ist
das
Fehlen
von
Zink
in
der
verabreichten
Nahrungsergänzung. Zink scheint aufgrund seiner Bedeutung für die Aktivierung
68
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
der T-Lymphocyten einen positiven Effekt auf die Immunantwort zu besitzen. Dies
ergab sich beispielsweise in einer Studie mit 118 Bewohnern eines Altenheims,
die eine Supplementierung von Vitamin A und Zink erhielten. Während Vitamin A
eher negative Effekte auf die Immunantwort auslöste, ergaben sich durch die
Zinksupplementierung Verbesserungen der zellvermittelten Immunreaktion [Fortes
et al. 1998].
2.5
Zusammenfassung
Mit dem Griff zu Nahrungsergänzungsmitteln erhoffen sich viele Menschen,
Gesundheit und Wohlbefinden zu erhalten und zu verbessern. Die zunehmende
Verwendung von Supplementen geschieht primär nicht, wie oft angenommen, als
Alibi für eine ungesunde Ernährung, sondern in Erwartung einer zusätzlichen
gesundheitlichen Wirkung.
Der Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln ist schwerlich zu beurteilen, da er
meist weniger vom Produkt als solchem, als von der Lebenssituation des
Verwenders abhängt. Während eine Reihe von Untersuchungen vorliegt, in denen
gezeigt
wurde,
dass
der
Versorgungs-
und
Gesundheitsstatus
von
mangelernährten Personen durch eine Supplementierung deutlich verbessert
werden kann, sind kaum Daten vorhanden, die es erlauben, eine Aussage über
die möglichen Effekte bei gesunden, normal ernährten Menschen zu treffen. Dies
gilt für unmittelbare, kurzfristige Wirkungen ebenso wie für einen eventuellen, sich
langfristig zeigenden präventive Nutzen [vgl. Anlage 8].
Vielfach wird deshalb auch die These vertreten, dass derartige Präparate bei
ausgewogener
Ernährung
nutzlos
seien.
Befürworter
von
Nahrungsergänzungsmitteln hingegen sind der Auffassung, dass zumindest in
einigen Bereichen eine ausreichende wissenschaftliche Plausibilität für eine
Supplementierung spricht. Einigkeit besteht im Wesentlichen nur bei einer
ergänzenden Gabe von Folsäure und Jod, da beide Substanzen in der
Allgemeinbevölkerung als kritische Nährstoffe anzusehen sind.
Vor
dem
Hintergrund
Nahrungsergänzungsmittel
der
oft
schien
polemisch
es
von
geführten
Interesse,
die
Diskussion
über
Wirkung
eines
69
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
handelsüblichen Präparates an einem sich gut ernährenden Kollektiv zu
untersuchen. Die HANNA-Studie ist in dieser Hinsicht die erste Untersuchung, in
der umfassende Daten zum Versorgungsstatus von gesunden Frauen vor und
nach einer Supplementierung erhoben wurden. Das untersuchte Kollektiv älterer
Frauen zeigte eine überdurchschnittlich gute Ernährung. Auffällig war, dass trotz
der günstigen Lebensmittelauswahl und der den Empfehlungen entsprechenden
Nährstoffzufuhr die Versorgung mit Nährstoffen zu Studienbeginn nicht in allen
Bereichen optimal war. Durch die Supplementierung ergaben sich bei nahezu
allen
Nährstoffen
in
der
Verumgruppe
signifikante
Verbesserungen
des
Versorgungsstatus, die sich zum Teil auch in einer erwünschten Modifikation
funktioneller
Parameter
ausdrückten.
In
dieser
Hinsicht
erfüllen
Nahrungsergänzungsmittel im Wesentlichen die an diese Produkte gestellten
Anforderungen. In der Befindlichkeit der Teilnehmer (Ergebnisse nicht dargestellt),
der Immunfunktion und der kognitiven Leistungsfähigkeit waren durch die
Supplementierung hingegen keine Verbesserungen zu beobachten.
Ob sich aus den über eine Normalisierung hinausgehenden Verbesserungen des
Nährstoffstatus, insbesondere im Hinblick auf Antioxidanzien, und aus den übrigen
Veränderungen ein langfristiger Nutzen für die Gesundheit ableiten lässt, kann
nicht beurteilt werden. Langfristige Studien unter diesen Bedingungen wären
erstrebenswert. Ihre Finanzierung und Durchführung ist aber, insbesondere vor
dem bestehenden rechtlichen Rahmen für Nahrungsergänzungsmittel, für die
Anbieter der Produkte nicht realisierbar.
Der weiter wachsenden Nachfrage nach Nahrungsergänzungsmitteln sollte
zukünftig sowohl lebensmittelwissenschaftlich, als auch rechtlich Rechnung
getragen werden. Zum einen ist ein klar umrissener rechtlicher Rahmen
erforderlich, der eine Definition der Produkte festlegt und dem teilweise zu
beobachtenden Wildwuchs mit irreführenden Präparaten Einhalt gebietet [vgl.
Anlage 8, S. 39ff]. Zum anderen darf das Thema auch von den lebensmittel- und
ernährungswissenschaftlichen Institutionen nicht länger nur am Rande behandelt
werden. Weitergehende Humanstudien zu den physiologischen Effekten von
Nahrungsergänzungsmitteln sollten darauf abzielen, mögliche Zielgruppen für eine
Supplementierung näher zu charakterisieren und herauszuarbeiten, bei welchen
Substanzen dies von Nutzen sein könnte.
NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT?
70
Definitive rechtliche Regelungen sind in Deutschland mit dem Hinweis auf
schwebende Verhandlungen innerhalb der Europäischen Union kurzfristig nicht zu
erwarten. Aus diesem Grund heraus wurde die „Würzburger Deklaration“ verfasst
[vgl. Anlage 38]. Sie stellt den Versuch dar, als Orientierungshilfe einen
Kriterienkatalog für Nahrungsergänzungsmittel zu fixieren. Inzwischen liegt ein auf
Basis der Würzburger Deklaration mit der APV erarbeiteter Vorschlag einer
Prüfrichtlinie für Nahrungsergänzungsmittel vor, mit dem ein Bewertungsraster
geschaffen werden soll. Diese Ansätze stellen keine verbindlichen Lösungen dar,
sie sollen aber zu einer Versachlichung des Themas beitragen.
71
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
3
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT
PFLANZEN?
Wie auf S. 5, Punkt (d), dargestellt, ist die Hinwendung zu einer Alternativen
Ernährungsform für viele Menschen eine mögliche Strategie, um die objektiv
vorhandenen,
aber
auch
die
subjektiv
empfundenen
Ernährungs-
und
Gesundheitsprobleme zu lösen. Eine bereits 1991 durchgeführte Erhebung zeigt,
dass viele Alternative Ernährungsformen weithin bekannt sind und auch praktiziert
werden oder wurden. Wie dominierend dabei der Gesundheitsaspekt ist,
unterstreicht die Tatsache, dass von 95,7 % der Befragten die Auffassung
vertreten wurde, dies sei gesünder [vgl. Anlage 9, S. 161f]. Zunehmend spielen
aber auch ethische Gesichtspunkte eine wichtige Rolle [vgl. Anlage 5, S. 18].
Alternative Ernährungsformen wurden von den lebensmittelwissenschaftlichen
Disziplinen lange Zeit nicht beachtet oder sehr pauschal bewertet. Entsprechend
lagen über viele Jahre gar keine oder nur rudimentäre Untersuchungsergebnisse
zur Frage der Ernährungs- und Gesundheitssituation vor. Nach wie vor ist die
Datenlage
bei
den
meisten
Alternativen
Ernährungsformen
absolut
unbefriedigend. In den meisten Fällen liegen überhaupt keine Studien vor, so dass
von ähnlichen Ernährungsformen vorliegende Daten extrapoliert werden müssen.
Die als Anlage 2 und Anlage 5 zitierten Buchpublikationen stellen einen ersten
Versuch dar, das vorhandene Material zusammenzufassen und zu bewerten.
Bei den Vorarbeiten zu diesen Veröffentlichungen wurde deutlich, dass besonders
zur veganen Ernährung derzeit kaum verlässliche Aussagen möglich sind. Im
deutschsprachigen Raum existieren hierzu keine, international gesehen nur
wenige Daten. Eine solche, rein pflanzlich ausgerichtete Kostform gewinnt für
immer mehr Menschen an Bedeutung, die primär aus gesundheitlichen oder
ethischen Gründen den Verzehr sämtlicher vom Tier stammender Lebensmittel
ablehnen. Bisher liegen allerdings keine umfassenden Studien zu der Frage vor,
wie sich die Ernährungs- und Gesundheitssituation der Veganer darstellt. Das
bisherige Zahlenmaterial beschränkt sich im Wesentlichen auf Untersuchungen an
kleinen Kollektiven.
72
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Im
Folgenden
soll
Ernährungsformen
zunächst
eine
vorgenommen
Begriffsbestimmung
und
anschließend
der
das
Alternativen
Thema
vegane
Ernährung näher beleuchtet werden. In der in Kapitel 3.4 dargestellten
Untersuchung wurde zudem versucht, der Frage nach dem Ernährungs- und
Gesundheitsstatus
von
Veganern
erstmals
in
einem
größeren
Kollektiv
systematisch nachzugehen.
3.1
Definition und Einteilung Alternativer Ernährungsformen
Unter
Alternativen
Ernährungsformen
sind
langfristig
praktizierbare
Ernährungsweisen zu verstehen, die von der derzeitigen Ernährung mehr oder
minder
abweichen
Ernährungsformen
[vgl.
in
Anlage 5,
diesem
S. 11
Sinne
und
sind
15].
Keine
Diäten,
Alternativen
insbesondere
zur
Gewichtsreduktion (z. B. Psycho-Diät, Punkte-Diät), oder Ernährungskuren (z. B.
Schroth-Kur, Mayr-Kur).
Die
Alternativen
Ernährungsformen
lassen
sich
entsprechend
ihrer
Entstehungsgeschichte in drei Gruppen einteilen (Tabelle 19) [vgl. Anlage 5, S.
16f]. Die überwiegende Mehrzahl der Alternativen Ernährungsformen ist holistisch
orientiert und verfolgt neben gesundheitlichen Aspekten weitergehende Ziele [vgl.
Anlage 4], wie persönliche Bewusstseinsentwicklung, soziale Gerechtigkeit,
Erhaltung der Umwelt, Tierschutz [vgl. Anlage 3]. Hinzu kommen vielfach
spirituelle Ziele [vgl. Anlagen 19, 20, 22, 23], auf die im Folgenden ebenso wenig
eingegangen werden soll wie auf die philosophischen Wurzeln der verschiedenen
Ernährungsweisen. Sie entziehen sich ebenso wie die Gründe zur Auswahl
bestimmter
Lebensmittel
einer
naturwissenschaftlichen
Beurteilung.
Aus
lebensmittelwissenschaftlicher Sicht muss die Betrachtung auf die resultierende
Ernährungs- und Lebensweise und ihre gesundheitlichen Auswirkungen reduziert
werden. Selbst durch Ernährungsformen, die mit aus naturwissenschaftlicher Sicht
nicht belegten oder sogar falschen Auffassungen argumentieren, kann in der
Praxis – eine vielseitige Lebensmittelzusammenstellung vorausgesetzt – eine
bedarfsdeckende Ernährung erreicht werden. Diese kann, obwohl nicht optimal,
sogar der vorher praktizierten Ernährung überlegen sein.
73
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Tabelle 19: Einteilung der wichtigsten Alternativen Ernährungsformen [nach
Anlage 5, S. 16f]
Ursprung Antike
Ursprung
Reformbewegung
Ursprung Moderne (mit
älteren Wurzeln)
Vegetarische Ernährung1
Anthroposophische
Ernährungslehre2
Vollwert-Ernährung4
Ernährung im Ayurveda1
Waerland-Kost2
Vollwertkost nach
Bruker4
Chinesische
Ernährungslehre1
Hay´sche Trennkost2
Verschiedene Formen
der Rohkost-Ernährung4
Mazdaznan-Ernährung1
Harmonische Ernährung3
Makrobiotik1
Schnitzer-Kost3
Evers-Diät3
Fit for Life3
Darstellung und Bewertung dieser Ernährungsformen:
1
: Anlage 19; 2: Anlage 20; 3: Anlage 22; 4: Anlage 23
Die am weitesten verbreitete Alternative Ernährungsform ist der Vegetarismus. Im
von Pythagoras als Begründer des klassischen Vegetarismus37 ursprünglich
geprägten Sinne des Wortes (von „vegare“ [lt.] = leben, wachsen) ist hierunter eine
„lebende“
Ernährung
zu
verstehen.
Dabei
werden
neben
pflanzlichen
Lebensmitteln nur solche Produkte tierischen Ursprungs verzehrt, die von
lebenden Tieren stammen (Milch und Milchprodukte, Eier) [vgl. Anlage 2, S. 14].
Die Motive für eine vegetarische Ernährungsweise sind vielfältig [vgl. Übersicht in
Anlage 2, S. 17ff], ebenso wie die von den Anhängern einer vegetarischen
Ernährung verfolgten Ziele. Entsprechend existiert auch nicht die vegetarische
Ernährung
als
eine
homogene
Ernährungsweise
[vgl.
Anlage 19].
Der
Vegetarismus wird vielmehr einerseits „frei“ praktiziert, d. h. nach eigenem
Ermessen
umgesetzt,
Ernährungsformen
andererseits
ebenfalls
sind
vegetarisch
zahlreiche
ausgerichtet
andere
(z. B.
Alternative
Mazdaznan-
Ernährung, Waerland-Ernährung), ohne sich selbst als Vegetarismus zu
interpretieren [Übersicht in Anlage 2, S. 20ff]. Es scheint deshalb auch unter dem
Gesichtspunkt
37
der
Verbreitung
gerechtfertigt,
den
vegetarischen
Große Teile der Menschheit haben sich über Jahrmillionen überwiegend oder ausschließlich
vegetarisch ernährt bzw. tun dies noch heute. Dies war und ist aber primär eine Frage des
Nahrungsangebotes. Der Grundstein für eine vegetarische Ernährung aus gesundheitlichen und
ethisch-philosophischen Gründen wurde hingegen in der Antike gelegt.
74
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Ernährungsformen ein besonderes Augenmerk zu widmen und die nachfolgenden
Ausführungen hierauf zu konzentrieren.
Für eine lebensmittelwissenschaftliche Bewertung bietet es sich an, die
verschiedenen Formen des Vegetarismus
nach
der
Lebensmittelauswahl
einzuteilen. Tabelle 20 gibt eine Übersicht über die Hauptformen des
Vegetarismus [vgl. Anlage 3, Anlage 19]. In der Praxis existieren zudem
zahlreiche Misch- und Übergangsformen. Von besonderem Interesse sind u. a.
Personen, die sich überwiegend vegetarisch ernähren, also nur noch selten38
Fleisch verzehren. Diese Art der Ernährung wird beispielsweise von vielen
Anhängern der Vollwert-Ernährung [vgl. Anlage 5, S. 150ff, Anlage 23] und
zunehmend auch in der Durchschnittsbevölkerung praktiziert. Sie ist stark
vegetarisch orientiert, vermeidet aber mögliche Schwachpunkte der vegetarischen
Ernährung. Auch beim Übergang von lacto-(ovo-)vegetarischen zu veganen
Ernährungsformen finden sich, wie die eigenen Untersuchungen [vgl. Kap. 3.4.3.1,
S. 88] belegen, zahlreiche Personen, die sich als Anhänger des Veganismus
sehen, aber nicht in letzter Konsequenz auf alle vom Tier stammenden Produkte
verzichten. Ihre Ernährungsweise ist aber als annähernd vegan einzustufen.
Tabelle 20: Formen vegetarischer Ernährung [vgl. Anlage 3, S. 111]
Bezeichnung
Meiden von*
Veganer
Alle vom Tier stammenden Lebensmittel
(Fleisch, Fisch, Milch, Eier, Honig)
Lacto-Vegetarier
Fleisch, Fisch, Eier
Ovo-Vegetarier
Fleisch, Fisch, Milch
Lacto-Ovo-Vegetarier
Fleisch, Fisch
*
Bei allen Lebensmitteln sind auch die jeweils daraus hergestellten Produkte eingeschlossen
Wie bei allen Alternativen Ernährungsformen liegen auch beim Vegetarismus
keine genaue Zahlen darüber vor, wie viele Menschen diese Ernährungsweise
38
Das Kriterium „seltener“ Fleischverzehr ist schwierig zu erfassen, zumal es meist auf einer
Selbsteinschätzung beruht. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurden diese Personen
teilweise fälschlich als „Vegetarier“ erfasst, wobei ihnen ein Verzehr von 2-3 Fleischmahlzeiten
pro Monat zugestanden wurde. Leider weisen viele Untersucher nicht explizit auf diese
Tatsache hin.
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
75
praktizieren. 1995 wurde davon ausgegangen, dass dies in Deutschland etwa
3,6 % der Bevölkerung waren, gleichbedeutend mit ca. 2,9 Millionen Menschen
[vgl. Anlage 2, S. 13], darunter ca. 230.000 Veganer. Neuere umfangreiche
Erhebungen liegen nicht vor, aber die Zahl dürfte zumindest temporär noch höher
liegen39. Den weit überwiegenden Teil stellen dabei die Lacto-Ovo-Vegetarier,
Ovo-Vegetarier sind eher selten zu finden.
3.2
Probleme bei der Bewertung Alternativer
Ernährungsformen
Die lebensmittel- und ernährungswissenschaftliche Beurteilung einer jeden
Kostform kann auf Basis eines Kriterienkatalogs erfolgen, der zunächst die
unmittelbaren physiologisch-biochemischen Kriterien berücksichtigt [vgl. Anlage 2,
S. 49; Anlage 16]. Hierzu zählen insbesondere die Fragen nach der Sicherstellung
der Nährstoffversorgung und der Erhaltung bzw. Verbesserung der Gesundheit.
Mögliche weitere Aspekte (z. B. soziale, ethische, ökologische, ökonomische)
spielen ebenfalls eine Rolle, in eine ernährungsphysiologische Bewertung sollen
sie aber zunächst nicht einbezogen werden. Grundsätzlich gilt, wie in Kapitel 3.1
angeführt, dass es nie eine, alles umfassende und allgemeingültige Aussage
geben kann, da die Umsetzung einer Ernährungsform in die Praxis und die daraus
resultierenden Effekte in hohem Maße individuell sind. Verallgemeinernde
Bewertungen sind deshalb nur eingeschränkt möglich so dass vegetarische
Ernährungsformen daher per se weder als gesundheitsförderlich, noch als
gesundheitsgefährdend bezeichnet werden können. Innerhalb (fast) jeder Form
der Ernährung finden sich „gut“ und „schlecht“40 ernährte Individuen. Zudem muss
39
So ergab eine im Februar 2001 im Gefolge der TSE-Diskussion durchgeführte repräsentative
Befragung, dass von 1057 Befragten 15 % auf Fleisch und Wurst, 9 % auf Fisch und 5 % auf
Milchprodukte verzichten („Focus“ Nr. 10 vom 05. März 2001, S. 157)
40
Unter den Vegetariern wird dies besonders bei den „Pudding-Vegetariern“ evident. Menschen,
die zwar keine Produkte von getöteten Tieren essen, stattdessen aber vermehrt auf fette und
stark verarbeitete Lebensmittel zurückgreifen (z. B. Softgetränke, Pizza, Eiscrème). Dieses
Verhalten ist insbesondere bei Jugendlichen zu finden. Eine derartige Ernährungsform zeigt alle
Nachteile der üblicherweise zu findenden fett- und energiereichen Ernährung mit geringer
Nährstoffdichte, ohne dass die potenziellen Möglichkeiten einer pflanzenbetonten Ernährung
genutzt werden. Alle im Rahmen dieser Darstellung gemachten Ausführungen beziehen sich
ausdrücklich nicht auf diese Personengruppen.
76
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
stets bedacht werden, dass derartige Daten nicht auf besonders vulnerable
Personengruppen mit verändertem Nährstoffbedarf zu übertragen sind (z. B.
Kinder, Schwangere, Stillende).
Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass zahlreiche Parameter des
Ernährungs- und Gesundheitsstatus nicht nur durch die Ernährung selbst, sondern
durch die gesamte Lebensweise beeinflusst werden. Es ist möglich, den Einfluss
der verschiedenen Faktoren differenziert zu betrachten, was es auf Basis vieler
Studienergebnisse langfristig ermöglicht, konkrete Empfehlungen zur Ernährung,
Bewegung und zum sonstigen gesundheitlichen Verhalten abzuleiten. Allerdings
sind Ernährung und sonstiges Gesundheitsverhalten immer eng miteinander
verknüpft und sollten deshalb nicht nur voneinander losgelöst betrachtet werden.
Bei der Beschreibung der Lebenssituation bestimmter Kollektive werden alle
Faktoren zwangsweise mit erfasst, so auch bei den in der VERA-Studie erfolgten
Untersuchungen zur Situation in der Durchschnittsbevölkerung.
Im Hinblick auf vegetarische Ernährungsformen ergibt sich ein weiteres Problem:
In zahlreichen Studien wurde nicht differenziert betrachtet, welche Form von
Vegetarismus die Teilnehmer praktizierten. Die Ergebnisse wurden vielmehr als
kennzeichnend für die vegetarische Ernährung angesehen. Diese Situation war
ein weiterer Grund für die in Kapitel 3.4 dargestellten Untersuchungen.
3.3
Gesundheitliche Aspekte des Vegetarismus
Insgesamt kann heute davon ausgegangen werden, dass eine vegetarische
Lebensweise mit einem günstigen Gesundheitszustand einhergeht [detaillierte
Übersicht in Anlage 2]. Umfangreiche epidemiologische Studien konnten belegen,
dass sich dies langfristig in einer niedrigeren Prävalenz von Krebserkrankungen
und kardiovaskulären Erkrankungen sowie einer niedrigeren Mortalität hieran
bemerkbar macht [vgl. Anlage 2, S. 318ff, Mills et al. 1994, Key et al. 1996].
Vereinzelt existieren auch Hinweise auf eine niedrigere Inzidenz anderer
Krankheiten, wie beispielsweise rheumatoide Arthritis.
Dieser
übergeordneten
Betrachtungsebene
zur
Morbidität
und
Mortalität
nachgeschaltet ist die Analyse der Nährstoffzufuhr und –versorgung sowie der
77
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
klinisch-biochemischen Risikoindikatoren. So leiden Vegetarier z. B. seltener unter
Übergewicht
und
Hypertonie,
zudem
weisen
sie
durchweg
niedrigere
Blutcholesterolwerte auf.
Für diese im Vergleich zu Nicht-Vegetariern insgesamt deutlich bessere Situation
werden drei Faktoren verantwortlich gemacht [Willett 1999]:
•
die geringere Zufuhr von als ungünstig anzusehenden Nahrungsbestandteilen,
•
die erhöhte Aufnahme gesundheitsfördernder Substanzen,
•
Lebensstilfaktoren, wie eine geringe Prävalenz des Rauchens und verstärkte
körperliche Aktivität.
Die - auch agrarpolitisch brisante - Diskussion, welche Lebensmittel (und/oder
welche Nahrungsbestandteile) in hohen Mengen als ungünstig anzusehen sind
bzw. bei welchen unter Umständen eine erhöhte Aufnahme anzustreben ist, wird
derzeit noch intensiv geführt und soll an dieser Stelle nicht näher beleuchtet
werden. Es kann jedoch in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass die
Ergebnisse nicht nur für die vegetarische Ernährung von Bedeutung sein werden,
sondern
auch
gesundheitspolitisch
bedeutsame
Empfehlungen
für
die
Allgemeinbevölkerung hervorbringen. Im Folgenden soll nun die bei einer
lebensmittelwissenschaftlichen
Betrachtung
im
Vordergrund
stehende
Ernährungssituation von Vegetariern insgesamt auf Basis der vorliegenden
Untersuchungen zusammengefasst werden [vgl. Anlagen 2 und 5].
Die Daten verdeutlichen, dass die empfohlene Aufnahme von Nahrungsenergie
von Vegetariern seltener überschritten wird als im Bevölkerungsdurchschnitt.
Entsprechend findet sich bei Vegetariern häufig ein niedrigeres Körpergewicht als
bei sich durchschnittlich ernährenden Vergleichsgruppen.
78
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Bei den Kohlenhydraten schränken Vegetarier insbesondere die Zufuhr von
Disacchariden zugunsten von Stärke ein und erreichen gleichzeitig eine höhere
Ballaststoffzufuhr. Die Monosaccharidaufnahme ist durch den Obstverzehr
demgegenüber
meist
überdurchschnittlich
hoch.
Mit
der
höheren
Ballaststoffaufnahme ist eine erhöhte Phytinsäure-Zufuhr verbunden, wodurch die
Absorption verschiedener Mineralstoffe verringert werden kann. In der Praxis
spielt dieser Effekt aber offenbar keine Rolle, vor allem deshalb, weil Vegetarier
insgesamt höhere Mineralstoffzufuhren erreichen.
Auch
bei
der
aufgenommenen
Menge
an
Fett
sowie
der
Fettsäurenzusammensetzung bestehen Unterschiede zu Mischköstlern. Zwar liegt
die Fettaufnahme auch bei Vegetariern meist höher als empfohlen, allerdings
immer noch günstiger als beim Bevölkerungsdurchschnitt. Da ein höherer Anteil
des konsumierten Fettes pflanzlicher Natur ist, werden von Vegetariern
verhältnismäßig mehr Mono- und Polyenfettsäuren zugeführt und relativ weniger
gesättigte Fettsäuren. Arachidonsäure (C20:4), die nur in tierischen Fetten
vorkommt, wird bei veganer Ernährung nicht zugeführt. Da sie aus Linolsäure
gebildet werden kann und demnach nicht essenziell ist, scheint dies für
Erwachsene kein Problem darzustellen. Bei Kindern von Vegetarierinnen, die
pränatal einen Arachidonsäuremangel aufwiesen, wurden jedoch geringe
Geburtsgewichte beobachtet. Setzt sich die Mangelsituation neonatal fort, ist ein
vermindertes Hirnwachstum der Säuglinge (besonders bei gleichzeitig niedrigem
Geburtsgewicht) die Folge. Ebenso kann eine Einschränkung der Lernfähigkeit
und der visualen Funktionen in der weiteren Entwicklung ausgelöst werden.
Die Zufuhr an Protein ist bei vegetarischen Ernährungsformen sehr variabel.
Häufig wird weniger Protein aufgenommen als in der Durchschnittsbevölkerung,
allerdings wird die empfohlene Zufuhr von 0,8 g/kg Körpergewicht [DGE et al.
2000] auch von Lacto-(Ovo-)Vegetariern durchweg überschritten. Bei veganen
Ernährungsformen ist dies hingegen nicht grundsätzlich der Fall. Bei der
überwiegend pflanzlichen Ernährungsweise im Rahmen des Vegetarismus
ergeben sich aufgrund der niedrigen biologischen Wertigkeit pflanzlicher Proteine
Abweichungen in der Zusammensetzung des Proteins. Trotz der geringeren
Konzentration essenzieller Aminosäuren gilt deren Zufuhr aber selbst bei
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
79
extremen Ernährungsformen wie einer veganen Rohkost als gesichert [Strassner
1998]. Im Veganismus ist eher die insgesamt zu geringe Proteinaufnahme als
Problem anzusehen. So liegt die Proteinzufuhr von Veganern teilweise deutlich
unter der anderer Vegetariergruppen und verdient deshalb ein besonderes
Augenmerk. Zwar kann sie für Erwachsene bedarfsdeckend gestaltet werden,
allerdings ist dazu eine sorgfältige Nahrungszusammenstellung notwendig. Von
einer veganen Ernährung von Kleinkindern und Kindern ist demgegenüber – nicht
nur wegen der möglichen Proteindefizite, sondern auch aufgrund der oft
marginalen Versorgung mit anderen Nährstoffen (z. B. Cobalamin, Calcium) –
abzuraten.
Bei der Aufnahme von Vitaminen erreichen Vegetarier in vielen Bereichen höhere
Aufnahmen als die Durchschnittsbevölkerung, was sich auch im meist besseren
Versorgungszustand widerspiegelt. So resultiert die Betonung pflanzlicher
Lebensmittel in einer höheren Zufuhr von Ascorbinsäure, Tocopherol und
Folsäure sowie bei einer Präferenz von Vollkornprodukten auch in einer höheren
Zufuhr von Thiamin. Präformiertes Vitamin A wird in deutlich geringerer, aber je
nach Art der praktizierten vegetarischen Kostform variabler Menge aufgenommen,
während die Zufuhr an β-Carotin hoch ist. Dies ist nicht nur im Hinblick auf
dessen Provitamin-A-Charakter von Bedeutung, sondern auch unter dem Aspekt
der antioxidativen Eigenschaften des Carotinoids günstig zu bewerten41. Zu
Niacin, Pantothensäure und Biotin existieren bisher keine Hinweise auf
alimentäre Mangelerscheinungen bei Vegetariern. Die Versorgung mit diesen
Vitaminen kann aufgrund ihrer weiten Verbreitung als gesichert gelten. Zufuhr und
Versorgung mit Riboflavin sind bei lacto- und lacto-ovo-vegetarischer Ernährung
ausreichend bis gut; bei veganer Lebensweise gestaltet sich die Bedarfsdeckung
schwierig, da Milch und Milchprodukte als wesentliche Riboflavinquelle entfallen.
Eine ausreichende Versorgung gilt jedoch als möglich. Bei Pyridoxin wird die
empfohlene Zufuhr von Vegetariern nicht immer erreicht, teilweise aber auch
überschritten. Die Versorgung wird im Allgemeinen aber als ausreichend erachtet.
Die Zufuhr von Vitamin D ist bei vegetarisch lebenden Personen ebenso wie bei
41
Zur Diskussion über die präventiven Wirkungen von ß-Carotin vgl. Anlage 8, S. 129ff.
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
80
Nicht-Vegetariern niedrig. Veganer nehmen meist nur Spuren des Vitamins auf.
