„Gesundheitsorientierte“ Ernährungsstrategien aus lebensmittelwissenschaftlicher Sicht Habilitationsschrift im Fachbereich Chemie der Universität Hannover vorgelegt von Hochschuldozent Dr. Andreas Hahn März 2001 I ABSTRACT Abstract Weiten Teilen der Bevölkerung ist inzwischen bekannt, dass ein Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit besteht. Dieser wird aber vielfach missverstanden oder falsch interpretiert. So werden echte Risiken einer Fehlernährung nicht wahrgenommen, vermeintliche Probleme im Bereich der Lebensmittelqualität (Rückstände, Kontaminanten, transmissile spongioforme Enzephalopathie) hingegen weit überbewertet. Da viele Menschen offensichtlich der Auffassung sind, eine „gesunde“ Ernährung sei heute nicht mehr ohne weiteres möglich, suchen sie nach Auswegen und gelangen zu Verhaltensweisen, die subjektiv als „gesundheitsorientiert“ empfunden werden, aus wissenschaftlicher Sicht aber einer differenzierten Betrachtung bedürfen. Zwei dieser Verhaltensweisen werden in der vorliegenden Arbeit näher beleuchtet: Nahrungsergänzungsmittel und vegane Ernährung. Der steigende Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln resultiert aus der Vorstellung, die Ernährungssituation zu verbessern und bestimmten Erkrankungen vorzubeugen. Eigene Untersuchungen an einem überdurchschnittlich gut ernährten Kollektiv älterer Frauen konnten zeigen, dass trotz der insgesamt guten Versorgungslage der Nährstoffstatus bei einigen Substanzen nicht optimal ist und durch eine Supplementierung verbessert werden kann. Auch verschiedene Risikoparameter wie Homocystein lassen sich positiv beeinflussen. Inwieweit sich hieraus langfristig präventive Effekte ergeben, kann derzeit kaum beurteilt werden. Die Hinwendung zu einer veganen Ernährung, d.h. einer ausschließlich aus pflanzlichen Lebensmitteln bestehenden Kostform, erfolgt primär aus gesundheitlichen oder ethischen Gründen. Im Gegensatz zur lakto-(ovo-) vegetarischen Ernährung liegen zu den ernährungsphysiologischen Effekten einer veganen Kost bislang allerdings nur wenige Daten vor. Die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Erhebungen an erwachsenen Veganern in Deutschland belegen, dass sich bei verschiedenen Nährstoffen (z. B. Folsäure, Vitamin C, Vitamin E) und Risikoparametern (z. B. LDL, HDL) eine günstige Situation ergibt. ABSTRACT II In anderen Bereichen (u.a. Cobalamin, Homocystein, Eisenstoffwechsel) sind demgegenüber gravierende Defizite feststellbar, die zukünftig verstärkt beachtet werden sollten. Im Rahmen der Arbeit wird weiterhin ein neuer methodischer Ansatz zur Bearbeitung ernährungs- und lebensmittelwissenschaftlicher Fragen dargestellt: die Fuzzy Logik. Mit ihrer Hilfe lässt sich beispielsweise die Ernährungssituation differenziert beschreiben und bewerten sowie optimieren, ohne dass dabei grundlegende Ernährungsgewohnheiten verändert werden müssen. Weiterhin bietet das Verfahren die Perspektive, Ernährungsempfehlungen auf Basis biochemischer und klinischer Indikatoren abzuleiten und in Form der „nutrition control“ die Ernährungsberatung anhand definierter Marker zu individualisieren. ABSTRACT III Abstract In the meanwhile, most people know about the close coherence of nutrition and health, but often misunderstand or misinterpret this relationship. Proper risks of malnutrition are not realised, whereas putative risks concerning the food quality such as residues, contaminants or the transmissible spongioform encephalopathy are overestimated. Since in the view of many people, it is quite difficult to consume a ‘healthy’ diet nowadays, they are looking for resorts and practice a subjectively healthful diet or adopt other types of nutritional behaviour, which have to be reviewed critically under scientific aspects. Two of these nutritional behaviour types are revised in this exposition in detail: Food supplements and vegan nutrition. The increasing consumption of food supplements is based on the assumption that an improvement of the nutritional status and the prevention of certain diseases can be achieved. We investigated a well-nourished sample of elderly women and showed that, despite the well balanced diet, the nutrient status of some substances was suboptimal and was improved by supplementation. Moreover, different risk parameters such as homocysteine can be influenced positively. Whether this will lead to long term, preventive effects cannot be assessed presently. A vegan diet, i.e. the exclusive consumption of plant food, is mostly consumed for health or ethical reasons. In contrast to lacto-(ovo-)vegetarian diets data on the physiological effects of vegan diets are scarce up to now. We studied a sample of adult vegans in Germany, and our data revealed that there is a positive situation regarding different nutrients such as folic acid, vitamin C, and vitamin E as well as risk parameters (e.g. LDL, HDL). However, serious problems were seen in other markers (cobalamin, homocysteine, iron metabolism) that should be considered increasingly in future. Further, in this exposition a new method for the processing of questions of nutrition and food science is demonstrated: Via Fuzzy-Logic, it is possible to describe, assess and optimize the nutritional situation, without the necessity of modifying ABSTRACT IV basic nutrition patterns. Additionally, the method offers the chance to derive nutrition recommendations based on biochemical and clinical indicators and to individualize the nutrition counselling with defined markers in the form of ‘nutrition control’. VORBEMERKUNG V VORBEMERKUNG Diese Arbeit nimmt verschiedentlich Bezug auf bereits erschienene Publikationen des Autors (s. S. VI-VIII). Sie werden, da sie der Habilitationskommission ebenfalls vorlagen, als „Anlagen“ 1-39 zitiert, sind aber in diesem Band nicht enthalten. Die nachfolgende Darstellung dient zum einen als verbindende Struktur zu diesen Veröffentlichungen. Zum anderen gibt sie eine kurze Übersicht über die Daten zweier großer, unter Federführung des Verfassers durchgeführter und bisher nicht publizierter Studien, der Deutschen Vegan Studie (DVS) und der Hannoverschen Nahrungsergänzungsstudie (HANNA). Zudem sollen Perspektiven zukünftiger Arbeiten aufgezeigt werden. Die in den als „Anlagen“ zitierten Arbeiten dargestellten Aspekte werden nur insoweit angeführt, wie es für das Verständnis und die Einordnung der Inhalte in den Gesamtzusammenhang notwendig erschien. Jede detailliertere Darstellung hätte den Umfang dieser Arbeit gesprengt. Insbesondere wurde darauf verzichtet, den in der Literatur dokumentierten Kenntnisstand zu den verschiedenen Themenkreisen umfassend wiederzugeben. Umfangreiche Übersichten hierzu finden sich insbesondere in den Buchpublikationen (Anlage 2, 5, 8 und 9). VERZEICHNISSE VI VERZEICHNIS DER ALS „ANLAGE“ ZITIERTEN PUBLIKATIONEN1 (NACH ERSCHEINUNGSJAHR) Bücher / Buchbeiträge 1. Leitzmann C, Hahn A2 (1995): Grundlagen der Ernährung des Gesunden. in: Huth K, Kluthe R (Hrsg.): Lehrbuch der Ernährungstherapie. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1-49 2. Leitzmann C, Hahn A (1996): Vegetarische Ernährung. Ulmer, Stuttgart, 445 S3 3. Hahn A, Wolters M (1998): Die Forderung nach dem Verzicht bzw. der Reduzierung des Verzehrs von Lebensmitteln tierischen Ursprungs; ein realistisches und begründbares gesundheits- und gesellschaftspolitisches Anliegen? in: Akademie für Tiergesundheit (Hrsg.): Jahrtausendwende und Tiergesundheit - Perspektiven für das kommende Jahrzehnt. Gustav Fischer, Jena, 110-143 4. Hahn A, Wolters M (1999): Vegetarische Ernährung – kritisch gesehen. in: Evangelische Akademie Baden-Baden (Hrsg.): Vegetarisch leben – Müssen wir unsere Eßgewohnheiten ändern? Herrenalber Forum 23, EPB, Karlsruhe, 20-54 5. Leitzmann C, Keller M, Hahn A (1999): Alternative Ernährungsformen. Hippokrates, Stuttgart, 261 S 6. Wirsam B, Hahn A (1999): Fuzzy methods in nutrition planning and education in clinical nutrition. in: Teodorescu HN, Kandel A, Jain LC (eds.): Softcomputing in Human-Related Sciences. CRC Press LLC, Fl, 335-350 7. Zunft HJF, Wirsam B, Plank-Habibi S, Hahn A, Seppelt B, Leitzmann C (2000): Kontrolle der Fettzufuhr durch Rückkopplung an die individuell erreichte Senkung des Serumcholesterolspiegels in einer Doppelblind-Studie. In: Richter V, Reuter W, Rassoul F (eds..): Aktuelle Aspekte der Lipoprotein- und Atheroskleroseforschung. Verlag Wissenschaftliche Skripten, Zwickau, 32-38 8. Hahn A (2001): Nahrungsergänzungsmittel. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, 286 S. 9. Leitzmann C, Müller C, Michel P, Brehme U, Hahn A4, Laube H (2001): Ernährung in Prävention und Therapie. Hippokrates, Stuttgart, 478 S. 10. Hahn A, Pfeiffenberger P, Wirsam B, Leitzmann C (1995): Bewertung und Optimierung der Nährstoffzufuhr mit Hilfe der Fuzzy-Logik. Ernährungs-Umschau 42, 367-371 1 Die Arbeiten sind im Gesamtpublikationsverzeichnis durch kursive Schrift kennntlich gemacht. 2 Lehrbuchbeitrag 3 Zweite Auflage in Vorbereitung 4 Lehrbuch VERZEICHNISSE Originalarbeiten und Reviews 11. Wirsam B, Hahn A, Uthus EO, Leitzmann C (1997): Fuzzy sets and fuzzy decision making in nutrition. Eur J Clin Nutr 51, 286-296 12. Hahn A, Wolters M (1999): Supplemente als Ernährung der Zukunft? Naturarzt 139 (1), 7-10 13. Hahn A, Wolters M, Hanke G (1999): Nahrungsergänzungsmittel – Möglichkeiten und Grenzen. Deutsche Apotheker Zeitung, 139, 2470-2482 14. Hahn A (1999): Sekundäre Pflanzenstoffe – zwischen Nahrung und Arznei. Ernährungs-Umschau 46, S128-S133 15. Plank-Habibi S, Wirsam B, Korhonen K, Hahn A, Seppelt B, Zunft HJF, Leitzmann C (2000): Influence of a flexibly controlled low fat diet on serum cholesterol. Eur J Clin Nutr (eingereicht zur Publikation) 16. Hahn A, Marohn S, Wolters M (2000): Vegane Kostformen – eine ernährungsphysiologische Bewertung. PZ Prisma 7, 26-37 17. Hahn A, Wolters M (2000): Nahrungsergänzungsmittel – eine Bestandsaufnahme. I. Einordnung, Marktsituation und Verbraucherverhalten. Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 167-175 18. Hahn A, Wolters M (2000): Nahrungsergänzungsmittel – eine Bestandsaufnahme. II. Zielgruppen, Nutzen und Risiken. Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 215-230 19. Hahn A, Leitzmann C (2000): Alternative Ernährungsformen. Teil 1: Ursprung Antike. Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 176-186 20. Hahn A, Leitzmann C (2000): Alternative Ernährungsformen. Teil 2: Ursprung Jahrhundertwende. Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 231-235 21. Hahn A, Wolters, M (2001): Functional Foods – Lebensmittel der Zukunft? Biologie in unserer Zeit 31, 356-366 22. Hahn A, Leitzmann C (2001): Alternative Ernährungsformen. Teil 3: Die Gegenwart I. Zeitschrift für Ernährungsökologie 2, 47-52 23. Hahn A, Leitzmann C (2001): Alternative Ernährungsformen. Teil 4: Die Gegenwart II. Zeitschrift für Ernährungsökologie 2, 114-123 24. Wolters M, Hahn A (2001): Der schmale Grat zwischen Prävention und Placebo: Nahrungsergänzungsmittel Biologie in unserer Zeit 31, 367-375 25. Braun K, Hahn A, Watkinson BM, Schmitt B (2001): Functional Foods – Konzept und Ziele. Ernährungs-Umschau 48, 180-187 26. Wolters M, Hahn A (2001): Nährstoffsupplemente aus Sicht des Konsumenten Ernährungs-Umschau 48, 136-141 VII VERZEICHNISSE VIII 27. Wolters M, Siekmann D, Hahn A (2001): Functional Foods – aktuelle Situation und Perspektiven. Zeitschrift für Ernährungsökologie 2, 36-46 28. Plank-Habibi S, Wirsam B, Korhonen K, Hahn A, Seppelt B, Zunft HJF, Leitzmann C (2001): Controlling the fat intake by feedback to the individually achieved reduction of the serum cholesterol level by means of a double blind study. Eur. J. Clin. Nutr. (eingereicht zur Publikation) Beiträge in Kongress- und Symposiumsbänden sowie Kurzveröffentlichungen 29. Hahn A, Leitzmann C (1993): Vegetarische Ernährung und Eisenaufnahme. Internistische Praxis 33, 688-689 30. Leitzmann C, Hahn A (1996): Eisenbedarf und vegetarische Ernährung (Stellungnahme). Ernährungs-Umschau 43, 361 31. Hahn A (1996): Physiologische Grundlagen der Ernährung des Menschen. APV-Tagung „Diätetika und Nahrungsergänzungsmittel in der Apotheke“, Frankfurt, 12.10.1996, Tagungsband, 1-13 32. Hahn A (1997): Nahrungsergänzung - ernährungsphysiologische Aspekte. APV-Tagung „Alternativen zu Arzneimitteln“, Königswinter, 12./13.06.1997, Tagungsband, 168183 33. Hahn A (1998): Prävention ernährungsabhängiger Erkrankungen. 3. Werner-Kollath-Tagung „Ernährung und Gesundheit“, Hannover, 28.01.1998, Tagungsband, 29-45 34. Hahn A (1998): Wissenschaftlicher Hintergrund – ernährungsphysiologische Aspekte. APV-Tagung „Nahrungsergänzungsmittel – Möglichkeiten und Grenzen“, Darmstadt, 29.06.1998, Tagungsband, 1-20 35. Hahn A (1998): Sekundäre Pflanzenstoffe – hatte Hippokrates doch recht? 1. Niedersächsisches Ernährungsforum, Hannover, 10.10.1998, Tagungsband 36. Hahn A (1999): Borderline-Lebensmittel – die Ernährung der Zukunft? 3. Niedersächsisches Ernährungsforum, Hannover, 02.10.1999, Tagungsband 37. Hahn A (2000): Was können Nahrungsergänzungsmittel (nicht)? APV-Tagung „Nahrungsergänzungsmittel – zwischen Ernährung und Arznei – Aktuelle Situation und Perspektiven, Würzburg, 23./24.02.2000, Tagungsband,1-20 38. Hahn A (2000): Zwischen Ernährung und Arznei. Deutsche Apotheker Zeitung 140, 1330-1333 39. Hahn A (2001): „Wirkungen und Aussagen bei Nahrungsergänzungsmitteln. APV-Tagung „Nahrungsergänzungsmittel – Aktueller Stand in der EU - , Nürnberg 29.03.2001, Tagungsband VERZEICHNISSE IX INHALTSVERZEICHNIS: 1 EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG ........................................................................1 1.1 Lebensmittel – Mittel zum Leben oder Mittel zum Sterben? ............................. 2 1.2 Auswege aus der Krise?....................................................................................... 4 2 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? ............7 2.1 Gesundheitspolitischer und rechtlicher Hintergrund ........................................ 8 2.2 Bewertung von Nahrungsergänzungsmitteln................................................... 12 2.3 Verbraucherverhalten und Verbrauchererwartungen ...................................... 17 2.4 Eigene Untersuchungen: Die Hannoversche Nahrungsergänzungsstudie (HANNA) ............................................................................................................... 18 2.4.1 Ziel der Untersuchung ....................................................................................... 19 2.4.2 Material und Methoden...................................................................................... 19 2.4.2.1 Probandinnen und Untersuchungsphasen ................................................................. 19 2.4.2.2 Art des eingesetzten Supplements............................................................................. 22 2.4.2.3 Untersuchungsmethodik ............................................................................................. 23 2.4.3 Ergebnisse und Diskussion ............................................................................... 26 2.4.3.1 Altersverteilung und anthropometrische Daten des Kollektivs ................................... 26 2.4.3.2 Schulbildung des HANNA-Kollektivs .......................................................................... 27 2.4.3.3 Lebensmittelzufuhr der HANNA-Probandinnen.......................................................... 28 2.4.3.4 Zufuhr an Energie und Nährstoffen ............................................................................ 29 2.4.3.5 Versorgungsstatus der Probandinnen bei der Basisuntersuchung ............................ 35 2.4.3.6 Auswirkungen der Nährstoffsupplementierung auf den Versorgungsstatus und funktionelle Parameter................................................................................................ 39 2.4.3.7 Kognitive Leistungstests ............................................................................................. 60 2.4.3.8 Immunologische Parameter........................................................................................ 65 2.5 Zusammenfassung.............................................................................................. 68 VERZEICHNISSE X 3 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN?....................71 3.1 Definition und Einteilung Alternativer Ernährungsformen.............................. 72 3.2 Probleme bei der Bewertung Alternativer Ernährungsformen ....................... 75 3.3 Gesundheitliche Aspekte des Vegetarismus.................................................... 76 3.4 Eigene Untersuchungen: Die Deutsche Vegan Studie (DVS).......................... 83 3.4.1 Material und Methoden...................................................................................... 84 3.4.1.1 Gewinnung der Probanden und Untersuchungsphasen ............................................ 84 3.4.1.2 Untersuchungsphasen und Untersuchungsmethodik................................................. 85 3.4.2 Statistische Verfahren ....................................................................................... 87 3.4.3 Ergebnisse und Diskussion ............................................................................... 88 3.4.3.1 Beschreibung und Einteilung des Kollektivs............................................................... 88 3.4.3.2 Lebensmittelverzehr ................................................................................................... 91 3.4.3.3 Nährstoffzufuhr ........................................................................................................... 95 3.4.3.4 Versorgungsstatus mit ausgewählten Vitaminen ..................................................... 105 3.4.3.5 Risikoparameter der Atheroskleroseentstehung ...................................................... 110 3.4.3.6 Das Problem der Cobalaminversorgung bei veganer Ernährung ............................ 119 3.4.3.7 Versorgungsstatus mit Eisen / Parameter der Erythropoese ................................... 127 3.5 Zusammenfassung............................................................................................ 134 4 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ ZUR LÖSUNG LEBENSMITTELUND ERNÄHRUNGSWISSENSCHAFTLICHER PROBLEME ....................................137 4.1 Zum Einsatz der Fuzzy-Logik geeignete Problemkreise der Lebensmittelwissenschaft................................................................................ 137 4.2 Grundlagen der Anwendung von Fuzzy-Logik auf Probleme der Lebensmittelwissenschaft................................................................................ 139 4.2.1 Interpretation von Nährstoffempfehlungen durch scharfe Grenzen................. 139 4.2.2 Interpretation von Nährstoffempfehlungen durch unscharfe Grenzen............. 141 4.3 Beschreibung der Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr durch Fuzzy-Sets ............................................................................................................................ 142 4.4 Aggregation von Fuzzy-Bewertungen ............................................................. 145 VERZEICHNISSE 4.5 XI Fuzzy-gestützte Auswertung von Ernährungsprotokollen und deren Optimierung ....................................................................................................... 147 4.6 Perspektiven I: Fuzzy-Logik als Methode zur Festlegung von Nährstoffempfehlungen .................................................................................... 149 4.7 Perspektiven II: Fuzzy-Logik als Hilfsmittel zur Beurteilung des Gesundheitsstatus ............................................................................................ 153 4.8 Perspektiven III: „Nutrition control“ – Fuzzy-Logik als Hilfsmittel zur Individualisierung von Ernährungsempfehlungen......................................... 154 4.9 Zusammenfassung............................................................................................ 156 5 FAZIT UND PERSPEKTIVEN ...........................................................................157 6 ANHANG ....................................................................................................160 6.1 Anhang A: Eigene Arbeiten (Anlagen 1-39) .................................................... 160 6.2 Anhang B............................................................................................................ 168 7 LITERATUR .................................................................................................175 VERZEICHNISSE XII ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Altersverteilung der HANNA-Probandinnen bei der Basisuntersuchung .........................................................................................26 Abbildung 2: Lebensmittelverzehr des HANNA-Kollektivs ....................................28 Abbildung 3: Prozentualer Anteil an Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen und Alkohol an der Gesamtenergiezufuhr des HANNA-Kollektivs verglichen mit den Empfehlungen der DGE...........................................................................30 Abbildung 4: Thiaminzufuhr der HANNA-Probandinnen .......................................34 Abbildung 5: Aktivierungskoeffizienten der Erythrocyten-Transketolase vor und nach Supplementierung..................................................................................42 Abbildung 6: Korrelation zwischen α-ETK zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung und der Differenz der Werte (nach Supplementierung minus Basisuntersuchung) ........................................................................................43 Abbildung 7: Stoffwechsel des Homocysteins..................................................... 117 Abbildung 8: Korrelation der Plasmaspiegel an Homocystein mit der Cobalaminplasmakonzentration ...................................................................118 Abbildung 9: Struktur des Cobalamin.................................................................. 120 Abbildung 10: Cobalaminspiegel des Gesamtkollektivs in Abhängigkeit von der Zeitdauer der veganen Ernährung (Median, 5-95 Perzentile)....................... 126 Abbildung 11: Berechnung der Parameter MCV, MCH und MCHC .................... 128 Abbildung 12: Scharfe Funktion „erlaubte Zufuhr“ im Vergleich zum Fuzzy-Set „Optimale Aufnahme“ eines Nährstoffs......................................................... 140 Abbildung 13: Fuzzy-Sets für Thiamin und Vitamin D ....................................... 142 Abbildung 14a: Fuzzy-Set für Fett.......................................................................143 Abbildung 14b: Fuzzy-Set für Ascorbinsäure ......................................................144 VERZEICHNISSE XIII Abbildung 14c: Fuzzy-Set für Cholesterol ........................................................... 145 Abbildung 15: Änderung des Prerow-Wertes bei Variation von zwei Lebensmitteln . ............................................................................................. 148 Abbildung 16: Zusammenhang zwischen der Zinkzufuhr und dem Indikator „Zinkkonzentration in Erythrocyten“ [Anlage 6] ............................................. 151 Abbildung 17: Fuzzy-Set „Grad der Gesundheit“ in Abhängigkeit von der Variation des Indikators „Zinkkonzentration in Erythrocyten“........................ 151 Abbildung 18: Fuzzy Set „Grad der Gesundheit“ für die Aufnahme von Zink bei Betrachtung des Indikators „Zinkkonzentration in Erythrocyten“............. 152 VERZEICHNISSE XIV TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1: Untersuchte Parameter1 in der HANNA-Studie ....................................21 Tabelle 2: Zusammensetzung des Supplements und jeweiliger Referenzwert für die Nährstoffzufuhr der DGE .....................................................................23 Tabelle 3: Klinisch-biochemische Blutuntersuchungen (soweit nicht anders angegeben, wurden die jeweiligen Parameter im Blutplasma gemessen)......24 Tabelle 4: Mittelwerte (Median) des Körpergewichts, der Körpergröße und des BMI zum Zeitpunkt T0 (Angaben in Klammern: 5-95 Perzentile) ...........................27 Tabelle 5: Prozentualer Anteil der Personen mit Realschulabschluss und Hochschulreife................................................................................................27 Tabelle 6: Zufuhr von Energie und Hauptnährstoffen ermittelt aus den Ernährungsprotokollen (Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich zur DGEEmpfehlung ....................................................................................................31 Tabelle 7: Durchschnittliche tägliche Vitamin- und Magnesiumzufuhr aus Lebensmitteln im HANNA-Kollektiv (n=220, Median, 5-95 Perzentile) verglichen mit den VERA-Probandinnen (Median, 2,5-97,5 Perzentile) und den DGE-Empfehlungen..........................................................................32 Tabelle 8: Übersicht über den Versorgungsstatus des HANNA-Gesamtkollektivs mit Mikronährstoffen bei der Basisuntersuchung, Normbereich und Prävalenz niedriger Messwerte .......................................................................................36 Tabelle 9: Vergleich des Versorgungsstatus der HANNA- und der VERAProbandinnen .................................................................................................38 Tabelle 10: Aktivierungskoeffizient der α-ETK zu beiden Untersuchungszeitpunkten .............................................................................41 Tabelle 11: Anzahl der Probandinnen in der Verumgruppe mit sehr gutem, grenzwertigem und schlechtem Thiamin-Versorgungsstatus vor und nach der Supplementierung ....................................................................................44 VERZEICHNISSE XV Tabelle 12: Aktivierungskoeffizient der α-EGR zur Beurteilung der Vitamin-B2Versorgung zu beiden Untersuchungszeitpunkten .........................................46 Tabelle 13: Aktivierungskoeffizient der α-EAST zur Beurteilung der Pyridoxinversorgung zu beiden Untersuchungszeitpunkten ...........................47 Tabelle 14: Cobalaminwerte [pmol/l] und Methylmalonsäurewerte (MMA) [nmol/l] zu beiden Untersuchungszeitpunkten.............................................................50 Tabelle 15: Plasma- und Erythrocyten-Folsäurestatus [nmol/l] und Homocysteinspiegel im Serum [µmol/l] zu beiden Untersuchungszeitpunkten ...................52 Tabelle 16: Serumwerte von Ascorbinsäure [µmol/l], Vitamin E [µmol/l], β-Carotin [µmol/l], Coenzym Q10 [µmol/l] sowie CIAVIT-Werte zu beiden Untersuchungszeitpunkten .............................................................................56 Tabelle 17: Serum-Selenkonzentrationen [µmol/l] und Aktivität der erythrocytären Glutathionperoxidase (GPx) [U/g Hämoglobin] der Verum- und Placebogruppe ............................................................................................................57 Tabelle 18: Serum- und Erythrocyten-Magnesiumkonzentrationen [mmol/l] zu beiden Untersuchungszeitpunkten .................................................................59 Tabelle 19: Einteilung der wichtigsten Alternativen Ernährungsformen ................73 Tabelle 20: Formen vegetarischer Ernährung .......................................................74 Tabelle 21: Untersuchte Blutparameter in der Deutschen Vegan Studie ..............86 Tabelle 22: Methodik der klinisch-biochemischen Bestimmungen im Rahmen der DVS (vgl. Tabelle 21) .....................................................................................87 Tabelle 23: Kenndaten der DVS-Probanden (Median, 5-95 Perzentile)................90 Tabelle 24: Lebensmittelaufnahme des DVS-Kollektivs im Vergleich zum VERAKollektiv [Arithmetisches Mittel, g/d] ...............................................................93 Tabelle 25: Verzehr vom Tier stammender Produkte in den Untergruppen des DVS-Kollektivs................................................................................................94 VERZEICHNISSE XVI Tabelle 26: Gesamtenergieaufnahme und anteilige Energie aus Produkten tierischen Urspungs in den Untergruppen des DVS-Kollektivs .......................94 Tabelle 27: Zufuhr von Energie und prozentualer Anteil der Hauptnährstoffe an der Energiezufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich zur Empfehlung ....................................................................................................95 Tabelle 28: Energieaufnahme und relativer Anteil der Hauptnährstoffe an der Energiezufuhr nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile) ......96 Tabelle 29: Durchschnittliche Nährstoffzufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95 Perzentile) ......................................................................................................97 Tabelle 30: Energiezufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich zu den Richtwerten der DGE ..........................................................99 Tabelle 31: Durchschnittliche Vitamin- und Mineralstoffzufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich zum DGE-Referenzwert.................. 102 Tabelle 32: Prävalenz einer unter den Richtwerten liegenden Nährstoffzufuhr im DVS-Kollektiv (Median, 5-95 Perzentile) ......................................................104 Tabelle 33: Versorgungsstatus des DVS-Kollektivs mit verschiedenen Vitaminen (Median, 5-95 Perzentile) ............................................................................. 106 Tabelle 34: Versorgung mit verschiedenen Vitaminen nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile) .......................................................... 107 Tabelle 35: Prävalenz niedriger Vitaminversorgungsparameter im DVS-Kollektiv108 Tabelle 36: ß-Carotin und Tocopherol: Vergleich der Zufuhr und der Versorgung in den Kollektiven der DVS, HANNA1- und VERA-Studie (Median, 5-95 Perzentile) .................................................................................................... 109 Tabelle 37: Hauptrisikofaktoren der Atherosklerose............................................ 111 Tabelle 38: Grenzwerte für Plasmakonzentrationen von Lipiden und Lipoproteinen im Hinblick auf die Atheroskleroseprävention ............................... 113 VERZEICHNISSE XVII Tabelle 39: Risikoparameter der Atheroskleroseentstehung bei den Probanden der DVS (Median, 5-95 Perzentile)............................................................... 114 Tabelle 40: Häufigkeit kritischer Homocysteinmesswerte bei den Probanden der DVS ........................................................................................................ 116 Tabelle 41: Prozentualer Anteil der Probanden der DVS mit über der kritischen Grenze liegenden Risikoparametern der Atherosklerose ............................. 119 Tabelle 42: Cobalamin Blutspiegel der untersuchten Veganer, differenziert nach Kostform (Median, 5-95 Perzentile) .............................................................. 124 Tabelle 43: Cobalaminspiegel differenziert nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile) ............................................................................. 124 Tabelle 44: Anteil einer zu geringen Cobalaminversorgung................................ 125 Tabelle 45: Cobalamin-Plasmaspiegel in Abhängigkeit von der Dauer der veganen Ernährung [pmol/l].......................................................................... 126 Tabelle 46: Veränderungen der Parameter des Eisenstoffwechsels bei Nährstoffmangelanämien.............................................................................. 129 Tabelle 47: Parameter der Erythropoese und der Eisenversorgung im Gesamtkollektiv (Median, 5-95 Perz.) verglichen mit dem Normbereich ...... 130 Tabelle 48: Transferrin-, Ferritin- und Eisenspiegel nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile) .......................................................... 131 Tabelle 49: Vergleich der DVS- (Median, 5-95 Perzentile) und VERA-Werte (2,597,5 Perzentile) hinsichtlich Parametern der Erythropoese und Eisenversorgung...........................................................................................133 Tabelle 50: Lebensmittelverzehr der Frauen der DVS im Vergleich zu den Teilnehmerinnen der VERA-Studie (Arithmetisches Mittel in g/d)................. 168 Tabelle 51: Lebensmittelverzehr der Männer der DVS im Vergleich zu den Teilnehmern der VERA-Studie (Arithmetisches Mittel in g/d) ....................... 169 VERZEICHNISSE XVIII Tabelle 52: Aufnahme an Hauptnährstoffen, Ballaststoffen und Cholesterol im DVS-Kollektiv nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile)..... 170 Tabelle 53: Nährstoffzufuhr bei den Frauen der DVS nach Kostform (Median, 5-95 Perzentile) ............................................................................................171 Tabelle 54: Nährstoffzufuhr bei den Männern der DVS nach Kostform (Median, 5-95 Perzentile) ............................................................................................172 Tabelle 55: Risikoparameter der Atherosklerosentsstehung bei den Frauen der DVS (Median, 5-95 Perzentile) ..................................................................... 173 Tabelle 56: Risikoparameter der Atherosklerosentsstehung bei den Männern der DVS (Median, 5-95 Perzentile)............................................................... 174 XIX VERZEICHNISSE ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS: α-EAST Aktivierungskoeffizient des Pyridoxins (Enzym AspartatAminotransferase) α-EGR Aktivierungskoeffizient des Riboflavins (Enzym Glutathionreductase) α-ETK Aktivierungskoeffizient des Thiamins (Enzym Transketolase) ADS-L Allgemeine Depressionsskala, Langform AMG Arzneimittelgesetz APV Arbeitsgemeinschaft für pharmazeutische Verfahrenstechnik arithm. arithmetisch BfArM Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte BgVV Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin Ck Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit ConA Concanavalin A Cr Chrom DGE Deutsche Gesellschaft für Ernährung dl Deziliter Ery Erythrocyten FAD Flavin-Adenin-Dinucleotid FRAP Ferric Reducing Ability of Plasma FS Fettsäure GCP Good clinical practices, („Leitlinie zur guten Klinischen Praxis“) GPx Glutathionperoxidase HANNA Hannoversche Nahrungsergänzungsstudie Hb Hämoglobin HDL High density lipoprotein HPLC High performance liquid chromatography (Hochleistungsflüssigkeitschromatographie) IF Intrinsic factor IQ Intelligenzquotient KAI Kurztest für allgemeine Basisgrößen der Informationsverarbeitung KHK koronare Herzkrankheit Kk Kurzspeicherkapazität LDL Low densitiy lipoprotein LMBG Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz XX VERZEICHNISSE LPS Lipopolysaccharid MCH mean cellular hemoglobin (mittlere Hämoglobinmenge in einem Erythrocyten) MCHC mean cellular hemoglobin concentration Hämoglobinkonzentration der Erythrocyten) MCV mean cellular volume (mittleres Erythrocytenvolumen) MG Molekulargewicht n Anzahl NVS Nationale Verzehrsstudie p Irrtumswahrscheinlichkeit PALP Pyridoxalphosphat PAV periphere arterielle Verschlusskrankheit PHA Phytohämagglutinin RIA Radioimmunoassay RP reversed phase sd standard deviation s. u. siehe unten TÄ Tocopherol-Äquivalent TDP Thiamindipshosphat Tk Gegenwartsdauer TSE Transmissible Spongioforme Enzephalopathie u. a. unter anderem UV Ultraviolett VERA Verbundstudie Ernährungserhebung und Risikofaktoren Analytik vgl. vergleiche VGM Veganer moderat VGS Veganer streng VLDL very low densitiy lipoproteins WAIS Wechsler Adult Intelligence Scale (mittlere 1 EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG 1 EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG Die Ernährung gehört zu den elementaren Grundbedürfnissen eines jeden Menschen. Während über Jahrmillionen der Menschheitsgeschichte die Sicherung einer ausreichenden Versorgung mit Lebensmitteln im Vordergrund stand, sieht sich die Bevölkerung der wohlhabenden Industrieländer seit Ende des zweiten Weltkrieges einer nie dagewesenen Angebotsvielfalt gegenüber. Zeitgleich ergaben sich einschneidende Veränderungen in den vorherrschenden Todesursachen. So waren es noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts vorwiegend Infektionskrankheiten, wie Tuberkulose und Lungenentzündungen, die die Haupttodesursachen darstellten, während heute chronisch-degenerative Erkrankungen – wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bösartige Neubildungen – im Vordergrund stehen. Viele dieser Erkrankungen sind ernährungsabhängig, d. h. ihre Entstehung oder Prävention wird neben anderen Faktoren maßgeblich durch die Ernährung beeinflusst [vgl. Anlage 33]. Die hohe Prävalenz ernährungsabhängiger Erkrankungen stellt inzwischen ein erhebliches gesundheitspolitisches Problem dar: Mit derzeit etwa 120 Mrd. DM pro Jahr entfallen rund ein Drittel aller Kosten im Gesundheitswesen auf die Erkennung und Behandlung dieser Krankheiten. Strategien zur Verbesserung der Ernährungs- und Gesundheitssituation sind somit nicht nur im Hinblick auf die Verbesserung der Lebensqualität und eine Lebensverlängerung des Einzelnen von Bedeutung. Sie sind gleichermaßen unverzichtbar, wenn die langfristige Finanzierbarkeit des Gesundheitswesens gesichert werden soll. Entsprechend hat sich Ernährungswissenschaft auch das verändert. Denken Lange in Zeit der Lebensmittel- war es durch und eine Betrachtungsweise geprägt, in deren Mittelpunkt die Bekämpfung des Hungers, die Nährstoffversorgung im Hinblick auf eine Vermeidung von Mangelkrankheiten, mikrobiologisch-toxikologische Sicherheitsfragen und schließlich Aspekte gesundheitsorientierter Vermeidungsstrategien (weniger Salz, Fett etc.) standen [vgl. Anlage 25]. Die sich in den letzten drei Jahrzehnten immer klarer abzeichnende Erkenntnis, dass Ernährung und langfristige Gesundheit unmittelbar 2 EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG zusammenhängen, hat allerdings zu einem Paradigmenwechsel in der Ernährungswissenschaft geführt. Der frühere Denkansatz – Vermeidung von Mangelernährung und Gesundheitsschäden – wurde überwunden, heute wird vielmehr eine Optimierung Lebensverlängerung bei des gleichzeitiger Gesundheitszustandes Verbesserung der und eine Lebensqualität angestrebt [vgl. Anlage 9, S. 117]. Entsprechend ist der Begriff „Ernährung“ aus heutiger Sicht wesentlich breiter zu definieren, als dies in der Vergangenheit der Fall war und sich noch immer in vielen Rechtsvorschriften sowie deren Interpretation widerspiegelt [vgl. Anlage 8, S. 51ff]. 1.1 Weiten Lebensmittel – Mittel zum Leben oder Mittel zum Sterben? Teilen der Bevölkerung ist grundsätzlich bekannt, dass ein Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit besteht. Dieser wird aber vielfach vollkommen missverstanden oder fehlgedeutet. Immer offenkundiger wird, dass viele Verbraucher5 echte Risiken der (Fehl-)Ernährung nicht erkennen, vermeintliche Probleme hingegen überbewerten. Die Angst, Lebensmittel könnten eher „Mittel zum Sterben“ sein, verdeckt den Blick für mögliche Risiken, die sich durch die derzeitige Lebensmittelzusammenstellung ergeben. Eine „richtige“ und „gefahrlose“ Ernährung wird vielfach offenbar für nicht mehr möglich gehalten. Besonders deutlich wird dies in der seit Ende 2000 vehement entfachten Diskussion über mögliche Konsequenzen der Transmissiblen Spongioformen Enzephalopathie (TSE6) sowie der unerlaubten Verabreichung von Hormonen und Antibiotika als Masthilfsmittel und in der Frage der Maul- und Klauenseuche. Die Angst vor „Rinderwahn“ ist für viele Verbraucher gleichbedeutend mit der Erkenntnis, in der heutigen Situation sei eine gesunderhaltende Ernährungsweise ohnehin nicht mehr möglich. Das mögliche gesundheitliche Risiko durch Kontaminanten, Rückstände oder z. B. TSE wird dabei im Allgemeinen weitaus 5 Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird im Folgenden bei allen Begriffen immer nur die männliche Form verwendet. Gemeint sind aber jeweils Frauen und Männer gleichermaßen. 6 Nach wie vor wird die Erkrankung meist als Bovine Spongioforme Enzephalopathie (BSE) bezeichnet. Da das Krankheitsbild die Artengrenze überschreitet, muss korrekter von TSE gesprochen werden. 3 EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG höher eingeschätzt als die wissenschaftlich belegten Folgen der weitverbreiteten Fehlernährung [vgl. Anlage 3, S. 139]. Gefördert wird diese Haltung durch die enorme Informationsflut, derer sich der Einzelne ausgesetzt sieht und die er individuell oftmals weder bewältigen, noch inhaltlich bewerten kann. Fundierten Informationen wissenschaftlicher und öffentlicher Institutionen sowie einer seriösen journalistischen Berichterstattung stehen effektheischende Presseberichte, werbliche Informationen und teils dubiose Gesundheitsratgeber gegenüber, die scheinbar klare Lösungen aufzeigen, vielfach aber lediglich Produkttrends7 aufnehmen und/oder begleitende Marketingmaßnahmen8 darstellen. Hinzu kommt, dass sich auch hinter seriös wirkenden „Gesellschaften“ und „Instituten“ durchaus private Organisationen finden, die nicht unbedingt wissenschaftliche Standpunkte, sondern primär eigene Interessen vertreten9. Eine bei uns durchgeführte Pilotuntersuchung zeigt, dass auch das Internet zum Stichwort „gesunde Ernährung“ eher ökonomisch oder ideologisch motivierte, als wissenschaftlich fundierte Botschaften vermittelt10. 7 So wurde im Jahr 1999 Apfelessig als Mittel zur Gewichtsreduktion und Verbesserung der Gesundheit angepriesen und in großem Umfang in Form sogenannter „Apfelessigkapseln“ vermarktet. Parallel hierzu erschienen auf dem Buchmarkt rund 50 Titel, die sich dieses Thema annahmen. 8 Ein Paradebeispiel hierfür ist die nach ihrem „Erfinder“ benannte Markert-Diät, ein auf einem Formulaprodukt basierendes Konzept zur Gewichtsreduktion. Markert beschreibt die wissenschaftlich nicht haltbaren [DGE 2001] Vorzüge seines Konzeptes in einem Buch, das Präparat selbst wird über die Apotheken vertrieben. Die im Buch gemachten Aussagen würden als direkte Produktwerbung gegen verschiedene Vorschriften des Lebensmittel- und Bedarfsgegenstände- sowie des Heilmittelwerbegesetzes verstoßen und wären somit verboten. Die Publikation in einem Buch unterläuft diese Vorschriften in der Praxis. 9 Ein weitverbreiteter Irrtum betrifft beispielsweise das „Europäische Institut für Lebensmittel- und Ernährungswissenschaften“, eine durch den Lebensmittelchemiker Udo Pollmer getragene Organisation, die mit teils falschen, aber sehr plausibel erscheinenden Informationen an die Öffentlichkeit tritt. Sie wird vielfach für eine Organisation gehalten, die auf dem gleichen (oder wegen des Zusatzes „europäisch“ sogar einem übergeordneten) Level angesiedelt ist, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE). Auch die Deutsche Gesellschaft für Gesundes Leben (DGGL) ist keineswegs eine wissenschaftliche Institution, sondern ein privatwirtschaftliches Unternehmen, das sich dem Schlankheitsmarkt verschieben hat. 10 Entsprechende Ergebnisse ergaben sich in der vom Verfasser mitbetreuten Examensarbeit von Stefanie Tillmann „Das Internet als Informationsmedium zum Stichwort: Gesunde Ernährung“. Die Daten sind bisher unveröffentlicht. 4 EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG 1.2 Welche Auswege aus der Krise? Konsequenzen Verbraucher aus der individuell unterschiedlich empfundenen „Krise“ um Lebensmittel und Ernährung ziehen, ist unterschiedlich und von zahlreichen Faktoren abhängig. Das Ernährungsverhalten wird durch innere biologische Regelvorgänge und durch erlernte Verhaltensweisen und Bedürfnisse unbewusst gesteuert. Wie die Ernährungspsychologie zeigt, ist es beim Erwachsenen über lange Jahre geprägt, sehr stabil und nur schwer zu verändern. Eine Modifikation der Ernährungsweise kann nicht nur, wie im Folgenden dargestellt, höchst unterschiedlich ausfallen, sie wird auch durch unterschiedlichste Gründe beeinflusst [vgl. Anlage 9, S. 422ff]. Darüber hinaus sind die Ziele bei der Lebensmittelauswahl entsprechend variabel [vgl. Anlage 9, S. 424]. Es soll daher im Folgenden nicht hinterfragt werden, warum Menschen bestimmte Strategien verfolgen, sondern vielmehr wie diese Reaktionen aussehen und wie sie sich auf die Gesundheit auswirken könnten. Wenngleich die Frage nach den unterschiedlichen Verhaltensmustern bisher nicht systematisch untersucht wurde, lassen sich verschiedene grundsätzliche Verbraucherreaktionen beobachten: (a) Die Ernährungsweise bleibt unverändert. Die Gründe hierfür dürften unterschiedlichster Natur sein, sei es das grundsätzlich fehlende Interesse an Ernährung und Gesundheit, die (falsche?) Auffassung, man lebe bereits „gesundheitsbewusst“ oder der vor dem Hintergrund der widersprüchlichen Informationen entstehende Eindruck, die Wissenschaft sei sich ohnehin nicht einig, so dass jede Veränderung sowieso sinnlos sei. (b) Der jeweils aktuelle „Risikofaktor“ wird (vorübergehend) gemieden. Dieses Verhalten dokumentiert sich überdeutlich in einer sinkenden Nachfrage nach bestimmten Lebensmitteln. Allerdings zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG 5 sich der Markt nach einiger Zeit wieder stabilisiert11, ein Indiz dafür, dass die alten Ernährungsgewohnheiten wieder aufgenommen werden. (c) Die als nicht adäquat angesehene eigene Ernährung wird durch die Einnahme von Supplementen ergänzt. Aus der Auffassung, die eigene Ernährung sei „schlecht“, die „heutigen“ Lebensmittel lieferten nicht ausreichend Nährstoffe oder im Glauben an einen zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen erfolgt eine Hinwendung zu zusätzlichen Nährstoffen in Tabletten- oder Kapselform. (d) Die Ernährungsweise wird radikal verändert. Statt der üblichen Mischkost, die als Ursache für z. B. verminderte Leistungsfähigkeit, Krankheiten oder ökologische Probleme angesehen wird, folgt die Hinwendung zu einer der vielfältigen Alternativen Ernährungsformen. (e) Die eigene Ernährung wird im Sinne der von den wissenschaftlichen Fachgesellschaften geforderten Weise modifiziert. Es wird versucht, eine vollwertige12 Ernährung zu erreichen, die nicht nur die Versorgung mit allen Nährstoffen sicherstellt, sondern auch präventiven Charakter besitzt. Die unter (a) und (b) dargestellten Reaktionen sind mit keiner (langfristigen) Veränderung des Lebensmittelverzehrsmusters verbunden. Sie reflektieren daher die Ernährung, wie sie für die Durchschnittsbevölkerung typisch ist und bereits untersucht wurde. So liegen zur Lebensmittel- und Nährstoffzufuhr sowie zur Nährstoffversorgung repräsentative Daten aus der Nationalen Verzehrsstudie (NVS) bzw. der Verbundstudie Ernährungserhebung und Risikofaktoren Analytik (VERA) vor. Sie erlauben eine relativ klare Aussage über die Ernährungssituation 11 Ein derartiges Verbraucherverhalten, das kurzzeitig zum Zusammenbruch des jeweiligen Lebensmittelmarktes führt, war Ende der 1980er Jahre nach Berichten über Nematoden in Fischen zu beobachten und zeigt sich auch derzeit beim Rindfleischmarkt. Auch hier ist bereits wieder eine Stabilisierung zu beobachten, was als klares Indiz für eine nur kurzfristge Verhaltensänderung gelten kann. 12 Unter „vollwertiger Ernährung“ ist eine Kostform zu verstehen, die den Nährstoffbedarf deckt, sowie die ernährungsmedizinischen Erkenntnisse zur Prävention berücksichtigt. Soweit wie möglich ist sie den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst [vgl. Anlage 8, S. 54ff]. Sie ist jedoch nicht mit der Vollwert-Ernährung, einer Alternativen Ernährungsform [vgl. Anlage 23] zu verwechseln. 