NATUR Stolzer Hengst: Lama Geronimo und seine zwölf Gefährten leben auf dem Gelände der Villa Autland mit Aussicht übers Tal Lamas im Hunsrück Eigentlich sind Lamas und Alpakas in Südamerika beheimatet – aber auch im rheinland-pfälzischen Seibersbach fühlen sich die anmutigen Exoten tierisch wohl. Wer möchte, kann hier mit den außergewöhnlichen Tieren in der wildromantischen Natur des Soonwaldes eine Wanderung der ganz besonderen Art erleben Liebes Land 04/2016 67 Gleich geht’s los: Lamabesitzerin Julia Buss macht Amico fertig für den Ausflug und legt ihm sein Halfter an. Die Heilpraktikerin für Psychotherapie bietet im Hunsrück auch tiergestützte Therapien mit Lamas und Alpakas an B ergige Höhen, grüne Wälder, leichter Wind – und Lamas. Fast könnte man meinen, das Liebes Land-Team wäre für eine Reportage in den südamerikanischen Anden gelandet. Sind wir aber nicht, sondern im nahen Hunsrück. Hier, im idyllischen Seibersbach am Rande des Naturparks Soonwald-Nahe, befindet sich die Villa Autland von Julia und Petra Buss. Vor einigen Jahren ließen sich die Frauen auf dem ruhigen, ländlichen Anwesen nieder, um dort ihre eigene Lamaund Alpakaherde aufzubauen. Heute leben neun Lamaund vier Alpakahengste auf dem großzügigen Gelände. Die Tiere sind hier nicht so sehr kuschelige Wolllieferanten, sondern in erster Linie beliebte Wandergesellen. Wer möchte, kann mit den exotischen Schwielensohlern eine geführte Wanderung durch die atemberaubende Natur des Hunsrücks erleben. Das Wandern ist des Lamas Lust Genau deswegen sind auch wir da. Zur Begrüßung geht es erst mal in den Stall, die Lama-Wohnhütte. Neugierig läuft Amico mit gespitzten Ohren gleich auf uns zu, beschnuppert jeden vorsichtig und lässt sich danach 68 Liebes Land 04/2016 streicheln. Als Julia Buss ihm sein Halfter mit den bunten Bommeln anlegt, sieht der weiße Lamahengst aus, als würde er vor Vorfreude grinsen. Das steckt an. Man muss automatisch zurückgrinsen. „Lamas und Alpakas strahlen eine gewisse Freundlichkeit, Ruhe und Gelassenheit aus“, erklärt die Heilpraktikerin für Psychotherapie. „Daher sind sie auch wunderbare Wandergefährten. Man lernt dabei, mal einen Gang zurückzuschalten, sich nur auf das Tempo der Tiere einzulassen und zu entschleunigen.“ Doch bevor es losgeht, muss erst noch Barichello, ein sanfter und zugleich stolzer Lamahengst, bepackt werden: Er soll den Proviant für unser kleines Picknick unterwegs tragen. Geduldig lässt der braune Hengst die Taschen auf seinem Rücken festschnallen, dann kann die Truppe starten. Jeder Teilnehmer bekommt ein Lama oder Alpaka, das er an der Leine führt – oder eben auch nicht. Schon nach wenigen Metern streikt Amico und bleibt einfach stehen. Selbst beherztes Ziehen an der Leine und gutes Zureden nützen nichts. Amico will nicht. „Er hat nun mal seinen eigenen Kopf“, sagt Julia Buss lachend. Kurzer Wechsel, sie übernimmt den Barichello Salute Corthado Charakterköpfe Weiß, braun, gefleckt, gelockt oder mit Sturmfrisur – so unterschiedlich, wie die Lamas und Alpakas der Villa Autland aussehen, sind sie auch in ihrem Charakter. Lamahengst Barichello ist sanft, Salute wiederum stolzer Boss der Herde, Amico ein kleiner Sturkopf und Nuvolo der stolze Gockel. Alpakahengst Corthado schwätzt viel, während Shakiro es gemütlich angehen lässt. Lamas und Alpakas sind miteinander verwandt: Beide zählen zur Gattung der Neuweltkamele, da sie keine Höcker besitzen und kleiner sind als Altweltkamele wie Trampeltier oder Dromedar. Amico Nuvolo Shakiro von Willofs NATUR Info SPUCKEN LAMAS? Ja, aber im Regelfall nur auf ihre Artgenossen und nicht auf den Menschen. Es sei denn, sie werden angegriffen oder derart bedroht, dass keine Flucht mehr möglich ist. Lamas spucken in der Regel, um ihre Dominanz in der Herde zu zeigen, das Rangverhältnis zwischen den Artgenossen zu klären, bei Futterneid oder um aufdringliche Artgenossen auf Distanz zu halten. Dabei beweisen sie eine erstaunliche Treffsicherheit. Meistens wird halb verdauter, grünlicher Mageninhalt gespien. Lamaspucke tut jedoch nicht weh und brennt auch nicht. Sie ist zwar übel riechend, ansonsten aber harmlos und leicht abwaschbar. Wanderfreunde: Nach dem Marsch wird erst mal mit den Tieren gekuschelt und Danke gesagt für einen wirklich schönen Tag Lama los! Liebes Land-Redakteurin Verena Haupt hatte viel Spaß – und alle Hände voll zu tun, den flotten Lamahengst Avatar an der Leine zu führen Sturkopf und reicht stattdessen Corthado weiter. Der Alpakahengst mit der lustigen Frisur lässt sich gleich anstandslos führen und trabt zufrieden den Weg entlang. Auch Amico macht jetzt wieder brav mit. Die Karawane kann also weiterziehen. Vorbei geht es an duftenden Blumenwiesen, Feldern und idyllischen Waldlichtungen durch das wildromantische Seibersbachtal. Und ewig plaudert das Alpaka Während der Wanderung gibt Corthado seufzende Laute von sich. Ist mit dem Kleinen alles in Ordnung? „Corthado geht es gut“, erklärt Petra Buss. „Er ist halt unser Schwätzer. Die Laute, die er von sich gibt, sind quasi Selbstgespräche.