Dennoch scheinen Mangelerscheinungen bei Erwachsenen selten, was sich auch
anhand der guten Knochengesundheit dokumentiert. Möglicherweise spielt hierbei
u. a. eine höhere endogene Synthese des Steroids durch vermehrten Aufenthalt
im Freien eine Rolle. Stillenden ist bei veganer Ernährung jedoch dringend eine
begleitende orale Supplementierung mit Vitamin D anzuraten, da bereits bei nichtvegetarisch lebenden Frauen der Vitamin-D-Gehalt der Muttermilch so niedrig ist,
dass bei Säuglingen bei einer längeren Stilldauer – wie bei vielen Veganerinnen
üblich – Rachitis auftreten kann. Ein Vitamin-D-Mangel geht außerdem mit einem
verminderten Immunstatus (weniger immunaktive Zellen) einher. In Kombination
mit einem Calciumdefizit kann es bei postmenopausalen Frauen zu einem
erhöhten Osteoporose-Risiko kommen. Gegenstand intensiver Diskussionen ist
die Zufuhr und Versorgung mit Cobalamin, da dieses Vitamin von Pflanzen nicht
gebildet werden kann. Unter den üblichen Ernährungsgewohnheiten stellen
Fleisch und Fleischwaren eine wesentliche Cobalaminquelle dar. Allerdings sind
auch die in Milch und Milchprodukten enthaltenen Mengen offenbar ausreichend,
um die Versorgung bei lacto-(ovo-)vegetarischer Ernährung sicherzustellen. So
finden sich bei Anhängern dieser Ernährungsform im Vergleich zu Fleischessern
zwar geringere, aber dennoch im Normbereich liegende Spiegel. Bei Veganern
erweist sich die Versorgung hingegen als Problem. Dieser Aspekt ist in
Kapitel 3.4.3.6, S. 119, dargestellt. Bedingt durch einen Vitamin-B12-Mangel tritt
bei vegan ernährten Kindern häufig eine makrocytäre Anämie auf. Sind stillende
Mütter Cobalamin-mangelversorgt, können bei den (Still-)Kindern schwere
Hirnatrophien mit Tremor und irreversiblen neurologischen Schäden resultieren.
Die Zufuhr von Mineralstoffen ist bei Vegetariern in einigen Bereichen günstiger
zu bewerten als bei Mischköstlern, weist aber potenzielle Schwachpunkte auf.
Zufuhr bzw. Versorgung mit Magnesium und Kalium als typischen pflanzlichen
Inhaltsstoffen erreichen bei Vegetariern günstigere Werte als bei sich nicht
vegetarisch ernährenden Vergleichsgruppen. Etwa in gleichem Umfang wie bei
einer durchschnittlichen Mischkost werden Chlorid, Zink, Kupfer und Selen
aufgenommen. Die empfohlene Zufuhr an Phosphor liegt niedriger als in der
Durchschnittsbevölkerung, insgesamt aber noch relativ hoch. Die Zufuhr an
Natrium ist oft geringer als bei Vergleichsgruppen, aber stark variabel. Mit einer
81
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
gering verarbeiteten veganen Kost können sich sehr geringe Zufuhren ergeben,
bei lacto-(ovo-)vegetarischer Ernährung werden hingegen vor allem über Käse
höhere Mengen des Mineralstoffs aufgenommen. Die meisten Vegetarier
erreichen eine relativ hohe Eisenaufnahme aus Lebensmitteln wie Vollgetreide,
Blattgemüse und angereicherten Lebensmitteln. Hierdurch wird die schlechtere
Verfügbarkeit des aus Pflanzen stammenden ionischen Eisens teilweise
kompensiert.
Dies
gilt
insbesondere
dann,
wenn
gleichzeitig
viel
absorptionsfördernde Ascorbinsäure aufgenommen wird. Biochemische oder
klinische Anzeichen eines Eisenmangels sind bei Vegetariern entgegen oft
geäußerter Auffassungen nicht häufiger zu finden als im Bevölkerungsdurchschnitt
[vgl. Anlagen 29 und 30]. Allerdings sind die Eisenreserven in Form von Ferritin
relativ gering, was sich in Zeiten eines erhöhten Eisenbedarfs, z. B. in der
Schwangerschaft, negativ bemerkbar macht. Die bei einem Teil der sich
vegetarisch ernährenden Frauen zu beobachtende unbefriedigende Versorgung
mit Eisen ist weniger ein Problem der vegetarischen Ernährung, sondern vielmehr
auf die Eisenverluste durch die Menstruation zurückzuführen [vgl. Anlage 2,
S. 214ff und Anlage 9]. Insgesamt verdient die Eisenversorgung aber ein
besonderes Augenmerk. Auch Calcium gilt als kritischer Nährstoff in der
Gesamtbevölkerung. In der Regel ist die Versorgung von Lacto-(Ovo-)Vegetariern
mit Calcium durch den Konsum von Milch und Milchprodukten gedeckt. Veganer
nehmen die geringsten Calciummengen auf. Möglicherweise bewirkt die niedrige
Proteinaufnahme bei Veganern jedoch geringere renale Calciumverluste. Als
ausgesprochen kritisch ist die Calciumversorgung vegan ernährter Kleinkinder zu
bewerten.
Die
Zufuhr
von
Jod
ist
bei
Vegetariern
wie
auch
in
der
Durchschnittsbevölkerung deutlich zu gering. Auch bei Verwendung von jodiertem
Speisesalz muss daher gleichermaßen von einer zu geringen Aufnahme
ausgegangen werden.
Zahlreiche Effekte einer vegetarischen Ernährung gehen auf die hohe Aufnahme
gesundheitsfördernder
bioaktiver
Substanzen
zurück.
Zu
diesen
Nahrungsinhaltsstoffen zählen Ballaststoffe, Substanzen aus milchsauer
vergorenen
Lebensmitteln
(v. a.
Milchsäurebakterien)
und
sekundäre
Pflanzenstoffe. Die letzte Gruppe umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher
Verbindungen, z. B. Carotinoide, Phytosterine, Saponine, Polyphenole, Protease-
82
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Inhibitoren, Sulfide und Terpene [vgl. Anlage 35, Watzl und Leitzmann 1999]. Der
gute Gesundheitsstatus von Vegetariern und die geringere Inzidenz verschiedener
Erkrankungen lassen sich zu einem - nicht quantifizierbaren - Anteil auf die Zufuhr
dieser pharmakologisch wirksamen Nahrungsinhaltsstoffe zurückführen [vgl. auch
Anlage 14]. Dies trifft vermutlich insbesondere für das Krebserkrankungsrisiko zu.
Die wiederholt festgestellte geringere Carcinomhäufigkeit bei Vegetariern geht
somit nicht nur auf die geringere Gesamtfett- und höhere Ballaststoffaufnahme
zurück, sondern wird vermutlich auch durch eine höhere Zufuhr an Antioxidanzien
und
sekundären
Pflanzenstoffen
bedingt.
Aber
auch
der
niedrigere
Cholesterolspiegel, das geringe Vorkommen von Hypertonie und die geringere
Diabeteshäufigkeit bei Vegetariern dürften zumindest partiell auf sekundäre
Pflanzenstoffe zurückzuführen sein, die von Vegetariern in größerer Menge
aufgenommen werden als von der Durchschnittsbevölkerung.
Es wird deutlich, dass eine vielseitig praktizierte vegetarische Ernährung geeignet
ist, die Nährstoffversorgung sicher zu stellen. In einigen Bereichen, z. B. bei der
Versorgung mit den antioxidativ wirksamen Vitaminen Ascorbinsäure und
Tocopherol sowie bei ß-Carotin, ist die Situation sogar deutlich günstiger als in der
Durchschnittsbevölkerung.
Die ernährungsphysiologische Eignung und der Nutzen vielseitig ausgerichteter
pflanzenbetonter Ernährungsformen einschließlich des Lacto-(Ovo-)Vegetarismus
kann damit heute als wissenschaftlich
gesichert
gelten.
Eine
derartige
Ernährungsweise kommt den Empfehlungen für eine gesunderhaltende Ernährung
näher als eine durchschnittliche Mischkost. Demgegenüber gilt eine rein vegane
Ernährung
als
kritisch.
epidemiologischen
Ein
Studien
Grund
zu
hierfür
diesem
sind
neben
Thema
den
auch
wenigen
klinische
Einzelfallbeschreibungen, die auf in der Praxis beobachtete Probleme bei einer
rein pflanzlichen Ernährung hinweisen.
Als Nachteile insbesondere der veganen Ernährungsweise werden in der Literatur
die im Vergleich zu Omnivoren teilweise sehr geringe Aufnahme an Energie und
Protein sowie eine niedrige Zufuhr an bestimmten Mikronährstoffen und die
möglicherweise daraus resultierenden Mangelerscheinungen und Krankheitsbilder
diskutiert.
Bei
Vegetarierinnen
mit
zu
niedrigem
BMI
kann
es
zu
83
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Menstruationsstörungen bis hin zur Amenorrhoe kommen. Zudem können
insbesondere infolge streng veganer Ernährung auftretende Nährstoffmängel zu
einem
verminderten
Immunstatus,
Anämien,
Rachitis
und
schweren
neurologischen Entwicklungsstörungen bei Kindern führen [Schubert und Leipold
2001].
Die Datenlage in Bezug auf Veganer ist jedoch derzeit noch als unzureichend zu
bezeichnen. Eine wesentliche Ursache hierfür ist darin zu sehen, dass
wissenschaftliche Studien, bei denen Veganer separat untersucht wurden,
weltweit gesehen nur in sehr kleiner Anzahl und mit durchweg sehr geringen
Probandenzahlen vorliegen. Bei der lacto-(ovo-)vegetarischen Ernährung kann
hingegen auf weit umfangreicheres Zahlenmaterial zurückgegriffen werden
(ausführliche Darstellung s. Anlage 2]. Erst in jüngster Zeit wurden einige Arbeiten
publiziert, in denen zumindest kleinere Kollektive von Veganern unter bestimmten
Aspekten betrachtet wurden.
Für sich vegetarisch ernährende Erwachsene wird bisher davon ausgegangen,
dass es bei breiter Lebensmittelauswahl, ausreichendem Ernährungswissen und
besonderer
Berücksichtigung
kritischer
Nährstoffe
sowie
eventuell
der
Einbeziehung von Supplementen möglich ist, die Versorgung mit Nährstoffen
sicherzustellen. Bisher existieren aber kaum Daten aus größeren Kollektiven, die
hierzu Auskunft geben. In Wachstumsphasen, vor allem in Kindheit und Jugend ist
die vegane Ernährung auf Basis der vorliegenden klinischen Befunde ungeeignet
und mit nicht zu vernachlässigenden Risiken verbunden. Die in Kapitel 3.4
beschriebenen eigenen Untersuchungen und die im Zusammenhang damit
diskutierten Aspekte beziehen sich auf die Eignung der veganen Ernährung für
Erwachsene.
3.4
Eigene Untersuchungen: Die Deutsche Vegan Studie (DVS)
Die Deutsche Vegan Studie ist die erste Querschnittsstudie, die sich mit einer
umfangreicheren Zahl von Ernährungs- und Gesundheitsaspekten eines größeren
Kollektivs von Veganern auseinander setzt. Sie wurde, wie auch die in Kapitel 2.4
dargestellte HANNA-Studie, vom Verfasser dieser Arbeit im Wesentlichen geplant,
organisiert
und
leitend
durchgeführt;
ebenso
wurden
die
notwendigen
84
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Finanzmittel42 beschafft. Im Rahmen des Projektes entstand eine Dissertation
[Dörr 1998], die sich mit einem Teilaspekt des Themas, der Pyridoxinversorgung,
beschäftigt. Alle im Kapitel 3.4.3 angeführten Ergebnisse, auch die der genannten
Arbeit, wurden auf Basis neuer Ausschlusskriterien43 ermittelt.
Im Folgenden sollen die wesentlichen Ergebnisse kurz dargestellt werden. Es wird
bewusst darauf verzichtet, das methodische Vorgehen, die Auswertestrategien
und alle Ergebnisse im Detail zu beschreiben. Primäres Ziel ist die Darstellung,
welche Beobachtungen gemacht wurden, weniger die Frage nach allen
Hintergründen. Um den Rahmen dieser Übersicht nicht zu sprengen, werden
primär die Ergebnisse der univariaten Analysen dargestellt. Es ist Gegenstand
laufender
und
zukünftiger
Arbeiten,
die
Risikonährstoffe
und
mögliche
Risikogruppen näher zu beschreiben und zu analysieren. Dies zielt darauf ab,
mögliche Einflussgrößen zu differenzieren, um später konkrete Empfehlungen
ableiten zu können.
3.4.1 Material und Methoden
3.4.1.1 Gewinnung der Probanden und Untersuchungsphasen
Die Rekrutierung der Studienteilnehmer erfolgte bundesweit durch Anzeigen in
acht Zeitschriften aus dem Reform-, Naturkost- und Vegetarismusbereich.
Einschlusskriterien für eine Studienteilnahme waren:
•
Vegane Ernährung seit mindestens einem Jahr,
•
Mindestalter 18 Jahre,
•
Bereitschaft zur Teilnahme an allen Studienabschnitten, einschließlich Blutabnahme.
Auf die Anzeigen meldeten sich 868 Interessenten, an die Vor-Fragebögen
versendet wurden, von denen 654 zurückgesendet wurden. 239 Personen
42
Die Untersuchungen wurden teilweise durch die EDEN-Stiftung, Bad Soden, gefördert.
43
Die bei Dörr [1998] vorgenommene Einteilung der Probanden in Untergruppen erscheint im
Nachhinein betrachtet nicht stringent, insbesondere das dabei angewandte Verfahren.
85
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
erfüllten die Einschlusskriterien nicht, so dass 415 Personen in die Studie
einbezogen werden konnten.
Die Untersuchung gliederte sich in vier Phasen, wobei in jeder Phase
erwartungsgemäß einige Studienteilnehmer die Teilnahme gänzlich abbrachen,
am jeweiligen Studienabschnitt nicht teilnahmen oder aber, z. B. wegen nicht
verwertbarer Angaben oder im Widerspruch zu den Einschlusskriterien stehender
Angaben, ausgeschlossen werden mussten. 170 Personen nahmen an allen
Studienabschnitten teil und bildeten, soweit nicht anders angegeben, die Basis für
die hier dargestellten Auswertungen.
3.4.1.2 Untersuchungsphasen und Untersuchungsmethodik
Die Studie gliederte sich in mehrere Abschnitte. Die nach der Vorauswahl in die
Studie
einbezogenen
Probanden
(n
=
415)
erhielten
zunächst
einen
umfangreichen Fragebogen (s. u.), der von 376 Personen zurückgesendet wurde.
Aufgrund
der
gemachten
Angaben
mussten
weitere
23 Probanden
ausgeschlossen werden, weil sie die Studienkriterien nicht erfüllten. Die
verbliebenen 353 Teilnehmer erhielten sechs Monate später ein erstes, und nach
weiteren rund sechs Monaten ein zweites Ernährungsprotokoll. Der Rücklauf lag
bei n = 279 bzw. n = 287. Die Feldstudie, an der 212 Personen teilnahmen, wurde
rund 3 Monate nach Versendung des zweiten Ernährungsprotokolls durchgeführt.
Im Einzelnen wurden folgende Erhebungsinstrumente genutzt:
•
Detaillierter Fragebogen44, u. a. zu sozio-demographischen Daten, Art und Dauer
verschiedener Kostformen, Motive für die jeweilige Ernährung, Lebensgewohnheiten,
Krankheiten, Ernährungswissen.
•
Ernährungstagebuch: Geschlossenes Schätzprotokoll zur direkten Erfassung des
Lebensmittelverzehrs mit 206 für die Vegan-Ernährung typischen Lebensmitteln. Die
Teilnehmer führten zwei derartige Protokolle über jeweils neun Tage, einmal im
Frühjahr, einmal im Herbst. Für die Auswertung wurde jeweils der Verzehr von sieben
aufeinander folgenden Tagen ausgewertet. Als Nährstoff-Datenbank wurde der
Bundeslebensmittelschlüssel BLS II.2 herangezogen, wobei ähnliche Lebensmittel in
44
Die Ergebnisse dieses Studienteils werden nicht dargestellt.
86
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Gruppen zusammengefasst und für die vegane Ernährung typische, in der Datenbank
aber nicht vorhandene Daten, nach Herstellerangaben ergänzt wurden. Um eine
Gegenüberstellung mit den Ergebnissen der VERA-Studie zu ermöglichen, wurden die
Lebensmittel analog dem dort zu findenden Vorgehen in 23 Gruppen
zusammengefasst.
•
Blutuntersuchungen und anthropometrische Daten der Teilnehmer wurden in einer
bundesweiten Feldstudie erhoben. Um die Anfahrtswege für die Probanden möglichst
gering zu halten, wurden zwei mobile, aus Ernährungswissenschaftlern, Ärzten und
technischem Personal bestehende, Studienteams eingesetzt, die die Untersuchungen
an insgesamt 25 Orten bundesweit durchführten. Erhoben wurden anthropometrische
und grundlegende klinische Befunde. Zudem wurde venöses Nüchternblut
entnommen, das jeweils direkt vor Ort in einem provisorischen Labor aufbereitet und
am gleichen Tag den kooperierenden klinischen Labors an der Universität Gießen und
der Medizinischen Hochschule Hannover überstellt wurde. Bestimmt wurden die in
Tabelle 21 aufgeführten Parameter. Alle Untersuchungen wurden nach den
Standardverfahren der Deutschen Gesellschaft für klinische Chemie bzw.
(Vitaminparameter) dem Methodenhandbuch der VERA-Studie [Speitling et al. 1992]
durchgeführt. Tabelle 22 gibt einen Überblick über die eingesetzten Analyseverfahren.
Tabelle 21: Untersuchte Blutparameter in der Deutschen Vegan Studie
Untersuchter
Bereich
Parameter
Blutbild
Zahl der Erythrocyten, Leucocyten, Thrombocyten,
Neutrophile, Eosinophile, Basophile, Monocyten, MCV,
MCH, MCHC, Hämatokrit
Fettstoffwechsel
Triglyceride, Gesamtcholesterol, HDL-Cholesterol,
Cholesterol, Atherogener Index, Lp (a)
Eisenstoffwechsel
Plasmaspiegel an Transferrin, Ferritin, Eisen, Hämoglobin
Vitamine
Plasmakonzentrationen
an
Cobalamin,
Folsäure,
Ascorbinsäure,
β-Carotin,
Vitamin A,
Vitamin E,
erythrocytäre Aktivierungskoeffizienten als Versorgungsparameter für Thiamin, Riboflavin, Pyridoxin
Sonstiges
Homocystein
LDL-
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
87
Tabelle 22: Methodik der klinisch-biochemischen Bestimmungen im Rahmen der
DVS (vgl. Tabelle 21)
Parameter
Methodik
β-Carotin
RP-HPLC mit UV-Detektion
Vitamin A
RP-HPLC mit UV-Detektion
Vitamin E
RP-HPLC mit UV-Detektion
Folsäure
Kompetitiver Immunoassay mit Chemolumineszenz-Messung
Cobalamin
Kompetitiver Immunoassay mit Chemolumineszenz-Messung
Ascorbinsäure
Photometrisch nach Umsetzung mit Dinitrophenylhydrazin
Thiamin1
Bestimmung der Aktivität der Erythrocyten-Transketolase vor und
nach Zusatz von TDP zur Ermittlung des Aktivierungskoeffizienten
Riboflavin1
Bestimmung der Aktivität der Erythrocyten-Glutathionreductase
vor und nach Zusatz von FAD zur Ermittlung des
Aktivierungskoeffizienten
Pyridoxin1
Bestimmung
der
Aktivität
der
ErythrocytenAspartataminotransferase vor und nach Zusatz von PALP zur
Ermittlung des Aktivierungskoeffizienten
Homocystein
Immunoassay mit fluorimetrischer Messung
Transferrin
Immunochemisch mit spezifischen Antikörpern mit Nephelometer
Ferritin
Photometrisch als Ferrozin-Komplex
Eisen
Photometrisch nach Umsetzung mit Ferrozin
Hämoglobin
SLS-Hämoglobin
Triglyceride
Gekoppelter enzymatischer Test mit photometrischer Bestimmung
HDL-Cholesterol
Homogener enzymatischer Farbtest
LDL-Cholesterol
Homogener enzymatischer Farbtest
Atherogener
Index
Rechnerisch als Verhältnis der LDL- zur HDL-Konzentration
1
Die Versorgung mit diesen Vitaminen wird auf Basis der Aktivierbarkeit von Enzymen
gemessen, die Metaboliten des jeweiligen Vitamins als Cofaktor nutzen [vgl. Speitling et al.
1992].
3.4.2 Statistische Verfahren
Die Auswertung der Daten erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS für Windows,
Version 10.0. Als statistische Kennzahlen wurden der Median und als
Streuungsmaß der 90 %-Wertebereich (5-95er Perzentile) angegeben, da die
Werte häufig nicht normalverteilt waren. Zur Angabe des durchschnittlichen
Lebensmittelverzehrs wurde das Arithmetische Mittel (Mean) angegeben, da
einige Lebensmittel von einem Großteil des Kollektivs nicht verzehrt wurden. Bei
88
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Betrachtung des Medians würde die Aufnahme „Null“ betragen, was die
Ergebnisse nicht korrekt beschreiben würde.
Zur Überprüfung von Hypothesen wurde bei gegebener Normalverteilung der
t-Test
für
unabhängige
Stichproben
angewendet.
Bei
nicht
gegebener
Normalverteilung wurde der nichtparametrische U-Test nach Mann-Whitney für
zwei unabhängige Stichproben verwendet. Die Nullhypothese wurde für die
Testverfahren nur dann zurückgewiesen, wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit
p < 0,05 war. Eine Beurteilung, ob für den jeweiligen Wert eine Normalverteilung
vorlag, erfolgte anhand der von Hecker [1997] angegebenen maximal zulässigen
Schiefe bei definierten Stichprobenumfängen.
Um Unterschiede zwischen den Kostformen in Bezug auf den BMI unter
Berücksichtigung der Altersverteilung festzustellen, wurde der Chi-Quadrat-Test
nach Pearson herangezogen. Um Zusammenhänge zwischen zwei Parametern zu
untersuchen, wurden unterschiedliche Korrelationen verwendet. Bei vorhandener
Normalverteilung wurde der Pearson-Korrelationskoeffizient, bei nicht gegebener
Normalverteilung der Spearman-Korrelationskoeffizient verwendet.
3.4.3 Ergebnisse und Diskussion
Die Vielzahl der im Rahmen der DVS erhobenen Daten verbietet es, die
Ergebnisse und nachgeschalteten Auswertungen innerhalb dieser Arbeit detailliert
darzustellen. Im Folgenden sollen daher nur die wichtigsten Daten zur
Ernährungs- und Gesundheitssituation von Veganern präsentiert werden.
3.4.3.1 Beschreibung und Einteilung des Kollektivs
Auf Basis der beiden Ernährungsprotokolle zeigte sich, dass sich entgegen der
eigenen Angaben vor Studienbeginn, ein erheblicher Teil der Probanden nicht rein
pflanzlich ernährte, sondern geringe Mengen an Milch und Milchprodukten sowie
Eiern konsumierte. Dies dokumentiert einerseits deutlich, dass die eigene
Einschätzung der Ernährungsweise nicht mit der wissenschaftlich exakten
Klassifikation übereinstimmt (vgl. Kapitel 3.1). Andererseits unterstreicht es, dass
sich Ernährungsweisen kaum in ein fixes Raster fassen lassen, sondern vielmehr
Mischformen existieren. So verstanden sich insbesondere solche Teilnehmer als
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
89
Veganer, die sich nach dem „Fit for Life“-Konzept [vgl. Anlage 22] bzw. nach
Bruker [vgl. Anlage 23] ernährten. In beiden Ernährungsformen werden Butter und
Sahne nicht als Produkte tierischen Ursprungs betrachtet, sondern als „isolierte
Fette“. Vor diesem Hintergrund schien es gerechtfertigt, auch diese Teilnehmer in
die Auswertung zu integrieren. Alle Ergebnisse wurden allerdings darauf hin
untersucht, ob sich Unterschiede zwischen diesen „moderaten Veganern“ (VGM)
und den „strengen Veganern“ (VGS) ergeben.
Der Anteil vom Tier stammender Lebensmittel ist bei den VGM, gemessen an der
Durchschnittsbevölkerung sehr gering. Die 70 Personen dieser Gruppe verzehrten
maximal 12,5 % der aufgenommenen Energie in Form von vom Tier stammender
Produkte. Anhand der Daten der VERA-Studie [Heseker et al. 1994a] lässt sich
überschlagsmäßig berechnen, dass dieser Anteil in Deutschland durchschnittlich
bei ca. 30 % liegt. In die weitere Auswertung wurden allerdings nur die 56 der 70
Probanden der Gruppe VGM einbezogen, bei denen der Anteil vom Tier
stammender Produkte 5 % nicht überschritt. Diese Grenze wurde auf Basis der
Häufigkeitsverteilung festgesetzt und kann zudem als nahezu vegane Ernährung
interpretiert werden. Der durchschnittliche Anteil der Energie aus tierischen
Quellen lag in dieser Gruppe mit 1,25 % sehr niedrig. Detaillierte Angaben hierzu
finden sich in Tabelle 25 und Tabelle 26.
Von den 100 Teilnehmern der Gruppe VGS wurden zwei Frauen aus der
Bewertung ausgeschlossen, die ca. acht Monate vor der Blutabnahme entbunden
hatten, um evtl. hierdurch bedingte Veränderungen des Verzehrsmusters und der
Nährstoffversorgung auszuschließen. Für das Gesamtkollektiv und die beiden
Subgruppen ergaben sich somit die in Tabelle 23 angeführten Kenndaten.
90
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Tabelle 23: Kenndaten der DVS-Probanden
(Median, 5-95 Perzentile)
p1
Gesamt
VGS
VGM
n = 154
n = 98
n = 56
Alter (Jahre)
42,6
(24,2-72,9)
42,4
(23,3-74,3)
44,9
(25,8-70,7)
n.s.
Körpermasse
[kg]
61,5
(46,8-82,3)
62
(45,0-83,3)
60
(48,7-74,2)
n.s.
Körpergröße [m]
1,70
(1,56-1,88)
1,71
(1,58-1,91)
1,69
(1,53-1,85)
n.s.
Body Mass
Index [kg/m2]
21,2
(17,5-25,4)
21,2
(17,3-26,2)
21,2
(17,8-24,7)
n.s.
Dauer2 (Jahre)
3,93
(2,36-18,9)
4,30
(2,36-20,1)
3,42
(2,36-17,4)
n.s.
Relation
m / f (%)
43,5 / 56,5
49,0 / 51,0
33,9 / 66,1
n.s3
1
t-Test für unabhängige Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen
VGS und VGM
2
Dauer der veganen Ernährung zum Zeitpunkt der Blutabnahme, der Unterschied war an der
Grenze zur Signifikanz (p=0,058).
3
Chi-Quadrat-Test nach Pearson bezogen auf VGS und VGM, allerdings ist hier ein Trend
zu verzeichnen.
Auffällig war die niedrige relative Körpermasse der Probanden. Legt man die
übliche Einteilung des Gewichtes anhand des BMI in verschiedene Klassen unter
Berücksichtigung des Geschlechts zugrunde [vgl. Anlage 9, S. 220], waren 63,7 %
der Studienteilnehmer als normalgewichtig, nur 11,0 % als übergewichtig, aber
25,3 % als untergewichtig anzusehen. Das Vorkommen einer Adipositas (BMI>30)
war überhaupt nicht zu beobachten. Wie in Kapitel 3.4.3.3 dargestellt, dürfte dies
im Wesentlichen auf die sehr niedrige Energiezufuhr zurückzuführen sein.
Zwischen den Gruppen VGS und VGM waren keine statistischen Unterschiede
feststellbar.
Der BMI der Probanden der DVS lag damit auf dem niedrigen Niveau von
Rohköstlern [Strassner 1998]. Auch unter den Anhängern dieser Kostform waren
ca. 2/3 als normalgewichtig anzusehen, 1/4 der Frauen und 10% der Männer
wiesen Untergewicht auf. Im Vergleich dazu liegt die Prävalenz des Übergewichts
in der Durchschnittsbevölkerung (BMI>25) nach aktuellen Erhebungen bei rund
50 %; die der Adipositas bei etwa 20 % [Wirth 2000, S. 37ff].
91
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
In der Häufigkeit und Ausprägung verschiedener Verhaltensweisen mit möglichem
Einfluss auf den Ernährungs- und Gesundheitsstatus waren keine signifikanten
Unterschiede zwischen den Subgruppen feststellbar. Dies betraf folgende
Parameter: Rauchen und Rauchhäufigkeit45, sportliche Betätigung46, Einnahme
von Sexualhormonen zur Kontrazeption oder im Klimakterium, Einnahme von
Supplementen47, Verzehr vitaminangereicherter Lebensmittel48 und Verwendung
von Arzneimitteln mit Einfluss auf die Nährstoffversorgung. Aus diesem Grund
wurden die Ergebnisse der beiden Subgruppen zunächst jeweils ohne
Berücksichtigung dieser Einflussgrößen betrachtet.
3.4.3.2 Lebensmittelverzehr
Der Lebensmittelverzehr wurde auf Basis der beiden Ernährungsprotokolle
erhoben (vgl. Kapitel 3.4.1.2). Tabelle 24 gibt die Werte für das Gesamtkollektiv
der DVS im Vergleich49 zur VERA-Studie [Heseker et al. 1994a] wieder. Die
separate Betrachtung der weiblichen und männlichen Teilnehmer der DVSUntergruppen im Vergleich zur VERA-Studie findet sich im Anhang B.
Das DVS-Kollektiv verzehrte hauptsächlich Obst und Gemüse (arithmetisches
Mittel:
1458 g/d),
wobei
rund
46 %
hiervon
auf
Frischgemüse
und
Gemüseprodukte, 27 % auf Südfrüchte, 23 % auf sonstiges Frischobst und nur
4 % auf Obstprodukte entfielen. Zwischen den beiden veganen Kostformen war
ein signifikanter Unterschied nur für die Gruppe der Südfrüchte nachweisbar (p =
0,038; VGS: arithmetisches Mittel = 373 g/d; VGM: arithmetisches Mittel =
442 g/d). Insgesamt lag der Verzehr an Obst und Gemüse damit rund viereinhalb
45
Nur 5 Probanden (3,25 %) waren Raucher.
46
Die sportliche Betätigung war relativ ausgeprägt: Nur rund 20 % gaben an, sich selten oder nie
sportlich zu betätigen.
47
Unter Supplementen sind hier nährstoffhaltiger Zusatzpräparate (z. B. Multivitamine, Bierhefe)
zu verstehen.
48
Hierzu zählen beispielsweise Vitaminsäfte, aber auch einige Speziallebensmitteln, die sich bei
Veganern großer Beliebtheit erfreuen wie Brottrunk, Algenpulver oder vitaminisierte Sojamilch.
49
Es sei am Rande vermerkt, dass diese Gegenüberstellung selbstverständlich nur Unterschiede
in den Größenordnungen des Lebensmittelverzehrs deutlich machen kann. Da die
Erhebungsinstrumente nicht identisch waren, verbietet sich ein exakter Vergleich.
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
92
Mal so hoch wie in der für den Bevölkerungsdurchschnitt repräsentativen VERAStudie [Heseker et al 1994a].
Die durchschnittliche tägliche Aufnahme an Brot und Backwaren lag mit etwa
163 g um ein Viertel niedriger als im VERA-Kollektiv. Der Konsum an Nährmitteln
war mit 105 g/d hingegen fast dreimal so hoch. Ein Unterschied zwischen den
veganen Kostformen war bei beiden Lebensmittelgruppen nicht feststellbar.