6 EINLEITUNG UND ZIELSETZUNG und ermöglichen zumindest grundsätzlich die Charakterisierung potenzieller Risikogruppen für eine suboptimale Ernährung. Demgegenüber spiegeln die Punkte (c) und (d) Verhaltensweisen wider, deren Konsequenzen bisher nicht bzw. nur ansatzweise analysiert wurden. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich aus lebensmittel- und ernährungswissenschaftlicher Sicht exemplarisch mit diesen Strategien eines vermeintlich gesundheitsbewussten Verhaltens, die in der Bevölkerung in zunehmendem Maße zu beobachten sind. Das unter (e) skizzierte Bemühen, die Ernährungsweise zu modifizieren, scheitert in der Praxis oftmals an verschiedenen Problemen. Daher soll gleichzeitig eine neue Methodik vorgestellt werden, die es erlaubt, diese und andere lebensmittelwissenschaftliche Problemkreise unter neuen Aspekten zu bearbeiten. Die nachfolgenden Darstellungen sind entsprechend der unter (c), (d) und (e) aufgezeigten Aspekte gegliedert: • Kapitel 2 versucht, die potenzielle Bedeutung von Nahrungsergänzungsmitteln zu beleuchten. • Kapitel 3 geht am Beispiel der veganen Ernährungsweise der Frage nach, welche gesundheitlichen Vor- und Nachteile diese Alternative Ernährungsform aufweist. • Kapitel 4 präsentiert eine in der Lebensmittelwissenschaft erstmals angewandte Methodik, die es auf Basis mathematischer Verfahren ermöglicht, durch vergleichsweise geringe Modifikationen des Ernährungsmusters deutliche Verbesserungen der Ernährungssituation zu erzielen. Es kann und soll nicht Ziel dieser Arbeit sein, alle Aspekte des weit verzweigten Themengebietes umfassend darzustellen. Vielmehr sollen wesentliche Eckpunkte aufgezeigt und zudem Perspektiven künftiger Arbeiten skizziert werden. 7 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 2 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Der Griff zu Nährstoffsupplementen ist für viele Verbraucher mittlerweile Gewohnheit und die Auffassung, hiervon zu profitieren, entsprechend weit verbreitet (vgl. Kapitel 2.3). Supplemente stellen, wie bereits auf S. 5 unter Punkt (c) angeführt, eine mögliche Reaktion auf die Unsicherheit in Ernährungs- und Gesundheitsfragen dar. Allerdings ist gleichzeitig kaum eine Produktgruppe in den letzten Jahren so polarisiert diskutiert worden wie die Nahrungsergänzungsmittel. Der wesentliche Grund hierfür liegt darin, dass die Produkte rechtlich als Lebensmittel gelten, durch ihr arzneitypisches Erscheinungsbild in Form von z. B. Tabletten oder Kapseln sowie durch ihre Positionierung und Bewerbung aber faktisch in einem Grenzbereich zu Arzneimitteln angesiedelt sind [vgl. Anlage 17, Anlage 38]. Somit sind viele Diskussionen vielfach weniger von wissenschaftlichen, als von merkantilen Interessen geprägt. In der Extremhaltung sprechen Gegner den Präparaten jeglichen Nutzen ab, während vehemente Befürworter sie beinahe für unverzichtbar halten. Eine sachliche naturwissenschaftliche Bewertung von Nahrungsergänzungsmitteln ist schwierig und bisher nicht erfolgt. Daten, die den potenziellen Nutzen einer Nährstoffsupplementierung für die gesunde Durchschnittsbevölkerung untersuchen, liegen fast nicht vor und waren der wesentliche Grund für eine eigene, in Kapitel 2.4 dargestellte, Untersuchung. Darüber hinaus stellt die als Anlage 8 zitierte, im März 2001 erschienene, Buchpublikation einen ersten Versuch dar, das vorhandene Datenmaterial aus lebensmittelwissenschaftlicher Sicht zusammenfassend aufzuarbeiten. Die folgenden Kapitel 2.1 - 2.3 geben einen kurz gefassten Überblick über die Rahmenbedingungen Bedeutung. für Nahrungsergänzungsmittel und ihre mögliche 8 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 2.1 Gesundheitspolitischer und rechtlicher Hintergrund Die Bedeutung von Nahrungsergänzungsmitteln sollte vor dem Hintergrund des insgesamt wachsenden Gesundheitsmarktes und der steigenden Selbstmedikation gesehen werden. Dabei konkurrieren Nahrungsergänzungsmittel in der Gunst des Verbrauchers mit anderen Produktgruppen, von denen er sich einen Nutzen für Gesundheit und Wohlbefinden verspricht. Zu diesen Gesundheitsprodukten, die im weitesten Sinne einer Selbstmedikation dienen, können neben Nahrungsergänzungsmitteln auch Functional Foods, (frei verkäufliche) Arzneimittel, insbesondere solche traditioneller13 Art und teilweise auch Kosmetika gerechnet werden. All diese Produktgruppen versprechen oder suggerieren dem Verbraucher mehr oder minder einen gesundheitlichen Gewinn im Hinblick auf „Wellness“, physische und psychische Leistungsfähigkeit oder die Prävention von Erkrankungen. Sie sind für den Laien in ihrer unterschiedlichen Intention und rechtlichen Abgrenzung aber kaum fassbar [vgl. Anlage 8, S. 4ff, Anlage 34]. Grundsätzlich sind derartige Produkte gesundheitspolitisch erwünscht: Im Idealfall, sinnvoll konzipiert, helfen sie Krankheiten zu vermeiden und senken dadurch Kosten. Besonders deutlich wird dies am Konzept der Functional Foods [vgl. Anlage 21, Anlage 36]. Hierbei handelt es sich um – von ihrem Erscheinungsbild her typische – Lebensmittel, die neben der klassischen ernährungsphysiologischen Funktion als Nährstofflieferant einen gesundheitlichen Zusatznutzen („added value“) besitzen. Sie können übliche Lebensmittel ersetzen und sollen die Gesundheit positiv beeinflussen [vgl. Anlage 25]. Forciert wird die Entwicklung von Functional Foods durch die sich erweiternden Möglichkeiten ihrer Bewerbung mit gesundheitsbezogenen Aussagen14 [vgl. Anlage 25]. In dieser 13 Traditionelle Arzneimittel im Sinne des § 109a AMG sind solche, bei denen die Anwendung auf traditioneller Überlieferung beruht. Hierzu zählen insbesondere viele Phytopräparate und Tonika. Eine wissenschaftlich nachgewiesene pharmakologische Wirksamkeit besitzen diese Präparate im Allgemeinen nicht. 14 Der § 18 LMBG regelt die Verbote der gesundheitsbezogenen Werbung mit Lebensmitteln. Danach ist es bisher u. a. verboten, Lebensmittel mit krankheitsvorbeugenden Aussagen zu bewerben. Allerdings zeichnet sich hier eine europaweite Liberalisierung ab, die es zukünftig ermöglichen dürfte, derartige Wirkungen, sofern sie wissenschaftlich belegt sind, auszuloben [Details s. Anlage 17 und Anlage 8, S. 20ff]. 9 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Hinsicht werden sie faktisch anders behandelt als Nahrungsergänzungsmittel [vgl. Anlage 39]. Allerdings finden sich bisher kaum Functional Foods, die sich auf eine wissenschaftliche Basis stützen. So besitzt der Großteil der angebotenen Produkte bis auf wenige Ausnahmen keinen nachgewiesenen Nutzen, sondern scheint eher auf Marketingüberlegungen zu basieren [vgl. Anlage 27]. Der in den vergangenen Nahrungsergänzungsmitteln gesetzlichen Jahren geht Rahmenbedingungen zu wesentlich zurück, beobachtende auf vor die sich allem im Boom von verändernden Bereich des Arzneimittelrechtes. So wurden Vitamin- und Mineralstoffsupplemente früher vornehmlich als Arzneimittel vermarktet. Seit einigen Jahren sind allerdings Neuzulassungen von Kombinationsarzneimitteln, wie z. B. Multivitaminpräparate, nur noch in sehr begrenztem Umfang15 möglich [vgl. Anlage 13]. Zudem ist die Neuzulassung eines Arzneimittels nicht nur langwierig und kostenintensiv, sondern das Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) genehmigt bei neu zugelassenen Arzneimitteln von wenigen Ausnahmen abgesehen nur die aus Marketingsicht wenig lukrative Indikation „Vorbeugung eines Mangels“ (bei höheren Dosierungen ggf. „Vorbeugung und Therapie eines Mangels“). Die derzeit noch bei vielen Altarzneimitteln zu findenden „lyrischen“16 Indikationen ohne sichere wissenschaftliche Grundlage dürften nach Abschluss des Nachzulassungsverfahrens im Rahmen der 10. AMG-Novelle zukünftig nicht mehr zulässig sein17 [vgl. Anlage 8, S. 47f, Anlage 37]. Durch diese Entwicklungen forciert, hat sich in den vergangenen Jahren das Segment der Nahrungsergänzungsmittel wesentlich verstärkt, das zunehmend 15 Faktisch besteht hierzu bei Kombinationspräparaten nur noch dann eine Möglichkeit, wenn es sich um monographiekonforme Produkte handelt, z. B. für eine fixe Kombination von B-Vitaminen [vgl. Anlage 8, S. 47f] 16 Der Ausdruck wird im Rahmen der Arzneimittelzulassung gerne für die sehr umfangreichen, oft extrem spezifischen Indikationen verwendet, wie sie sich bei vielen Altarzneimitteln finden. Wissenschaftliche Belege hierfür sind im Allgemeinen nicht vorhanden. 17 Derzeit finden sich am Markt noch zahlreiche, als fiktiv zugelassen geltende Altarzneimittel mit aus heutiger Sicht wissenschaftlich nicht zu belegenden Indikationen. Für diese Produkte waren, sofern auf die Zulassung nicht verzichtet wird, bis spätestens 31.01.2001 im Rahmen des ex-ante-Verfahrens Nachzulassungsanträge zu stellen. Diese werden derzeit beim BfArM bearbeitet. Es ist damit zu rechnen, dass für viele Produkte eine Versagung erfolgt oder zumindest die Indikationsbereiche eingeschränkt werden. 10 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? auch von klassischen Arzneimittelherstellern besetzt wird. Nahrungsergänzungsmittel können – aus Sicht der Vertreiber – demnach in vielfacher Hinsicht als Weg aus der zunehmend schwierigeren Situation bei nährstoffhaltigen Arzneimitteln gesehen werden. Nur sie erlauben es zudem, schnell auf wissenschaftliche Erkenntnisse oder Markttrends zu reagieren. Nach wie vor existieren in Deutschland und der Europäischen Union keine Legaldefinitionen des Begriffs Nahrungsergänzungsmittel [vgl. Anlage 13]. Im Allgemeinen werden darunter Produkte (in meist arzneilicher Darreichungsform18) verstanden, die der gezielten Zufuhr von z. B. Vitaminen oder Mineralstoffen dienen. Sie sollen die übliche Ernährung mit Nährstoffen in konzentrierter Form ergänzen, aber nicht der Energieversorgung dienen [vgl. Anlage 17]. Das Spektrum der tatsächlich am Markt angebotenen Inhaltsstoffe ist außerordentlich vielgestaltig und umfasst neben den vorgenannten Substanzen u. a. Fettsäuren, sekundäre Pflanzenstoffe, Vitaminoide und probiotische Bakterienkulturen [vgl. Anlage 8, S. 3, Anlage 12]. Die lebensmittelrechtliche Zulässigkeit der einzelnen Stoffe wird in der Praxis je nach Überwachungsbehörde höchst unterschiedlich beurteilt. Das als oberste Bundesbehörde für Lebensmittel (und damit auch Nahrungsergänzungsmittel) zuständige Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) steht vielen dieser Substanzen im Sinne eines vorbeugenden Gesundheitsschutzes kritisch gegenüber. Nahrungsergänzungsmittel sind den Lebensmitteln zuzuordnen und dienen damit nach § 1 des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) der Ernährung und/oder dem Genuss. Da einem Großteil der Nahrungsergänzungsmittel aufgrund der arzneitypischen Darreichungsform kein Genusswert zukommt, steht der Ernährungszweck im Vordergrund. Nach derzeit weitgehend 18 anerkannter Rechtsauffassung besteht dieser darin, dass Die galenischen Formen von Nahrungsergänzungsmitteln sind vielfältig und umfassen u. a. Hart- und Weichgelatinekapseln, Tabletten, Dragées, Kautabletten, Pulver, Granulate und Trinkampullen. 11 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Nahrungsergänzungsmittel etwaige Mängel an Inhaltsstoffen der Nahrung19 ausgleichen oder einen erhöhten Bedarf des Organismus decken [vgl. Anlage 13, Anlage 37]. Problematisch ist die Abgrenzung von Nahrungsergänzungsmitteln zu anderen Produktkategorien, die aufgrund ihrer Darreichung, der Werbeaussagen oder der Verbrauchererwartung Ähnlichkeiten aufweisen, aber nicht als Nahrungsergänzungsmittel anzusehen sind [vgl. Übersicht in Anlage 8, S. 4ff]. Insbesondere die Abgrenzung zu Arzneimitteln stellt häufig ein Problem dar. Arzneimittel dienen nach § 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG) dazu, Krankheiten zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen bzw. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktion des Körpers zu beeinflussen. Derartige Funktionen können vom physiologischen Standpunkt gesehen auch von Lebensmitteln ausgeübt werden [vgl. Anlage 8, S. 53]. Ein Produkt kann rechtlich betrachtet grundsätzlich nur Arzneimittel oder Lebensmittel, jedoch nicht beides gleichzeitig sein. Die Einstufung wird zudem dadurch erschwert, dass Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel z. T. in gleicher oder sehr ähnlicher Zusammensetzung auf dem Markt sind [vgl. Anlage 17]. Zur Einstufung eines Präparates muss daher anhand der Inhaltsstoffe und der Zweckbestimmung geprüft werden, ob es als Lebens- oder Arzneimittel anzusehen ist. Auch Lebensmittel dürfen Ernährungszweck arzneiliche überwiegen [vgl. Ziele verfolgen, Anlage 8, allerdings S. 5ff]. Vor muss allem für der die Überwachungsbehörden, aber auch für die damit befassten Gerichte, ist es vielfach schwierig, anhand objektivierbarer Parameter eine Entscheidung zu treffen. Daher wird versucht, Beurteilungskriterien heranzuziehen, die eine Einordnung in eine der beiden Produktgruppen erlauben [vgl. Anlage 17]. Eine gesetzliche Regelung für Nahrungsergänzungsmittel, auch auf europäischer Ebene, ist seit langem angekündigt, bisher aber nicht umgesetzt. Ein vom Verfasser dieser Arbeit, in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft für 19 Die Formulierung zeigt bereits die rechtlichen Probleme, die aus physiologischer Sicht nicht existierende Grenze zwischen Lebens- und Arzneimitteln einzuhalten: Die Beseitigung eines Nährstoffmangels entspricht der gesetzlich definierten Funktion eines Arzneimittels; der Euphemismus „Mängel an Inhaltsstoffen der Nahrung“ soll eine Lebensmittelfunktion ausdrücken. 12 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? pharmazeutische Verfahrenstechnik (APV) entwickelter und im Februar 2000 mit Vertretern des Gesundheitsministeriums sowie der obersten Bundesbehörden für Lebensmittel- und Arzneimittelfragen abgestimmter Vorschlag zum Umgang mit den Produkten liegt vor [„Würzburger Deklaration“, vgl. Anlage 17]. 2.2 Bewertung von Nahrungsergänzungsmitteln Eine lebensmittel- und ernährungswissenschaftliche Beurteilung von Nahrungsergänzungsmitteln muss sich daran orientieren, welcher physiologische Nutzen von den Produkten ausgeht [vgl. Anlage 18]. Dabei sind Anforderungen an die Qualität, die Unbedenklichkeit und die Effektivität20 zu stellen. Am klarsten sind dabei die Anforderungen an die Qualität und die Unbedenklichkeit zu definieren. So sollten hinsichtlich der Qualität Standards geschaffen werden, die sich im Wesentlichen an Vorgaben für Arzneimittel anlehnen. Diese Standards müssen die hygienische Qualität, die Reinheit und Identität der Zutaten (wertgebende Inhalts- und Hilfstoffe) sowie die Dosierung und Stabilität sicherstellen. Die Anforderungen an die Unbedenklichkeit umfassen die toxikologische Sicherheit aller enthaltenen Substanzen einschließlich der Hilfsstoffe bei der vorgegebenen Verzehrempfehlung. Solange es sich bei den Inhaltsstoffen um lange bekannte Substanzen in üblicherweise auch mit der Nahrung zugeführten Dosierungen handelt, kann dabei auf bekannte toxikologische Daten oder zumindest Erfahrungen zurückgegriffen werden [vgl. Anlage 8, S. 62ff]. Hierin liegt allerdings eine grundsätzliche Schwierigkeit, wie sich am Beispiel des β-Carotins verdeutlichen lässt. So haben zwei placebokontrollierte Interventionsstudien gezeigt, dass β-Carotin in hoher Dosierung das Bronchialcarcinomrisiko bei Rauchern erhöhen kann. Die Studienteilnehmer supplementierten täglich 20 bzw. 30 mg β-Carotin [ATBC 1994, Omenn et al. 1996a, Omenn et al. 1996b]. Die durchschnittliche β-Carotin-Zufuhr mit der Nahrung liegt in Deutschland nach den 20 Diese Anforderungen wurden in dieser dezidierten Form und Begriffswahl erstmals in der „Würzburger Deklaration“ festgeschrieben. Sie sind kongruent mit den Anforderungen an ein Arzneimittel. Für Nahrungsergänzungsmittel wurde allerdings vorgeschlagen, kein behördliches Zulassungsverfahren einzuführen, sondern eine Beurteilung durch zugelassene, unabhängige Sachverständige. 13 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Daten der VERA-Studie bei 1,56 mg/d [Heseker et al. 1994a]. Auch wenn das Studiendesign in mehrfacher Hinsicht Anlass zur Kritik gibt [vgl. Anlage 8, S. 121f, Anlage 34] und es nicht zulässig erscheint, aus diesen Untersuchungen mit Hochrisikogruppen Schlussfolgerungen für die Allgemeinbevölkerung zu ziehen, zeigt dies zumindest, dass als gesundheitsförderlich eingeschätzte Stoffe in bestimmten Situationen und/oder bei hohen Dosierungen21 ein Gesundheitsrisiko darstellen können. β-Carotin kommt darüber hinaus insofern eine Sonderstellung zu, da es nicht nur in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt wird, sondern in zahlreichen anderen Lebensmitteln als Farbstoff dient. Zudem wird es weit verbreitet vor allem Getränken, aber auch Milchprodukten, Cerealien und anderen mit Vitaminen angereicherten Produkten zugesetzt. Daraus resultiert eine unkontrollierte, in Einzelfällen möglicherweise ähnlich hohe Aufnahme, wie sie in den beiden Studien zum Tragen kam. Aus diesen Gründen hat sich das BgVV für Höchstmengen an β-Carotin ausgesprochen, die sicherstellen sollen, dass weder durch die Lebensmittelfärbung noch durch anderweitige Verwendung in Lebensmitteln und damit auch in Nahrungsergänzungsmitteln jeweils mehr als 1 mg/d in isolierter Form aufgenommen wird [BgVV 2001]. Für die meisten Vitamine und Mineralstoffe können inzwischen relativ umfangreiche Angaben zur Toxikologie gemacht werden. Danach besitzen die meisten dieser Substanzen, mit Ausnahme der Vitamine Vitamin A und D sowie einiger Spurenelemente, eine große therapeutische Breite. Dies wird auch aus einer 1997 erschienenen Übersicht zu den toxikologischen Kenndaten von Mikronährstoffen deutlich [vgl. Anlage 8, Tabelle 3-3, S. 63]. Das Risiko einer Überdosierung durch legal in Vertrieb befindliche Nahrungsergänzungsmittel ist bei sachgerechter Verwendung relativ gering, da inzwischen Empfehlungen bzw. Obergrenzen für die enthaltenen Vitamin- und Mineralstoffmengen bestehen, bei deren Überschreitung die Überwachungsbehörden bzw. Abmahnverbände entsprechend reagieren. Das BgVV hat im September 1998 eine Empfehlung22 21 Neben der Frage der Dosierung sollte bedacht werden, dass die Bioverfügbarkeit von isolierten Substanzen z. B. in Kapselform deutlich von der aus einer komplexen Mahlzeit abweichen kann. 22 Diese Angaben besitzen zwar keinen rechtsverbindlichen Charakter, werden aber juristisch vielfach als Referenz herangezogen. 14 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? herausgegeben, in der die maximale tägliche Zufuhrmenge an Vitaminen und Mineralstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln angegeben wird [vgl. Anlage 8, S. 64f, Tab. 3-4 und 3-5] [BgVV 1998]. Problematisch hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen ist die Verwendung von solchen Substanzen, bei denen bis heute relativ wenig über toxikologische Risiken bekannt ist. Hierzu gehören z. B. die sekundären Pflanzenstoffe, für die inzwischen zahlreiche protektive Effekte belegt sind oder diskutiert werden [Anlage 35, Watzl und Leitzmann 1999]. Bisher ist es allerdings zumeist nicht oder nur in Ansätzen möglich, die hierfür notwendigen Lebensmittelmengen zu benennen oder das „Wirkprinzip“ auf einzelne Inhaltsstoffe festzulegen. Entsprechend können keine Angaben zu protektiv wirksamen Aufnahmemengen gemacht werden [vgl. Anlage 14]. Zudem sind bei sehr hohen Dosierungen von einzelnen Substanzen im Tierversuch und in Zellkulturen auch unerwünschte Wirkungen aufgetreten, so dass Mengen, die über den üblichen Verzehrsmengen liegen, nicht in Nahrungsergänzungsmitteln eingesetzt werden sollten [vgl. Anlage 8, S. 65f]. Besonders schwierig zu definieren sind die Anforderungen an die Effektivität von Nahrungsergänzungsmitteln, da ein „Wirksamkeitsnachweis“ kaum zu erbringen ist. Die mögliche physiologische Bedeutung von Nahrungsergänzungsmitteln liegt in folgenden Bereichen [vgl. Anlage 18]: • Zusätzliche Zufuhr von Nährstoffen zum Ausgleich ernährungsbedingter Mangelsituationen und zur Ergänzung in Situationen mit erhöhtem Nährstoffbedarf. • Zufuhr von Nahrungsinhaltsstoffen zur Erhöhung des physischen und psychischen Wohlbefindens und/oder der Leistungsfähigkeit. • Zufuhr von Nahrungsinhaltsstoffen zur Gesunderhaltung / Prävention. Beim ersten Punkt muss berücksichtigt werden, dass eine ergänzende Nährstoffzufuhr dann besonders effektiv ist, wenn tatsächlich eine Mangelsituation vorliegt. Diese Risikogruppen sind jedoch schwer zu ermitteln. Es lassen sich zahlreiche Situationen definieren (z. B. chronische Erkrankungen), in denen NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 15 bestimmte Nährstoffe kritisch sein können [vgl. Übersicht in Anlage 8, S. 66ff]. Wie häufig eine marginale Nährstoffversorgung tatsächlich auftritt, ist allerdings in vielen Fällen nicht bekannt. Zumindest in der Durchschnittsbevölkerung finden sich nach den Daten der VERA-Studie selbst bei den als kritisch geltenden Nährstoffen wie Folsäure nur bei einem sehr geringen Anteil der Bevölkerung niedrige Messwerte, die auf eine unzureichende Versorgung23 hindeuten. Dieser Anteil wird beispielsweise bei Folsäure mit 3,8 %, bei Ascorbinsäure mit 6,7 % sowie bei β-Carotin mit 6,6 % der VERA-Stichprobe angegeben [Heseker et al. 1994b]. Klarer zu definieren sind Situationen eines erhöhten Bedarfs (z. B. Schwangerschaft und Stillzeit). Inwieweit eine Erhöhung des physischen und psychischen Wohlbefindens bzw. der Leistungsfähigkeit durch Nahrungsergänzungen zu erreichen ist, lässt sich nur schwer messen. In der Werbung mit Nahrungsergänzungsmitteln wird vielfach der Eindruck erweckt, dass Befindlichkeitsstörungen, Konzentrationschwächen, die Anfälligkeit für Erkältungen und andere unspezifische leichtere Beschwerden durch eine Nahrungsergänzung behoben werden können. Tatsächlich finden sich in der Literatur einige Hinweise, wonach die Immunfunktion [De la Fuente et al. 1998, Chandra 1992] und die kognitive Leistungsfähigkeit [Ortega et al. 1997, Riedel und Jorissen 1998, Launer und Kalmijn 1998] durch Vitamin- und/oder Mineralstoffgaben positiv beeinflussbar sind [vgl. auch Anlage 8]. Daher sollte auch im Rahmen der HANNA-Studie [vgl. Kapitel 2.4] untersucht werden, ob Effekte auf den Immunstatus und die kognitive Leistungsfähigkeit nachzuweisen sind. Der dritte Punkt greift den Aspekt Gesunderhaltung und Prävention auf. Hierbei muss allerdings hinterfragt werden, inwieweit epidemiologische Studienergebnisse, nach denen z. B. niedrige β-Carotinspiegel im Plasma das Krebsrisiko erhöhen, kausaler Natur sind und zu Supplementierungsempfehlungen führen können. So scheint β-Carotin eher einen Indikator für einen niedrigen 23 Die Festsetzung von Normwerten einer ausreichenden Nährstoffversorgung wird von verschiedenen Untersuchern höchst unterschiedlich gehandhabt [vgl. auch Kapitel 2.4.3.5]. Insofern ist die Prävalenz niedriger Versorgungsparameter ganz wesentlich von den verwendeten Grenzwerten abhängig. 16 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Gemüse- und Obstverzehr darzustellen [vgl. Anlage 8, S. 130]. Ein hoher Gemüse- und Obstverzehr kann aber aus verschiedensten Gründen (sekundäre Pflanzenstoffe, Ballaststoffe, geringere Fettaufnahme) mit einem erniedrigten Risiko für Tumoren assoziiert sein kann, so dass die alleinige Supplementierung von β-Carotin vermutlich nur geringe Wirkungen besitzt. Auch im Hinblick auf präventive Aspekte gilt, wie auch durch die Beobachtungen der Linxian-Studie nachgewiesen, dass eine Nährstoffergänzung in einem schlecht versorgten Kollektiv am effektivsten das Erkrankungsrisiko reduzieren kann [vgl. Anlage 18, Blot et al. 1993]. Allerdings kann sich zum Teil auch bei gut versorgten Kollektiven eine Verminderung von Risikofaktoren, z. B. des Homocysteinspiegels ergeben (vgl. Kapitel 2.4.3.6, S. 51). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die durchschnittlich praktizierte Ernährung ausreicht, um alle Nährstoffe in optimaler Menge zu liefern oder ob in Einzelfällen höhere Dosierungen wünschenswert wären. Während Anbieter von Supplementen und Functional Foods zur weitreichenden Ergänzung der Nahrung raten, wird von wissenschaftlichen Institutionen wie der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) lediglich eine Supplementierung bzw. Verwendung angereicherter Produkte für einzelne Nährstoffe (Folsäure, Jod) bzw. einzelne Bevölkerungsgruppen empfohlen [DGE et al. 2000]. Insgesamt ist die Datenlage über die Auswirkungen einer Supplementierung sehr lückenhaft. Ein Grund hierfür liegt in den rechtlichen Rahmenbedingungen: Wie in Fußnote 14, S. 8, angemerkt, sind gesundheitsbezogene Aussagen mit Lebensmitteln nur sehr eingeschränkt möglich. Entsprechend gering ist das Interesse der Hersteller, derartige Studien durchführen zu lassen. Hinzu kommt die Schwierigkeit, was als Messgröße herangezogen werden könnte. LangzeitInterventionsstudien zur Ermittlung der Morbidität und Mortalität und damit zum Nachweis möglicher präventiver Wirkungen bei Gesunden wären erstrebenswert. Sie sind aber – schon unter dem Kostenaspekt – kaum realisierbar. Der schnelllebige Markt für Nahrungsergänzungsmittel macht derartige Studien für die Anbieter auch unter dem Zeitaspekt wenig attraktiv, zumal eine Exklusivität für ein Produkt und ein dadurch zu erzielender Marktvorteil für ein Nährstoffpräparat nicht zu erreichen ist. 17 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Aber auch zu möglichen kurzfristigen Auswirkungen einer Gabe von Nahrungsergänzungsmitteln bei Gesunden ist kein Material verfügbar. Dies war der Ausgangspunkt für die in Kapitel 3.4 dargestellte Untersuchung, zumal viele Nahrungsergänzungsmittel einen unmittelbaren Nutzen zumindest suggerieren. Dass dies bei einer unbefriedigenden Ernährungssituation der Fall sein kann, ist evident. Unklar ist hingegen, inwieweit Personen, die sich vergleichsweise ausgewogen ernähren, hiervon profitieren könnten. 2.3 Verbraucherverhalten und Verbrauchererwartungen Nährstoffsupplemente werden in großer Vielfalt angeboten und erfreuen sich beim Verbraucher wachsender Beliebtheit. Aus Erhebungen ist bekannt, dass in Deutschland 18 bis 37 % der Bevölkerung diese Produkte mehr oder weniger regelmäßig verwenden. Bei diesen Zahlen ist allerdings zu berücksichtigen, dass aufgrund der im Kapitel 2.1 beschriebenen und für den Laien nicht transparenten Abgrenzungsprobleme zu Arzneimitteln viele Verbraucher nicht in letzter Konsequenz angeben können, ob das verwendete Präparat ein Nahrungsergänzungsmittel oder Arzneimittel ist. Eine von uns durchgeführte repräsentative Befragung in Niedersachsen ergab eine Einnahmeprävalenz von 36,1 % [vgl. Anlage 26]. Trotz einer eingeschränkten Vergleichbarkeit der verschiedenen Studien aufgrund abweichender Einteilung der Supplemente, Altersgruppen und vor allem Einnahmezeiträume zeigte sich übereinstimmend, dass Frauen diese Präparate häufiger verwenden als Männer und dass die Verwendung mit zunehmendem Alter ansteigt. Zudem belegen verschiedene Studien, dass der Konsum positiv mit einer höheren Schulbildung, einer gesundheitsbewussteren Ernährung und schon vorhandenen gesundheitlichen Problemen korreliert [vgl. Anlage 8, S. 28]. Verbraucher erhoffen sich von der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln vor allem einen verbesserten Krankheitsschutz oder möchten eine nach eigener Einschätzung unausgewogene Ernährung ausgleichen [vgl. Anlage 26]. Die Daten der Nationalen Verzehrsstudie und unsere in Niedersachsen durchgeführte Untersuchung haben gezeigt, dass bevorzugt Multivitaminpräparate konsumiert werden. Zudem nimmt die Mehrzahl der Konsumenten die Nährstoffsupplemente 18 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? regelmäßig ein. Als wichtigstes Kriterium beim Kauf der Produkte wird die Zusammensetzung erachtet [vgl. Anlage 26]. 2.4 Eigene Untersuchungen: Die Hannoversche Nahrungsergänzungsstudie (HANNA) Obwohl Nahrungsergänzungsmittel nicht nur in Deutschland, sondern weltweit in großem Umfang konsumiert werden, liegen, wie in der als Anlage 8 beigefügten Buchpublikation ausführlich dargestellt, nur wenig Daten aus Interventionsstudien vor. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob sich auch bei einer relativ guten Ernährungssituation Effekte von Nahrungsergänzungsmitteln ergeben. Nachfolgend werden die wesentlichen Ergebnisse der vom Verfasser dieser Arbeit initiierten, geplanten und maßgeblich durchgeführten Hannoverschen Nahrungsergänzungsstudie (HANNA) dargestellt, die versucht hat, hierauf erste Antworten zu geben24. Ebenso wie bei den Daten der Deutschen Vegan Studie (vgl. Kapitel 3.4) sollen auch hier nur die wesentlichen Ergebnisse kurz dargestellt werden25. Aus diesem Grund wird auch darauf verzichtet, das methodische Vorgehen, die Auswertestrategien und alle Ergebnisse im Detail zu beschreiben. Vielmehr sollen die grundsätzlichen Beobachtungen und Bewertungen dargestellt werden. Weitergehende Analysen, insbesondere zur Ableitung konkreter Empfehlungen, werden Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein. Neben einer übergreifenden Darstellung der Gesamtergebnisse wird am Beispiel von Thiamin detaillierter betrachtet, welche Auswirkungen eine Supplementierung bei gut versorgten Seniorinnen hat. Im Allgemeinen gilt die Thiaminversorgung bei älteren Menschen vor allem dann als kritisch, wenn eine einseitige Nahrungsauswahl 24 Die Studie wurde finanziell durch Industriemittel und eine Förderung der Stoll-VITA-Stiftung, Waldshut, ermöglicht. 25 Im Rahmen der Untersuchungen entstanden zwei Dissertationen, die sich mit speziellen Aspekten der umfangreichen Fragestellung beschäftigen [Hermann 2000, Wolters 2001]. Einige Teilergebnisse aus diesen vom Verfasser betreuten Arbeiten sind aus Gründen des Gesamtüberblicks über die Studie in die folgende Darstellung eingeflossen. Die Daten wurden allerdings vorher z.T. einer erneuten Auswertung und Bewertung unterzogen. 19 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? erfolgt und die Ernährung insgesamt unzureichend ist [Bässler et al. 1997, Volkert et al. 1990]. 2.4.1 Ziel der Untersuchung Ziel der Hannoverschen Nahrungsergänzungsstudie war es, die mögliche Bedeutung von Nährstoffsupplementen exemplarisch an einem Kollektiv sich überdurchschnittlich gut ernährender Frauen zu untersuchen. Die Untersuchung wurde als randomisierte, placebokontrollierte Doppelblind-Interventionsstudie nach den Qualitätskriterien der in den „Good clinical practices“ (GCP) festgelegten Kriterien für klinische Studien konzipiert und durchgeführt („Leitlinie zur guten Klinischen Praxis“: CPMP/ICH/135/95 [RiliBÄK 1988]. Dabei wurde der Einfluss der Supplementierung mit einem marktüblichen Multivitamin-/Mineralstoffpräparat (vgl. Tabelle 2) über sechs Monate auf den Ernährungsstatus, verschiedene funktionelle Parameter des potenziellen Krankheitsrisikos, auf immunologische Werte sowie auf die kognitive Leistungsfähigkeit eines Kollektivs von anamnestisch gesunden Frauen im Alter von ≥ 60 Jahren ermittelt. Zusätzlich wurden anthropometrische und sozio-ökonomische Daten sowie Daten zum Lebensmittelverzehr, zu den Ernährungsgewohnheiten sowie zum Gesundheitsstatus erhoben. Die untersuchte Gruppe stellt hinsichtlich Alter und Geschlecht die quantitativ bedeutendste Konsumentengruppe von Nahrungsergänzungsmitteln dar [vgl. Anlage 26]. 2.4.2 Material und Methoden 2.4.2.1 Probandinnen und Untersuchungsphasen Die freiwilligen Probandinnen wurden durch mehrfache Aufrufe zur Teilnahme in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung, der Hannoverschen Neuen Presse sowie kostenlosen Werbezeitungen in und um Hannover26 etwa fünf bis sechs Monate vor Studienbeginn rekrutiert. Von den insgesamt ca. 420 Interessentinnen 26 Die lokale Begrenzung auf den Großraum Hannover erfolgte aus logistischen Überlegungen. 20 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? konnten 241 in die Untersuchung einbezogen werden, die folgende Einschlusskriterien erfüllten: • Mindestalter 60 Jahre, • Anamnestisch gesund im Hinblick auf Erkrankungen mit Auswirkungen auf den Nährstoffstatus (z. B. Carcinome, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Diabetes mellitus), • Keine Einnahme von Arzneimitteln mit Einfluss auf die Nährstoffversorgung, • Verzicht auf den Konsum von Vitaminsäften und –präparaten ab acht Wochen vor und während der gesamten sechsmonatigen Interventionsphase, • Bereitschaft zur Teilnahme an allen Untersuchungen im Rahmen der Studie. Die Probandinnen wurden per Losverfahren der Verum- (n=121) bzw. Placebogruppe (n=120) zugeteilt. 17 Probandinnen brachen während des sechsmonatigen Studienverlaufs ihre Teilnahme ab bzw. mussten wegen auftretender Erkrankungen oder mangelnder Compliance ausgeschlossen werden. Von den zur zweiten Blutabnahme erschienenen 224 Studienteilnehmerinnen wurden im Nachhinein vier weitere ausgeschlossen, da sich herausstellte, dass sie während des Untersuchungszeitraums eine Vitamininjektion erhalten hatten. Insgesamt konnten somit die Daten von 220 Personen in die Auswertung einbezogen werden; 111 gehörten der Verum-, 109 der Placebogruppe an. Im Rahmen der Studie wurden folgende Erhebungsinstrumente verwendet: • Detaillierter Anamnesebogen zur aktuellen und zurückliegenden Krankengeschichte sowie Fragebogen zu sozio-demographischen und –ökonomischen Daten. • Ernährungstagebuch: Geschlossenes Schätzprotokoll zur direkten Erfassung des Lebensmittelverzehrs mit 142 Lebensmitteln bzw. Lebensmittelgruppen. Für die Auswertung wurde jeweils der Verzehr von drei aufeinander folgenden Tagen ausgewertet (darunter ein Tag des Wochenendes). Pro Probandin wurden jeweils zwei Ernährungstagebücher erhoben, einmal vor Beginn der Intervention (Oktober) und einmal am Ende der Interventionsphase (April), um eventuelle saisonale Schwankungen des Lebensmittelverzehrs zu erfassen. Als Basis des für die HANNA-Studie verwendeten Ernährungsprotokolls diente ein validiertes Protokoll [Hoffmann et al. 1994], das leicht modifiziert und nach einem PreTest an einer kleineren Gruppe von nicht an der Studie teilnehmenden über 60jährigen Frauen verwendet wurde. Die Nährwertberechnungen erfolgten mit dem Nährwertberechnungsprogramm „FOODOPT“ der Firma Albat + Wirsam, Linden, auf der Grundlage des Bundeslebensmittelschlüssels (BLS) Version II.2. Die ermittelten Daten wurden in das Statistikprogramm SPSS Version 10.0 aufgenommen. 21 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? • Blutentnahmen und anthropometrische Daten (einschließlich der Ermittlung der Körperzusammensetzung durch die Bioelektrische Impedanzanalyse) sowie die kognitiven Leistungstests wurden am Institut für Lebensmittelwissenschaft der Universität Hannover durchgeführt. Das Nüchternblut wurde direkt aufbereitet und am gleichen Tag den kooperierenden klinischen Labors an der Universität Gießen und am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Aerosolforschung, Hannover, überstellt. Die auf –18°C tiefgekühlten Proben für die Coenzym-Q10-Analytik wurden gesammelt und nach dem jeweiligen Untersuchungszeitraum zur Forschungsgesellschaft für Lungenund Thoraxerkrankungen (FILT GmbH) nach Berlin gebracht. Tabelle 1 zeigt die untersuchten Parameter. Die in Zusammenarbeit mit dem Institut für Medizinische Psychologie der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführten Tests zur Messung der kognitiven Leistungsfähigkeit werden im Kapitel 2.4.3.7 separat beschrieben. Tabelle 1: Untersuchte Parameter1 in der HANNA-Studie Untersuchter Bereich Parameter Blutbild Zahl der Erythrocyten, Leukocyten, Thrombocyten, Neutrophile, Eosinophile, Basophile, Monocyten, MCV, MCH, MCHC, Hämatokrit Fettstoffwechsel Triglyceride, Gesamtcholesterol, HDL-Cholesterol, LDL-Cholesterol Vitamine Plasmakonzentrationen an Cobalamin, Folsäure, Ascorbinsäure, β-Carotin, α-Tocopherol; erythrocytäre Aktivierungskoeffizienten als Versorgungsparameter für Thiamin, Riboflavin, Pyridoxin; Homocystein bzw. Methylmalonsäure als Versorgungsparameter für Folsäure bzw. Cobalamin Mineralstoffe Selen, Magnesium, Eisen, Transferrin, Hämoglobin Antioxidatives Potenzial FRAP-Test (Ferric Reducing Ability of Plasma), Aktivität der Glutathionperoxidase Immunologische Untersuchungen Interleukin-2-Rezeptor, Leukocytenzahl, Lymphocytenproliferationstest nach Mitogenstimulierung, Aktivität der Natürlichen Killerzellen Kognitive Leistungsfähigkeit Allgemeine Depressionsskala, Langform (ADS-L), Wechsler Adult Intelligence Scale (WAIS II) - Untertest „Symbol Search“, Kurztest für allgemeine Basisgrößen der Informationsverarbeitung (KAI), Mustererkennungstest zur Erfassung der Gedächtnisleistung Sonstiges Coenzym Q10, Bilirubin, Harnsäure, Gesamteiweiß 1 In Kapitel 3.4.3 werden nur ausgewählte Parameter dargestellt. Mit den aufgeführten Parametern wurden insbesondere die bei älteren Menschen kritischen Nährstoffe und funktionellen Risikoparameter untersucht. Zudem wurden solche Untersuchungen aufgenommen, mit denen viele Nahrungsergänzungsmittel, allerdings nicht das untersuchte Präparat selbst, direkt 22 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? oder indirekt beworben werden (z. B. verbesserte körpereigene Abwehr, Konzentration und geistige Leistungsfähigkeit). Auf eine Erhebung von Daten zu den Vitaminen Pantothensäure, Biotin, Niacin und Vitamin K wurde hingegen verzichtet. Diese Vitamine sind zwar Bestandteil einer Vielzahl von Nahrungsergänzungsmitteln, so auch des eingesetzten Präparates, die Versorgung mit diesen Substanzen kann in der Durchschnittsbevölkerung aber als gesichert gelten [vgl. Anlage 8]. Zudem ist ihre analytische Bestimmung extrem aufwendig27, so dass der Aufwand hierfür im Hinblick auf den (nicht) zu erwartenden wissenschaftlichen Nutzen nicht gerechtfertigt erschien. 2.4.2.2 Art des eingesetzten Supplements Die Untersuchungen wurden mit einem Nahrungsergänzungsmittel in Form einer Weichgelatinekapsel durchgeführt, das die in Tabelle 2 aufgeführten ernährungsphysiologisch bedeutsamen Bestandteile enthielt28. Die eingesetzten Placebokapseln waren in Form und Farbe absolut identisch, enthielten aber lediglich das zur Herstellung verwendete Trägeröl ohne Vitaminzusatz. Die Probandinnen wurden angewiesen, die Kapseln einmal täglich, zum Frühstück, einzunehmen. Die Dosierung des Supplements lag für die Vitamine etwa im Bereich des dreifachen Referenzwertes der DGE. 27 Mit dem Problem der Analytik von Biotin und Niacin beschäftigen sich zwei Publikationen, an denen der Verfasser dieser Arbeit beteiligt war [Stein et al. 1992, Stein et al. 1994]. Sie sind nicht als Anlage beigefügt, da sie in keinem thematischen Zusammenhang stehen. 28 Das eingesetzte Produkt ist eines der umsatzstärksten Präparate am Markt und als ein typischer Vertreter der Produktkategorie von Nahrungsergänzungsmitteln anzusehen, die mit einem relativ begrenzten Substanzspektrum, aber vergleichsweise hohen Dosierungen aufwartet. Dem gegenüber stehen die inzwischen ebenfalls weit verbreiteten Präparate mit einem sehr breiten Spektrum an Inhaltsstoffen und einer niedrigeren Dosierung („A-ZFormulierungen“). 23 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Tabelle 2: Zusammensetzung des Supplements und jeweiliger Referenzwert für die Nährstoffzufuhr der DGE [DGE et al. 2000] Inhaltsstoff Dosierung in 1 Kapsel DGE-Wert1 für Frauen der Altersgruppe 51 < 65 Jahre Vitamin E (TÄ2) 36 mg 12 mg β-Carotin 9 mg 2-4 mg Carotinoide Thiamin 2,4 mg 1,0 mg Riboflavin 3,2 mg 1,2 mg Pyridoxin 3,4 mg 1,2 mg Cobalamin 9 µg 3 µg 150 mg 100 mg Folat-Äquivalent 800 µg 400 µg Biotin 200 µg 30-60 µg Niacin 34 mg 15 mg Pantothensäure 16 mg 6 mg Magnesium 50 mg 300 mg Selen 60 µg (aus 60 mg Selenhefe)4 30-70 µg 30 mg keine Empfehlung Ascorbinsäure 3 Coenzym Q105 1 DGE-Zufuhrempfehlungen und –Schätzwerte für eine angemessene Zufuhr 2 Tocopherol-Äquivalent; 1 mg TÄ entspricht 1 mg RRR-α-Tocopherol 3 Nach neuer Definition entspricht 1 µg Folat-Äquivalent = 1 µg Nahrungsfolat = 0,5 µg synthetischer Folsäure (Pteroylmonoglutaminsäure) 4 Zu den Hintergründen des Einsatzes von selenhaltiger Hefe in Nahrungsergänzungsmitteln vgl. Anlage 8, S. 177 5 Coenzym Q10 (Ubichinon-50) ist eine den Vitaminoiden zuzurechnende, nicht zufuhressenzielle Substanz, die in zahlreichen Nahrungsergänzungsmitteln Verwendung findet und insbesondere als Antioxidans fungiert (vgl. Anlage 8, S. 187ff) 2.4.2.3 Untersuchungsmethodik Alle Untersuchungen (Vitaminparameter) wurden nach den Standardverfahren der Deutschen Gesellschaft für klinische Chemie bzw. dem Methodenhandbuch der VERA-Studie [Speitling et al. 1992] durchgeführt. Tabelle 3 Untersuchungsparameter sowie die jeweiligen Bestimmungsmethoden. zeigt die 24 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Tabelle 3: Klinisch-biochemische Blutuntersuchungen (soweit nicht anders angegeben, wurden die jeweiligen Parameter im Blutplasma gemessen) Parameter Methodik β-Carotin RP-HPLC mit UV-Detektion Vitamin A RP-HPLC mit UV-Detektion Vitamin E RP-HPLC mit UV-Detektion Folsäure Plasma und Erythrocyten: Chemolumineszenz-Messung Cobalamin Kompetitiver Immunoassay mit Chemolumineszenz-Messung Ascorbinsäure Photometrisch nach Umsetzung mit Dinitrophenylhydrazin Thiamin 1 Kompetitiver Immunoassay mit Bestimmung der Aktivität der Erythrocyten-Transketolase vor und nach Zusatz von TDP zur Ermittlung des Aktvierungskoeffizienten (α-ETK) Riboflavin1 Bestimmung der Aktivität der Erythrocyten-Glutathionreductase vor und nach Zusatz von FAD zur Ermittlung des Aktvierungskoeffizienten (α-EGR) Pyridoxin1 Bestimmung der Aktivität der ErythrocytenAspartataminotransferase vor und nach Zusatz von PALP (αEAST) Coenzym Q10 RP-HPLC mit Diodenarray-Detektion Magnesium Plasma und Erythrocyten: Photometrisch nach Umsetzung mit Xylidinblau Selen Atomabsorptionsspektrometrie mit Zeeman-Untergrundkorrektur Methylmalonsäure Gaschromatographie/Massenspektrometrie nach Silylierung Homocystein Immunoassay mit fluorimetrischer Messung Transferrin Immunochemisch mit spezifischen Antikörpern mit Nephelometer Glutathionperoxidase-Aktivität Gekoppelter photometrischer Test, Aktivität in Erythrocyten bezogen auf den Hämoglobingehalt Differenzialblutbild2 Vollblut: Automatisiertes Verfahren, vorwiegend Streulichtmessung im kontinuierlichen Durchfluss Ferritin Photometrisch als Ferrozin-Komplex Eisen Photometrisch nach Umsetzung mit Ferrozin Hämoglobin Vollblut: SLS-Hämoglobin Triglyceride Gekoppelter enzymatischer Test mit photometrischer Bestimmung Gesamtcholesterol Gekoppelter enzymatischer Test HDL-Cholesterol Homogener enzymatischer Farbtest LDL-Cholesterol Homogener enzymatischer Farbtest Atherogener Index Rechnerisch als Verhältnis der LDL- zur HDL-Konzentration über 25 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 1 Die Versorgung mit diesen Vitaminen wird auf Basis der Aktivierbarkeit von Enzymen gemessen, die Metaboliten des jeweiligen Vitamins als Cofaktor nutzen [vgl. VERAMethodenhandbuch, Speitling et al. 1992] 2 Erythrocyten, Leukocyten, Thrombocyten, Neutrophile, Eosinpophile, Basophile, Monocyten, MCV, MCH, MCHC, Hämatokrit. Diese Parameter wurden nicht im Hinblick auf die Fragestellung Nahrungsergänzungsmittel untersucht, sondern mit Blick auf die Ernährungssituation von Seniorinnen. Diese wird Gegenstand zukünftiger Arbeiten sein. Statistische Methodik Die Auswertung der Daten erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS für Windows, Version 10.0. Als statistische Kenndaten wurden, sofern nicht anders angegeben, der Median und als Streuungsmaß der 90 %-Wertebereich (5-95er Perzentile) angegeben, da die Werte häufig nicht normalverteilt waren. Auch als Durchschnittswerte gekennzeichnete Werte bezeichnen den Median. Zur Überprüfung von Hypothesen wurde bei gegebener Normalverteilung der t-Test für unabhängige Stichproben angewendet. Bei nicht gegebener Normalverteilung wurde der nichtparametrische U-Test nach Mann-Whitney für zwei unabhängige Stichproben verwendet. Die Nullhypothese wurde für die Testverfahren nur dann zurückgewiesen, wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit p ≤ 0,05 war. Eine Beurteilung, ob für den jeweiligen Wert eine Normalverteilung vorlag, erfolgte anhand der von Hecker [1997] angegebenen maximal zulässigen Schiefe bei definierten Stichprobenumfängen. Um abhängige Zeitpunkten) auf Normalverteilung Stichproben (gleiche Unterschiede der t-Test für zu Kollektive untersuchen, gepaarte zu zwei verschiedenen wurde bei gegebener Stichproben und bei nicht normalverteilten Daten der Wilcoxon-Test angewendet. Um Zusammenhänge zwischen zwei Parametern zu untersuchen, wurden unterschiedliche Korrelationen verwendet. Bei vorhandener Normalverteilung wurde der Pearson-Korrelationskoeffizient, bei nicht gegebener Normalverteilung der Spearman-Korrelationskoeffizient angegeben. NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 26 2.4.3 Ergebnisse und Diskussion 2.4.3.1 Altersverteilung und anthropometrische Daten des Kollektivs Das Mindestalter für die Teilnahme an der HANNA-Studie betrug 60 Jahre. Ein Höchstalter wurde nicht festgelegt. Abbildung 1 stellt die Altersverteilung der HANNA-Probandinnen dar. Zwischen der Verum- und der Placebogruppe bestand kein statistisch signifikanter Altersunterschied. Häufigkeit (Anzahl) 30 20 10 0 60 65 70 75 80 85 90 Alter bei der Basisuntersuchung Abbildung 1: Altersverteilung der HANNA-Probandinnen bei der Basisuntersuchung Die anthropometrischen Daten des Kollektivs zum Zeitpunkt der Erstuntersuchung sind Tabelle 4 zu entnehmen. Der Body Mass Index (BMI) ergibt sich als Quotient der Körpermasse [kg] und der Körpergröße [m2] und korreliert gut mit dem Körperfettanteil. Der BMI des Gesamtkollektivs lag bei 25,2 kg/m2 und damit in einem für ältere Menschen als normal angesehenen Bereich. 