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Jahrbuch 2013/2014 | Hess, Isabell; Schorpp, Michael | Ein neues Tiermodell für die Transplantation von
Blutstammzellen
Ein neues Tiermodell für die Transplantation von Blutstammzellen
A new model for transplantation of blood stem cells
Hess, Isabell; Schorpp, Michael
Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik, Freiburg
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Die Entw icklung des Thymus ist ein komplexer und dynamischer Prozess. Der Thymus steuert die
Differenzierung und Reifung von Vorläuferzellen in sogenannte T-Lymphozyten. Fehler in diesem Prozess
führen zu einer gestörten Immunabw ehr; allerdings sind viele der für angeborene Immunschw äche
verantw ortlichen genetischen Veränderungen noch nicht bekannt. Die Forschungsarbeiten am Institut dienen
deshalb der Aufklärung molekularer und zellulärer Mechanismen der Thymusentw icklung.
Summary
Thymopoiesis is a very complex and dynamic process. The thymus is important for the differentiation and
maturation of progenitor cells into self-tolerant T-lymphocytes. Failures in thymus development or thymus
function cause immunodeficiencies; how ever, many genetic lesions underlying these diseases are still
unknow n. At the institute, researchers aim at a better understanding of the molecular and cellular mechanisms
of thymus development.
Die Schutzfunktion des Immunsystems
Das Immunsystem (von lateinisch immunis, unberührt, rein) stellt das biologische Abw ehrsystem aller höheren
Lebew esen
gegen
Krankheitserreger
dar. Unterschieden
w ird
dabei zw ischen
einer
schnellen
und
unspezifischen und einer spezifischen, sich aber nur langsam im Verlaufe einer Infektion entw ickelnden
Abw ehr. Der eigentliche evolutionäre Vorteil des spezifischen Abw ehrsystems ist allerdings dessen Fähigkeit,
ein immunologisches Gedächtnis auszubilden, w as bei einer erneuten Infektion mit einem bereits bekannten
Erreger eine gezielte und äußerst effektive Abw ehr ermöglicht. Diese Fähigkeit des Immunsystems w ird bei
Impfungen ausgenutzt. W ichtiges Organ des Immunsystems ist der Thymus, den alle W irbeltiere besitzen. Er
hat die Aufgabe, aus Vorläuferzellen des blutbildenden Systems die für die Abw ehr von Krankheitserregern
notw endigen T (von Thymus)-Zellen zu bilden. Sie töten kranke Zellen entw eder direkt ab oder kooperieren
mit den antikörperbildenden Zellen des Immunsystems, um Parasiten zu inaktivieren.
Trotz jahrzehntelanger Forschung sind viele Eigenschaften des Immunsystems immer noch nicht verstanden;
dies w ird besonders dann auffällig, w enn es aufgrund angeborener oder erw orbener Immunschw äche zu
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lebensbedrohlichen Infektionen oder Autoimmunkrankheiten kommt. In der Abteilung Entw icklung des
Immunsystems w ird deshalb an der Aufklärung grundlegender Mechanismen der Entw icklung und Funktion des
Immunsystems gearbeitet.
Der Zebrabärbling als Modell zur Erforschung des Immunsystems
Ein für diese Forschung bedeutsames Tiermodell ist der Zebrabärbling (Danio rerio). Er gehört zur Familie der
karpfenartigen Fische (Cyprinidae) und hat sich zum Studium der Entw icklung und Funktion von W irbeltieren als
sehr geeignet erw iesen [1]. Die außerhalb des Körpers stattfindende Befruchtung und die Durchsichtigkeit der
Larven machen Lebend-Beobachtungen verschiedenster entw icklungsbiologischer Prozesse möglich. Durch
gezielte genetische Veränderungen können Zebrabärblinge hergestellt w erden, die beispielsw eise eine
gestörte Thymusentw icklung aufw eisen. Die Identifizierung der betroffenen Gene trägt zu einem besseren
Verständnis der Entw icklung und Funktion des Immunsystems bei und kann helfen, ähnliche Störungen beim
Menschen zu erkennen. In Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Entw icklungsbiologie in Tübingen
und der Artemis GmbH konnten in der Abteilung mehrere Dutzend Fischtypen identifiziert w erden, die eine
gestörte Entw icklung von T Lymphozyten zeigten.
In einigen Zebrabärbling Mutanten konnten durch geeignete Analyseverfahren diejenigen Gene identifiziert
w erden, die für die gestörte Entw icklung in den Fischen verantw ortlich sind. Eines der veränderten Gene, cmyb, ist ein w ichtiger Faktor für die Initiation und den Erhalt der Blutbildung im Fisch [2]. Reinerbigen
Merkmalsträgern fehlen mit Ausnahme
der als
Makrophagen bezeichneten Fresszellen alle
anderen
Bestandteile des Blutsystems, einschließlich der für dessen lebenslange Funktion notw endigen Stammzellen.
Wegen der Blutarmut sind diese Mutanten minderw üchsig, entw ickeln eine Herzschw äche und zeigen keine
sichtbare Ausprägung geschlechtsspezifischer Merkmale. Trotz dieser Einschränkungen haben die Mutanten
immerhin noch eine Lebenserw artung von zw ei bis drei Monaten, w eil der für den Stoffw echsel nötige
Sauerstoff
durch
passiven
Austausch
in
die
Gew ebe
gelangt.
Überraschenderw eise
hat
sich
nun
herausgestellt, dass sich die mutanten Fische in besonderer Weise als Empfängertiere für Transplantationen
von Blutstammzellen eignen (Abb. 1; [1]).