Gleiches gilt für den Kartoffelverzehr, der durchschnittlich 106 g/d Kartoffeln
betrug und damit auf dem gleichen Niveau wie in der VERA-Untersuchung lag.
Die Verwendung von Fetten und Ölen lag mit 15,4 g/d bei rund 75 % des in der
VERA-Erhebung ermittelten Wertes. Ein statistisch signifikanter Unterschied
zwischen strengen und moderaten Veganern war nicht nachweisbar, wobei die
Gruppe der strengen Veganer 17,5 g/d und die der moderaten Veganer 11,6 g/d
an Fetten und Ölen verwendeten (Median 9,6 g/d bzw. 8,7 g/d).
Auffallend war weiterhin der geringe Konsum von Zucker, alkoholischen
Getränken und Röstkaffee. Diese Lebensmittel werden, wie die hier nicht
dargestellten Ergebnisse der Fragebögen zeigten, von vielen Veganern als
ungesund eingestuft und gemieden.
93
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Tabelle 24: Lebensmittelaufnahme des DVS-Kollektivs im Vergleich zum VERAKollektiv [Arithmetisches Mittel, g/d]
Lebensmittelgruppe
DVS
Gesamt
VERA
Gesamt
Fleisch
-
79,8
-
Fleisch-, Wurstwaren
-
68,0
-
Fischwaren
-
16,5
-
Eier
0,3
29,8
1,0
Milch und Milchprodukte
1,7
169,1
1,0
Käse und Quark
0,5
42,2
1,2
Butter
0,7
18,4
3,8
15,4
20,3
75,9
Brot und Backwaren
163,2
217,6
75,0
Nährmittel
104,7
38,9
269,2
Kartoffeln
106,3
100,5
105,8
Frischgemüse und
Gemüseprodukte
670,4
150,4
445,7
Frischobst
330,4
70,8
466,7
Südfrüchte
398,3
41,6
957,5
Obstprodukte
59,0
7,7
766,2
Brotaufstrich
3,2
8,9
36,0
Zucker
0,8
10,3
7,8
11,3
21,9
51,6
0,1
9,2
1,1
1047,1
547,2
191,4
Alkoholische Getränke
12,8
307,9
4,2
Röstkaffee
23,6
411,4
5,7
Tee
57,2
87,3
65,5
Speisefette und Speiseöle
Süßwaren
Gewürze und andere Zutaten
Alkoholfreie Getränke
Vergleich
DVS/VERA1
1
Relative Aufnahme des DVS-Kollektivs im Vergleich zur VERA-Stichprobe in %.
Der Verzehr vom Tier stammender Produkte50 (Eier, Milch, Käse/Quark und
Butter) war gemessen am in der VERA-Gruppe bestimmten Konsum dieser
Lebensmittel sehr gering. Zwischen den Gruppen VGS und VGM ergab sich durch
die in Kapitel 3.4.3.1 vorgenommene Klassifizierung ein statistisch höchst
signifikanter
50
Unterschied
(Tabelle
25).
Auch
bei
Betrachtung
der
Fleisch, Fisch und daraus hergestellte Produkte wurden von den Probanden der DVS
entsprechend den Ausschlusskriterien zur Studienteilnahme nicht verzehrt.
94
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
durchschnittlichen Gesamtenergieaufnahme und der anteiligen prozentualen
Energiemenge aus Lebensmittel tierischer Herkunft wird besonders deutlich wie
gering die Aufnahme bei den moderaten Veganern ist (Tabelle 26).
Tabelle 25: Verzehr vom Tier stammender Produkte in den Untergruppen des
DVS-Kollektivs
Eier
VGS
VGM
n = 98
n = 56
[Arithmetisches
Mittel in g/d]
[Arithmetisches
Mittel in kJ/d]
[Arithmetisches
Mittel in g/d]
[Arithmetisches
Mittel in kJ/d]
0
0
0,91
5,8
1
12,7
Milch
0
0
4,7
Käse und Quark
0
0
1,41
9,9
0
1
56,7
Butter
0
1,8
1
Verglichen mit dem VERA-Kollektiv (s. Tabelle 24) lag der Konsum an diesen Lebensmitteln
in der Gruppe VGM bei 3,0 % (Eier), 2,8 % (Milch), 3,3 % (Käse und Quark), 9,8 % (Butter).
Tabelle 26: Gesamtenergieaufnahme und anteilige Energie aus Produkten
tierischen Ursprungs in den Untergruppen des DVS-Kollektivs
VGS
VGM
n = 98
n = 54
8594 ± 2968
7604 ± 2276
0,0391
Anteil vom Tier stammender Lebensmittel [Arithm. Mittel in KJ/d ± sd]
0
85,2 ± 78,7
0,0001
Anteil vom Tier stammender Lebensmittel [Arithm. Mittel in % ± sd]
0
1,24 ± 1,19
0,0002
Gesamtenergieaufnahme
[Arithmetisches Mittel in KJ/d ± sd]
p
1
U-Test nach Mann-Whitney auf signifikante Unterschiede zwischen VGS und VGM
2
t-Test für unabhängige Stichproben auf signifikante Unterschiede zwischen VGS und VGM
95
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
3.4.3.3 Nährstoffzufuhr
Hauptnährstoffe und Energie
Die mediane Energiezufuhr des DVS-Kollektivs lag bei 7,85 MJ/d (Tabelle 27)
und
damit
deutlich
unterhalb
dessen,
was
in
der
deutschen
Durchschnittsbevölkerung üblicherweise zugeführt wird (9,85 MJ/d) [Heseker et al.
1994a]. Erwartungsgemäß war die Energiezufuhr der Frauen mit 6,83 MJ/d
geringer als die der Männer (9,61 MJ/d). Tabelle 28 zeigt die Aufnahme an
Energie und Hauptnährstoffen differenziert nach Kostform und Geschlecht.
Werden die Frauen bzw. Männer beider Gruppen miteinander verglichen, wird
deutlich, dass sich lediglich beim relativen Anteil an Protein bei Frauen ein
signifikant niedriger Wert von VGM zu VGS ergibt.
Tabelle 27: Zufuhr von Energie und prozentualer Anteil der Hauptnährstoffe an der
Energiezufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich
zur Empfehlung
DGEWert
[DGE et
al. 2000]
Gesamt
n = 154
VGS
n = 98
VGM
n = 56
-
7,85
(4,59-12,96)
8,00
(4,64-13,28)
7,20
(4,24-11,14)
> 50
57,2
(45,1-68,1)
56,8
(42,4-67,8)
58,6
(46,5-70,7)
Brennwert Protein (%)
15
11,8
(7,8-14,6)
12,3
(7,9-14,7)
11,1
(7,5-14,3)
Brennwert Fett (%)
30
28,8
(17,8-43,8)
29,0
(18,3-45,6)
28,4
(17,0-40,7)
-
0 (0-1,06)
0 (0-0,96)
0 (0-1,85)
Energie [MJ/d]
Brennwert
Kohlenhydrate (%)
Brennwert Alkohol (%)
96
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Tabelle 28: Energieaufnahme und relativer Anteil der Hauptnährstoffe an der
Energiezufuhr nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile)
VGS
Frauen
Energie [MJ/d]
VGM
Frauen
p
6,90
6,52
(3,92-10,85) (3,96-10,47)-
VGS
Männer
VGM
Männer
p
n.s.1
9,61
9,53
(6,30-14,47) (4,88-13,55)
n.s.²
Brennwert
Kohlenhydrate (%)
57,2
(44,1-72,1
59,2
(54,5-70,6)
n.s.1
56,2
(37,3-67,4)
57,7
(46,5-73,4)
n.s.1
Brennwert Protein
(%)
12,4
(7,94-14,9
11,1
(7,2-13,6)
0,0001
11,6
(7,9-14,5)
11,1
(7,6-14,6)
n.s.1
Brennwert Fett
(%)
28,7
(15,2-44)
27,9
(17,0-43,2)
n.s.1
30,3
(19,1-52,9)
29,8
(15,4-40,2)
n.s.²
Brennwert Alkohol
(%)
0,0
(0,0-1,57
0,0
(0,0-1,0)
n.s.²
0,0
(0,0-0,7)
0,0
(0,0-8,0)
n.s.²
1
t-Test für unabhängige Stichproben, bezogen jeweils auf Frauen VGS vs. VGM bzw.
Männer VGS vs. VGM
² U-Test nach Mann-Whitney, bezogen jeweils auf Frauen VGS vs. VGM bzw. Männer VGS
vs. VGM
Bei
der
differenzierten
Betrachtung
der
Zufuhr
von
Hauptnährstoffen,
Ballaststoffen und Cholesterol nach Kostform und Geschlecht ergaben sich bei
fast allen untersuchten Stoffen weder bei den Frauen, noch bei den Männern
Unterschiede zwischen den Kostformen (Anhang B, Tabelle 52). Lediglich bei der
Protein-
und
Cholesterolaufnahme
ergaben
sich
statistisch
signifikante
Differenzen.
Die mediane Proteinzufuhr (VERA: 77,6 g/d) lag bei den strengen Veganern
höher (56,4 g/d) als bei den moderaten Veganern (47,4 g/d) ebenso wie der
relative Anteil des Proteins an der Energieaufnahme (VGS: 12,25 %, VGM: 11,05
%). Die Proteinaufnahme der Frauen in der Gruppe VGM lag mit rund 41 g/d
deutlich niedriger und war signifikant geringer als die der Frauen der Gruppe VGS
(51 g/d). Bei den Männern war die Aufnahme mit 60 g/d (VGM) bzw. 62 g/d gleich.
Die DGE empfiehlt, auf Basis der Aufnahme von Protein hoher Qualität (Ei, Milch,
Fleisch, Fisch) und unter Einbeziehung der individuellen Schwankungen und der
bei gemischter Kost häufig verminderten Verdaulichkeit des Proteins eine
Aufnahme von 0,8 g Protein/kg Körpergewicht. Im Gesamtkollektiv lag die mittlere
Proteinaufnahme
bei
0,84 g/kg
mit
Minimalwerten
von
0,39 g/kg
und
Maximalwerten von 2,88 g/kg. Insgesamt erreichten 37,7 % des Gesamtkollektivs
nicht die empfohlene Aufnahme (28,6 % der VGS; 53,6 % der VGM).
97
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Die mediane Fettzufuhr lag bei 59,5 g/d (VERA: 101 g/d), entsprechend ca. 29 %
der zugeführten Energie. Diese Fettzufuhr war absolut gesehen sehr niedrig und
kam
relativ
gesehen
den
Empfehlungen
der
DGE
sehr
nahe.
Die
Fettsäureverteilung ergab bei den Untergruppen ein ähnliches Bild: 45,6 % der
Fettsäuren wurden von den strengen Veganern in Form einfach ungesättigter
Fettsäuren aufgenommen (44,6 % bei den VGM), 31,2 % der Fettsäuren in Form
mehrfach ungesättigter Fettsäuren (31,8 % von den VGM) und 23,2 % in Form
gesättigter Fettsäuren (23,5 % bei den VGM).
Das DVS-Kollektiv nahm durchschnittlich 260,7 g Kohlenhydrate pro Tag auf.
Dies entsprach 57,2 % der Gesamtenergiezufuhr und damit dem von der DGE
empfohlenen Bereich. Die mediane Ballaststoffzufuhr lag mit 55,6 g/d fast
doppelt so hoch wie die empfohlene Mindestzufuhrmenge von 30 g/d.
Tabelle 29: Durchschnittliche Nährstoffzufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95
Perzentile)
Gesamt
n = 154
VGS
n = 98
VGM
n = 56
260,7
(154,8-421,7)
264,0
(155,3-442,0)
244,8
(124,5-413,3)
Protein [g/d]
54,1
(26,9-91,6)
56,4
(28,75-94,59)
47,4
(24,2-87,0)
Protein
[g/kg KG x d]
0,84
(0,46-1,38)
0,89
(0,50-1,62)
0,76
(0,40-1,33)
Fett [g/d]
59,5
(27,2-125,3)
65,7
(27,2-128,2)
56,0
(26,7-105,3)
Gesättigte Fettsäuren [g/d]
12,7
(5,9-24,8)
13,2
(5,0-25,0)
11,9
(6,6-22,7)
Einfach ungesättigte FS [g/d]
24,3
(9,9-58,1)
25,9
(10,1-70,4)
22,6
(9,0-50,9)
Mehrfach ungesättigte FS [g/d]
17,0
(7,4-38,67)
17,8
(8,4-47,9)
16,2
(5,9-28,9)
Ballaststoffe
[g/d]
55,6
(31,6-89,3)
56,5
(32,0-93,1)
52,4
(30,0-75,7)
Cholesterol
[mg/d]
13,3
(0,11-67,9)
9,2
(0,04-66,6)
23,3
(1,42-81,8)
KH [g/d]
Bei der Bewertung der Zufuhr an Energie und Hauptnährstoffen im DVS-Kollektiv
ergibt sich somit folgende Situation: Die untersuchten Veganer müssen als eine
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
98
der ganz wenigen Gruppen überhaupt angesehen werden, die Kohlenhydrate und
Fette in der ernährungsphysiologisch erwünschten Relation sowie reichlich
Ballaststoffe zuführen. Dem steht allerdings gegenüber, dass die Aufnahme an
Gesamtenergie und Protein als kritische Größen zu betrachten sind.
Der Großteil des Kollektivs erreichte, wie auch bei Rohköstlern zu beobachten
[Strassner 1998], nicht die von der DGE unter Berücksichtigung der habituellen
Aktivität51 angegebenen Richtwerte für die Energiezufuhr (Tabelle 30). Diese
Werte basieren im Gegensatz zu den Angaben für andere Nährstoffe nur auf dem
durchschnittlichen Energiebedarf einer Bevölkerungsgruppe [vgl. Anlage 8]. Sie
sind deshalb nur als Orientierung zu verstehen. Allerdings gründen sich die als
Referenz herangezogenen Daten auf der jeweils altersüblichen körperlichen
Aktivität [DGE et al. 2000, S. 32]. Wenn bedacht wird, dass ca. 30 % des DVSKollektivs eine hohe Sporthäufigkeit aufwiesen und ca. 50 % des Kollektivs
angaben, mittel bis wenig Sport zu betreiben, müsste die wünschenswerte
Energiezufuhr vermutlich sogar höher angesetzt werden. Insgesamt bestätigte
sich damit die aus der Literatur [vgl. Anlage 2, S. 64ff] bekannte Situation zur
Energieaufnahme, wenngleich die Energiezufuhr im DVS-Kollektiv im Vergleich zu
anderen untersuchten Kollektiven als vergleichsweise gering anzusehen ist.
51
Ein erheblicher Anteil des Energiebedarfs basiert auf dem Energiebedarf, der für körperliche
Aktivitäten erforderlich wird. Hierfür lassen sich verschiedene Physical Activity Level (PAL)
definieren, die der unterschiedlichen Aktivität Rechnung tragen. Mittlerweile hat es sich
international durchgesetzt, den Energiebedarf als Mehrfaches des Grundumsatzes anzugeben.
Hierzu wird der Grundumsatz mit dem jeweils adäquaten PAL-Wert multipliziert [DGE et al.
2000]. Die Richtwerte für die Energiezufuhr basieren auf PAL-Werten, die der
durchschnittlichen körperlichen Aktivität der jeweiligen Altersgruppe Rechnung tragen sollen.
99
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Tabelle 30: Energiezufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95 Perzentile) im
Vergleich zu den Richtwerten der DGE [DGE et al. 2000]
Alter
(Jahre)
Richtwerte für die
durchschnittliche
Energiezufuhr [MJ/d]
Energiezufuhr DVSKollektiv [MJ/d]
Anteil Probanden
unter dem
Richtwert
19 bis < 25
m: 12,5
12,8 (9,69-14,5)
14,3 %
n=7
w: 10,0
9,13 (8,91-9,35)
100 %
n=2
25 bis > 51
m: 12,0
9,53 (5,97-13,1)
88,9 %
n = 36
w: 9,5
6,80 (3,80-10,8)
87,3 %
n = 55
51 bis < 65
m: 10,5
9,31 (5,17-13,7)
73,7 %
n = 19
w: 8,5
6,69 (4,50-10,9)
85,7 %
n = 21
> 65
m: 9,5
8,02 (4,88-24,3)
60 %
n=5
w: 7,5
7,14 (4,72-10,4)
55,6 %
n=9
Da die Körpermasse als wesentlicher Indikator der Energiezufuhr anzusehen ist,
müssen beide Größen gemeinsam bewertet werden. Die hohe Prävalenz von
Untergewicht unter den Probanden der DVS legt nahe, dass die Energiezufuhr
vieler Probanden nicht nur rechnerisch unzureichend war. Hieraus ergeben sich
auch Konsequenzen für die ohnehin knappe Zufuhr an Protein: Ein Energiedefizit
verringert die Utilisation des Nahrungsproteins zur Synthese körpereigenen
Proteins, da es auch zur oxidativen Energiegewinnung herangezogen wird. Im
Extremfall kann sich eine Protein-Energie-Malnutrition (PEM) herausbilden, die mit
Verlusten von Körperprotein, Muskelschwund, Verhaltensänderungen sowie einer
geringeren Immunabwehr einhergeht. Die Tatsache, dass 37,7 % der Probanden
nicht die empfohlene Proteinaufnahme erreichten, und zudem die biologische
Wertigkeit bei einer rein pflanzlichen Ernährung geringer ist als bei einer üblichen
gemischten Kost, lässt in dieser Hinsicht ein grundsätzliches Problem im
untersuchten Kollektiv vermuten, das auch Gegenstand zukünftiger Arbeiten sein
100
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
wird. Es wird insbesondere zu klären sein, durch welche Charakteristika bei der
Lebensmittelauswahl sich die Personen auszeichnen, denen es gelingt, auch mit
veganer Ernährung die empfohlene Zufuhr an Energie und Hauptnährstoffen zu
realisieren.
Mikronährstoffe
Wie Tabelle 31 im Vergleich zur empfohlenen Nährstoffzufuhr von 25-51jährigen
Personen zeigt, lag die mediane Zufuhr vieler Nährstoffe im Bereich der
Empfehlungen der DGE oder darüber. Die genauere Analyse zeigte jedoch, dass
bei einigen Nährstoffen ein hoher Anteil der Probanden nicht die unter
Berücksichtigung von Alter und Geschlecht empfohlene Aufnahme erreichte
(Tabelle
32).
Dem
Konzept
der
Empfehlungen
für
die
Nährstoffzufuhr
entsprechend ist eine unterhalb des Richtwertes liegende Nährstoffzufuhr
keinesfalls automatisch mit einem Nährstoffmangel gleichzusetzen [vgl. Anlage 8,
S. 59f]. Eine hohe Prävalenz einer unter der Empfehlung liegenden Zufuhr kann
aber als Indiz dafür gewertet werden, dass die ausreichende Zufuhr eines
Nährstoffes
unter
diesen
Bedingungen
möglicherweise
insgesamt
nicht
gewährleistet ist.
Mindestens 20 % des untersuchten Kollektivs erreichten nicht die unter
Berücksichtigung von Alter und Geschlecht wünschenswerte Zufuhr an Calciferol,
Cobalamin, Riboflavin, Folsäure, Calcium, Zink und Jod. Damit ergab sich im
Wesentlichen bei den Nährstoffen eine ungünstige Situation, bei denen dies auf
Basis von Literaturdaten oder aufgrund theoretischer Überlegungen zu erwarten
war
[vgl. Anlage 2
und
Anlage 16].
Überraschend
hingegen
war
die
vergleichsweise hohe Prävalenz (ca. 26,6 %) einer niedrigen Zufuhr bei Thiamin,
einem Vitamin, von dem angenommen werden könnte, dass Veganer es über
Vollkornprodukte
in
ausreichenden
Mengen
zuführen
(Tabelle
32).
Der
vergleichsweise geringe Konsum von Brot und Backwaren (Tabelle 24) könnte
eine Ursache dafür sein, dass dies zumindest im untersuchten Kollektiv nicht der
Fall war. Auch die Aufnahme an Tocopherol lag bei rund 15 % der untersuchten
Probanden unterhalb der Empfehlung.
101
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Als besonders ungünstig erwies sich die Situation bei Cobalamin, Calciferol und
Jod,
wo
nahezu
kein
Proband
den
Richtwert
erreichte.
Während
die
Cobalaminaufnahme in der Durchschnittsbevölkerung im Mittel beim Doppelten
der empfohlenen Aufnahme liegt, wird die wünschenswerte Zufuhr an Calciferol
und Jod auch dort im Mittel nicht erreicht. Sie liegt aber im Median mit 3,45 µg/d
bzw. 127 µg/d [Heseker et al. 1994a, S. 179] deutlich höher als bei den
untersuchten Veganern. Aus diesen Befunden Versorgungslücken52 abzuleiten, ist
allerdings nicht berechtigt, da weder die Jodaufnahme über Jodsalz und ähnliche
Produkte erfassbar ist, noch der Umfang der körpereigenen Vitamin-D-Synthese
der Veganer abgeschätzt werden kann.
Auch Calcium (ca. 75 % des Kollektivs unterhalb der Empfehlung) und Riboflavin
(50 % des Kollektivs unterhalb der Empfehlung) stellen auf Basis des Vergleichs
zwischen Zufuhr und Empfehlung offensichtliche Problemnährstoffe dar.
52
Leider war es in der DVS aus Kostengründen nicht möglich, Versorgungsparameter für diese
Nährstoffe (Jodausscheidung im Urin bzw. Plasmaspiegel an 25-OH-Cholecalciferol) zu
bestimmen.
102
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Tabelle 31: Durchschnittliche Vitamin- und Mineralstoffzufuhr des DVS-Kollektivs
(Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich zum DGE-Referenzwert
Referenzwert1
Gesamt
n = 154
VGS
n = 98
VGM
n = 56
2-4
8,9
(3,6-22,1)
8,7
(2,8-22,9)
10,0
(4,3-22,7)
m: 1,0
w: 0,8
1,70
(0,8-43,98)
1,60
(0,56-4,50)
1,85
(0,85-4,02)
5
0,49
(0,01-1,90)
0,45
(0,00-1,86)
0,57
(0,06-1,94)
TocopherolÄquivalent [mg/d]
m: 14
w: 12
21,0
(10,7-46,9)
22,1
(11,3-55,5)
18,8
(9,17-40,5)
Thiamin [mg/d]
m: 1,2
w: 1,0
1,72
(0,90-2,97)
1,83
(0,87-3,26)
1,56
(0,90-2,54)
Riboflavin
m: 1,4
w: 1,2
1,27
(0,71-2,05)
1,33
(0,71-2,11)
1,22
(0,70-2,04)
Pyridoxin [mg/d]
m: 1,5
w: 1,2
2,61
(1,33-4,32)
2,67
(1,35-4,35)
2,51
(1,21-4,36)
Cobalamin [µg/d]
3,0
0,27
(0,00-3,15)
0,30
(0,00-3,69)
0,23
(0,00-2,81)
FolsäureÄquivalent [µg/d]
400
497
(274-755)
508
(284-792)
470
(257-748)
Niacin [mg/d]
m: 16
w: 13
24,1
(13,6-39,6)
25,4
(14,9-39,7)
21,9
(10,8-38,7)
Ascorbinsäure
[mg/d]
100
279,1
(104,1-696,0)
260,0
(88,4-722,0)
303,2
(110,1-657,9)
Natrium [g/d]
0,55-2,4
1,94
(0,43-3,78)
2,12
(0,57-3,97)
1,62
(0,29-3,44)
Kalium [g/d]
>2
4,67
(2,68-7,49)
4,72
(2,69-7,50)
4,36
(2,63-7,58)
Calcium [mg/d]
1000
812
(455-1.336)
829
(467-1.413)
784
(382-1.337)
Phosphor [mg/d]
700
1.269
(689-2.174)
1.322
(765-2.280)
1.155
(580-1.954)
Magnesium [mg/d]
m: 350
w: 300
577
(338-930)
618
(356-997)
549
(322-904)
Zink [mg/d]
m: 10
w: 7
10,7
(5,6-17,8)
10,9
(6,8-20,1)
10,1
(4,7-17,5)
Eisen [mg/d]
m: 10
w: 15
20,7
(11,9-32,1)
21,2
(12,8-34,8)
19,8
(10,8-29,7)
Jod [µg/d]
m: 200
w: 150
78
(45-137)
77
(46-134)
80
(43-140)
Kupfer [mg/d]
1,0-1,5
3,03
(1,69-5,07)
3,18
(1,76-5,32)
2,85
(1,64-4,43)
Mangan [mg/d]
2,0-5,0
7,94
(4,17-14,6)
8,42
(4,58-14,9)
7,53
(3,54-13,3)
ß-Carotin [mg/d]
Retinol-Äquivalent
[mg/d]
Calciferol [µg/d]
1
empfohlene Zufuhr für 25-51jährige Personen ohne Berücksichtigung des unterschiedlichen
Charakters dieser Daten
103
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Einer gesonderten Betrachtung bedarf die Situation beim Calcium. Die mediane
Calciumaufnahme des DVS-Kollektivs lag mit 812 mg/d zwar deutlich niedriger als
der Richtwert, aber trotz des Verzichts53 auf Milch und Milchprodukte sogar höher
als in der VERA-Erhebung [Heseker et al. 1994a]. Die empfohlene Calciumzufuhr
enthält
hohe
Sicherheitszuschläge,
auch
im
Hinblick
auf
die
Osteoporoseprävention. Von einer ausgeglichenen Bilanz kann vermutlich schon
bei einer Zufuhr von 500-600 mg/d ausgegangen werden [vgl. Anlage 9, S. 64].
Nicht
zu
beurteilen
ist
die
Frage,
inwieweit
sich
durch
die
niedrige
Proteinaufnahme des Kollektivs ein Calcium-sparender Effekt ergeben könnte.
Hohe Proteinaufnahmen wirken calciuretisch; ob eine niedrige Zufuhr gegenteilige
Effekte hervorrufen kann, ist nicht eindeutig geklärt [vgl. Anlage 2, S. 205]. Wird
eine erstrebenswerte Aufnahme von 600 mg/d Calcium zugrunde gelegt,
erreichten immer noch 17,3 % der strengen Veganer und 19,6 % der moderaten
Veganer keine angemessene Zufuhr.
Die Aufnahme an Eisen stellte sich überraschend hoch dar. Sie lag im Median bei
20,7 mg/d und damit um fast 50 % über der mittleren Aufnahme im VERA-Kollektiv
(14,0 mg/d). Dies entspricht etwa der bei Vollwertköstlerinnen ermittelten Zufuhr.
Nach den vorliegenden Zufuhrdaten des DVS-Kollektivs erreichten 8,2 % der
strengen und 14,3 % der moderaten Veganer nicht die jeweilige alters- und
geschlechtsspezifisch empfohlene Zufuhrmenge.
53
Wie Tabelle 25 zeigt, war der geringe Konsum dieser Produkte in der Gruppe VGM ohne
Bedeutung für die Zufuhr an Calcium.
104
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Tabelle 32: Prävalenz einer unter den Richtwerten liegenden Nährstoffzufuhr im
DVS-Kollektiv (Median, 5-95 Perzentile)
Anteil Probanden unter Richtwert1 [%]
Retinol-Äquivalent
[mg/d]
Calciferol [µg/d]
Gesamtkollektiv
VGS
n = 98
VGM
n = 56
12,3
12,2
12,5
100
100
100
TocopherolÄquivalent [mg/d]
15,6
13,3
19,6
Thiamin [mg/d]
26,6
20,4
37,5
Riboflavin [mg/d]
50,0
48
57,1
Pyridoxin [mg/d]
7,1
8,2
5,4
Niacin [mg/d]
13,0
9,2
19,6
FolsäureÄquivalent [µg/d]
22,7
21,4
25,0
Cobalamin [µg/d]
94,8
93,9
96,4
Ascorbinsäure
[mg/d]
4,5
6,1
1,8
Natrium [g/d]
5,2
4,1
7,1
Kalium [g/d]
-
-
-
76,0
74,5
78,6
Phosphor [mg/d]
4,5
3,1
7,1
Magnesium [mg/d]
1,9
1
3,6
Zink [mg/d]
20,1
16,3
26,8
Eisen [mg/d]
10,4
8,2
14,3
Jod [µg/d]
98,7
Calcium [mg/d]
98
100
Kupfer [mg/d]
-
-
-
Mangan [mg/d]
-
-
-
1
Es wurde der jeweilige alters- und geschlechtsspezische Referenzwert für die empfohlene
Zufuhr zugrunde gelegt [DGE et al. 2000].
Rechnerisch relativ hoch und deutlich über der Zufuhr des VERA-Kollektivs
[Heseker et al. 1994] als auch der HANNA-Probandinnen (vgl. Kapitel. 2.4.3.5,
S. 35) lag die Zufuhr an Tocopherol, Ascorbinsäure und ß-Carotin. Im Hinblick auf
deren antioxidatives Potenzial ist dies als günstig zu bewerten und ließ auch eine
gute Versorgung mit diesen Stoffen erwarten (s. Kapitel 3.4.3.4). Die Aufnahme an
β-Carotin war zudem im Mittel ausreichend, um unter Berücksichtigung der
105
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
gebräuchlichen
Umrechnungsfaktoren
eine
ausreichende
Zufuhr
an
Retinoläquivalenten zu ermöglichen.
Bei Betrachtung der nach Kostform und Geschlecht aufgeschlüsselten Werte
zeigte sich, dass die Frauen der Gruppe VGM im Vergleich zu VGS signifikant
weniger
Thiamin
und
Natrium,
dagegen
signifikant
mehr
Ascorbinsäure
aufnahmen (Anhang B, Tabelle 53). Bei den Männern ergaben sich keine
Unterschiede zwischen den Kostformen mit Ausnahme einer signifikant geringeren
Tocopherolaufnahme in der Gruppe VGM (Anhang B, Tabelle 54).
3.4.3.4 Versorgungsstatus mit ausgewählten Vitaminen
Tabelle 33 zeigt die Versorgung54 mit den in der DVS untersuchten Vitaminen mit
Ausnahme von Cobalamin (s. Kapitel 3.4.3.6). Es wird erkennbar, dass sich die
anhand der errechneten Nährstoffzufuhr zu vermutenden Probleme nur teilweise
auch in der Versorgungssituation zeigten. Dafür ergeben sich an anderer Stelle
unerwartet hohe Prävalenzen niedriger Messwerte.