27 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Tabelle 4: Mittelwerte (Median) des Körpergewichts, der Körpergröße und des BMI zum Zeitpunkt T0 (Angaben in Klammern: 5-95 Perzentile) p1 Verumgruppe Placebogruppe n = 111 n = 109 63 (60-74) 64 (60-75) n.s. Körpermasse [kg] 68,0 (52,2-88,2) 69,0 (54,5-89,5) n.s. Körpergröße [m] 1,63 (1,54-1,74) 1,64 (1,55-1,74) n.s. 25,0 (20,0-33,1) 25,5 (20,4-33,0) n.s. Alter [Jahre] 2 BMI [kg/m ] 1 U-test nach Mann-Whitney bezogen auf Verum- und Placebogruppe 2.4.3.2 Schulbildung des HANNA-Kollektivs Erwartungsgemäß Probandinnen mit meldeten sich auf überdurchschnittlich die Aufrufe hoher zur Studienteilnahme Schuldbildung, die an ernährungswissenschaftlichen Fragestellungen besonders interessiert waren. Ein ähnlicher Trend wurde bereits in anderen Studien, wie der Gießener Seniorenlangzeitstudie (GISELA) [Gritschneder et al. 1998], festgestellt. Tabelle 5 zeigt den Anteil der Personen mit Realschulabschluss bzw. Hochschulreife unter den über 60-Jährigen in Deutschland, unter den HANNA-Probandinnen und unter den GISELA-Studienteilnehmern. Die HANNA-Probandinnen können daher nicht als repräsentativ für Seniorinnen in Deutschland angesehen werden, sondern ernähren sich vermutlich ausgewogener als der Durchschnitt. Dies war im Hinblick auf die Hauptfragestellung erwünscht, da die mögliche Bedeutung einer Nahrungsergänzung bei einem überdurchschnittlich gut ernährten Kollektiv untersucht werden sollte. Tabelle 5: Prozentualer Anteil der Personen mit Realschulabschluss und Hochschulreife Realschulabschluss (%) Hochschulreife (%) über 60-jährige Deutsche [Statistisches Bundesamt 1994] 13 8 HANNA-Kollektiv 42 22 GISELA-Kollektiv [Gritschneder et al. 1998] 32 23 28 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 2.4.3.3 Lebensmittelzufuhr der HANNA-Probandinnen Da sich zwischen den beiden zu Studienbeginn und Studienende erhobenen Ernährungsprotokollen keine Unterschiede ergaben, wurden die Daten zusammengefasst und hieraus die durchschnittliche (arithmetisches Mittel) tägliche Lebensmittelzufuhr errechnet. Die Daten zeigen, dass die HANNAProbandinnen eine überdurchschnittlich ausgewogene Kost verzehren. Abbildung 2 gibt eine Übersicht über die aus den Lebensmittelprotokollen ermittelten Lebensmittelmengen. 400 300 Mittelwert [g/d] 200 100 0 n ie re be ab iten Kn ke le g Ö ßi d Sü n u en tte ar Fe -w h nd sc Fi h u e sc kt ei du Fl ro -p er d Ei un h t ilc M itz rh t bs , e O se h ü o t em , r G se sam ü e em , g G se el ü itt em n G ffel hrm n ä e rto , N ar Ka ide ckw re B a et G nd u ot Br Abbildung 2: Lebensmittelverzehr des HANNA-Kollektivs Die DGE empfiehlt für eine ausreichende Nährstoffzufuhr eine tägliche Aufnahme von 200-250 g Obst sowie von 275 g Gemüse und Hülsenfrüchten einschließlich Salat [Kluthe et al. 1999]. Vor dem Hintergrund der aus epidemiologischen Erhebungen bekannten protektiven Wirkung eines höheren Gemüse- und Obstkonsums im Hinblick auf verschiedene Erkrankungen, vor allem Krebs, ist ein möglichst hoher Verzehr dieser Lebensmittel anzustreben. Wie Abbildung 2 zeigt, erreichten die Studienteilnehmerinnen im Durchschnitt die empfohlenen Mengen. 29 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Dabei wurden ca. 90 % des Obstes und ca. 40 % des Gemüses in roher Form aufgenommen, was wegen der Thermolabilität vieler Vitamine und sekundärer Pflanzenstoffe erstrebenswert ist. Der Verzehr von Milchprodukten wurde mit etwa 300 g/d berechnet und durch die Zufuhr von Milch, Käse (magere und fette Sorten), Quark und Joghurt erreicht. Die Verzehrsmengen lagen im Bereich der Ernährungsempfehlungen. Der Konsum von Brot war mit 175 g/d geringer als die Zufuhrempfehlungen der DGE (250350 g/d). Das Gleiche gilt für den Verzehr von Kartoffeln, von denen durchschnittlich nur 115 g/d konsumiert wurden. Die DGE empfiehlt für diese Lebensmittelgruppe eine tägliche Portion von 250-300 g bzw. alternativ die Aufnahme von Getreide und Nährmitteln, wie Reis und Nudeln, mit einer Portion von 75-90 g/d in roher Form (entsprechend 220-270 g gekocht). Die Aufnahme dieser Nährmittel betrug bei den HANNA-Teilnehmerinnen nur etwa 50 g/d. Die Verzehrsmengen an Fisch lagen unter den DGE-Empfehlungen, wonach 1-2 Portionen wöchentlich (pro Portion 150 g) konsumiert werden sollten [Kluthe et al. 1999]. Als günstig ist zu bewerten, dass die maximal empfohlene Aufnahme von 3 Eiern (ein Ei 55 g) pro Woche nicht erreicht wurde. Der Verzehr von Fetten und Ölen erfolgte äußerst sparsam und lag mit 20 g/d unter den maximalen Werten der DGE, welche höchstens 40 g/d an Streich- und Kochfetten vorsieht. Der Vergleich mit den in der VERA-Studie erhobenen Daten [Heseker et al. 1994a, S. 99] für Frauen im Alter der HANNA-Probandinnen zeigt, dass sich die Teilnehmerinnen unserer Untersuchung insgesamt stärker pflanzlich orientiert ernährten und deutlich weniger Fleisch- und Wurstwaren konsumierten. Insgesamt kann die Ernährung des HANNA-Kollektivs, beurteilt anhand der Lebensmittelzufuhr, als überdurchschnittlich gut angesehen werden. 2.4.3.4 Zufuhr an Energie und Nährstoffen Die Nährstoffzufuhr wurde auf Basis der beiden zu Studienbeginn und -ende geführten Ernährungsprotokolle ermittelt. Da hinsichtlich der Nährstoffzufuhr zwischen den beiden Protokollen kein signifikanter Unterschied bestand, wurden die durchschnittlichen Werte zusammengefasst. Aus Abbildung 3 wird ersichtlich, dass das HANNA-Kollektiv trotz der relativ ausgewogenen Lebensmittelauswahl 30 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? nicht die Empfehlungen für die Verteilung der Hauptnährstoffe erreichte. So lag der Anteil an Fett an der Gesamtenergiezufuhr zu hoch, der an Kohlenhydraten zu niedrig. Die Situation stellte sich aber günstiger dar als in der VERA-Studie, bei der in dieser Altersgruppe der Kohlenhydrat- und Fettanteil bei ca. 40 % der Energieaufnahme lag [Heseker et al. 1994]. Tabelle 6 zeigt die genauen Anteile der Hauptnährstoffe an der Energiezufuhr für die Verum- und die Placebogruppe der HANNA-Studie. Zwischen den beiden Subkollektiven bestand kein signifkanter Unterschied. DGE-Empfehlung Fett 30% HANNA-Kollektiv Alkohol 4% Protein 15% Protein 17% Fett 36% Kohlenhydrate 55% Kohlenhydrate 43% Abbildung 3: Prozentualer Anteil an Kohlenhydraten, Fetten, Proteinen und Alkohol an der Gesamtenergiezufuhr des HANNA-Kollektivs verglichen mit den Empfehlungen der DGE [DGE et al. 2000] 31 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Tabelle 6: Zufuhr von Energie und Hauptnährstoffen ermittelt aus den Ernährungsprotokollen (Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich zur DGE-Empfehlung DGE1 Verumgruppe Placebogruppe n = 108 n = 108 - 8,13 (5,59-11,41) 8,53 (5,92-11,72) n.s. > 50 43,7 (32,7-52,5) 43,4 (33,4-51,9) n.s. Brennwert Protein (% der Gesamtenergie) 15 16,7 (12,4-21,1) 16,8 (13,2-20,2) n.s. Brennwert Fett (% der Gesamtenergie) max. 30 34,9 (26,9-44,4) 35,7 (29,0-42,6) n.s. - 3,8 (0,0-10,5) 3,8 (0,0-11,2) n.s. Energie [MJ/d] Brennwert Kohlenhydrate (% der Gesamtenergie) Brennwert Alkohol (% der Gesamtenergie) p 1 Richtwerte für die prozentualen Anteile der Deutschen Gesellschaft für Ernährung [DGE et al. 2000] Aus den beiden Ernährungsprotokollen wurde außerdem die durchschnittliche tägliche Vitaminzufuhr errechnet (Tabelle 7). Dabei wurden nur die analysierten Vitamine und Magnesium berücksichtigt. Für Coenzym Q10 und Selen liegen keine Daten im Bundeslebensmittelschlüssel vor, so dass sich deren Zufuhr nicht ermitteln ließ. 32 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Tabelle 7: Durchschnittliche tägliche Vitamin- und Magnesiumzufuhr aus Lebensmitteln im HANNA-Kollektiv (n=220, Median, 5-95 Perzentile) verglichen mit den VERA-Probandinnen (Median, 2,5-97,5 Perzentile) und den DGEEmpfehlungen [Heseker et al. 1994, DGE et al. 2000] Vitamin- und Magnesiumzufuhr der HANNAProbandinnen Vitamin- und Magnesiumzufuhr der VERA-Probandinnen (55-64 Jahre)1 Empfeh lung2 Thiamin (mg) 1,3 (0,8-2,0) 1,1 (0,6-2,0) 1,0 Riboflavin (mg) 1,7 (1,1-2,6) 1,4 (0,6-2,6) 1,2 Pyridoxin (mg) 1,9 (1,2-3,3) 1,5 (0,7-2,7) 1,2 Cobalamin (µg) 4,5 (2,2-8,8) 4,7 (1,6-18,8) 3,0 Folsäure-Äquivalente (µg) 297 (189-526) 175 (74-305) 400 Ascorbinsäure (mg) 167 (89-304) 99 (28-231) 100 Tocopheroläquivalent (mg) 12,8 (7,4-20,3) 13,6 (7,2-28,1) 12 β-Carotin (mg) 6,2 (2,4-14,6) 1,5 (0,5-6,1) 2-4 Magnesium (mg) 404 (291-583) 311 (167-481) 300 Vitamin / Mineralstoff 1 Aufgrund der Altersverteilung des HANNA-Kollektivs mit dem größten Anteil an Probandinnen im Alter von 60-63 Jahren wurde die VERA-Gruppe von 55-64 Jahren als Vergleichsgruppe gewählt und nicht die Gruppe ≥ 65 Jahre. 2 Referenzwerte der DGE für Frauen (51- < 65 Jahre) [DGE et al. 2000] Tabelle 7 verdeutlicht, dass sich die im Vergleich zur VERA-Untersuchungsgruppe günstigere Lebensmittelauswahl des HANNA-Kollektivs auch in der Zufuhr an den untersuchten Nährstoffen niederschlägt. Der Median der Nährstoffaufnahme lag bei fast allen Nährstoffen im Bereich der Empfehlungen, teilweise sogar beträchtlich darüber. Lediglich bei Folsäure ergibt sich bereits auf den ersten Blick eine ungünstige Situation. Der Median lag mit 297 µg/d deutlich unter der aktuellen29 Empfehlung von 400 µg/d. 172 von 213 Frauen (81 %) wiesen eine Zufuhr unterhalb des empfohlenen Wertes auf. Obwohl die Situation bei den anderen Nährstoffen sehr viel günstiger erschien, darf auch ein über der Empfehlung liegender Durchschnittswert nicht darüber 29 Die bis Frühjahr 2000 gültige Empfehlung zur Folsäurezufuhr betrug 300 µg/d [DGE 1991]. Der Wert wurde bei der Neuformulierung der Referenzwerte [DGE et al. 2000] mit Blick auf eine Senkung des Homocysteinspiegels auf 400 µg/d angehoben. 33 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? hinwegtäuschen, dass ein Teil der Probandinnen nicht die empfohlene Nährstoffaufnahme erreichte. Dies gilt z. B. bei Thiamin (16 %, der Probandinnen), Ascorbinsäure (9,1 %), Riboflavin (9,1 %) sowie Cobalamin (11,8 %). Im Hinblick auf die mögliche präventive Wirkung eines guten Vitamin-E-Versorgungsstatus ist auch der Anteil von 41 % der Frauen, die den DGE-Schätzwert nicht erreichten, als ungünstig anzusehen. Besser war die Situation bei Pyridoxin. Hier unterschritten nur 2,7 % der Frauen die erwünschte Zufuhr. Auch bei β-Carotin kann die Zufuhrsituation als günstig beurteilt werden, insbesondere mit Blick auf die Ergebnisse der VERA-Studie. Der Schätzwert für ein adäquate Zufuhr von 2-4 mg wurde nur von drei Probandinnen (1,4 %) nicht erreicht. Beim Magnesium lag der Anteil bei 6 % der Studienteilnehmerinnen. Insgesamt wiesen die Teilnehmerinnen der HANNA-Studie eine überdurchschnittlich gute Ernährung auf. Die Probandinnen entsprachen somit dem Studienziel, die möglichen Auswirkungen einer Supplementierung bei Personen zu untersuchen, die den wissenschaftlich anerkannten Ernährungsratschlägen im Wesentlichen folgen. Nahrungszufuhr an Thiamin Der aus den Mittelwerten der beiden Ernährungsprotokolle ermittelte Median der Thiaminzufuhr der HANNA-Probandinnen lag bei 1,3 mg/d und damit im von der DGE empfohlenen Bereich. Die Verteilung der Häufigkeiten der Thiaminzufuhr stellt Abbildung 4 dar. Zwischen den beiden Ernährungsprotokollen im April und im Oktober bestand hinsichtlich der Thiaminzufuhr kein signifikanter Unterschied. Die VERA-Probandinnen im Alter von 55-64 Jahren wiesen mit 1,1 mg/d eine etwas geringere Thiaminzufuhr als die HANNA-Probandinnen auf [Heseker et al. 1994]. Obwohl die Zufuhr im Durchschnitt auf eine gute Versorgung schließen lässt, zeigte sich, dass 35 Frauen (16 %) unterhalb der DGE-Empfehlung lagen. Als gute Thiaminquellen in der Nahrung gelten Muskelfleisch, insbesondere vom Schwein, sowie Vollkornprodukte (vor allem Haferflocken), Hülsenfrüchte und Kartoffeln [DGE et al. 2000, S. 103]. Es ließen sich jedoch keine signifikanten 34 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Korrelationen zwischen der Lebensmittelzufuhr an Fleisch und/oder Getreidebzw. Vollkornprodukten und der Thiaminzufuhr nachweisen. 50 40 30 Häufigkeit (n) 20 10 Std.abw. = ,39 Mittel = 1,34 N = 213,00 0 63 3, 38 3, 13 3, 88 2, 63 2, 38 2, 13 2, 88 1, 63 1, 38 1, 13 1, 8 ,8 3 ,6 Thiaminzufuhr Abbildung 4: Thiaminzufuhr der HANNA-Probandinnen Die Thiaminzufuhr ist eng mit der Energieaufnahme verknüpft, da das Vitamin vorwiegend in energiereichen Lebensmitteln vorkommt. Nach den Daten der VERA-Studie erreichten Frauen eine Zufuhr von 1,1 mg/d bei einer Energieaufnahme von > 8,37 MJ [Heseker et al. 1994]. Diese Grenze der kritischen Energiezufuhr lässt sich bei den HANNA-Probandinnen auch für die etwas geringere Zufuhrempfehlung von 1,0 mg Thiamin bestätigen. So wiesen 34 der 35 Probandinnen mit einer Thiaminzufuhr von unter 1,0 mg/d eine Energiezufuhr von ≤ 8372 kJ/d auf. 35 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 2.4.3.5 Versorgungsstatus der Probandinnen bei der Basisuntersuchung Die Bewertung von Messgrößen der Nährstoffversorgung, hier insbesondere der Vitaminversorgung, gestaltet sich schwierig [Übersicht bei Heseker 1993]. Dies gilt sowohl für die Aussagekraft von Einzelmessungen als auch für die Festlegung von Referenzwerten. Hier besteht, im Gegensatz zu vielen anderen, lang etablierten Messgrößen der klinischen Chemie, eine erhebliche Unsicherheit, da umfangreiche internationale Daten zur Definition von Normbereichen bisher fehlen. Dies wurde auch bei der Analyse der Daten aus der HANNA-Studie evident. Im Allgemeinen wurden zur Bewertung (wie auch bei den Daten der Deutschen Vegan Studie, vgl. Kapitel 3.4.3.4) die vom jeweiligen Labor zugrunde gelegten Referenzwerte herangezogen. In der Literatur publizierte Daten zu solchen Grenzwerten variieren, so dass nicht von einem „richtigen“ Referenzwert ausgegangen werden kann. Neben den geschilderten Problemen ergibt sich bei vielen „Normwerten“ eine weitere grundsätzliche Frage: Unter präventiven Gesichtspunkten könnten für einige Nährstoffe höhere Plasmaspiegel als wünschenswert gelten als dies bisher der Fall war. Dies gilt insbesondere für Antioxidanzien [Übersicht in Anlage 8, S. 119ff], beispielsweise für Vitamin E, bei dem ein unterer Grenzwert von 30 µmol/l (1,29 mg/dl)30 (statt 17,4 µmol/l entsprechend 0,75 mg/dl) als präventiv diskutiert wird [vgl. Anlage 8, S. 118ff]. Gleichermaßen wurde für Ascorbinsäure eine Plasmakonzentration ≥ 50 µmol/l (≥ 0,88 mg/dl) (statt > 28,4 µmol/l entsprechend > 0,5 mg/dl) vorgeschlagen [Biesalski et al. 1995]. Auch für Selen gehen einige Autoren von höheren wünschenswerten Serumspiegeln im Bereich von 1,27-1,65 µmol/l (100-130 µg/l) aus [Schmidt und Bayer 1992]. Dieser Gesichtspunkt wird bei der kurzen Darstellung der einzelnen Substanzen noch einmal aufgegriffen. 30 In der klinischen Chemie werden Messwerte nach wie vor oft in der Dimension Masse/dl bzw. Masse/l angegeben. Dort wo sie häufig zu finden sind, werden sie teilweise in Klammern angeführt. 36 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Tabelle 8: Übersicht über den Versorgungsstatus des HANNA-Gesamtkollektivs mit Mikronährstoffen bei der Basisuntersuchung, Normbereich und Prävalenz niedriger Messwerte Versorgungsparameter Gesamtkollektiv (Median, 5-95 Perzentile, n) Normbereich1 Anteil der Probandinnen mit niedrigem Versorgungsstatus (%) Thiamin [α-ETK] 1,12 (1,04-1,26) n = 218 < 1,1 72 Riboflavin [α-EGR] 1,15 (1,02-1,36) n = 218 < 1,5 1,4 Pyridoxin [α-EAST] 1,54 (1,25-1,93) n = 218 < 1,8 12,8 Cobalamin [pmol/l] 267 (177-436) n = 214 111-664 0 Folsäure im Plasma [nmol/l] 19,26 (11,03-31,72) n = 212 6,80–45,31 0 Folsäure in Erythrocyten [nmol/l] 609 (356-976) n = 216 340 2,8 Ascorbinsäure [µmol/l] 103,9 (65,9-144,8) n = 207 > 28,4 0 Vitamin E [µmol/l] 34,60 (25,54-46,20) n = 218 17,4-53,4 <1 β-Carotin [µmol/l] 0,95 (0,36-2,34) n = 218 > 0,75 33 CIAVIT-Wert 3,39 (0,99-11,16) n = 206 nicht festgelegt - Coenzym Q10 [µmol/l] 0,99 (0,54-1,71) n = 216 0,92-1,37 40 Selen [µmol/l] 1,13 (0,85-1,54) n = 205 0,89-1,012 8 Magnesium im Serum [mmol/l] 0,86 (0,75-1,06) n = 219 0,7-1,05 0 Magnesium in Erythrocyten [mmol/l] 2,50 (1,70-3,50) n = 217 2,3-3,8 30 1 Normbereich: abgesehen von gekennzeichneten Ausnahmen wurden die vom jeweiligen Labor angegebenen Werte zugrunde gelegt. 2 Normbereich nach Letsche u. Schweinsberg 2000 Insgesamt wiesen die HANNA-Probandinnen bei den untersuchten Parametern einen relativ guten Versorgungsstatus auf (vgl. Tabelle 8). Die Prävalenz niedriger NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 37 Messwerte31 war bei Thiamin32 mit rund 70 % am höchsten. Auf eine weniger gute Versorgung deuten auch die Prozentzahlen bei Ubichinol und β-Carotin. Der gute Versorgungsstatus der HANNA-Probandinnen wird auch bei einem Vergleich mit dem VERA-Kollektiv deutlich. Tabelle 9 gibt eine Übersicht über die Versorgungsparameter der VERA- und HANNA-Probandinnen. Dabei zeigte sich anhand der Mediane eine bessere Versorgung der HANNA-Probandinnen vor allem bei Folsäure, Ascorbinsäure und β-Carotin, aber auch bei Riboflavin, Pyridoxin, Vitamin E, Selen und Magnesium. Ein geringfügig niedrigerer Status als im VERA-Kollektiv war lediglich beim Cobalamin festzustellen. Dies könnte auf einen geringeren Verzehr an Fleisch und Fleischwaren im HANNA-Kollektiv zurückzuführen sein, der nur etwa bei der Hälfte der von den VERA-Probandinnen aufgenommenen Menge lag [Heseker et al. 1994]. Interessanterweise war die Differenz der Cobalaminzufuhr trotz des deutlich geringeren Verzehrs an diesen Lebensmitteln nur unwesentlich niedriger (VERA-Kollektiv: 4,7 µg/d, HANNAKollektiv: 4,5 µg/d) (Tabelle 7). Daher muss als eine weitere Ursache der Differenz die etwas abweichende Altersstruktur angesehen werden. Die betrachtete VERAGruppe im Alter von 55-64 Jahren wies im Vergleich zum HANNA-Kollektiv mehr jüngere Frauen auf. Der schlechtere Versorgungsstatus könnte sich dadurch ergeben, dass die Cobalaminabsorption und damit der Versorgungsstatus im höheren Lebensalter häufig aufgrund von gastrointestinalen Problemen, wie z. B. atrophischer Gastritis, beeinträchtigt ist. Schätzungen gehen davon aus, dass 10-15 % der über 60-Jährigen einen suboptimalen Vitamin-B12-Spiegel aufweisen, ohne dass klassische Mangelsymptome auftreten [Baik und Russell 1999, Stabler et al. 1997]. 31 In Anbetracht der grundsätzlich schwierigen Bewertung ist es nicht angemessen, bei Unterschreiten des Normbereichs von einem Mangel an der jeweiligen Substanz auszugehen. Der niedrige Messwert ist vielmehr ein Indiz für eine marginale Vitaminversorgung, die sich langfristig durch unspezifische Mangelsymptome (insbesondere Beeinträchtigungen des psychischen Befindens und der Leistungsfähigkeit) bemerkbar machen kann. 32 Der hohe Anteil von Probandinnen mit marginalem Versorgungsstatus bedarf einer detaillierteren Betrachtung, da er sich im Wesentlichen durch den vom Labor fixierten Normbereich ergab (s. S. 40). 38 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Tabelle 9: Vergleich des Versorgungsstatus der HANNA- und der VERAProbandinnen Versorgungsparameter HANNAGesamtkollektiv (Median, 5-95 Perzentile, n) VERA, Frauen 55-64 Jahre1 (Median, 2,5-97,5 Perzentile, n) Thiamin [α-ETK] 1,12 (1,04-1,26) n = 218 1,10 (1,01-1,21) Riboflavin [α-EGR] 1,15 (1,02-1,36) n = 218 1,33 (1,08-1,65) Pyridoxin [α-EAST] 1,54 (1,25-1,93) n = 218 1,58 (1,26-1,92) Cobalamin [pmol/l] 267 (177-436) n = 214 280 (124-669) Folsäure im Serum [nmol/l] 19,26 (11,03-31,72) n = 212 13,0 (5,0-36,0) 609 (356-976) n = 216 n.b. Ascorbinsäure [µmol/l] 103,9 (65,9-144,8) n = 207 82,6 (32,9-119,2) Vitamin E [µmol/l] 34,60 (25,54-46,20) n = 218 34,2 (18,9-61,0) β-Carotin [µmol/l] 0,95 (0,36-2,34) n = 218 0,72 (0,25-2,08) CIAVIT-Wert 3,39 (0,99-11,16) n = 206 2,03 (0,16-15,12)2 Coenzym Q10 [µmol/l] 0,99 (0,54-1,71) n = 216 n.b. Selen [µmol/l] 1,13 (0,85-1,54) = 205 1,03 (0,75-1,41) Magnesium im Serum [mmol/l] 0,86 (0,75-1,06) n = 219 0,79 (0,64-0,97) Magnesium in Erythrocyten [mmol/l] 2,50 (1,70-3,50) n = 217 n.b. Folsäure in Erythrocyten [nmol/l] n.b. - nicht bestimmt 1 Aufgrund der Altersverteilung des HANNA-Kollektivs mit dem größten Anteil an Probandinnen im Alter von 60-63 Jahren wurde die VERA-Gruppe von 55-64 Jahren als Vergleichsgruppe gewählt und nicht die Gruppe ≥ 65 Jahre. 2 errechnet aus den Daten der VERA-Untersuchung [Heseker et al. 1994b] 39 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 2.4.3.6 Auswirkungen der Nährstoffsupplementierung auf den Versorgungsstatus und funktionelle Parameter Nachfolgend werden die Ergebnisse der Intervention zusammenfassend dargestellt. Am Beispiel von Thiamin sollen einige weitergehende Analysen erläutert werden. Sie bieten einen ersten Ansatz für zukünftige Arbeiten, die darauf abzielen, den potenziellen Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln in bestimmten Versorgungssituationen näher zu charakterisieren. Auf die Wiedergabe weiterer Details, insbesondere bei anderen Nährstoffen, wurde aufgrund des Überblickcharakters dieser Abhandlung verzichtet. Thiamin Thiamindiphosphat kommt aufgrund seiner Coenzymfunktion bei dehydrierenden Decarboxylierungs– und Transketolasereaktionen insbesondere für den Kohlenhydratstoffwechsel und die Energiebereitstellung große Bedeutung zu. Über die Funktionen Coenzymfunktion im hinaus Nervensystem besitzt [Haas Thiamintriphosphat 1988]. Ferner werden spezifische funktionelle Zusammenhänge zwischen dem Thiamin- und Acetylcholinstoffwechsel in cholinergen Nervenendigungen diskutiert sowie eine Rolle des Vitamins bei der Freisetzung des Neurotransmitters Acetylcholin [Gaßmann 1997]. Thiamin wird in niedrigen Konzentrationen aktiv (energie- und natriumabhängig), in höheren Dosierungen über einfache Diffusion absorbiert. Der aktive, carriervermittelte Transport ist bei intestinalen Konzentrationen von etwa 2 µmol/l gesättigt, so dass mit steigender Dosis der prozentuale Anteil an absorbiertem Thiamin abnimmt. Das in der Mucosa phosphorylierte Thiamin wird über die Pfortader zur Leber transportiert und liegt im Vollblut zu 75 % in den Erythrocyten, zu 15 % an Leukocyten, und zu 10 % im Plasma vor allem an Albumin gebunden vor [Bässler et al. 1997]. Trotz dieser Proteinbindung weist Thiamin eine sehr kurze Halbwertszeit von nur etwa einer Stunde auf und wird dann renal ausgeschieden [Weber und Krewitz 1985]. Die Thiaminspeicherkapazität des Organismus ist mit 4 bis 10 Tagen die niedrigste aller B-Vitamine [Gubler 1991], so dass einer kontinuierlichen Zufuhr für die Aufrechterhaltung der Körperbestände besondere Bedeutung zukommt. Da thiaminabhängige Enzyme NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 40 an der Bereitstellung von Energieäquivalenten beteiligt sind, ergibt sich eine positive Korrelation zwischen Energie- und Thiaminumsatz, so dass bei hohem Energieumsatz ein erhöhter Thiaminbedarf besteht [vgl. auch Anlage 8, S. 141ff]. Die empfohlene Thiaminzufuhr liegt für Frauen aller Altersgruppen bei 1 mg/d [DGE et al. 2000]. Zur Beurteilung des Thiamin-Versorgungsstatus wird üblicherweise nicht der stark zufuhrabhängige Plasmaspiegel des Vitamins herangezogen, sondern der Aktivierungskoeffizient der Thiamindipshosphat(TDP)-abhängigen erythrocytären Transketolase (α-ETK). Dieser errechnet sich als Quotient der Aktivität der Transketolase in der Probe nach Zusatz von TDP im Vergleich zur Aktivität des Enzyms ohne Zugabe von TDP zum Reaktionsansatz. Ist die Enzymaktivität durch die Thiamingabe deutlich aktivierbar, ist dies ein Zeichen für eine knappe Versorgungslage. Die Verringerung eines erhöhten Aktivierungskoeffizienten ist mit einer Verbesserung der Versorgungslage gleichzusetzen. Der Grenzwert, oberhalb dessen von einem niedrigen Versorgungsstatus ausgegangen werden kann, wurde vom kooperierenden Labor mit ≥ 1,1 angegeben. Dieser Wert wurde auch bei allen Auswertungen zugrunde gelegt. Die Auswertungen der VERA-Studie beziehen sich demgegenüber auf einen Grenzwert von ≥ 1,2. Welche Bedeutung diesem Unterschied zukommt, wird bei Betrachtung der Werte des HANNA-Kollektivs vor der Supplementierung deutlich (vgl. auch Tabelle 8, S. 36). Wird ein Grenzwert von 1,1 zugrunde gelegt, liegt die Prävalenz niedriger Messwerte im Gesamtkollektiv bei 72 %, bei einem Grenzwert von 1,2 nur bei 12,8 %. Die Grenzwertdiskussion soll nicht Gegenstand dieser Ausführungen sein. Die Daten legen aber zumindest nahe, diesen Bereich, in dem sich vor der Intervention 58,2 % der Probandinnen befinden, zu berücksichtigen. Gerade unter dem Gesichtspunkt, dass in der klinischen Chemie (vgl. auch Kapitel 4.7) ohnehin keine exakten Schwellenwerte zu formulieren sind, verdient der unscharfe Bereich (1,1 < α-ETK < 1,2) Beachtung. Tabelle 10 zeigt, dass die HANNA-Probandinnen bei der Basisuntersuchung im Durchschnitt geringfügig oberhalb des wünschenswerten Aktivierungskoeffizienten 41 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? lagen. Zwischen Verum- und Placebogruppe bestand zu diesem Zeitpunkt kein signifikanter Unterschied. Zwischen der Nahrungszufuhr an Thiamin und dem Versorgungsstatus zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung bestand keine signifikante Korrelation. Tabelle 10: Aktivierungskoeffizient der α-ETK zu beiden Untersuchungszeitpunkten Untersuchungszeitpunkt Verumgruppe Median, 5-95 Perzentile, n Placebogruppe Median, 5-95 Perzentile, n p1 Basisuntersuchung 1,12 (1,03-1,27) 1,14 (1,04-1,27) n.s. n = 110 n = 108 nach Supplementierung 1,07 (1,00-1,16) 1,13 (1,03-1,25) n = 111 n = 107 p < 0,01 n.s. p 2 p < 0,01 1 U-Test nach Mann-Whitney auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe 2 Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten Nach der Supplementierungsphase wies die Verumgruppe im Vergleich zur Basisuntersuchung einen signifikant niedrigeren Aktivierungskoeffizienten auf; der Median lag im wünschenswerten Bereich. Verum- und Placebogruppe unterschieden sich zu diesem Zeitpunkt signifikant (Abbildung 5). Die beobachtete Verbesserung des Versorgungsstatus spiegelt sich auch in der verminderten Prävalenz niedriger Messwerte nach Supplementierung wider. So wiesen vor der Intervention 156 der 218 Frauen (72 %) einen Aktivierungskoeffizienten ≥ 1,1 auf, nach der Supplementierung betraf dies nur noch 107 Frauen (49 %), von denen jedoch nur 26 der Verumgruppe angehörten. Dennoch reichte die verabreichte Thiamindosis, die mit 2,4 mg/d mehr als das Doppelte der DGE-Empfehlung lieferte, nicht aus, um den Aktivierungskoeffizienten aller Probandinnen auf einen Wert unter 1,1 zu bringen. 42 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 1,4 Aktivierungskoeffizient der alpha-ETK 1,3 1,2 1,1 1,0 Basisuntersuchung nach 6 Monaten ,9 N= 110 110 106 Verum 106 Placebo Abbildung 5: Aktivierungskoeffizienten der Erythrocyten-Transketolase vor und nach Supplementierung Der hohe Anteil an Frauen mit erhöhten Aktivierungkoeffizienten vor der Supplementierung von fast ¾ aller Probandinnen deutet auf eine relativ schlechte Versorgungssituation insgesamt hin. Dass mit einem höheren Lebensalter eine Verschlechterung des Thiaminstatus verbunden ist, zeigte sich auch in anderen Untersuchungen. So wiesen ältere Menschen unabhängig von Komorbiditäten signifikant niedrigere Thiamindiphosphatkonzentrationen auf als eine jüngere Vergleichsgruppe [Wilkinson et al. 2000]. Um zu überprüfen, inwieweit sich der Versorgungsstatus der Probandinnen vor der Supplementierung auf die Veränderung der Werte auswirkte, wurden die Aktivierungskoeffizienten der Verumgruppe vor der Supplementierung mit den Differenzen der jeweiligen Koeffizienten (α-ETKnach Intervention - α-ETKvor Intervention) korreliert. Dabei zeigte sich eine hochsignifikante Korrelation (r = 0,79; p < 0,01). Bei Probandinnen, die vor der Supplementierung einen höheren Aktivierungskoeffizienten und damit einen schlechteren Versorgungsstatus 43 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? aufwiesen, wurde demnach eine stärkere Verminderung des Aktivierungskoeffizienten erzielt als bei solchen, die ohnehin besser versorgt waren (Abbildung 6). r = 0,79 0,30 Diff alpha-ETK p < 0,01 0,10 $ $ $ $$ -0,10 $ $ $ $$ $ $ $ $ $ $ $ $ $$$ $ $$$ $ $$ $ $$ $ $ $$ $ $$ $ $ $ $ $ $ $ $$ $ $ $$ $ $ $$ $ $ $$ $ $ $ $$ $$ $ $$ $ $ $ $$ $ $$ $ $$ $ $ $$ $ $ $ $$ $ $ $ $$ $ -0,30 1,00 1,10 1,20 1,30 1,40 1,50 alpha-ETK zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung Abbildung 6: Korrelation zwischen α-ETK zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung und der Differenz der Werte (nach Supplementierung minus Basisuntersuchung) Die deutliche Statusverbesserung durch das Supplement zeigte sich auch nach Einteilung der Verumgruppe in 3 Klassen. Der Klasse 1 wurden alle Probandinnen mit einem Aktivierungskoeffizienten < 1,1 zugeordnet, die die beste Thiaminversorgung aufwiesen. In Klasse 2 wurden alle Probandinnen mit Aktivierungskoeffizienten von 1,1 bis < 1,2 und in Klasse 3 alle mit Werten ≥ 1,2 eingeteilt. 44 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Tabelle 11: Anzahl der Probandinnen in der Verumgruppe mit sehr gutem, grenzwertigem und schlechtem Thiamin-Versorgungsstatus vor und nach der Supplementierung Klasse 1 (AK < 1,1) Klasse 2 (AK 1,1 - < 1,2) Klasse 3 (AK ≥ 1,2) Anzahl (Prozent, gerundet)1 der Probandinnen vor der Supplementierung, Median des AK Anzahl (Prozent, gerundet)1 der Probandinnen nach der Supplementierung, Median des AK 33 (30,0 %) 85 (76,6 %) 1,08 1,06 64 (58,2 %) 24 (21,6 %) 1,14 1,13 13 (11,8 %) 2 (1,8 %) 1,24 1,21 1 Die Prozentzahlen geben den Anteil der Probandinnen an der Gesamtverumgruppe zum jeweiligen Zeitpunkt an, In der Literatur finden sich widersprüchliche Befunde zur Versorgungssituation mit Thiamin bei älteren Menschen. Übereinstimmend mit unseren Ergebnissen wiesen in einer kanadischen Untersuchung fast die Hälfte von 60 untersuchten Seniorinnen und Senioren im Alter von ≥ 65 Jahren, deren Nahrungszufuhr an Thiamin oberhalb der Empfehlung lag, Aktivierungskoeffizienten ≥ 1,14 auf, die in dieser Studie als Zeichen einer niedrigen Versorgung definiert wurden. Zudem fand sich auch hier keine Korrelation zwischen der Thiaminzufuhr mit der Nahrung und dem biochemischen Status [Nichols und Basu 1994]. Die Autoren schlussfolgern, dass die Nahrungszufuhr als Indikator für die tatsächliche metabolische Verfügbarkeit ungeeignet ist. In einer randomisierten, placebokontrollierten Untersuchung an 80 älteren Frauen, die in der Verumgruppe täglich 10 mg Thiamin erhielten, ergaben sich im Vergleich zur Placebogruppe signifikante Verbesserungen hinsichtlich des Wohlbefindens, der Müdigkeit sowie eine Steigerung des Appetits [Smidt et al. 1991]. Wie auch bei den HANNAProbandinnen festgestellt, beeinflusst die Versorgungssituation vor einer Supplementierung deutlich das Ausmaß der zu erwartenden Senkung des Aktivierungskoeffizienten. Dies zeigte sich auch in einer Untersuchung an 222 älteren Menschen ≥ 65 Jahren, deren erythrocytären Thiamindiphosphatkonzentrationen zweimal im Abstand von drei Monaten bestimmt wurden. 18 % wiesen nur bei der ersten, aber nicht bei der zweiten Messung niedrige 45 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Konzentrationen auf, während 16 % bei beiden Untersuchungen durch niedrige Messwerte auffielen. Nach oraler Supplementierung von 10 mg/d Thiamin ergaben sich nur bei denen, die bei beiden Untersuchungen niedrige Messwerte hatten, deutliche Verbesserungen der Werte [Wilkinson et al. 1997]. Auf einen unzureichenden Thiaminstatus insbesondere bei institutionalisierten älteren Menschen deuten Untersuchungen, in denen diese mit gesunden Senioren verglichen wurden. Während bei den gesunden Probanden keine Hinweise auf eine unzureichende Versorgung bestanden, wiesen die institutionalisierten Senioren sowohl eine geringere alimentäre Thiaminzufuhr wie auch biochemische Werte auf, die auf eine Mangelsituation schließen ließen [O’Rourke et al. 1990]. Bei der Beurteilung einer marginalen Thiaminversorgung sollte auch berücksichtigt werden, dass bei älteren Menschen insgesamt eine verminderte Aktivität der α-ETK vorliegt. So zeigten Untersuchungen, dass in der Zeitspanne zwischen dem 18. und dem 90. Lebensjahr eine statistisch signifikante Verminderung der Enzymaktivität um 25 % auftritt, die unabhängig vom Geschlecht und von Erkrankungen zu beobachten ist. Diese Verringerung besteht auch nach Thiamindiphosphatzugabe bei der Ermittlung des Aktivierungkoeffizienten, so dass der Aktivierungskoeffizient die altersbedingte Veränderung nicht widerspiegelt [Rooprai et al. 1990]. Kommt zu der altersbedingten Verminderung der Enzymaktivität ein unzureichender Versorgungszustand mit Thiamin hinzu, kann die Enzymfunktion hierdurch insgesamt gravierend reduziert sein. Riboflavin Zur Beurteilung Aktivierungskoeffizient des Riboflavin-Versorgungszustandes α-EGR, der sich als Quotient der diente der Aktivität der erythrocytären Glutathionreductase mit und ohne Zusatz von Flavin-AdeninDinucleotid (FAD) errechnen lässt. Als Normbereich werden Werte < 1,5 angegeben. Eine Verringerung des Wertes ist analog zu α-ETK mit einer Verbesserung des Versorgungsstatus gleichzusetzen. Die Versorgung der HANNA-Probandinnen mit diesem vor allem über Milch und Milchprodukte aufgenommenen Vitamin war bereits vor der Supplementierung sehr gut (Tabelle 8). Trotz der guten Versorgungssituation konnte nach der Supplementierung in der 46 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Verumgruppe eine signifikante Verminderung des Aktivierungskoeffizienten gegenüber der Basisuntersuchung und ein signifikant niedrigerer Wert verglichen mit der Placebogruppe beobachtet werden (Tabelle 12). Tabelle 12: Aktivierungskoeffizient der α-EGR zur Beurteilung der Vitamin-B2Versorgung zu beiden Untersuchungszeitpunkten Untersuchungszeitpunkt Verumgruppe Median, 5-95 Perzentile, n Placebogruppe Median, 5-95 Perzentile, n p Basisuntersuchung 1,15 (1,01-1,36) n = 109 1,16 (1,02-1,37) n = 109 n.s.1 nach Supplementierung 1,02 (1,00-1,10) 1,16 (1,00-1,35) p < 0,012 n = 111 n = 107 p < 0,01 n.s. p 3 1 t-Test auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe 2 U-Test nach Mann-Whitney auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe 3 Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten Bereits vor der Intervention überschritten im Gesamtkollektiv nur drei Probandinnen den wünschenswerten Aktivierungskoeffizienten von < 1,5, nach der Supplementierung lagen alle Frauen im Normbereich. Durch die Supplementierung konnte in der Verumgruppe zwar eine weitere Verbesserung der Situation erreicht werden, die aber ohne praktische Bedeutung ist, da auch vorher eine sehr gute Versorgungssituation festzustellen war. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Milch und Milchprodukte in der wünschenswerten Menge verzehrt wurden. Pyridoxin Auch der Pyridoxinstatus wurde anhand eines Aktivierungskoeffizienten (α-EAST) beurteilt. Hierbei diente die Aktivierbarkeit des Enzyms Aspartat-Aminotransferase in den Erythrocyten nach Zusatz von Pyridoxalphosphat (PALP) im Vergleich zur Messung ohne Coenzymzusatz als Messparameter. Werte über 1,8 können als Hinweis auf eine unzureichende Versorgung angesehen werden. 47 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung wiesen 87,2 % des Gesamtkollektivs einen α-EAST-Wert von < 1,8 auf, gleichbedeutend mit einer ausreichenden Versorgung; die Prävalenz erhöhter Messwerte lag bei 12,8 %. Der Median des α-EAST-Wertes betrug 1,54. Nach der Supplementierung lagen die α-EAST-Werte bei 89,4 % des Gesamtkollektivs unter einem Wert von 1,8. Allerdings hatte sich in der Placebogruppe eine nicht erklärbare Verschlechterung der durchschnittlichen Versorgungssituation ergeben, erkennbar an einem Anstieg des Medians von 1,56 auf 1,63 (Tabelle 13). Tabelle 13: Aktivierungskoeffizient der α-EAST zur Beurteilung der Pyridoxinversorgung zu beiden Untersuchungszeitpunkten Verumgruppe Median, 5-95 Perzentile, n Placebogruppe Median, 5-95 Perzentile, n p1 Basisuntersuchung 1,51 (1,25-2,05) 1,56 (1,21-1,93) n.s. n = 109 n = 108 nach Supplementierung 1,48 (1,32-1,77) 1,63 (1,37-1,98) n = 111 n = 107 p < 0,01 p < 0,01 Untersuchungszeitpunkt p 2 p < 0,01 1 U-Test nach Mann-Whitney auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe 2 Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten Insgesamt zeigte sich ein guter Versorgungsstatus der HANNA-Probandinnen mit Pyridoxin, der durch die Supplementierung noch geringfügig verbessert wurde. Wie im Falle von Thiamin wurde durch die Supplementierung nicht bei allen Probandinnen der Versorgungsparameter unter den kritischen Grenzwert gesenkt. Cobalaminstatus und Methylmalonsäure als Versorgungsindikator Die Cobalaminkonzentration im Serum spiegelt den Versorgungsstatus nur unzureichend wider, da davon ausgegangen wird, dass die Serumwerte im Anfangsstadium eines Mangels zu Lasten der Gewebespeicher konstant gehalten werden. Die Aussagekraft eines Cobalamin-Serumspiegels im Normbereich ist daher eingeschränkt. Der Normbereich ist weit gestreut und wurde vom Labor für NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 48 die verwendete Bestimmungsmethode mittels Chemilumineszenz-Immunoassay mit 111-664 pmol/l (150-900 ng/l) Serum angegeben33. Als Alternative zur Serumkonzentration wird diskutiert, ob im Mangel entstehende Metaboliten (wie Homocystein und Methylmalonsäure) als sensitivere Indikatoren des Versorgungsstatus herangezogen werden können. Zudem könnte eine Erhöhung des unteren Normwertes auf 258 pmol/l (350 ng/l) sinnvoll sein, da bei einem niedrigeren Minimalwert eine große Anzahl von Personen mit einem Defizit nicht diagnostiziert wird [Lindenbaum et al. 1990, 1994]. Weder bei der Basisuntersuchung noch nach der Supplementierung gab es Probandinnen, deren Cobalaminspiegel im Serum unterhalb des festgelegten Grenzwertes von 111 pmol/l (150 ng/l) lag. Wird jedoch der von Lindenbaum et al. [1994] für ältere Menschen festgesetzte Grenzwert von 258 pmol/l herangezogen, so lagen die Serumspiegel von 97 HANNA-Probandinnen (44,7 %) bei der Basisuntersuchung darunter. Nach der Supplementierung waren es noch 87 Frauen (39,7 %), die unter dem Grenzwert von 258 pmol/l lagen. 62 von ihnen gehörten der Placebogruppe an, 25 der Verumgruppe. Da es im Cobalaminmangel zu einem Anstieg von Methylmalonsäure (MMA) im Plasma kommt [vgl. Kapitel 3.4.3.6, S. 119), kann Methylmalonsäure als spezifischer Parameter für die Cobalaminversorgung herangezogen werden. Bei unzureichender Cobalaminversorgung kann Methylmalonyl-CoA nicht zu SuccinylCoA isomerisiert werden, so dass die Methylmalonsäurekonzentration im Plasma steigt. Aufgrund der hohen Sensitivität für die Diagnose eines Cobalaminmangels ist die Methylmalonsäurekonzentration als Indikator für ein frühes Cobalamindefizit besonders geeignet. So fanden Lindenbaum et al. [1994] bei etwa 40 % der über 70-Jährigen, deren Serum-Cobalaminspiegel unter 158 pmol/l (200 pg/ml) lag, erhöhte Plasmakonzentrationen. Zudem kann mit Hilfe der Methylmalonsäurewerte zwischen einem Folsäure- und einem Cobalaminmangel differenziert werden. Erhöhte Homocysteinspiegel 33 Zu den unterschiedlichen Normbereichen der Cobalaminversorgung s. auch Kapitel 3.4.3.6, S. 124. 49 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? können in einem Defizit an Folsäure, Pyridoxin und/oder Cobalamin begründet sein, während erhöhte Methylmalonsäurewerte spezifisch einen Cobalaminmangel anzeigen. Zwischen den Cobalaminspiegeln der Verum- und Placebogruppe zeigten sich bei der Basisuntersuchung keine signifikanten Unterschiede. Demgegenüber unterschieden sich die Gruppen nach der Supplementierung hoch signifikant: die Verumgruppe wies gegenüber der Placebogruppe einen um 28 % höheren Medianwert auf (Tabelle 14, S. 50). Wurde der Verlauf der Placebo- und der Verumgruppe separat untersucht, zeigte sich eine hoch signifikante Senkung der Serum-Cobalaminspiegel bei der Placebogruppe zwischen der Basis- und der Enduntersuchung. In der Verumgruppe wurde die Versorgungssituation signifikant verbessert. Dennoch lagen auch nach der Supplementierung die Messwerte von rund 23 % der Probandinnen der Verumgruppe unter dem als kritisch diskutierten Grenzwert. Hierbei muss aber berücksichtigt werden, dass die Gründe einer unzureichenden oder marginalen Cobalaminversorgung im Alter weniger in einer unzureichenden Zufuhr zu sehen sind als vielmehr in Verwertungsstörungen, z. B. durch einen Mangel an dem zur Absorption des Vitamins notwendigen IntrinsicFactors. In diesen Fällen ist entweder die parenterale Gabe des Vitamins notwendig oder die Verabreichung von Dosierungen von mehreren Hundert Mikrogramm des Vitamins zur parazellulären Absorption. Inwieweit derartige Störungen bei den Probandinnen vorlagen, kann nicht beurteilt werden. Aufgrund der Häufigkeit des Cobalaminmangels bei älteren Menschen wird inzwischen eine generelle Supplementierung mit Vitamin B12 empfohlen [Russell et al. 1999]. Als Normwert für die Methylmalonsäurekonzentration im Serum wurde der Bereich von 76-271 nmol/l (9-32 µg/l) zugrunde gelegt [Savage et al. 1994, Koehler et al. 1996]. Insgesamt lagen bei der Basisuntersuchung 89,8 % der Probandinnen innerhalb dieses Normbereichs. Nach der Supplementierung überschritten weniger als 1 % der Probandinnen der Verumgruppe und etwa 12 % der Probandinnen der Placebogruppe den Grenzwert. Nach der Supplementierung zeigte sich ein signifikanter Unterschied zwischen der Verum- und der Placebogruppe; die Werte der Placebogruppe lagen höher. Bei Betrachtung der Unterschiede zwischen den Untersuchungszeiträumen innerhalb der Gruppen wird deutlich, dass die Supplementierung in der Verumgruppe nicht zu einer 50 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? signifikanten Veränderung der MMA-Werte führte. Demgegenüber war in der Placebogruppe eine signifikante Zunahme zu verzeichnen34. Die Werte vor und nach der Supplementierung für beide Untersuchungsgruppen sind in Tabelle 14 dargestellt. Als positiver Effekt der Supplementierung kann die Beobachtung gewertet werden, dass bei Probandinnen der Verumgruppe, die bei der Basisuntersuchung die Normgrenze von 271 nmol/l Methylmalonsäure überschritten, eine Senkung in den Normbereich erfolgte. Insgesamt sind die Auswirkungen der Cobalaminsupplementierung mit 9 µg/d relativ gering. Es wird zukünftig zu klären sein, ob die Bioverfügbarkeit solcher Supplemente in der Praxis durch Verteilung auf drei Kapseln pro Tag verbessert werden kann. Tabelle 14: Cobalaminwerte [pmol/l] und Methylmalonsäurewerte (MMA) [nmol/l] zu beiden Untersuchungszeitpunkten Untersuchungszeitpunkt Verumgruppe Median, 5-95 Perzentile, n Placebogruppe Median, 5-95 Perzentile, n p1 Cobalamin bei der Basisuntersuchung 274 (173-474) 261 (182-400) n.s. n = 109 n = 105 Cobalamin nach Supplementierung 321 (205-537) 251 (162-379) n = 110 n = 106 p < 0,01 p < 0,01 MMA bei der Basisuntersuchung 164 (93-313) 159 (102-390) n = 109 n = 107 MMA nach Supplementierung 169 (104-247) 174 (100-353) n = 108 n = 107 n.s. p < 0,05 p 2 p2 p < 0,01 n.s. p < 0,05 1 U-Test nach Mann-Whitney auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe 2 Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten 34 Gegenstand weitergehender Analysen wird auch die Frage sein, welche Einflussfaktoren für die in der Placebogruppe beobachtete Verschlechterung verschiedener Parameter (u. a. PlasmaAscorbinsäure, Cobalamin, Homocystein) verantwortlich gewesen sein könnten. 51 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Folsäurestatus und Homocysteinspiegel im Serum Zur Bestimmung des Folsäurestatus wurde die Folsäurekonzentration sowohl in den Erythrocyten wie auch im Plasma gemessen. Der Plasmaspiegel stellt einen guten Parameter für die derzeitige Versorgungslage mit Folsäure dar, während der Folsäuregehalt im Erythrocyten als Langzeitparameter angesehen wird. Der Normwert der Erythrocyten-Folsäure liegt bei 340-1019 nmol/l (150-450 µg/l), der der Plasmafolsäure zwischen 6,8-45 nmol/l (3-20 µg/l). Einen sensitiven Indikator der Versorgungssituation mit den Vitaminen Folsäure, Cobalamin und Pyridoxin stellt auch Homocystein dar. Diese Aminosäure entsteht im Stoffwechsel aus Methionin und gilt bei erhöhten Serumwerten als Risikofaktor der Atherogenese, da Untersuchungen zufolge bereits bei einem leicht erhöhten Homocysteinspiegel das Risiko für Atherosklerose und koronare Herzerkrankungen steigt. Eine unzureichende Versorgung mit den am Stoffwechsel von Homocystein beteiligten Vitaminen führt zu einer Erhöhung der Aminosäure im Plasma [vgl. Anlage 8, S. 74ff und Kapitel 3.4.3.6]. Eine durch Supplemente bewirkte Senkung der Homocysteinkonzentrationen ist nach bisherigen Untersuchungen in erster Linie durch eine Folsäureverabreichung zu erwarten [Homocysteine Lowering Trialists Collaboration 1998, vgl. Anlage 8, S. 74ff]. Bei allen Probandinnen zeigte sich gemessen an den Normwerten sowohl im Plasma als auch in den Erythrocyten eine sehr gute Folsäureversorgung. Zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung lagen die Plasma-Folsäurewerte bei allen Frauen innerhalb der Norm und auch nur wenige Frauen wiesen einen Erythrocyten-Folsäurewert unterhalb des Normbereichs auf (Tabelle 8, S. 36). Während bei der Basisuntersuchung zwischen der Verum- und der Placebogruppe keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der erythrocytären Folsäurekonzentrationen festzustellen waren, wies die Verumgruppe geringfügig, aber signifikant, höhere Plasma-Folsäurespiegel auf. Nach der Intervention ergaben sich sowohl im Plasma als auch in den Erythrocyten in der Verumgruppe im Vergleich zur Placebogruppe signifikant höhere Werte (Tabelle 15). 