A bb. 1: W ie de rhe rste llung de r Blutbildung in m utie rte n
Ze bra bä rblinge n na ch Tra nspla nta tion von Blutze lle n a us de r
Nie re norm a le r Ze bra bä rblinge . Ge ze igt sind, von link s na ch
re chts, a nge fä rbte rote Blutk örpe rche n im He rz von norm a le n,
m utie rte n und tra nspla ntie rte n Ze bra bä rblinge n.
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Transplantation von Blutstammzellen im Zebrabärbling
Das Hauptproblem bei Transplantationen stellt die Immunreaktion des Empfängers gegen das fremde Gew ebe
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dar, die durch die Aktivierung von T-Zellen und die Bildung von Antikörpern hervorgerufen w ird. Auslöser für
solche Abstoßungsreaktionen ist die Gew ebsunverträglichkeit zw ischen Spender und Empfänger, die von den
sogenannten Histokompatibilitäts-Antigenen (MHC- bzw . HLA-Antigenen) bestimmt w ird. Auch im Zebrabärbling
findet man w ie beim Menschen unterschiedliche MHC-Antigene, w eshalb vor der Gew ebstransplantation eine
künstliche Schw ächung des Immunsystems des Empfängers hervorgerufen w erden muss, entw eder durch
Röntgenbestrahlung oder Gabe bestimmter Medikamente. Diese Vorbehandlung hat jedoch beachtliche und
unerw ünschte Nebenw irkungen, die beim Menschen nicht nur den erhofften Heilungserfolg beeinträchtigen,
sondern
ebenso
im
Tierexperiment
für
Schw ierigkeiten
bei
der
Analyse
führen
können.
Unsere
Forschungsergebnisse zeigen, dass im Falle der oben beschriebenen c-myb Mutante eine Bestrahlung der
Empfängertiere nicht nötig ist, da sie keine Lymphozyten besitzen, die die transplantierten Zellen attackieren
könnten und ihnen auch diejenigen Zellen fehlen, die die Lymphozyten des Spenders aktivieren könnten.
In unseren Versuchen dienten als Spendermaterial die bei Fischen sich in der Niere befindenden Zellen des
blutbildenden Systems. Verw endet w urde Gew ebe von normalen Zebrabärblingen oder von transgenen
Tieren, bei denen durch einen gezielten genetischen Eingriff die entstehenden Blutzellen mit einem grün
fluoreszierenden Eiw eiß (dem sogenannten GFP-Protein) versehen w urden. Die künstlich hervorgerufene
Fluoreszenz ermöglicht eine direkte Beobachtung der transplantierten Blutzellen im Empfängertier.
Sieben bis neun Wochen nach der Transplantation w urde die Niere der Empfängertiere auf die Anw esenheit
verschiedener Zelltypen untersucht. Diese Untersuchungen zeigten, dass unter den transplantierten Zellen
Blutstammzellen enthalten gew esen sein mussten, die dann in den mutanten Empfängern eine vollständige
W iederherstellung aller Arten von Blutzellen, vom roten Blutkörperchen über Fresszellen hin zu Lymphozyten,
ermöglichten (Abb. 1).
Auch
alle
w eiteren
Zeichen
der Entw icklungsverzögerung
in
den
mutanten
Fischen
konnten
durch
Transplantation der Blutvorläuferzellen vollständig beseitigt w erden, sodass sich die mutanten Fische äußerlich
nicht mehr von ihren gesunden Geschw istern unterschieden.
Die überraschende Beobachtung, dass die c-myb Mutanten auch Zellen von Spendern mit unterschiedlichen
Formen des MHC ohne vorherige Bestrahlung annahmen, legte nahe, dass sie auch Zellen anderer Tierarten
tolerieren könnten. In der Tat haben erste sogenannte Xenotransplantationen mit Gew ebe anderer Fischarten
ermutigende Ergebnisse gezeigt; zukünftig sollen deshalb auch Transplantationen von Gew eben aus
entw icklungsgeschichtlich
w eiter
entfernten
Tieren,
beispielsw eise
den
Neunaugen
oder
Säugern,
vorgenommen w erden.
Ziel dieser Untersuchungen ist es, den in der Evolution herausgebildeten grundlegenden Funktionen des
Thymus näher zu kommen. Jüngste Studien in Neunaugen haben gezeigt, dass diese Tiere bereits
thymusähnliche Strukturen aufw eisen, deren Funktion allerdings in diesen Organismen schw er zu untersuchen
ist. Die Transplantation von in geeigneter Weise markierten Zellen aus diesen thymusähnlichen Strukturen
könnte Aufschluss darüber geben, ob die Mechanismen der Besiedlung des Thymus und der Initiation der TZellentw icklung über 500 Millionen Jahre gleich geblieben sind.
Ausblick
Dank des hier vorgestellten Zebrabärbling-Modells können nun eine Reihe von Experimenten durchgeführt
w erden, die helfen, das Immunsystem der W irbeltiere in seinen genauen zellulären und molekularen Abläufen
zu studieren. Mithilfe der daraus gew onnenen Ergebnisse könnten insbesondere auf Immunschw äche
basierende Krankheiten besser verstanden und behandelt und Abstoßungsreaktionen bei Transplantationen
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Blutstammzellen
besser kontrolliert w erden.
Literaturhinweise
[1] Hess, I.; Iwanami, N.; Schorpp, M.; Boehm, T.
Zebrafish model for allogeneic hematopoietic cell transplantation not requiring preconditioning
Proceedings of the National Academy of Sciences USA 110, 4327-4332 (2013)
[2] Soza-Ried, C.; Hess, I.; Netuschil, N.; Schorpp, M.; Boehm, T.
Essential role of c-myb in definitive hematopoiesis is evolutionarily conserved
Proceedings of the National Academy of Sciences USA 107, 17304-17308 (2010)
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