Mit einem Median von 34,7 nmol/l lagen die Plasmaspiegel an Folsäure im Mittel
2,67 mal höher als im VERA-Kollektiv [Heseker et al. 1994b] und 1,8fach über den
Werten der HANNA-Probandinnen (vgl. Kapitel 2.4.3.5). Dies zeigt möglicherweise
einmal
mehr
Beschreibung
den
der
begrenzten
Nutzen
Ernährungssituation;
von
Ernährungsprotokollen55
hiernach
lagen
rund
22 %
zur
der
Probandinnen unter der erwünschten Zufuhr. Eine Korrelation zwischen Zufuhr
und Versorgung an Folsäure (und den meisten anderen Nährstoffen) war in der
DVS (wie auch in der HANNA-Studie) nicht zu finden. Die hohen Folsäurespiegel
könnten allerdings auch als Folge der schlechten Cobalaminversorgung
(s. Kapitel 3.4.3.6) angesehen werden. Entsprechende Zusammenhänge sind
dokumentiert [Dagnelie et al. 1989].
54
Die nach Geschlecht aufgeschlüsselten Daten finden sich in Anhang B.
55
Es könnte auch gefolgert werden, dass die Beziehungen zwischen der empfohlenen Zufuhr
eines Nährstoffes und der Versorgungssituation bisher nur unzureichend beschrieben sind.
Möglicherweise müssen hier im Sinne eines Biomarker-Konzeptes erst systematisch
Korrelationen erstellt werden. Dieses Problem wurde auch bei den Arbeiten mit Fuzzy-Logik
evident (vgl. Anmerkungen auf S. 153).
106
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Tabelle 33: Versorgungsstatus des DVS-Kollektivs mit verschiedenen Vitaminen
(Median, 5-95 Perzentile)
Normwert
Gesamt
VGS
VGM
n = 154
n = 98
n = 56
6,8-45,4
34,7
(18,1-46,0)
32,9
(18,1-46,5)
35,8
(17,8-45,3)
α-ETK
< 1,1
1,1
(1,0-1,3)
1,1
(1,0-1,29)
1,1
(1,0-1,3)
α-EGR
< 1,5
1,3
(1,1-1,5)
1,3
(1,1-1,5)
1,3
(1,1-1,5)
α-EAST
< 1,8
1,6
(1,3-2,0)
1,6
(1,3-2,0)
1,6
(1,3-2,0)
ß-Carotin [µmol/l]
> 0,75
0,67
(0,25-1,83)
0,64
(0,23-1,76)
0,80
(0,33-1,88)
Tocopherol [µmol/l]
lipidadjustiert
17-53
26,6
(19,7-36,8)
25,5
(19,3-35,2)
27,9
(20,1-41,4)
Ascorbinsäure
[µmol/l]
> 28
111
(65-216)
111
(68-229)
113
(57-252)
CIAVIT [x 103]
-
1,95
(0,54-7,69)
1,88
(0,43-6,40)
2,20
(0,90-15,2)
Plasmafolsäure
[nmol/l]
Aus den nach Geschlecht und Kostform aufgeschlüsselten Daten (Tabelle 34) wird
erkennbar, dass bei den lipophilen Antioxidanzien ß-Carotin und Tocopherol
sowohl bei den Frauen, als auch bei den Männern in der Gruppe VGM höhere
Werte zu finden waren als bei den strengen Veganern. Bei den Männern waren
diese Unterschiede signifikant, bei den Frauen zeigte sich eine Tendenz an der
Grenze zur Signifikanz. Die bessere Antioxidanzienversorgung der VGM-Gruppen
war jeweils auch im CIAVIT abzulesen; die Unterschiede waren allerdings nicht
signifikant.
107
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Tabelle 34: Versorgung mit verschiedenen Vitaminen nach Kostform und
Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile)
VGS
Frauen
VGM
Frauen
p
VGS
Männer
VGM
Männer
p
Plasma-Folsäure
[nmol/l]
35,9
(21,0-46,3)
36,7
(20,2-45,4)
n.s.
33,3
(17,2-46,6)
31,5
(11,6-45,3)
n.s.
α-ETK
1,09
(1,0-1,24)
1,09
(1,0-1,3)
n.s.
1,12
(1,0-1,32)
1,13
(1,0-1,35)
n.s.
α-EGR
1,3
(1,11-1,59)
1,28
(1,07-1,51)
n.s.
1,3
(1,1-1,5)
1,25
(1,06-1,5)
0,071
α-EAST
1,7
(1,33-2,04)
1,6
(1,1-2,03)
0,0491
1,5
(1,3-2,0)
1,6
(1,3-2,0)
n.s.
ß-Carotin [µmol/l]
0,76
(0,41-1,72)
0,88
(0,31-1,87)
0,077²
0,44
(0,19-1,94)
0,61
(0,37-2,81)
0,032²
Tocopherol [µmol/l]
lipidadjustiert
25,6
(15,6-40,3)
27,7
(19,7-48,7)
0,077²
25,3
(19,3-32,7)
28,0
(21,7-33,7)
0,0221
Ascorbinsäure
[µmol/l]
115,9
(74,1-283)
121
(53,3-328)
n.s.
103
(63,8-236)
102
(83,5-141)
n.s.
CIAVIT [x 103]
2,22
(0,93-7,16)
2,88
(0,86-19,2)
n.s.
1,2
(0,4-6,57)
1,57
(0,94-3,72)
n.s.
1
t-Test für unabhängige Stichproben, bezogen jeweils auf Frauen VGS vs. VGM bzw.
Männer VGS vs. VGM
² U-Test Nach Mann-Whitney, bezogen jeweils auf Frauen VGS vs. VGM bzw. Männer VGS
vs. VGM
Die Betrachtung der Aktivierungskoeffizienten verschiedener erythrocytärer
Enzyme
macht
wiederum
die
bereits
auf
S. 40
angesprochene
Grenzwertdiskussion deutlich. Mit unterschiedlichen Grenzwerten wird gerade in
diesem
Bereich
die
Prävalenz
niedriger
Versorgungsparameter
extrem
verschoben. Die in Tabelle 35 angeführten relativen Häufigkeiten einer niedrigen
Versorgung wurden auf Basis der vom untersuchenden Labor angegebenen
Grenzwerte ermittelt, die auch der Klassifizierung in der HANNA-Studie zugrunde
liegen. Auffallend ist, dass die Riboflavin-Versorgung sich trotz der bei der Hälfte
des Kollektivs unter der Empfehlung liegenden Zufuhr als vergleichsweise
unkritisch erwies.
Überraschenderweise waren demgegenüber niedrige Messwerte bei der Thiaminund Pyridoxinversorgung sehr häufig. Bei beiden Vitaminen errechnete sich eine
mittlere Zufuhr, die deutlich über dem empfohlenen Wert lag. Die α-EAST-Werte
als Indikator der Pyridoxinversorgung lagen im Median mit 1,6 etwas höher (und
108
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
damit
ungünstiger)
als
in
der
VERA-Erhebung,
obwohl
die
mediane
Pyridoxinzufuhr in der DVS mit 2,61 mg/d deutlich höher war als im VERAKollektiv (1,58 mg/d); dies gilt auch für die auf die Proteinzufuhr bezogene
Pyridoxinaufnahme. Hierfür könnten Unterschiede in der Bioverfügbarkeit
verantwortlich sein. So ist bei Pyridoxin bekannt, dass ein Großteil des in Pflanzen
vorkommenden Vitamins in Form nur eingeschränkt verwertbarer Glycoside
vorliegt [vgl. Anlage 2, S. 169].
Tabelle 35: Prävalenz niedriger Vitaminversorgungsparameter im DVS-Kollektiv
Häufigkeit niedriger Versorgung [%]
Gesamt
VGS
Frauen
VGM
Frauen
VGS
Männer
VGM
Männer
n = 50
n = 37
n = 48
n = 19
-
-
-
-
-
Cobalamin
26,5
29,3
45,8
10,5
Tocopherol
4,6
2,0
-
8,3
10,5
67,6
97,9
89,5
n = 154
Plasma-Folsäure
Thiamin
85,1
5,6
84
Riboflavin
2,8
6,8
2,8
-
-
Pyridoxin
19,6
24,4
13,9
23,3
10,5
ß-Carotin
55,0
45,8
33,3
75,0
68,4
-
-
-
-
-
Ascorbinsäure
Bei ß-Carotin und Tocopherol zeigte sich mit Blick auf die Zufuhr dieser Vitamine
ebenfalls eine Diskrepanz zwischen der erwarteten und der tatsächlichen
Versorgung. Dies wird noch deutlicher durch den Vergleich mit anderen
Untersuchungen:
Versorgungsdaten
Tabelle
36
verschiedener
listet
als
Studien
Vergleich56
auf.
Die
die
Zahlen
Zufuhrfür
und
ß-Carotin
verdeutlichen, dass die Probanden der VERA-Studie [Heseker et al. 1994 a und b]
mit einer Zufuhr von rund 1,5 mg/d einen Plasmaspiegel von etwa 0,50 µmol/l
erreichten, die Probandinnen der HANNA-Studie mit der vierfachen Zufuhr nahezu
56
Diese Gegenüberstellung soll lediglich Unterschiede der Größenordnung verdeutlichen. Eine
weitergehende Interpretation verbietet sich schon wegen der unterschiedlichen
Versuchsansätze, insbesondere auch weil es sich nicht um kontrollierte biokinetische
Untersuchungen handelte.
109
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
den doppelten Plasmaspiegel. Demgegenüber lag der β-Carotin-Spiegel der DVSProbanden trotz einer nochmals fast 50 % höheren Aufnahme deutlich niedriger
als der der HANNA-Probandinnen vor Beginn der Intervention. Eine ähnliche
Situation ergibt sich für Tocopherol: Auch dort spiegelte sich die um 50 % höhere
Aufnahme des Vitamins nicht in höheren Plasmaspiegeln wider; sie lagen vielmehr
unterhalb des Wertes der beiden anderen Kollektive.
Tabelle 36: ß-Carotin und Tocopherol: Vergleich der Zufuhr und der Versorgung in
den Kollektiven der DVS, HANNA1- und VERA-Studie (Median, 5-95
Perzentile)
DVS
HANNA1
VERA2
β-Carotin-Zufuhr (mg/d)
8,9
(3,6-22,1)
6,2
(2,4-14,6)
1,56
(0,39-7,57)
β-Carotin-Spiegel (µmol/l)
0,67
(0,25-1,83)
0,97
(0,36-2,38)
0,52
(0,12-2,03)
Tocopherol-Zufuhr (mg/d)
21
(10,7-46,9)
12,8
(7,4-20,3)
13,3
(5,85-31,1)
Tocopherol-Spiegel (µmol/l)
(lipidadjustiert)
26,6
(19,7-36,8)
34,6
(25,5-46,3)
29,1
17,6-53,5)
1
Werte vor der Supplementierung
2
2,5-97,5 Perzentile
Zur Beurteilung der Plasmakonzentrationen an antioxidativen Vitaminen wird
verschiedentlich der CIAVIT-Wert herangezogen [Gey et al. 1987]. Er ergibt sich
als Produkt der molaren Konzentrationen von Tocopherol, Ascorbinsäure und
β-Carotin und soll den synergistischen Charakter dieser Vitamine berücksichtigen.
Da der Wert lediglich als Index dient, wird er üblicherweise ohne die sich
ergebende Maßeinheit (µmol3/l3) und durch 103 dividiert angegeben. Mit einem
mittleren Wert von 1,95 ergab sich im DVS-Kollektiv ein CIAVIT, der deutlich
oberhalb des im VERA-Kollektivs ermittelten Wertes von 1,15 und auf dem Niveau
der
Mischköstlerinnen
(1,80)
in
der
Gießener-Vollwert-Ernährungs-Studie
[Groeneveld 1994] lag. Die Vollwertköstlerinnen dieser Untersuchungen hatten mit
3,70 ebenso wie das HANNA-Kollektiv (3,39) eine deutlich bessere Versorgung
mit Antioxidanzien.
Für eine erste Beurteilung der Situation der untersuchten Veganer sind die
Ursachen für die beobachteten Effekte zunächst ohne Bedeutung. Möglicherweise
110
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
ist eine größere Zahl von einzelnen Einflussfaktoren hierfür verantwortlich. So
muss der niedrige Fettkonsum insgesamt als Ursache hierfür ebenso in Betracht
gezogen werden wie die höhere Aufnahme an mehrfach ungesättigten Fettsäuren
(VERA: 13 g/d, DVS: 17 g/d). Es ist denkbar, dass hier die gesamte Lebensweise,
also nicht nur Ernährungsfaktoren verantwortlich sind. Möglicherweise ist die nach
bisherigem Verständnis als ausreichend erachtete Nährstoffzufuhr unter den
Bedingungen der veganen Ernährung nicht geeignet, um eine ausreichende
Versorgung zu gewährleisten (s. auch Kapitel 3.5, S. 134). In zukünftigen
Untersuchungen soll diesen Fragen nachgegangen werden, auch um hieraus
Empfehlungen ableiten zu können, wie bei einer veganen Lebensweise eine
ausreichende Nährstoffversorgung gesichert werden kann. Von besonderem
Interesse ist es dabei, den Ursachen der im Vergleich zu den gemäßigten
Veganern
nochmals
schlechteren
Versorgung
der
strengen
Veganer
nachzugehen.
3.4.3.5 Risikoparameter der Atheroskleroseentstehung
In
den
Industrieländern
stellen
Herz-Kreislauf-Erkrankungen
die
Haupttodesursache dar. Ihr Anteil an der Gesamtzahl aller Todesfälle liegt bei ca.
46 %.
Grundlage
der
meisten
kardiovaskulären
Erkrankungen
ist
die
Atherosklerose; sie entwickelt sich auf Basis eines multifaktoriellen Geschehens.
Wie Tabelle 37 zeigt, sind zahlreiche der heute als gesichert geltenden
Risikofaktoren durch den Lebensstil beeinflussbar. Diese Faktoren sind stark
miteinander vergesellschaftet und bedingen bzw. verstärken sich teilweise
gegenseitig [Details s. Anlage 2, S. 273ff].
111
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Tabelle 37: Hauptrisikofaktoren der Atherosklerose [vgl. Anlage 9, S. 266]
Risikofaktor
Beeinflussbar
Hypercholesterolämie
Ja
Niedriges HDL-Cholesterol
Ja
Hypertonie
Ja
Männliches Geschlecht
Nein
Diabetes mellitus
Möglicherweise
Frühzeitig aufgetretene kardiovaskuläre Erkrankungen in
der Familie
Nein
Hohe Lipoprotein (a)-Konzentrationen
Moderat
Zigarettenrauchen
Ja
Postmenopause
Wahrscheinlich
Hyperfibrinogämie
Wahrscheinlich
Hyperhomocysteinämie
Ja
Körperliche Inaktivität
Ja
Adipositas
Ja
Von grundsätzlicher Bedeutung sind dabei auf genetischen Faktoren beruhende
oder ernährungsbedingte Erhöhungen der Plasmaspiegel an Triglyceriden und
Cholesterol [vgl. Anlage 9, S. 258ff]. Die Hypercholesterolämie57 ist der wichtigste
Risikofaktor für die Entstehung der Koronaren Herzkrankheit (KHK). Im Hinblick
auf zerebrovaskuläre Ereignisse und die periphere arterielle Verschlusskrankheit
(PAV)) ist sie der drittwichtigste Einflussfaktor. Der Gesamtcholesterolspiegel
alleine besitzt aber nur eine geringe Aussagekraft. Von größerer Bedeutung ist die
Konzentration in den cholesteroltransportierenden Lipoproteinfraktionen. Der
überwiegende Teil des Cholesterols findet sich in den Low density lipoprotein(LDL-)Partikeln, so dass sich eine hohe Korrelation zwischen Gesamt- und LDLCholesterol ergibt. Die atherogene Wirkung hoher LDL-Spiegel gilt als gesichert.
57
Es sei am Rande vermerkt, dass die Oxidation von Polyenfettsäuren als wesentliches initiales
Ereignis der Atherogenese anzusehen ist. Dies ist ein Grund dafür, dass auch die Versorgung
mit Antioxidanzien Einfluss auf die Krankheitsentstehung nimmt.
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
112
Das Atheroskleroserisiko erhöht sich mit steigenden Spiegeln überproportional.
Daher ist der Nutzen einer LDL-Senkung umso ausgeprägter, je höher die
Ausgangswerte sind.
Demgegenüber besitzen hohe Konzentrationen an High density lipoprotein (HDL)
offenbar eine antiatherogene Wirkung und korrelieren invers mit dem KHK-Risiko
[s. Anlage 9, S. 267ff]. Aus diesem Grund ist ein möglichst niedriges Verhältnis
von LDL- zu HDL-Cholesterol anzustreben. Dieser als „Atherogener Index“
bezeichnete Quotient sollte einen Wert von fünf nicht überschreiten [Assmann und
Schulte 1992].
Triglyceride stellen ein Maß für die Konzentration der Very low density lipoproteins
(VLDL) dar. Ob der Hypertriglyceridämie als Risikofaktor eine Bedeutung bei der
Entstehung der Atherosklerose zukommt, wurde lange Zeit kontrovers diskutiert.
Inzwischen gilt ein solcher Zusammenhang als gesichert [vgl. Anlage 9, S. 269].
Die Plasmakonzentration sollte 1,7 mmol/l (150 mg/dl) nicht überschreiten. Ein
erst in den letzten Jahren verstärkt diskutierter Risikofaktor ist die Konzentration
an Lipoprotein (a). Die Spiegel scheinen unter einer ausgeprägten genetischen
Kontrolle zu stehen und schwanken individuell sehr stark. Durch den Lebensstil
sind sie daher nur in gewissem Umfang zu beeinflussen. Tabelle 38 listet die
fettstoffwechselassoziierten Risikoparameter mit den von der „International Task
Force for Prevention of Coronary Heart Disease“ empfohlenen Grenzwerten auf.
113
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Tabelle 38: Grenzwerte für Plasmakonzentrationen von Lipiden und Lipoproteinen
im Hinblick auf die Atheroskleroseprävention [vgl. Anlage 9, S. 267,
ergänzt]
Lipid- und Lipoproteinfraktion
Grenzwert mmol/l (mg/dl)
Gesamtcholesterol
< 5,5 (200)
LDL-Cholesterol
< 3,5 (135)
HDL-Cholesterol
bei Frauen
bei Männern
> 0,9 (35 )
> 1,0 (40)
Triglyceride
1,7-4,5 (150-400)
Lipoprotein (a)
< 1(30)
Atherogener Index (LDL / HDL)
< 5 (ohne Dimension)
1
eine molare Konzentration kann wegen der variablen Zusammensetzung und der damit
verbundenen unterschiedlichen Molmassen nicht angegeben werden.
Ein weiterer für das Atheroskleroserisiko bedeutsamer Faktor ist die Hypertonie.
Sie gilt als gegeben bei systolischen bzw. diastolischen Blutdruckwerten > 140
bzw. > 90 mm Hg. Erhöhte Blutdruckwerte werden für 35 % der klinischen
kardiovaskulären Ereignisse verantwortlich gemacht. Hypertonie ist häufig
assoziiert mit erhöhter Körpermasse und Hyperlipidämien und wird von
zahlreichen weiteren Größen beeinflusst [vgl. Anlage 2, S. 308ff]. Viele der
vorgenannten Risikofaktoren stehen in direkter oder indirekter Beziehung zur
Körpermasse. Übergewicht bzw. Adipositas sind insbesondere bei einer androiden
Fettverteilung als Basis für die Entstehung zahlreicher weiterer Erkrankungen zu
sehen, die ihrerseits auf atherosklerotische Prozesse einwirken [vgl. Anlage 9,
S. 219ff].
Auch
das
Rauchen
sowie
ein
Mangel
an
körperlicher
Aktivität
sind
lebensstilabhängige Risikofaktoren der Atheroskleroseentstehung. Schätzungen
zufolge tragen Interventionsmaßnahmen, die auf die Beeinflussung aller
vorgenannten Faktoren abzielen, zu einer deutlichen Reduktion des Risikos für
einen Myokardinfarkt bei.
Neben diesen, seit langem bekannten Faktoren, wird in den letzten Jahren
verstärkt über die Bedeutung einer Hyperhomocysteinämie als Risikofaktor
diskutiert [vgl. Anlage 9, S. 272f]. Die Bedeutung dieser nicht-proteinogenen
Aminosäure liegt vermutlich in der Reaktion der im Molekül enthaltenen
114
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Thiolgruppe mit Metallionen und einer dadurch bedingten Entstehung Freier
Radikale. Diese sind in der Lage, LDL zu oxidieren und damit einen initialen
Schritt in der Atheroskleroseentstehung einzuleiten [vgl. Anlage 8, S 150f]. Ein
erhöhter Homocysteinspiegel kann auf einem Mangel der am Stoffwechsel
beteiligten Vitamine [vgl. Kapitel
beteiligten
Enzyme
beruhen.
3.4.3.6] oder genetischen Defekten der
Unklar
ist
bisher,
ab
welcher
Homocysteinkonzentration das Atheroskleroserisiko erhöht ist. Es hat sich
inzwischen gezeigt, dass auch bei Werten unterhalb der bisher als Schwelle
angesehenen Konzentration von 15 µmol/l ein erhöhtes Risiko für Carotisstenosen
zu beobachten ist [vgl. Anlage 9, S. 273]. Deshalb wird inzwischen diskutiert, ob
nicht besser Homocysteinspiegel < 10 µmol/l anzustreben sind [Gerhard und Duell
1999].
Tabelle 39: Risikoparameter der Atheroskleroseentstehung bei den Probanden der
DVS (Median, 5-95 Perzentile)
Normwert1
Gesamt
VGS
VGM
n = 154
n = 98
n = 56
Triglyceride [mmol/l]
0,68-2,28
0,81
(0,43-1,70)
0,81
(0,40-1,67)
0,81
(0,46-2,67)
Gesamtcholesterol
[mmol/l]
3,1-5,68
4,33
(2,97-6,74)
4,31
(2,82-6,07)
4,44
(3,20-7,21)
HDL [mmol/l]
w: 0,92-1,70
m: 1,18-2,09
1,34
(0,84-1,93)
1,31
(0,81-1,86)
1,41
(0,86-2,05)
LDL [mmol/l]
1,67-3,84
2,46
(1,35-4,55)
2,41
(1,27-3,97)
2,52
(1,48-5,14)
Atherogener Index
<5
2,0
(0,9-3,6)
1,8
(0,9-3,7)
2,05
(1,0-3,7)
Lp (a) [mg/dl]
< 30
8,13
(2,0-10,6)
9,40
(2,00-114)
6,73
(2,00-92,0)
< 15 / < 10
12,5
(4,40-62,9)
13,3
(5,97-82,0)
11,2
(3,60-25,7)
Blutdruck
systolisch [mm Hg]
< 140
120
(90-150)
120
(90-165)
120
(90-150)
Blutdruck
diastolisch [mm Hg]
< 90
75
(57-90)
76
(53-90)
75
(60-96)
Homocystein [µmol/l]
1
vom untersuchenden Labor zugrunde gelegte Normwerte
115
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Wie Tabelle 3958 verdeutlicht, ergab sich bei den Probanden der DVS eine
insgesamt sehr günstige Situation im Hinblick auf die Risikoparameter der
Atheroskleroseentstehung. Sowohl Triglycerid- und Gesamtcholesterolspiegel als
auch der an LDL-Cholesterol liegen deutlich unterhalb der Grenzwerte. Die
Cholesterolwerte der Probanden der DVS lagen niedriger als die bei vegetarisch
lebenden
Vollwertköstlerinnen
ermittelten
Werte
für
Gesamtcholesterol
(5,4 mmol/l) und LDL-Cholesterol (3,3 mmol/l) [Hoffmann 1994]. Die TriglyceridSpiegel waren hingegen in dieser Untersuchung mit 0,80 mmol/l identisch.
Insgesamt bestätigen die Cholesterolwerte der Probanden der DVS die
grundsätzliche Größenordnung der bisher publizierten Daten bei Veganern. Sie
lagen teilweise allerdings etwas höher als die bekannten, an kleinen Kollektiven
von maximal 30 Veganern erhobenen Werte [vgl. Anlage 2, S. 278f]. Auch der
Atherogene Index und die Konzentration an Lp (a) unterstreichen ebenso wie die
niedrigen Blutdruckwerte die als optimal anzusehende Situation der Probanden
der DVS bei diesen Risikofaktoren. Die Betrachtung der Werte nach Kostform und
Geschlecht (Anhang B, Tabelle 55 und Tabelle 56) ergab, dass die Unterschiede
in Bezug auf die Kostform uneinheitlich waren.
Im
Gegensatz
zu
den
bisher
genannten
Risikoparametern
der
Atheroskleroseentstehung waren die Homocysteinspiegel relativ hoch. Zwar lag
der Median der Homocysteinkonzentration unter dem Grenzwert von 15 µmol/l,
aber bei 35,3 % aller Probanden (52,2 % der Männer und 22,1 % der Frauen) fand
sich eine über der Norm von 15 µmol/l liegende Konzentration. Die genauere
Betrachtung (Tabelle 40) zeigt, dass fast 60 % der Männer der VGS und immerhin
noch mehr als ein Drittel der VGM erhöhte Homocysteinspiegel aufwiesen. Bei
den Frauen war dieser Anteil mit 26,5 % (VGS) und immer noch 16,2 % (VGM)
zwar deutlich geringer, zeigt aber dennoch die quantitative Bedeutung des
Problems. Wird der in der Literatur diskutierte Grenzwert von 10 µmol/l zugrunde
gelegt [Gerhard und Duell 1999], stellt sich die Situation noch deutlich
dramatischer dar (Tabelle 40). Auch in einer neueren Untersuchung [Mann et al.
1999] wird das Problem der Hyperhomocysteinämie deutlich. Die in dieser Studie
58
Die nach Kostform und Geschlecht aufgeschlüsselten Daten finden sich im Anhang B.
116
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
untersuchten Veganer wiesen mit Homocysteinspiegeln von im Mittel 19,2 µmol/l
beinahe doppelt so hohe Werte auf wie Fleischesser (ca. 11 µmol/l).
Tabelle 40: Häufigkeit kritischer Homocysteinmesswerte bei den Probanden der
DVS
Häufigkeit kritischer Messwerte [%]
Gesamt
VGS
Frauen
VGM
Frauen
VGS
Männer
VGM
Männer
n = 50
n = 37
n = 48
n = 19
Homocystein
[µmol/l] < 15
35,3
26,5
16,2
58,3
36,8
Homocystein
[µmol/l] < 10
66,0
59,2
46,0
83,3
79,0
Als wesentliche Ursache erhöhter Homocysteinspiegel ist (neben genetischen
Defekten) ein Mangel an den am Stoffwechsel der Aminosäure beteiligten
Cofaktoren anzusehen. Wie Abbildung 7 zeigt, bestehen zwei Möglichkeiten zur
Verstoffwechselung des Homocysteins, zum einen die Remethylierung zu
Homocystein, zum anderen der Umbau zu Cystathionin. Für diese Reaktionen
werden die coenzymatisch aktiven Formen der Vitamine Pyridoxin, Folsäure und
Cobalamin benötigt. Ein Mangel eines oder mehrerer Vitamine führt somit zu
einem verminderten Abbau von Homocystein und dessen Akkumulation im
Plasma.
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
117
Abbildung 7: Stoffwechsel des Homocysteins
Wie in den Kapiteln 3.4.3.4 und 3.4.3.6 gezeigt, fanden sich bei rund einem Viertel
des Kollektivs unter der Norm liegende Plasmaspiegel an Cobalamin und bei rund
einem Fünftel an Pyridoxin. Die Folsäureversorgung erwies sich hingegen als gut.
Für die hohe Prävalenz der Hyperhomocysteinämie bei den untersuchten
Veganern muss somit die mangelhafte Versorgung an diesen Vitaminen in
Betracht gezogen werden. Die Situation der Veganer stellt sich somit gänzlich
anders dar als die der Durchschnittsbevölkerung. Dort wird als wesentlicher Grund
erhöhter Homocysteinspiegel ein Mangel an Folsäure angesehen. Entsprechend
führt eine Supplementation von Folsäure im Vergleich zu den beiden anderen
Vitaminen zu den stärksten Reduktionen des Homocysteinspiegels [Übersicht in
Anlage 8, S. 75].
118
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Weitergehende Regressionsanalysen der in der DVS erhobenen Daten zeigten
eine signifikante Korrelation (p=0,001) zwischen dem Homocysteinspiegel und der
Versorgung mit den genannten Vitaminen. Bei separater Betrachtung war dieser
Zusammenhang aber nur für Cobalamin, nicht jedoch für Folsäure und Pyridoxin
signifikant. Abbildung 8 zeigt die Korrelation der Homocysteinspiegel mit denen
von Cobalamin.
100
Homocysteinspeigel (µmol/l)
r = -0,67
80
p < 0,01
60
40
20
0
0
200
400
600
800
Cobalaminspiegel (pmol/l)
Abbildung 8: Korrelation der Plasmaspiegel an Homocystein mit der
Cobalaminplasmakonzentration
Wie die zusammenfassende Tabelle 41 zeigt, war die Prävalenz der bereits lange
diskutierten atherosklerotischen Risikofaktoren unter den Probanden der DVS
relativ gering und betraf maximal ein Fünftel des Kollektivs; vielfach lag sie
wesentlich niedriger. Allerdings wies bei Annahme eines Grenzwertes von
15 µmol/l ein Drittel des Kollektivs erhöhte Homocysteinspiegel auf. Wurde der
teilweise diskutierte Grenzwert von 10 µmol/l zugrunde gelegt, betraf dies zwei
Drittel der Studienteilnehmer.
119
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Tabelle 41: Prozentualer Anteil der Probanden der DVS mit über bzw. unter der
kritischen Grenze (vgl. Tabelle 38) liegenden Risikoparametern der
Atherosklerose
Anteil der Probanden [in %]
zugrunde
gelegter
Grenzwert
Gesamt
VGS
VGM
[n = 154]
[n = 98]
[n = 56]
Triglyceride [mmol/l]
< 2,3
3,90
3,06
5,36
Gesamtcholesterol
[mmol/l]
< 5,5
14,9
9,18
25
HDL [mmol/l]
(analytisch)
w: > 0,9
m: > 1,0
13,7
17,5
7,14
LDL [mmol/l]
(analytisch)
< 3,5
16,3
10,8
25
Atherogener Index
(analytisch)
<5
0,74
1,20
-
Lp (a) [mg/dl]
< 30
19,1
Homocystein [µmol/l]
< 15 /
35,3 /
42,3 /
23,2 /
< 10
66,0
71,1
57,1
Blutdruck
systolisch [mm Hg]
<140
17,9
22,2
10,9
Blutdruck
diastolisch [mm HG]
<90
12,4
12,2
12,7
25,9
3.4.3.6 Das Problem der Cobalaminversorgung bei veganer Ernährung
In der Diskussion um vegane Ernährungsformen steht die Versorgung mit
Cobalamin fast immer im Vordergrund. Wie in Kapitel 3.4.3.5 dargestellt, ergab
sich in der DVS ein deutlicher Zusammenhang zwischen Cobalaminversorgung
und Homocysteinspiegel. Im Folgenden soll das Thema Cobalamin als
„klassischer“ Mangelnährstoff der veganen Ernährung näher erörtert werden.