52 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Tabelle 15: Plasma- und Erythrocyten-Folsäurestatus [nmol/l] und Homocysteinspiegel im Serum [µmol/l] zu beiden Untersuchungszeitpunkten Untersuchungszeitpunkt Verumgruppe Median, 5-95 Perzentile, n Placebogruppe Median, 5-95 Perzentile, n p Plasma-Folsäure bei der Basisuntersuchung 20,4 (12,5-34,4) 18,4 (10,4-30,1) p < 0,051 n = 109 n = 105 Plasma-Folsäure nach Supplementierung 58,9 (34,9-89,5) 18,6 (9,5-43,3) n = 110 n = 106 p < 0,01 p 2 p < 0,014 Erythrocyten-Folsäure bei der Basisuntersuchung 609 (353-1033) 612 (353-961) n = 110 n = 106 Erythrocyten-Folsäure nach Supplementierung 1298 (952-1760) 686 (392-981) n = 111 n = 106 p < 0,01 p 2 9,65 (6,86-14,15) 9,40 (6,30-15,90) n = 110 n = 109 Homocystein nach Supplementierung 8,20 (6,32-11,62) 10,10 (7,15-16,75) n = 111 n = 109 p < 0,01 p n.s.1 p < 0,011 p < 0,012 Homocystein bei der Basisuntersuchung 4 p < 0,011 n.s. 3 p < 0,013 p < 0,012 1 t-Test bei unabhängigen Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe 2 t-Test bei gepaarten Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten 3 U-Test nach Mann-Whitney zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe 4 Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten Wider Erwarten stiegen die Folsäurewerte nicht nur in der Verumgruppe an, sondern auch in der Placebogruppe zeigten sich nach der Supplementierung signifikant höhere Plasma- und Erythrocyten-Folsäurewerte als bei der Basisuntersuchung. Bei Betrachtung der prozentualen Erhöhung der Werte wird jedoch deutlich, dass der Anstieg in der Placebogruppe nur vergleichsweise gering ausfiel. So lag der Anstieg zwischen den beiden Untersuchungszeitpunkten bei der Folsäurekonzentration in Erythrocyten in der Placebogruppe nur bei rund 12 % gegenüber 113 % in der Verumgruppe. 53 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Die Homocysteinwerte im Serum der HANNA-Probandinnen lagen bei der Basisuntersuchung im Median bei 9,5 µmol/l und damit in dem als normal angesehenen Bereich zwischen 5,0 und 15,0 µmol/l [Verhoef et al. 1998]. Zu diesem Zeitpunkt bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Untersuchungsgruppen. Demgegenüber wies die Verumgruppe nach der Supplementierungsphase einen um 23 % signifikant niedrigeren Wert als die Placebogruppe auf. Diese hohe Differenz dürfte jedoch auch in einer Erhöhung der Homocysteinspiegel der Placebogruppe begründet sein, deren Werte sich vor und nach der Supplementierung signifikant unterschieden. Während die Verringerung des Homocysteinwertes innerhalb der Verumgruppe gegenüber den Ausgangswerten durchschnittlich bei 1,45 µmol/l (15 %) lag, war in der Placebogruppe eine Erhöhung um durchschnittlich 7,4 % zu verzeichnen (Tabelle 15). Nach der Intervention wiesen alle Probandinnen der Verumgruppe einen Homocysteinwert von höchstens 15 µmol/l auf. Da einige Autoren diskutieren, ob nicht sogar Homocysteinspiegel unter 10 µmol/l anzustreben sind [Gerhard und Duell 1999], ist die Erhöhung des Anteils der Frauen der Verumgruppe, die derartige Werte erreichten, von rund 56 % bei der Basisuntersuchung auf rund 84 % nach der Supplementierung als positiver Effekt der Intervention zu werten. Die Ergebnisse der HANNA-Untersuchung zeigen, dass die durchgeführte Vitamingabe nicht nur die Versorgung mit den Vitaminen Pyridoxin, Cobalamin und Folsäure bei den Teilnehmerinnen verbessert hat, sondern auch den Homocysteinspiegel deutlich senken konnte, obwohl die HANNA-Probandinnen zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung überwiegend eine zufrieden stellende Versorgung der drei Vitamine aufwiesen. Wurden die Probandinnen je nach Versorgungsstatus zu Beginn der Untersuchung in Klassen eingeteilt, zeigte sich sowohl bei α-EAST als auch bei den Serum-Cobalaminwerten und den FolsäureParametern, dass die am schlechtesten versorgten Klassen am stärksten von der Supplementierung profitierten, d. h. die deutlichste durchschnittliche Senkung des Homocysteinspiegels zu verzeichnen hatten. Dennoch profitierten auch Probandinnen der Verumgruppe mit normalen Blutparametern der Vitamine Pyridoxin (α-EAST-Wert > 258 pmol/l) und < 1,8), Folsäure Cobalamin (Cobalaminspiegel (Erythrocyten-Folsäure > 340 nmol/l) im Serum von der 54 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? ergänzenden Zufuhr. Obwohl der Homocysteinmedian dieser gut versorgten Probandinnen der Verumgruppe (n = 55) bei der Basisuntersuchung mit 9,1 µmol/l bereits in einer wünschenswerten Höhe lag, führte die Intervention zu einer weiteren Verringerung des Medians um 11 % auf 8,1 µmol/l [Hermann 2000]. Beeinflussung des Antioxidanzienstatus durch die Supplementierung Zahlreiche Studien haben belegt, dass ein unzureichender Versorgungsstatus mit antioxidativ wirksamen Nährstoffen das Risiko für bestimmte Erkrankungen, wie Atherosklerose, Tumoren, Maculadegeneration etc., erhöhen kann [Maxwell 1995]. Daher wurde im Rahmen der HANNA-Studie auch untersucht, wie Parameter des Antioxidanzienstatus durch die Supplementierung beeinflusst werden. Hierzu wurde der Status von lipidstandardisiertem35 Vitamine E, Ascorbinsäure, β-Carotin, Coenzym Q1036 sowie Selen ermittelt und als funktioneller Parameter am Ende der Intervention die Aktivität des selenabhängigen Enzyms Glutathionperoxidase in den Erythrocyten bestimmt. Darüber hinaus wurde der CIAVIT-Wert, das Produkt der molaren Konzentration an Ascorbinsäure, lipidstandardisiertem Vitamin E und β-Carotin ermittelt. Dieser Wert soll eine Gesamtbeurteilung des Antioxidanzienstatus ermöglichen. Da die antioxidative Wirkung der drei Substanzen durch Synergien gekennzeichnet ist, wird das Produkt und nicht die Summe der Werte zur Berechnung herangezogen [Gey et al. 1987]. Aus Tabelle 8, S. 36, wird ersichtlich, dass der Versorgungsstatus zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung relativ gut war. Dass ein hoher Anteil der Frauen den vom Labor angegebenen Normbereich bei β-Carotin unterschritt, dürfte auch in dem relativ hohen unteren Normwert von 0,75 µmol/l (40 µg/dl) begründet sein. 35 Die Spiegel an Vitamin E korrelieren in hohem Maße mit den Spiegeln an Cholesterol und Triglyceriden. Um hierdurch bedingte Fehlinterpretationen auszuschließen, wurden die Werte daher nach der von Heseker et al. [1993] beschriebenen und von Groeneveld [1994] modifizierten Methode lipidstandardisiert. 36 Der Stellenwert von Coenzym Q10 in der antioxidativen Abwehr wird kontrovers diskutiert [vgl. Anlage 8, S. 115 und S. 188]. Es ergeben sich aus heutiger Sicht aber synergistische Effekte zu Vitamin E, die zumindest eine weitere Betrachtung erwägenswert machen. 55 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Als präventiv werden bereits Werte oberhalb von 0,4 µmol/l (21 µg/dl) angesehen [Biesalski et al. 1995]. Einen Überblick über den Versorgungsstatus mit antioxidativ wirksamen Vitaminen, Coenzym Q10 sowie über die CIAVIT-Werte vor und nach der Supplementierung in beiden Subkollektiven vermittelt Tabelle 16. Wie aus der Tabelle ersichtlich, bestanden zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung bei keinem der betrachteten Parameter signifikante Unterschiede zwischen der Verum- und der Placebogruppe. Am Ende der Interventionsphase war mit Ausnahme von Ascorbinsäure bei allen Parametern in der Verumgruppe jeweils ein signifikant höherer Wert als in der Placebogruppe zu verzeichnen. Zudem ergab sich nach der Supplementierung ein signifikanter Anstieg gegenüber der Basisuntersuchung. Ascorbinsäure stellte in dieser Beziehung eine Ausnahme dar. Während die Werte der Verumgruppe sich zwischen den beiden Untersuchungszeitpunkten nicht signifikant unterschieden, war in der Placebogruppe eine signifikante Verringerung feststellbar. Diese könnte möglicherweise durch saisonale Schwankungen bedingt sein. Vor der Supplementierung wurde der als präventiv angesehene Vitamin-EPlasmaspiegel von 73,8 µmol/l (1,30 mg/dl) [Biesalski et al. 1995] von 21 % der HANNA-Probandinnen unterschritten, demgegenüber erreichten nach der Intervention alle Frauen der Verumgruppe diesen Wert. Die anhand des vom Labor angegebenen Normbereichs relativ schlechte Coenzym-Q10-Versorgung verbesserte sich durch die Intervention deutlich. So lagen vor der Supplementierung 39 % der Verumgruppe unterhalb des Normbereiches, am Ende der Interventionsphase traf dies demgegenüber nur noch für eine Probandin (< 1 %) zu. Welche Faktoren für den signifikant höheren Coenzym-Q10-Wert der Placebogruppe am Ende der Interventionsphase gegenüber der Basisuntersuchung verantwortlich sind, ist unklar. Im Vergleich zur Verumgruppe fiel der Anstieg jedoch deutlich geringer aus. 56 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Tabelle 16: Serumwerte von Ascorbinsäure [µmol/l], Vitamin E [µmol/l], β-Carotin [µmol/l], Coenzym Q10 [µmol/l] sowie CIAVIT-Werte zu beiden Untersuchungszeitpunkten Untersuchungszeitpunkt Verumgruppe Median, 5-95 Perzentile, n Placebogruppe Median, 5-95 Perzentile, n p Ascorbinsäure bei der Basisuntersuchung 102,8 (67,0-140,9) 103,9 (62,0-161,3) n.s.1 n = 103 n = 104 Ascorbinsäure nach Supplementierung 100,5 (69,9-136,9) 84,1 (42,6-129,5) n = 110 n = 107 n.s.2 p < 0,012 Vitamin E bei der Basisuntersuchung 34,83 (26,94-47,37) 34,60 (25,08-45,05) n = 110 n = 108 Vitamin E nach Supplementierung 40,40 (34,37-51,32) 33,67 (26,24-46,44) n = 111 n = 107 p < 0,012 n.s.3 β-Carotin bei der Basisuntersuchung 1,01 (0,36-2,34) 0,91 (0,35-2,49) n = 110 n = 108 β-Carotin nach Supplementierung 1,71 (0,77-3,77) 1,00 (0,46-2,04) n = 111 n = 107 p p p < 0,01 p 3 1,02 (0,54-1,94) 0,98 (0,55-1,62) n = 110 n = 106 Coenzym Q10 nach Supplementierung 1,98 (1,06-3,50) 1,31 (0,98-2,46) n = 110 n = 108 p < 0,01 p < 0,01 CIAVIT bei der Basisuntersuchung 3,48 (0,85-11,56) 3,20 (1,03-11,06) n = 103 n = 103 CIAVIT nach Supplementierung 7,24 (2,36-17,44) 2,66 (1,16-7,57) n = 110 n = 106 p < 0,013 p < 0,013 p n.s.1 p < 0,011 n.s.4 p < 0,014 n.s.3 Coenzym Q10 bei der Basisuntersuchung p p < 0,011 n.s. p < 0,01 n.s.4 p < 0,014 1 t-Test für unabhängige Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe 2 t-Test für gepaarte Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten 3 Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten 4 U-Test nach Mann-Whitney zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe 57 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Auch über den Schwellenwert einer ausreichenden Selenversorgung wird kontrovers diskutiert. Während der Normbereich von 0,89-1,01 µmol/l (70-80 µg/l) von vielen Autoren als adäquat angesehen wird [Letsche und Schweinsberg 2000], wird von anderen Autoren die zur Sättigung der GlutathionperoxidaseAktivität in den Thrombocyten notwendige Serumkonzentration von 1,27 µmol/l (100 µg/l) als untere Grenze betrachtet [Schmidt und Bayer 1992]. Diese wurde von rund 75 % der HANNA-Probandinnen unterschritten. Am Ende der Intervention lagen die Serumspiegel sowohl in der Verum- als auch in der Placebogruppe signifikant höher als vor der Supplementierung, allerdings war der Anstieg in der Placebogruppe nur gering und vermutlich auf saisonale Schwankungen zurückzuführen (Tabelle 17). Die Aktivität der erythrocytären Glutathionperoxidase wurde nur am Ende der Supplementierung bestimmt. Sie lag in der Verumgruppe signifikant höher als in der Placebogruppe und korrelierte bei ausschließlicher Betrachtung der Werte im Bereich bis 1,27 µmol/l positiv mit den Serum-Selenwerten. Eine Steigerung der Enzymaktivität bis zu dieser Serumkonzentration durch ergänzende Selengaben ist daher wahrscheinlich. Tabelle 17: Serum-Selenkonzentrationen [µmol/l] und Aktivität der erythrocytären Glutathionperoxidase (GPx) [U/g Hämoglobin] der Verum- und Placebogruppe Untersuchungszeitpunkt Verumgruppe Median, 5-95 Perzentile, n Placebogruppe Median, 5-95 Perzentile, n p Selen bei der Basisuntersuchung 1,13 (0,86-1,56) 1,13 (0,84-1,54) n.s.1 n = 103 n = 102 Selen nach Supplementierung 1,59 (1,34-1,86) 1,17 (0,87-1,49) n = 111 n = 108 p < 0,012 p < 0,053 25,47 (2,03-49,04) 23,43 (1,70-35,94) n = 107 n = 107 p GPx nach Supplementierung p < 0,011 p < 0,051 1 t-Test für unabhängige Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe 2 t-Test für gepaarte Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten 3 Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten 58 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Grundsätzlich zeigte sich bei Ascorbinsäure, Vitamin E und Selen, dass der Anstieg der Werte nach der Supplementierung umso höher lag, je schlechter der Ausgangsstatus der Probandinnen vor der Intervention war. Demnach profitieren schlechter versorgte Personen in höherem Maße, so dass die verabreichten Dosierungen auch bei schlechtem Versorgungsstatus als ausreichend erscheinen. Die Ergebnisse zeigen insgesamt, dass eine Supplementierung mit Ascorbinsäure, Vitamin E, β-Carotin, Coenzym Q10 und Selen in physiologischer Dosierung auch in einem relativ gut versorgten Kollektiv zu einer Verbesserung des Antioxidanzienstatus führt oder zumindest eine Reduktion der Serumspiegel wie bei Ascorbinsäure verhindert wird [Wolters 2001]. Magnesium in Plasma und Erythrocyten Als Normbereich für die Magnesiumkonzentration in den Erythrocyten wurden vom Untersuchungslabor 2,3-3,8 mmol/l angegeben. Im Serum werden Magnesiumwerte von 0,7-1,05 mmol/l als normal angesehen. Dies entspricht den in der Literatur zu findenden Angaben, wonach die Serum-Magnesiumwerte im Bereich von 0,65-0,88 mmol/l liegen [Olson 1999]. Da kurzfristige Schwankungen in der Magnesiumzufuhr durch eine vermehrte oder verminderte Ausscheidung über die Nieren korrigiert werden, eignen sich die Werte in den Erythrocyten zur Beurteilung der langfristigen Versorgung besser als Messungen im Serum. Während die HANNA-Probandinnen den Normbereich bei den Serumspiegeln im Durchschnitt erreichten, lagen die Erythrocytenwerte bei 30 % der Probandinnen unterhalb der Norm (Tabelle 8, S. 36). Zwischen den Serum- und ErythrocytenWerten fanden sich nach der Supplementierung zum Teil gegenläufige Veränderungen. In Tabelle 18 sind die Werte vor und nach der Intervention für beide Subkollektive dargestellt. Im Gesamtkollektiv wiesen die HANNA-Probandinnen zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung einen durchschnittlichen Serumwert von 0,86 mmol/l auf. Am Ende der Interventionsphase lag dieser Wert mit 0,85 mmol/l geringfügig, aber statistisch signifikant, niedriger. Verum- und Placebogruppe unterschieden sich bei der Basisuntersuchung nicht signifikant, nach der Supplementierungsphase lagen die Werte der Placebogruppe jedoch signifikant niedriger als die der 59 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Verumgruppe, wobei dieser Unterschied nicht auf einen Anstieg der Serumkonzentrationen in der Verumgruppe, sondern auf einen Abfall in der Placebogruppe zurückzuführen war. Die Veränderungen sind durch die vergleichsweise geringe Streubreite der Werte zwar signifikant, sollten aber wegen der absolut gesehen geringen Veränderung ebenso wie die Unterschiede zwischen Placebo- und Verumgruppe zum Zeitpunkt nach der Supplementierung nicht überbewertet werden. Die durchschnittliche Konzentration in den Erythrocyten unterschied sich zwischen der Verum- und der Placebogruppe zu keinem der Untersuchungszeitpunkte signifikant, obwohl der Median in der Verumgruppe nach der Intervention geringfügig höher lag. Tabelle 18: Serum- und Erythrocyten-Magnesiumkonzentrationen [mmol/l] zu beiden Untersuchungszeitpunkten Verumgruppe Median, 5-95 Perzentile, n Placebogruppe Median, 5-95 Perzentile, n p1 Serum-Magnesium bei der Basisuntersuchung 0,86 (0,76-1,00) 0,86 (0,74-1,13) n.s. n = 110 n = 109 Serum-Magnesium nach Supplementierung 0,86 (0,77-0,95) 0,84 (0,75-0,96) n = 111 n = 109 n.s. p < 0,01 Erythrocyten-Magnesium bei der Basisuntersuchung 2,40 (1,80-3,55) 2,50 (1,65-3,40) n = 109 n = 108 Erythrocyten-Magnesium nach Supplementierung 2,50 (2,06-3,14) 2,50 (2,10-3,20) n = 111 n = 108 n.s. n.s. Untersuchungszeitpunkt p2 p3 p < 0,05 n.s. n.s. 1 t-Test für unabhängige Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen Verum- und Placebogruppe 2 Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten 3 t-Test für gepaarte Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen den Untersuchungszeitpunkten Insgesamt kann aus diesen Ergebnissen gefolgert werden, dass die Supplementierung in Bezug auf Magnesium keine Effekte zeigte. Vermutlich ist die relativ geringe Dosierung des Supplements (50 mg) im Vergleich zur 60 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? durchschnittlich mit der Nahrung zugeführten Menge des Mineralstoffs zu niedrig, um Veränderungen zu bewirken. Das Beispiel Magnesium zeigt, dass im Hinblick auf die unter Kapitel 2.2 formulierten Qualitätskriterien zu fordern ist, für Nahrungsergänzungsmittel Mindestdosierungen an Verbrauchererwartung den ist jeweiligen darauf Inhaltsstoffen ausgelegt, mit festzulegen. dem Präparat Die einen gesundheitlichen Nutzen zu erzielen. Die bei der Mehrzahl der am Markt befindlichen Nahrungsergänzungsmittel zu findenden niedrigen Gehalte an Magnesium sind galenisch bedingt, da das hohe Molekulargewicht der zugelassenen Magnesiumsalze die Verwendung beschränkt. 2.4.3.7 Kognitive Leistungstests Defizite an Mikronährstoffen können neben der körperlichen auch die mentale Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. So zeigte sich in einer Studie, in der die Beziehung zwischen dem Ernährungsstatus und der kognitiven Funktion gesunder, älterer Menschen untersucht wurde, dass Senioren mit niedrigen Blutwerten an Cobalamin oder Ascorbinsäure schlechter in Tests zur Gedächtnisleistung und zum abstrakten Denken abschnitten [Goodwin et al. 1983]. Darüber hinaus wurden Assoziationen zwischen einem marginalen Versorgungsstatus mit den Vitaminen Thiamin, Riboflavin, Cobalamin bzw. Ascorbinsäure und vermehrter Depressivität, emotionaler Labilität und einer Beeinträchtigung des Kurzzeitgedächtnisses ermittelt [Chomé et al. 1986]. In einer anderen Studie ergab sich bei Personen zwischen 55 und 95 Jahren nach Korrektur der Daten um Alter, Bildung, Geschlecht, Rauchverhalten, Energieaufnahme und der Aufnahme anderer Antioxidanzien eine Assoziation zwischen einer niedrigen Zufuhr an β-Carotin und einer beeinträchtigten kognitiven Funktion [Warsama Jama et al. 1996]. Insbesondere Defizite an Folsäure können zudem zu Depressionen führen [vgl. Anlage 8, S. 51]. Im Rahmen der HANNA-Studie stellte sich die Frage, ob sich auch bei einer weitgehend ausgewogenen Versorgungssituation mit Mikronährstoffen Einflüsse auf die kognitive Leistungsfähigkeit ergeben können. Die hierzu notwendigen Untersuchungen wurden in Kooperation mit dem Institut für Medizinische 61 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Psychologie der Medizinischen Hochschule Hannover durchgeführt. Die Messung der Gedächtnis- und Konzentrationsleistung erfolgte über verschiedene Testverfahren und ausgewählte Untertests, die jeweils einen Faktor der kognitiven Leistungsfähigkeit widerspiegeln. Diese wurden folgendermaßen festgelegt: • Erfassung der allgemeinen Depressivität, • Erfassung der Konzentrationsleistung, • Erfassung der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, • Erfassung der Gedächtnisleistung. Die Untersuchungen wurden jeweils an den Terminen der Blutabnahme, d. h. zu Studienbeginn und Studienende mit jeder Probandin einzeln durchgeführt. Vor den Tests hatten die - nüchtern zu den Blutabnahmen erschienen - Probandinnen die Gelegenheit zu einem ausgiebigen Frühstück. Test zur Erfassung der allgemeinen Depressivität Die ADS-L (Allgemeine Depressionsskala, Langform), © 1993 Beltz Test Gesellschaft, dient zur Einschätzung der Befindlichkeit und der eventuellen Depressivität der Probandinnen. Es handelte sich um einen von den Probandinnen selbst auszufüllenden Fragebogen mit 20 Aussagen zum psychischen Befinden während der vorangegangenen Woche. Die Probandinnen sollten ihre emotionale Verfassung einschätzen und die Aussagen möglichst ehrlich beurteilen. Sie waren dabei weitestgehend unbeobachtet und ohne zeitliche Begrenzung. Die Auswertung der Fragebögen erfolgte mit Hilfe eines Punktesystems von 0-3, aus dem sich in der Formel zur Berechnung des Testwertes die Summe der "positiven" und „negativen“ Antworten ergab. Die Teilnehmerinnen erreichten in der Depressionsskala zum Zeitpunkt der Basisuntersuchung Werte zwischen 0 und 38 Punkten, wobei höhere Werte auf ein höheres Maß an Depressivität hindeuten. Es ließ sich anhand der Mittelwertvergleiche in beiden Gruppen eine statistisch signifikante Reduktion der Punktwerte in der Depressionsskala und damit der Depressivität zwischen den beiden Untersuchungszeitpunkten 62 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? nachweisen (p < 0,01). Zwischen der Verum- und der Placebogruppe bestanden jedoch keine signifikanten Unterschiede. Erfassung der Konzentrationsleistung Aus dem amerikanischen Konzentrationstest WAIS III (Wechsler Adult Intelligence Scale), © 1991 by The Psychological Corporation, Ruth, Adam, Leonard und David Wechsler, wurde der Untertest "Symbol Search" verwendet, bei dem innerhalb einer begrenzten Zeit identische Symbole identifiziert werden mussten. Je nach dem, ob das gefragte Symbol in derselben Zeile wiederkehrt bzw. es nicht oder nur in einem kleinen Detail abgewandelt erscheint, ist das „Ja“- bzw. das "Nein"-Feld anzukreuzen. Der Test gliedert sich in zwei Schwierigkeitsstufen und ist in der vorgegebenen Bearbeitungszeit von 120 Sekunden nicht vollständig zu bewältigen. Der Test erfordert ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Konzentrationsvermögen, so dass diese Parameter hiermit überprüft werden konnten. In der Auswertung wurde für jede richtige Antwort ein Punkt vergeben; die maximale Punktzahl betrug 60. Im Symbol-Search-Test Untersuchungszeitpunkten des ein WAIS wies besseres die Verumgruppe Ergebnis auf. zu beiden Nach der Interventionsphase war ein leichter Anstieg der erreichten Punktzahl sowohl in der Verum- als auch in der Placebogruppe zu verzeichnen, der in der Verumgruppe minimal, aber signifikant höher ausfiel (p < 0,01). Der Anstieg in beiden Subkollektiven kann als Indiz dafür gewertet werden, dass die Verbesserungen nicht durch das Supplement bedingt waren, sondern auf einen bei der wiederholten Messung auftretenden Lerneffekt zurückgeführt werden können. Erfassung der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit Der KAI (Kurztest für allgemeine Basisgrößen der Informationsverarbeitung) von Siegfried Lehrl diente zur Erfassung der geistigen Leistungsfähigkeit der Probandinnen. Mit dem Test werden folgende Aspekte erfasst: • die allgemeinen Basiskapazitäten der Informationsverarbeitung, 63 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? • Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (Ck), • Gegenwartsdauer (Tk), • als Produkt von 1 und 2: Kurzspeicherkapazität (Kk), • das aktuelle allgemeine (=globale) Intelligenzniveau (g-Faktor) (=IQ). Der KAI besteht aus den Untertests „Buchstaben lesen“ und „Zeichen nachsprechen“. Die Lesezeit wurde jeweils auf die Zehntelsekunde genau registriert und sollte die Maximalgeschwindigkeit des Informationszuflusses zum Kurzspeicher anzeigen (Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit). Der Untertest „Zeichen nachsprechen“ setzt sich wiederum aus den Komponenten „Zahlen nachsprechen“ und „Buchstaben nachsprechen“ zusammen. Den Probandinnen wurde eine Zahlen- bzw. Buchstabenreihe bestehend aus zunächst drei Zeichen vorgelesen, die sich schrittweise um ein Zeichen verlängerte, wobei jede Reihe aus neuen Zahlen oder Buchstaben bestand. Die einzelnen Zeichen wurden im Abstand von einer Sekunde vorgelesen, und die Reihen sollten im Anschluss sofort von der Probandin wiederholt werden. Das Verfahren „Buchstaben lesen“ misst die zentrale Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit (Ck), d. h. die Anzahl der Basic Periods of Processing/sec. Der Informationszufluss zum Bewusstsein entspricht dem Wert Ck beim Buchstabenlesen. Dieser Wert geht anschließend in die Berechnung der Kurzspeicherkapazität (Kk) mit der Einheit bit ein (siehe unten). „Zeichen-Nachsprechen“ wird als Überbegriff von Buchstaben- und ZahlenNachsprechen verwendet. Als Punktzahl gilt die Anzahl der Zeichen der längsten richtig wiedergegebenen Zeile. Wurde bei beiden oder einer der darauf folgenden gleich langen Zeilen nur die Reihenfolge der korrekt reproduzierten Zeichen vertauscht, wird zusätzlich ein halber Punkt vergeben. Die Leistungen im Zahlenund Buchstaben-Nachsprechen wurden gemittelt. Sie sollen ein Maß der Gegenwarts- oder Präsenzdauer (TR) sein. Diese kann als wichtige Komponente des allgemeinen (fluiden) Intelligenzniveaus aufgefasst werden, da sie Bestandteil der allgemeinen Basiskapazitäten der Informationsverarbeitung ist und daher Hinweise auf den Intelligenzquotienten liefert. 64 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Die Kurzspeicherkapazität (Kk) errechnet sich nach Frank [1960 a, b; 1969] aus der Multiplikation der beiden Basiskapazitäten, Informationszufluss zum Kurzspeicher/sec (=Ck) und Gegenwartsdauer TR aus dem Untertest ZeichenNachsprechen (Kk = Ck x TR (bit). Aus den Werten der Kurzspeicherkapazität lässt sich der Intelligenzquotient (IQ) ermitteln. So sind in einer Tabelle nach O. Kapoula Kk-Werten (in bit) die entsprechenden IQ-Punkte zugeordnet. Im Untertest „Buchstaben lesen“ war die Geschwindigkeit der Lesezeit entscheidend. Eine Reduktion der Punktzahl (Sekunden) wäre als Verbesserung der Leistung zu bewerten. Placebo- und Verumgruppe unterschieden sich beim Buchstaben-Lesen zu keinem Zeitpunkt statistisch signifikant voneinander. Zwischen den beiden Untersuchungszeitpunkten bestand allerdings ein signifikanter Unterschied: Beide Gruppen waren nach der Interventionsphase schneller als bei der Basisuntersuchung (p < 0,01). Bei den Untertests „Zahlen und Buchstaben nachsprechen“ bestanden weder vor noch nach der Supplementierungsphase signifikante Unterschiede zwischen den beiden Subkollektiven. Allerdings erreichten beide Gruppen bei der zweiten Untersuchung signifikant bessere Werte (p < 0,01). Auch hinsichtlich des aus den Kk-Werten berechneten Intelligenzquotienten ließen sich keine Effekte der Supplementierung ableiten. Wiederum zeigen sich leichte Verbesserungen der Ergebnisse in beiden Subkollektiven als Zeitpunkteffekt. Insgesamt sprechen auch diese Ergebnisse für Lerneffekte und nicht für Auswirkungen des Supplementes. Test zur Erfassung der Gedächtnisleistung Der Muster-Recognition-Test (Mustererkennungstest) aus dem Berliner AmnesieFragebogen mit Mustern von Warrington und James [1967b] diente der Überprüfung der Gedächtnisleistung mit Hilfe der Wiedererkennung von zuvor dargebotenen Mustern. Jeweils ein Muster sollte unter vier ähnlichen Mustern herausgefunden werden. Die Probandinnen erhielten einen Punkt für jedes richtig wieder erkannte Muster, insgesamt konnten maximal 10 Punkte erreicht werden. NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 65 Die Verumgruppe erzielte zu beiden Untersuchungszeitpunkten geringfügig bessere Wiedererkennungswerte als die Placebogruppe. In beiden Gruppen ergab sich ein leichter Anstieg in der Punktzahl bei der zweiten Untersuchung, der jedoch nicht statistisch signifikant war. Zusammenfassende Bewertung Bei allen Untersuchungsverfahren zur Messung der kognitiven Leistungsfähigkeit ergaben sich Unterschiede zwischen den Messungen vor und nach der Intervention. Diese waren aber in Verum- und Placebogruppe gleichermaßen zu beobachten. Ein Effekt des Nahrungsergänzungsmittels kommt somit nicht in Betracht. Es ist geplant, die umfangreichen Daten dieses Studienteiles daraufhin zu analysieren, inwieweit Beziehungen zwischen kognitiver Funktion und Versorgung mit bestimmten Nährstoffen bestehen. 2.4.3.8 Immunologische Parameter Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass zwischen dem Versorgungsstatus mit Mikronährstoffen und dem Immunsystem ein enger Zusammenhang besteht. Eine ausreichende Versorgung mit Mikronährstoffen gilt als Voraussetzung für ein intaktes Immunsystem. So konnten verschiedene Erhebungen belegen, dass neben Ascorbinsäure auch eine unzureichende Versorgung mit den Vitaminen A, Pyridoxin und Folsäure sowie mit Eisen, Zink und Selen immunologische Parameter negativ beeinflusst [Daniel und Benterbusch 1991, Lesourd 1999]. Insbesondere bei älteren Menschen, die häufig einen schlechteren Immunstatus aufweisen, ergaben sich Verbesserungen durch ergänzende Nährstoffgaben. So führte die Verabreichung eines Multivitamin-/Multimineralstoff-Präparates an gesunde ältere Probanden in einer placebo-kontrollierten Studie zu einer signifikanten Verbesserung immunologischer Parameter, wie der Interleukin-2Produktion und der Teilungsfähigkeit der Lymphocyten [Chandra 1992, Pike und Chandra 1995, vgl. Anlage 8, S. 72f]. Um zu überprüfen, ob die Supplementierung zu Veränderungen des Immunstatus der Probandinnen führt, wurden in Kooperation mit dem Institut für Toxikologie und 66 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Aerosolforschung immunologische der Fraunhofer-Gesellschaft Untersuchungen an einem in Hannover Subkollektiv verschiedene der HANNA- Probandinnen vorgenommen. Als Indikator des Immunsystems wurde der lösliche Interleukin-2-Rezeptor im Serum verwendet, der bei reduziertem Immunstatus vermindert ist. Subpopulationen Zudem wurden ermittelt die sowie Gesamtzahl im der Leucocyten und Lymphocyten-Proliferationstest die Teilungsfähigkeit nach Stimulation mit unterschiedlichen Mitogenen überprüft. Darüber hinaus wurde die Aktivität der Natürlichen Killerzellen erfasst. Die Ergebnisse zeigen, dass im Hinblick auf den Immunstatus keine Veränderungen auftraten, die auf einen immunstimulierenden Effekt des verabreichten Nahrungsergänzungsmittels hinweisen. Interleukin-2-Rezeptor Beim löslichen Interleukin-2-Rezeptor im Serum zeigte sich sowohl in der Verumals auch in der Placebogruppe ein ähnlich starker, signifikanter Anstieg vom November 1998 bis Mai 1999, der vermutlich durch saisonale Schwankungen bedingt war. So stieg der Mittelwert in der Verumgruppe von 29,9 pmol/l auf 48,5 pmol/l und in der Placebogruppe von 27,8 pmol/l auf 44,7 pmol/l an. Zwischen den beiden Subkollektiven waren keine statistisch verifizierbaren Unterschiede vorhanden. Lymphocytenproliferationstest Der Lymphocytenproliferationstest wurde mit drei verschiedenen Mitogenen durchgeführt (Concanavalin A, ConA; Phytohämagglutinin, PHA; Lipopolysaccharid, LPS), die zudem jeweils in unterschiedlichen Konzentrationen zugesetzt wurden. Die Ergebnisse lassen darauf schließen, dass das Supplement keinen Einfluss auf diese Parameter ausübte. So erwies sich die Proliferation bei Verum- und Placebogruppe in den meisten Ansätzen mit den T-Zell-Stimulatoren ConA und PHA nach der Interventionsphase als geringer. Zudem bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Der Zusatz von LPS, eines B-Zell-Aktivators, in zwei verschiedenen Konzentrationen ergab für die Verumgruppe zu beiden Untersuchungszeitpunkten eine annähernd gleiche 67 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? Lymphocytenproliferation, während in der Placebogruppe wiederum eine nicht signifikante Erhöhung auftrat. Aktivität der Natürlichen Killerzellen (NK) Die Aktivität der Natürlichen Killerzellen wurde ermittelt, indem diese Zellen zu Cr-51 markierten K562 Tumorzellen gegeben wurden. Nach einem 4-StundenCytotox-Assay wurde durch Messung im Gamma-Counter ermittelt, wie hoch der Anteil der durch die NK-Zellen lysierten Tumorzellen war. Sowohl in der Verum- als auch in der Placebogruppe war die NK-Aktivität nach der Supplementierungsphase im Vergleich zur Basisuntersuchung vermindert. Fazit aus den immunologischen Ergebnissen Durch die Supplementierung zeigte sich anhand der Messwerte keine Verbesserung des Immunstatus. Das Fehlen jeglicher Verbesserungen dürfte auf verschiedene Gründe zurückzuführen sein. Zum einen handelte es sich bei den Probandinnen um ein relativ gut versorgtes Kollektiv. Die Mehrzahl der Frauen war Anfang 60 und gesund, so dass noch von einem relativ guten Immunstatus auszugehen ist. Anhand der Literatur ist abzuleiten, dass eine Supplementierung bei einer schlechten Versorgungslage die Immunabwehr im Sinne einer Normalisierung verbessert. Bei einer ausreichenden Versorgung, wie im Falle des HANNA-Kollektivs führt die zusätzliche Gabe von Nährstoffen aber offenbar zu keiner weiteren Steigerung der immunologischen Kompetenz. Es ist von daher anzunehmen, dass nur ein schlechter versorgtes, älteres Kollektiv in dieser Hinsicht von der Supplementierung profitiert hätte. Dass sich im untersuchten Kollektiv keine Effekte ergaben, dürfte aber auch darauf zurückzuführen sein, dass keine (bekannte) immunologische Abwehrsituation vorlag. Ein alternativer Versuchsansatz könnte darin bestehen, das Immunsystem gezielt, z. B. durch eine Impfung, zu stimulieren. Auf dieses Vorgehen wurde aber wegen der hohen Kosten und aufgrund ethischer Bedenken verzichtet. Ein weiterer Aspekt ist das Fehlen von Zink in der verabreichten Nahrungsergänzung. Zink scheint aufgrund seiner Bedeutung für die Aktivierung 68 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? der T-Lymphocyten einen positiven Effekt auf die Immunantwort zu besitzen. Dies ergab sich beispielsweise in einer Studie mit 118 Bewohnern eines Altenheims, die eine Supplementierung von Vitamin A und Zink erhielten. Während Vitamin A eher negative Effekte auf die Immunantwort auslöste, ergaben sich durch die Zinksupplementierung Verbesserungen der zellvermittelten Immunreaktion [Fortes et al. 1998]. 2.5 Zusammenfassung Mit dem Griff zu Nahrungsergänzungsmitteln erhoffen sich viele Menschen, Gesundheit und Wohlbefinden zu erhalten und zu verbessern. Die zunehmende Verwendung von Supplementen geschieht primär nicht, wie oft angenommen, als Alibi für eine ungesunde Ernährung, sondern in Erwartung einer zusätzlichen gesundheitlichen Wirkung. Der Nutzen von Nahrungsergänzungsmitteln ist schwerlich zu beurteilen, da er meist weniger vom Produkt als solchem, als von der Lebenssituation des Verwenders abhängt. Während eine Reihe von Untersuchungen vorliegt, in denen gezeigt wurde, dass der Versorgungs- und Gesundheitsstatus von mangelernährten Personen durch eine Supplementierung deutlich verbessert werden kann, sind kaum Daten vorhanden, die es erlauben, eine Aussage über die möglichen Effekte bei gesunden, normal ernährten Menschen zu treffen. Dies gilt für unmittelbare, kurzfristige Wirkungen ebenso wie für einen eventuellen, sich langfristig zeigenden präventive Nutzen [vgl. Anlage 8]. Vielfach wird deshalb auch die These vertreten, dass derartige Präparate bei ausgewogener Ernährung nutzlos seien. Befürworter von Nahrungsergänzungsmitteln hingegen sind der Auffassung, dass zumindest in einigen Bereichen eine ausreichende wissenschaftliche Plausibilität für eine Supplementierung spricht. Einigkeit besteht im Wesentlichen nur bei einer ergänzenden Gabe von Folsäure und Jod, da beide Substanzen in der Allgemeinbevölkerung als kritische Nährstoffe anzusehen sind. Vor dem Hintergrund Nahrungsergänzungsmittel der oft schien polemisch es von geführten Interesse, die Diskussion über Wirkung eines 69 NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? handelsüblichen Präparates an einem sich gut ernährenden Kollektiv zu untersuchen. Die HANNA-Studie ist in dieser Hinsicht die erste Untersuchung, in der umfassende Daten zum Versorgungsstatus von gesunden Frauen vor und nach einer Supplementierung erhoben wurden. Das untersuchte Kollektiv älterer Frauen zeigte eine überdurchschnittlich gute Ernährung. Auffällig war, dass trotz der günstigen Lebensmittelauswahl und der den Empfehlungen entsprechenden Nährstoffzufuhr die Versorgung mit Nährstoffen zu Studienbeginn nicht in allen Bereichen optimal war. Durch die Supplementierung ergaben sich bei nahezu allen Nährstoffen in der Verumgruppe signifikante Verbesserungen des Versorgungsstatus, die sich zum Teil auch in einer erwünschten Modifikation funktioneller Parameter ausdrückten. In dieser Hinsicht erfüllen Nahrungsergänzungsmittel im Wesentlichen die an diese Produkte gestellten Anforderungen. In der Befindlichkeit der Teilnehmer (Ergebnisse nicht dargestellt), der Immunfunktion und der kognitiven Leistungsfähigkeit waren durch die Supplementierung hingegen keine Verbesserungen zu beobachten. Ob sich aus den über eine Normalisierung hinausgehenden Verbesserungen des Nährstoffstatus, insbesondere im Hinblick auf Antioxidanzien, und aus den übrigen Veränderungen ein langfristiger Nutzen für die Gesundheit ableiten lässt, kann nicht beurteilt werden. Langfristige Studien unter diesen Bedingungen wären erstrebenswert. Ihre Finanzierung und Durchführung ist aber, insbesondere vor dem bestehenden rechtlichen Rahmen für Nahrungsergänzungsmittel, für die Anbieter der Produkte nicht realisierbar. Der weiter wachsenden Nachfrage nach Nahrungsergänzungsmitteln sollte zukünftig sowohl lebensmittelwissenschaftlich, als auch rechtlich Rechnung getragen werden. Zum einen ist ein klar umrissener rechtlicher Rahmen erforderlich, der eine Definition der Produkte festlegt und dem teilweise zu beobachtenden Wildwuchs mit irreführenden Präparaten Einhalt gebietet [vgl. Anlage 8, S. 39ff]. Zum anderen darf das Thema auch von den lebensmittel- und ernährungswissenschaftlichen Institutionen nicht länger nur am Rande behandelt werden. Weitergehende Humanstudien zu den physiologischen Effekten von Nahrungsergänzungsmitteln sollten darauf abzielen, mögliche Zielgruppen für eine Supplementierung näher zu charakterisieren und herauszuarbeiten, bei welchen Substanzen dies von Nutzen sein könnte. NAHRUNGSERGÄNZUNGSMITTEL – GARANTEN FÜR MEHR GESUNDHEIT? 70 Definitive rechtliche Regelungen sind in Deutschland mit dem Hinweis auf schwebende Verhandlungen innerhalb der Europäischen Union kurzfristig nicht zu erwarten. Aus diesem Grund heraus wurde die „Würzburger Deklaration“ verfasst [vgl. Anlage 38]. Sie stellt den Versuch dar, als Orientierungshilfe einen Kriterienkatalog für Nahrungsergänzungsmittel zu fixieren. Inzwischen liegt ein auf Basis der Würzburger Deklaration mit der APV erarbeiteter Vorschlag einer Prüfrichtlinie für Nahrungsergänzungsmittel vor, mit dem ein Bewertungsraster geschaffen werden soll. Diese Ansätze stellen keine verbindlichen Lösungen dar, sie sollen aber zu einer Versachlichung des Themas beitragen. 71 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 3 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN? Wie auf S. 5, Punkt (d), dargestellt, ist die Hinwendung zu einer Alternativen Ernährungsform für viele Menschen eine mögliche Strategie, um die objektiv vorhandenen, aber auch die subjektiv empfundenen Ernährungs- und Gesundheitsprobleme zu lösen. Eine bereits 1991 durchgeführte Erhebung zeigt, dass viele Alternative Ernährungsformen weithin bekannt sind und auch praktiziert werden oder wurden. Wie dominierend dabei der Gesundheitsaspekt ist, unterstreicht die Tatsache, dass von 95,7 % der Befragten die Auffassung vertreten wurde, dies sei gesünder [vgl. Anlage 9, S. 161f]. Zunehmend spielen aber auch ethische Gesichtspunkte eine wichtige Rolle [vgl. Anlage 5, S. 18]. Alternative Ernährungsformen wurden von den lebensmittelwissenschaftlichen Disziplinen lange Zeit nicht beachtet oder sehr pauschal bewertet. Entsprechend lagen über viele Jahre gar keine oder nur rudimentäre Untersuchungsergebnisse zur Frage der Ernährungs- und Gesundheitssituation vor. Nach wie vor ist die Datenlage bei den meisten Alternativen Ernährungsformen absolut unbefriedigend. In den meisten Fällen liegen überhaupt keine Studien vor, so dass von ähnlichen Ernährungsformen vorliegende Daten extrapoliert werden müssen. Die als Anlage 2 und Anlage 5 zitierten Buchpublikationen stellen einen ersten Versuch dar, das vorhandene Material zusammenzufassen und zu bewerten. Bei den Vorarbeiten zu diesen Veröffentlichungen wurde deutlich, dass besonders zur veganen Ernährung derzeit kaum verlässliche Aussagen möglich sind. Im deutschsprachigen Raum existieren hierzu keine, international gesehen nur wenige Daten. Eine solche, rein pflanzlich ausgerichtete Kostform gewinnt für immer mehr Menschen an Bedeutung, die primär aus gesundheitlichen oder ethischen Gründen den Verzehr sämtlicher vom Tier stammender Lebensmittel ablehnen. Bisher liegen allerdings keine umfassenden Studien zu der Frage vor, wie sich die Ernährungs- und Gesundheitssituation der Veganer darstellt. Das bisherige Zahlenmaterial beschränkt sich im Wesentlichen auf Untersuchungen an kleinen Kollektiven. 72 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Im Folgenden soll Ernährungsformen zunächst eine vorgenommen Begriffsbestimmung und anschließend der das Alternativen Thema vegane Ernährung näher beleuchtet werden. In der in Kapitel 3.4 dargestellten Untersuchung wurde zudem versucht, der Frage nach dem Ernährungs- und Gesundheitsstatus von Veganern erstmals in einem größeren Kollektiv systematisch nachzugehen. 3.1 Definition und Einteilung Alternativer Ernährungsformen Unter Alternativen Ernährungsformen sind langfristig praktizierbare Ernährungsweisen zu verstehen, die von der derzeitigen Ernährung mehr oder minder abweichen Ernährungsformen [vgl. in Anlage 5, diesem S. 11 Sinne und sind 15]. Keine Diäten, Alternativen insbesondere zur Gewichtsreduktion (z. B. Psycho-Diät, Punkte-Diät), oder Ernährungskuren (z. B. Schroth-Kur, Mayr-Kur). Die Alternativen Ernährungsformen lassen sich entsprechend ihrer Entstehungsgeschichte in drei Gruppen einteilen (Tabelle 19) [vgl. Anlage 5, S. 16f]. Die überwiegende Mehrzahl der Alternativen Ernährungsformen ist holistisch orientiert und verfolgt neben gesundheitlichen Aspekten weitergehende Ziele [vgl. Anlage 4], wie persönliche Bewusstseinsentwicklung, soziale Gerechtigkeit, Erhaltung der Umwelt, Tierschutz [vgl. Anlage 3]. Hinzu kommen vielfach spirituelle Ziele [vgl. Anlagen 19, 20, 22, 23], auf die im Folgenden ebenso wenig eingegangen werden soll wie auf die philosophischen Wurzeln der verschiedenen Ernährungsweisen. Sie entziehen sich ebenso wie die Gründe zur Auswahl bestimmter Lebensmittel einer naturwissenschaftlichen Beurteilung. Aus lebensmittelwissenschaftlicher Sicht muss die Betrachtung auf die resultierende Ernährungs- und Lebensweise und ihre gesundheitlichen Auswirkungen reduziert werden. Selbst durch Ernährungsformen, die mit aus naturwissenschaftlicher Sicht nicht belegten oder sogar falschen Auffassungen argumentieren, kann in der Praxis – eine vielseitige Lebensmittelzusammenstellung vorausgesetzt – eine bedarfsdeckende Ernährung erreicht werden. Diese kann, obwohl nicht optimal, sogar der vorher praktizierten Ernährung überlegen sein. 73 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Tabelle 19: Einteilung der wichtigsten Alternativen Ernährungsformen [nach Anlage 5, S. 16f] Ursprung Antike Ursprung Reformbewegung Ursprung Moderne (mit älteren Wurzeln) Vegetarische Ernährung1 Anthroposophische Ernährungslehre2 Vollwert-Ernährung4 Ernährung im Ayurveda1 Waerland-Kost2 Vollwertkost nach Bruker4 Chinesische Ernährungslehre1 Hay´sche Trennkost2 Verschiedene Formen der Rohkost-Ernährung4 Mazdaznan-Ernährung1 Harmonische Ernährung3 Makrobiotik1 Schnitzer-Kost3 Evers-Diät3 Fit for Life3 Darstellung und Bewertung dieser Ernährungsformen: 1 : Anlage 19; 2: Anlage 20; 3: Anlage 22; 4: Anlage 23 Die am weitesten verbreitete Alternative Ernährungsform ist der Vegetarismus. Im von Pythagoras als Begründer des klassischen Vegetarismus37 ursprünglich geprägten Sinne des Wortes (von „vegare“ [lt.] = leben, wachsen) ist hierunter eine „lebende“ Ernährung zu verstehen. Dabei werden neben pflanzlichen Lebensmitteln nur solche Produkte tierischen Ursprungs verzehrt, die von lebenden Tieren stammen (Milch und Milchprodukte, Eier) [vgl. Anlage 2, S. 14]. Die Motive für eine vegetarische Ernährungsweise sind vielfältig [vgl. Übersicht in Anlage 2, S. 17ff], ebenso wie die von den Anhängern einer vegetarischen Ernährung verfolgten Ziele. Entsprechend existiert auch nicht die vegetarische Ernährung als eine homogene Ernährungsweise [vgl. Anlage 19]. Der Vegetarismus wird vielmehr einerseits „frei“ praktiziert, d. h. nach eigenem Ermessen umgesetzt, Ernährungsformen andererseits ebenfalls sind vegetarisch zahlreiche ausgerichtet andere (z. B. Alternative Mazdaznan- Ernährung, Waerland-Ernährung), ohne sich selbst als Vegetarismus zu interpretieren [Übersicht in Anlage 2, S. 20ff]. Es scheint deshalb auch unter dem Gesichtspunkt 37 der Verbreitung gerechtfertigt, den vegetarischen Große Teile der Menschheit haben sich über Jahrmillionen überwiegend oder ausschließlich vegetarisch ernährt bzw. tun dies noch heute. Dies war und ist aber primär eine Frage des Nahrungsangebotes. Der Grundstein für eine vegetarische Ernährung aus gesundheitlichen und ethisch-philosophischen Gründen wurde hingegen in der Antike gelegt. 74 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Ernährungsformen ein besonderes Augenmerk zu widmen und die nachfolgenden Ausführungen hierauf zu konzentrieren. Für eine lebensmittelwissenschaftliche Bewertung bietet es sich an, die verschiedenen Formen des Vegetarismus nach der Lebensmittelauswahl einzuteilen. Tabelle 20 gibt eine Übersicht über die Hauptformen des Vegetarismus [vgl. Anlage 3, Anlage 19]. In der Praxis existieren zudem zahlreiche Misch- und Übergangsformen. Von besonderem Interesse sind u. a. Personen, die sich überwiegend vegetarisch ernähren, also nur noch selten38 Fleisch verzehren. Diese Art der Ernährung wird beispielsweise von vielen Anhängern der Vollwert-Ernährung [vgl. Anlage 5, S. 150ff, Anlage 23] und zunehmend auch in der Durchschnittsbevölkerung praktiziert. Sie ist stark vegetarisch orientiert, vermeidet aber mögliche Schwachpunkte der vegetarischen Ernährung. Auch beim Übergang von lacto-(ovo-)vegetarischen zu veganen Ernährungsformen finden sich, wie die eigenen Untersuchungen [vgl. Kap. 3.4.3.1, S. 88] belegen, zahlreiche Personen, die sich als Anhänger des Veganismus sehen, aber nicht in letzter Konsequenz auf alle vom Tier stammenden Produkte verzichten. Ihre Ernährungsweise ist aber als annähernd vegan einzustufen. Tabelle 20: Formen vegetarischer Ernährung [vgl. Anlage 3, S. 111] Bezeichnung Meiden von* Veganer Alle vom Tier stammenden Lebensmittel (Fleisch, Fisch, Milch, Eier, Honig) Lacto-Vegetarier Fleisch, Fisch, Eier Ovo-Vegetarier Fleisch, Fisch, Milch Lacto-Ovo-Vegetarier Fleisch, Fisch * Bei allen Lebensmitteln sind auch die jeweils daraus hergestellten Produkte eingeschlossen Wie bei allen Alternativen Ernährungsformen liegen auch beim Vegetarismus keine genaue Zahlen darüber vor, wie viele Menschen diese Ernährungsweise 38 Das Kriterium „seltener“ Fleischverzehr ist schwierig zu erfassen, zumal es meist auf einer Selbsteinschätzung beruht. In wissenschaftlichen Untersuchungen wurden diese Personen teilweise fälschlich als „Vegetarier“ erfasst, wobei ihnen ein Verzehr von 2-3 Fleischmahlzeiten pro Monat zugestanden wurde. Leider weisen viele Untersucher nicht explizit auf diese Tatsache hin. ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 75 praktizieren. 1995 wurde davon ausgegangen, dass dies in Deutschland etwa 3,6 % der Bevölkerung waren, gleichbedeutend mit ca. 2,9 Millionen Menschen [vgl. Anlage 2, S. 13], darunter ca. 230.000 Veganer. Neuere umfangreiche Erhebungen liegen nicht vor, aber die Zahl dürfte zumindest temporär noch höher liegen39. Den weit überwiegenden Teil stellen dabei die Lacto-Ovo-Vegetarier, Ovo-Vegetarier sind eher selten zu finden. 3.2 Probleme bei der Bewertung Alternativer Ernährungsformen Die lebensmittel- und ernährungswissenschaftliche Beurteilung einer jeden Kostform kann auf Basis eines Kriterienkatalogs erfolgen, der zunächst die unmittelbaren physiologisch-biochemischen Kriterien berücksichtigt [vgl. Anlage 2, S. 49; Anlage 16]. Hierzu zählen insbesondere die Fragen nach der Sicherstellung der Nährstoffversorgung und der Erhaltung bzw. Verbesserung der Gesundheit. Mögliche weitere Aspekte (z. B. soziale, ethische, ökologische, ökonomische) spielen ebenfalls eine Rolle, in eine ernährungsphysiologische Bewertung sollen sie aber zunächst nicht einbezogen werden. Grundsätzlich gilt, wie in Kapitel 3.1 angeführt, dass es nie eine, alles umfassende und allgemeingültige Aussage geben kann, da die Umsetzung einer Ernährungsform in die Praxis und die daraus resultierenden Effekte in hohem Maße individuell sind. Verallgemeinernde Bewertungen sind deshalb nur eingeschränkt möglich so dass vegetarische Ernährungsformen daher per se weder als gesundheitsförderlich, noch als gesundheitsgefährdend bezeichnet werden können. Innerhalb (fast) jeder Form der Ernährung finden sich „gut“ und „schlecht“40 ernährte Individuen. Zudem muss 39 So ergab eine im Februar 2001 im Gefolge der TSE-Diskussion durchgeführte repräsentative Befragung, dass von 1057 Befragten 15 % auf Fleisch und Wurst, 9 % auf Fisch und 5 % auf Milchprodukte verzichten („Focus“ Nr. 10 vom 05. März 2001, S. 157) 40 Unter den Vegetariern wird dies besonders bei den „Pudding-Vegetariern“ evident. Menschen, die zwar keine Produkte von getöteten Tieren essen, stattdessen aber vermehrt auf fette und stark verarbeitete Lebensmittel zurückgreifen (z. B. Softgetränke, Pizza, Eiscrème). Dieses Verhalten ist insbesondere bei Jugendlichen zu finden. Eine derartige Ernährungsform zeigt alle Nachteile der üblicherweise zu findenden fett- und energiereichen Ernährung mit geringer Nährstoffdichte, ohne dass die potenziellen Möglichkeiten einer pflanzenbetonten Ernährung genutzt werden. Alle im Rahmen dieser Darstellung gemachten Ausführungen beziehen sich ausdrücklich nicht auf diese Personengruppen. 76 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? stets bedacht werden, dass derartige Daten nicht auf besonders vulnerable Personengruppen mit verändertem Nährstoffbedarf zu übertragen sind (z. B. Kinder, Schwangere, Stillende). Darüber hinaus muss berücksichtigt werden, dass zahlreiche Parameter des Ernährungs- und Gesundheitsstatus nicht nur durch die Ernährung selbst, sondern durch die gesamte Lebensweise beeinflusst werden. Es ist möglich, den Einfluss der verschiedenen Faktoren differenziert zu betrachten, was es auf Basis vieler Studienergebnisse langfristig ermöglicht, konkrete Empfehlungen zur Ernährung, Bewegung und zum sonstigen gesundheitlichen Verhalten abzuleiten. Allerdings sind Ernährung und sonstiges Gesundheitsverhalten immer eng miteinander verknüpft und sollten deshalb nicht nur voneinander losgelöst betrachtet werden. Bei der Beschreibung der Lebenssituation bestimmter Kollektive werden alle Faktoren zwangsweise mit erfasst, so auch bei den in der VERA-Studie erfolgten Untersuchungen zur Situation in der Durchschnittsbevölkerung. Im Hinblick auf vegetarische Ernährungsformen ergibt sich ein weiteres Problem: In zahlreichen Studien wurde nicht differenziert betrachtet, welche Form von Vegetarismus die Teilnehmer praktizierten. Die Ergebnisse wurden vielmehr als kennzeichnend für die vegetarische Ernährung angesehen. Diese Situation war ein weiterer Grund für die in Kapitel 3.4 dargestellten Untersuchungen. 3.3 Gesundheitliche Aspekte des Vegetarismus Insgesamt kann heute davon ausgegangen werden, dass eine vegetarische Lebensweise mit einem günstigen Gesundheitszustand einhergeht [detaillierte Übersicht in Anlage 2]. Umfangreiche epidemiologische Studien konnten belegen, dass sich dies langfristig in einer niedrigeren Prävalenz von Krebserkrankungen und kardiovaskulären Erkrankungen sowie einer niedrigeren Mortalität hieran bemerkbar macht [vgl. Anlage 2, S. 318ff, Mills et al. 1994, Key et al. 1996]. Vereinzelt existieren auch Hinweise auf eine niedrigere Inzidenz anderer Krankheiten, wie beispielsweise rheumatoide Arthritis. Dieser übergeordneten Betrachtungsebene zur Morbidität und Mortalität nachgeschaltet ist die Analyse der Nährstoffzufuhr und –versorgung sowie der 77 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? klinisch-biochemischen Risikoindikatoren. So leiden Vegetarier z. B. seltener unter Übergewicht und Hypertonie, zudem weisen sie durchweg niedrigere Blutcholesterolwerte auf. Für diese im Vergleich zu Nicht-Vegetariern insgesamt deutlich bessere Situation werden drei Faktoren verantwortlich gemacht [Willett 1999]: • die geringere Zufuhr von als ungünstig anzusehenden Nahrungsbestandteilen, • die erhöhte Aufnahme gesundheitsfördernder Substanzen, • Lebensstilfaktoren, wie eine geringe Prävalenz des Rauchens und verstärkte körperliche Aktivität. Die - auch agrarpolitisch brisante - Diskussion, welche Lebensmittel (und/oder welche Nahrungsbestandteile) in hohen Mengen als ungünstig anzusehen sind bzw. bei welchen unter Umständen eine erhöhte Aufnahme anzustreben ist, wird derzeit noch intensiv geführt und soll an dieser Stelle nicht näher beleuchtet werden. Es kann jedoch in jedem Fall davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse nicht nur für die vegetarische Ernährung von Bedeutung sein werden, sondern auch gesundheitspolitisch bedeutsame Empfehlungen für die Allgemeinbevölkerung hervorbringen. Im Folgenden soll nun die bei einer lebensmittelwissenschaftlichen Betrachtung im Vordergrund stehende Ernährungssituation von Vegetariern insgesamt auf Basis der vorliegenden Untersuchungen zusammengefasst werden [vgl. Anlagen 2 und 5]. Die Daten verdeutlichen, dass die empfohlene Aufnahme von Nahrungsenergie von Vegetariern seltener überschritten wird als im Bevölkerungsdurchschnitt. Entsprechend findet sich bei Vegetariern häufig ein niedrigeres Körpergewicht als bei sich durchschnittlich ernährenden Vergleichsgruppen. 78 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Bei den Kohlenhydraten schränken Vegetarier insbesondere die Zufuhr von Disacchariden zugunsten von Stärke ein und erreichen gleichzeitig eine höhere Ballaststoffzufuhr. Die Monosaccharidaufnahme ist durch den Obstverzehr demgegenüber meist überdurchschnittlich hoch. Mit der höheren Ballaststoffaufnahme ist eine erhöhte Phytinsäure-Zufuhr verbunden, wodurch die Absorption verschiedener Mineralstoffe verringert werden kann. In der Praxis spielt dieser Effekt aber offenbar keine Rolle, vor allem deshalb, weil Vegetarier insgesamt höhere Mineralstoffzufuhren erreichen. Auch bei der aufgenommenen Menge an Fett sowie der Fettsäurenzusammensetzung bestehen Unterschiede zu Mischköstlern. Zwar liegt die Fettaufnahme auch bei Vegetariern meist höher als empfohlen, allerdings immer noch günstiger als beim Bevölkerungsdurchschnitt. Da ein höherer Anteil des konsumierten Fettes pflanzlicher Natur ist, werden von Vegetariern verhältnismäßig mehr Mono- und Polyenfettsäuren zugeführt und relativ weniger gesättigte Fettsäuren. Arachidonsäure (C20:4), die nur in tierischen Fetten vorkommt, wird bei veganer Ernährung nicht zugeführt. Da sie aus Linolsäure gebildet werden kann und demnach nicht essenziell ist, scheint dies für Erwachsene kein Problem darzustellen. Bei Kindern von Vegetarierinnen, die pränatal einen Arachidonsäuremangel aufwiesen, wurden jedoch geringe Geburtsgewichte beobachtet. Setzt sich die Mangelsituation neonatal fort, ist ein vermindertes Hirnwachstum der Säuglinge (besonders bei gleichzeitig niedrigem Geburtsgewicht) die Folge. Ebenso kann eine Einschränkung der Lernfähigkeit und der visualen Funktionen in der weiteren Entwicklung ausgelöst werden. Die Zufuhr an Protein ist bei vegetarischen Ernährungsformen sehr variabel. Häufig wird weniger Protein aufgenommen als in der Durchschnittsbevölkerung, allerdings wird die empfohlene Zufuhr von 0,8 g/kg Körpergewicht [DGE et al. 2000] auch von Lacto-(Ovo-)Vegetariern durchweg überschritten. Bei veganen Ernährungsformen ist dies hingegen nicht grundsätzlich der Fall. Bei der überwiegend pflanzlichen Ernährungsweise im Rahmen des Vegetarismus ergeben sich aufgrund der niedrigen biologischen Wertigkeit pflanzlicher Proteine Abweichungen in der Zusammensetzung des Proteins. Trotz der geringeren Konzentration essenzieller Aminosäuren gilt deren Zufuhr aber selbst bei ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 79 extremen Ernährungsformen wie einer veganen Rohkost als gesichert [Strassner 1998]. Im Veganismus ist eher die insgesamt zu geringe Proteinaufnahme als Problem anzusehen. So liegt die Proteinzufuhr von Veganern teilweise deutlich unter der anderer Vegetariergruppen und verdient deshalb ein besonderes Augenmerk. Zwar kann sie für Erwachsene bedarfsdeckend gestaltet werden, allerdings ist dazu eine sorgfältige Nahrungszusammenstellung notwendig. Von einer veganen Ernährung von Kleinkindern und Kindern ist demgegenüber – nicht nur wegen der möglichen Proteindefizite, sondern auch aufgrund der oft marginalen Versorgung mit anderen Nährstoffen (z. B. Cobalamin, Calcium) – abzuraten. Bei der Aufnahme von Vitaminen erreichen Vegetarier in vielen Bereichen höhere Aufnahmen als die Durchschnittsbevölkerung, was sich auch im meist besseren Versorgungszustand widerspiegelt. So resultiert die Betonung pflanzlicher Lebensmittel in einer höheren Zufuhr von Ascorbinsäure, Tocopherol und Folsäure sowie bei einer Präferenz von Vollkornprodukten auch in einer höheren Zufuhr von Thiamin. Präformiertes Vitamin A wird in deutlich geringerer, aber je nach Art der praktizierten vegetarischen Kostform variabler Menge aufgenommen, während die Zufuhr an β-Carotin hoch ist. Dies ist nicht nur im Hinblick auf dessen Provitamin-A-Charakter von Bedeutung, sondern auch unter dem Aspekt der antioxidativen Eigenschaften des Carotinoids günstig zu bewerten41. Zu Niacin, Pantothensäure und Biotin existieren bisher keine Hinweise auf alimentäre Mangelerscheinungen bei Vegetariern. Die Versorgung mit diesen Vitaminen kann aufgrund ihrer weiten Verbreitung als gesichert gelten. Zufuhr und Versorgung mit Riboflavin sind bei lacto- und lacto-ovo-vegetarischer Ernährung ausreichend bis gut; bei veganer Lebensweise gestaltet sich die Bedarfsdeckung schwierig, da Milch und Milchprodukte als wesentliche Riboflavinquelle entfallen. Eine ausreichende Versorgung gilt jedoch als möglich. Bei Pyridoxin wird die empfohlene Zufuhr von Vegetariern nicht immer erreicht, teilweise aber auch überschritten. Die Versorgung wird im Allgemeinen aber als ausreichend erachtet. Die Zufuhr von Vitamin D ist bei vegetarisch lebenden Personen ebenso wie bei 41 Zur Diskussion über die präventiven Wirkungen von ß-Carotin vgl. Anlage 8, S. 129ff. ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 80 Nicht-Vegetariern niedrig. Veganer nehmen meist nur Spuren des Vitamins auf. Dennoch scheinen Mangelerscheinungen bei Erwachsenen selten, was sich auch anhand der guten Knochengesundheit dokumentiert. Möglicherweise spielt hierbei u. a. eine höhere endogene Synthese des Steroids durch vermehrten Aufenthalt im Freien eine Rolle. Stillenden ist bei veganer Ernährung jedoch dringend eine begleitende orale Supplementierung mit Vitamin D anzuraten, da bereits bei nichtvegetarisch lebenden Frauen der Vitamin-D-Gehalt der Muttermilch so niedrig ist, dass bei Säuglingen bei einer längeren Stilldauer – wie bei vielen Veganerinnen üblich – Rachitis auftreten kann. Ein Vitamin-D-Mangel geht außerdem mit einem verminderten Immunstatus (weniger immunaktive Zellen) einher. In Kombination mit einem Calciumdefizit kann es bei postmenopausalen Frauen zu einem erhöhten Osteoporose-Risiko kommen. Gegenstand intensiver Diskussionen ist die Zufuhr und Versorgung mit Cobalamin, da dieses Vitamin von Pflanzen nicht gebildet werden kann. Unter den üblichen Ernährungsgewohnheiten stellen Fleisch und Fleischwaren eine wesentliche Cobalaminquelle dar. Allerdings sind auch die in Milch und Milchprodukten enthaltenen Mengen offenbar ausreichend, um die Versorgung bei lacto-(ovo-)vegetarischer Ernährung sicherzustellen. So finden sich bei Anhängern dieser Ernährungsform im Vergleich zu Fleischessern zwar geringere, aber dennoch im Normbereich liegende Spiegel. Bei Veganern erweist sich die Versorgung hingegen als Problem. Dieser Aspekt ist in Kapitel 3.4.3.6, S. 119, dargestellt. Bedingt durch einen Vitamin-B12-Mangel tritt bei vegan ernährten Kindern häufig eine makrocytäre Anämie auf. Sind stillende Mütter Cobalamin-mangelversorgt, können bei den (Still-)Kindern schwere Hirnatrophien mit Tremor und irreversiblen neurologischen Schäden resultieren. Die Zufuhr von Mineralstoffen ist bei Vegetariern in einigen Bereichen günstiger zu bewerten als bei Mischköstlern, weist aber potenzielle Schwachpunkte auf. Zufuhr bzw. Versorgung mit Magnesium und Kalium als typischen pflanzlichen Inhaltsstoffen erreichen bei Vegetariern günstigere Werte als bei sich nicht vegetarisch ernährenden Vergleichsgruppen. Etwa in gleichem Umfang wie bei einer durchschnittlichen Mischkost werden Chlorid, Zink, Kupfer und Selen aufgenommen. Die empfohlene Zufuhr an Phosphor liegt niedriger als in der Durchschnittsbevölkerung, insgesamt aber noch relativ hoch. Die Zufuhr an Natrium ist oft geringer als bei Vergleichsgruppen, aber stark variabel. Mit einer 81 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? gering verarbeiteten veganen Kost können sich sehr geringe Zufuhren ergeben, bei lacto-(ovo-)vegetarischer Ernährung werden hingegen vor allem über Käse höhere Mengen des Mineralstoffs aufgenommen. Die meisten Vegetarier erreichen eine relativ hohe Eisenaufnahme aus Lebensmitteln wie Vollgetreide, Blattgemüse und angereicherten Lebensmitteln. Hierdurch wird die schlechtere Verfügbarkeit des aus Pflanzen stammenden ionischen Eisens teilweise kompensiert. Dies gilt insbesondere dann, wenn gleichzeitig viel absorptionsfördernde Ascorbinsäure aufgenommen wird. Biochemische oder klinische Anzeichen eines Eisenmangels sind bei Vegetariern entgegen oft geäußerter Auffassungen nicht häufiger zu finden als im Bevölkerungsdurchschnitt [vgl. Anlagen 29 und 30]. Allerdings sind die Eisenreserven in Form von Ferritin relativ gering, was sich in Zeiten eines erhöhten Eisenbedarfs, z. B. in der Schwangerschaft, negativ bemerkbar macht. Die bei einem Teil der sich vegetarisch ernährenden Frauen zu beobachtende unbefriedigende Versorgung mit Eisen ist weniger ein Problem der vegetarischen Ernährung, sondern vielmehr auf die Eisenverluste durch die Menstruation zurückzuführen [vgl. Anlage 2, S. 214ff und Anlage 9]. Insgesamt verdient die Eisenversorgung aber ein besonderes Augenmerk. Auch Calcium gilt als kritischer Nährstoff in der Gesamtbevölkerung. In der Regel ist die Versorgung von Lacto-(Ovo-)Vegetariern mit Calcium durch den Konsum von Milch und Milchprodukten gedeckt. Veganer nehmen die geringsten Calciummengen auf. Möglicherweise bewirkt die niedrige Proteinaufnahme bei Veganern jedoch geringere renale Calciumverluste. Als ausgesprochen kritisch ist die Calciumversorgung vegan ernährter Kleinkinder zu bewerten. Die Zufuhr von Jod ist bei Vegetariern wie auch in der Durchschnittsbevölkerung deutlich zu gering. Auch bei Verwendung von jodiertem Speisesalz muss daher gleichermaßen von einer zu geringen Aufnahme ausgegangen werden. Zahlreiche Effekte einer vegetarischen Ernährung gehen auf die hohe Aufnahme gesundheitsfördernder bioaktiver Substanzen zurück. Zu diesen Nahrungsinhaltsstoffen zählen Ballaststoffe, Substanzen aus milchsauer vergorenen Lebensmitteln (v. a. Milchsäurebakterien) und sekundäre Pflanzenstoffe. Die letzte Gruppe umfasst eine Vielzahl unterschiedlicher Verbindungen, z. B. Carotinoide, Phytosterine, Saponine, Polyphenole, Protease- 82 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Inhibitoren, Sulfide und Terpene [vgl. Anlage 35, Watzl und Leitzmann 1999]. Der gute Gesundheitsstatus von Vegetariern und die geringere Inzidenz verschiedener Erkrankungen lassen sich zu einem - nicht quantifizierbaren - Anteil auf die Zufuhr dieser pharmakologisch wirksamen Nahrungsinhaltsstoffe zurückführen [vgl. auch Anlage 14]. Dies trifft vermutlich insbesondere für das Krebserkrankungsrisiko zu. Die wiederholt festgestellte geringere Carcinomhäufigkeit bei Vegetariern geht somit nicht nur auf die geringere Gesamtfett- und höhere Ballaststoffaufnahme zurück, sondern wird vermutlich auch durch eine höhere Zufuhr an Antioxidanzien und sekundären Pflanzenstoffen bedingt. Aber auch der niedrigere Cholesterolspiegel, das geringe Vorkommen von Hypertonie und die geringere Diabeteshäufigkeit bei Vegetariern dürften zumindest partiell auf sekundäre Pflanzenstoffe zurückzuführen sein, die von Vegetariern in größerer Menge aufgenommen werden als von der Durchschnittsbevölkerung. Es wird deutlich, dass eine vielseitig praktizierte vegetarische Ernährung geeignet ist, die Nährstoffversorgung sicher zu stellen. In einigen Bereichen, z. B. bei der Versorgung mit den antioxidativ wirksamen Vitaminen Ascorbinsäure und Tocopherol sowie bei ß-Carotin, ist die Situation sogar deutlich günstiger als in der Durchschnittsbevölkerung. Die ernährungsphysiologische Eignung und der Nutzen vielseitig ausgerichteter pflanzenbetonter Ernährungsformen einschließlich des Lacto-(Ovo-)Vegetarismus kann damit heute als wissenschaftlich gesichert gelten. Eine derartige Ernährungsweise kommt den Empfehlungen für eine gesunderhaltende Ernährung näher als eine durchschnittliche Mischkost. Demgegenüber gilt eine rein vegane Ernährung als kritisch. epidemiologischen Ein Studien Grund zu hierfür diesem sind neben Thema den auch wenigen klinische Einzelfallbeschreibungen, die auf in der Praxis beobachtete Probleme bei einer rein pflanzlichen Ernährung hinweisen. Als Nachteile insbesondere der veganen Ernährungsweise werden in der Literatur die im Vergleich zu Omnivoren teilweise sehr geringe Aufnahme an Energie und Protein sowie eine niedrige Zufuhr an bestimmten Mikronährstoffen und die möglicherweise daraus resultierenden Mangelerscheinungen und Krankheitsbilder diskutiert. Bei Vegetarierinnen mit zu niedrigem BMI kann es zu 83 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Menstruationsstörungen bis hin zur Amenorrhoe kommen. Zudem können insbesondere infolge streng veganer Ernährung auftretende Nährstoffmängel zu einem verminderten Immunstatus, Anämien, Rachitis und schweren neurologischen Entwicklungsstörungen bei Kindern führen [Schubert und Leipold 2001]. Die Datenlage in Bezug auf Veganer ist jedoch derzeit noch als unzureichend zu bezeichnen. Eine wesentliche Ursache hierfür ist darin zu sehen, dass wissenschaftliche Studien, bei denen Veganer separat untersucht wurden, weltweit gesehen nur in sehr kleiner Anzahl und mit durchweg sehr geringen Probandenzahlen vorliegen. Bei der lacto-(ovo-)vegetarischen Ernährung kann hingegen auf weit umfangreicheres Zahlenmaterial zurückgegriffen werden (ausführliche Darstellung s. Anlage 2]. Erst in jüngster Zeit wurden einige Arbeiten publiziert, in denen zumindest kleinere Kollektive von Veganern unter bestimmten Aspekten betrachtet wurden. Für sich vegetarisch ernährende Erwachsene wird bisher davon ausgegangen, dass es bei breiter Lebensmittelauswahl, ausreichendem Ernährungswissen und besonderer Berücksichtigung kritischer Nährstoffe sowie eventuell der Einbeziehung von Supplementen möglich ist, die Versorgung mit Nährstoffen sicherzustellen. Bisher existieren aber kaum Daten aus größeren Kollektiven, die hierzu Auskunft geben. In Wachstumsphasen, vor allem in Kindheit und Jugend ist die vegane Ernährung auf Basis der vorliegenden klinischen Befunde ungeeignet und mit nicht zu vernachlässigenden Risiken verbunden. Die in Kapitel 3.4 beschriebenen eigenen Untersuchungen und die im Zusammenhang damit diskutierten Aspekte beziehen sich auf die Eignung der veganen Ernährung für Erwachsene. 3.4 Eigene Untersuchungen: Die Deutsche Vegan Studie (DVS) Die Deutsche Vegan Studie ist die erste Querschnittsstudie, die sich mit einer umfangreicheren Zahl von Ernährungs- und Gesundheitsaspekten eines größeren Kollektivs von Veganern auseinander setzt. Sie wurde, wie auch die in Kapitel 2.4 dargestellte HANNA-Studie, vom Verfasser dieser Arbeit im Wesentlichen geplant, organisiert und leitend durchgeführt; ebenso wurden die notwendigen 84 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Finanzmittel42 beschafft. Im Rahmen des Projektes entstand eine Dissertation [Dörr 1998], die sich mit einem Teilaspekt des Themas, der Pyridoxinversorgung, beschäftigt. Alle im Kapitel 3.4.3 angeführten Ergebnisse, auch die der genannten Arbeit, wurden auf Basis neuer Ausschlusskriterien43 ermittelt. Im Folgenden sollen die wesentlichen Ergebnisse kurz dargestellt werden. Es wird bewusst darauf verzichtet, das methodische Vorgehen, die Auswertestrategien und alle Ergebnisse im Detail zu beschreiben. Primäres Ziel ist die Darstellung, welche Beobachtungen gemacht wurden, weniger die Frage nach allen Hintergründen. Um den Rahmen dieser Übersicht nicht zu sprengen, werden primär die Ergebnisse der univariaten Analysen dargestellt. Es ist Gegenstand laufender und zukünftiger Arbeiten, die Risikonährstoffe und mögliche Risikogruppen näher zu beschreiben und zu analysieren. Dies zielt darauf ab, mögliche Einflussgrößen zu differenzieren, um später konkrete Empfehlungen ableiten zu können. 3.4.1 Material und Methoden 3.4.1.1 Gewinnung der Probanden und Untersuchungsphasen Die Rekrutierung der Studienteilnehmer erfolgte bundesweit durch Anzeigen in acht Zeitschriften aus dem Reform-, Naturkost- und Vegetarismusbereich. Einschlusskriterien für eine Studienteilnahme waren: • Vegane Ernährung seit mindestens einem Jahr, • Mindestalter 18 Jahre, • Bereitschaft zur Teilnahme an allen Studienabschnitten, einschließlich Blutabnahme. Auf die Anzeigen meldeten sich 868 Interessenten, an die Vor-Fragebögen versendet wurden, von denen 654 zurückgesendet wurden. 239 Personen 42 Die Untersuchungen wurden teilweise durch die EDEN-Stiftung, Bad Soden, gefördert. 43 Die bei Dörr [1998] vorgenommene Einteilung der Probanden in Untergruppen erscheint im Nachhinein betrachtet nicht stringent, insbesondere das dabei angewandte Verfahren. 85 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? erfüllten die Einschlusskriterien nicht, so dass 415 Personen in die Studie einbezogen werden konnten. Die Untersuchung gliederte sich in vier Phasen, wobei in jeder Phase erwartungsgemäß einige Studienteilnehmer die Teilnahme gänzlich abbrachen, am jeweiligen Studienabschnitt nicht teilnahmen oder aber, z. B. wegen nicht verwertbarer Angaben oder im Widerspruch zu den Einschlusskriterien stehender Angaben, ausgeschlossen werden mussten. 170 Personen nahmen an allen Studienabschnitten teil und bildeten, soweit nicht anders angegeben, die Basis für die hier dargestellten Auswertungen. 3.4.1.2 Untersuchungsphasen und Untersuchungsmethodik Die Studie gliederte sich in mehrere Abschnitte. Die nach der Vorauswahl in die Studie einbezogenen Probanden (n = 415) erhielten zunächst einen umfangreichen Fragebogen (s. u.), der von 376 Personen zurückgesendet wurde. Aufgrund der gemachten Angaben mussten weitere 23 Probanden ausgeschlossen werden, weil sie die Studienkriterien nicht erfüllten. Die verbliebenen 353 Teilnehmer erhielten sechs Monate später ein erstes, und nach weiteren rund sechs Monaten ein zweites Ernährungsprotokoll. Der Rücklauf lag bei n = 279 bzw. n = 287. Die Feldstudie, an der 212 Personen teilnahmen, wurde rund 3 Monate nach Versendung des zweiten Ernährungsprotokolls durchgeführt. Im Einzelnen wurden folgende Erhebungsinstrumente genutzt: • Detaillierter Fragebogen44, u. a. zu sozio-demographischen Daten, Art und Dauer verschiedener Kostformen, Motive für die jeweilige Ernährung, Lebensgewohnheiten, Krankheiten, Ernährungswissen. • Ernährungstagebuch: Geschlossenes Schätzprotokoll zur direkten Erfassung des Lebensmittelverzehrs mit 206 für die Vegan-Ernährung typischen Lebensmitteln. Die Teilnehmer führten zwei derartige Protokolle über jeweils neun Tage, einmal im Frühjahr, einmal im Herbst. Für die Auswertung wurde jeweils der Verzehr von sieben aufeinander folgenden Tagen ausgewertet. Als Nährstoff-Datenbank wurde der Bundeslebensmittelschlüssel BLS II.2 herangezogen, wobei ähnliche Lebensmittel in 44 Die Ergebnisse dieses Studienteils werden nicht dargestellt. 86 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Gruppen zusammengefasst und für die vegane Ernährung typische, in der Datenbank aber nicht vorhandene Daten, nach Herstellerangaben ergänzt wurden. Um eine Gegenüberstellung mit den Ergebnissen der VERA-Studie zu ermöglichen, wurden die Lebensmittel analog dem dort zu findenden Vorgehen in 23 Gruppen zusammengefasst. • Blutuntersuchungen und anthropometrische Daten der Teilnehmer wurden in einer bundesweiten Feldstudie erhoben. Um die Anfahrtswege für die Probanden möglichst gering zu halten, wurden zwei mobile, aus Ernährungswissenschaftlern, Ärzten und technischem Personal bestehende, Studienteams eingesetzt, die die Untersuchungen an insgesamt 25 Orten bundesweit durchführten. Erhoben wurden anthropometrische und grundlegende klinische Befunde. Zudem wurde venöses Nüchternblut entnommen, das jeweils direkt vor Ort in einem provisorischen Labor aufbereitet und am gleichen Tag den kooperierenden klinischen Labors an der Universität Gießen und der Medizinischen Hochschule Hannover überstellt wurde. Bestimmt wurden die in Tabelle 21 aufgeführten Parameter. Alle Untersuchungen wurden nach den Standardverfahren der Deutschen Gesellschaft für klinische Chemie bzw. (Vitaminparameter) dem Methodenhandbuch der VERA-Studie [Speitling et al. 1992] durchgeführt. Tabelle 22 gibt einen Überblick über die eingesetzten Analyseverfahren. Tabelle 21: Untersuchte Blutparameter in der Deutschen Vegan Studie Untersuchter Bereich Parameter Blutbild Zahl der Erythrocyten, Leucocyten, Thrombocyten, Neutrophile, Eosinophile, Basophile, Monocyten, MCV, MCH, MCHC, Hämatokrit Fettstoffwechsel Triglyceride, Gesamtcholesterol, HDL-Cholesterol, Cholesterol, Atherogener Index, Lp (a) Eisenstoffwechsel Plasmaspiegel an Transferrin, Ferritin, Eisen, Hämoglobin Vitamine Plasmakonzentrationen an Cobalamin, Folsäure, Ascorbinsäure, β-Carotin, Vitamin A, Vitamin E, erythrocytäre Aktivierungskoeffizienten als Versorgungsparameter für Thiamin, Riboflavin, Pyridoxin Sonstiges Homocystein LDL- ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 87 Tabelle 22: Methodik der klinisch-biochemischen Bestimmungen im Rahmen der DVS (vgl. Tabelle 21) Parameter Methodik β-Carotin RP-HPLC mit UV-Detektion Vitamin A RP-HPLC mit UV-Detektion Vitamin E RP-HPLC mit UV-Detektion Folsäure Kompetitiver Immunoassay mit Chemolumineszenz-Messung Cobalamin Kompetitiver Immunoassay mit Chemolumineszenz-Messung Ascorbinsäure Photometrisch nach Umsetzung mit Dinitrophenylhydrazin Thiamin1 Bestimmung der Aktivität der Erythrocyten-Transketolase vor und nach Zusatz von TDP zur Ermittlung des Aktivierungskoeffizienten Riboflavin1 Bestimmung der Aktivität der Erythrocyten-Glutathionreductase vor und nach Zusatz von FAD zur Ermittlung des Aktivierungskoeffizienten Pyridoxin1 Bestimmung der Aktivität der ErythrocytenAspartataminotransferase vor und nach Zusatz von PALP zur Ermittlung des Aktivierungskoeffizienten Homocystein Immunoassay mit fluorimetrischer Messung Transferrin Immunochemisch mit spezifischen Antikörpern mit Nephelometer Ferritin Photometrisch als Ferrozin-Komplex Eisen Photometrisch nach Umsetzung mit Ferrozin Hämoglobin SLS-Hämoglobin Triglyceride Gekoppelter enzymatischer Test mit photometrischer Bestimmung HDL-Cholesterol Homogener enzymatischer Farbtest LDL-Cholesterol Homogener enzymatischer Farbtest Atherogener Index Rechnerisch als Verhältnis der LDL- zur HDL-Konzentration 1 Die Versorgung mit diesen Vitaminen wird auf Basis der Aktivierbarkeit von Enzymen gemessen, die Metaboliten des jeweiligen Vitamins als Cofaktor nutzen [vgl. Speitling et al. 1992]. 3.4.2 Statistische Verfahren Die Auswertung der Daten erfolgte mit dem Statistikprogramm SPSS für Windows, Version 10.0. Als statistische Kennzahlen wurden der Median und als Streuungsmaß der 90 %-Wertebereich (5-95er Perzentile) angegeben, da die Werte häufig nicht normalverteilt waren. Zur Angabe des durchschnittlichen Lebensmittelverzehrs wurde das Arithmetische Mittel (Mean) angegeben, da einige Lebensmittel von einem Großteil des Kollektivs nicht verzehrt wurden. Bei 88 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Betrachtung des Medians würde die Aufnahme „Null“ betragen, was die Ergebnisse nicht korrekt beschreiben würde. Zur Überprüfung von Hypothesen wurde bei gegebener Normalverteilung der t-Test für unabhängige Stichproben angewendet. Bei nicht gegebener Normalverteilung wurde der nichtparametrische U-Test nach Mann-Whitney für zwei unabhängige Stichproben verwendet. Die Nullhypothese wurde für die Testverfahren nur dann zurückgewiesen, wenn die Irrtumswahrscheinlichkeit p < 0,05 war. Eine Beurteilung, ob für den jeweiligen Wert eine Normalverteilung vorlag, erfolgte anhand der von Hecker [1997] angegebenen maximal zulässigen Schiefe bei definierten Stichprobenumfängen. Um Unterschiede zwischen den Kostformen in Bezug auf den BMI unter Berücksichtigung der Altersverteilung festzustellen, wurde der Chi-Quadrat-Test nach Pearson herangezogen. Um Zusammenhänge zwischen zwei Parametern zu untersuchen, wurden unterschiedliche Korrelationen verwendet. Bei vorhandener Normalverteilung wurde der Pearson-Korrelationskoeffizient, bei nicht gegebener Normalverteilung der Spearman-Korrelationskoeffizient verwendet. 3.4.3 Ergebnisse und Diskussion Die Vielzahl der im Rahmen der DVS erhobenen Daten verbietet es, die Ergebnisse und nachgeschalteten Auswertungen innerhalb dieser Arbeit detailliert darzustellen. Im Folgenden sollen daher nur die wichtigsten Daten zur Ernährungs- und Gesundheitssituation von Veganern präsentiert werden. 3.4.3.1 Beschreibung und Einteilung des Kollektivs Auf Basis der beiden Ernährungsprotokolle zeigte sich, dass sich entgegen der eigenen Angaben vor Studienbeginn, ein erheblicher Teil der Probanden nicht rein pflanzlich ernährte, sondern geringe Mengen an Milch und Milchprodukten sowie Eiern konsumierte. Dies dokumentiert einerseits deutlich, dass die eigene Einschätzung der Ernährungsweise nicht mit der wissenschaftlich exakten Klassifikation übereinstimmt (vgl. Kapitel 3.1). Andererseits unterstreicht es, dass sich Ernährungsweisen kaum in ein fixes Raster fassen lassen, sondern vielmehr Mischformen existieren. So verstanden sich insbesondere solche Teilnehmer als ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 89 Veganer, die sich nach dem „Fit for Life“-Konzept [vgl. Anlage 22] bzw. nach Bruker [vgl. Anlage 23] ernährten. In beiden Ernährungsformen werden Butter und Sahne nicht als Produkte tierischen Ursprungs betrachtet, sondern als „isolierte Fette“. Vor diesem Hintergrund schien es gerechtfertigt, auch diese Teilnehmer in die Auswertung zu integrieren. Alle Ergebnisse wurden allerdings darauf hin untersucht, ob sich Unterschiede zwischen diesen „moderaten Veganern“ (VGM) und den „strengen Veganern“ (VGS) ergeben. Der Anteil vom Tier stammender Lebensmittel ist bei den VGM, gemessen an der Durchschnittsbevölkerung sehr gering. Die 70 Personen dieser Gruppe verzehrten maximal 12,5 % der aufgenommenen Energie in Form von vom Tier stammender Produkte. Anhand der Daten der VERA-Studie [Heseker et al. 1994a] lässt sich überschlagsmäßig berechnen, dass dieser Anteil in Deutschland durchschnittlich bei ca. 30 % liegt. In die weitere Auswertung wurden allerdings nur die 56 der 70 Probanden der Gruppe VGM einbezogen, bei denen der Anteil vom Tier stammender Produkte 5 % nicht überschritt. Diese Grenze wurde auf Basis der Häufigkeitsverteilung festgesetzt und kann zudem als nahezu vegane Ernährung interpretiert werden. Der durchschnittliche Anteil der Energie aus tierischen Quellen lag in dieser Gruppe mit 1,25 % sehr niedrig. Detaillierte Angaben hierzu finden sich in Tabelle 25 und Tabelle 26. Von den 100 Teilnehmern der Gruppe VGS wurden zwei Frauen aus der Bewertung ausgeschlossen, die ca. acht Monate vor der Blutabnahme entbunden hatten, um evtl. hierdurch bedingte Veränderungen des Verzehrsmusters und der Nährstoffversorgung auszuschließen. Für das Gesamtkollektiv und die beiden Subgruppen ergaben sich somit die in Tabelle 23 angeführten Kenndaten. 90 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Tabelle 23: Kenndaten der DVS-Probanden (Median, 5-95 Perzentile) p1 Gesamt VGS VGM n = 154 n = 98 n = 56 Alter (Jahre) 42,6 (24,2-72,9) 42,4 (23,3-74,3) 44,9 (25,8-70,7) n.s. Körpermasse [kg] 61,5 (46,8-82,3) 62 (45,0-83,3) 60 (48,7-74,2) n.s. Körpergröße [m] 1,70 (1,56-1,88) 1,71 (1,58-1,91) 1,69 (1,53-1,85) n.s. Body Mass Index [kg/m2] 21,2 (17,5-25,4) 21,2 (17,3-26,2) 21,2 (17,8-24,7) n.s. Dauer2 (Jahre) 3,93 (2,36-18,9) 4,30 (2,36-20,1) 3,42 (2,36-17,4) n.s. Relation m / f (%) 43,5 / 56,5 49,0 / 51,0 33,9 / 66,1 n.s3 1 t-Test für unabhängige Stichproben zur Überprüfung auf signifikante Unterschiede zwischen VGS und VGM 2 Dauer der veganen Ernährung zum Zeitpunkt der Blutabnahme, der Unterschied war an der Grenze zur Signifikanz (p=0,058). 3 Chi-Quadrat-Test nach Pearson bezogen auf VGS und VGM, allerdings ist hier ein Trend zu verzeichnen. Auffällig war die niedrige relative Körpermasse der Probanden. Legt man die übliche Einteilung des Gewichtes anhand des BMI in verschiedene Klassen unter Berücksichtigung des Geschlechts zugrunde [vgl. Anlage 9, S. 220], waren 63,7 % der Studienteilnehmer als normalgewichtig, nur 11,0 % als übergewichtig, aber 25,3 % als untergewichtig anzusehen. Das Vorkommen einer Adipositas (BMI>30) war überhaupt nicht zu beobachten. Wie in Kapitel 3.4.3.3 dargestellt, dürfte dies im Wesentlichen auf die sehr niedrige Energiezufuhr zurückzuführen sein. Zwischen den Gruppen VGS und VGM waren keine statistischen Unterschiede feststellbar. Der BMI der Probanden der DVS lag damit auf dem niedrigen Niveau von Rohköstlern [Strassner 1998]. Auch unter den Anhängern dieser Kostform waren ca. 2/3 als normalgewichtig anzusehen, 1/4 der Frauen und 10% der Männer wiesen Untergewicht auf. Im Vergleich dazu liegt die Prävalenz des Übergewichts in der Durchschnittsbevölkerung (BMI>25) nach aktuellen Erhebungen bei rund 50 %; die der Adipositas bei etwa 20 % [Wirth 2000, S. 37ff]. 91 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? In der Häufigkeit und Ausprägung verschiedener Verhaltensweisen mit möglichem Einfluss auf den Ernährungs- und Gesundheitsstatus waren keine signifikanten Unterschiede zwischen den Subgruppen feststellbar. Dies betraf folgende Parameter: Rauchen und Rauchhäufigkeit45, sportliche Betätigung46, Einnahme von Sexualhormonen zur Kontrazeption oder im Klimakterium, Einnahme von Supplementen47, Verzehr vitaminangereicherter Lebensmittel48 und Verwendung von Arzneimitteln mit Einfluss auf die Nährstoffversorgung. Aus diesem Grund wurden die Ergebnisse der beiden Subgruppen zunächst jeweils ohne Berücksichtigung dieser Einflussgrößen betrachtet. 3.4.3.2 Lebensmittelverzehr Der Lebensmittelverzehr wurde auf Basis der beiden Ernährungsprotokolle erhoben (vgl. Kapitel 3.4.1.2). Tabelle 24 gibt die Werte für das Gesamtkollektiv der DVS im Vergleich49 zur VERA-Studie [Heseker et al. 1994a] wieder. Die separate Betrachtung der weiblichen und männlichen Teilnehmer der DVSUntergruppen im Vergleich zur VERA-Studie findet sich im Anhang B. Das DVS-Kollektiv verzehrte hauptsächlich Obst und Gemüse (arithmetisches Mittel: 1458 g/d), wobei rund 46 % hiervon auf Frischgemüse und Gemüseprodukte, 27 % auf Südfrüchte, 23 % auf sonstiges Frischobst und nur 4 % auf Obstprodukte entfielen. Zwischen den beiden veganen Kostformen war ein signifikanter Unterschied nur für die Gruppe der Südfrüchte nachweisbar (p = 0,038; VGS: arithmetisches Mittel = 373 g/d; VGM: arithmetisches Mittel = 442 g/d). Insgesamt lag der Verzehr an Obst und Gemüse damit rund viereinhalb 45 Nur 5 Probanden (3,25 %) waren Raucher. 46 Die sportliche Betätigung war relativ ausgeprägt: Nur rund 20 % gaben an, sich selten oder nie sportlich zu betätigen. 47 Unter Supplementen sind hier nährstoffhaltiger Zusatzpräparate (z. B. Multivitamine, Bierhefe) zu verstehen. 48 Hierzu zählen beispielsweise Vitaminsäfte, aber auch einige Speziallebensmitteln, die sich bei Veganern großer Beliebtheit erfreuen wie Brottrunk, Algenpulver oder vitaminisierte Sojamilch. 49 Es sei am Rande vermerkt, dass diese Gegenüberstellung selbstverständlich nur Unterschiede in den Größenordnungen des Lebensmittelverzehrs deutlich machen kann. Da die Erhebungsinstrumente nicht identisch waren, verbietet sich ein exakter Vergleich. ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 92 Mal so hoch wie in der für den Bevölkerungsdurchschnitt repräsentativen VERAStudie [Heseker et al 1994a]. Die durchschnittliche tägliche Aufnahme an Brot und Backwaren lag mit etwa 163 g um ein Viertel niedriger als im VERA-Kollektiv. Der Konsum an Nährmitteln war mit 105 g/d hingegen fast dreimal so hoch. Ein Unterschied zwischen den veganen Kostformen war bei beiden Lebensmittelgruppen nicht feststellbar. Gleiches gilt für den Kartoffelverzehr, der durchschnittlich 106 g/d Kartoffeln betrug und damit auf dem gleichen Niveau wie in der VERA-Untersuchung lag. Die Verwendung von Fetten und Ölen lag mit 15,4 g/d bei rund 75 % des in der VERA-Erhebung ermittelten Wertes. Ein statistisch signifikanter Unterschied zwischen strengen und moderaten Veganern war nicht nachweisbar, wobei die Gruppe der strengen Veganer 17,5 g/d und die der moderaten Veganer 11,6 g/d an Fetten und Ölen verwendeten (Median 9,6 g/d bzw. 8,7 g/d). Auffallend war weiterhin der geringe Konsum von Zucker, alkoholischen Getränken und Röstkaffee. Diese Lebensmittel werden, wie die hier nicht dargestellten Ergebnisse der Fragebögen zeigten, von vielen Veganern als ungesund eingestuft und gemieden. 93 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Tabelle 24: Lebensmittelaufnahme des DVS-Kollektivs im Vergleich zum VERAKollektiv [Arithmetisches Mittel, g/d] Lebensmittelgruppe DVS Gesamt VERA Gesamt Fleisch - 79,8 - Fleisch-, Wurstwaren - 68,0 - Fischwaren - 16,5 - Eier 0,3 29,8 1,0 Milch und Milchprodukte 1,7 169,1 1,0 Käse und Quark 0,5 42,2 1,2 Butter 0,7 18,4 3,8 15,4 20,3 75,9 Brot und Backwaren 163,2 217,6 75,0 Nährmittel 104,7 38,9 269,2 Kartoffeln 106,3 100,5 105,8 Frischgemüse und Gemüseprodukte 670,4 150,4 445,7 Frischobst 330,4 70,8 466,7 Südfrüchte 398,3 41,6 957,5 Obstprodukte 59,0 7,7 766,2 Brotaufstrich 3,2 8,9 36,0 Zucker 0,8 10,3 7,8 11,3 21,9 51,6 0,1 9,2 1,1 1047,1 547,2 191,4 Alkoholische Getränke 12,8 307,9 4,2 Röstkaffee 23,6 411,4 5,7 Tee 57,2 87,3 65,5 Speisefette und Speiseöle Süßwaren Gewürze und andere Zutaten Alkoholfreie Getränke Vergleich DVS/VERA1 1 Relative Aufnahme des DVS-Kollektivs im Vergleich zur VERA-Stichprobe in %. Der Verzehr vom Tier stammender Produkte50 (Eier, Milch, Käse/Quark und Butter) war gemessen am in der VERA-Gruppe bestimmten Konsum dieser Lebensmittel sehr gering. Zwischen den Gruppen VGS und VGM ergab sich durch die in Kapitel 3.4.3.1 vorgenommene Klassifizierung ein statistisch höchst signifikanter 50 Unterschied (Tabelle 25). Auch bei Betrachtung der Fleisch, Fisch und daraus hergestellte Produkte wurden von den Probanden der DVS entsprechend den Ausschlusskriterien zur Studienteilnahme nicht verzehrt. 94 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? durchschnittlichen Gesamtenergieaufnahme und der anteiligen prozentualen Energiemenge aus Lebensmittel tierischer Herkunft wird besonders deutlich wie gering die Aufnahme bei den moderaten Veganern ist (Tabelle 26). Tabelle 25: Verzehr vom Tier stammender Produkte in den Untergruppen des DVS-Kollektivs Eier VGS VGM n = 98 n = 56 [Arithmetisches Mittel in g/d] [Arithmetisches Mittel in kJ/d] [Arithmetisches Mittel in g/d] [Arithmetisches Mittel in kJ/d] 0 0 0,91 5,8 1 12,7 Milch 0 0 4,7 Käse und Quark 0 0 1,41 9,9 0 1 56,7 Butter 0 1,8 1 Verglichen mit dem VERA-Kollektiv (s. Tabelle 24) lag der Konsum an diesen Lebensmitteln in der Gruppe VGM bei 3,0 % (Eier), 2,8 % (Milch), 3,3 % (Käse und Quark), 9,8 % (Butter). Tabelle 26: Gesamtenergieaufnahme und anteilige Energie aus Produkten tierischen Ursprungs in den Untergruppen des DVS-Kollektivs VGS VGM n = 98 n = 54 8594 ± 2968 7604 ± 2276 0,0391 Anteil vom Tier stammender Lebensmittel [Arithm. Mittel in KJ/d ± sd] 0 85,2 ± 78,7 0,0001 Anteil vom Tier stammender Lebensmittel [Arithm. Mittel in % ± sd] 0 1,24 ± 1,19 0,0002 Gesamtenergieaufnahme [Arithmetisches Mittel in KJ/d ± sd] p 1 U-Test nach Mann-Whitney auf signifikante Unterschiede zwischen VGS und VGM 2 t-Test für unabhängige Stichproben auf signifikante Unterschiede zwischen VGS und VGM 95 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 3.4.3.3 Nährstoffzufuhr Hauptnährstoffe und Energie Die mediane Energiezufuhr des DVS-Kollektivs lag bei 7,85 MJ/d (Tabelle 27) und damit deutlich unterhalb dessen, was in der deutschen Durchschnittsbevölkerung üblicherweise zugeführt wird (9,85 MJ/d) [Heseker et al. 1994a]. Erwartungsgemäß war die Energiezufuhr der Frauen mit 6,83 MJ/d geringer als die der Männer (9,61 MJ/d). Tabelle 28 zeigt die Aufnahme an Energie und Hauptnährstoffen differenziert nach Kostform und Geschlecht. Werden die Frauen bzw. Männer beider Gruppen miteinander verglichen, wird deutlich, dass sich lediglich beim relativen Anteil an Protein bei Frauen ein signifikant niedriger Wert von VGM zu VGS ergibt. Tabelle 27: Zufuhr von Energie und prozentualer Anteil der Hauptnährstoffe an der Energiezufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich zur Empfehlung DGEWert [DGE et al. 2000] Gesamt n = 154 VGS n = 98 VGM n = 56 - 7,85 (4,59-12,96) 8,00 (4,64-13,28) 7,20 (4,24-11,14) > 50 57,2 (45,1-68,1) 56,8 (42,4-67,8) 58,6 (46,5-70,7) Brennwert Protein (%) 15 11,8 (7,8-14,6) 12,3 (7,9-14,7) 11,1 (7,5-14,3) Brennwert Fett (%) 30 28,8 (17,8-43,8) 29,0 (18,3-45,6) 28,4 (17,0-40,7) - 0 (0-1,06) 0 (0-0,96) 0 (0-1,85) Energie [MJ/d] Brennwert Kohlenhydrate (%) Brennwert Alkohol (%) 96 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Tabelle 28: Energieaufnahme und relativer Anteil der Hauptnährstoffe an der Energiezufuhr nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile) VGS Frauen Energie [MJ/d] VGM Frauen p 6,90 6,52 (3,92-10,85) (3,96-10,47)- VGS Männer VGM Männer p n.s.1 9,61 9,53 (6,30-14,47) (4,88-13,55) n.s.² Brennwert Kohlenhydrate (%) 57,2 (44,1-72,1 59,2 (54,5-70,6) n.s.1 56,2 (37,3-67,4) 57,7 (46,5-73,4) n.s.1 Brennwert Protein (%) 12,4 (7,94-14,9 11,1 (7,2-13,6) 0,0001 11,6 (7,9-14,5) 11,1 (7,6-14,6) n.s.1 Brennwert Fett (%) 28,7 (15,2-44) 27,9 (17,0-43,2) n.s.1 30,3 (19,1-52,9) 29,8 (15,4-40,2) n.s.² Brennwert Alkohol (%) 0,0 (0,0-1,57 0,0 (0,0-1,0) n.s.² 0,0 (0,0-0,7) 0,0 (0,0-8,0) n.s.