Struktur und Vorkommen
Cobalamin (Vitamin B12) ist der Sammelbegriff für eine Reihe unterschiedlich
substituierter Corrinoide mit biologischer Wirkung (Abbildung 9). Im Hinblick auf
die vegane Ernährung wird kein Nährstoff so kontrovers diskutiert wie Cobalamin.
Der Grund hierfür liegt darin, dass dieses Vitamin nicht von Pflanzen gebildet
werden kann. Die Synthese des komplexen, aus 4 reduzierten Pyrrolringen
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
120
bestehenden Corrin-Ringsystems ist nach heutiger Kenntnis ausschließlich
bestimmten Mikroorganismen vorbehalten. Rein pflanzliche Nahrung enthält
deshalb kein Cobalamin. Lediglich durch mikrobielle Kontaminationen59 und bei
Produkten, die einer milchsauren Gärung unterzogen werden (z. B. Sauerkraut)
können Spuren des Vitamins nachgewiesen werden.
Abbildung 9: Struktur des Cobalamin [Bässler et al. 1997]
Vor allem unter Veganern wird immer wieder die These vertreten, dass Sauerkraut
und andere milchsauer vergorene Lebensmittel auf Basis von Soja (z. B. Miso)
oder Kohlarten (z. B. Kimchi) erhebliche Konzentrationen an Cobalamin enthielten
und eine ausreichende Versorgung mit dem Vitamin sichern könnten. Auch
andere, von Veganern typischerweise verzehrte Produkte wie Algenpräparate,
Hefen oder quarkähnliche Lebensmittel auf Süßlupinenbasis scheinen nach
59
Es wird diskutiert, dass die schlechten hygienischen Bedingungen bei vegan lebenden Hindus
in Indien einen Cobalaminmangel verhindern.
121
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
derzeitigem Stand der Diskussion nicht als ausreichende Cobalaminquellen
geeignet [vgl. Anlage 2, S. 177f].
Der wesentliche Grund für diese Fehleinschätzung dürfte auf einem analytischen
Problem beruhen. Zur Quantifizierung von Vitamin B12 wurde lange Zeit
ausschließlich der mikrobiologische Wachstumstest angewendet. Dabei ist das
Wachstum einer nicht zur Synthese von Cobalamin fähigen Bakterienkultur ein
Maß für den Vitamingehalt der Probe. Allerdings werden beim gängigen Nachweis
mit Lactobacillus leichmanii auch solche Corrinoide („Pseudo-Cobalamine“) mit
erfasst, die zwar von den Mikroorganismen genutzt werden können, für den
Menschen aber keine Vitaminwirksamkeit besitzen [vgl. Anlage 2, S. 175].
Spezifischere, aus der klinischen Analytik abgeleitete Verfahren basieren auf
radioimmunologischen Techniken und nutzen IF als Bindungsprotein. Verlässliche
Aussagen
zum
Vitamin-B12-Gehalt
der
angeführten
Produkte
unter
standardisierten Bedingungen liegen bisher nicht60 vor. Sie werden Gegenstand
weiterer eigener Arbeiten sein. Zusätzlich sind Humanstudien geplant, um der
Frage nachzugehen, ob derartige Lebensmittel tatsächlich bioverfügbares
Cobalamin enthalten.
Stoffwechsel
Auch der Stoffwechsel des Vitamins weist Besonderheiten auf. Aufgrund des
hohen MG von 1355,4 Dalton (Cyanocobalamin) bedarf es für Cobalamine eines
besonderen Absorptionsmechanismus: Oral zugeführtes Cobalamin wird zunächst
im Magen an R-Proteine gebunden, die in Speicheldrüsen und Magen gebildet
werden [Grasbeck 1984]. Zu dem ebenfalls im Magen gebildeten Instrinsic Factor
(IF), einem Glycoprotein, besteht eine wesentlich geringere Affinität [Basu und
Dickerson 1996, Groff et al. 1995]. Im Duodenum erfolgt durch Einwirkung von
Pankreasproteasen eine Freisetzung des Cobalamins und die Übernahme durch
60
Ein von einem Vertreiber eines Spirulina-Präparates zur Verfügung gestelltes Analysenzertifikat
besagt, dass das mit einem RIA analysierte Produkt 11 µg Cobalamin/100 g enthalte. Die
Analyse wurde bisher weder bestätigt noch widerlegt. Allerdings ist ein Versuch, die
Cobalaminversorgung durch Algen zu verbessern, fehlgeschlagen [Dagnelie et al. 1991], so
dass beim heutigen Stand der Wissenschaft nicht davon ausgegangen werden kann, dass dies
eine geeignete Cobalaminquelle ist.
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
122
den IF (proteasestabile Bindung). Dieser Komplex wandert bis zum distalen Ileum
und wird dort aktiv aufgenommen. Bei Überschreitung physiologischer Dosen
erfolgt die Absorption IF-unabhängig über einfache Diffusion. Auf diesem Wege
können auch Personen peroral mit Vitamin B12 versorgt werden, bei denen durch
Magenresektion die IF-abhängige Aufnahme unmöglich geworden ist, wobei in
solchen Fällen Dosen von mindestens 500 µg/d notwendig sind. Bereits in den
Mucosazellen wird Cobalamin an Transcobalamin II gebunden, ein Glycoprotein,
das dann den Transport zu den Geweben ermöglicht, vor allem zur Leber, in der
sich 60 % des Körperbestandes befinden [Bayer und Schmidt 1991]. Hier wird der
B12-Transcobalamin-II-Komplex durch Endozytose in die Zellen aufgenommen.
Etwa 30 % des Cobalamins liegen im Muskel vor. Aufgrund der Leberspeicher an
Cobalamin wird davon ausgegangen, dass bei fehlender Zufuhr und vorher gut
gefüllten Speichern ein Mangel erst nach 3-5 Jahren auftritt. Der besondere
Absorptionsmechanismus des Cobalamins ist auch der Grund dafür, dass das von
intestinalen Mikroorganismen synthetisierte Vitamin nicht zur Versorgung des
Menschen beitragen kann.
Funktionen
Die physiologische Bedeutung des Cobalamins liegt in seiner Beteiligung als
Cofaktor enzymatischer Reaktionen. Die als Coenzyme wirksamen Vitamine
Methylcobalamin (cytosolisch) und Adenosylcobalamin (mitochondrial) sind an drei
Reaktionen beteiligt [Bässler et al. 1997, Bayer und Schmidt 1991, Pietrzik und
Hages 1997]:
•
Methylcobalamin ist für die Bereitstellung von aktiver Tetrahydrofolsäure notwendig.
Diese Transferasereaktion gilt als einziger Stoffwechselschritt, der größere Mengen
Tetrahydrofolsäure für Reaktionen bereitstellt, bei denen ein C1-Körper übertragen
wird. Cobalamin dient dabei als Akzeptormolekül der Methylgruppe der
Tetrahydrofolsäure und nutzt diese anschließend zur Remethylierung von
Homocystein zu Methionin.
•
Adenosylcobalamin ist als Coenzym bei der Methylmalonyl-CoA-Mutase-Reaktion
vonnöten. Durch diese Reaktion wird der weitere Abbau von Propionsäure im
Citronensäurezyklus ermöglicht, die aus dem Abbau ungeradzahliger Fettsäuren oder
vom Methionin-, Threonin- oder Isoleucinabbau stammt. Auch Methylmalonyl-CoA,
das beim Abbau von Valin entsteht, bekommt so Anschluss an den
Citronensäurezyklus.
123
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
•
Adenosylcobalamin ist ferner Coenzym bei der Umlagerung der Aminogruppe von
C-Atom 2 an C-Atom 3 des α-Leucins, das dadurch zur β-Aminosäure wird. Die
physiologische Bedeutung dieses Schrittes ist bisher nicht bekannt.
Bedarf, Versorgung und Mangel
Bereits durch Zufuhr von ca. 1 µg/d kann die Cobalaminversorgung gesichert
werden [vgl. Anlage 8, S. 148f]. Die von der DGE empfohlene Zufuhr von 3 µg/d
wird mit ca. 6,2 µg/d in der Durchschnittsbevölkerung deutlich überschritten
[Heseker et al. 1994a], so dass alimentär bedingte Mangelerscheinungen – außer
bei Veganern – praktisch nicht auftreten. Hauptursache eines Mangels in der
Durchschnittsbevölkerung ist vielmehr das Vorliegen einer chronisch atrophischen
Gastritis und ein dadurch bedingtes Fehlen des IF.
Ein Mangel macht sich, entsprechend den Funktionen des Vitamins, im
Wesentlichen durch zwei Symptomenkomplexe bemerkbar. Durch die funktionale
Verbindung
von
Folsäure
und
Cobalamin
bei
der
Remethylierung
von
Homocystein zu Methionin bewirkt ein Cobalamindefizit indirekt einen funktionalen
Mangel
an
Folsäure
(„Methyl-Falle“).
Die
hierdurch
hervorgerufenen
Zellteilungsstörungen manifestieren sich klinisch in Form einer makrocytären,
hyperchromen Anämie. Die Einschränkung der Methylmalonyl-CoA-MutaseReaktion hingegen führt zur einer Störung der Synthese von Lipidkomponenten
des Zentralnervensystems und dadurch bedingten neurologischen Ausfällen
(funikuläre Myelose) [Bässler et al. 1997, 149f]. Besonders gravierend ist dies in
frühen Entwicklungsphasen. Cobalaminmangel bei Säuglingen und Kleinkindern
kann zu bleibenden neurologischen Einschränkungen führen [Schenck et al.
1997].
Situation bei den untersuchten Veganern
Wie Tabelle 42 zeigt, waren die Cobalamin-Blutspiegel61 im DVS-Kollektiv
insgesamt
61
relativ
niedrig,
teilweise
aber
höher
als
die
aus
anderen
Leider bestand bei den Probanden der DVS im Gegensatz zur HANNA-Studie nicht die
Möglichkeit, Methylmalonsäure als funktionellen Parameter der Cobalaminversorgung zu
erfassen.
124
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Untersuchungen bekannten Werte [vgl. Anlage 2, S. 179]. Wie die nach Kostform
und Geschlecht differenzierte Betrachtung ergab (Tabelle 43), waren sowohl bei
Frauen, als auch bei Männern bei den strengen Veganern signifikant niedrigere
Cobalaminspiegel zu finden als bei den gemäßigten Veganern. Auch die
Unterschiede zwischen den Geschlechtern waren signifikant, während sich in der
Durchschnittsbevölkerung
keine
Hinweise
auf
geschlechtsspezifische
Versorgungsunterschiede ergaben [Heseker et al. 1994a].
Tabelle 42: Cobalamin Blutspiegel der untersuchten Veganer, differenziert nach
Kostform (Median, 5-95 Perzentile)
Cobalamin
[pmol/l]
Normwert
Gesamt
n = 154
VGS
n = 98
VGM
n = 56
111-664
152
(87-476)
130
(72-294)
188
(94-748)
Tabelle 43: Cobalaminspiegel differenziert nach Kostform und Geschlecht
(Median, 5-95 Perzentile)
VGS
VGM
p*
Cobalamin [pmol/l]
Männer
115
(67-282)
150
(87-490)
0,0261
Cobalamin [pmol/l]
Frauen
152
(89-360)
203
(98-895)
0,0011
1
U-Test nach Mann-Whitney auf Unterschiede zwischen VGS und VGM
Bei der Bewertung der Cobalaminversorgung besteht Uneinigkeit, ab welcher
Grenze von unter der Norm liegenden Messwerten gesprochen werden sollte. Der
vom untersuchenden Labor des Instituts für Klinische Chemie der Universität
Gießen genannte untere Normwert von 111 pmol/l Cobalamin liegt niedriger als
der in der VERA-Studie festgelegte Grenzwert von 136 pmol/l und deutlich
unterhalb des von Herbert [1996], der als führende Forscher auf diesem Gebiet
anzusehen ist, genannten Wertes von 221 pmol/l. Vereinzelt wurde sogar
gefordert, den unteren Normwert auf 258 pmol/l (350 pg/ml) festzulegen, weil bei
niedrigeren Minimalwerten eine große Anzahl von Personen mit einem Defizit
nicht diagnostiziert wird [Lindenbaum et al. 1990, 1994].
125
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Wie Tabelle 44 zeigt, war die Versorgungssituation des untersuchten Kollektivs
selbst
unter
Zugrundelegung
des
niedrigen
Referenzwertes
des
Labors
unbefriedigend. Rund ein Viertel aller Probanden wies unter der Norm liegende
Messwerte auf. Bei den untersuchten Männern war die Prävalenz niedriger
Messwerte signifikant häufiger zu beobachten als bei Frauen. Ein signifikanter
Unterschied ergab sich aber vor allem zwischen den Gruppen VGS und VGM.
Während nur ein kleiner Anteil (7,3 %) der moderaten Veganer Versorgungslücken
aufwies, lag dieser Anteil bei den strengen Veganern mit 37,5 % signifikant höher.
Wurden die von Herbert [1996] postulierten Werte herangezogen, erwies sich die
Situation als noch gravierender.
Tabelle 44: Anteil einer zu geringen Cobalaminversorgung
Häufigkeit unter der Norm liegender Messwerte [%]
Grenzwert
(pmol/l)
Gesamt
VGS
Frauen
VGM
Frauen
VGS
Männer
VGM
Männer
n = 50
n = 37
n = 48
n = 19
111 (Labor)
26,5
29,2
5,6
45,8
10,5
221 [Herbert
1996]
71,4
70,0
54,1
83,3
78,9
Da ein schlechter Versorgungsstatus an Cobalamin aufgrund der vorhandenen
Leberspeicher erst nach langfristiger veganer Ernährung zu erwarten ist, wurden
die Cobalaminwerte im Plasma mit der Dauer der veganen Ernährung in Jahren
korreliert. Erwartungsgemäß ergaben Korrelationsanalysen sowohl für das
Gesamtkollektiv (Abbildung 10), als auch für die Untergruppen VGS und VGM
eine signifikante negative Korrelation zwischen der Dauer der veganen Ernährung
und den Cobalamin-Plasmaspiegeln.
Da die Leberspeicher bei vorher guter Versorgung etwa nach 5 Jahren fehlender
alimentärer Zufuhr aufgebraucht sind, ist mit längerdauernder veganer Ernährung
eine dramatische Verschlechterung der Situation zu erwarten. Daher wurden die
Cobalaminspiegel der Veganer nach der Dauer der veganen Ernährung in zwei
Klassen eingeteilt, in solche, die sich < 5 Jahre und solche die sich ≥ 5 Jahre
vegan ernährten (Tabelle 45). Dabei zeigt sich, dass der Median der
126
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
59 Probanden, die sich seit 5 Jahren und länger vegan ernährten, signifikant
niedriger lag, als der der Studienteilnehmer mit veganer Ernährung seit kürzerer
Zeit.
Cobalamin-Plasmaspiegel (pmol/l)
400
r = -0,22
p = 0,01
200
0
0
10
20
30
40
50
Dauer der veganen Ernährung (Jahre)
Abbildung 10: Cobalaminspiegel des Gesamtkollektivs in Abhängigkeit von der
Zeitdauer der veganen Ernährung (Median, 5-95 Perzentile)
Tabelle 45: Cobalamin-Plasmaspiegel in Abhängigkeit von der Dauer der veganen
Ernährung [pmol/l]
Cobalaminspiegel
(Median, 5-95 Perzentile)
1
Klasse 1
(vegane
Ernährung seit
< 5 Jahren
Klasse 2
(vegane
Ernährung seit
≥ 5 Jahren
p
166 (96,6-505)
122 (67,2-490)
0,0061
n = 92
n = 59
U-Test nach Mann-Whitney auf Unterschiede zwischen Klasse 1 und 2
127
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Die bisher in der Literatur angeführten, meist an kleinen Kollektiven erhobenen
Daten zur Cobalaminversorgung bei Vegetariern sind sehr variabel und liegen
vielfach im unteren Normbereich [Anlage 2, S. 179f]. Wie die Ergebnisse in
Tabelle 44 zeigen, erweist es sich – gerade
bei der Beurteilung der
Cobalaminversorgung – offenbar als wesentlicher Fehler, nicht nach der Form des
Vegetarismus zu differenzieren. Umso mehr überrascht es, dass selbst jüngere
Studien zur vegetarischen Ernährung [Hokin und Butler 1999, Schubert und
Leupold 2001] diese Unterscheidung nicht vornehmen.
Der Frage, worauf die – zwar immer noch zu geringe – aber deutlich bessere
Versorgung der VGM im Vergleich zu den VGS zurückzuführen ist, wird derzeit
nachgegangen. Die Aufnahme an Milchprodukten lag bei den VGM so niedrig,
dass diese zur Erklärung kaum ausreichen dürfte. Die errechnete Zufuhr an
Cobalamin war in beiden Kollektiven ähnlich; allerdings müssen diese Zahlen vor
dem Hintergrund der beschrieben Unsicherheiten in der Analytik des Vitamins
ohnehin kritisch hinterfragt werden.
3.4.3.7 Versorgungsstatus mit Eisen / Parameter der Erythropoese
Bei veganer Ernährung kann das Risiko einer Anämie erhöht sein. Mögliche
Ursachen hierfür liegen zum einen in einer unzureichenden Cobalaminversorgung,
wodurch infolge der funktionellen Verbindung zu Folsäure die DNA-Synthese
beeinträchtigt ist. Zum anderen besteht das Risiko einer ungenügenden
Eisenverwertung, da vegane Ernährungsformen ausschließlich ionisiertes und
damit schlecht lösliches Eisen in zwei- und dreiwertiger Form enthalten, während
gut verfügbares Hämeisen aus Lebensmitteln tierischer Herkunft fehlt.
Untersuchungen zum Eisenstatus und den hämatologischen Parametern der
Erythropoese liegen bei Veganern nur in außerordentlich geringer Zahl vor und
sind darüber hinaus nur mit sehr kleinen Kollektiven durchgeführt worden. Die
Ergebnisse sind widersprüchlich, zeigen jedoch häufig Werte, die auf eine
grenzwertige Versorgung schließen lassen [Anlage 2, S. 224ff].
Um das Kollektiv der DVS auf das mögliche Auftreten einer Anämie zu
untersuchen, wurden verschiedene Parameter zum Eisenstatus und zur
Erythropoese ermittelt. Die Erythrocytenindices „mean cellular volume“ (mittleres
128
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Erythrocytenvolumen,
MCV),
„mean
cellular
hemoglobin“
(mittlere
Hämoglobinmenge in einem Erythrocyten, MCH) und „mean cellular hemoglobin
concentration“ (mittlere Hämoglobinkonzentration der Erythrocyten, MCHC)
werden nach den in Abbildung 11 dargestellten Formeln berechnet. Während die
Hämoglobinkonzentrationen zur Diagnose einer Anämie herangezogen werden,
dienen die Parameter MCV, MCH und MCHC zur deren weiterer Klassifizierung.
So liegt bei erhöhtem MCV eine Makrocytose, bei erniedrigten Werten eine
Mikrocytose vor. Ein erhöhter MCHC-Wert deutet auf eine hyperchrome, ein
erniedrigter auf eine hypochrome Anämie.
MCV (mittleres
Zellvolumen der
Erythrocyten) =
Hämatokrit [%] x 10
MCH (mittlerer
Hb-Gehalt der
Erythrocyten) =
Hb im Vollblut [mmol/l] x 10
MCHC (mittlere
Hb-Konzentration der
Erythrocyten) =
Hb im Vollblut [mmol/l] x 100
[µm3] bzw. [fl]
6
Erythrocytenzahl [10 /µl]
[pg]
6
Erythrocytenzahl [10 /µl]
[g Hb/dl Ery]
Hämatokrit [%]
Abbildung 11: Berechnung der Parameter MCV, MCH und MCHC
Die häufigste Anämieform in Mitteleuropa ist die durch Eisenmangel bedingte
mikrocytäre, hypochrome Anämie, deren Ursache z. B. chronische Blutverluste
sein können. Seltener tritt die makrocytäre, hyperchrome Anämie auf. Sie kann als
Konsequenz einer mangelnden Aufnahme von Cobalamin und/oder Folsäure bzw.
durch Störungen im Stoffwechsel dieser Vitamine entstehen. Hierdurch kommt es
zu einer Störung der DNA-Synthese und somit zu einer Verzögerung des
Zellzyklus
während
der
Erythropoese.
Aufgrund
der
eingeschränkten
Nahrungsauswahl kommen bei einer veganen Ernährung, wie bereits einleitend
129
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
dargestellt, im Wesentlichen ein Mangel an Eisen, als auch an Cobalamin als
Ursache einer gestörten Blutbildung in Betracht62.
Eine
Eisenmangelanämie
drückt
sich
in
erniedrigten
Hämoglobin-
und
Hämatokritwerten sowie in verringerten Serumspiegeln an Eisen und Ferritin aus.
Erniedrigte Spiegel an Ferritin sind ein zuverlässiger Indikator einer Erschöpfung
der Eisenspeicher, da für niedrige Spiegel keine anderen Ursachen als ein
Eisenmangel bekannt sind. Ein latenter Eisenmangel ist durch eine erniedrigte
Transferrinsättigung bei erhöhten Transferrin- und niedrigen Eisenkonzentrationen
gekennzeichnet.
Zudem sinken bei einer Eisenmangelanämie die MCV- und MCH-Werte, während
diese Parameter bei einem Mangel an Cobalamin und/oder Folsäure ansteigen.
Tabelle 46 gibt eine Übersicht über die Veränderungen bei den beiden
unterschiedlichen Anämietypen.
Tabelle 46: Veränderungen der Parameter des Eisenstoffwechsels bei
Nährstoffmangelanämien [nach Kleesiek 1995]
Parameter des Eisenstoffwechsels
manifeste Eisenmangelanämie
Cobalamin / Folsäuremangelanämie
Eisen (Serum)
↓
N↑
Transferrin
↑
N↓
Ferritin
↓
N↑
MCH
↓
↑
MCV
↓
↑
↓ = erniedrigt, ↑ = erhöht, N = normal
Wie Tabelle 47 für die nach Männern und Frauen aufgeschlüsselten Daten des
Gesamtkollektivs
zeigt,
lagen
die
klinischen
Parameter
überwiegend
im
Normbereich, vielfach aber in Nähe der Grenzwerte. Auffällig sind allerdings die
außerordentlich niedrigen Ferritinspiegel bei Frauen, bei denen der Median
62
Störungen der Blutbildung können grundsätzlich auch auf einem Mangel an anderen
Nährstoffen, z. B. Riboflavin, Pyridoxin, Folsäure) beruhen. Inwieweit dies bei den untersuchten
Veganern als Ursache angesehen werden kann, ist Gegenstand zukünftiger Untersuchungen.
130
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
deutlich unterhalb der Norm liegt. Aus den nach Kostform und Geschlecht
differenzierten Daten für Transferrin, Ferritin und Eisen in Tabelle 48 wird deutlich,
dass bei Frauen der Ferritinspiegel in der Gruppe VGS signifikant niedriger war,
der Transferrinspiegel hingegen signifikant höher als bei den moderaten
Veganerinnen. Dies ist als Zeichen eines stärker ausgeprägten Mangels zu
werten.
Im Gesamtkollektiv wiesen 44,8 % aller Probanden (60,9 % der Frauen und
23,9 % der Männer) erniedrigte Ferritinspiegel und damit eine Erschöpfung der
Eisenversorgung auf. Die Prävalenz unter der Norm liegender Messwerte war bei
den Frauen der Gruppe VGS mit 70 % am höchsten und signifikant höher als bei
denen der Gruppe VGM (48,7 %). Dagegen zeigten nur 20,8 % der streng vegan
lebenden Männer und 31,6 % derjenigen aus der Gruppe VGM kritische
Messwerte.
Tabelle 47: Parameter der Erythropoese und der Eisenversorgung im
Gesamtkollektiv (Median, 5-95 Perzentile) verglichen mit dem Normbereich
Frauen
Männer
Normbereich
W
M
Hb [mmol/l]
8,27
(7,25-9,33) n = 85
9,49
(7,88-10,33) n = 66
7,5-10,0
8,7-11,2
Hämatokrit
[%]
40
(35-45) n = 85
45
(39-50) n = 66
37-47
42-52
MCV [fl]
93
(83-99) n = 85
94
(83-101) n = 66
76-96
MCH [pg]
31,2
(27,1-33,5) n = 85
32,0
(28,4-35,5) n = 66
27,0-34,0
MCHC [g
Hb/dl Ery]
33,3
(32,3-34,4) n = 85
33,5
(32,4-34,2) n = 66
31,9-36,0
Transferrin
[g/l]
3,03
(2,22-4,15) n = 87
2,88
(2,22-3,71) n = 67
2,0-4,0
Ferritin [µg/l]
17,0
(5,0-84,6) n = 87
44,0
(14,8-117,6) n = 67
25-210
34-310
Eisen [µmol/l]
12,5
(6,09-22,3) n = 87
14,9
(8,3-27,3) n = 65
10,7-23,3
10,7-25,1
131
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Tabelle 48: Transferrin-, Ferritin- und Eisenspiegel nach Kostform und Geschlecht
(Median, 5-95 Perzentile)
VGS
Männer
VGM
Männer
p
VGS
Frauen
VGM
Frauen
p
Transferrin
[g/l]
2,88
(2,29-3,83)
2,72
(2,18-3,41)
n.s.
3,22
(2,35-4,13)
2,84
(2,20-4,26)
0,0051
Ferritin [µg/l]
44,0
(11,6-105,5)
44,0
(14,0153,0)
n.s.
15,0
(5-58,9)
25,0
(5,0-141,4)
0,0141
Eisen
[µmol/l]
14,5
(6,96-26,9)
16,6
(10,2-33,0)
n.s.
12,5
(5,91-24,6)
12,4
(6,57-21,1)
n.s.
1
U-Test nach Mann-Whitney Unterschiede zwischen VGS und VGM,
Die unter den jeweiligen Normwerten liegenden 5. Perzentilen bei den
Hämoglobin- und Hämatokrit-Messwerten bei Frauen und Männern deuten
ebenfalls auf einen Eisenmangel in einem Teil des Kollektivs hin. Bezogen auf das
Gesamtkollektiv traten erniedrigte Hämoglobinwerte bei 9,6 % der Frauen und
15,4 % der Männer auf, erniedrigte Hämatokritwerte bei 16,9 % der Frauen und
Männer. Wird die Prävalenz niedriger Messwerte zwischen strengen und
moderaten Veganern verglichen, so zeigt sich für Hämoglobin, dass 11,3 % der
strengen und 13,0 % der moderaten Veganer Werte unter der Norm aufwiesen.
Beim Hämatokrit lagen die Werte von 17,5 % der strengen und 14,8 % der
moderaten Veganer unter dem Normbereich.
Demgegenüber überschritt die 95. Perzentile bei MCV- und Ferritin für beide
Geschlechter sowie bei MCH bei Männern den jeweiligen oberen Grenzwert. Eine
Erhöhung dieser Parameter kann eine makrocytäre, hyperchrome Anämie, wie sie
im Cobalaminmangel auftritt, anzeigen. Allerdings ist bei einer Beurteilung der
Messwerte zu berücksichtigen, dass sich ein Eisen- und ein Cobalaminmangel bei
allen in Tabelle 46 angegebenen Parametern durch gegenläufige Veränderungen
der Werte ausdrückt, so dass eine Aussage über den tatsächlichen Status bei
Personen, die mit beiden Nährstoffen relativ schlecht versorgt sind, erschwert
wird.
Die Untersuchung der Prävalenz von der Norm abweichender Messwerte ergab,
dass bei den MCV-Werten eine Überschreitung der oberen Normgrenze > 96 fl bei
25,7 % der strengen Veganer und 22,2 % der moderaten Veganer vorlag.
132
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Auffallend war bereits der im oberen Normbereich liegende Median dieses
Parameters.
Dies
könnte
ein
Hinweis
auf
eine
unzureichende
Cobalaminversorgung sein. Zwischen dem Cobalaminstatus und den MCV-Werten
bestand im Gesamtkollektiv eine negative, schwache, aber statistisch signifikante
Korrelation (r = -0,18, p < 0,05). Wurden nur die strengen Veganer einbezogen,
ergab sich eine hoch signifikante Korrelation mit einem Korrelationskoeffizienten
von r = -0,33. Demgegenüber ließ sich bei den moderaten Veganern keine
Korrelation zwischen den MCV-Werten und dem Cobalaminstatus nachweisen.
Bei den MCH-Werten lag die Prävalenz erhöhter Messwerte im Gesamtkollektiv
bei 4,6 %, bei separater Betrachtung der Subkollektive ergab sich für strenge
Veganer eine Prävalenz von 6,2 % und für moderate Veganer von 1,9 %.
Zwischen
dem
Cobalaminstatus
und
den
MCH-Werten
bestand
im
Gesamtkollektiv eine signifikante negative Korrelation (r = -0,22; p < 0,01), die sich
auch für das Kollektiv der strengen Veganer nachweisen ließ (r = -0,33; p < 0,01),
bei den moderaten Veganern jedoch nicht bestand.
Erwartungsgemäß zeigten sich auch statistisch signifikante positive Korrelationen
(p < 0,01) zwischen den Eisenwerten im Serum und den Hämoglobin- (r = 0,26),
MCH- (r = 0,29) und MCV-Werten (r = 0,30).
Die sehr niedrigen Ferritinwerte der Veganer werden auch bei einem Vergleich mit
den Werten des VERA-Kollektivs deutlich. Die Probanden der VERA-Studie
wiesen mehr als doppelt so hohe Ferritinspiegel auf (Tabelle 49). Verglichen mit
dem VERA-Kollektiv [Kohlmeier et al. 1995] zeigten sich bei den Veganern auch
deutlich niedrigere Eisenspiegel im Serum, während MCV, MCHC, Hämoglobin
und Transferrin ähnliche Werte aufwiesen.
Da die Serumeisenkonzentration alleine ein relativ aussageschwacher Parameter
ist, wurde zusätzlich die Transferrinsättigung berechnet. Dabei sind die Werte der
Männer unkritischer als die der Frauen. So lagen die Werte der strengen Veganer
bei 22,4 %, die der moderaten Veganer bei 27,1 %. Demgegenüber wiesen die
strengen Veganerinnen eine Transferrinsättigung von nur 17,3 %, die moderaten
Veganerinnen von 19,4 % auf. Insbesondere die strengen Veganerinnen liegen
133
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
damit in einem sehr kritischen Bereich, zumal Werte unter 16 % bereits als
zuverlässige Indikatoren für Störungen des Eisentransportsystems gelten.