² 1 t-Test für unabhängige Stichproben, bezogen jeweils auf Frauen VGS vs. VGM bzw. Männer VGS vs. VGM ² U-Test nach Mann-Whitney, bezogen jeweils auf Frauen VGS vs. VGM bzw. Männer VGS vs. VGM Bei der differenzierten Betrachtung der Zufuhr von Hauptnährstoffen, Ballaststoffen und Cholesterol nach Kostform und Geschlecht ergaben sich bei fast allen untersuchten Stoffen weder bei den Frauen, noch bei den Männern Unterschiede zwischen den Kostformen (Anhang B, Tabelle 52). Lediglich bei der Protein- und Cholesterolaufnahme ergaben sich statistisch signifikante Differenzen. Die mediane Proteinzufuhr (VERA: 77,6 g/d) lag bei den strengen Veganern höher (56,4 g/d) als bei den moderaten Veganern (47,4 g/d) ebenso wie der relative Anteil des Proteins an der Energieaufnahme (VGS: 12,25 %, VGM: 11,05 %). Die Proteinaufnahme der Frauen in der Gruppe VGM lag mit rund 41 g/d deutlich niedriger und war signifikant geringer als die der Frauen der Gruppe VGS (51 g/d). Bei den Männern war die Aufnahme mit 60 g/d (VGM) bzw. 62 g/d gleich. Die DGE empfiehlt, auf Basis der Aufnahme von Protein hoher Qualität (Ei, Milch, Fleisch, Fisch) und unter Einbeziehung der individuellen Schwankungen und der bei gemischter Kost häufig verminderten Verdaulichkeit des Proteins eine Aufnahme von 0,8 g Protein/kg Körpergewicht. Im Gesamtkollektiv lag die mittlere Proteinaufnahme bei 0,84 g/kg mit Minimalwerten von 0,39 g/kg und Maximalwerten von 2,88 g/kg. Insgesamt erreichten 37,7 % des Gesamtkollektivs nicht die empfohlene Aufnahme (28,6 % der VGS; 53,6 % der VGM). 97 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Die mediane Fettzufuhr lag bei 59,5 g/d (VERA: 101 g/d), entsprechend ca. 29 % der zugeführten Energie. Diese Fettzufuhr war absolut gesehen sehr niedrig und kam relativ gesehen den Empfehlungen der DGE sehr nahe. Die Fettsäureverteilung ergab bei den Untergruppen ein ähnliches Bild: 45,6 % der Fettsäuren wurden von den strengen Veganern in Form einfach ungesättigter Fettsäuren aufgenommen (44,6 % bei den VGM), 31,2 % der Fettsäuren in Form mehrfach ungesättigter Fettsäuren (31,8 % von den VGM) und 23,2 % in Form gesättigter Fettsäuren (23,5 % bei den VGM). Das DVS-Kollektiv nahm durchschnittlich 260,7 g Kohlenhydrate pro Tag auf. Dies entsprach 57,2 % der Gesamtenergiezufuhr und damit dem von der DGE empfohlenen Bereich. Die mediane Ballaststoffzufuhr lag mit 55,6 g/d fast doppelt so hoch wie die empfohlene Mindestzufuhrmenge von 30 g/d. Tabelle 29: Durchschnittliche Nährstoffzufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95 Perzentile) Gesamt n = 154 VGS n = 98 VGM n = 56 260,7 (154,8-421,7) 264,0 (155,3-442,0) 244,8 (124,5-413,3) Protein [g/d] 54,1 (26,9-91,6) 56,4 (28,75-94,59) 47,4 (24,2-87,0) Protein [g/kg KG x d] 0,84 (0,46-1,38) 0,89 (0,50-1,62) 0,76 (0,40-1,33) Fett [g/d] 59,5 (27,2-125,3) 65,7 (27,2-128,2) 56,0 (26,7-105,3) Gesättigte Fettsäuren [g/d] 12,7 (5,9-24,8) 13,2 (5,0-25,0) 11,9 (6,6-22,7) Einfach ungesättigte FS [g/d] 24,3 (9,9-58,1) 25,9 (10,1-70,4) 22,6 (9,0-50,9) Mehrfach ungesättigte FS [g/d] 17,0 (7,4-38,67) 17,8 (8,4-47,9) 16,2 (5,9-28,9) Ballaststoffe [g/d] 55,6 (31,6-89,3) 56,5 (32,0-93,1) 52,4 (30,0-75,7) Cholesterol [mg/d] 13,3 (0,11-67,9) 9,2 (0,04-66,6) 23,3 (1,42-81,8) KH [g/d] Bei der Bewertung der Zufuhr an Energie und Hauptnährstoffen im DVS-Kollektiv ergibt sich somit folgende Situation: Die untersuchten Veganer müssen als eine ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 98 der ganz wenigen Gruppen überhaupt angesehen werden, die Kohlenhydrate und Fette in der ernährungsphysiologisch erwünschten Relation sowie reichlich Ballaststoffe zuführen. Dem steht allerdings gegenüber, dass die Aufnahme an Gesamtenergie und Protein als kritische Größen zu betrachten sind. Der Großteil des Kollektivs erreichte, wie auch bei Rohköstlern zu beobachten [Strassner 1998], nicht die von der DGE unter Berücksichtigung der habituellen Aktivität51 angegebenen Richtwerte für die Energiezufuhr (Tabelle 30). Diese Werte basieren im Gegensatz zu den Angaben für andere Nährstoffe nur auf dem durchschnittlichen Energiebedarf einer Bevölkerungsgruppe [vgl. Anlage 8]. Sie sind deshalb nur als Orientierung zu verstehen. Allerdings gründen sich die als Referenz herangezogenen Daten auf der jeweils altersüblichen körperlichen Aktivität [DGE et al. 2000, S. 32]. Wenn bedacht wird, dass ca. 30 % des DVSKollektivs eine hohe Sporthäufigkeit aufwiesen und ca. 50 % des Kollektivs angaben, mittel bis wenig Sport zu betreiben, müsste die wünschenswerte Energiezufuhr vermutlich sogar höher angesetzt werden. Insgesamt bestätigte sich damit die aus der Literatur [vgl. Anlage 2, S. 64ff] bekannte Situation zur Energieaufnahme, wenngleich die Energiezufuhr im DVS-Kollektiv im Vergleich zu anderen untersuchten Kollektiven als vergleichsweise gering anzusehen ist. 51 Ein erheblicher Anteil des Energiebedarfs basiert auf dem Energiebedarf, der für körperliche Aktivitäten erforderlich wird. Hierfür lassen sich verschiedene Physical Activity Level (PAL) definieren, die der unterschiedlichen Aktivität Rechnung tragen. Mittlerweile hat es sich international durchgesetzt, den Energiebedarf als Mehrfaches des Grundumsatzes anzugeben. Hierzu wird der Grundumsatz mit dem jeweils adäquaten PAL-Wert multipliziert [DGE et al. 2000]. Die Richtwerte für die Energiezufuhr basieren auf PAL-Werten, die der durchschnittlichen körperlichen Aktivität der jeweiligen Altersgruppe Rechnung tragen sollen. 99 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Tabelle 30: Energiezufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich zu den Richtwerten der DGE [DGE et al. 2000] Alter (Jahre) Richtwerte für die durchschnittliche Energiezufuhr [MJ/d] Energiezufuhr DVSKollektiv [MJ/d] Anteil Probanden unter dem Richtwert 19 bis < 25 m: 12,5 12,8 (9,69-14,5) 14,3 % n=7 w: 10,0 9,13 (8,91-9,35) 100 % n=2 25 bis > 51 m: 12,0 9,53 (5,97-13,1) 88,9 % n = 36 w: 9,5 6,80 (3,80-10,8) 87,3 % n = 55 51 bis < 65 m: 10,5 9,31 (5,17-13,7) 73,7 % n = 19 w: 8,5 6,69 (4,50-10,9) 85,7 % n = 21 > 65 m: 9,5 8,02 (4,88-24,3) 60 % n=5 w: 7,5 7,14 (4,72-10,4) 55,6 % n=9 Da die Körpermasse als wesentlicher Indikator der Energiezufuhr anzusehen ist, müssen beide Größen gemeinsam bewertet werden. Die hohe Prävalenz von Untergewicht unter den Probanden der DVS legt nahe, dass die Energiezufuhr vieler Probanden nicht nur rechnerisch unzureichend war. Hieraus ergeben sich auch Konsequenzen für die ohnehin knappe Zufuhr an Protein: Ein Energiedefizit verringert die Utilisation des Nahrungsproteins zur Synthese körpereigenen Proteins, da es auch zur oxidativen Energiegewinnung herangezogen wird. Im Extremfall kann sich eine Protein-Energie-Malnutrition (PEM) herausbilden, die mit Verlusten von Körperprotein, Muskelschwund, Verhaltensänderungen sowie einer geringeren Immunabwehr einhergeht. Die Tatsache, dass 37,7 % der Probanden nicht die empfohlene Proteinaufnahme erreichten, und zudem die biologische Wertigkeit bei einer rein pflanzlichen Ernährung geringer ist als bei einer üblichen gemischten Kost, lässt in dieser Hinsicht ein grundsätzliches Problem im untersuchten Kollektiv vermuten, das auch Gegenstand zukünftiger Arbeiten sein 100 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? wird. Es wird insbesondere zu klären sein, durch welche Charakteristika bei der Lebensmittelauswahl sich die Personen auszeichnen, denen es gelingt, auch mit veganer Ernährung die empfohlene Zufuhr an Energie und Hauptnährstoffen zu realisieren. Mikronährstoffe Wie Tabelle 31 im Vergleich zur empfohlenen Nährstoffzufuhr von 25-51jährigen Personen zeigt, lag die mediane Zufuhr vieler Nährstoffe im Bereich der Empfehlungen der DGE oder darüber. Die genauere Analyse zeigte jedoch, dass bei einigen Nährstoffen ein hoher Anteil der Probanden nicht die unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht empfohlene Aufnahme erreichte (Tabelle 32). Dem Konzept der Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr entsprechend ist eine unterhalb des Richtwertes liegende Nährstoffzufuhr keinesfalls automatisch mit einem Nährstoffmangel gleichzusetzen [vgl. Anlage 8, S. 59f]. Eine hohe Prävalenz einer unter der Empfehlung liegenden Zufuhr kann aber als Indiz dafür gewertet werden, dass die ausreichende Zufuhr eines Nährstoffes unter diesen Bedingungen möglicherweise insgesamt nicht gewährleistet ist. Mindestens 20 % des untersuchten Kollektivs erreichten nicht die unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht wünschenswerte Zufuhr an Calciferol, Cobalamin, Riboflavin, Folsäure, Calcium, Zink und Jod. Damit ergab sich im Wesentlichen bei den Nährstoffen eine ungünstige Situation, bei denen dies auf Basis von Literaturdaten oder aufgrund theoretischer Überlegungen zu erwarten war [vgl. Anlage 2 und Anlage 16]. Überraschend hingegen war die vergleichsweise hohe Prävalenz (ca. 26,6 %) einer niedrigen Zufuhr bei Thiamin, einem Vitamin, von dem angenommen werden könnte, dass Veganer es über Vollkornprodukte in ausreichenden Mengen zuführen (Tabelle 32). Der vergleichsweise geringe Konsum von Brot und Backwaren (Tabelle 24) könnte eine Ursache dafür sein, dass dies zumindest im untersuchten Kollektiv nicht der Fall war. Auch die Aufnahme an Tocopherol lag bei rund 15 % der untersuchten Probanden unterhalb der Empfehlung. 101 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Als besonders ungünstig erwies sich die Situation bei Cobalamin, Calciferol und Jod, wo nahezu kein Proband den Richtwert erreichte. Während die Cobalaminaufnahme in der Durchschnittsbevölkerung im Mittel beim Doppelten der empfohlenen Aufnahme liegt, wird die wünschenswerte Zufuhr an Calciferol und Jod auch dort im Mittel nicht erreicht. Sie liegt aber im Median mit 3,45 µg/d bzw. 127 µg/d [Heseker et al. 1994a, S. 179] deutlich höher als bei den untersuchten Veganern. Aus diesen Befunden Versorgungslücken52 abzuleiten, ist allerdings nicht berechtigt, da weder die Jodaufnahme über Jodsalz und ähnliche Produkte erfassbar ist, noch der Umfang der körpereigenen Vitamin-D-Synthese der Veganer abgeschätzt werden kann. Auch Calcium (ca. 75 % des Kollektivs unterhalb der Empfehlung) und Riboflavin (50 % des Kollektivs unterhalb der Empfehlung) stellen auf Basis des Vergleichs zwischen Zufuhr und Empfehlung offensichtliche Problemnährstoffe dar. 52 Leider war es in der DVS aus Kostengründen nicht möglich, Versorgungsparameter für diese Nährstoffe (Jodausscheidung im Urin bzw. Plasmaspiegel an 25-OH-Cholecalciferol) zu bestimmen. 102 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Tabelle 31: Durchschnittliche Vitamin- und Mineralstoffzufuhr des DVS-Kollektivs (Median, 5-95 Perzentile) im Vergleich zum DGE-Referenzwert Referenzwert1 Gesamt n = 154 VGS n = 98 VGM n = 56 2-4 8,9 (3,6-22,1) 8,7 (2,8-22,9) 10,0 (4,3-22,7) m: 1,0 w: 0,8 1,70 (0,8-43,98) 1,60 (0,56-4,50) 1,85 (0,85-4,02) 5 0,49 (0,01-1,90) 0,45 (0,00-1,86) 0,57 (0,06-1,94) TocopherolÄquivalent [mg/d] m: 14 w: 12 21,0 (10,7-46,9) 22,1 (11,3-55,5) 18,8 (9,17-40,5) Thiamin [mg/d] m: 1,2 w: 1,0 1,72 (0,90-2,97) 1,83 (0,87-3,26) 1,56 (0,90-2,54) Riboflavin m: 1,4 w: 1,2 1,27 (0,71-2,05) 1,33 (0,71-2,11) 1,22 (0,70-2,04) Pyridoxin [mg/d] m: 1,5 w: 1,2 2,61 (1,33-4,32) 2,67 (1,35-4,35) 2,51 (1,21-4,36) Cobalamin [µg/d] 3,0 0,27 (0,00-3,15) 0,30 (0,00-3,69) 0,23 (0,00-2,81) FolsäureÄquivalent [µg/d] 400 497 (274-755) 508 (284-792) 470 (257-748) Niacin [mg/d] m: 16 w: 13 24,1 (13,6-39,6) 25,4 (14,9-39,7) 21,9 (10,8-38,7) Ascorbinsäure [mg/d] 100 279,1 (104,1-696,0) 260,0 (88,4-722,0) 303,2 (110,1-657,9) Natrium [g/d] 0,55-2,4 1,94 (0,43-3,78) 2,12 (0,57-3,97) 1,62 (0,29-3,44) Kalium [g/d] >2 4,67 (2,68-7,49) 4,72 (2,69-7,50) 4,36 (2,63-7,58) Calcium [mg/d] 1000 812 (455-1.336) 829 (467-1.413) 784 (382-1.337) Phosphor [mg/d] 700 1.269 (689-2.174) 1.322 (765-2.280) 1.155 (580-1.954) Magnesium [mg/d] m: 350 w: 300 577 (338-930) 618 (356-997) 549 (322-904) Zink [mg/d] m: 10 w: 7 10,7 (5,6-17,8) 10,9 (6,8-20,1) 10,1 (4,7-17,5) Eisen [mg/d] m: 10 w: 15 20,7 (11,9-32,1) 21,2 (12,8-34,8) 19,8 (10,8-29,7) Jod [µg/d] m: 200 w: 150 78 (45-137) 77 (46-134) 80 (43-140) Kupfer [mg/d] 1,0-1,5 3,03 (1,69-5,07) 3,18 (1,76-5,32) 2,85 (1,64-4,43) Mangan [mg/d] 2,0-5,0 7,94 (4,17-14,6) 8,42 (4,58-14,9) 7,53 (3,54-13,3) ß-Carotin [mg/d] Retinol-Äquivalent [mg/d] Calciferol [µg/d] 1 empfohlene Zufuhr für 25-51jährige Personen ohne Berücksichtigung des unterschiedlichen Charakters dieser Daten 103 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Einer gesonderten Betrachtung bedarf die Situation beim Calcium. Die mediane Calciumaufnahme des DVS-Kollektivs lag mit 812 mg/d zwar deutlich niedriger als der Richtwert, aber trotz des Verzichts53 auf Milch und Milchprodukte sogar höher als in der VERA-Erhebung [Heseker et al. 1994a]. Die empfohlene Calciumzufuhr enthält hohe Sicherheitszuschläge, auch im Hinblick auf die Osteoporoseprävention. Von einer ausgeglichenen Bilanz kann vermutlich schon bei einer Zufuhr von 500-600 mg/d ausgegangen werden [vgl. Anlage 9, S. 64]. Nicht zu beurteilen ist die Frage, inwieweit sich durch die niedrige Proteinaufnahme des Kollektivs ein Calcium-sparender Effekt ergeben könnte. Hohe Proteinaufnahmen wirken calciuretisch; ob eine niedrige Zufuhr gegenteilige Effekte hervorrufen kann, ist nicht eindeutig geklärt [vgl. Anlage 2, S. 205]. Wird eine erstrebenswerte Aufnahme von 600 mg/d Calcium zugrunde gelegt, erreichten immer noch 17,3 % der strengen Veganer und 19,6 % der moderaten Veganer keine angemessene Zufuhr. Die Aufnahme an Eisen stellte sich überraschend hoch dar. Sie lag im Median bei 20,7 mg/d und damit um fast 50 % über der mittleren Aufnahme im VERA-Kollektiv (14,0 mg/d). Dies entspricht etwa der bei Vollwertköstlerinnen ermittelten Zufuhr. Nach den vorliegenden Zufuhrdaten des DVS-Kollektivs erreichten 8,2 % der strengen und 14,3 % der moderaten Veganer nicht die jeweilige alters- und geschlechtsspezifisch empfohlene Zufuhrmenge. 53 Wie Tabelle 25 zeigt, war der geringe Konsum dieser Produkte in der Gruppe VGM ohne Bedeutung für die Zufuhr an Calcium. 104 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Tabelle 32: Prävalenz einer unter den Richtwerten liegenden Nährstoffzufuhr im DVS-Kollektiv (Median, 5-95 Perzentile) Anteil Probanden unter Richtwert1 [%] Retinol-Äquivalent [mg/d] Calciferol [µg/d] Gesamtkollektiv VGS n = 98 VGM n = 56 12,3 12,2 12,5 100 100 100 TocopherolÄquivalent [mg/d] 15,6 13,3 19,6 Thiamin [mg/d] 26,6 20,4 37,5 Riboflavin [mg/d] 50,0 48 57,1 Pyridoxin [mg/d] 7,1 8,2 5,4 Niacin [mg/d] 13,0 9,2 19,6 FolsäureÄquivalent [µg/d] 22,7 21,4 25,0 Cobalamin [µg/d] 94,8 93,9 96,4 Ascorbinsäure [mg/d] 4,5 6,1 1,8 Natrium [g/d] 5,2 4,1 7,1 Kalium [g/d] - - - 76,0 74,5 78,6 Phosphor [mg/d] 4,5 3,1 7,1 Magnesium [mg/d] 1,9 1 3,6 Zink [mg/d] 20,1 16,3 26,8 Eisen [mg/d] 10,4 8,2 14,3 Jod [µg/d] 98,7 Calcium [mg/d] 98 100 Kupfer [mg/d] - - - Mangan [mg/d] - - - 1 Es wurde der jeweilige alters- und geschlechtsspezische Referenzwert für die empfohlene Zufuhr zugrunde gelegt [DGE et al. 2000]. Rechnerisch relativ hoch und deutlich über der Zufuhr des VERA-Kollektivs [Heseker et al. 1994] als auch der HANNA-Probandinnen (vgl. Kapitel. 2.4.3.5, S. 35) lag die Zufuhr an Tocopherol, Ascorbinsäure und ß-Carotin. Im Hinblick auf deren antioxidatives Potenzial ist dies als günstig zu bewerten und ließ auch eine gute Versorgung mit diesen Stoffen erwarten (s. Kapitel 3.4.3.4). Die Aufnahme an β-Carotin war zudem im Mittel ausreichend, um unter Berücksichtigung der 105 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? gebräuchlichen Umrechnungsfaktoren eine ausreichende Zufuhr an Retinoläquivalenten zu ermöglichen. Bei Betrachtung der nach Kostform und Geschlecht aufgeschlüsselten Werte zeigte sich, dass die Frauen der Gruppe VGM im Vergleich zu VGS signifikant weniger Thiamin und Natrium, dagegen signifikant mehr Ascorbinsäure aufnahmen (Anhang B, Tabelle 53). Bei den Männern ergaben sich keine Unterschiede zwischen den Kostformen mit Ausnahme einer signifikant geringeren Tocopherolaufnahme in der Gruppe VGM (Anhang B, Tabelle 54). 3.4.3.4 Versorgungsstatus mit ausgewählten Vitaminen Tabelle 33 zeigt die Versorgung54 mit den in der DVS untersuchten Vitaminen mit Ausnahme von Cobalamin (s. Kapitel 3.4.3.6). Es wird erkennbar, dass sich die anhand der errechneten Nährstoffzufuhr zu vermutenden Probleme nur teilweise auch in der Versorgungssituation zeigten. Dafür ergeben sich an anderer Stelle unerwartet hohe Prävalenzen niedriger Messwerte. Mit einem Median von 34,7 nmol/l lagen die Plasmaspiegel an Folsäure im Mittel 2,67 mal höher als im VERA-Kollektiv [Heseker et al. 1994b] und 1,8fach über den Werten der HANNA-Probandinnen (vgl. Kapitel 2.4.3.5). Dies zeigt möglicherweise einmal mehr Beschreibung den der begrenzten Nutzen Ernährungssituation; von Ernährungsprotokollen55 hiernach lagen rund 22 % zur der Probandinnen unter der erwünschten Zufuhr. Eine Korrelation zwischen Zufuhr und Versorgung an Folsäure (und den meisten anderen Nährstoffen) war in der DVS (wie auch in der HANNA-Studie) nicht zu finden. Die hohen Folsäurespiegel könnten allerdings auch als Folge der schlechten Cobalaminversorgung (s. Kapitel 3.4.3.6) angesehen werden. Entsprechende Zusammenhänge sind dokumentiert [Dagnelie et al. 1989]. 54 Die nach Geschlecht aufgeschlüsselten Daten finden sich in Anhang B. 55 Es könnte auch gefolgert werden, dass die Beziehungen zwischen der empfohlenen Zufuhr eines Nährstoffes und der Versorgungssituation bisher nur unzureichend beschrieben sind. Möglicherweise müssen hier im Sinne eines Biomarker-Konzeptes erst systematisch Korrelationen erstellt werden. Dieses Problem wurde auch bei den Arbeiten mit Fuzzy-Logik evident (vgl. Anmerkungen auf S. 153). 106 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Tabelle 33: Versorgungsstatus des DVS-Kollektivs mit verschiedenen Vitaminen (Median, 5-95 Perzentile) Normwert Gesamt VGS VGM n = 154 n = 98 n = 56 6,8-45,4 34,7 (18,1-46,0) 32,9 (18,1-46,5) 35,8 (17,8-45,3) α-ETK < 1,1 1,1 (1,0-1,3) 1,1 (1,0-1,29) 1,1 (1,0-1,3) α-EGR < 1,5 1,3 (1,1-1,5) 1,3 (1,1-1,5) 1,3 (1,1-1,5) α-EAST < 1,8 1,6 (1,3-2,0) 1,6 (1,3-2,0) 1,6 (1,3-2,0) ß-Carotin [µmol/l] > 0,75 0,67 (0,25-1,83) 0,64 (0,23-1,76) 0,80 (0,33-1,88) Tocopherol [µmol/l] lipidadjustiert 17-53 26,6 (19,7-36,8) 25,5 (19,3-35,2) 27,9 (20,1-41,4) Ascorbinsäure [µmol/l] > 28 111 (65-216) 111 (68-229) 113 (57-252) CIAVIT [x 103] - 1,95 (0,54-7,69) 1,88 (0,43-6,40) 2,20 (0,90-15,2) Plasmafolsäure [nmol/l] Aus den nach Geschlecht und Kostform aufgeschlüsselten Daten (Tabelle 34) wird erkennbar, dass bei den lipophilen Antioxidanzien ß-Carotin und Tocopherol sowohl bei den Frauen, als auch bei den Männern in der Gruppe VGM höhere Werte zu finden waren als bei den strengen Veganern. Bei den Männern waren diese Unterschiede signifikant, bei den Frauen zeigte sich eine Tendenz an der Grenze zur Signifikanz. Die bessere Antioxidanzienversorgung der VGM-Gruppen war jeweils auch im CIAVIT abzulesen; die Unterschiede waren allerdings nicht signifikant. 107 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Tabelle 34: Versorgung mit verschiedenen Vitaminen nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile) VGS Frauen VGM Frauen p VGS Männer VGM Männer p Plasma-Folsäure [nmol/l] 35,9 (21,0-46,3) 36,7 (20,2-45,4) n.s. 33,3 (17,2-46,6) 31,5 (11,6-45,3) n.s. α-ETK 1,09 (1,0-1,24) 1,09 (1,0-1,3) n.s. 1,12 (1,0-1,32) 1,13 (1,0-1,35) n.s. α-EGR 1,3 (1,11-1,59) 1,28 (1,07-1,51) n.s. 1,3 (1,1-1,5) 1,25 (1,06-1,5) 0,071 α-EAST 1,7 (1,33-2,04) 1,6 (1,1-2,03) 0,0491 1,5 (1,3-2,0) 1,6 (1,3-2,0) n.s. ß-Carotin [µmol/l] 0,76 (0,41-1,72) 0,88 (0,31-1,87) 0,077² 0,44 (0,19-1,94) 0,61 (0,37-2,81) 0,032² Tocopherol [µmol/l] lipidadjustiert 25,6 (15,6-40,3) 27,7 (19,7-48,7) 0,077² 25,3 (19,3-32,7) 28,0 (21,7-33,7) 0,0221 Ascorbinsäure [µmol/l] 115,9 (74,1-283) 121 (53,3-328) n.s. 103 (63,8-236) 102 (83,5-141) n.s. CIAVIT [x 103] 2,22 (0,93-7,16) 2,88 (0,86-19,2) n.s. 1,2 (0,4-6,57) 1,57 (0,94-3,72) n.s. 1 t-Test für unabhängige Stichproben, bezogen jeweils auf Frauen VGS vs. VGM bzw. Männer VGS vs. VGM ² U-Test Nach Mann-Whitney, bezogen jeweils auf Frauen VGS vs. VGM bzw. Männer VGS vs. VGM Die Betrachtung der Aktivierungskoeffizienten verschiedener erythrocytärer Enzyme macht wiederum die bereits auf S. 40 angesprochene Grenzwertdiskussion deutlich. Mit unterschiedlichen Grenzwerten wird gerade in diesem Bereich die Prävalenz niedriger Versorgungsparameter extrem verschoben. Die in Tabelle 35 angeführten relativen Häufigkeiten einer niedrigen Versorgung wurden auf Basis der vom untersuchenden Labor angegebenen Grenzwerte ermittelt, die auch der Klassifizierung in der HANNA-Studie zugrunde liegen. Auffallend ist, dass die Riboflavin-Versorgung sich trotz der bei der Hälfte des Kollektivs unter der Empfehlung liegenden Zufuhr als vergleichsweise unkritisch erwies. Überraschenderweise waren demgegenüber niedrige Messwerte bei der Thiaminund Pyridoxinversorgung sehr häufig. Bei beiden Vitaminen errechnete sich eine mittlere Zufuhr, die deutlich über dem empfohlenen Wert lag. Die α-EAST-Werte als Indikator der Pyridoxinversorgung lagen im Median mit 1,6 etwas höher (und 108 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? damit ungünstiger) als in der VERA-Erhebung, obwohl die mediane Pyridoxinzufuhr in der DVS mit 2,61 mg/d deutlich höher war als im VERAKollektiv (1,58 mg/d); dies gilt auch für die auf die Proteinzufuhr bezogene Pyridoxinaufnahme. Hierfür könnten Unterschiede in der Bioverfügbarkeit verantwortlich sein. So ist bei Pyridoxin bekannt, dass ein Großteil des in Pflanzen vorkommenden Vitamins in Form nur eingeschränkt verwertbarer Glycoside vorliegt [vgl. Anlage 2, S. 169]. Tabelle 35: Prävalenz niedriger Vitaminversorgungsparameter im DVS-Kollektiv Häufigkeit niedriger Versorgung [%] Gesamt VGS Frauen VGM Frauen VGS Männer VGM Männer n = 50 n = 37 n = 48 n = 19 - - - - - Cobalamin 26,5 29,3 45,8 10,5 Tocopherol 4,6 2,0 - 8,3 10,5 67,6 97,9 89,5 n = 154 Plasma-Folsäure Thiamin 85,1 5,6 84 Riboflavin 2,8 6,8 2,8 - - Pyridoxin 19,6 24,4 13,9 23,3 10,5 ß-Carotin 55,0 45,8 33,3 75,0 68,4 - - - - - Ascorbinsäure Bei ß-Carotin und Tocopherol zeigte sich mit Blick auf die Zufuhr dieser Vitamine ebenfalls eine Diskrepanz zwischen der erwarteten und der tatsächlichen Versorgung. Dies wird noch deutlicher durch den Vergleich mit anderen Untersuchungen: Versorgungsdaten Tabelle 36 verschiedener listet als Studien Vergleich56 auf. Die die Zahlen Zufuhrfür und ß-Carotin verdeutlichen, dass die Probanden der VERA-Studie [Heseker et al. 1994 a und b] mit einer Zufuhr von rund 1,5 mg/d einen Plasmaspiegel von etwa 0,50 µmol/l erreichten, die Probandinnen der HANNA-Studie mit der vierfachen Zufuhr nahezu 56 Diese Gegenüberstellung soll lediglich Unterschiede der Größenordnung verdeutlichen. Eine weitergehende Interpretation verbietet sich schon wegen der unterschiedlichen Versuchsansätze, insbesondere auch weil es sich nicht um kontrollierte biokinetische Untersuchungen handelte. 109 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? den doppelten Plasmaspiegel. Demgegenüber lag der β-Carotin-Spiegel der DVSProbanden trotz einer nochmals fast 50 % höheren Aufnahme deutlich niedriger als der der HANNA-Probandinnen vor Beginn der Intervention. Eine ähnliche Situation ergibt sich für Tocopherol: Auch dort spiegelte sich die um 50 % höhere Aufnahme des Vitamins nicht in höheren Plasmaspiegeln wider; sie lagen vielmehr unterhalb des Wertes der beiden anderen Kollektive. Tabelle 36: ß-Carotin und Tocopherol: Vergleich der Zufuhr und der Versorgung in den Kollektiven der DVS, HANNA1- und VERA-Studie (Median, 5-95 Perzentile) DVS HANNA1 VERA2 β-Carotin-Zufuhr (mg/d) 8,9 (3,6-22,1) 6,2 (2,4-14,6) 1,56 (0,39-7,57) β-Carotin-Spiegel (µmol/l) 0,67 (0,25-1,83) 0,97 (0,36-2,38) 0,52 (0,12-2,03) Tocopherol-Zufuhr (mg/d) 21 (10,7-46,9) 12,8 (7,4-20,3) 13,3 (5,85-31,1) Tocopherol-Spiegel (µmol/l) (lipidadjustiert) 26,6 (19,7-36,8) 34,6 (25,5-46,3) 29,1 17,6-53,5) 1 Werte vor der Supplementierung 2 2,5-97,5 Perzentile Zur Beurteilung der Plasmakonzentrationen an antioxidativen Vitaminen wird verschiedentlich der CIAVIT-Wert herangezogen [Gey et al. 1987]. Er ergibt sich als Produkt der molaren Konzentrationen von Tocopherol, Ascorbinsäure und β-Carotin und soll den synergistischen Charakter dieser Vitamine berücksichtigen. Da der Wert lediglich als Index dient, wird er üblicherweise ohne die sich ergebende Maßeinheit (µmol3/l3) und durch 103 dividiert angegeben. Mit einem mittleren Wert von 1,95 ergab sich im DVS-Kollektiv ein CIAVIT, der deutlich oberhalb des im VERA-Kollektivs ermittelten Wertes von 1,15 und auf dem Niveau der Mischköstlerinnen (1,80) in der Gießener-Vollwert-Ernährungs-Studie [Groeneveld 1994] lag. Die Vollwertköstlerinnen dieser Untersuchungen hatten mit 3,70 ebenso wie das HANNA-Kollektiv (3,39) eine deutlich bessere Versorgung mit Antioxidanzien. Für eine erste Beurteilung der Situation der untersuchten Veganer sind die Ursachen für die beobachteten Effekte zunächst ohne Bedeutung. Möglicherweise 110 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? ist eine größere Zahl von einzelnen Einflussfaktoren hierfür verantwortlich. So muss der niedrige Fettkonsum insgesamt als Ursache hierfür ebenso in Betracht gezogen werden wie die höhere Aufnahme an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (VERA: 13 g/d, DVS: 17 g/d). Es ist denkbar, dass hier die gesamte Lebensweise, also nicht nur Ernährungsfaktoren verantwortlich sind. Möglicherweise ist die nach bisherigem Verständnis als ausreichend erachtete Nährstoffzufuhr unter den Bedingungen der veganen Ernährung nicht geeignet, um eine ausreichende Versorgung zu gewährleisten (s. auch Kapitel 3.5, S. 134). In zukünftigen Untersuchungen soll diesen Fragen nachgegangen werden, auch um hieraus Empfehlungen ableiten zu können, wie bei einer veganen Lebensweise eine ausreichende Nährstoffversorgung gesichert werden kann. Von besonderem Interesse ist es dabei, den Ursachen der im Vergleich zu den gemäßigten Veganern nochmals schlechteren Versorgung der strengen Veganer nachzugehen. 3.4.3.5 Risikoparameter der Atheroskleroseentstehung In den Industrieländern stellen Herz-Kreislauf-Erkrankungen die Haupttodesursache dar. Ihr Anteil an der Gesamtzahl aller Todesfälle liegt bei ca. 46 %. Grundlage der meisten kardiovaskulären Erkrankungen ist die Atherosklerose; sie entwickelt sich auf Basis eines multifaktoriellen Geschehens. Wie Tabelle 37 zeigt, sind zahlreiche der heute als gesichert geltenden Risikofaktoren durch den Lebensstil beeinflussbar. Diese Faktoren sind stark miteinander vergesellschaftet und bedingen bzw. verstärken sich teilweise gegenseitig [Details s. Anlage 2, S. 273ff]. 111 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Tabelle 37: Hauptrisikofaktoren der Atherosklerose [vgl. Anlage 9, S. 266] Risikofaktor Beeinflussbar Hypercholesterolämie Ja Niedriges HDL-Cholesterol Ja Hypertonie Ja Männliches Geschlecht Nein Diabetes mellitus Möglicherweise Frühzeitig aufgetretene kardiovaskuläre Erkrankungen in der Familie Nein Hohe Lipoprotein (a)-Konzentrationen Moderat Zigarettenrauchen Ja Postmenopause Wahrscheinlich Hyperfibrinogämie Wahrscheinlich Hyperhomocysteinämie Ja Körperliche Inaktivität Ja Adipositas Ja Von grundsätzlicher Bedeutung sind dabei auf genetischen Faktoren beruhende oder ernährungsbedingte Erhöhungen der Plasmaspiegel an Triglyceriden und Cholesterol [vgl. Anlage 9, S. 258ff]. Die Hypercholesterolämie57 ist der wichtigste Risikofaktor für die Entstehung der Koronaren Herzkrankheit (KHK). Im Hinblick auf zerebrovaskuläre Ereignisse und die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAV)) ist sie der drittwichtigste Einflussfaktor. Der Gesamtcholesterolspiegel alleine besitzt aber nur eine geringe Aussagekraft. Von größerer Bedeutung ist die Konzentration in den cholesteroltransportierenden Lipoproteinfraktionen. Der überwiegende Teil des Cholesterols findet sich in den Low density lipoprotein(LDL-)Partikeln, so dass sich eine hohe Korrelation zwischen Gesamt- und LDLCholesterol ergibt. Die atherogene Wirkung hoher LDL-Spiegel gilt als gesichert. 57 Es sei am Rande vermerkt, dass die Oxidation von Polyenfettsäuren als wesentliches initiales Ereignis der Atherogenese anzusehen ist. Dies ist ein Grund dafür, dass auch die Versorgung mit Antioxidanzien Einfluss auf die Krankheitsentstehung nimmt. ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 112 Das Atheroskleroserisiko erhöht sich mit steigenden Spiegeln überproportional. Daher ist der Nutzen einer LDL-Senkung umso ausgeprägter, je höher die Ausgangswerte sind. Demgegenüber besitzen hohe Konzentrationen an High density lipoprotein (HDL) offenbar eine antiatherogene Wirkung und korrelieren invers mit dem KHK-Risiko [s. Anlage 9, S. 267ff]. Aus diesem Grund ist ein möglichst niedriges Verhältnis von LDL- zu HDL-Cholesterol anzustreben. Dieser als „Atherogener Index“ bezeichnete Quotient sollte einen Wert von fünf nicht überschreiten [Assmann und Schulte 1992]. Triglyceride stellen ein Maß für die Konzentration der Very low density lipoproteins (VLDL) dar. Ob der Hypertriglyceridämie als Risikofaktor eine Bedeutung bei der Entstehung der Atherosklerose zukommt, wurde lange Zeit kontrovers diskutiert. Inzwischen gilt ein solcher Zusammenhang als gesichert [vgl. Anlage 9, S. 269]. Die Plasmakonzentration sollte 1,7 mmol/l (150 mg/dl) nicht überschreiten. Ein erst in den letzten Jahren verstärkt diskutierter Risikofaktor ist die Konzentration an Lipoprotein (a). Die Spiegel scheinen unter einer ausgeprägten genetischen Kontrolle zu stehen und schwanken individuell sehr stark. Durch den Lebensstil sind sie daher nur in gewissem Umfang zu beeinflussen. Tabelle 38 listet die fettstoffwechselassoziierten Risikoparameter mit den von der „International Task Force for Prevention of Coronary Heart Disease“ empfohlenen Grenzwerten auf. 113 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Tabelle 38: Grenzwerte für Plasmakonzentrationen von Lipiden und Lipoproteinen im Hinblick auf die Atheroskleroseprävention [vgl. Anlage 9, S. 267, ergänzt] Lipid- und Lipoproteinfraktion Grenzwert mmol/l (mg/dl) Gesamtcholesterol < 5,5 (200) LDL-Cholesterol < 3,5 (135) HDL-Cholesterol bei Frauen bei Männern > 0,9 (35 ) > 1,0 (40) Triglyceride 1,7-4,5 (150-400) Lipoprotein (a) < 1(30) Atherogener Index (LDL / HDL) < 5 (ohne Dimension) 1 eine molare Konzentration kann wegen der variablen Zusammensetzung und der damit verbundenen unterschiedlichen Molmassen nicht angegeben werden. Ein weiterer für das Atheroskleroserisiko bedeutsamer Faktor ist die Hypertonie. Sie gilt als gegeben bei systolischen bzw. diastolischen Blutdruckwerten > 140 bzw. > 90 mm Hg. Erhöhte Blutdruckwerte werden für 35 % der klinischen kardiovaskulären Ereignisse verantwortlich gemacht. Hypertonie ist häufig assoziiert mit erhöhter Körpermasse und Hyperlipidämien und wird von zahlreichen weiteren Größen beeinflusst [vgl. Anlage 2, S. 308ff]. Viele der vorgenannten Risikofaktoren stehen in direkter oder indirekter Beziehung zur Körpermasse. Übergewicht bzw. Adipositas sind insbesondere bei einer androiden Fettverteilung als Basis für die Entstehung zahlreicher weiterer Erkrankungen zu sehen, die ihrerseits auf atherosklerotische Prozesse einwirken [vgl. Anlage 9, S. 219ff]. Auch das Rauchen sowie ein Mangel an körperlicher Aktivität sind lebensstilabhängige Risikofaktoren der Atheroskleroseentstehung. Schätzungen zufolge tragen Interventionsmaßnahmen, die auf die Beeinflussung aller vorgenannten Faktoren abzielen, zu einer deutlichen Reduktion des Risikos für einen Myokardinfarkt bei. Neben diesen, seit langem bekannten Faktoren, wird in den letzten Jahren verstärkt über die Bedeutung einer Hyperhomocysteinämie als Risikofaktor diskutiert [vgl. Anlage 9, S. 272f]. Die Bedeutung dieser nicht-proteinogenen Aminosäure liegt vermutlich in der Reaktion der im Molekül enthaltenen 114 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Thiolgruppe mit Metallionen und einer dadurch bedingten Entstehung Freier Radikale. Diese sind in der Lage, LDL zu oxidieren und damit einen initialen Schritt in der Atheroskleroseentstehung einzuleiten [vgl. Anlage 8, S 150f]. Ein erhöhter Homocysteinspiegel kann auf einem Mangel der am Stoffwechsel beteiligten Vitamine [vgl. Kapitel beteiligten Enzyme beruhen. 3.4.3.6] oder genetischen Defekten der Unklar ist bisher, ab welcher Homocysteinkonzentration das Atheroskleroserisiko erhöht ist. Es hat sich inzwischen gezeigt, dass auch bei Werten unterhalb der bisher als Schwelle angesehenen Konzentration von 15 µmol/l ein erhöhtes Risiko für Carotisstenosen zu beobachten ist [vgl. Anlage 9, S. 273]. Deshalb wird inzwischen diskutiert, ob nicht besser Homocysteinspiegel < 10 µmol/l anzustreben sind [Gerhard und Duell 1999]. Tabelle 39: Risikoparameter der Atheroskleroseentstehung bei den Probanden der DVS (Median, 5-95 Perzentile) Normwert1 Gesamt VGS VGM n = 154 n = 98 n = 56 Triglyceride [mmol/l] 0,68-2,28 0,81 (0,43-1,70) 0,81 (0,40-1,67) 0,81 (0,46-2,67) Gesamtcholesterol [mmol/l] 3,1-5,68 4,33 (2,97-6,74) 4,31 (2,82-6,07) 4,44 (3,20-7,21) HDL [mmol/l] w: 0,92-1,70 m: 1,18-2,09 1,34 (0,84-1,93) 1,31 (0,81-1,86) 1,41 (0,86-2,05) LDL [mmol/l] 1,67-3,84 2,46 (1,35-4,55) 2,41 (1,27-3,97) 2,52 (1,48-5,14) Atherogener Index <5 2,0 (0,9-3,6) 1,8 (0,9-3,7) 2,05 (1,0-3,7) Lp (a) [mg/dl] < 30 8,13 (2,0-10,6) 9,40 (2,00-114) 6,73 (2,00-92,0) < 15 / < 10 12,5 (4,40-62,9) 13,3 (5,97-82,0) 11,2 (3,60-25,7) Blutdruck systolisch [mm Hg] < 140 120 (90-150) 120 (90-165) 120 (90-150) Blutdruck diastolisch [mm Hg] < 90 75 (57-90) 76 (53-90) 75 (60-96) Homocystein [µmol/l] 1 vom untersuchenden Labor zugrunde gelegte Normwerte 115 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Wie Tabelle 3958 verdeutlicht, ergab sich bei den Probanden der DVS eine insgesamt sehr günstige Situation im Hinblick auf die Risikoparameter der Atheroskleroseentstehung. Sowohl Triglycerid- und Gesamtcholesterolspiegel als auch der an LDL-Cholesterol liegen deutlich unterhalb der Grenzwerte. Die Cholesterolwerte der Probanden der DVS lagen niedriger als die bei vegetarisch lebenden Vollwertköstlerinnen ermittelten Werte für Gesamtcholesterol (5,4 mmol/l) und LDL-Cholesterol (3,3 mmol/l) [Hoffmann 1994]. Die TriglyceridSpiegel waren hingegen in dieser Untersuchung mit 0,80 mmol/l identisch. Insgesamt bestätigen die Cholesterolwerte der Probanden der DVS die grundsätzliche Größenordnung der bisher publizierten Daten bei Veganern. Sie lagen teilweise allerdings etwas höher als die bekannten, an kleinen Kollektiven von maximal 30 Veganern erhobenen Werte [vgl. Anlage 2, S. 278f]. Auch der Atherogene Index und die Konzentration an Lp (a) unterstreichen ebenso wie die niedrigen Blutdruckwerte die als optimal anzusehende Situation der Probanden der DVS bei diesen Risikofaktoren. Die Betrachtung der Werte nach Kostform und Geschlecht (Anhang B, Tabelle 55 und Tabelle 56) ergab, dass die Unterschiede in Bezug auf die Kostform uneinheitlich waren. Im Gegensatz zu den bisher genannten Risikoparametern der Atheroskleroseentstehung waren die Homocysteinspiegel relativ hoch. Zwar lag der Median der Homocysteinkonzentration unter dem Grenzwert von 15 µmol/l, aber bei 35,3 % aller Probanden (52,2 % der Männer und 22,1 % der Frauen) fand sich eine über der Norm von 15 µmol/l liegende Konzentration. Die genauere Betrachtung (Tabelle 40) zeigt, dass fast 60 % der Männer der VGS und immerhin noch mehr als ein Drittel der VGM erhöhte Homocysteinspiegel aufwiesen. Bei den Frauen war dieser Anteil mit 26,5 % (VGS) und immer noch 16,2 % (VGM) zwar deutlich geringer, zeigt aber dennoch die quantitative Bedeutung des Problems. Wird der in der Literatur diskutierte Grenzwert von 10 µmol/l zugrunde gelegt [Gerhard und Duell 1999], stellt sich die Situation noch deutlich dramatischer dar (Tabelle 40). Auch in einer neueren Untersuchung [Mann et al. 1999] wird das Problem der Hyperhomocysteinämie deutlich. Die in dieser Studie 58 Die nach Kostform und Geschlecht aufgeschlüsselten Daten finden sich im Anhang B. 116 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? untersuchten Veganer wiesen mit Homocysteinspiegeln von im Mittel 19,2 µmol/l beinahe doppelt so hohe Werte auf wie Fleischesser (ca. 11 µmol/l). Tabelle 40: Häufigkeit kritischer Homocysteinmesswerte bei den Probanden der DVS Häufigkeit kritischer Messwerte [%] Gesamt VGS Frauen VGM Frauen VGS Männer VGM Männer n = 50 n = 37 n = 48 n = 19 Homocystein [µmol/l] < 15 35,3 26,5 16,2 58,3 36,8 Homocystein [µmol/l] < 10 66,0 59,2 46,0 83,3 79,0 Als wesentliche Ursache erhöhter Homocysteinspiegel ist (neben genetischen Defekten) ein Mangel an den am Stoffwechsel der Aminosäure beteiligten Cofaktoren anzusehen. Wie Abbildung 7 zeigt, bestehen zwei Möglichkeiten zur Verstoffwechselung des Homocysteins, zum einen die Remethylierung zu Homocystein, zum anderen der Umbau zu Cystathionin. Für diese Reaktionen werden die coenzymatisch aktiven Formen der Vitamine Pyridoxin, Folsäure und Cobalamin benötigt. Ein Mangel eines oder mehrerer Vitamine führt somit zu einem verminderten Abbau von Homocystein und dessen Akkumulation im Plasma. ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 117 Abbildung 7: Stoffwechsel des Homocysteins Wie in den Kapiteln 3.4.3.4 und 3.4.3.6 gezeigt, fanden sich bei rund einem Viertel des Kollektivs unter der Norm liegende Plasmaspiegel an Cobalamin und bei rund einem Fünftel an Pyridoxin. Die Folsäureversorgung erwies sich hingegen als gut. Für die hohe Prävalenz der Hyperhomocysteinämie bei den untersuchten Veganern muss somit die mangelhafte Versorgung an diesen Vitaminen in Betracht gezogen werden. Die Situation der Veganer stellt sich somit gänzlich anders dar als die der Durchschnittsbevölkerung. Dort wird als wesentlicher Grund erhöhter Homocysteinspiegel ein Mangel an Folsäure angesehen. Entsprechend führt eine Supplementation von Folsäure im Vergleich zu den beiden anderen Vitaminen zu den stärksten Reduktionen des Homocysteinspiegels [Übersicht in Anlage 8, S. 75]. 118 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Weitergehende Regressionsanalysen der in der DVS erhobenen Daten zeigten eine signifikante Korrelation (p=0,001) zwischen dem Homocysteinspiegel und der Versorgung mit den genannten Vitaminen. Bei separater Betrachtung war dieser Zusammenhang aber nur für Cobalamin, nicht jedoch für Folsäure und Pyridoxin signifikant. Abbildung 8 zeigt die Korrelation der Homocysteinspiegel mit denen von Cobalamin. 100 Homocysteinspeigel (µmol/l) r = -0,67 80 p < 0,01 60 40 20 0 0 200 400 600 800 Cobalaminspiegel (pmol/l) Abbildung 8: Korrelation der Plasmaspiegel an Homocystein mit der Cobalaminplasmakonzentration Wie die zusammenfassende Tabelle 41 zeigt, war die Prävalenz der bereits lange diskutierten atherosklerotischen Risikofaktoren unter den Probanden der DVS relativ gering und betraf maximal ein Fünftel des Kollektivs; vielfach lag sie wesentlich niedriger. Allerdings wies bei Annahme eines Grenzwertes von 15 µmol/l ein Drittel des Kollektivs erhöhte Homocysteinspiegel auf. Wurde der teilweise diskutierte Grenzwert von 10 µmol/l zugrunde gelegt, betraf dies zwei Drittel der Studienteilnehmer. 119 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Tabelle 41: Prozentualer Anteil der Probanden der DVS mit über bzw. unter der kritischen Grenze (vgl. Tabelle 38) liegenden Risikoparametern der Atherosklerose Anteil der Probanden [in %] zugrunde gelegter Grenzwert Gesamt VGS VGM [n = 154] [n = 98] [n = 56] Triglyceride [mmol/l] < 2,3 3,90 3,06 5,36 Gesamtcholesterol [mmol/l] < 5,5 14,9 9,18 25 HDL [mmol/l] (analytisch) w: > 0,9 m: > 1,0 13,7 17,5 7,14 LDL [mmol/l] (analytisch) < 3,5 16,3 10,8 25 Atherogener Index (analytisch) <5 0,74 1,20 - Lp (a) [mg/dl] < 30 19,1 Homocystein [µmol/l] < 15 / 35,3 / 42,3 / 23,2 / < 10 66,0 71,1 57,1 Blutdruck systolisch [mm Hg] <140 17,9 22,2 10,9 Blutdruck diastolisch [mm HG] <90 12,4 12,2 12,7 25,9 3.4.3.6 Das Problem der Cobalaminversorgung bei veganer Ernährung In der Diskussion um vegane Ernährungsformen steht die Versorgung mit Cobalamin fast immer im Vordergrund. Wie in Kapitel 3.4.3.5 dargestellt, ergab sich in der DVS ein deutlicher Zusammenhang zwischen Cobalaminversorgung und Homocysteinspiegel. Im Folgenden soll das Thema Cobalamin als „klassischer“ Mangelnährstoff der veganen Ernährung näher erörtert werden. Struktur und Vorkommen Cobalamin (Vitamin B12) ist der Sammelbegriff für eine Reihe unterschiedlich substituierter Corrinoide mit biologischer Wirkung (Abbildung 9). Im Hinblick auf die vegane Ernährung wird kein Nährstoff so kontrovers diskutiert wie Cobalamin. Der Grund hierfür liegt darin, dass dieses Vitamin nicht von Pflanzen gebildet werden kann. Die Synthese des komplexen, aus 4 reduzierten Pyrrolringen ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 120 bestehenden Corrin-Ringsystems ist nach heutiger Kenntnis ausschließlich bestimmten Mikroorganismen vorbehalten. Rein pflanzliche Nahrung enthält deshalb kein Cobalamin. Lediglich durch mikrobielle Kontaminationen59 und bei Produkten, die einer milchsauren Gärung unterzogen werden (z. B. Sauerkraut) können Spuren des Vitamins nachgewiesen werden. Abbildung 9: Struktur des Cobalamin [Bässler et al. 1997] Vor allem unter Veganern wird immer wieder die These vertreten, dass Sauerkraut und andere milchsauer vergorene Lebensmittel auf Basis von Soja (z. B. Miso) oder Kohlarten (z. B. Kimchi) erhebliche Konzentrationen an Cobalamin enthielten und eine ausreichende Versorgung mit dem Vitamin sichern könnten. Auch andere, von Veganern typischerweise verzehrte Produkte wie Algenpräparate, Hefen oder quarkähnliche Lebensmittel auf Süßlupinenbasis scheinen nach 59 Es wird diskutiert, dass die schlechten hygienischen Bedingungen bei vegan lebenden Hindus in Indien einen Cobalaminmangel verhindern. 121 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? derzeitigem Stand der Diskussion nicht als ausreichende Cobalaminquellen geeignet [vgl. Anlage 2, S. 177f]. Der wesentliche Grund für diese Fehleinschätzung dürfte auf einem analytischen Problem beruhen. Zur Quantifizierung von Vitamin B12 wurde lange Zeit ausschließlich der mikrobiologische Wachstumstest angewendet. Dabei ist das Wachstum einer nicht zur Synthese von Cobalamin fähigen Bakterienkultur ein Maß für den Vitamingehalt der Probe. Allerdings werden beim gängigen Nachweis mit Lactobacillus leichmanii auch solche Corrinoide („Pseudo-Cobalamine“) mit erfasst, die zwar von den Mikroorganismen genutzt werden können, für den Menschen aber keine Vitaminwirksamkeit besitzen [vgl. Anlage 2, S. 175]. Spezifischere, aus der klinischen Analytik abgeleitete Verfahren basieren auf radioimmunologischen Techniken und nutzen IF als Bindungsprotein. Verlässliche Aussagen zum Vitamin-B12-Gehalt der angeführten Produkte unter standardisierten Bedingungen liegen bisher nicht60 vor. Sie werden Gegenstand weiterer eigener Arbeiten sein. Zusätzlich sind Humanstudien geplant, um der Frage nachzugehen, ob derartige Lebensmittel tatsächlich bioverfügbares Cobalamin enthalten. Stoffwechsel Auch der Stoffwechsel des Vitamins weist Besonderheiten auf. Aufgrund des hohen MG von 1355,4 Dalton (Cyanocobalamin) bedarf es für Cobalamine eines besonderen Absorptionsmechanismus: Oral zugeführtes Cobalamin wird zunächst im Magen an R-Proteine gebunden, die in Speicheldrüsen und Magen gebildet werden [Grasbeck 1984]. Zu dem ebenfalls im Magen gebildeten Instrinsic Factor (IF), einem Glycoprotein, besteht eine wesentlich geringere Affinität [Basu und Dickerson 1996, Groff et al. 1995]. Im Duodenum erfolgt durch Einwirkung von Pankreasproteasen eine Freisetzung des Cobalamins und die Übernahme durch 60 Ein von einem Vertreiber eines Spirulina-Präparates zur Verfügung gestelltes Analysenzertifikat besagt, dass das mit einem RIA analysierte Produkt 11 µg Cobalamin/100 g enthalte. Die Analyse wurde bisher weder bestätigt noch widerlegt. Allerdings ist ein Versuch, die Cobalaminversorgung durch Algen zu verbessern, fehlgeschlagen [Dagnelie et al. 1991], so dass beim heutigen Stand der Wissenschaft nicht davon ausgegangen werden kann, dass dies eine geeignete Cobalaminquelle ist. ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 122 den IF (proteasestabile Bindung). Dieser Komplex wandert bis zum distalen Ileum und wird dort aktiv aufgenommen. Bei Überschreitung physiologischer Dosen erfolgt die Absorption IF-unabhängig über einfache Diffusion. Auf diesem Wege können auch Personen peroral mit Vitamin B12 versorgt werden, bei denen durch Magenresektion die IF-abhängige Aufnahme unmöglich geworden ist, wobei in solchen Fällen Dosen von mindestens 500 µg/d notwendig sind. Bereits in den Mucosazellen wird Cobalamin an Transcobalamin II gebunden, ein Glycoprotein, das dann den Transport zu den Geweben ermöglicht, vor allem zur Leber, in der sich 60 % des Körperbestandes befinden [Bayer und Schmidt 1991]. Hier wird der B12-Transcobalamin-II-Komplex durch Endozytose in die Zellen aufgenommen. Etwa 30 % des Cobalamins liegen im Muskel vor. Aufgrund der Leberspeicher an Cobalamin wird davon ausgegangen, dass bei fehlender Zufuhr und vorher gut gefüllten Speichern ein Mangel erst nach 3-5 Jahren auftritt. Der besondere Absorptionsmechanismus des Cobalamins ist auch der Grund dafür, dass das von intestinalen Mikroorganismen synthetisierte Vitamin nicht zur Versorgung des Menschen beitragen kann. Funktionen Die physiologische Bedeutung des Cobalamins liegt in seiner Beteiligung als Cofaktor enzymatischer Reaktionen. Die als Coenzyme wirksamen Vitamine Methylcobalamin (cytosolisch) und Adenosylcobalamin (mitochondrial) sind an drei Reaktionen beteiligt [Bässler et al. 1997, Bayer und Schmidt 1991, Pietrzik und Hages 1997]: • Methylcobalamin ist für die Bereitstellung von aktiver Tetrahydrofolsäure notwendig. Diese Transferasereaktion gilt als einziger Stoffwechselschritt, der größere Mengen Tetrahydrofolsäure für Reaktionen bereitstellt, bei denen ein C1-Körper übertragen wird. Cobalamin dient dabei als Akzeptormolekül der Methylgruppe der Tetrahydrofolsäure und nutzt diese anschließend zur Remethylierung von Homocystein zu Methionin. • Adenosylcobalamin ist als Coenzym bei der Methylmalonyl-CoA-Mutase-Reaktion vonnöten. Durch diese Reaktion wird der weitere Abbau von Propionsäure im Citronensäurezyklus ermöglicht, die aus dem Abbau ungeradzahliger Fettsäuren oder vom Methionin-, Threonin- oder Isoleucinabbau stammt. Auch Methylmalonyl-CoA, das beim Abbau von Valin entsteht, bekommt so Anschluss an den Citronensäurezyklus. 123 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? • Adenosylcobalamin ist ferner Coenzym bei der Umlagerung der Aminogruppe von C-Atom 2 an C-Atom 3 des α-Leucins, das dadurch zur β-Aminosäure wird. Die physiologische Bedeutung dieses Schrittes ist bisher nicht bekannt. Bedarf, Versorgung und Mangel Bereits durch Zufuhr von ca. 1 µg/d kann die Cobalaminversorgung gesichert werden [vgl. Anlage 8, S. 148f]. Die von der DGE empfohlene Zufuhr von 3 µg/d wird mit ca. 6,2 µg/d in der Durchschnittsbevölkerung deutlich überschritten [Heseker et al. 1994a], so dass alimentär bedingte Mangelerscheinungen – außer bei Veganern – praktisch nicht auftreten. Hauptursache eines Mangels in der Durchschnittsbevölkerung ist vielmehr das Vorliegen einer chronisch atrophischen Gastritis und ein dadurch bedingtes Fehlen des IF. Ein Mangel macht sich, entsprechend den Funktionen des Vitamins, im Wesentlichen durch zwei Symptomenkomplexe bemerkbar. Durch die funktionale Verbindung von Folsäure und Cobalamin bei der Remethylierung von Homocystein zu Methionin bewirkt ein Cobalamindefizit indirekt einen funktionalen Mangel an Folsäure („Methyl-Falle“). Die hierdurch hervorgerufenen Zellteilungsstörungen manifestieren sich klinisch in Form einer makrocytären, hyperchromen Anämie. Die Einschränkung der Methylmalonyl-CoA-MutaseReaktion hingegen führt zur einer Störung der Synthese von Lipidkomponenten des Zentralnervensystems und dadurch bedingten neurologischen Ausfällen (funikuläre Myelose) [Bässler et al. 1997, 149f]. Besonders gravierend ist dies in frühen Entwicklungsphasen. Cobalaminmangel bei Säuglingen und Kleinkindern kann zu bleibenden neurologischen Einschränkungen führen [Schenck et al. 1997]. Situation bei den untersuchten Veganern Wie Tabelle 42 zeigt, waren die Cobalamin-Blutspiegel61 im DVS-Kollektiv insgesamt 61 relativ niedrig, teilweise aber höher als die aus anderen Leider bestand bei den Probanden der DVS im Gegensatz zur HANNA-Studie nicht die Möglichkeit, Methylmalonsäure als funktionellen Parameter der Cobalaminversorgung zu erfassen. 124 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Untersuchungen bekannten Werte [vgl. Anlage 2, S. 179]. Wie die nach Kostform und Geschlecht differenzierte Betrachtung ergab (Tabelle 43), waren sowohl bei Frauen, als auch bei Männern bei den strengen Veganern signifikant niedrigere Cobalaminspiegel zu finden als bei den gemäßigten Veganern. Auch die Unterschiede zwischen den Geschlechtern waren signifikant, während sich in der Durchschnittsbevölkerung keine Hinweise auf geschlechtsspezifische Versorgungsunterschiede ergaben [Heseker et al. 1994a]. Tabelle 42: Cobalamin Blutspiegel der untersuchten Veganer, differenziert nach Kostform (Median, 5-95 Perzentile) Cobalamin [pmol/l] Normwert Gesamt n = 154 VGS n = 98 VGM n = 56 111-664 152 (87-476) 130 (72-294) 188 (94-748) Tabelle 43: Cobalaminspiegel differenziert nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile) VGS VGM p* Cobalamin [pmol/l] Männer 115 (67-282) 150 (87-490) 0,0261 Cobalamin [pmol/l] Frauen 152 (89-360) 203 (98-895) 0,0011 1 U-Test nach Mann-Whitney auf Unterschiede zwischen VGS und VGM Bei der Bewertung der Cobalaminversorgung besteht Uneinigkeit, ab welcher Grenze von unter der Norm liegenden Messwerten gesprochen werden sollte. Der vom untersuchenden Labor des Instituts für Klinische Chemie der Universität Gießen genannte untere Normwert von 111 pmol/l Cobalamin liegt niedriger als der in der VERA-Studie festgelegte Grenzwert von 136 pmol/l und deutlich unterhalb des von Herbert [1996], der als führende Forscher auf diesem Gebiet anzusehen ist, genannten Wertes von 221 pmol/l. Vereinzelt wurde sogar gefordert, den unteren Normwert auf 258 pmol/l (350 pg/ml) festzulegen, weil bei niedrigeren Minimalwerten eine große Anzahl von Personen mit einem Defizit nicht diagnostiziert wird [Lindenbaum et al. 1990, 1994]. 125 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Wie Tabelle 44 zeigt, war die Versorgungssituation des untersuchten Kollektivs selbst unter Zugrundelegung des niedrigen Referenzwertes des Labors unbefriedigend. Rund ein Viertel aller Probanden wies unter der Norm liegende Messwerte auf. Bei den untersuchten Männern war die Prävalenz niedriger Messwerte signifikant häufiger zu beobachten als bei Frauen. Ein signifikanter Unterschied ergab sich aber vor allem zwischen den Gruppen VGS und VGM. Während nur ein kleiner Anteil (7,3 %) der moderaten Veganer Versorgungslücken aufwies, lag dieser Anteil bei den strengen Veganern mit 37,5 % signifikant höher. Wurden die von Herbert [1996] postulierten Werte herangezogen, erwies sich die Situation als noch gravierender. Tabelle 44: Anteil einer zu geringen Cobalaminversorgung Häufigkeit unter der Norm liegender Messwerte [%] Grenzwert (pmol/l) Gesamt VGS Frauen VGM Frauen VGS Männer VGM Männer n = 50 n = 37 n = 48 n = 19 111 (Labor) 26,5 29,2 5,6 45,8 10,5 221 [Herbert 1996] 71,4 70,0 54,1 83,3 78,9 Da ein schlechter Versorgungsstatus an Cobalamin aufgrund der vorhandenen Leberspeicher erst nach langfristiger veganer Ernährung zu erwarten ist, wurden die Cobalaminwerte im Plasma mit der Dauer der veganen Ernährung in Jahren korreliert. Erwartungsgemäß ergaben Korrelationsanalysen sowohl für das Gesamtkollektiv (Abbildung 10), als auch für die Untergruppen VGS und VGM eine signifikante negative Korrelation zwischen der Dauer der veganen Ernährung und den Cobalamin-Plasmaspiegeln. Da die Leberspeicher bei vorher guter Versorgung etwa nach 5 Jahren fehlender alimentärer Zufuhr aufgebraucht sind, ist mit längerdauernder veganer Ernährung eine dramatische Verschlechterung der Situation zu erwarten. Daher wurden die Cobalaminspiegel der Veganer nach der Dauer der veganen Ernährung in zwei Klassen eingeteilt, in solche, die sich < 5 Jahre und solche die sich ≥ 5 Jahre vegan ernährten (Tabelle 45). Dabei zeigt sich, dass der Median der 126 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 59 Probanden, die sich seit 5 Jahren und länger vegan ernährten, signifikant niedriger lag, als der der Studienteilnehmer mit veganer Ernährung seit kürzerer Zeit. Cobalamin-Plasmaspiegel (pmol/l) 400 r = -0,22 p = 0,01 200 0 0 10 20 30 40 50 Dauer der veganen Ernährung (Jahre) Abbildung 10: Cobalaminspiegel des Gesamtkollektivs in Abhängigkeit von der Zeitdauer der veganen Ernährung (Median, 5-95 Perzentile) Tabelle 45: Cobalamin-Plasmaspiegel in Abhängigkeit von der Dauer der veganen Ernährung [pmol/l] Cobalaminspiegel (Median, 5-95 Perzentile) 1 Klasse 1 (vegane Ernährung seit < 5 Jahren Klasse 2 (vegane Ernährung seit ≥ 5 Jahren p 166 (96,6-505) 122 (67,2-490) 0,0061 n = 92 n = 59 U-Test nach Mann-Whitney auf Unterschiede zwischen Klasse 1 und 2 127 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Die bisher in der Literatur angeführten, meist an kleinen Kollektiven erhobenen Daten zur Cobalaminversorgung bei Vegetariern sind sehr variabel und liegen vielfach im unteren Normbereich [Anlage 2, S. 179f]. Wie die Ergebnisse in Tabelle 44 zeigen, erweist es sich – gerade bei der Beurteilung der Cobalaminversorgung – offenbar als wesentlicher Fehler, nicht nach der Form des Vegetarismus zu differenzieren. Umso mehr überrascht es, dass selbst jüngere Studien zur vegetarischen Ernährung [Hokin und Butler 1999, Schubert und Leupold 2001] diese Unterscheidung nicht vornehmen. Der Frage, worauf die – zwar immer noch zu geringe – aber deutlich bessere Versorgung der VGM im Vergleich zu den VGS zurückzuführen ist, wird derzeit nachgegangen. Die Aufnahme an Milchprodukten lag bei den VGM so niedrig, dass diese zur Erklärung kaum ausreichen dürfte. Die errechnete Zufuhr an Cobalamin war in beiden Kollektiven ähnlich; allerdings müssen diese Zahlen vor dem Hintergrund der beschrieben Unsicherheiten in der Analytik des Vitamins ohnehin kritisch hinterfragt werden. 3.4.3.7 Versorgungsstatus mit Eisen / Parameter der Erythropoese Bei veganer Ernährung kann das Risiko einer Anämie erhöht sein. Mögliche Ursachen hierfür liegen zum einen in einer unzureichenden Cobalaminversorgung, wodurch infolge der funktionellen Verbindung zu Folsäure die DNA-Synthese beeinträchtigt ist. Zum anderen besteht das Risiko einer ungenügenden Eisenverwertung, da vegane Ernährungsformen ausschließlich ionisiertes und damit schlecht lösliches Eisen in zwei- und dreiwertiger Form enthalten, während gut verfügbares Hämeisen aus Lebensmitteln tierischer Herkunft fehlt. Untersuchungen zum Eisenstatus und den hämatologischen Parametern der Erythropoese liegen bei Veganern nur in außerordentlich geringer Zahl vor und sind darüber hinaus nur mit sehr kleinen Kollektiven durchgeführt worden. Die Ergebnisse sind widersprüchlich, zeigen jedoch häufig Werte, die auf eine grenzwertige Versorgung schließen lassen [Anlage 2, S. 224ff]. Um das Kollektiv der DVS auf das mögliche Auftreten einer Anämie zu untersuchen, wurden verschiedene Parameter zum Eisenstatus und zur Erythropoese ermittelt. Die Erythrocytenindices „mean cellular volume“ (mittleres 128 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Erythrocytenvolumen, MCV), „mean cellular hemoglobin“ (mittlere Hämoglobinmenge in einem Erythrocyten, MCH) und „mean cellular hemoglobin concentration“ (mittlere Hämoglobinkonzentration der Erythrocyten, MCHC) werden nach den in Abbildung 11 dargestellten Formeln berechnet. Während die Hämoglobinkonzentrationen zur Diagnose einer Anämie herangezogen werden, dienen die Parameter MCV, MCH und MCHC zur deren weiterer Klassifizierung. So liegt bei erhöhtem MCV eine Makrocytose, bei erniedrigten Werten eine Mikrocytose vor. Ein erhöhter MCHC-Wert deutet auf eine hyperchrome, ein erniedrigter auf eine hypochrome Anämie. MCV (mittleres Zellvolumen der Erythrocyten) = Hämatokrit [%] x 10 MCH (mittlerer Hb-Gehalt der Erythrocyten) = Hb im Vollblut [mmol/l] x 10 MCHC (mittlere Hb-Konzentration der Erythrocyten) = Hb im Vollblut [mmol/l] x 100 [µm3] bzw. [fl] 6 Erythrocytenzahl [10 /µl] [pg] 6 Erythrocytenzahl [10 /µl] [g Hb/dl Ery] Hämatokrit [%] Abbildung 11: Berechnung der Parameter MCV, MCH und MCHC Die häufigste Anämieform in Mitteleuropa ist die durch Eisenmangel bedingte mikrocytäre, hypochrome Anämie, deren Ursache z. B. chronische Blutverluste sein können. Seltener tritt die makrocytäre, hyperchrome Anämie auf. Sie kann als Konsequenz einer mangelnden Aufnahme von Cobalamin und/oder Folsäure bzw. durch Störungen im Stoffwechsel dieser Vitamine entstehen. Hierdurch kommt es zu einer Störung der DNA-Synthese und somit zu einer Verzögerung des Zellzyklus während der Erythropoese. Aufgrund der eingeschränkten Nahrungsauswahl kommen bei einer veganen Ernährung, wie bereits einleitend 129 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? dargestellt, im Wesentlichen ein Mangel an Eisen, als auch an Cobalamin als Ursache einer gestörten Blutbildung in Betracht62. Eine Eisenmangelanämie drückt sich in erniedrigten Hämoglobin- und Hämatokritwerten sowie in verringerten Serumspiegeln an Eisen und Ferritin aus. Erniedrigte Spiegel an Ferritin sind ein zuverlässiger Indikator einer Erschöpfung der Eisenspeicher, da für niedrige Spiegel keine anderen Ursachen als ein Eisenmangel bekannt sind. Ein latenter Eisenmangel ist durch eine erniedrigte Transferrinsättigung bei erhöhten Transferrin- und niedrigen Eisenkonzentrationen gekennzeichnet. Zudem sinken bei einer Eisenmangelanämie die MCV- und MCH-Werte, während diese Parameter bei einem Mangel an Cobalamin und/oder Folsäure ansteigen. Tabelle 46 gibt eine Übersicht über die Veränderungen bei den beiden unterschiedlichen Anämietypen. Tabelle 46: Veränderungen der Parameter des Eisenstoffwechsels bei Nährstoffmangelanämien [nach Kleesiek 1995] Parameter des Eisenstoffwechsels manifeste Eisenmangelanämie Cobalamin / Folsäuremangelanämie Eisen (Serum) ↓ N↑ Transferrin ↑ N↓ Ferritin ↓ N↑ MCH ↓ ↑ MCV ↓ ↑ ↓ = erniedrigt, ↑ = erhöht, N = normal Wie Tabelle 47 für die nach Männern und Frauen aufgeschlüsselten Daten des Gesamtkollektivs zeigt, lagen die klinischen Parameter überwiegend im Normbereich, vielfach aber in Nähe der Grenzwerte. Auffällig sind allerdings die außerordentlich niedrigen Ferritinspiegel bei Frauen, bei denen der Median 62 Störungen der Blutbildung können grundsätzlich auch auf einem Mangel an anderen Nährstoffen, z. B. Riboflavin, Pyridoxin, Folsäure) beruhen. Inwieweit dies bei den untersuchten Veganern als Ursache angesehen werden kann, ist Gegenstand zukünftiger Untersuchungen. 130 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? deutlich unterhalb der Norm liegt. Aus den nach Kostform und Geschlecht differenzierten Daten für Transferrin, Ferritin und Eisen in Tabelle 48 wird deutlich, dass bei Frauen der Ferritinspiegel in der Gruppe VGS signifikant niedriger war, der Transferrinspiegel hingegen signifikant höher als bei den moderaten Veganerinnen. Dies ist als Zeichen eines stärker ausgeprägten Mangels zu werten. Im Gesamtkollektiv wiesen 44,8 % aller Probanden (60,9 % der Frauen und 23,9 % der Männer) erniedrigte Ferritinspiegel und damit eine Erschöpfung der Eisenversorgung auf. Die Prävalenz unter der Norm liegender Messwerte war bei den Frauen der Gruppe VGS mit 70 % am höchsten und signifikant höher als bei denen der Gruppe VGM (48,7 %). Dagegen zeigten nur 20,8 % der streng vegan lebenden Männer und 31,6 % derjenigen aus der Gruppe VGM kritische Messwerte. Tabelle 47: Parameter der Erythropoese und der Eisenversorgung im Gesamtkollektiv (Median, 5-95 Perzentile) verglichen mit dem Normbereich Frauen Männer Normbereich W M Hb [mmol/l] 8,27 (7,25-9,33) n = 85 9,49 (7,88-10,33) n = 66 7,5-10,0 8,7-11,2 Hämatokrit [%] 40 (35-45) n = 85 45 (39-50) n = 66 37-47 42-52 MCV [fl] 93 (83-99) n = 85 94 (83-101) n = 66 76-96 MCH [pg] 31,2 (27,1-33,5) n = 85 32,0 (28,4-35,5) n = 66 27,0-34,0 MCHC [g Hb/dl Ery] 33,3 (32,3-34,4) n = 85 33,5 (32,4-34,2) n = 66 31,9-36,0 Transferrin [g/l] 3,03 (2,22-4,15) n = 87 2,88 (2,22-3,71) n = 67 2,0-4,0 Ferritin [µg/l] 17,0 (5,0-84,6) n = 87 44,0 (14,8-117,6) n = 67 25-210 34-310 Eisen [µmol/l] 12,5 (6,09-22,3) n = 87 14,9 (8,3-27,3) n = 65 10,7-23,3 10,7-25,1 131 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Tabelle 48: Transferrin-, Ferritin- und Eisenspiegel nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile) VGS Männer VGM Männer p VGS Frauen VGM Frauen p Transferrin [g/l] 2,88 (2,29-3,83) 2,72 (2,18-3,41) n.s. 3,22 (2,35-4,13) 2,84 (2,20-4,26) 0,0051 Ferritin [µg/l] 44,0 (11,6-105,5) 44,0 (14,0153,0) n.s. 15,0 (5-58,9) 25,0 (5,0-141,4) 0,0141 Eisen [µmol/l] 14,5 (6,96-26,9) 16,6 (10,2-33,0) n.s. 12,5 (5,91-24,6) 12,4 (6,57-21,1) n.s. 1 U-Test nach Mann-Whitney Unterschiede zwischen VGS und VGM, Die unter den jeweiligen Normwerten liegenden 5. Perzentilen bei den Hämoglobin- und Hämatokrit-Messwerten bei Frauen und Männern deuten ebenfalls auf einen Eisenmangel in einem Teil des Kollektivs hin. Bezogen auf das Gesamtkollektiv traten erniedrigte Hämoglobinwerte bei 9,6 % der Frauen und 15,4 % der Männer auf, erniedrigte Hämatokritwerte bei 16,9 % der Frauen und Männer. Wird die Prävalenz niedriger Messwerte zwischen strengen und moderaten Veganern verglichen, so zeigt sich für Hämoglobin, dass 11,3 % der strengen und 13,0 % der moderaten Veganer Werte unter der Norm aufwiesen. Beim Hämatokrit lagen die Werte von 17,5 % der strengen und 14,8 % der moderaten Veganer unter dem Normbereich. Demgegenüber überschritt die 95. Perzentile bei MCV- und Ferritin für beide Geschlechter sowie bei MCH bei Männern den jeweiligen oberen Grenzwert. Eine Erhöhung dieser Parameter kann eine makrocytäre, hyperchrome Anämie, wie sie im Cobalaminmangel auftritt, anzeigen. Allerdings ist bei einer Beurteilung der Messwerte zu berücksichtigen, dass sich ein Eisen- und ein Cobalaminmangel bei allen in Tabelle 46 angegebenen Parametern durch gegenläufige Veränderungen der Werte ausdrückt, so dass eine Aussage über den tatsächlichen Status bei Personen, die mit beiden Nährstoffen relativ schlecht versorgt sind, erschwert wird. Die Untersuchung der Prävalenz von der Norm abweichender Messwerte ergab, dass bei den MCV-Werten eine Überschreitung der oberen Normgrenze > 96 fl bei 25,7 % der strengen Veganer und 22,2 % der moderaten Veganer vorlag. 132 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Auffallend war bereits der im oberen Normbereich liegende Median dieses Parameters. Dies könnte ein Hinweis auf eine unzureichende Cobalaminversorgung sein. Zwischen dem Cobalaminstatus und den MCV-Werten bestand im Gesamtkollektiv eine negative, schwache, aber statistisch signifikante Korrelation (r = -0,18, p < 0,05). Wurden nur die strengen Veganer einbezogen, ergab sich eine hoch signifikante Korrelation mit einem Korrelationskoeffizienten von r = -0,33. Demgegenüber ließ sich bei den moderaten Veganern keine Korrelation zwischen den MCV-Werten und dem Cobalaminstatus nachweisen. Bei den MCH-Werten lag die Prävalenz erhöhter Messwerte im Gesamtkollektiv bei 4,6 %, bei separater Betrachtung der Subkollektive ergab sich für strenge Veganer eine Prävalenz von 6,2 % und für moderate Veganer von 1,9 %. Zwischen dem Cobalaminstatus und den MCH-Werten bestand im Gesamtkollektiv eine signifikante negative Korrelation (r = -0,22; p < 0,01), die sich auch für das Kollektiv der strengen Veganer nachweisen ließ (r = -0,33; p < 0,01), bei den moderaten Veganern jedoch nicht bestand. Erwartungsgemäß zeigten sich auch statistisch signifikante positive Korrelationen (p < 0,01) zwischen den Eisenwerten im Serum und den Hämoglobin- (r = 0,26), MCH- (r = 0,29) und MCV-Werten (r = 0,30). Die sehr niedrigen Ferritinwerte der Veganer werden auch bei einem Vergleich mit den Werten des VERA-Kollektivs deutlich. Die Probanden der VERA-Studie wiesen mehr als doppelt so hohe Ferritinspiegel auf (Tabelle 49). Verglichen mit dem VERA-Kollektiv [Kohlmeier et al. 1995] zeigten sich bei den Veganern auch deutlich niedrigere Eisenspiegel im Serum, während MCV, MCHC, Hämoglobin und Transferrin ähnliche Werte aufwiesen. Da die Serumeisenkonzentration alleine ein relativ aussageschwacher Parameter ist, wurde zusätzlich die Transferrinsättigung berechnet. Dabei sind die Werte der Männer unkritischer als die der Frauen. So lagen die Werte der strengen Veganer bei 22,4 %, die der moderaten Veganer bei 27,1 %. Demgegenüber wiesen die strengen Veganerinnen eine Transferrinsättigung von nur 17,3 %, die moderaten Veganerinnen von 19,4 % auf. Insbesondere die strengen Veganerinnen liegen 133 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? damit in einem sehr kritischen Bereich, zumal Werte unter 16 % bereits als zuverlässige Indikatoren für Störungen des Eisentransportsystems gelten. In einem kleinen Kollektiv von 20 Veganern lagen die Hämogobin-, Hämatokrit und MCV-Werte auf ähnlichem Niveau wie in der DVS. Niedrige Messwerte traten auch hier insbesondere beim Ferritin auf. Es zeigte sich im Vergleich zu einer Gruppe von Nicht-Vegetariern ein statistisch signifikant geringerer Ferritinwert bei Männern. Unter der Norm liegende Ferritinmesswerte ergaben sich allerdings nur bei 4 % der Frauen [Haddad et al. 1999]. Tabelle 49: Vergleich der DVS- (Median, 5-95 Perzentile) und VERA-Werte (2,597,5 Perzentile) hinsichtlich Parametern der Erythropoese und Eisenversorgung [Kohlmeier et al. 1995] Frauen Männer Frauen Männer DVS DVS VERA VERA 8,27 (7,25-9,33) 9,49 (7,88-10,33) 8,5 (7,2-9,7) 9,5 (8,1-10,8) 93 (83-99) 94 (83-101) 91,5 (82,9-99,8) 92,0 (84,3-101,9 MCH [pg] 31,2 (27,1-33,5) 32,0 (28,4-35,5) - - MCHC [g Hb/dl Ery] 33,3 (32,3-34,4) 33,5 (32,4-34,2) 33,3 (31,6-35,4) 33,5 (31,5-35,4) Transferrin [g/l] 3,03 (2,22-4,15) 2,88 (2,22-3,71) 2,9 (2,1-4,2) 2,8 (2,1-4,0) Ferritin [µg/l] 17,0 (5,0-84,6) 44,0 (14,8-118,0) 40,0 (4,0-229) 108 (10,4-405) Eisen [µmol/l] 12,5 (6,09-22,3) 14,9 (8,3-27,3) 18,9 (7,0-36,2 19,5 (8,6-36,0 Hb [mmol/l] MCV [fl] Insgesamt deuten die Ergebnisse der Untersuchungen zur Eisenversorgung auf mögliche Störungen der Erythropoese bei einem Großteil der Veganer hin. Dies wird insbesondere an den niedrigen Ferritinspiegeln und der geringen Transferrinsättigung deutlich. Die Häufigkeit erhöhter MCV-Messwerte bei fast ¼ des Kollektivs spiegelt die unzureichende Cobalaminversorgung verbunden mit einem erhöhten Risiko einer gestörten DNA-Synthese und damit einer verminderten Erythropoese wider. Demgegenüber lagen die MCH-Werte nur bei 134 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? 6,2 % der strengen und 1,9 % der moderaten Veganer über dem Normbereich. Dieser deutliche Unterschied zwischen strengen und moderaten Veganern fand sich auch beim Cobalaminstatus. So lag die Prävalenz niedriger Werte beim Cobalaminstatus bei den strengen Veganern bei 37,5 % und bei den moderaten bei 7,3 %. Zukünftige Arbeiten werden darauf abzielen, die Parameter des hämatologischen Status weiter zu analysieren, um die verschiedenen Einflussgrößen zu differenzieren und deren quantitative Bedeutung für die beobachteten Effekte ermitteln. 3.5 Der Zusammenfassung Tatsache, dass sich immer mehr Menschen einer Alternativen Ernährungsform zuwenden, wird in wissenschaftlicher Hinsicht noch nicht ausreichend Rechnung getragen. Entsprechend ist eine lebensmittel- und ernährungswissenschaftliche Bewertung vieler Kostformen kaum möglich. Für die quantitativ bedeutendste Alternative Ernährungsform, den Vegetarismus, stellt sich die Situation zweigeteilt dar. Die ernährungsphysiologische Eignung lacto-(ovo-)vegetarischer Ernährungsformen kann auf Basis der vorliegenden und in den Anlagen 2 und 5 dargestellten Daten als gesichert gelten. Sie stellen, richtig praktiziert, nicht nur die Nährstoffversorgung sicher, sondern entsprechen darüber hinaus den Anforderungen an eine präventive Ernährung besser als die im Bevölkerungsdurchschnitt zu findende Lebensmittelzusammenstellung. Während somit der Nutzen einer pflanzlich orientierten Kostzusammenstellung nicht mehr in Frage steht, ist die ausschließlich pflanzliche, vegane, Ernährungsweise sehr viel schwieriger zu bewerten. Die Tatsache, dass hierzu nur wenig Zahlenmaterial vorliegt, war Anlass für die Deutsche Vegan Studie (DVS). Aufgrund der dabei erhobenen Befunde muss zumindest für das untersuchte Kollektiv gefolgert werden, dass hierbei in einigen Bereichen erhebliche Risiken bestehen. 135 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? So erwies sich die Energie- und Proteinaufnahme als sehr gering, auch erkennbar am niedrigen Körpermassenindex der Probanden und einer hohen Prävalenz von Untergewicht. Sehr günstig gestaltete sich hingegen das Verhältnis von Kohlenhydraten zu Fetten in der Ernährung; es entsprach den Empfehlungen. Auch die Zufuhr an Mikronährstoffen war uneinheitlich. Mehr als 20 % des untersuchten Kollektivs erreichten nicht die unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht wünschenswerte Zufuhr an Folsäure, Thiamin und Zink, 50 % nicht die an Riboflavin. Bei Calcium betraf dies 75 % der Probanden, bei Cobalamin, Jod und Calciferol praktisch das Gesamtkollektiv. Bei allen anderen Nährstoffen, insbesondere den Antioxidanzien Ascorbinsäure und ß-Carotin, aber auch bei Eisen, war die Zufuhr relativ hoch. Die klinisch-biochemischen Parameter zeigten, dass die Versorgung mit Folsäure und Riboflavin, trotz der rechnerisch teilweise unzureichenden Zufuhr, sehr gut war. Es fanden sich fast keine im kritischen Bereich liegenden Messwerte. Eine hohe Prävalenz niedriger Versorgungsparameter war aber bei Thiamin, Pyridoxin und ß-Carotin zu finden. Die hohe Zufuhr an ß-Carotin, wie auch an Tocopherol, führte nicht zu den erwarteten Plasmaspiegeln an diesen Vitaminen. Die möglichen Ursachen hierfür werden derzeit analysiert. Eine unter der Norm liegende Cobalaminversorgung fand sich bei Beurteilung anhand des vom Labor genannten Grenzwertes bei einem Viertel des Kollektivs. Werden in der Literatur zitierte Grenzen herangezogen, waren sogar 70 % der Probanden hiervon betroffen. Bei den meisten Risikoparametern der Atheroskleroseentstehung wiesen die untersuchten Veganer eine günstige Konstellation auf. Eine Ausnahme stellt das Homocystein dar; ein Drittel des Kollektivs überschritt den Grenzwert von 15 µmol/l. Wurde der inzwischen diskutierte Normbereich (< 10 µmol/l) zugrunde gelegt, betrug die Prävalenz kritischer Werte 67 %. Die Homocysteinwerte zeigten eine Korrelation zu den Cobalamin-, nicht aber den Pyridoxin- und Folsäurespiegeln. Die hämatologischen Parameter wiesen auf eine schlechte Eisenversorgung hin, was sich insbesondere anhand sehr niedriger Ferritinspiegel dokumentierte. 136 ALTERNATIVE ERNÄHRUNG: BESSER ESSEN NUR MIT PFLANZEN ? Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse, die erstmals an einem größeren Kollektiv von Veganern erhoben wurden, kann gefolgert werden, dass die vegane Lebensweise in einigen Bereichen mit erheblichen Risiken einer mangelhaften Nährstoff- und Energieversorgung einhergehen. Diese Risiken sollten zukünftig weiter differenziert und bekannt gemacht werden. Veganer, das zeigen auch die in der DVS gemachten Erfahrungen, sind von ihrer Lebensweise in hohem Maße überzeugt. Um gesundheitliche Gefahren als Folge einer veganen Ernährung zu vermeiden, müssen deshalb wissenschaftlich begründbare Empfehlungen zur Verbesserung der Ernährungssituation erarbeitet werden. Die bisherigen Querschnittsuntersuchungen stellen eine Momentaufnahme dar. Ein Ziel weiterer Arbeiten wird es deshalb auch sein, die untersuchten Teilnehmer einer Nachbeobachtung zu unterziehen, um Aussagen zur langfristigen Gesundheitssituation treffen zu können. 137 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ 4 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ ZUR LÖSUNG LEBENSMITTEL- UND ERNÄHRUNGSWISSENSCHAFTLICHER PROBLEME Im folgenden Kapitel soll gezeigt werden, wie sich durch den Einsatz von FuzzyLogik neue methodische Ansätze zur Behandlung verschiedener lebensmittel- und ernährungswissenschaftlicher Fragestellungen ergeben. Die interdisziplinären Untersuchungen wurden in Kooperation mit der Firma Albat + Wirsam, Linden, durchgeführt, die die mathematischen Aspekte der Fragestellung bearbeitete. 4.1 Zum Einsatz der Fuzzy-Logik geeignete Problemkreise der Lebensmittelwissenschaft Ein wesentliches Problem für viele Menschen besteht darin, dass die aus ernährungsphysiologischer Sicht anzustrebende Ernährung für den Einzelnen mit teils drastischen Veränderungen der Lebensmittelauswahl verbunden sein müsste. Da die Ernährungsweise ein über lange Zeiträume geprägtes und in hohem Maße individuelles Verhalten darstellt [vgl. Anlage 9, S. 422ff], sind solch grundlegenden Änderungen in der Praxis kaum realisierbar. Trotz intensiver Bemühungen verschiedener Institutionen, Ernährungsberatungen auf der Basis ernährungspsychologisch basierter Konzepte durchzuführen, ist es deshalb bisher nicht gelungen, das Essverhalten der Bevölkerung insgesamt im erwünschten Sinne [vgl. Anlage 9, S. 421f;] zu modifizieren. Selbst wenn bei vielen Menschen der Wille hierzu besteht, wie unter Punkt (d), S. 5, formuliert, ist die langfristige Compliance gering. Die dauerhafte Veränderung gelingt meist nicht, weil die Modifizierungen als zu massiv empfunden werden. Das zeigt sich besonders deutlich am Beispiel der Adipositastherapie: Die langfristige Erfolgsquote liegt bei unter 20 %, obwohl moderne Therapieansätze sowohl multifaktoriell als auch interdisziplinär ausgerichtet sind und keineswegs nur die Ernährung einbeziehen. Zudem ergeben sich häufig Zielkonflikte bei der Speiseplangestaltung. Wird z. B. die Aufnahme eines bestimmten Lebensmittels in den Speiseplan empfohlen, um die Zufuhr mit einem definierten Nährstoff zu verbessern, hat dies auch Auswirkungen auf die Aufnahme anderer Nährstoffe und der Energie [vgl. Anlage 10]. So lässt sich zwar u. U. die erwünschte Mehrzufuhr des Nährstoffs 138 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ erreichen, gleichzeitig wird aber die Zufuhr und Relation anderer Nährstoffe in u. U. unerwünschter Weise verändert. Eine grundsätzliche, damit im Zusammenhang stehende Schwierigkeit ist auch darin zu sehen, dass bei Ernährungsanamnesen, wie auch bei der Zusammenstellung von Speiseplänen, jeder Nährstoff nur isoliert betrachtet wird. Für jede einzelne Substanz wird dabei im Allgemeinen angegeben, ob und in welchem Ausmaß die empfohlene Nährstoffzufuhr realisiert wird. Wünschenswert wäre es jedoch, anhand einer Maßzahl eine Aussage zur ernährungsphysiologischen Güte63 machen zu können. Die beschriebenen Problemkreise lassen sich grundsätzlich mit Hilfe der Fuzzy-Logik, der Logik der unscharfen Mengen, behandeln. Zudem finden sich auch darüber hinausgehende Anwendungsmöglichkeiten. Die Fuzzy-Logik bietet sich aus derzeitiger Sicht zum Einsatz in folgenden lebensmittel- und ernährungswissenschaftlichen Bereichen an: • Bewertung der Zufuhr (Kapitel 4.2 - 4.4), • Optimierung der Nährstoffzufuhr (Kapitel 4.5), • Herleitung von Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr (Kapitel 4.6), • Bewertung klinisch-biochemischer Größen (Kapitel 4.7), • „Nutrition Control“ – rückkoppelnde Anpassung der Ernährung an individuelle Marker (Kapitel 4.8). 63 Unter ernährungsphysiologischer Güte ist in diesem Zusammenhang der Gehalt an Nährstoffen in Relation zur empfohlenen Zufuhr zu sehen. Wie nachfolgend dargestellt (vgl. Kapitel 4.4), erlauben es die gezeigten Modelle, auch weitergehende, für das jeweilige Problem relevante Aspekte (z. B. Schadstoffgehalte, Kosten) zu berücksichtigen. einzelner Nährstoffe und der Gesamtnährstoffzufuhr 139 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ 4.2 Grundlagen der Anwendung von Fuzzy-Logik auf Probleme der Lebensmittelwissenschaft 4.2.1 Interpretation von Nährstoffempfehlungen durch scharfe Grenzen Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr verschiedener wissenschaftlicher Gremien sind so konzipiert, dass sie die täglich empfohlene Nährstoffzufuhr punktgenau oder in Form von Intervallen mit scharfen Grenzen wiedergeben. Im letztgenannten Falle ist die wünschenswerte Zufuhr xa eines Nährstoffes a beschreibbar als Ungleichung xa, min ≤ xa ≤ xa, max, wobei xa, min die Untergrenze der Empfehlung und xa, max die Obergrenze der Empfehlung darstellt. Die Nährstoffzufuhr xa soll zwischen den beiden Grenzwerten liegen. Eine derartige Formulierung mittels scharfer Grenzen kann z. B. als Restriktion für eine lineare Optimierung verwendet werden [Wirsam 1994]. Die zugehörige Funktion „empfohlene Zufuhr des Nährstoffs a“ (gepunktete Line in Abbildung 12 lässt sich entsprechend durch eine charakteristische Funktion µ(xa) definieren mit µ(xa) = 1, für den erlaubten Bereich xa, min ≤ xa ≤ xa, max („acceptable intake“) 0, für den nicht erlaubten Bereich („unacceptable intake“) wobei µ(xa) der Zugehörigkeitsgrad von xa zur Menge „empfohlene Zufuhr des Nährstoffs a“ darstellt [vgl. Anlage 6]. Für die Nährstoffzufuhr ergibt sich danach ein erlaubter, und davon scharf abgegrenzt, ein nicht zugelassener Bereich. Derartig scharfe Funktionen lassen sich mit biologischen Gesetzmäßigkeiten kaum in Einklang bringen. Bezogen auf einen Nährstoff wie Selen, für den eine wünschenswerte Zufuhr von 30-70 µg/d FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ 140 empfohlen64 wird, heißt das beispielsweise, dass nur Werte im Intervall von 3070 µg/d akzeptiert werden. Darunter oder darüber liegende Werte gelten als nicht akzeptabel. Physiologisch sind solch scharfe Grenzen nicht gegeben, was verdeutlicht, dass diese Betrachtungsweise vielen Fragestellungen nicht gerecht wird65. Abbildung 12: Scharfe Funktion „erlaubte Zufuhr“ im Vergleich zum Fuzzy-Set „Optimale Aufnahme“ eines Nährstoffs [Anlage 6] Scharfe Grenzen, so wie sie die Lebensmittel- und Ernährungswissenschaft bisher verwendet, führen darüber hinaus bei Optimierungsproblemen häufig dazu, dass keine Lösung des gestellten Problems gefunden werden kann. In der Praxis, insbesondere bei der Beurteilung von Ernährungsanamnesen sowie bei der Speiseplanerstellung, werden solche Grenzen deshalb häufig nach eigenem Ermessen „aufgeweicht“ und auch abweichende Werte akzeptiert. 64 Es wird an dieser Stelle darauf verzichtet, den unterschiedlichen Charakter der Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr in Empfehlungen, Schätzwerte und Richtwerte [DGE et al. 2000] zu differenzieren, da die Unterscheidung in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung ist. 65 Es sei am Rande vermerkt, dass bereits die international vielfältigen, teils widersprüchlichen Nährstoffempfehlungen zeigen, dass die Angaben keineswegs so „scharf“ sind, wie zunächst der Eindruck entsteht. Sie sind vielmehr mit einer hohen Unsicherheit behaftet (und von vielen weiteren Überlegungen geprägt [vgl. Anlage 1, S. 47], so dass schon aus diesem Grunde eine Interpretation durch Fuzzy-Logik zur Beschreibung besser geeignet ist. 141 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ 4.2.2 Interpretation von Nährstoffempfehlungen durch unscharfe Grenzen Die „Unschärfe“ des Problems „empfohlene Zufuhr des Nährstoffs a“ macht es gut handhabbar für Verfahren der Fuzzy-Logik („Logik der verschwommenen Grenzen“): Die Funktion „erlaubte Zufuhr“ mit scharfen Grenzen (µ(xa)=0 oder 1) korrespondiert mit der Zugehörigkeitsfunktion zu einem Fuzzy-Set (0 ≤ µ(xa) ≤ 1), die wie in Abbildung 12 (durchgezogene Linie) gezeigt dargestellt werden kann. Die Nährstoffzufuhr kann dabei nicht nur, wie in der „scharfen“ Logik ausschließlich mit den Zugehörigkeitsgraden µ(xa)=0 oder µ(xa)=1 bewertet werden, sondern auch mit allen Zwischenwerten. Der Zugehörigkeitsgrad („FuzzyWert“) macht dabei eine Aussage darüber, inwieweit der Wert xa zur Menge „optimale Zufuhr des Nährstoffs a“ gehört. Die „Optimalität“, d. h. die optimale Zufuhr des Nährstoffs, ist integraler Bestandteil des Systems und dann erreicht, wenn der Fuzzy-Wert 1 ist. Bezogen auf einen einzelnen Nährstoff a ist das System wie folgt zu interpretieren: Jeder beliebigen Zufuhr eines Nährstoffs xa kann ein bestimmter Zugehörigkeitswert µ zum Fuzzy-Set zugeordnet werden, der zwischen 0 und 1 liegt. Die Zugehörigkeitsfunktion lautet entsprechend µ(xa). Ein Wert von 0 ist dabei gleichbedeutend mit keiner Zugehörigkeit (physiologisch: keine oder extrem überhöhte Zufuhr des Nährstoffs), ein Wert von 1 bedeutet hingegen volle Zugehörigkeit (physiologisch: optimale Zufuhr des Nährstoffs). Alle Werte zwischen 0 und 1 sind möglich und können in der Fuzzy-Logik verbal interpretiert werden, wobei die Extreme 0 und 1 bei einem essenziellen Nährstoff langfristig gleichbedeutend mit „Tod“ und „optimaler Gesundheitszustand“ sind. Bestimmte, einem definierten Zugehörigkeitsgrad zuzuordnende Zwischenwerte können verbal interpretiert werden, z. B. als „ausgeglichene Bilanz“, „biochemische Veränderungen“ oder „anatomische Veränderungen“ [vgl. Anlage 6]. Der Verlauf der Fuzzy-Kurve gibt an, wie sich der Zugehörigkeitsgrad zum FuzzySet „optimale Zufuhr“ verändert. Somit kann die Bewertung einer bestimmten Nährstoffzufuhr erfolgen: Der Fuzzy-Wert vermindert sich, wenn ausgehend vom Optimum µ(xa)=1 die Zufuhr vergrößert oder verkleinert wird. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass die Steilheit der Flanken der Fuzzy-Kurve [vgl. FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ 142 Anlage 11] darüber bestimmt, bei welchen Nährstoffen eine unter oder über dem Optimum liegende Zufuhr relativ kritisch zu bewerten ist. So ist z. B. die therapeutische Breite von Vitamin D geringer als die von Thiamin. Deshalb zeigt das Fuzzy-Set für Vitamin D oberhalb des Optimums ein relativ scharfes Abknicken. Bei Thiamin verläuft der Abfall der rechten Flanke hingegen sehr flach, so dass sich optisch ein breites Plateau ergibt (Abbildung 13). Fuzzy-Sets beschreiben ein unscharfes System, wie es die Nährstoffzufuhr darstellt, aus diesem Grund sehr viel realistischer als dies scharfe Grenzen vermögen. Abbildung 13: Fuzzy-Sets für Thiamin und Vitamin D [Anlage 11] 4.3 Beschreibung der Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr durch Fuzzy-Sets Auf Basis der vorher geschilderten Überlegungen wurde erstmals versucht, FuzzySets für die optimale Zufuhr verschiedener Nährstoffe zu erstellen [Details s. Anlage 11]. Diese Daten wurden später in Abstimmung mit der Deutschen Gesellschaft für Ernährung leicht modifiziert und dienen als Basis einer DGEeigenen Software66. Für die Erstellung des Fuzzy-Sets werden dabei im verwendeten Modell fünf Punkte benötigt [Details s. Anlage 11], aus denen sich die Form der Kurve ergibt. 66 DGE-PC professional, Ernährungssoftware der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Frankfurt 1999. FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ 143 Das wesentliche Problem besteht darin, eine begründete Basis für die Festlegung dieser Punkte zu finden. Sie basieren, ebenso wie starre Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr, auf dem (teils nur spärlich vorhandenen) wissenschaftlichen Kenntnisstand. Gleichermaßen ist es grundsätzlich möglich, gesundheitspolitische Überlegungen [vgl. Anlage 1, S. 47] mit in die Modellierung einzubringen und z. B. bestimmte Fuzzy-Sets mit steileren Flanken, also weniger tolerant im Hinblick auf Abweichungen, zu gestalten. Abbildung 14 zeigt exemplarisch verschiedene charakteristische Typen von Fuzzy-Sets, die sich dabei ergeben. Die durch die vertikalen Linien eingegrenzten Bereiche (µ(xa)=0,9) stellen den Bereich einer (verbal interpretiert) „optimalen“ bis „ausgeglichenen“ Zufuhr dar, sind also anzustreben. Abbildung 14a: Fuzzy-Set für Fett [Anlage 11] Das Fuzzy-Set für Fett (Abbildung 14a) ist typisch für einen essenziellen Nährstoff, bei dem eine über der Empfehlung liegende Zufuhr nicht erwünscht ist; die rechte Flanke der Kurve ist vergleichsweise steil ausgeprägt. Eine oberhalb des Optimums von 25 Energie-%67 liegende Fettzufuhr führt schnell zu einer 67 In den ursprünglich als Basis zur Modellierung der Fuzzy-Sets herangezogenen Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr [DGE 1991] wurde die wünschenswerte Fettzufuhr mit maximal 25-30 % der Energieaufnahme angegeben. Da schon aus dieser Formulierung deutlich wird, dass eher eine niedrigere Fettzfuhr anzustreben ist, wurde der Optimumswert auf 25-Energie-Prozent festgelegt. FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ 144 ungünstigen Fuzzy-Bewertung. Bei 30-Energie-Prozent ergibt sich die noch gute Fuzzy-Bewertung von 0,9; ist diese allerdings höher, werden die Fuzzy-Werte rapide schlechter. Bei einer niedrigen Zufuhr ist das System toleranter, selbst bei einer Fettzufuhr in Höhe von 10-Energie-Prozent68 liegt der Fuzzy-Wert noch bei 0,9). Abbildung 14b: Fuzzy-Set für Ascorbinsäure [Anlage 11] Die Situation bei Ascorbinsäure (Abbildung 14b) ist charakteristisch für viele wasserlösliche Vitamine, bei denen eine unter dem Optimum liegende Aufnahme der Substanz relativ schnell kritisch zu bewerten ist. Oberhalb des Optimums ergibt sich durch die sehr geringe Toxizität des Vitamins ein extrem breites Plateau. Für nicht zufuhressenzielle Substanzen wie Cholesterol (Abbildung 14c) wurde das Fuzzy-Set so gestaltet, dass sich eine Fuzzy-Bewertung von 1 ergibt, wenn 68 Es könnte der Einwand erhoben werden, dass bei einer derartig niedrigen Fettzufuhr die ausreichende Aufnahme von essenziellen Fettsäuren und fettlöslichen Vitaminen u. U. nicht gewährleistet ist. Dies ist allerdings nicht der Fall. Werden die Fuzzy-Sets z. B. zur Speiseplanoptimierung eingesetzt, werden nicht einzelne Nährstoffe berücksichtigt, sondern die Gesamtheit der im Modell vorhandenen Fuzzy-Sets. Eine zu starke Abweichung vom Optimum bei einem Nährstoff zu Gunsten eines anderen wird verhindert. Es wird vielmehr der insgesamt beste Kompromiss gesucht (s. Kapitel 4.4). 145 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ keine Aufnahme erfolgt (xa=0). Die einem Fuzzy-Wert von 0,9 zuzuordnende Cholesterolzufuhr liegt bei 300 mg/d, dem von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung als täglich tolerabel angesehenen Wert [DGE et al. 2000]. Analog könnten beispielsweise Fuzzy-Sets für toxische Nahrungsbestandteile, wie z. B. Schwermetalle, etabliert werden69. Abbildung 14c: Fuzzy-Set für Cholesterol [Anlage 11] 4.4 Aggregation von Fuzzy-Bewertungen Fuzzy-Sets sind geeignet zur Bewertung der Zufuhr eines einzelnen Nährstoffes. Allerdings genügt es nicht, nur einen Nährstoff oder die verschiedenen Nährstoffe getrennt zu betrachten. Die ernährungsphysiologische Qualität ergibt sich vielmehr aus der Kombination aller Nährstoffe. So kann sich z. B. das Problem ergeben, dass bei der Speiseplangestaltung eine bestimmte Lebensmittelzusammenstellung zu wenig Ballaststoffe und zu viel Energie enthält. Die zusätzliche Gabe von Vollkornbrot würde dann zwar die Fuzzy-Bewertung für 69 Dabei ist grundsätzlich zu bedenken, dass derartige Fuzzy-Sets in der Praxis nur dann Anwendung finden können, wenn auch in den verwendeten Nährstofftabellen Angaben zum Gehalt an den jeweiligen Stoffen in Lebensmitteln zu finden sind oder diese ergänzt werden können. 146 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ Ballaststoffe verbessern, die Bewertung der (ohnehin bereits erhöhten) Energiezufuhr aber weiter verschlechtern. Es entsteht also ein Zielkonflikt, denn es gilt die Bewertung von Ballaststoffen und Energie gleichzeitig zu berücksichtigen. Um dem logischen „Und“ zu entsprechen und einen Kompromiss zu finden, der beiden Nährstoffen Rechnung trägt; werden in der Fuzzy-Logik verschiedene Operatoren verwendet [Wirsam 1994]. Für die Anwendung auf lebensmittelwissenschaftliche Fragen wurde ein Operator µ(xa) entwickelt, der es erlaubt die Zugehörigkeitsgrade von n Variablen zu aggregieren. Er errechnet sich als harmonisches Mittel, korrigiert um den Wert der niedrigsten Fuzzy-Bewertung. µ ( xa) = min(µi ( x a )) ⋅ Dieser, als 1 n 1 1 ∑ n − 1 i ≠ min µi ( xa ) „Prerow-Wert“70 bezeichnete Operator stellt somit eine Gesamtkennzahl für die Qualität der Nahrung dar. Der Wertebereich liegt ebenfalls zwischen 0 (mit dem Leben nicht vereinbar) und 1 (optimal), anzustreben sind Werte >0,9. Der verwendete Operator repräsentiert gut das logische „Und“ [Wirsam 1994, Anlage 6], denn er reagiert sehr empfindlich auf Ausreißer, d. h. auf Nährstoffe, bei denen sich niedrige Fuzzy-Bewertungen µ(xi) ergeben. Das geschilderte Vorgehen der Fuzzy-Bewertung der einzelnen Nährstoffzufuhren und der anschließenden Zusammenfassung dieser Werte ermöglicht es erstmals, direkt verschiedene Mahlzeitenzusammenstellungen zu beurteilen und zu vergleichen. Darüber hinaus lassen sich je nach Fragestellung weitere Zielgrößen berücksichtigen. So sind insbesondere in Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen die Kosten eine wesentliche Variable. Durch Festlegung und Einbeziehung 70 Die Bezeichnung „Prerow-Wert“ wurde nach dem Ort Prerow an der Ostsee gewählt, da dort die ersten Ideen und Voruntersuchungen zur Anwendung der Fuzzy-Logik auf lebensmittelwissenschaftliche Probleme erfolgten. 147 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ eines entsprechenden Fuzzy-Sets kann bei der Bewertung und Optimierung auch dieser Aspekt integriert werden. 4.5 Fuzzy-gestützte Auswertung von Ernährungsprotokollen und deren Optimierung Die Anwendung der in den Kapiteln 4.2 - 4.4 beschriebenen Verfahren ermöglicht es unter anderem, Ernährungsanamnesen auszuwerten und zu beurteilen. Hierbei wird der Lebensmittelverzehr über einen definierten Zeitraum (im Allgemeinen über drei bis sieben Tage) erfasst, wobei häufig geschlossene Schätzprotokolle verwendet werden (vgl. 2.4.2.1 und 3.4.1.2). Ausgehend vom protokollierten Lebensmittelverzehr wird anschließend auf Basis einer Nährstoffdatenbank die Nährstoffzufuhr im Untersuchungszeitraum berechnet. Bisher ist es üblich, Abweichungen von den (scharf begrenzten) Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr prozentual auszudrücken und zumindest in gewissem Umfang nach eigener Einschätzung zu beurteilen. Dass diese relative Beurteilung nicht geeignet ist, kann bereits an einem einfachen Beispiel demonstriert werden. Eine um 30 % über der Empfehlung liegende Fettzufuhr stellt auf Dauer einen Risikofaktor dar, eine um 30 % „überhöhte“ Aufnahme von Ascorbinsäure ist dagegen in dieser Hinsicht völlig ohne Bedeutung. Die mit Hilfe der FuzzyVerfahren nun mögliche Zuordnung von Zugehörigkeitsgraden ergibt in diesem Beispiel für Fett einen Fuzzy-Wert von ca. 0,5, bei Ascorbinsäure hingegen liegt der Wert bei etwa 0,99 und damit nahe am Optimum. Die Zusammenfassung der einzelnen Fuzzy-Bewertungen zum Prerow-Wert ergibt dann ein Gesamtbild der Ernährungssituation. Ausführliche Beispiele für das Vorgehen finden sich in den Anlagen 6 und 10. Mit Hilfe der Fuzzy-Logik ist es aber nicht nur möglich, Ernährungsprotokolle zu bewerten, sondern auch, sie zu optimieren. Konventionell wird in der Ernährungsberatung oder bei der Speiseplanerstellung so vorgegangen, dass auf Basis von (eigenen) Erfahrungswerten einzelne Lebensmittel ausgetauscht und der Plan im Extremfall immer wieder neu berechnet wird. Dabei ergeben sich die vorher beschriebenen Zielkonflikte: Der Austausch eines Lebensmittels führt zur erwünschten Verbesserung bei einem Nährstoff, bei anderen hingegen FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ 148 möglicherweise zu Verschlechterungen. Bei Einbeziehung von n Nährstoffen ist dies ein kaum lösbares Problem. Schließlich wird sich ein Kompromiss ergeben, der je nach verantwortlicher Person und deren Präferenzen höchst unterschiedlich ausfallen kann [Anlage 10]. Die Kombination von Fuzzy-Logik mit Fuzzy-DecisionMaking ermöglicht es, durch iterative Verfahren im n-dimensionalen Raum Entscheidungen zu treffen, die den objektivierbar bestmöglichen Kompromiss darstellen. Dabei wird versucht, auf Basis der Nährstoffgehalte verschiedener Lebensmittel, diejenigen auszuwählen und im Plan auszutauschen, die den größtmöglichen Nutzen für den Gesamtplan bieten. Beurteilungskriterium ist der Prerow-Wert, der maximiert wird. Abbildung 15 zeigt das prinzipielle Vorgehen und die sich ergebende Veränderung des Prerow-Wertes stark vereinfacht am Beispiel von nur zwei Lebensmitteln. Abbildung 15: Änderung des Prerow-Wertes bei Variation von zwei Lebensmitteln [Anlage 11]. 