In einem kleinen Kollektiv von 20 Veganern lagen die Hämogobin-, Hämatokrit und
MCV-Werte auf ähnlichem Niveau wie in der DVS. Niedrige Messwerte traten
auch hier insbesondere beim Ferritin auf. Es zeigte sich im Vergleich zu einer
Gruppe von Nicht-Vegetariern ein statistisch signifikant geringerer Ferritinwert bei
Männern. Unter der Norm liegende Ferritinmesswerte ergaben sich allerdings nur
bei 4 % der Frauen [Haddad et al. 1999].
Tabelle 49: Vergleich der DVS- (Median, 5-95 Perzentile) und VERA-Werte (2,597,5 Perzentile) hinsichtlich Parametern der Erythropoese und
Eisenversorgung [Kohlmeier et al. 1995]
Frauen
Männer
Frauen
Männer
DVS
DVS
VERA
VERA
8,27
(7,25-9,33)
9,49
(7,88-10,33)
8,5
(7,2-9,7)
9,5
(8,1-10,8)
93
(83-99)
94
(83-101)
91,5
(82,9-99,8)
92,0
(84,3-101,9
MCH [pg]
31,2
(27,1-33,5)
32,0
(28,4-35,5)
-
-
MCHC [g
Hb/dl Ery]
33,3
(32,3-34,4)
33,5
(32,4-34,2)
33,3
(31,6-35,4)
33,5
(31,5-35,4)
Transferrin
[g/l]
3,03
(2,22-4,15)
2,88
(2,22-3,71)
2,9
(2,1-4,2)
2,8
(2,1-4,0)
Ferritin [µg/l]
17,0
(5,0-84,6)
44,0
(14,8-118,0)
40,0
(4,0-229)
108
(10,4-405)
Eisen [µmol/l]
12,5
(6,09-22,3)
14,9
(8,3-27,3)
18,9
(7,0-36,2
19,5
(8,6-36,0
Hb [mmol/l]
MCV [fl]
Insgesamt deuten die Ergebnisse der Untersuchungen zur Eisenversorgung auf
mögliche Störungen der Erythropoese bei einem Großteil der Veganer hin. Dies
wird
insbesondere
an
den
niedrigen
Ferritinspiegeln
und
der
geringen
Transferrinsättigung deutlich. Die Häufigkeit erhöhter MCV-Messwerte bei fast ¼
des Kollektivs spiegelt die unzureichende Cobalaminversorgung verbunden mit
einem erhöhten Risiko einer gestörten DNA-Synthese und damit einer
verminderten Erythropoese wider. Demgegenüber lagen die MCH-Werte nur bei
134
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
6,2 % der strengen und 1,9 % der moderaten Veganer über dem Normbereich.
Dieser deutliche Unterschied zwischen strengen und moderaten Veganern fand
sich auch beim Cobalaminstatus. So lag die Prävalenz niedriger Werte beim
Cobalaminstatus bei den strengen Veganern bei 37,5 % und bei den moderaten
bei 7,3 %.
Zukünftige Arbeiten werden darauf abzielen, die Parameter des hämatologischen
Status weiter zu analysieren, um die verschiedenen Einflussgrößen zu
differenzieren und deren quantitative Bedeutung für die beobachteten Effekte
ermitteln.
3.5
Der
Zusammenfassung
Tatsache,
dass
sich
immer
mehr
Menschen
einer
Alternativen
Ernährungsform zuwenden, wird in wissenschaftlicher Hinsicht noch nicht
ausreichend Rechnung getragen. Entsprechend ist eine lebensmittel- und
ernährungswissenschaftliche Bewertung vieler Kostformen kaum möglich.
Für die quantitativ bedeutendste Alternative Ernährungsform, den Vegetarismus,
stellt sich die Situation zweigeteilt dar. Die ernährungsphysiologische Eignung
lacto-(ovo-)vegetarischer Ernährungsformen kann auf Basis der vorliegenden und
in den Anlagen 2 und 5 dargestellten Daten als gesichert gelten. Sie stellen, richtig
praktiziert, nicht nur die Nährstoffversorgung sicher, sondern entsprechen darüber
hinaus den Anforderungen an eine präventive Ernährung besser als die im
Bevölkerungsdurchschnitt zu findende Lebensmittelzusammenstellung.
Während somit der Nutzen einer pflanzlich orientierten Kostzusammenstellung
nicht
mehr
in
Frage
steht,
ist
die
ausschließlich
pflanzliche,
vegane,
Ernährungsweise sehr viel schwieriger zu bewerten. Die Tatsache, dass hierzu
nur wenig Zahlenmaterial vorliegt, war Anlass für die Deutsche Vegan Studie
(DVS). Aufgrund der dabei erhobenen Befunde muss zumindest für das
untersuchte Kollektiv gefolgert werden, dass hierbei in einigen Bereichen
erhebliche Risiken bestehen.
135
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
So erwies sich die Energie- und Proteinaufnahme als sehr gering, auch erkennbar
am niedrigen Körpermassenindex der Probanden und einer hohen Prävalenz von
Untergewicht. Sehr günstig gestaltete sich hingegen das Verhältnis von
Kohlenhydraten zu Fetten in der Ernährung; es entsprach den Empfehlungen.
Auch die Zufuhr an Mikronährstoffen war uneinheitlich. Mehr als 20 % des
untersuchten Kollektivs erreichten nicht die unter Berücksichtigung von Alter und
Geschlecht wünschenswerte Zufuhr an Folsäure, Thiamin und Zink, 50 % nicht die
an Riboflavin. Bei Calcium betraf dies 75 % der Probanden, bei Cobalamin, Jod
und Calciferol praktisch das Gesamtkollektiv. Bei allen anderen Nährstoffen,
insbesondere den Antioxidanzien Ascorbinsäure und ß-Carotin, aber auch bei
Eisen, war die Zufuhr relativ hoch.
Die klinisch-biochemischen Parameter zeigten, dass die Versorgung mit Folsäure
und Riboflavin, trotz der rechnerisch teilweise unzureichenden Zufuhr, sehr gut
war. Es fanden sich fast keine im kritischen Bereich liegenden Messwerte. Eine
hohe Prävalenz niedriger Versorgungsparameter war aber bei Thiamin, Pyridoxin
und ß-Carotin zu finden. Die hohe Zufuhr an ß-Carotin, wie auch an Tocopherol,
führte nicht zu den erwarteten Plasmaspiegeln an diesen Vitaminen. Die
möglichen Ursachen hierfür werden derzeit analysiert. Eine unter der Norm
liegende Cobalaminversorgung fand sich bei Beurteilung anhand des vom Labor
genannten Grenzwertes bei einem Viertel des Kollektivs. Werden in der Literatur
zitierte Grenzen herangezogen, waren sogar
70 % der Probanden hiervon
betroffen.
Bei den meisten Risikoparametern der Atheroskleroseentstehung wiesen die
untersuchten Veganer eine günstige Konstellation auf. Eine Ausnahme stellt das
Homocystein dar; ein Drittel des Kollektivs überschritt den Grenzwert von
15 µmol/l. Wurde der inzwischen diskutierte Normbereich (< 10 µmol/l) zugrunde
gelegt, betrug die Prävalenz kritischer Werte 67 %. Die Homocysteinwerte zeigten
eine
Korrelation
zu
den
Cobalamin-,
nicht
aber
den
Pyridoxin-
und
Folsäurespiegeln. Die hämatologischen Parameter wiesen auf eine schlechte
Eisenversorgung hin, was sich insbesondere anhand sehr niedriger Ferritinspiegel
dokumentierte.
136
ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ?
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse, die erstmals an einem größeren Kollektiv
von Veganern erhoben wurden, kann gefolgert werden, dass die vegane
Lebensweise in einigen Bereichen mit erheblichen Risiken einer mangelhaften
Nährstoff- und Energieversorgung einhergehen. Diese Risiken sollten zukünftig
weiter differenziert und bekannt gemacht werden.
Veganer, das zeigen auch die in der DVS gemachten Erfahrungen, sind von ihrer
Lebensweise in hohem Maße überzeugt. Um gesundheitliche Gefahren als Folge
einer veganen Ernährung zu vermeiden, müssen deshalb wissenschaftlich
begründbare Empfehlungen zur Verbesserung der Ernährungssituation erarbeitet
werden.
Die
bisherigen
Querschnittsuntersuchungen
stellen
eine
Momentaufnahme dar. Ein Ziel weiterer Arbeiten wird es deshalb auch sein, die
untersuchten Teilnehmer einer Nachbeobachtung zu unterziehen, um Aussagen
zur langfristigen Gesundheitssituation treffen zu können.
137
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
4
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ ZUR
LÖSUNG LEBENSMITTEL- UND ERNÄHRUNGSWISSENSCHAFTLICHER PROBLEME
Im folgenden Kapitel soll gezeigt werden, wie sich durch den Einsatz von FuzzyLogik neue methodische Ansätze zur Behandlung verschiedener lebensmittel- und
ernährungswissenschaftlicher Fragestellungen ergeben. Die interdisziplinären
Untersuchungen wurden in Kooperation mit der Firma Albat + Wirsam, Linden,
durchgeführt, die die mathematischen Aspekte der Fragestellung bearbeitete.
4.1
Zum Einsatz der Fuzzy-Logik geeignete Problemkreise der
Lebensmittelwissenschaft
Ein wesentliches Problem für viele Menschen besteht darin, dass die aus
ernährungsphysiologischer Sicht anzustrebende Ernährung für den Einzelnen mit
teils drastischen Veränderungen der Lebensmittelauswahl verbunden sein müsste.
Da die Ernährungsweise ein über lange Zeiträume geprägtes und in hohem Maße
individuelles Verhalten darstellt [vgl. Anlage 9, S. 422ff], sind solch grundlegenden
Änderungen in der Praxis kaum realisierbar. Trotz intensiver Bemühungen
verschiedener
Institutionen,
Ernährungsberatungen
auf
der
Basis
ernährungspsychologisch basierter Konzepte durchzuführen, ist es deshalb bisher
nicht gelungen, das Essverhalten der Bevölkerung insgesamt im erwünschten
Sinne [vgl. Anlage 9, S. 421f;] zu modifizieren. Selbst wenn bei vielen Menschen
der Wille hierzu besteht, wie unter Punkt (d), S. 5, formuliert, ist die langfristige
Compliance gering. Die dauerhafte Veränderung gelingt meist nicht, weil die
Modifizierungen als zu massiv empfunden werden. Das zeigt sich besonders
deutlich am Beispiel der Adipositastherapie: Die langfristige Erfolgsquote liegt bei
unter 20 %, obwohl moderne Therapieansätze sowohl multifaktoriell als auch
interdisziplinär ausgerichtet sind und keineswegs nur die Ernährung einbeziehen.
Zudem ergeben sich häufig Zielkonflikte bei der Speiseplangestaltung. Wird z. B.
die Aufnahme eines bestimmten Lebensmittels in den Speiseplan empfohlen, um
die Zufuhr mit einem definierten Nährstoff zu verbessern, hat dies auch
Auswirkungen auf die Aufnahme anderer Nährstoffe und der Energie [vgl.
Anlage 10]. So lässt sich zwar u. U. die erwünschte Mehrzufuhr des Nährstoffs
138
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
erreichen, gleichzeitig wird aber die Zufuhr und Relation anderer Nährstoffe in
u. U. unerwünschter Weise verändert.
Eine grundsätzliche, damit im Zusammenhang stehende Schwierigkeit ist auch
darin
zu
sehen,
dass
bei
Ernährungsanamnesen,
wie
auch
bei
der
Zusammenstellung von Speiseplänen, jeder Nährstoff nur isoliert betrachtet wird.
Für jede einzelne Substanz wird dabei im Allgemeinen angegeben, ob und in
welchem Ausmaß die empfohlene Nährstoffzufuhr realisiert wird. Wünschenswert
wäre
es
jedoch,
anhand
einer
Maßzahl
eine
Aussage
zur
ernährungsphysiologischen Güte63 machen zu können. Die beschriebenen
Problemkreise lassen sich grundsätzlich mit Hilfe der Fuzzy-Logik, der Logik der
unscharfen Mengen, behandeln. Zudem finden sich auch darüber hinausgehende
Anwendungsmöglichkeiten.
Die Fuzzy-Logik bietet sich aus derzeitiger Sicht zum Einsatz in folgenden
lebensmittel- und ernährungswissenschaftlichen Bereichen an:
•
Bewertung der Zufuhr
(Kapitel 4.2 - 4.4),
•
Optimierung der Nährstoffzufuhr (Kapitel 4.5),
•
Herleitung von Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr (Kapitel 4.6),
•
Bewertung klinisch-biochemischer Größen (Kapitel 4.7),
•
„Nutrition Control“ – rückkoppelnde Anpassung der Ernährung an individuelle Marker
(Kapitel 4.8).
63
Unter ernährungsphysiologischer Güte ist in diesem Zusammenhang der Gehalt an Nährstoffen
in Relation zur empfohlenen Zufuhr zu sehen. Wie nachfolgend dargestellt (vgl. Kapitel 4.4),
erlauben es die gezeigten Modelle, auch weitergehende, für das jeweilige Problem relevante
Aspekte (z. B. Schadstoffgehalte, Kosten) zu berücksichtigen.
einzelner
Nährstoffe
und
der
Gesamtnährstoffzufuhr
139
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
4.2
Grundlagen der Anwendung von Fuzzy-Logik auf Probleme
der Lebensmittelwissenschaft
4.2.1 Interpretation von Nährstoffempfehlungen durch scharfe
Grenzen
Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr verschiedener wissenschaftlicher Gremien
sind so konzipiert, dass sie die täglich empfohlene Nährstoffzufuhr punktgenau
oder
in
Form
von
Intervallen
mit
scharfen
Grenzen
wiedergeben.
Im
letztgenannten Falle ist die wünschenswerte Zufuhr xa eines Nährstoffes a
beschreibbar als Ungleichung
xa, min ≤ xa ≤ xa, max,
wobei xa, min die Untergrenze der Empfehlung und xa, max die Obergrenze der
Empfehlung
darstellt.
Die
Nährstoffzufuhr xa
soll
zwischen
den
beiden
Grenzwerten liegen. Eine derartige Formulierung mittels scharfer Grenzen kann
z. B. als Restriktion für eine lineare Optimierung verwendet werden [Wirsam
1994]. Die zugehörige Funktion „empfohlene Zufuhr des Nährstoffs a“ (gepunktete
Line in Abbildung 12 lässt sich entsprechend durch eine charakteristische
Funktion µ(xa) definieren mit
µ(xa) =
1, für den erlaubten Bereich xa, min ≤ xa ≤ xa, max („acceptable intake“)

0, für den nicht erlaubten Bereich („unacceptable intake“)
wobei µ(xa) der Zugehörigkeitsgrad von xa zur Menge „empfohlene Zufuhr des
Nährstoffs a“ darstellt [vgl. Anlage 6].
Für die Nährstoffzufuhr ergibt sich danach ein erlaubter, und davon scharf
abgegrenzt, ein nicht zugelassener Bereich. Derartig scharfe Funktionen lassen
sich mit biologischen Gesetzmäßigkeiten kaum in Einklang bringen. Bezogen auf
einen Nährstoff wie Selen, für den eine wünschenswerte Zufuhr von 30-70 µg/d
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
140
empfohlen64 wird, heißt das beispielsweise, dass nur Werte im Intervall von 3070 µg/d akzeptiert werden. Darunter oder darüber liegende Werte gelten als nicht
akzeptabel. Physiologisch sind solch scharfe Grenzen nicht gegeben, was
verdeutlicht, dass diese Betrachtungsweise vielen Fragestellungen nicht gerecht
wird65.
Abbildung 12: Scharfe Funktion „erlaubte Zufuhr“ im Vergleich zum Fuzzy-Set
„Optimale Aufnahme“ eines Nährstoffs [Anlage 6]
Scharfe Grenzen, so wie sie die Lebensmittel- und Ernährungswissenschaft bisher
verwendet, führen darüber hinaus bei Optimierungsproblemen häufig dazu, dass
keine Lösung des gestellten Problems gefunden werden kann. In der Praxis,
insbesondere bei der Beurteilung von Ernährungsanamnesen sowie bei der
Speiseplanerstellung, werden solche Grenzen deshalb häufig nach eigenem
Ermessen „aufgeweicht“ und auch abweichende Werte akzeptiert.
64
Es wird an dieser Stelle darauf verzichtet, den unterschiedlichen Charakter der Referenzwerte
für die Nährstoffzufuhr in Empfehlungen, Schätzwerte und Richtwerte [DGE et al. 2000] zu
differenzieren, da die Unterscheidung in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung ist.
65
Es sei am Rande vermerkt, dass bereits die international vielfältigen, teils widersprüchlichen
Nährstoffempfehlungen zeigen, dass die Angaben keineswegs so „scharf“ sind, wie zunächst
der Eindruck entsteht. Sie sind vielmehr mit einer hohen Unsicherheit behaftet (und von vielen
weiteren Überlegungen geprägt [vgl. Anlage 1, S. 47], so dass schon aus diesem Grunde eine
Interpretation durch Fuzzy-Logik zur Beschreibung besser geeignet ist.
141
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
4.2.2 Interpretation von Nährstoffempfehlungen durch unscharfe
Grenzen
Die „Unschärfe“ des Problems „empfohlene Zufuhr des Nährstoffs a“ macht es gut
handhabbar für Verfahren der Fuzzy-Logik („Logik der verschwommenen
Grenzen“): Die Funktion „erlaubte Zufuhr“ mit scharfen Grenzen (µ(xa)=0 oder 1)
korrespondiert mit der Zugehörigkeitsfunktion zu einem Fuzzy-Set (0 ≤ µ(xa) ≤ 1),
die wie in Abbildung 12 (durchgezogene Linie) gezeigt dargestellt werden kann.
Die Nährstoffzufuhr kann dabei nicht nur, wie in der „scharfen“ Logik
ausschließlich mit den Zugehörigkeitsgraden µ(xa)=0 oder µ(xa)=1 bewertet
werden, sondern auch mit allen Zwischenwerten. Der Zugehörigkeitsgrad („FuzzyWert“) macht dabei eine Aussage darüber, inwieweit der Wert xa zur Menge
„optimale Zufuhr des Nährstoffs a“ gehört. Die „Optimalität“, d. h. die optimale
Zufuhr des Nährstoffs, ist integraler Bestandteil des Systems und dann erreicht,
wenn der Fuzzy-Wert 1 ist.
Bezogen auf einen einzelnen Nährstoff a ist das System wie folgt zu interpretieren:
Jeder
beliebigen
Zufuhr
eines
Nährstoffs
xa
kann
ein
bestimmter
Zugehörigkeitswert µ zum Fuzzy-Set zugeordnet werden, der zwischen 0 und 1
liegt. Die Zugehörigkeitsfunktion lautet entsprechend µ(xa). Ein Wert von 0 ist
dabei gleichbedeutend mit keiner Zugehörigkeit (physiologisch: keine oder extrem
überhöhte Zufuhr des Nährstoffs), ein Wert von 1 bedeutet hingegen volle
Zugehörigkeit (physiologisch: optimale Zufuhr des Nährstoffs). Alle Werte
zwischen 0 und 1 sind möglich und können in der Fuzzy-Logik verbal interpretiert
werden, wobei die Extreme 0 und 1 bei einem essenziellen Nährstoff langfristig
gleichbedeutend mit „Tod“ und „optimaler Gesundheitszustand“ sind. Bestimmte,
einem definierten Zugehörigkeitsgrad zuzuordnende Zwischenwerte können
verbal interpretiert werden, z. B. als „ausgeglichene Bilanz“, „biochemische
Veränderungen“ oder „anatomische Veränderungen“ [vgl. Anlage 6].
Der Verlauf der Fuzzy-Kurve gibt an, wie sich der Zugehörigkeitsgrad zum FuzzySet „optimale Zufuhr“ verändert. Somit kann die Bewertung einer bestimmten
Nährstoffzufuhr erfolgen: Der Fuzzy-Wert vermindert sich, wenn ausgehend vom
Optimum µ(xa)=1 die Zufuhr vergrößert oder verkleinert wird. Von besonderer
Bedeutung ist dabei, dass die Steilheit der Flanken der Fuzzy-Kurve [vgl.
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
142
Anlage 11] darüber bestimmt, bei welchen Nährstoffen eine unter oder über dem
Optimum liegende Zufuhr relativ kritisch zu bewerten ist. So ist z. B. die
therapeutische Breite von Vitamin D geringer als die von Thiamin. Deshalb zeigt
das Fuzzy-Set für Vitamin D oberhalb des Optimums ein relativ scharfes
Abknicken. Bei Thiamin verläuft der Abfall der rechten Flanke hingegen sehr flach,
so dass sich optisch ein breites Plateau ergibt (Abbildung 13). Fuzzy-Sets
beschreiben ein unscharfes System, wie es die Nährstoffzufuhr darstellt, aus
diesem Grund sehr viel realistischer als dies scharfe Grenzen vermögen.
Abbildung 13: Fuzzy-Sets für Thiamin und Vitamin D [Anlage 11]
4.3
Beschreibung der Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr
durch Fuzzy-Sets
Auf Basis der vorher geschilderten Überlegungen wurde erstmals versucht, FuzzySets für die optimale Zufuhr verschiedener Nährstoffe zu erstellen [Details s.
Anlage 11]. Diese Daten wurden später in Abstimmung mit der Deutschen
Gesellschaft für Ernährung leicht modifiziert und dienen als Basis einer DGEeigenen Software66.
Für die Erstellung des Fuzzy-Sets werden dabei im verwendeten Modell fünf
Punkte benötigt [Details s. Anlage 11], aus denen sich die Form der Kurve ergibt.
66
DGE-PC professional, Ernährungssoftware der Deutschen Gesellschaft für Ernährung,
Frankfurt 1999.
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
143
Das wesentliche Problem besteht darin, eine begründete Basis für die Festlegung
dieser Punkte zu finden. Sie basieren, ebenso wie starre Empfehlungen zur
Nährstoffzufuhr, auf dem (teils nur spärlich vorhandenen) wissenschaftlichen
Kenntnisstand. Gleichermaßen ist es grundsätzlich möglich, gesundheitspolitische
Überlegungen [vgl. Anlage 1, S. 47] mit in die Modellierung einzubringen und z. B.
bestimmte Fuzzy-Sets mit steileren Flanken, also weniger tolerant im Hinblick auf
Abweichungen, zu gestalten. Abbildung 14 zeigt exemplarisch verschiedene
charakteristische Typen von Fuzzy-Sets, die sich dabei ergeben. Die durch die
vertikalen Linien eingegrenzten Bereiche (µ(xa)=0,9) stellen den Bereich einer
(verbal interpretiert) „optimalen“ bis „ausgeglichenen“ Zufuhr dar, sind also
anzustreben.
Abbildung 14a: Fuzzy-Set für Fett [Anlage 11]
Das Fuzzy-Set für Fett (Abbildung 14a) ist typisch für einen essenziellen Nährstoff,
bei dem eine über der Empfehlung liegende Zufuhr nicht erwünscht ist; die rechte
Flanke der Kurve ist vergleichsweise steil ausgeprägt. Eine oberhalb des
Optimums von 25 Energie-%67 liegende Fettzufuhr führt schnell zu einer
67
In den ursprünglich als Basis zur Modellierung der Fuzzy-Sets herangezogenen Empfehlungen
für die Nährstoffzufuhr [DGE 1991] wurde die wünschenswerte Fettzufuhr mit maximal 25-30 %
der Energieaufnahme angegeben. Da schon aus dieser Formulierung deutlich wird, dass eher
eine niedrigere Fettzfuhr anzustreben ist, wurde der Optimumswert auf 25-Energie-Prozent
festgelegt.
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
144
ungünstigen Fuzzy-Bewertung. Bei 30-Energie-Prozent ergibt sich die noch gute
Fuzzy-Bewertung von 0,9; ist diese allerdings höher, werden die Fuzzy-Werte
rapide schlechter. Bei einer niedrigen Zufuhr ist das System toleranter, selbst bei
einer Fettzufuhr in Höhe von 10-Energie-Prozent68 liegt der Fuzzy-Wert noch bei
0,9).
Abbildung 14b: Fuzzy-Set für Ascorbinsäure [Anlage 11]
Die Situation bei Ascorbinsäure (Abbildung 14b) ist charakteristisch für viele
wasserlösliche Vitamine, bei denen eine unter dem Optimum liegende Aufnahme
der Substanz relativ schnell kritisch zu bewerten ist. Oberhalb des Optimums
ergibt sich durch die sehr geringe Toxizität des Vitamins ein extrem breites
Plateau.
Für nicht zufuhressenzielle Substanzen wie Cholesterol (Abbildung 14c) wurde
das Fuzzy-Set so gestaltet, dass sich eine Fuzzy-Bewertung von 1 ergibt, wenn
68
Es könnte der Einwand erhoben werden, dass bei einer derartig niedrigen Fettzufuhr die
ausreichende Aufnahme von essenziellen Fettsäuren und fettlöslichen Vitaminen u. U. nicht
gewährleistet ist. Dies ist allerdings nicht der Fall. Werden die Fuzzy-Sets z. B. zur
Speiseplanoptimierung eingesetzt, werden nicht einzelne Nährstoffe berücksichtigt, sondern die
Gesamtheit der im Modell vorhandenen Fuzzy-Sets. Eine zu starke Abweichung vom Optimum
bei einem Nährstoff zu Gunsten eines anderen wird verhindert. Es wird vielmehr der insgesamt
beste Kompromiss gesucht (s. Kapitel 4.4).
145
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
keine Aufnahme erfolgt (xa=0). Die einem Fuzzy-Wert von 0,9 zuzuordnende
Cholesterolzufuhr liegt bei 300 mg/d, dem von der Deutschen Gesellschaft für
Ernährung als täglich tolerabel angesehenen Wert [DGE et al. 2000]. Analog
könnten beispielsweise Fuzzy-Sets für toxische Nahrungsbestandteile, wie z. B.
Schwermetalle, etabliert werden69.
Abbildung 14c: Fuzzy-Set für Cholesterol [Anlage 11]
4.4
Aggregation von Fuzzy-Bewertungen
Fuzzy-Sets sind geeignet zur Bewertung der Zufuhr eines einzelnen Nährstoffes.
Allerdings genügt es nicht, nur einen Nährstoff oder die verschiedenen Nährstoffe
getrennt zu betrachten. Die ernährungsphysiologische Qualität ergibt sich vielmehr
aus der Kombination aller Nährstoffe. So kann sich z. B. das Problem ergeben,
dass
bei
der
Speiseplangestaltung
eine
bestimmte
Lebensmittelzusammenstellung zu wenig Ballaststoffe und zu viel Energie enthält.
Die zusätzliche Gabe von Vollkornbrot würde dann zwar die Fuzzy-Bewertung für
69
Dabei ist grundsätzlich zu bedenken, dass derartige Fuzzy-Sets in der Praxis nur dann
Anwendung finden können, wenn auch in den verwendeten Nährstofftabellen Angaben zum
Gehalt an den jeweiligen Stoffen in Lebensmitteln zu finden sind oder diese ergänzt werden
können.
146
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
Ballaststoffe
verbessern,
die
Bewertung
der
(ohnehin
bereits
erhöhten)
Energiezufuhr aber weiter verschlechtern.
Es entsteht also ein Zielkonflikt, denn es gilt die Bewertung von Ballaststoffen und
Energie gleichzeitig zu berücksichtigen. Um dem logischen „Und“ zu entsprechen
und einen Kompromiss zu finden, der beiden Nährstoffen Rechnung trägt; werden
in der Fuzzy-Logik verschiedene Operatoren verwendet [Wirsam 1994]. Für die
Anwendung auf lebensmittelwissenschaftliche Fragen wurde ein Operator µ(xa)
entwickelt, der es erlaubt die Zugehörigkeitsgrade von n Variablen zu aggregieren.
Er errechnet sich als harmonisches Mittel, korrigiert um den Wert der niedrigsten
Fuzzy-Bewertung.
µ ( xa) = min(µi ( x a )) ⋅
Dieser,
als
1
n
1
1
∑
n − 1 i ≠ min µi ( xa )
„Prerow-Wert“70
bezeichnete
Operator
stellt
somit
eine
Gesamtkennzahl für die Qualität der Nahrung dar. Der Wertebereich liegt
ebenfalls zwischen 0 (mit dem Leben nicht vereinbar) und 1 (optimal),
anzustreben sind Werte >0,9. Der verwendete Operator repräsentiert gut das
logische „Und“ [Wirsam 1994, Anlage 6], denn er reagiert sehr empfindlich auf
Ausreißer, d. h. auf Nährstoffe, bei denen sich niedrige Fuzzy-Bewertungen µ(xi)
ergeben.
Das geschilderte Vorgehen der Fuzzy-Bewertung der einzelnen Nährstoffzufuhren
und der anschließenden Zusammenfassung dieser Werte ermöglicht es erstmals,
direkt verschiedene Mahlzeitenzusammenstellungen zu beurteilen und zu
vergleichen.
Darüber
hinaus
lassen
sich
je
nach
Fragestellung
weitere
Zielgrößen
berücksichtigen. So sind insbesondere in Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen die Kosten eine wesentliche Variable. Durch Festlegung und Einbeziehung
70
Die Bezeichnung „Prerow-Wert“ wurde nach dem Ort Prerow an der Ostsee gewählt, da dort die
ersten Ideen und Voruntersuchungen zur Anwendung der Fuzzy-Logik auf lebensmittelwissenschaftliche Probleme erfolgten.
147
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
eines entsprechenden Fuzzy-Sets kann bei der Bewertung und Optimierung auch
dieser Aspekt integriert werden.
4.5
Fuzzy-gestützte Auswertung von Ernährungsprotokollen
und deren Optimierung
Die Anwendung der in den Kapiteln 4.2 - 4.4 beschriebenen Verfahren ermöglicht
es unter anderem, Ernährungsanamnesen auszuwerten und zu beurteilen. Hierbei
wird der Lebensmittelverzehr über einen definierten Zeitraum (im Allgemeinen
über drei bis sieben Tage) erfasst, wobei häufig geschlossene Schätzprotokolle
verwendet werden (vgl. 2.4.2.1 und 3.4.1.2). Ausgehend vom protokollierten
Lebensmittelverzehr wird anschließend auf Basis einer Nährstoffdatenbank die
Nährstoffzufuhr im Untersuchungszeitraum berechnet.
Bisher ist es üblich, Abweichungen von den (scharf begrenzten) Empfehlungen für
die Nährstoffzufuhr prozentual auszudrücken und zumindest in gewissem Umfang
nach eigener Einschätzung zu beurteilen. Dass diese relative Beurteilung nicht
geeignet ist, kann bereits an einem einfachen Beispiel demonstriert werden. Eine
um 30 % über der Empfehlung liegende Fettzufuhr stellt auf Dauer einen
Risikofaktor dar, eine um 30 % „überhöhte“ Aufnahme von Ascorbinsäure ist
dagegen in dieser Hinsicht völlig ohne Bedeutung. Die mit Hilfe der FuzzyVerfahren nun mögliche Zuordnung von Zugehörigkeitsgraden ergibt in diesem
Beispiel für Fett einen Fuzzy-Wert von ca. 0,5, bei Ascorbinsäure hingegen liegt
der Wert bei etwa 0,99 und damit nahe am Optimum. Die Zusammenfassung der
einzelnen Fuzzy-Bewertungen zum Prerow-Wert ergibt dann ein Gesamtbild der
Ernährungssituation. Ausführliche Beispiele für das Vorgehen finden sich in den
Anlagen 6 und 10.
Mit Hilfe der Fuzzy-Logik ist es aber nicht nur möglich, Ernährungsprotokolle zu
bewerten, sondern auch, sie zu optimieren. Konventionell wird in der
Ernährungsberatung oder bei der Speiseplanerstellung so vorgegangen, dass auf
Basis von (eigenen) Erfahrungswerten einzelne Lebensmittel ausgetauscht und
der Plan im Extremfall immer wieder neu berechnet wird. Dabei ergeben sich die
vorher beschriebenen Zielkonflikte: Der Austausch eines Lebensmittels führt zur
erwünschten
Verbesserung
bei
einem
Nährstoff,
bei
anderen
hingegen
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
148
möglicherweise zu Verschlechterungen. Bei Einbeziehung von n Nährstoffen ist
dies ein kaum lösbares Problem. Schließlich wird sich ein Kompromiss ergeben,
der je nach verantwortlicher Person und deren Präferenzen höchst unterschiedlich
ausfallen kann [Anlage 10]. Die Kombination von Fuzzy-Logik mit Fuzzy-DecisionMaking ermöglicht es, durch iterative Verfahren im n-dimensionalen Raum
Entscheidungen zu treffen, die den objektivierbar bestmöglichen Kompromiss
darstellen. Dabei wird versucht, auf Basis der Nährstoffgehalte verschiedener
Lebensmittel, diejenigen auszuwählen und im Plan auszutauschen, die den
größtmöglichen Nutzen für den Gesamtplan bieten. Beurteilungskriterium ist der
Prerow-Wert, der maximiert wird. Abbildung 15 zeigt das prinzipielle Vorgehen und
die sich ergebende Veränderung des Prerow-Wertes stark vereinfacht am Beispiel
von nur zwei Lebensmitteln.
Abbildung 15: Änderung des Prerow-Wertes bei Variation von zwei Lebensmitteln
[Anlage 11].
149
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
Wie Abbildung 15 zeigt, sind die sich in diesem Beispiel ergebenden
Veränderungen des Lebensmittelkonsums dramatisch. In der Ernährungspraxis ist
es allerdings notwendig, ausgehend von der derzeitigen Lebensmittelauswahl in
möglichst moderaten Schritten Veränderungen herbeizuführen, damit diese auch
vom Verbraucher akzeptiert und umgesetzt werden können (vgl. Kapitel 4.1). Um
dies zu erreichen, bietet es sich an, in die Optimierung ein weiteres Fuzzy-Set zu
integrieren, das als zusätzliche Bedingung dafür sorgt, dass die Änderungen
möglichst gering ausfallen. Die Entfernung zwischen dem Ausgangszustand und
der Situation nach der Optimierung kann in „Kücheneinheiten“ gemessen werden.
Das heißt, jede Veränderung um eine Portion eines beliebigen Lebensmittels
(Herausnahme aus dem alten Plan oder Integration in die Optimierung) ist dabei
als eine Einheit anzusehen. Durch Formulierung eines Fuzzy-Sets „Akzeptanz des
Verbrauchers
bei
Variation
der
Kücheneinheiten“
(Optimalität
bei
0
Veränderungen) kann eine zusätzliche Variable in das Modell einbezogen werden,
um zu große Veränderungen zu verhindern. Je nach Form dieses Fuzzy-Sets wird
es ermöglicht, kleinere oder auch größere Modifikationen durchzuführen.
Restriktionen können auch geschaffen werden, indem eine Mengenobergrenze für
bestimmte Lebensmittel oder Mindestmengen definiert werden. Hierdurch wird
verhindert, dass ein (für den Gesamtplan „gutes“) Lebensmittel zu einer nicht mehr
akzeptablen Kostzusammenstellung führt oder individuell präferierte Lebensmittel
ganz gestrichen werden.
4.6
Perspektiven I: Fuzzy-Logik als Methode zur Festlegung
von Nährstoffempfehlungen
In den ursprünglichen Ansätzen wurden die Fuzzy-Verfahren dazu benutzt, die
etablierten Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr zu beschreiben, um davon
ausgehend Bewertungen und Optimierungen durchzuführen. Auch möglich, aber
bisher
nur
in
ersten
Ansätzen
verwirklicht,
ist
die
Festlegung
von
Nährstoffempfehlungen auf Basis biochemischer und klinischer Parameter [vgl.
Anlage 6]. Dies soll an einem stark vereinfachten Modell erläutert werden.
Sowohl Defizite an Mikronährstoffen, als auch deren überhöhte Zufuhr, können zu
multiplen Veränderungen biochemischer und klinischer Parameter führen. So
kommt es im Nährstoffmangel zu einer charakteristischen Abfolge von
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
150
Mangelstadien, bei der sich für jede Substanz spezifische Veränderungen ergeben
[vgl. Anlage 8, S. 58f]. Neben einer Abnahme des Gesamtkörperbestandes der
betreffenden Substanz finden sich als früheste Symptome Verminderungen oder
Erhöhungen bestimmter Metaboliten im Plasma oder im Urin und darauf folgend
vor allem verminderte Aktivitäten von Enzymen, die auf den entsprechenden
Metaboliten als Cofaktor angewiesen sind. Erst später folgen unspezifische und
dann für den jeweiligen Nährstoff spezifische klinische Symptome. Ähnlich verhält
es sich mit der Überdosierung von Nährstoffen. Auch hier zeigen sich, nach oder
parallel zu einer erhöhten Speicherung, Metabolisierung oder Ausscheidung,
Veränderungen von Enzymaktivitäten.
Eine optimale Nährstoffzufuhr ist dann gegeben, wenn weder Mangelsymptome
noch Auswirkungen einer überhöhten Zufuhr messbar sind. Dabei kann es zu
„biochemischen Zielkonflikten“ kommen: Die Aktivität eines Enzyms a kann u. U.
durch die weitere Zufuhr eines Nährstoffes x noch erhöht werden, während die
Aktivität eines zweiten Enzyms b dabei schon abnimmt. Auch hier ergibt sich die
optimale Zufuhr (und damit die als empfohlene Zufuhr zu etablierende Größe) als
Kompromiss.
Um Fuzzy-Sets für einzelne Nährstoffe auf Basis biochemischer Parameter zu
etablieren, ist es zunächst notwendig, einen (oder aus den vorgenannten Gründen
besser mehrere) biochemische Indikatoren zu finden, die eindeutig von der
Aufnahme des Nährstoffes abhängen. Zudem muss dieser Indikator einen
definierbaren Bezug zum Gesundheitsstatus besitzen. Mögliche Indikatoren sind
z. B. Enzymaktivitäten bzw. Plasmaspiegel oder erythrocytäre Gehalte an
bestimmten Substanzen. Messgröße des von der Zufuhr (xa) des Nährstoffes (a)
abhängigen Indikators (i) ist ya,i, so dass sich folgende Funktion ergibt:
ya,i = fi (xa)
Abbildung 16 zeigt dies am Beispiel der Zinkkonzentration in Erythrocyten in
Abhängigkeit von der Zinkzufuhr.
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
151
Abbildung 16: Zusammenhang zwischen der Zinkzufuhr und dem Indikator
„Zinkkonzentration in Erythrocyten“ [Anlage 6]
Die verwendeten Indikatoren müssen langfristig gesehen den Gesundheitsstatus
widerspiegeln, d. h. die Messgröße ya,i des Indikators muss mit einer
Zugehörigkeitsfunktion „Grad der Gesundheit“ korrelieren. Das bedeutet, jedem
Messwert ya,i muss ein verbal interpretierbarer Gesundheitszustand zuzuordnen
sein. Abbildung 17 zeigt dies für den in Abbildung 16 dargestellten Indikator.
Abbildung 17: Fuzzy-Set „Grad der Gesundheit“ in Abhängigkeit von der Variation
des Indikators „Zinkkonzentration in Erythrocyten“ [Anlage 6]
152
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
Der in Abbildung 17 dargestellte Zusammenhang kann dazu benutzt werden, für
den Indikator die Zugehörigkeitsfunktion zum Fuzzy-Set „Grad der Gesundheit“
direkt in Beziehung zur Zufuhr an Zink zu setzen [Details s. Anlage 6]. Dadurch
ergibt sich der in Abbildung 18 dargestellte Zusammenhang. Die optimale Zufuhr
an Zink liegt demnach im Bereich von etwa 9 mg/d, was gut mit dem aktuell
empfohlenen Wert von 10 mg/d für Männer und 7 mg/d für Frauen übereinstimmt
[DGE et al. 2000, S. 191].
Abbildung 18: Fuzzy Set „Grad der Gesundheit“ für die Aufnahme von Zink bei
Betrachtung des Indikators „Zinkkonzentration in Erythrocyten“
Allerdings existieren für einen Nahrungsinhaltsstoff (a) generell n verschiedene
Indikatoren, die unterschiedliche Problemkreise beschreiben. Somit können
letztlich n verschiedene Fuzzy-Sets der in Abbildung 18 dargestellten Form
abgeleitet werden. Sie alle stellen partielle Fuzzy-Sets dar, die jeweils nur einen
Teilaspekt des Problems „Gesundheitszustand in Abhängigkeit von der Zufuhr an
(a)“ beschreiben. Für eine Gesamtbeurteilung ist es notwendig, die einzelnen
Fuzzy-Sets
zusammenzufassen,
so
dass
auch
potenzielle
Zielkonflikte
berücksichtigt werden. Hierzu bietet sich der auch zur Berechnung des PrerowWertes benutzte Operator an [vgl. Kapitel 4.4]. Eine detaillierte Darstellung des
Aspektes findet sich in Anlage 6.
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
153
Das beschriebene Verfahren ermöglicht somit grundsätzlich eine wissenschaftlich
rational begründete Festlegung von Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr. Dabei
kann das Verfahren stets dem sich verbessernden Kenntnisstand angepasst und
verfeinert werden, indem jeweils neue Indikatoren integriert und bei der
Bestimmung der optimalen Nährstoffzufuhr berücksichtigt werden. Grundsätzlich
ist dieser Ansatz nicht nur auf essenzielle Nährstoffe anwendbar, sondern kann
beispielsweise auch für Xenobiotika modifiziert werden. Derzeit bestehen im
Wesentlichen drei Probleme, die in den zukünftigen Arbeiten behandelt werden
sollen:
•
Die Suche nach geeigneten Indikatoren für verschiedene Nahrungsinhaltsstoffe.
•
Eindeutige Aussagen zum Zusammenhang zwischen der Zufuhr des
Nahrungsinhaltsstoffes und der Veränderung des jeweiligen Indikators, die unter
Beachtung des ceteris paribus-Prinzips ermittelt wurden.
•
Suche nach einer begründeten Datenbasis für die Formulierung der Fuzzy-Sets „Grad
der Gesundheit in Abhängigkeit vom jeweiligen Indikator (i)“.
4.7
Perspektiven II: Fuzzy-Logik als Hilfsmittel zur Beurteilung
des Gesundheitsstatus
Fuzzy-Sets bieten sich nicht nur an, um die Zufuhr von Nährstoffen zu
beschreiben und zu bewerten. Der methodische Ansatz lässt sich gleichermaßen
auf die Beschreibung von biochemischen und klinischen Messwerten anwenden.
In der klinischen Chemie ist es üblich, Normbereiche (z. B. für Blutwerte)
anzugeben. Unterhalb oder oberhalb der jeweiligen Grenzwerte liegende
Messergebnisse gelten als auffällig. Der behandelnde Arzt interpretiert derartige
Abweichungen dann aufgrund eigener Kenntnisse und Erfahrungen und
entscheidet, ob er beispielsweise bei Überschreitung eines Grenzwertes eine
Intervention für notwendig hält oder nicht. Dass die reale Situation durch scharfe
Grenzen nicht beschreibbar ist, zeigt auch die Tatsache, dass teilweise auch
Messwerte, die noch im erlaubten Intervall liegen, sich aber dem Grenzbereich
nähern, als Grund zur Intervention angesehen werden.
Die Situation bei der Bewertung biochemischer und klinischer Messwerte gleicht
somit auffallend derjenigen bei der Bewertung der Nährstoffzufuhr (vgl.
154
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
Kapitel 4.2). Wenn es gelingt, für einen biochemischen Parameter p einem
bestimmten Messwert xp einen Zugehörigkeitswert µ zum Fuzzy-Set „Optimale
Gesundheit in Abhängigkeit vom Parameter p“ zuzuordnen, kann eine
Zugehörigkeitsfunktion µ(xp) definiert werden. Sie dient dann als Basis für eine
kontinuierliche, die Realitäten besser widerspiegelnde Bewertung des Parameters.
Gleichermaßen wäre es dann möglich, durch Aggregation (beliebig vieler)
verschiedener Parameter eine Gesamtkennzahl für den Gesundheitszustand im
Sinne eines „persönlichen Gesundheitswertes“ oder eines „GesundheitsrisikoIndex“ zu definieren. Dabei könnten – die Definition entsprechender Fuzzy-Sets
vorausgesetzt – nicht nur biochemische und klinische Parameter integriert,
sondern auch Lebensstilfaktoren (z. B. Rauchen, Bewegung) berücksichtigt
werden.
4.8
Perspektiven III: „Nutrition control“ – Fuzzy-Logik als
Hilfsmittel zur Individualisierung von
Ernährungsempfehlungen
Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr sind im Allgemeinen so konzipiert, dass es
sich um Mengen handelt, von denen angenommen wird, dass sie nahezu alle
Personen
der
ernährungsbedingten
jeweils
angesprochenen
Gesundheitsschäden
Bevölkerungsgruppe
schützen
und
ihre
vor
volle
Leistungsfähigkeit garantieren [DGE et al. 2000, S. 7]. Damit stellen sie bereits –
sowohl vom Konzept als auch vom Ziel her – nicht notwendigerweise die optimale
Zufuhr eines Nährstoffs für ein Individuum oder auch für eine bestimmte
Personengruppe dar. Dies gilt insbesondere, da der individuelle Energie- und
Nährstoffbedarf höchst variabel ist. Daher sind Nährstoffempfehlungen, obwohl sie
vielfach so gehandhabt werden, für eine individuelle und situationsangepasste
Ernährungsberatung
sowie
als
Basis
für
eine
daraus
resultierende
Lebensmittelauswahl ungeeignet.
Besonders deutlich wird dies bei den Richtwerten für die Energiezufuhr, die eine
durchschnittliche Empfehlung geben, was bedeutet, dass sie für den Großteil einer
Population zu niedrig oder zu hoch angesetzt sind. Um den spezifischen und
individuellen Gegebenheiten näher zu kommen, sind Informationen über
155
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
persönliche
Indikatoren
bestimmten
notwendig.
Nahrungsinhaltsstoff
Diese
abhängen
müssen
und
eindeutig
ein
von
Maß
einem
für
den
Gesundheitsstatus darstellen. So könnte die Energiezufuhr an die Körpermasse
gekoppelt werden, z. B. bestimmt als Körpermassenindex (Body Mass Index =
BMI). Für verschiedene Nährstoffe könnten unmittelbar Versorgungsparameter
(z. B. Blutwerte) herangezogen werden. Denkbar ist es auch, funktionale
Parameter zu nutzen. Dies könnte z. B. der Spiegel an Homocystein als Maß für
die Versorgung mit den Vitaminen Pyridoxin, Cobalamin und insbesondere
Folsäure sein. Damit sind genau diejenigen Daten nutzbar, die umgekehrt auch
zur Festlegung von Nährstoffempfehlungen (vgl. Kapitel 4.6) dienen [vgl.
Anlage 6].
Wird nun beispielsweise ein Fuzzy-Set „Optimaler Body Mass Index“ definiert,
kann die Körpermasse als zusätzlicher Parameter in eine Nährwertberechnung
integriert werden. Ist der BMI im Normbereich, wird es nicht notwendig sein, von
der
für
die
jeweilige
Personengruppe
gegebenen
Empfehlung
für
die
Energiezufuhr abzuweichen. Bei erhöhten oder erniedrigten Werten ist eine
Anpassung notwendig, indem das Fuzzy-Set für Energie durch Modifier variiert
wird, z. B. durch vektorielle Links- oder Rechtsverschiebung des Optimumwertes.
Erste Anwendungen dieses Verfahrens wurden bereits erprobt: So ist bekannt,
dass erhöhte Cholesterol- und Triglyceridspiegel durch eine Reduktion der
Fettzufuhr
gesenkt
werden.
In
einer
vierwöchigen,
randomisierten
Doppelblindstudie wurde der Fettgehalt der Nahrung an die individuellen
Blutfettspiegel der Probanden angepasst und wöchentlich kontrolliert. Hierdurch
konnte die prozentuale Fettzufuhr an das individuell erreichte Lipidprofil
angepasst, d. h. beibehalten, wieder erhöht oder gesenkt werden [vgl. Anlagen 7
und 15]. Beim derzeitigen Stand der Entwicklungen sind die Verfahren somit
insbesondere geeignet, um ernährungsabhängige Risikoparameter durch eine
individuell angepasste Ernährung zu beeinflussen. Notwendig ist dabei jeweils die
Definition der zu beeinflussenden Größe als Fuzzy-Set und die Kenntnis der
Ernährungsparameter, die diese Zielgröße beeinflussen.
156
FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ
4.9
Zusammenfassung
Fuzzy-Logik, die darauf gründenden Fuzzy-Sets und der Prerow-Wert bieten
erstmals die Möglichkeit, eine Kennzahl für die Gesamtqualität der Nahrung zu
berechnen. Daraus ergibt sich nicht nur die Möglichkeit, Ernährungsanamnesen
zu bewerten, sondern sie auch als Ausgangspunkt für Optimierungen zu
verwenden. Auf diese Weise gelingt es, eine Verbesserung der Ernährungsweise
durch moderate Eingriffe in das Ernährungsmuster zu realisieren. Durch
Mengenvariationen
der
üblicherweise
verzehrten
Lebensmittel
und
einen
möglichst geringen Ersatz bestimmter Produkte durch Alternativen lässt sich die
individuelle Ernährungsweise in ihrer Grundstruktur beibehalten, aber gezielt
verbessern. Insgesamt ist es damit möglich, das auf S. 5, Punkt (d), formulierte
Ziel einer ausgewogenen Ernährung leichter zu erreichen.
Darüber hinaus ermöglicht es die Methodik der Fuzzy-Logik prinzipiell, auch
biochemische und klinische Parameter entsprechend zu bewerten. Auch die
Anwendbarkeit bei der „nutrition control“ sowie bei der Herleitung von
Nährstoffempfehlungen ist in den Grundlagen und in ersten Anwendungen
realisiert. Insbesondere der letztgenannte Aspekt wird zukünftig eine weitere
systematische Bearbeitung erfordern.
157
FAZIT UND PERSPEKTIVEN
5
FAZIT UND PERSPEKTIVEN
Der Wunsch nach einem langen Leben, frei von Krankheiten und in dauerhafter
Fitness findet sich bei vielen Menschen. Ihm steht eine Realität gegenüber, die –
insgesamt gesehen – hiervon deutlich abweicht. Vielfältige ernährungsabhängige
Erkrankungen, die sich über Jahre und Jahrzehnte entwickeln, vermindern die
Lebensqualität und stellen außerdem die häufigsten Todesursachen dar.
Inzwischen ist großen Teilen der Bevölkerung grundsätzlich bewusst, dass
Ernährung und Gesundheit eng miteinander verknüpft sind. Allerdings besteht in
der Bewertung der mit Lebensmitteln verbundenen Risiken eine erhebliche
Diskrepanz zwischen den Einschätzungen des Verbrauchers und denen der
Wissenschaft.
Wissenschaftlich
belegt
ist
heute,
dass
das
wesentliche
Ernährungsproblem in der Fehlerernährung liegt, gefolgt von dem pathogener
Keime. Der Laie hingegen hält Umweltkontaminanten und Zusatzstoffe für die
größte
Gefahr
im
Umgang
mit
Lebensmitteln
[vgl.
Anlage 3].
Diese
Fehleinschätzung wird gefördert durch immer wiederkehrende oder auch neu
auftauchende Diskussionen, z. B. die über die angeblich mangelnde Qualität und
den „heutzutage“ zu geringen Nährstoffgehalt von Lebensmitteln oder über die
Risiken von TSE.
Die Reaktionen der Verbraucher auf echte und vermeintliche Risiken sind
unterschiedlich.
Die
beschriebenen
Nährstoffsupplementierung
und
die
Varianten,
Hinwendung
nämlich
zu
die
Alternativen
Ernährungsformen, wie im Extremfall der veganen Ernährung, erweisen sich nur
unter bestimmten Voraussetzungen als geeignet, um einen, gemessen an der
Nährstoffzufuhr und –versorgung, guten Gesundheitsstatus zu erreichen.
Die Darstellungen über Nahrungsergänzungsmittel und die Ergebnisse der
Hannoverschen
Nahrungsergänzungsstudie
(HANNA)
(Kapitel 2)
machen
deutlich, dass selbst in einem gut ernährten Kollektiv ein gewisser Anteil an
Personen
mit
marginaler
Nährstoffsupplementierung
ist
Versorgungssituation
hier
in
der
Lage,
zu
finden
ist.
zur
Verbesserung
Eine
des
Versorgungsstatus beizutragen. Ein gesundheitsfördernder Effekt ist insbesondere
bei Personen zu erwarten, die mit einzelnen oder mehreren Nährstoffen
158
FAZIT UND PERSPEKTIVEN
unzureichend versorgt sind. Nahrungsergänzungsmittel sind aber nicht in der
Lage,
die
Folgen
kompensieren
und
einer
hyperenergetischen,
dadurch
bedingte
fettreichen
Gesundheitsrisiken
Ernährung
zu
zu
beseitigen.
Weitergehende Studien zur Wirkung von Supplementen und eine klare
Beschreibung der Gruppen, die von einer Supplementierung profitieren könnten,
sind notwendig. Nur dann lassen sich eindeutige und begründbare Empfehlungen
geben.
Aus der Übersicht zur Alternativen Ernährung und dem Datenüberblick zur
Deutschen Vegan Studie (DVS) (Kapitel 3) wird ersichtlich, dass eine vegetarische
Ernährung nicht zwangsläufig zu einem verbesserten Gesundheitsstatus führen
muss. Die eingeschränkte Nahrungsauswahl der Veganer verursachte nicht nur
bei den in sehr geringer Menge aufgenommenen Nährstoffen Versorgungslücken,
sondern selbst bei solchen Nährstoffen, die mit der veganen Ernährung in
besonders hoher Menge aufgenommen werden. Die Gründe hierfür bedürfen einer
weitergehenden Betrachtung, um letztlich Hinweise geben zu können, was bei
einer veganen Ernährung zu beachten ist bzw. ob und wie sie bedarfsdeckend
gestaltet werden kann. Um Gesundheitsschäden zu vermeiden, ist bei der
momentanen wissenschaftlichen Datenlage eine vegane Ernährung nur Personen
anzuraten, die über lebensmittelwissenschaftliches Vorwissen verfügen und die
potenziellen Risiken kennen und vermeiden.
Aus lebensmittel- und ernährungswissenschaftlicher Sicht können inzwischen
Empfehlungen für eine präventive Ernährungsweise gegeben werden, die vielfach
auf Probleme bei der Umsetzung in die Praxis stoßen. Das in Kapitel 4 skizzierte
Verfahren, mit Hilfe der Fuzzy-Logik Veränderungen in kleinen Schritten
herbeizuführen, könnte zukünftig neue Perspektiven in der Ernährungsberatung
eröffnen. Zudem erlaubt es auch die Behandlung grundlagenorientierter
Fragestellungen
wie
die
nach
einer
rationalen
Ableitung
von
Nährstoffempfehlungen.
Die dargestellten Arbeiten werden weitergeführt und vertieft. Auf Basis des
derzeitigen Kenntnisstands sei es resümierend erlaubt, die dargestellten
Ergebnisse
und
Probleme
in
drei
Zitaten
teils
unbekannter
Herkunft
FAZIT UND PERSPEKTIVEN
159
zusammenzufassen. Sie stellen aus Sicht des Verfassers die Situation treffend
dar:
•
Nahrungsergänzungsmittel: „In our factories we produce vitamins, in our stores
we sell hope.“
•
Alternative Ernährungsformen: „Auch die besessensten Vegetarier beißen
nicht gern ins Gras“ (Joachim Ringelnatz)
•
Fuzzy Logik: „Clearly – the future is fuzzy!“
160
ANHANG
6
ANHANG
6.1
Anhang A: Publikationsverzeichnis Andreas Hahn
Bücher / Buchbeiträge
1.
Hahn A (1990): Zum Mechanismus der intestinalen Aufnahme von
Pteroylmonoglutaminsäure — Transport und nachgeschaltete intrazelluläre Prozesse.
Wissenschaftlicher Fachverlag, Gießen (Dissertation), 261 S
2.
Leitzmann C, Hahn A71 (1995): Grundlagen der Ernährung des Gesunden.
in: Huth K, Kluthe R (Hrsg.): Lehrbuch der Ernährungstherapie.
2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1-49
3.
Leitzmann C, Hahn A (1996): Vegetarische Ernährung.
Ulmer, Stuttgart, 445 S
4.
Hahn A, Wolters M (1998): Die Forderung nach dem Verzicht bzw. der Reduzierung des
Verzehrs von Lebensmitteln tierischen Ursprungs; ein realistisches und begründbares
gesundheits- und gesellschaftspolitisches Anliegen?
in: Akademie für Tiergesundheit (Hrsg.): Jahrtausendwende und Tiergesundheit Perspektiven für das kommende Jahrzehnt.
Gustav Fischer, Jena, 110-143
5.
Leitzmann C, Hahn A (1998): Vegetarische Ernährung - gesund und bewußt essen.
Trias, Stuttgart, 239 S
6.
Hahn A71 (1999): Ernährung und Medikamente.
in: Biesalski HK, Fürst P, Kasper H, Kluthe R, Löhlein I, Puchstein C, Stähelin HB (Hrsg.):
Ernährungsmedizin.
2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 657-667
7.
Hahn A, Wolters M (1999): Vegetarische Ernährung – kritisch gesehen.
in: Evangelische Akademie Baden-Baden (Hrsg.): Vegetarisch leben – Müssen wir unsere
Eßgewohnheiten ändern?
Herrenalber Forum 23, EPB, Karlsruhe, 20-54
8.
Wirsam B, Hahn A (1999): Fuzzy methods in nutrition planning and education in clinical
nutrition.
in: Teodorescu HN, Kandel A, Jain LC (eds.): Softcomputing in Human-Related Sciences.
CRC Press LLC, Fl, 335-350
9.
Leitzmann C, Keller M, Hahn A (1999): Alternative Ernährungsformen.
Hippokrates, Stuttgart, 261 S
10.
Zunft HJF, Wirsam B, Plank-Habibi S, Hahn A, Seppelt B, Leitzmann C (2000): Kontrolle der
Fettzufuhr durch Rückkopplung an die individuell erreichte Senkung des
Serumcholesterolspiegels in einer Doppelblind-Studie.
in: Richter V, Reuter W, Rassoul F (eds.): Aktuelle Aspekte der Lipoprotein- und
Atheroskleroseforschung.
Verlag Wissenschaftliche Skripten, Zwickau, 32-38
71
Bei den Publikationen 2, 6, 12 und 13 handelt es sich um Lehrbücher bzw. Beiträge zu
Lehrbüchern
ANHANG
11.
Hahn A (2001): Nahrungsergänzungsmittel.
Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, 286 S
12.
Hahn A71(2001): Ernährungswissenschaft für Pharmazeuten.
Deutscher Apotheker Verlag (in Vorbereitung)
13.
Leitzmann C, Müller C, Michel P, Brehme U, Hahn A71, Laube H (2001): Ernährung in
Prävention und Therapie.
Hippokrates, Stuttgart, 478 S
161
Originalarbeiten und Reviews
14.
Hahn A, Rehner G (1990): Analytik von Folsäure-Derivaten.
Ernährungs-Umschau 37 (9), 356-364
15.
Daniel H, Hahn A (1990): ß-Casomorphine - opioidaktive Peptide aus der Milch.
Ernährungs-Umschau 37 (3), 95-101
16.
Hahn A, Daniel H, Rehner G (1991): Transport of pteroylglutamic acid into brush border
membrane vesicles is a partially carrier-mediated process.
Z Ernährungswiss - Eur J Nutr 30, 201-213
17.
Hahn A, Flaig KH, Rehner G (1991): Optimized high performance liquid chromatographic
procedure for the determination of folacins.
- II. Extraction method and application to rat liver.
J Chromatogr 545, 91-100
18.
Hahn A, Stein J, Rump U, Rehner G (1991): Optimized high performance liquid
chromatographic procedure for the determination of folacins.
- I. The chromatographic system.
J Chromatogr 540, 207-215
19.
Daniel H, Hahn A (1991): Pathogenese und Ernährungstherapie der Lebererkrankungen.
Deutsche Apotheker Zeitung 131, 469-478
20.
Sander S, Hahn A, Stein J, Rehner G (1991): Comparative studies on the high performance
liquid chromatographic determination of thiamine and its phosphate esters with
chloroethylthiamine as an internal standard using pre- and post-column derivatization
procedures.
J Chromatogr 558, 115-124
21.
Hahn A, Erll G, Sawatzki G, Daniel H (1992): Does casein as precursor of ß-casomorphins
effect gastrointestinal transit time?
in: Brantl V, Teschemacher H (eds.): ß-casomorphins and related peptides: Recent
developments.
VCH, Weinheim, 1994, 220-226
22.
Erll G, Hahn A, Brantl V, Daniel H (1992): ß-casomorphins and intestinal net fluid transport in
vivo.
in: Brantl V, Teschemacher H (eds.): ß-casomorphins and related peptides: Recent
developments.
VCH, Weinheim, 1994, 143-149
23.
Stein J, Hahn A, Rehner G (1992): High-performance liquid chromatographic determination
of biotin in biological materials after crown ether-catalyzed fluorescence derivatization with
panacylbromide.
Anal Biochem 200, 89-94
ANHANG
162
24.
Hahn A (1994): Wirkungen von Pharmaka auf den Stoffwechsel der Nährstoffe.
Deutsche Apotheker Zeitung 134, 17-29
25.
Stein J, Daniel H, Whang E, Wenzel U, Hahn A, Rehner G (1994): Rapid postabsorptive
metabolism of nicotinic acid in rat small intestine may affect transport by metabolic trapping.
J Nutr 124, 61-66
26.
Hahn A (1995): Medikamenteneinnahme und Nährstoffversorgung.