149 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ Wie Abbildung 15 zeigt, sind die sich in diesem Beispiel ergebenden Veränderungen des Lebensmittelkonsums dramatisch. In der Ernährungspraxis ist es allerdings notwendig, ausgehend von der derzeitigen Lebensmittelauswahl in möglichst moderaten Schritten Veränderungen herbeizuführen, damit diese auch vom Verbraucher akzeptiert und umgesetzt werden können (vgl. Kapitel 4.1). Um dies zu erreichen, bietet es sich an, in die Optimierung ein weiteres Fuzzy-Set zu integrieren, das als zusätzliche Bedingung dafür sorgt, dass die Änderungen möglichst gering ausfallen. Die Entfernung zwischen dem Ausgangszustand und der Situation nach der Optimierung kann in „Kücheneinheiten“ gemessen werden. Das heißt, jede Veränderung um eine Portion eines beliebigen Lebensmittels (Herausnahme aus dem alten Plan oder Integration in die Optimierung) ist dabei als eine Einheit anzusehen. Durch Formulierung eines Fuzzy-Sets „Akzeptanz des Verbrauchers bei Variation der Kücheneinheiten“ (Optimalität bei 0 Veränderungen) kann eine zusätzliche Variable in das Modell einbezogen werden, um zu große Veränderungen zu verhindern. Je nach Form dieses Fuzzy-Sets wird es ermöglicht, kleinere oder auch größere Modifikationen durchzuführen. Restriktionen können auch geschaffen werden, indem eine Mengenobergrenze für bestimmte Lebensmittel oder Mindestmengen definiert werden. Hierdurch wird verhindert, dass ein (für den Gesamtplan „gutes“) Lebensmittel zu einer nicht mehr akzeptablen Kostzusammenstellung führt oder individuell präferierte Lebensmittel ganz gestrichen werden. 4.6 Perspektiven I: Fuzzy-Logik als Methode zur Festlegung von Nährstoffempfehlungen In den ursprünglichen Ansätzen wurden die Fuzzy-Verfahren dazu benutzt, die etablierten Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr zu beschreiben, um davon ausgehend Bewertungen und Optimierungen durchzuführen. Auch möglich, aber bisher nur in ersten Ansätzen verwirklicht, ist die Festlegung von Nährstoffempfehlungen auf Basis biochemischer und klinischer Parameter [vgl. Anlage 6]. Dies soll an einem stark vereinfachten Modell erläutert werden. Sowohl Defizite an Mikronährstoffen, als auch deren überhöhte Zufuhr, können zu multiplen Veränderungen biochemischer und klinischer Parameter führen. So kommt es im Nährstoffmangel zu einer charakteristischen Abfolge von FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ 150 Mangelstadien, bei der sich für jede Substanz spezifische Veränderungen ergeben [vgl. Anlage 8, S. 58f]. Neben einer Abnahme des Gesamtkörperbestandes der betreffenden Substanz finden sich als früheste Symptome Verminderungen oder Erhöhungen bestimmter Metaboliten im Plasma oder im Urin und darauf folgend vor allem verminderte Aktivitäten von Enzymen, die auf den entsprechenden Metaboliten als Cofaktor angewiesen sind. Erst später folgen unspezifische und dann für den jeweiligen Nährstoff spezifische klinische Symptome. Ähnlich verhält es sich mit der Überdosierung von Nährstoffen. Auch hier zeigen sich, nach oder parallel zu einer erhöhten Speicherung, Metabolisierung oder Ausscheidung, Veränderungen von Enzymaktivitäten. Eine optimale Nährstoffzufuhr ist dann gegeben, wenn weder Mangelsymptome noch Auswirkungen einer überhöhten Zufuhr messbar sind. Dabei kann es zu „biochemischen Zielkonflikten“ kommen: Die Aktivität eines Enzyms a kann u. U. durch die weitere Zufuhr eines Nährstoffes x noch erhöht werden, während die Aktivität eines zweiten Enzyms b dabei schon abnimmt. Auch hier ergibt sich die optimale Zufuhr (und damit die als empfohlene Zufuhr zu etablierende Größe) als Kompromiss. Um Fuzzy-Sets für einzelne Nährstoffe auf Basis biochemischer Parameter zu etablieren, ist es zunächst notwendig, einen (oder aus den vorgenannten Gründen besser mehrere) biochemische Indikatoren zu finden, die eindeutig von der Aufnahme des Nährstoffes abhängen. Zudem muss dieser Indikator einen definierbaren Bezug zum Gesundheitsstatus besitzen. Mögliche Indikatoren sind z. B. Enzymaktivitäten bzw. Plasmaspiegel oder erythrocytäre Gehalte an bestimmten Substanzen. Messgröße des von der Zufuhr (xa) des Nährstoffes (a) abhängigen Indikators (i) ist ya,i, so dass sich folgende Funktion ergibt: ya,i = fi (xa) Abbildung 16 zeigt dies am Beispiel der Zinkkonzentration in Erythrocyten in Abhängigkeit von der Zinkzufuhr. FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ 151 Abbildung 16: Zusammenhang zwischen der Zinkzufuhr und dem Indikator „Zinkkonzentration in Erythrocyten“ [Anlage 6] Die verwendeten Indikatoren müssen langfristig gesehen den Gesundheitsstatus widerspiegeln, d. h. die Messgröße ya,i des Indikators muss mit einer Zugehörigkeitsfunktion „Grad der Gesundheit“ korrelieren. Das bedeutet, jedem Messwert ya,i muss ein verbal interpretierbarer Gesundheitszustand zuzuordnen sein. Abbildung 17 zeigt dies für den in Abbildung 16 dargestellten Indikator. Abbildung 17: Fuzzy-Set „Grad der Gesundheit“ in Abhängigkeit von der Variation des Indikators „Zinkkonzentration in Erythrocyten“ [Anlage 6] 152 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ Der in Abbildung 17 dargestellte Zusammenhang kann dazu benutzt werden, für den Indikator die Zugehörigkeitsfunktion zum Fuzzy-Set „Grad der Gesundheit“ direkt in Beziehung zur Zufuhr an Zink zu setzen [Details s. Anlage 6]. Dadurch ergibt sich der in Abbildung 18 dargestellte Zusammenhang. Die optimale Zufuhr an Zink liegt demnach im Bereich von etwa 9 mg/d, was gut mit dem aktuell empfohlenen Wert von 10 mg/d für Männer und 7 mg/d für Frauen übereinstimmt [DGE et al. 2000, S. 191]. Abbildung 18: Fuzzy Set „Grad der Gesundheit“ für die Aufnahme von Zink bei Betrachtung des Indikators „Zinkkonzentration in Erythrocyten“ Allerdings existieren für einen Nahrungsinhaltsstoff (a) generell n verschiedene Indikatoren, die unterschiedliche Problemkreise beschreiben. Somit können letztlich n verschiedene Fuzzy-Sets der in Abbildung 18 dargestellten Form abgeleitet werden. Sie alle stellen partielle Fuzzy-Sets dar, die jeweils nur einen Teilaspekt des Problems „Gesundheitszustand in Abhängigkeit von der Zufuhr an (a)“ beschreiben. Für eine Gesamtbeurteilung ist es notwendig, die einzelnen Fuzzy-Sets zusammenzufassen, so dass auch potenzielle Zielkonflikte berücksichtigt werden. Hierzu bietet sich der auch zur Berechnung des PrerowWertes benutzte Operator an [vgl. Kapitel 4.4]. Eine detaillierte Darstellung des Aspektes findet sich in Anlage 6. FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ 153 Das beschriebene Verfahren ermöglicht somit grundsätzlich eine wissenschaftlich rational begründete Festlegung von Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr. Dabei kann das Verfahren stets dem sich verbessernden Kenntnisstand angepasst und verfeinert werden, indem jeweils neue Indikatoren integriert und bei der Bestimmung der optimalen Nährstoffzufuhr berücksichtigt werden. Grundsätzlich ist dieser Ansatz nicht nur auf essenzielle Nährstoffe anwendbar, sondern kann beispielsweise auch für Xenobiotika modifiziert werden. Derzeit bestehen im Wesentlichen drei Probleme, die in den zukünftigen Arbeiten behandelt werden sollen: • Die Suche nach geeigneten Indikatoren für verschiedene Nahrungsinhaltsstoffe. • Eindeutige Aussagen zum Zusammenhang zwischen der Zufuhr des Nahrungsinhaltsstoffes und der Veränderung des jeweiligen Indikators, die unter Beachtung des ceteris paribus-Prinzips ermittelt wurden. • Suche nach einer begründeten Datenbasis für die Formulierung der Fuzzy-Sets „Grad der Gesundheit in Abhängigkeit vom jeweiligen Indikator (i)“. 4.7 Perspektiven II: Fuzzy-Logik als Hilfsmittel zur Beurteilung des Gesundheitsstatus Fuzzy-Sets bieten sich nicht nur an, um die Zufuhr von Nährstoffen zu beschreiben und zu bewerten. Der methodische Ansatz lässt sich gleichermaßen auf die Beschreibung von biochemischen und klinischen Messwerten anwenden. In der klinischen Chemie ist es üblich, Normbereiche (z. B. für Blutwerte) anzugeben. Unterhalb oder oberhalb der jeweiligen Grenzwerte liegende Messergebnisse gelten als auffällig. Der behandelnde Arzt interpretiert derartige Abweichungen dann aufgrund eigener Kenntnisse und Erfahrungen und entscheidet, ob er beispielsweise bei Überschreitung eines Grenzwertes eine Intervention für notwendig hält oder nicht. Dass die reale Situation durch scharfe Grenzen nicht beschreibbar ist, zeigt auch die Tatsache, dass teilweise auch Messwerte, die noch im erlaubten Intervall liegen, sich aber dem Grenzbereich nähern, als Grund zur Intervention angesehen werden. Die Situation bei der Bewertung biochemischer und klinischer Messwerte gleicht somit auffallend derjenigen bei der Bewertung der Nährstoffzufuhr (vgl. 154 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ Kapitel 4.2). Wenn es gelingt, für einen biochemischen Parameter p einem bestimmten Messwert xp einen Zugehörigkeitswert µ zum Fuzzy-Set „Optimale Gesundheit in Abhängigkeit vom Parameter p“ zuzuordnen, kann eine Zugehörigkeitsfunktion µ(xp) definiert werden. Sie dient dann als Basis für eine kontinuierliche, die Realitäten besser widerspiegelnde Bewertung des Parameters. Gleichermaßen wäre es dann möglich, durch Aggregation (beliebig vieler) verschiedener Parameter eine Gesamtkennzahl für den Gesundheitszustand im Sinne eines „persönlichen Gesundheitswertes“ oder eines „GesundheitsrisikoIndex“ zu definieren. Dabei könnten – die Definition entsprechender Fuzzy-Sets vorausgesetzt – nicht nur biochemische und klinische Parameter integriert, sondern auch Lebensstilfaktoren (z. B. Rauchen, Bewegung) berücksichtigt werden. 4.8 Perspektiven III: „Nutrition control“ – Fuzzy-Logik als Hilfsmittel zur Individualisierung von Ernährungsempfehlungen Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr sind im Allgemeinen so konzipiert, dass es sich um Mengen handelt, von denen angenommen wird, dass sie nahezu alle Personen der ernährungsbedingten jeweils angesprochenen Gesundheitsschäden Bevölkerungsgruppe schützen und ihre vor volle Leistungsfähigkeit garantieren [DGE et al. 2000, S. 7]. Damit stellen sie bereits – sowohl vom Konzept als auch vom Ziel her – nicht notwendigerweise die optimale Zufuhr eines Nährstoffs für ein Individuum oder auch für eine bestimmte Personengruppe dar. Dies gilt insbesondere, da der individuelle Energie- und Nährstoffbedarf höchst variabel ist. Daher sind Nährstoffempfehlungen, obwohl sie vielfach so gehandhabt werden, für eine individuelle und situationsangepasste Ernährungsberatung sowie als Basis für eine daraus resultierende Lebensmittelauswahl ungeeignet. Besonders deutlich wird dies bei den Richtwerten für die Energiezufuhr, die eine durchschnittliche Empfehlung geben, was bedeutet, dass sie für den Großteil einer Population zu niedrig oder zu hoch angesetzt sind. Um den spezifischen und individuellen Gegebenheiten näher zu kommen, sind Informationen über 155 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ persönliche Indikatoren bestimmten notwendig. Nahrungsinhaltsstoff Diese abhängen müssen und eindeutig ein von Maß einem für den Gesundheitsstatus darstellen. So könnte die Energiezufuhr an die Körpermasse gekoppelt werden, z. B. bestimmt als Körpermassenindex (Body Mass Index = BMI). Für verschiedene Nährstoffe könnten unmittelbar Versorgungsparameter (z. B. Blutwerte) herangezogen werden. Denkbar ist es auch, funktionale Parameter zu nutzen. Dies könnte z. B. der Spiegel an Homocystein als Maß für die Versorgung mit den Vitaminen Pyridoxin, Cobalamin und insbesondere Folsäure sein. Damit sind genau diejenigen Daten nutzbar, die umgekehrt auch zur Festlegung von Nährstoffempfehlungen (vgl. Kapitel 4.6) dienen [vgl. Anlage 6]. Wird nun beispielsweise ein Fuzzy-Set „Optimaler Body Mass Index“ definiert, kann die Körpermasse als zusätzlicher Parameter in eine Nährwertberechnung integriert werden. Ist der BMI im Normbereich, wird es nicht notwendig sein, von der für die jeweilige Personengruppe gegebenen Empfehlung für die Energiezufuhr abzuweichen. Bei erhöhten oder erniedrigten Werten ist eine Anpassung notwendig, indem das Fuzzy-Set für Energie durch Modifier variiert wird, z. B. durch vektorielle Links- oder Rechtsverschiebung des Optimumwertes. Erste Anwendungen dieses Verfahrens wurden bereits erprobt: So ist bekannt, dass erhöhte Cholesterol- und Triglyceridspiegel durch eine Reduktion der Fettzufuhr gesenkt werden. In einer vierwöchigen, randomisierten Doppelblindstudie wurde der Fettgehalt der Nahrung an die individuellen Blutfettspiegel der Probanden angepasst und wöchentlich kontrolliert. Hierdurch konnte die prozentuale Fettzufuhr an das individuell erreichte Lipidprofil angepasst, d. h. beibehalten, wieder erhöht oder gesenkt werden [vgl. Anlagen 7 und 15]. Beim derzeitigen Stand der Entwicklungen sind die Verfahren somit insbesondere geeignet, um ernährungsabhängige Risikoparameter durch eine individuell angepasste Ernährung zu beeinflussen. Notwendig ist dabei jeweils die Definition der zu beeinflussenden Größe als Fuzzy-Set und die Kenntnis der Ernährungsparameter, die diese Zielgröße beeinflussen. 156 FUZZY LOGIK: EIN NEUER METHODISCHER ANSATZ 4.9 Zusammenfassung Fuzzy-Logik, die darauf gründenden Fuzzy-Sets und der Prerow-Wert bieten erstmals die Möglichkeit, eine Kennzahl für die Gesamtqualität der Nahrung zu berechnen. Daraus ergibt sich nicht nur die Möglichkeit, Ernährungsanamnesen zu bewerten, sondern sie auch als Ausgangspunkt für Optimierungen zu verwenden. Auf diese Weise gelingt es, eine Verbesserung der Ernährungsweise durch moderate Eingriffe in das Ernährungsmuster zu realisieren. Durch Mengenvariationen der üblicherweise verzehrten Lebensmittel und einen möglichst geringen Ersatz bestimmter Produkte durch Alternativen lässt sich die individuelle Ernährungsweise in ihrer Grundstruktur beibehalten, aber gezielt verbessern. Insgesamt ist es damit möglich, das auf S. 5, Punkt (d), formulierte Ziel einer ausgewogenen Ernährung leichter zu erreichen. Darüber hinaus ermöglicht es die Methodik der Fuzzy-Logik prinzipiell, auch biochemische und klinische Parameter entsprechend zu bewerten. Auch die Anwendbarkeit bei der „nutrition control“ sowie bei der Herleitung von Nährstoffempfehlungen ist in den Grundlagen und in ersten Anwendungen realisiert. Insbesondere der letztgenannte Aspekt wird zukünftig eine weitere systematische Bearbeitung erfordern. 157 FAZIT UND PERSPEKTIVEN 5 FAZIT UND PERSPEKTIVEN Der Wunsch nach einem langen Leben, frei von Krankheiten und in dauerhafter Fitness findet sich bei vielen Menschen. Ihm steht eine Realität gegenüber, die – insgesamt gesehen – hiervon deutlich abweicht. Vielfältige ernährungsabhängige Erkrankungen, die sich über Jahre und Jahrzehnte entwickeln, vermindern die Lebensqualität und stellen außerdem die häufigsten Todesursachen dar. Inzwischen ist großen Teilen der Bevölkerung grundsätzlich bewusst, dass Ernährung und Gesundheit eng miteinander verknüpft sind. Allerdings besteht in der Bewertung der mit Lebensmitteln verbundenen Risiken eine erhebliche Diskrepanz zwischen den Einschätzungen des Verbrauchers und denen der Wissenschaft. Wissenschaftlich belegt ist heute, dass das wesentliche Ernährungsproblem in der Fehlerernährung liegt, gefolgt von dem pathogener Keime. Der Laie hingegen hält Umweltkontaminanten und Zusatzstoffe für die größte Gefahr im Umgang mit Lebensmitteln [vgl. Anlage 3]. Diese Fehleinschätzung wird gefördert durch immer wiederkehrende oder auch neu auftauchende Diskussionen, z. B. die über die angeblich mangelnde Qualität und den „heutzutage“ zu geringen Nährstoffgehalt von Lebensmitteln oder über die Risiken von TSE. Die Reaktionen der Verbraucher auf echte und vermeintliche Risiken sind unterschiedlich. Die beschriebenen Nährstoffsupplementierung und die Varianten, Hinwendung nämlich zu die Alternativen Ernährungsformen, wie im Extremfall der veganen Ernährung, erweisen sich nur unter bestimmten Voraussetzungen als geeignet, um einen, gemessen an der Nährstoffzufuhr und –versorgung, guten Gesundheitsstatus zu erreichen. Die Darstellungen über Nahrungsergänzungsmittel und die Ergebnisse der Hannoverschen Nahrungsergänzungsstudie (HANNA) (Kapitel 2) machen deutlich, dass selbst in einem gut ernährten Kollektiv ein gewisser Anteil an Personen mit marginaler Nährstoffsupplementierung ist Versorgungssituation hier in der Lage, zu finden ist. zur Verbesserung Eine des Versorgungsstatus beizutragen. Ein gesundheitsfördernder Effekt ist insbesondere bei Personen zu erwarten, die mit einzelnen oder mehreren Nährstoffen 158 FAZIT UND PERSPEKTIVEN unzureichend versorgt sind. Nahrungsergänzungsmittel sind aber nicht in der Lage, die Folgen kompensieren und einer hyperenergetischen, dadurch bedingte fettreichen Gesundheitsrisiken Ernährung zu zu beseitigen. Weitergehende Studien zur Wirkung von Supplementen und eine klare Beschreibung der Gruppen, die von einer Supplementierung profitieren könnten, sind notwendig. Nur dann lassen sich eindeutige und begründbare Empfehlungen geben. Aus der Übersicht zur Alternativen Ernährung und dem Datenüberblick zur Deutschen Vegan Studie (DVS) (Kapitel 3) wird ersichtlich, dass eine vegetarische Ernährung nicht zwangsläufig zu einem verbesserten Gesundheitsstatus führen muss. Die eingeschränkte Nahrungsauswahl der Veganer verursachte nicht nur bei den in sehr geringer Menge aufgenommenen Nährstoffen Versorgungslücken, sondern selbst bei solchen Nährstoffen, die mit der veganen Ernährung in besonders hoher Menge aufgenommen werden. Die Gründe hierfür bedürfen einer weitergehenden Betrachtung, um letztlich Hinweise geben zu können, was bei einer veganen Ernährung zu beachten ist bzw. ob und wie sie bedarfsdeckend gestaltet werden kann. Um Gesundheitsschäden zu vermeiden, ist bei der momentanen wissenschaftlichen Datenlage eine vegane Ernährung nur Personen anzuraten, die über lebensmittelwissenschaftliches Vorwissen verfügen und die potenziellen Risiken kennen und vermeiden. Aus lebensmittel- und ernährungswissenschaftlicher Sicht können inzwischen Empfehlungen für eine präventive Ernährungsweise gegeben werden, die vielfach auf Probleme bei der Umsetzung in die Praxis stoßen. Das in Kapitel 4 skizzierte Verfahren, mit Hilfe der Fuzzy-Logik Veränderungen in kleinen Schritten herbeizuführen, könnte zukünftig neue Perspektiven in der Ernährungsberatung eröffnen. Zudem erlaubt es auch die Behandlung grundlagenorientierter Fragestellungen wie die nach einer rationalen Ableitung von Nährstoffempfehlungen. Die dargestellten Arbeiten werden weitergeführt und vertieft. Auf Basis des derzeitigen Kenntnisstands sei es resümierend erlaubt, die dargestellten Ergebnisse und Probleme in drei Zitaten teils unbekannter Herkunft FAZIT UND PERSPEKTIVEN 159 zusammenzufassen. Sie stellen aus Sicht des Verfassers die Situation treffend dar: • Nahrungsergänzungsmittel: „In our factories we produce vitamins, in our stores we sell hope.“ • Alternative Ernährungsformen: „Auch die besessensten Vegetarier beißen nicht gern ins Gras“ (Joachim Ringelnatz) • Fuzzy Logik: „Clearly – the future is fuzzy!“ 160 ANHANG 6 ANHANG 6.1 Anhang A: Publikationsverzeichnis Andreas Hahn Bücher / Buchbeiträge 1. Hahn A (1990): Zum Mechanismus der intestinalen Aufnahme von Pteroylmonoglutaminsäure — Transport und nachgeschaltete intrazelluläre Prozesse. Wissenschaftlicher Fachverlag, Gießen (Dissertation), 261 S 2. Leitzmann C, Hahn A71 (1995): Grundlagen der Ernährung des Gesunden. in: Huth K, Kluthe R (Hrsg.): Lehrbuch der Ernährungstherapie. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 1-49 3. Leitzmann C, Hahn A (1996): Vegetarische Ernährung. Ulmer, Stuttgart, 445 S 4. Hahn A, Wolters M (1998): Die Forderung nach dem Verzicht bzw. der Reduzierung des Verzehrs von Lebensmitteln tierischen Ursprungs; ein realistisches und begründbares gesundheits- und gesellschaftspolitisches Anliegen? in: Akademie für Tiergesundheit (Hrsg.): Jahrtausendwende und Tiergesundheit Perspektiven für das kommende Jahrzehnt. Gustav Fischer, Jena, 110-143 5. Leitzmann C, Hahn A (1998): Vegetarische Ernährung - gesund und bewußt essen. Trias, Stuttgart, 239 S 6. Hahn A71 (1999): Ernährung und Medikamente. in: Biesalski HK, Fürst P, Kasper H, Kluthe R, Löhlein I, Puchstein C, Stähelin HB (Hrsg.): Ernährungsmedizin. 2. Aufl., Thieme, Stuttgart, 657-667 7. Hahn A, Wolters M (1999): Vegetarische Ernährung – kritisch gesehen. in: Evangelische Akademie Baden-Baden (Hrsg.): Vegetarisch leben – Müssen wir unsere Eßgewohnheiten ändern? Herrenalber Forum 23, EPB, Karlsruhe, 20-54 8. Wirsam B, Hahn A (1999): Fuzzy methods in nutrition planning and education in clinical nutrition. in: Teodorescu HN, Kandel A, Jain LC (eds.): Softcomputing in Human-Related Sciences. CRC Press LLC, Fl, 335-350 9. Leitzmann C, Keller M, Hahn A (1999): Alternative Ernährungsformen. Hippokrates, Stuttgart, 261 S 10. Zunft HJF, Wirsam B, Plank-Habibi S, Hahn A, Seppelt B, Leitzmann C (2000): Kontrolle der Fettzufuhr durch Rückkopplung an die individuell erreichte Senkung des Serumcholesterolspiegels in einer Doppelblind-Studie. in: Richter V, Reuter W, Rassoul F (eds.): Aktuelle Aspekte der Lipoprotein- und Atheroskleroseforschung. Verlag Wissenschaftliche Skripten, Zwickau, 32-38 71 Bei den Publikationen 2, 6, 12 und 13 handelt es sich um Lehrbücher bzw. Beiträge zu Lehrbüchern ANHANG 11. Hahn A (2001): Nahrungsergänzungsmittel. Deutscher Apotheker Verlag, Stuttgart, 286 S 12. Hahn A71(2001): Ernährungswissenschaft für Pharmazeuten. Deutscher Apotheker Verlag (in Vorbereitung) 13. Leitzmann C, Müller C, Michel P, Brehme U, Hahn A71, Laube H (2001): Ernährung in Prävention und Therapie. Hippokrates, Stuttgart, 478 S 161 Originalarbeiten und Reviews 14. Hahn A, Rehner G (1990): Analytik von Folsäure-Derivaten. Ernährungs-Umschau 37 (9), 356-364 15. Daniel H, Hahn A (1990): ß-Casomorphine - opioidaktive Peptide aus der Milch. Ernährungs-Umschau 37 (3), 95-101 16. Hahn A, Daniel H, Rehner G (1991): Transport of pteroylglutamic acid into brush border membrane vesicles is a partially carrier-mediated process. Z Ernährungswiss - Eur J Nutr 30, 201-213 17. Hahn A, Flaig KH, Rehner G (1991): Optimized high performance liquid chromatographic procedure for the determination of folacins. - II. Extraction method and application to rat liver. J Chromatogr 545, 91-100 18. Hahn A, Stein J, Rump U, Rehner G (1991): Optimized high performance liquid chromatographic procedure for the determination of folacins. - I. The chromatographic system. J Chromatogr 540, 207-215 19. Daniel H, Hahn A (1991): Pathogenese und Ernährungstherapie der Lebererkrankungen. Deutsche Apotheker Zeitung 131, 469-478 20. Sander S, Hahn A, Stein J, Rehner G (1991): Comparative studies on the high performance liquid chromatographic determination of thiamine and its phosphate esters with chloroethylthiamine as an internal standard using pre- and post-column derivatization procedures. J Chromatogr 558, 115-124 21. Hahn A, Erll G, Sawatzki G, Daniel H (1992): Does casein as precursor of ß-casomorphins effect gastrointestinal transit time? in: Brantl V, Teschemacher H (eds.): ß-casomorphins and related peptides: Recent developments. VCH, Weinheim, 1994, 220-226 22. Erll G, Hahn A, Brantl V, Daniel H (1992): ß-casomorphins and intestinal net fluid transport in vivo. in: Brantl V, Teschemacher H (eds.): ß-casomorphins and related peptides: Recent developments. VCH, Weinheim, 1994, 143-149 23. Stein J, Hahn A, Rehner G (1992): High-performance liquid chromatographic determination of biotin in biological materials after crown ether-catalyzed fluorescence derivatization with panacylbromide. Anal Biochem 200, 89-94 ANHANG 162 24. Hahn A (1994): Wirkungen von Pharmaka auf den Stoffwechsel der Nährstoffe. Deutsche Apotheker Zeitung 134, 17-29 25. Stein J, Daniel H, Whang E, Wenzel U, Hahn A, Rehner G (1994): Rapid postabsorptive metabolism of nicotinic acid in rat small intestine may affect transport by metabolic trapping. J Nutr 124, 61-66 26. Hahn A (1995): Medikamenteneinnahme und Nährstoffversorgung. I. Prinzipien und Mechanismen. Ernährungs-Umschau 42 (6), 198-207 27. Hahn A (1995): Medikamenteneinnahme und Nährstoffversorgung. II. Einflußfaktoren und Konsequenzen. Ernährungs-Umschau 42 (7), 238-242 28. Hahn A, Pfeiffenberger P, Wirsam B, Leitzmann C (1995): Bewertung und Optimierung der Nährstoffzufuhr mit Hilfe der Fuzzy-Logik. Ernährungs-Umschau 42 (10), 367-371 29. Hahn A, Matzke A (1996): Medikamenteneinnahme und Nährstoffversorgung. ErnährungsInfo 3/96, 5-10 30. Wirsam B, Hahn A, Uthus EO, Leitzmann C (1997): Fuzzy sets and fuzzy decision making in nutrition. Eur J Clin Nutr 51, 286-296 31. Hahn A (1999): Sekundäre Pflanzenstoffe – Hatte Hippokrates doch recht? Diät und Information 1/99, 15-17 32. Hahn A (1999): Sekundäre Pflanzenstoffe – zwischen Nahrung und Arznei. Ernährungs-Umschau 46, 128-133 33. Hahn A, Wolters M (1999): Supplemente als Ernährung der Zukunft? Naturarzt 139 (1), 7-10 34. Hahn A, Wolters M, Hanke G (1999): Nahrungsergänzungsmittel – Möglichkeiten und Grenzen. Deutsche Apotheker Zeitung, 139 (25), 34-58 35. Hahn A, Leitzmann C (2000): Alternative Ernährungsformen. Teil 1: Ursprung Antike. Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 176-186 36. Hahn A, Leitzmann C (2000): Alternative Ernährungsformen. Teil 2: Ursprung Jahrhundertwende. Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 231-235 37. Hahn A, Wolters (2000): Nahrungsergänzungsmittel – eine Bestandsaufnahme. I. Einordnung, Marktsituation und Verbraucherverhalten. Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 167-175 38. Hahn A, Wolters (2000): Nahrungsergänzungsmittel – eine Bestandsaufnahme. II. Zielgruppen, Nutzen und Risiken. Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 215-230 39. Hahn A, Marohn S, Wolters M (2000): Vegane Kostformen – eine ernährungsphysiologische Bewertung. PZ Prisma 7, 26-37 40. Plank-Habibi S, Wirsam B, Korhonen K, Hahn A, Seppelt B, Zunft HJF, Leitzmann C (2000): Influence of a flexibly controlled low fat diet on serum cholesterol. Eur J Clin Nutr (eingereicht zur Publikation) ANHANG 163 41. Hahn A, Leitzmann C (2001): Alternative Ernährungsformen. Teil 3: Die Gegenwart I. Zeitschrift für Ernährungsökologie 2, 47-52 42. Hahn A, Leitzmann C (2001): Alternative Ernährungsformen. Teil 4: Die Gegenwart II. Zeitschrift für Ernährungsökologie 2, 114-123 43. Hahn A, Wolters, M (2001): Functional Foods – Lebensmittel der Zukunft?. Biologie in unserer Zeit 31, 356-366 44. Braun K, Hahn A, Watkinson BM, Schmitt B (2001): Functional Foods – Konzept und Ziele. Ernährungs-Umschau 48, 180-187) 45. Wolters M, Hahn A (2001): Nährstoffsupplemente aus Sicht des Konsumenten Ernährungs-Umschau 48, 136-141 46. Wolters M, Siekmann D, Hahn A (2001): Functional Foods – aktuelle Situation und Perspektiven. Zeitschrift für Ernährungsökologie 2, 36-46 47. Plank-Habibi S, Wirsam B, Korhonen K, Hahn A, Seppelt B, Zunft HJF, Leitzmann C (2001): Controlling the fat intake by feedback to the individually achieved reduction of the serum cholesterol level by means of a double blind study. Eur J Clin Nutr (eingereicht zur Publikation) Beiträge in Kongress- und Symposiumsbänden sowie Kurzveröffentlichungen 48. Elbert J, Hahn A, Daniel H, Rehner G (1987): Bestimmen Lipophilie und Permeationskoeffizient die Aufnahme wasserlöslicher Vitamine in das intestinale Epithel? Ernährungs-Umschau 34 (3), 80 49. Hahn A, Rehner G (1988): Untersuchungen zum molekularen Mechanismus der intestinalen Resorption von Folsäure - Fluxstudien am isolierten Jejunum der Ratte. Ernährungs-Umschau 35 (5), 164 50. Hahn A, Rehner G (1988): Charakterisierung des intestinalen Folsäuretransportes mittels Bürstensaummembranvesikeln. 2. Werkstattberichte aus der Experimentellen Medizin und Biologie, Gießen, 4./5.11.1988, Abstractband, 40 51. Daniel H, Elbert J, Hahn A, Sander S, Hissenauer C, Rehner G (1988): Der pH-Wert des Grenzschichtkompartiments als Determinante für die intestinale Aufnahme schwacher Elektrolyte. 2. Werkstattberichte aus der Experimentellen Medizin und Biologie, Gießen, 4./5.11.1988, Abstractband, 23 52. Wenzel U, Stein J, Sander S, Hahn A, Rehner G (1988): Subzelluläre Verteilung wasserlöslicher Vitamine im Dünndarm-Epithel. 2. Werkstattberichte aus der Experimentellen Medizin und Biologie, Gießen, 4./5.11.1988, Abstractband, 127 53. Hahn A, Rehner G (1989): Mechanismus des Folsäuretransportes durch die isolierte Bürstensaummembran. Ernährungs-Umschau 36 (4), 142 ANHANG 164 54. Hahn A, Rump U, Stein J, Rehner G (1989): Bestimmung von Folacin-Derivaten mittels HPLC – Methotrexat und Dichlorfolsäure als interne Standards. Ernährungs-Umschau 36 (4), 153 55. Sander S, Hahn A, Hissenauer C, Rehner G (1989): Unidirektionale Aufnahme von Thiamin in isolierte Jejunumsegmente der Ratte. Ernährungs-Umschau 36 (4), 144 56. Wenzel U, Stein J, Sander S, Hahn A, Rehner G (1989): Hat die subzelluläre Kompartimentierung einen Einfluß auf die Resorption wasserlöslicher Vitamine? Ernährungs-Umschau 36 (4), 144 57. Hahn A, Rehner G (1990): Potentielle Bedeutung einer postresorptiven Metabolisierung für die intestinale Aufnahme von Folsäure. Ernährungs-Umschau 37 (4), 165 58. Hahn A, Rehner G (1990): Folate transport by rat intestinal brush border membrane vesicles. 20th Meeting of the Federation of European Biochemical Societies, Budapest, 19.-24.08.90, Abstracts, 291 59. Hahn A, Rehner G (1990): Effect of surface pH on the kinetics of pteroylglutamic acid uptake in rat small intestine. Z Gastroenterol 28, 423 60. Hahn A, Rehner G (1990): Characteristics of the transmembrane transport of pteroylglutamic acid in BBMV from rat intestine. Z Gastroenterol 28, 423 61. Hahn A, Flaig KH, Rehner G (1990): Schonende und effiziente Extraktion von FolacinDerivaten aus biologischen Materialien. Ernährungs-Umschau 37 (4), 149 62. Daniel H, Elbert J, Hahn A, Sander S, Hissenauer C, Rehner G (1990): Zur Bedeutung des pH-Grenzschichtkompartiments für die intestinale Aufnahme schwacher Elektrolyte. Ernährungs-Umschau 37 (4), 171 63. Wessendorf A, Daniel H, Hahn A (1990): Wirkung eines ß-Casomorphinderivates auf die Salzsäuresekretion des Magens und die Funktion des exokrinen Pankreas. Ernährungs-Umschau 37 (4), 137 64. Hahn A, Kaiser T, Rehner G (1991): Entwicklung eines HPLC-Analysenverfahrens zur Bestimmung von Riboflavin-Vitameren. Ernährungs-Umschau 38 (3), 106 65. Hahn A, Kaiser T, Rehner G (1991): HPLC-Analytik von Riboflavin und seinen Coenzymformen - Welchen Einfluß hat die Probenvorbereitung auf die Ergebnisse? 3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen, 8./9.11.1991, Abstractband, 34 66. Hahn A, Erll G, Sawatzki G, Daniel H (1991): Is the gastrointestinal transit time affected by ingestion of different proteins as potential precursors of opioid peptides? 2nd International Symposium on ß-Casomorphins and Related Peptides, Titisee, 13.14.09.1991, Band of Abstracts, 26 67. Hahn A, Neumann B, Erll G, Daniel H (1991): Provokation einer sekretorischen Diarrhoe am Dünndarm der Ratte. Ernährungs-Umschau 38 (3), 99 68. Hahn A, Sander S, Stein J, Rehner G (1991): Bestimmung der Thiamin-Vitamere mittels HPLC und Vor- oder Nachsäulenfluoreszenzderivatisierung. 3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen, 8./9.11.1991, Abstractband, 35 ANHANG 165 69. Erll G, Hahn A, Brantl V, Daniel H (1991): In vivo effect of ß-casomorphins on experimental diarrhoea in the rat. 2nd International Symposium on ß-Casomorphins and Related Peptides, Titisee, 13./14.09.1991, Band of Abstracts, 23 70. Erll G, Hahn A, Neumann B, Korte H, Friedl P, Daniel H (1991): Wirkungen von Morphiceptin und Casokefamid auf eine experimentelle Diarrhöe in vivo. 3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen, 8./9.11.1991, Abstractband, 23 71. Sander S, Hahn A, Rehner G (1991): HPLC-Bestimmung von Thiamin-Derivaten mit fluorimetrischer Detektion - Einsatz eines internen Standards und Vergleich zwischen Vorund Nachsäulenderivatisierungstechnik. Ernährungs-Umschau 38 (3), 101 72. Sander S, Hahn A, Dörr B, Rehner G (1991): Die intestinale Thiaminpyrophosphokinase Angriffspunkt für Hemmstoffe der intestinalen Thiaminaufnahme. Ernährungs-Umschau 38, 99 73. Stock S, Hahn A, Ziegler K (1991): Transport of linear hydrophilic renin-inhibitors in isolated brush-border membrane vesicles from rat small intestine. Biological Chemistry Hoppe-Seyler 372, 764 74. Wessendorf A, Hahn A, Daniel H (1991): Effekte des Opiatpeptides Casokefamid auf die gastrale Säuresekretion und die Sekretion des exokrinen Pankreas in vivo. 3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen, 8./9.11.1991, Abstractband, 134 75. Bathon U, Erll G, Hahn A, Daniel H (1991): Können Nahrungsproteine als potentielle Präkursoren opioidwirksamer Peptide die intestinale Transitzeit beeinflussen? 3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen, 8./9.11.1991, Abstractband, 6 76. Erll G, Bathon U, Hahn A, Daniel H (1991): Inwieweit wird die gastrointestinale Transitzeit durch bei der Digestion entstehende Opiatpeptide modifiziert? Ernährungs-Umschau 38, 101 77. Erll G, Wiegand K, Hahn A, Daniel H (1991): Einfluß eines ß-Casomorphinderivates auf die intestinale Wasserbewegung bei einer experimentellen Diarrhoe. Ernährungs-Umschau 38 (3), 93 78. Klement S, Faul K, Hahn A, Rehner G (1991): Beeinflussen Phenytoin und Carbamazepin die intestinale Resorption und den postresorptiven Metabolismus von Folsäure? 3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen, 8./9.11.1991, Abstractband, 57 79. Rehner G, Sander S, Hahn A (1991): Aufnahme von Thiamin durch die intestinale Bürstensaummembran der Ratte - Carriervermittelter Transport oder einfache Diffusion? 3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen, 8./9.11.1991, Abstractband, 92 80. Stock S, Ziegler K, Hahn A (1991): Intestinale Aufnahme von Peptidpharmaka, charakterisiert in isolierten Bürstensaum-Membran-Vesikeln. 3. Werkstattberichte aus der Experimentellen Biologie und Experimentellen Medizin, Gießen, 8./9.11.1991, Abstractband, 117 81. Hahn A, Leitzmann C (1993): Vegetarische Ernährung und Eisenaufnahme. Internistische Praxis 33, 688-689 82. Hahn A (1994): Dosis-Wirkungs-Kurve von Nährstoffen. Gütegemeinschaft Diätverpflegung, Rundschreiben 2/1994, 44-49 ANHANG 83. 84. 166 Hahn A (1994): Wechselwirkungen zwischen Mikronährstoffen und Medikamenten. Gütegemeinschaft Diätverpflegung, Rundschreiben 2/1994, 57-63 Kalanke A, Hahn A, Muskat E, Höllerer G, Brunn H (1994): Bioverfügbarkeit von 137Cs und Cs aus Pilzen: In-vitro-Verdauung und Entwicklung küchentechnischer Dekontaminationsverfahren. Ernährungs-Umschau 41, 12 134 85. Braun N, Klement S, Hahn A, Rehner G (1994): Zum Effekt von Phenytoin, Carbamazepin und Primidon auf Aufnahme und Metabolismus von Folsäure in isolierten Darmsegmenten. Ernährungs-Umschau 41, 105 86. Hahn A (1996): Gesundheitliche Folgen des Übergewichts. Kongreß „Vollwertig abnehmen“ des Verbandes für unabhängige Gesundheitsberatung, Gießen, 17.-19.10.1996, Abstractband 87. Hahn A (1996): Physiologische Grundlagen der Ernährung des Menschen. APV-Tagung „Diätetika und Nahrungsergänzungsmittel in der Apotheke“, Frankfurt, 12.10.1996, Tagungsband, 1-13 88. Leitzmann C, Hahn A (1996): Eisenbedarf und vegetarische Ernährung. Ernährungs-Umschau 43 (10), 361 89. Hahn A (1997): Nahrungsergänzung - ernährungsphysiologische Aspekte. APV-Tagung „Alternativen zu Arzneimitteln“, Königswinter, 12./13.06.1997, Tagungsband, 168-183 90. Hahn A (1997): Konsequenzen der Adipositas. 25. Fachtagung für Ernährungsberatungskräfte in Schleswig-Holstein, Schleswig, 27./28.05.1997, Tagungsband. 91. Hahn A (1998): Prävention ernährungsabhängiger Erkrankungen. 3. Werner-Kollath-Tagung „Ernährung und Gesundheit“, Hannover, 28.01.1998, Tagungsband, 29-45 92. Hahn A (1998): Wieviel Nährstoffe brauchen wir? (Interview). UGB-Forum 2/98, 80-81 93. Hahn A (1998): Medikamenteneinnahme und Nährstoffversorgung (Interview). Trophos – Medizin und Ernährung 7 (4), 5-8 94. Hahn A (1998): Wissenschaftlicher Hintergrund – ernährungsphysiologische Aspekte. APV-Tagung „Nahrungsergänzungsmittel – Möglichkeiten und Grenzen“, Darmstadt, 29.06.1998, Tagungsband, 1-20 95. Hahn A (1998): Sekundäre Pflanzenstoffe – hatte Hippokrates doch recht? 1. Niedersächsisches Ernährungsforum, Hannover, 10.10.1998, Tagungsband 96. Hahn A (1998): Kieselerde (Interview). in: Ehmann H: Kalzium und Kieselerde. LebensBaum Verlag, Bielefeld, 17-19 97. Hahn A (1999): Das Für und Wider der Hayschen Trennkost (Stellungnahme). Gesundes Leben – Fachzeitschrift für Naturheilkunde 76 (3), 19 98. Hahn A (1999): Sinn und Unsinn von Nahrungsergänzungsmitteln. 27. Fachtagung für Ernährungsberatungskräfte in Schleswig-Holstein, Schleswig, 02.06.1999, Tagungsband 99. Hahn A (1999): Ballaststoffe. UGB-Tagung „Ernährung aktuell“, Rapperswil, 28./29.05.1999, Tagungsband ANHANG 167 100. Hahn A (1999): Borderline-Lebensmittel – die Ernährung der Zukunft? 3. Niedersächsisches Ernährungsforum, Hannover, 02.10.1999, Tagungsband 101. Hahn A (2000): Was können Nahrungsergänzungsmittel (nicht)? APV-Tagung „Nahrungsergänzungsmittel – zwischen Ernährung und Arznei – Aktuelle Situation und Perspektiven, Würzburg, 23./24.02.2000, Tagungsband, 1-20 102. Hahn A (2000): Zwischen Ernährung und Arznei. Deutsche Apotheker Zeitung 140, 1330-1333 103. Hahn A (2000): Leserbrief. Stellungnahme zum Beitrag NADH – Biologische Funktionen und ernährungsphysiologische Anwendungen von Jörg G.D. Birkmayer. Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 131 104. Hahn A (2000): Das pfiffige Kochbuch zur Säure-Basen-Balance (Buchbesprechung). Zeitschrift für Ernährungsökologie 1, 134 105. Hahn A (2001): Nahrungsergänzungsmittel – Aktueller Stand in der EU – „Wirkungen“ und Aussagen bei Nahrunsergänzungsmitteln. APV-Seminar 2001, 29.03.2001 168 ANHANG 6.2 Anhang B Tabelle 50: Lebensmittelverzehr der Frauen der DVS im Vergleich zu den Teilnehmerinnen der VERA-Studie (Arithmetisches Mittel in g/d) Lebensmittelgruppe, Arithmetisches Mittel g/d VERA Frauen VGS Frauen Vergleich DVS / VERA1 VGM Frauen Vergleich DVS / VERA Fleisch 69,0 - < - < Fleisch-, Wurstwaren 52,8 - < - < Fischwaren 14,0 - < - < Eier 27,6 0 < 1,8 < Milch und Milchprodukte 163,2 0 < 3,69 < Käse und Quark 40,6 0 < 2,39 < Butter 17,3 0 < 1,24 < Speisefette Speiseöle und 17,4 9,62 < 12 < Brot Backwaren und 190,7 137 < 174 =1 55,1 97,7 > 137 > 1 112 > Nährmittel Kartoffeln 88,7 97,2 = Frischgemüse und Gemüseprodukte 144,5 661 > 666 > Frischobst 76,9 290 > 388 > Südfrüchte 46,0 308 > 395 > Obstprodukte 8,2 50,3 > 76,6 > Brotaufstrich 8,6 3,44 < 2,44 < Zucker 9,2 0,59 < 0,25 < Süßwaren 22,7 11,8 < 12,2 < Gewürze und andere Zutaten 8,6 0,19 < 0,04 < Alkoholfreie Getränke 558,2 1133 > 1200 > Alkoholische Getränke 157,0 18,3 < 26,5 < Röstkaffee 411,9 26 < 14,8 < Tee 84,2 64 < 9,77 < 1 <: Aufnahme des DVS-Kollektivs geringer als in der VERA-Studie >: Aufnahme des DVS-Kollektivs höher als in der VERA-Studie =: Aufnahme in beiden Studien gleich (inerhalb einer Schwankungsbreite von ± 10 % 169 ANHANG Tabelle 51: Lebensmittelverzehr der Männer der DVS im Vergleich zu den Teilnehmern der VERA-Studie (Arithmetisches Mittel in g/d) Lebensmittelgruppe, Arithmetisches Mittel g/d VERA Männer VGS Männer Vergleich DVS / VERA1 VGM Männer Vergleich DVS / VERA Fleisch 94,2 - < - < Fleisch-, Wurstwaren 88,1 - < - < Fischwaren 19,7 - < - < Eier 32,6 0 < 1,8 < Milch und Milchprodukte 178,3 0 < 3,69 < Käse und Quark 43,2 0 < 2,39 < Butter 19,9 0 < 1,24 < 12 < 1 Speisefette Speiseöle und 24,3 25,8 = Brot Backwaren und 253,3 207 < 174 < 65,8 126 > 137 > 1 112 = Nährmittel Kartoffeln 113,4 124 = Frischgemüse und Gemüseprodukte 146,7 696 > 666 > Frischobst 63,0 374 > 388 > Südfrüchte 35,8 442 > 395 > Obstprodukte 7,4 76,9 > 76,6 > Brotaufstrich 9,2 4,56 < 2,44 < Zucker 11,8 1,62 < 0,25 < Süßwaren 23,9 11,7 < 12,2 < Gewürze und andere Zutaten 10,2 0,03 < 0,04 < Alkoholfreie Getränke 532,8 967 > 1200 > Alkoholische Getränke 508,3 7,43 < 26,5 < Röstkaffee 410,8 25,2 < 14,8 < Tee 91,4 46,8 < 9,77 < 1 <: Aufnahme des DVS-Kollektivs geringer als in der VERA-Studie >: Aufnahme des DVS-Kollektivs höher als in der VERA-Studie =: Aufnahme in beiden Studien gleich (inerhalb einer Schwankungsbreite von ± 10 % 170 ANHANG Tabelle 52: Aufnahme an Hauptnährstoffen, Ballaststoffen und Cholesterol im DVS-Kollektiv nach Kostform und Geschlecht (Median, 5-95 Perzentile) VGS Frauen VGM Frauen p VGS Männer VGM Männer p 239,4 (144,3352,4) 232,2 (122,0367,0) n.s. 306,3 (163,9464,8) 330,9 (163,7434,3) n.s. 51,4 (26,1-82,2) 41,0 (23,2-63,8) 0,004 62,8 (36,9104,9) 60,3 (29,7100,9) n.s. 49,9 (25,2113,8) 50,5 (24,1-97,6) n.s. 78,1 (36,6183,5) 72,7 (34,9142,2) n.s. Gesättigte Fettsäuren [g/d] 10,9 (4,2-18,9) 11,6 (6,0-18,7) n.s. 15,5 (6,5-34,2) 13,5 (7,2-28,3) n.s. Einfach ungesättigte FS [g/d] 20,5 (9,0-68,1) 20,4 (8,1-44,6) n.s. 31,0 (13,7-80,9) 30,0 (13,7-57,7) n.s. Mehrfach ungesättigte FS [g/d] 15,2 (6,1-29,4) 14,3 (4,3-28,0) n.s. 24,9 (9,6-57,4) 19,5 (8,5-53,1) n.s. Ballaststoffe [g/d] 48,5 (27,9-81,7) 45,6 (25,7-75,5) n.s. 63,5 (34,8-96,5) 62,4 (36,9-90,6) n.s. Cholesterol [mg/d] 8,9 (0,0-59,7) 22,8 (1,3-81,6) 0,001 ² 11,1 (0,1-89,3) 28,1 (4,3-118,6) 0,015² KH [g/d] Protein [g/d] Fett [g/d] 1 171 ANHANG Tabelle 53: Nährstoffzufuhr bei den Frauen der DVS nach Kostform (Median, 5-95 Perzentile) VGS Frauen VGM Frauen p* ß-Carotin [mg/d] 8,7 (3,7-19,0) 9,9 (4,5-27,2) n.s. Retinol-Äquivalent [mg/d] 1,59 (0,79-3,53) 1,82 (0,93-5,25) n.s. Calciferol [µg/d] 0,35 (0,00-1,65) 0,55 (0,06-1,32) n.s. TocopherolÄquivalent [mg/d] 18,2 (8,9-34,6) 17,3 (8,7-33,1) n.s. Thiamin [mg/d] 1,65 (0,80-2,97) 1,38 (0,83-2,23) 0,0051 Riboflavin 1,18 (0,68-1,90) 1,15 (0,64-2,04) n.s. Pyridoxin [mg/d] 2,40 (1,13-4,25) 2,25 (1,14-4,13) n.s. Cobalamin [µg/d] 0,26 (0,01-2,70) 0,19 (0,00-1,13) n.s. Folsäure-Äquivalent [µg/d] 463 (282-771) 454 (253-739) n.s. Niacin [mg/d] 22,8 (11,7-36,5) 19,8 (10,4-29,9) 0,0161 Ascorbinsäure [mg/d] 251,0 (95,2-526,2) 315,0 (110,2-733,4) 0,037² Natrium [g/d] 1,94 (0,50-3,62) 1,46 (0,24-3,00) 0,0241 Kalium [g/d] 4,20 (2,36-6,90) 4,21 (2,59-7,74) n.s. Calcium [mg/d] 775 (449-1.282) 760 (384-1.292) n.s. Phosphor [mg/d] 1.187 (627-2.060) 1.006 (555-1.633) 0,0351 Magnesium [mg/d] 558 (337-929) 497 (318-898) n.s. Zink [mg/d] 9,8 (5,0-16,8) 8,9 (4,3-15,5) n.s. Eisen [mg/d] 19,4 (10,9-31,9) 17,7 (10,1-29,4) n.s. 72 (45-158) 75 (43-131) n.s. Kupfer [mg/d] 2,88 (1,65-4,96) 2,57 (1,61-4,43) n.s. Mangan [mg/d] 7,69 (3,94-13,5) 6,46 (3,47-13,3) n.s. Jod [mg/d] 1 t-Test für unabhängige Stichproben, bezogen auf VGS und VGM ² U-Test nach Mann-Whitney bezogen auf VGS und VGM 172 ANHANG Tabelle 54: Nährstoffzufuhr bei den Männern der DVS nach Kostform (Median, 5-95 Perzentile) VGS Männer VGM Männer p* ß-Carotin [mg/d] 8,5 (2,4-25,8) 10,4 (3,5-21,9) n.s. Retinol-Äquivalent [mg/d] 1,66 (0,51-5,05) 2,07 (0,67-3,81) n.s. Calciferol [µg/d] 0,62 (0,00-2,42) 0,61 (0,02-3,38) n.s. TocopherolÄquivalent [mg/d] 26,) (13,0-67,9) 22,7 (9,4-40,8) 0,0481 Thiamin [mg/d] 2,08 (1,25-3,44) 1,92 (0,94-3,52) n.s. Riboflavin 1,50 (0,79-2,49) 1,43 (0,75-2,20) n.s. Pyridoxin [mg/d] 2,89 (1,55-5,32) 2,86 (1,51-4,62) n.s. Cobalamin [µg/d] 0,31 (0,00-4,30) 0,42 (0,00-4,33) n.s. Folsäure-Äquivalent [µg/d] 577 (276-901) 526 (261-754) n.s. Niacin [mg/d] 29,0 (16,2-44,4) 26,8 (14,6-47,6) n.s. Ascorbinsäure [mg/d] 267,9 (87,7-816,1) 270,6 (96,1-653,1) n.s. Natrium [g/d] 2,23 (0,51-4,29) 2,07 (0,40-3,73) n.s. Kalium [g/d] 5,43 (2,84-9,31) 5,12 (2,60-7,89) n.s. Calcium [mg/d] 838 (482-1.465) 865 (266-1.845) n.s. Phosphor [mg/d] 1.557 (978-2.542) 1.484 (759-2.195) n.s. Magnesium [mg/d] 703 (419-1.116) 711 (307-1.007) n.s. Zink [mg/d] 12,7 (7,5-23,2) 12,5 (5,7-17,8) n.s. Eisen [mg/d] 24,5 (14,4-36,5) 23,6 (12,9-32,3) n.s. 82 (41-133) 86 (40-156) n.s. Kupfer [mg/d] 3,63 (2,14-6,39) 3,61 (1,79-5,73) n.s. Mangan [mg/d] 10,15 (5,14-19,26) 8,66 (3,44-14,96) Jod [mg/d] 1 n.s. U-Test nach Mann-Whitney bezogen auf VGS und VGM 173 ANHANG Tabelle 55: Risikoparameter der Atherosklerosentsstehung bei den Frauen der DVS (Median, 5-95 Perzentile) Vit Folsäure (im Plasma) [nmol/l] Vit B12 [pmol/l] Vit E [µmol/l] Lipidstandardisiert Vit B2 Aktivierungskoeffizient Vit B6 Aktivierungskoeffizient Vit beta-Carotin [µmol/l] Vit B1 Aktivierungskoeffizient Vit C [µmol/l] CIAVIT Lipidstandardisiert VGS Frauen VGM Frauen n = 50 n = 37 35,9 (21,146,3) 36,7 (20,245,4) n = 48 n = 36 152,0 (88,5359,7) 202,6 (97,9895,1)) n = 48 n = 36 25,6 (15,640,3) 27,7 (19,748,7) n = 49 n = 37 1,3 (1,1051,585) 1,28 (1,0681,51) n = 44 n = 36 1,7 (1,332,042) 1,6 (1,12,03) n = 45 n = 36 0,67 (0,411,72) 0,88 (0,311,87) n = 48 n = 36 1,09 (11,245) 1,09 (11,3) n = 41 n = 35 115,9 (74,1282,6) 121 (53,3328,1) n = 44 n = 33 2,22 (0,937,16) 2,88 (0,8619,2) p n.s. 0,001² (p= 0,077²) n.s. 0,0491 n.s. (p= 0,077²) n.s. n.s. n.s. 174 ANHANG Tabelle 56: Risikoparameter der Atherosklerosentsstehung bei den Männern der DVS (Median, 5-95 Perzentile) Vit Folsäure (im Plasma) [nmol/l] Vit B12 [pmol/l] Vit E [µmol/l] Lipidstandardisiert Vit B2 Aktivierungskoeffizient Vit B6 Aktivierungskoeffizient Vit beta-Carotin [µmol/l] Vit B1 Aktivierungskoeffizient Vit C [µmol/l] CIAVIT Lipidstandardisiert VGS Männer VGM Männer n= n = 19 32,4 (17,246,6) 31,5 (11,645,3) n = 48 n = 19 115,5 (67,2281,7) 149,8 (87,1490) n = 48 n = 19 25,2 (19,232,7) 28,0 (21,733,7) n = 48 n = 19 1,3 (1,11,5) 1,3 (1,11,5) n = 43 n = 19 1,5 (1,32) 1,6 (1,32) n = 43 n = 19 0,44 (0,191,94) 0,61 (0,372,81) n = 48 n = 19 1,1 (11,3) 1,1 (11,4) n = 40 n = 16 102,8 (63,8236,3) 102,2 (83,5140,9) n = 45 n = 15 1,20 (0,406,57) 1,57 (0,943,72) p n.s. 0,026² 0,0191 0,0761 n.s. 0,032² n.s. n.s. n.s. LITERATUR 7 175 LITERATUR ALLEN MW, WILSON M, NG SH, DUNNE M (2000): Values and beliefs of vegetarians and omnivores. 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