I. Prinzipien und Mechanismen.
Ernährungs-Umschau 42 (6), 198-207
27.
Hahn A (1995): Medikamenteneinnahme und Nährstoffversorgung.
II. Einflußfaktoren und Konsequenzen.
Ernährungs-Umschau 42 (7), 238-242
28.
Hahn A, Pfeiffenberger P, Wirsam B, Leitzmann C (1995): Bewertung und Optimierung der
Nährstoffzufuhr mit Hilfe der Fuzzy-Logik.
Ernährungs-Umschau 42 (10), 367-371
29.
Hahn A, Matzke A (1996): Medikamenteneinnahme und Nährstoffversorgung.
ErnährungsInfo 3/96, 5-10
30.
Wirsam B, Hahn A, Uthus EO, Leitzmann C (1997): Fuzzy sets and fuzzy decision making in
nutrition.
Eur J Clin Nutr 51, 286-296
31.
Hahn A (1999): Sekundäre Pflanzenstoffe – Hatte Hippokrates doch recht?
Diät und Information 1/99, 15-17
32.
Hahn A (1999): Sekundäre Pflanzenstoffe – zwischen Nahrung und Arznei.
Ernährungs-Umschau 46, 128-133
33.
Hahn A, Wolters M (1999): Supplemente als Ernährung der Zukunft?
Naturarzt 139 (1), 7-10
34.
Hahn A, Wolters M, Hanke G (1999): Nahrungsergänzungsmittel – Möglichkeiten und
Grenzen.
Deutsche Apotheker Zeitung, 139 (25), 34-58
35.
Hahn A, Leitzmann C (2000): Alternative Ernährungsformen. Teil 1: Ursprung Antike.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 176-186
36.
Hahn A, Leitzmann C (2000): Alternative Ernährungsformen. Teil 2: Ursprung
Jahrhundertwende.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 231-235
37.
Hahn A, Wolters (2000): Nahrungsergänzungsmittel – eine Bestandsaufnahme.
I. Einordnung, Marktsituation und Verbraucherverhalten.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 167-175
38.
Hahn A, Wolters (2000): Nahrungsergänzungsmittel – eine Bestandsaufnahme.
II. Zielgruppen, Nutzen und Risiken.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 215-230
39.
Hahn A, Marohn S, Wolters M (2000): Vegane Kostformen – eine ernährungsphysiologische
Bewertung.
PZ Prisma 7, 26-37
40.
Plank-Habibi S, Wirsam B, Korhonen K, Hahn A, Seppelt B, Zunft HJF, Leitzmann C (2000):
Influence of a flexibly controlled low fat diet on serum cholesterol.
Eur J Clin Nutr (eingereicht zur Publikation)
ANHANG
163
41.
Hahn A, Leitzmann C (2001): Alternative Ernährungsformen. Teil 3: Die Gegenwart I.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 2, 47-52
42.
Hahn A, Leitzmann C (2001): Alternative Ernährungsformen. Teil 4: Die Gegenwart II.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 2, 114-123
43.
Hahn A, Wolters, M (2001): Functional Foods – Lebensmittel der Zukunft?.
Biologie in unserer Zeit 31, 356-366
44.
Braun K, Hahn A, Watkinson BM, Schmitt B (2001): Functional Foods – Konzept und Ziele.
Ernährungs-Umschau 48, 180-187)
45.
Wolters M, Hahn A (2001): Nährstoffsupplemente aus Sicht des Konsumenten
Ernährungs-Umschau 48, 136-141
46.
Wolters M, Siekmann D, Hahn A (2001): Functional Foods – aktuelle Situation und
Perspektiven.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 2, 36-46
47.
Plank-Habibi S, Wirsam B, Korhonen K, Hahn A, Seppelt B, Zunft HJF, Leitzmann C (2001):
Controlling the fat intake by feedback to the individually achieved reduction of the serum
cholesterol level by means of a double blind study.
Eur J Clin Nutr (eingereicht zur Publikation)
Beiträge in Kongress- und Symposiumsbänden sowie Kurzveröffentlichungen
48.
Elbert J, Hahn A, Daniel H, Rehner G (1987): Bestimmen Lipophilie und
Permeationskoeffizient die Aufnahme wasserlöslicher Vitamine in das intestinale Epithel?
Ernährungs-Umschau 34 (3), 80
49.
Hahn A, Rehner G (1988): Untersuchungen zum molekularen Mechanismus der intestinalen
Resorption von Folsäure - Fluxstudien am isolierten Jejunum der Ratte.
Ernährungs-Umschau 35 (5), 164
50.
Hahn A, Rehner G (1988): Charakterisierung des intestinalen Folsäuretransportes mittels
Bürstensaummembranvesikeln.
2. Werkstattberichte aus der Experimentellen Medizin und Biologie, Gießen, 4./5.11.1988,
Abstractband, 40
51.
Daniel H, Elbert J, Hahn A, Sander S, Hissenauer C, Rehner G (1988): Der pH-Wert des
Grenzschichtkompartiments als Determinante für die intestinale Aufnahme schwacher
Elektrolyte.
2. Werkstattberichte aus der Experimentellen Medizin und Biologie, Gießen, 4./5.11.1988,
Abstractband, 23
52.
Wenzel U, Stein J, Sander S, Hahn A, Rehner G (1988): Subzelluläre Verteilung
wasserlöslicher Vitamine im Dünndarm-Epithel.
2. Werkstattberichte aus der Experimentellen Medizin und Biologie, Gießen, 4./5.11.1988,
Abstractband, 127
53.
Hahn A, Rehner G (1989): Mechanismus des Folsäuretransportes durch die isolierte
Bürstensaummembran.
Ernährungs-Umschau 36 (4), 142
ANHANG
164
54.
Hahn A, Rump U, Stein J, Rehner G (1989): Bestimmung von Folacin-Derivaten mittels
HPLC – Methotrexat und Dichlorfolsäure als interne Standards.
Ernährungs-Umschau 36 (4), 153
55.
Sander S, Hahn A, Hissenauer C, Rehner G (1989): Unidirektionale Aufnahme von Thiamin
in isolierte Jejunumsegmente der Ratte.
Ernährungs-Umschau 36 (4), 144
56.
Wenzel U, Stein J, Sander S, Hahn A, Rehner G (1989): Hat die subzelluläre
Kompartimentierung einen Einfluß auf die Resorption wasserlöslicher Vitamine?
Ernährungs-Umschau 36 (4), 144
57.
Hahn A, Rehner G (1990): Potentielle Bedeutung einer postresorptiven Metabolisierung für
die intestinale Aufnahme von Folsäure.
Ernährungs-Umschau 37 (4), 165
58.
Hahn A, Rehner G (1990): Folate transport by rat intestinal brush border membrane vesicles.
20th Meeting of the Federation of European Biochemical Societies, Budapest, 19.-24.08.90,
Abstracts, 291
59.
Hahn A, Rehner G (1990): Effect of surface pH on the kinetics of pteroylglutamic acid uptake
in rat small intestine.
Z Gastroenterol 28, 423
60.
Hahn A, Rehner G (1990): Characteristics of the transmembrane transport of pteroylglutamic
acid in BBMV from rat intestine.
Z Gastroenterol 28, 423
61.
Hahn A, Flaig KH, Rehner G (1990): Schonende und effiziente Extraktion von FolacinDerivaten aus biologischen Materialien.
Ernährungs-Umschau 37 (4), 149
62.
Daniel H, Elbert J, Hahn A, Sander S, Hissenauer C, Rehner G (1990): Zur Bedeutung des
pH-Grenzschichtkompartiments für die intestinale Aufnahme schwacher Elektrolyte.
Ernährungs-Umschau 37 (4), 171
63.
Wessendorf A, Daniel H, Hahn A (1990): Wirkung eines ß-Casomorphinderivates auf die
Salzsäuresekretion des Magens und die Funktion des exokrinen Pankreas.
Ernährungs-Umschau 37 (4), 137
64.
Hahn A, Kaiser T, Rehner G (1991): Entwicklung eines HPLC-Analysenverfahrens zur
Bestimmung von Riboflavin-Vitameren.
Ernährungs-Umschau 38 (3), 106
65.
Hahn A, Kaiser T, Rehner G (1991): HPLC-Analytik von Riboflavin und seinen
Coenzymformen - Welchen Einfluß hat die Probenvorbereitung auf die Ergebnisse?
3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen,
8./9.11.1991, Abstractband, 34
66.
Hahn A, Erll G, Sawatzki G, Daniel H (1991): Is the gastrointestinal transit time affected by
ingestion of different proteins as potential precursors of opioid peptides?
2nd International Symposium on ß-Casomorphins and Related Peptides, Titisee, 13.14.09.1991, Band of Abstracts, 26
67.
Hahn A, Neumann B, Erll G, Daniel H (1991): Provokation einer sekretorischen Diarrhoe am
Dünndarm der Ratte.
Ernährungs-Umschau 38 (3), 99
68.
Hahn A, Sander S, Stein J, Rehner G (1991): Bestimmung der Thiamin-Vitamere mittels
HPLC und Vor- oder Nachsäulenfluoreszenzderivatisierung.
3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen,
8./9.11.1991, Abstractband, 35
ANHANG
165
69.
Erll G, Hahn A, Brantl V, Daniel H (1991): In vivo effect of ß-casomorphins on experimental
diarrhoea in the rat.
2nd International Symposium on ß-Casomorphins and Related Peptides, Titisee,
13./14.09.1991, Band of Abstracts, 23
70.
Erll G, Hahn A, Neumann B, Korte H, Friedl P, Daniel H (1991): Wirkungen von Morphiceptin
und Casokefamid auf eine experimentelle Diarrhöe in vivo.
3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen,
8./9.11.1991, Abstractband, 23
71.
Sander S, Hahn A, Rehner G (1991): HPLC-Bestimmung von Thiamin-Derivaten mit
fluorimetrischer Detektion - Einsatz eines internen Standards und Vergleich zwischen Vorund Nachsäulenderivatisierungstechnik.
Ernährungs-Umschau 38 (3), 101
72.
Sander S, Hahn A, Dörr B, Rehner G (1991): Die intestinale Thiaminpyrophosphokinase Angriffspunkt für Hemmstoffe der intestinalen Thiaminaufnahme.
Ernährungs-Umschau 38, 99
73.
Stock S, Hahn A, Ziegler K (1991): Transport of linear hydrophilic renin-inhibitors in isolated
brush-border membrane vesicles from rat small intestine.
Biological Chemistry Hoppe-Seyler 372, 764
74.
Wessendorf A, Hahn A, Daniel H (1991): Effekte des Opiatpeptides Casokefamid auf die
gastrale Säuresekretion und die Sekretion des exokrinen Pankreas in vivo.
3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen,
8./9.11.1991, Abstractband, 134
75.
Bathon U, Erll G, Hahn A, Daniel H (1991): Können Nahrungsproteine als potentielle
Präkursoren opioidwirksamer Peptide die intestinale Transitzeit beeinflussen?
3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen,
8./9.11.1991, Abstractband, 6
76.
Erll G, Bathon U, Hahn A, Daniel H (1991): Inwieweit wird die gastrointestinale Transitzeit
durch bei der Digestion entstehende Opiatpeptide modifiziert?
Ernährungs-Umschau 38, 101
77.
Erll G, Wiegand K, Hahn A, Daniel H (1991): Einfluß eines ß-Casomorphinderivates auf die
intestinale Wasserbewegung bei einer experimentellen Diarrhoe.
Ernährungs-Umschau 38 (3), 93
78.
Klement S, Faul K, Hahn A, Rehner G (1991): Beeinflussen Phenytoin und Carbamazepin
die intestinale Resorption und den postresorptiven Metabolismus von Folsäure?
3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen,
8./9.11.1991, Abstractband, 57
79.
Rehner G, Sander S, Hahn A (1991): Aufnahme von Thiamin durch die intestinale
Bürstensaummembran der Ratte - Carriervermittelter Transport oder einfache Diffusion?
3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen,
8./9.11.1991, Abstractband, 92
80.
Stock S, Ziegler K, Hahn A (1991): Intestinale Aufnahme von Peptidpharmaka,
charakterisiert in isolierten Bürstensaum-Membran-Vesikeln.
3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen,
8./9.11.1991, Abstractband, 117
81.
Hahn A, Leitzmann C (1993): Vegetarische Ernährung und Eisenaufnahme.
Internistische Praxis 33, 688-689
82.
Hahn A (1994): Dosis-Wirkungs-Kurve von Nährstoffen.
Gütegemeinschaft Diätverpflegung, Rundschreiben 2/1994, 44-49
ANHANG
83.
84.
166
Hahn A (1994): Wechselwirkungen zwischen Mikronährstoffen und Medikamenten.
Gütegemeinschaft Diätverpflegung, Rundschreiben 2/1994, 57-63
Kalanke A, Hahn A, Muskat E, Höllerer G, Brunn H (1994): Bioverfügbarkeit von 137Cs und
Cs aus Pilzen: In-vitro-Verdauung und Entwicklung küchentechnischer
Dekontaminationsverfahren.
Ernährungs-Umschau 41, 12
134
85.
Braun N, Klement S, Hahn A, Rehner G (1994): Zum Effekt von Phenytoin, Carbamazepin
und Primidon auf Aufnahme und Metabolismus von Folsäure in isolierten Darmsegmenten.
Ernährungs-Umschau 41, 105
86.
Hahn A (1996): Gesundheitliche Folgen des Übergewichts.
Kongreß „Vollwertig abnehmen“ des Verbandes für unabhängige Gesundheitsberatung,
Gießen, 17.-19.10.1996, Abstractband
87.
Hahn A (1996): Physiologische Grundlagen der Ernährung des Menschen.
APV-Tagung „Diätetika und Nahrungsergänzungsmittel in der Apotheke“, Frankfurt,
12.10.1996, Tagungsband, 1-13
88.
Leitzmann C, Hahn A (1996): Eisenbedarf und vegetarische Ernährung.
Ernährungs-Umschau 43 (10), 361
89.
Hahn A (1997): Nahrungsergänzung - ernährungsphysiologische Aspekte.
APV-Tagung „Alternativen zu Arzneimitteln“, Königswinter, 12./13.06.1997, Tagungsband,
168-183
90.
Hahn A (1997): Konsequenzen der Adipositas.
25. Fachtagung für Ernährungsberatungskräfte in Schleswig-Holstein, Schleswig,
27./28.05.1997, Tagungsband.
91.
Hahn A (1998): Prävention ernährungsabhängiger Erkrankungen.
3. Werner-Kollath-Tagung „Ernährung und Gesundheit“, Hannover, 28.01.1998,
Tagungsband, 29-45
92.
Hahn A (1998): Wieviel Nährstoffe brauchen wir? (Interview).
UGB-Forum 2/98, 80-81
93.
Hahn A (1998): Medikamenteneinnahme und Nährstoffversorgung (Interview).
Trophos – Medizin und Ernährung 7 (4), 5-8
94.
Hahn A (1998): Wissenschaftlicher Hintergrund – ernährungsphysiologische Aspekte.
APV-Tagung „Nahrungsergänzungsmittel – Möglichkeiten und Grenzen“, Darmstadt,
29.06.1998, Tagungsband, 1-20
95.
Hahn A (1998): Sekundäre Pflanzenstoffe – hatte Hippokrates doch recht?
1. Niedersächsisches Ernährungsforum, Hannover, 10.10.1998, Tagungsband
96.
Hahn A (1998): Kieselerde (Interview).
in: Ehmann H: Kalzium und Kieselerde.
LebensBaum Verlag, Bielefeld, 17-19
97.
Hahn A (1999): Das Für und Wider der Hayschen Trennkost (Stellungnahme).
Gesundes Leben – Fachzeitschrift für Naturheilkunde 76 (3), 19
98.
Hahn A (1999): Sinn und Unsinn von Nahrungsergänzungsmitteln.
27. Fachtagung für Ernährungsberatungskräfte in Schleswig-Holstein,
Schleswig, 02.06.1999, Tagungsband
99.
Hahn A (1999): Ballaststoffe.
UGB-Tagung „Ernährung aktuell“, Rapperswil, 28./29.05.1999, Tagungsband
ANHANG
167
100. Hahn A (1999): Borderline-Lebensmittel – die Ernährung der Zukunft?
3. Niedersächsisches Ernährungsforum, Hannover, 02.10.1999, Tagungsband
101. Hahn A (2000): Was können Nahrungsergänzungsmittel (nicht)?
APV-Tagung „Nahrungsergänzungsmittel – zwischen Ernährung und Arznei –
Aktuelle Situation und Perspektiven, Würzburg, 23./24.02.2000, Tagungsband, 1-20
102. Hahn A (2000): Zwischen Ernährung und Arznei.
Deutsche Apotheker Zeitung 140, 1330-1333
103. Hahn A (2000): Leserbrief. Stellungnahme zum Beitrag NADH – Biologische Funktionen und
ernährungsphysiologische Anwendungen von Jörg G.D. Birkmayer.
Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 131
104. Hahn A (2000): Das pfiffige Kochbuch zur Säure-Basen-Balance (Buchbesprechung).
Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 134
105. Hahn A (2001): Nahrungsergänzungsmittel – Aktueller Stand in der EU –
„Wirkungen“ und Aussagen bei Nahrunsergänzungsmitteln.
APV-Seminar 2001, 29.03.2001
168
ANHANG
6.2
Anhang B
Tabelle 50: Lebensmittelverzehr der Frauen der DVS im Vergleich zu den
Teilnehmerinnen der VERA-Studie (Arithmetisches Mittel in g/d)
Lebensmittelgruppe,
Arithmetisches
Mittel g/d
VERA
Frauen
VGS
Frauen
Vergleich
DVS /
VERA1
VGM
Frauen
Vergleich
DVS /
VERA
Fleisch
69,0
-
<
-
<
Fleisch-,
Wurstwaren
52,8
-
<
-
<
Fischwaren
14,0
-
<
-
<
Eier
27,6
0
<
1,8
<
Milch
und
Milchprodukte
163,2
0
<
3,69
<
Käse und Quark
40,6
0
<
2,39
<
Butter
17,3
0
<
1,24
<
Speisefette
Speiseöle
und
17,4
9,62
<
12
<
Brot
Backwaren
und
190,7
137
<
174
=1
55,1
97,7
>
137
>
1
112
>
Nährmittel
Kartoffeln
88,7
97,2
=
Frischgemüse
und
Gemüseprodukte
144,5
661
>
666
>
Frischobst
76,9
290
>
388
>
Südfrüchte
46,0
308
>
395
>
Obstprodukte
8,2
50,3
>
76,6
>
Brotaufstrich
8,6
3,44
<
2,44
<
Zucker
9,2
0,59
<
0,25
<
Süßwaren
22,7
11,8
<
12,2
<
Gewürze
und
andere Zutaten
8,6
0,19
<
0,04
<
Alkoholfreie
Getränke
558,2
1133
>
1200
>
Alkoholische
Getränke
157,0
18,3
<
26,5
<
Röstkaffee
411,9
26
<
14,8
<
Tee
84,2
64
<
9,77
<
1
<: Aufnahme des DVS-Kollektivs geringer als in der VERA-Studie
>: Aufnahme des DVS-Kollektivs höher als in der VERA-Studie
=: Aufnahme in beiden Studien gleich (inerhalb einer Schwankungsbreite von ± 10 %
169
ANHANG
Tabelle 51: Lebensmittelverzehr der Männer der DVS im Vergleich zu den
Teilnehmern der VERA-Studie (Arithmetisches Mittel in g/d)
Lebensmittelgruppe,
Arithmetisches
Mittel g/d
VERA
Männer
VGS
Männer
Vergleich
DVS /
VERA1
VGM
Männer
Vergleich
DVS /
VERA
Fleisch
94,2
-
<
-
<
Fleisch-,
Wurstwaren
88,1
-
<
-
<
Fischwaren
19,7
-
<
-
<
Eier
32,6
0
<
1,8
<
Milch
und
Milchprodukte
178,3
0
<
3,69
<
Käse und Quark
43,2
0
<
2,39
<
Butter
19,9
0
<
1,24
<
12
<
1
Speisefette
Speiseöle
und
24,3
25,8
=
Brot
Backwaren
und
253,3
207
<
174
<
65,8
126
>
137
>
1
112
=
Nährmittel
Kartoffeln
113,4
124
=
Frischgemüse
und
Gemüseprodukte
146,7
696
>
666
>
Frischobst
63,0
374
>
388
>
Südfrüchte
35,8
442
>
395
>
Obstprodukte
7,4
76,9
>
76,6
>
Brotaufstrich
9,2
4,56
<
2,44
<
Zucker
11,8
1,62
<
0,25
<
Süßwaren
23,9
11,7
<
12,2
<
Gewürze
und
andere Zutaten
10,2
0,03
<
0,04
<
Alkoholfreie
Getränke
532,8
967
>
1200
>
Alkoholische
Getränke
508,3
7,43
<
26,5
<
Röstkaffee
410,8
25,2
<
14,8
<
Tee
91,4
46,8
<
9,77
<
1
<: Aufnahme des DVS-Kollektivs geringer als in der VERA-Studie
>: Aufnahme des DVS-Kollektivs höher als in der VERA-Studie
=: Aufnahme in beiden Studien gleich (inerhalb einer Schwankungsbreite von ± 10 %
170
ANHANG
Tabelle 52: Aufnahme an Hauptnährstoffen, Ballaststoffen und Cholesterol im
DVS-Kollektiv nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile)
VGS
Frauen
VGM
Frauen
p
VGS
Männer
VGM
Männer
p
239,4
(144,3352,4)
232,2
(122,0367,0)
n.s.
306,3
(163,9464,8)
330,9
(163,7434,3)
n.s.
51,4
(26,1-82,2)
41,0
(23,2-63,8)
0,004
62,8
(36,9104,9)
60,3
(29,7100,9)
n.s.
49,9
(25,2113,8)
50,5
(24,1-97,6)
n.s.
78,1
(36,6183,5)
72,7
(34,9142,2)
n.s.
Gesättigte Fettsäuren [g/d]
10,9
(4,2-18,9)
11,6
(6,0-18,7)
n.s.
15,5
(6,5-34,2)
13,5
(7,2-28,3)
n.s.
Einfach ungesättigte FS [g/d]
20,5
(9,0-68,1)
20,4
(8,1-44,6)
n.s.
31,0
(13,7-80,9)
30,0
(13,7-57,7)
n.s.
Mehrfach ungesättigte FS [g/d]
15,2
(6,1-29,4)
14,3
(4,3-28,0)
n.s.
24,9
(9,6-57,4)
19,5
(8,5-53,1)
n.s.
Ballaststoffe
[g/d]
48,5
(27,9-81,7)
45,6
(25,7-75,5)
n.s.
63,5
(34,8-96,5)
62,4
(36,9-90,6)
n.s.
Cholesterol
[mg/d]
8,9
(0,0-59,7)
22,8
(1,3-81,6)
0,001
²
11,1
(0,1-89,3)
28,1
(4,3-118,6)
0,015²
KH [g/d]
Protein [g/d]
Fett [g/d]
1
171
ANHANG
Tabelle 53: Nährstoffzufuhr bei den Frauen der DVS nach Kostform
(Median, 5-95 Perzentile)
VGS Frauen
VGM Frauen
p*
ß-Carotin [mg/d]
8,7
(3,7-19,0)
9,9
(4,5-27,2)
n.s.
Retinol-Äquivalent
[mg/d]
1,59
(0,79-3,53)
1,82
(0,93-5,25)
n.s.
Calciferol [µg/d]
0,35
(0,00-1,65)
0,55
(0,06-1,32)
n.s.
TocopherolÄquivalent [mg/d]
18,2
(8,9-34,6)
17,3
(8,7-33,1)
n.s.
Thiamin [mg/d]
1,65
(0,80-2,97)
1,38
(0,83-2,23)
0,0051
Riboflavin
1,18
(0,68-1,90)
1,15
(0,64-2,04)
n.s.
Pyridoxin [mg/d]
2,40
(1,13-4,25)
2,25
(1,14-4,13)
n.s.
Cobalamin [µg/d]
0,26
(0,01-2,70)
0,19
(0,00-1,13)
n.s.
Folsäure-Äquivalent
[µg/d]
463
(282-771)
454
(253-739)
n.s.
Niacin [mg/d]
22,8
(11,7-36,5)
19,8
(10,4-29,9)
0,0161
Ascorbinsäure [mg/d]
251,0
(95,2-526,2)
315,0
(110,2-733,4)
0,037²
Natrium [g/d]
1,94
(0,50-3,62)
1,46
(0,24-3,00)
0,0241
Kalium [g/d]
4,20 (2,36-6,90)
4,21 (2,59-7,74)
n.s.
Calcium [mg/d]
775
(449-1.282)
760
(384-1.292)
n.s.
Phosphor [mg/d]
1.187
(627-2.060)
1.006
(555-1.633)
0,0351
Magnesium [mg/d]
558
(337-929)
497
(318-898)
n.s.
Zink [mg/d]
9,8
(5,0-16,8)
8,9
(4,3-15,5)
n.s.
Eisen [mg/d]
19,4
(10,9-31,9)
17,7
(10,1-29,4)
n.s.
72
(45-158)
75
(43-131)
n.s.
Kupfer [mg/d]
2,88
(1,65-4,96)
2,57
(1,61-4,43)
n.s.
Mangan [mg/d]
7,69
(3,94-13,5)
6,46
(3,47-13,3)
n.s.
Jod [mg/d]
1
t-Test für unabhängige Stichproben, bezogen auf VGS und VGM
² U-Test nach Mann-Whitney bezogen auf VGS und VGM
172
ANHANG
Tabelle 54: Nährstoffzufuhr bei den Männern der DVS nach Kostform
(Median, 5-95 Perzentile)
VGS Männer
VGM Männer
p*
ß-Carotin [mg/d]
8,5
(2,4-25,8)
10,4
(3,5-21,9)
n.s.
Retinol-Äquivalent
[mg/d]
1,66
(0,51-5,05)
2,07
(0,67-3,81)
n.s.
Calciferol [µg/d]
0,62
(0,00-2,42)
0,61
(0,02-3,38)
n.s.
TocopherolÄquivalent [mg/d]
26,)
(13,0-67,9)
22,7
(9,4-40,8)
0,0481
Thiamin [mg/d]
2,08
(1,25-3,44)
1,92
(0,94-3,52)
n.s.
Riboflavin
1,50
(0,79-2,49)
1,43
(0,75-2,20)
n.s.
Pyridoxin [mg/d]
2,89
(1,55-5,32)
2,86
(1,51-4,62)
n.s.
Cobalamin [µg/d]
0,31
(0,00-4,30)
0,42
(0,00-4,33)
n.s.
Folsäure-Äquivalent
[µg/d]
577
(276-901)
526
(261-754)
n.s.
Niacin [mg/d]
29,0
(16,2-44,4)
26,8
(14,6-47,6)
n.s.
Ascorbinsäure [mg/d]
267,9
(87,7-816,1)
270,6
(96,1-653,1)
n.s.
Natrium [g/d]
2,23
(0,51-4,29)
2,07
(0,40-3,73)
n.s.
Kalium [g/d]
5,43
(2,84-9,31)
5,12
(2,60-7,89)
n.s.
Calcium [mg/d]
838
(482-1.465)
865
(266-1.845)
n.s.
Phosphor [mg/d]
1.557
(978-2.542)
1.484
(759-2.195)
n.s.
Magnesium [mg/d]
703
(419-1.116)
711
(307-1.007)
n.s.
Zink [mg/d]
12,7
(7,5-23,2)
12,5
(5,7-17,8)
n.s.
Eisen [mg/d]
24,5
(14,4-36,5)
23,6
(12,9-32,3)
n.s.
82
(41-133)
86
(40-156)
n.s.
Kupfer [mg/d]
3,63
(2,14-6,39)
3,61
(1,79-5,73)
n.s.
Mangan [mg/d]
10,15
(5,14-19,26)
8,66 (3,44-14,96)
Jod [mg/d]
1
n.s.
U-Test nach Mann-Whitney bezogen auf VGS und VGM
173
ANHANG
Tabelle 55: Risikoparameter der Atherosklerosentsstehung bei den Frauen der
DVS (Median, 5-95 Perzentile)
Vit Folsäure (im Plasma)
[nmol/l]
Vit B12 [pmol/l]
Vit E [µmol/l]
Lipidstandardisiert
Vit B2
Aktivierungskoeffizient
Vit B6
Aktivierungskoeffizient
Vit beta-Carotin [µmol/l]
Vit B1
Aktivierungskoeffizient
Vit C [µmol/l]
CIAVIT
Lipidstandardisiert
VGS
Frauen
VGM
Frauen
n = 50
n = 37
35,9
(21,146,3)
36,7
(20,245,4)
n = 48
n = 36
152,0
(88,5359,7)
202,6
(97,9895,1))
n = 48
n = 36
25,6
(15,640,3)
27,7
(19,748,7)
n = 49
n = 37
1,3
(1,1051,585)
1,28
(1,0681,51)
n = 44
n = 36
1,7 (1,332,042)
1,6 (1,12,03)
n = 45
n = 36
0,67
(0,411,72)
0,88
(0,311,87)
n = 48
n = 36
1,09 (11,245)
1,09 (11,3)
n = 41
n = 35
115,9
(74,1282,6)
121
(53,3328,1)
n = 44
n = 33
2,22 (0,937,16)
2,88 (0,8619,2)
p
n.s.
0,001²
(p=
0,077²)
n.s.
0,0491
n.s.
(p=
0,077²)
n.s.
n.s.
n.s.
174
ANHANG
Tabelle 56: Risikoparameter der Atherosklerosentsstehung bei den Männern der
DVS (Median, 5-95 Perzentile)
Vit Folsäure (im Plasma)
[nmol/l]
Vit B12 [pmol/l]
Vit E [µmol/l]
Lipidstandardisiert
Vit B2
Aktivierungskoeffizient
Vit B6
Aktivierungskoeffizient
Vit beta-Carotin [µmol/l]
Vit B1
Aktivierungskoeffizient
Vit C [µmol/l]
CIAVIT
Lipidstandardisiert
VGS
Männer
VGM
Männer
n=
n = 19
32,4
(17,246,6)
31,5
(11,645,3)
n = 48
n = 19
115,5
(67,2281,7)
149,8
(87,1490)
n = 48
n = 19
25,2
(19,232,7)
28,0
(21,733,7)
n = 48
n = 19
1,3 (1,11,5)
1,3 (1,11,5)
n = 43
n = 19
1,5 (1,32)
1,6 (1,32)
n = 43
n = 19
0,44
(0,191,94)
0,61
(0,372,81)
n = 48
n = 19
1,1 (11,3)
1,1 (11,4)
n = 40
n = 16
102,8
(63,8236,3)
102,2
(83,5140,9)
n = 45
n = 15
1,20
(0,406,57)
1,57
(0,943,72)
p
n.s.
0,026²
0,0191
0,0761
n.s.
0,032²
n.s.
n.s.
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