“ Klingt lustig und beruhigt auch irgendwie. „Vor allem die Kinder sind immer ganz verrückt nach Corthado und wollen ihn unbedingt führen“, so Petra Buss weiter. „Einige reden während der ganzen Wanderung mit ihm und haben durch seine Laute das Gefühl, dass er ihnen zuhört. Das schenkt Selbstvertrauen.“ Da wundert es nicht, dass der süße Alpakahengst inzwischen eine richtige Fangemeinde hat, die sogar bunte Bommeln für ihn anfertigt. Nach einer Weile kreuzen wir den Weg einiger Reiter. Etwas ungläubig beäugen Mensch sowie Pferd die 70 Liebes Land 04/2016 Die Karawane zieht weiter: Vorbei geht es an Blumenwiesen, Feldern und Lichtungen durch den frühlingshaften Soonwald. Zeitdruck und Stress sind hier weit weg – die Tiere geben auf ihren Schwielensohlen das Tempo vor vorbeiziehende Lama- und Alpakatruppe. Unsere anmutigen Exoten bleiben gelassen und ziehen munter von dannen. Kurz danach gelangt die Gruppe an einen schön gelegenen Stausee und zu einer Staumauer, von der aus man einen wunderbaren Blick ins Tal hat. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen Der beste Platz für ein gemütliches Picknick. Während die Tiere hier in Ruhe grasen können, werden uns eine reichhaltige Hunsrück-Brotzeit und Getränke gereicht. Beim Essen wird geplaudert. Wie kommt man eigentlich auf die Idee, im Hunsrück Wanderungen mit Lamas und Alpakas anzubieten? „Eine Lamawanderung vor einigen Jahren hat uns so sehr fasziniert, dass wir beschlossen, uns eine eigene Herde zuzulegen“, erzählt Julia Buss. Die beiden Frauen erkundigten sich bei professionellen Züchtern über die Tiere sowie deren artgerechte Haltung und machten sich auf die Suche nach einem passenden Anwesen. Die Wahl fiel auf die Villa Autland, umgeben von reizvoller Natur. „Es lag aber noch viel Arbeit vor uns“, erinnert sich Petra Buss. „Um die Tiere artgerecht halten zu können, mussten wir ausreichend große Weideflächen schaffen und auf der Anlage sämtliche wild wachsenden Giftpflanzen entfernen.“ Die Mühe hat sich gelohnt. Heute fühlen sich Amico und seine Gefährten hier tierisch wohl. Die Herden- und Fluchttiere trotzen problemlos dem oft rauen Mittelgebirgsklima im Hunsrück, denn sie sind robust und widerstandsfähig, werden sogar etwa 20 bis 25 Jahre alt. Dem Wesen nach sind die kräftigen Kerle allerdings umso ruhiger, friedfertiger und sanfter. Und das ist auch auf dem Rückweg durch die frühlingshafte Natur über leicht ansteigende Wald- und Feldwege zu spüren. Avatar führt neugierig die Truppe an, Barichello trabt friedvoll hinter ihm her, dicht gefolgt von dem stets schwätzenden Corthado und dem vorsichtigen Amico. Das Glück liegt im Trabschritt Angenehm still ist es, man lauscht nur dem gemütlichen Trabschritt der Tiere und genießt dabei die herrliche Landschaft – eine willkommene kleine Auszeit für Körper und Geist. Keine Spur von Alltag, Stress, Hektik und Zeitdruck. Alle in der Gruppe lächeln glückselig. Julia Buss kennt dieses Glücksgefühl nach den vielen Wanderungen, die sie mit den Lamas und Alpakas erlebt hat, nur allzu gut. „Dieser Erholungseffekt ist eben das Schöne daran“, erklärt sie. „Mit Liebes Land 04/2016 71 NATUR den Tieren in der Natur zu wandern bedeutet, sich ganz auf sie einzulassen, ihr freundliches Wesen zu spüren, die Umgebung wahrzunehmen und zu entspannen.“ Für verschiedene Anlässe kann man in der Villa Autland eine geführte Wandertour mit den Lamas und Alpakas auswählen – ob Kindergeburtstag, Betriebsausflug, Valentinstag, Glühweintour im Winter oder Kräuterwanderung im Frühjahr, Sommer und Herbst. Zum Abschluss einen Lamalikör Info LAMAS SIND LASTTIERE Schon um 5000 vor Christus wurden die ersten Lamas domestiziert. Bis heute nutzt man die Tiere in den Anden vor allem als Last- und Packtiere. Sie können etwa 20 bis 30 Prozent ihres Körpergewichts tragen und besitzen ein außerordentliches Geschick, sich über steinige, steile Wege zu bewegen. Reittiere sind Lamas allerdings nicht: Ihr Skelett ist nicht für hohe, punktuelle Belastung geeignet. Entspannt kehren wir in die Villa Autland zurück. Für die Tiere gibt es eine ordentliche Portion Heu, die sie sich nach dem langen Marsch verdient haben, und die Zweibeiner freuen sich über ein Gläschen Lamalikör mit Maracujageschmack. Dann heißt es Abschied nehmen – vorher wird aber noch ausgiebig mit den Vierbeinern geschmust und ihnen dabei für den schönen Spaziergang gedankt. Auf dem Weg zum Auto schauen wir noch mal kurz zu den Tieren rüber. Man könnte schon wieder meinen, dass sie zufrieden grinsen. Verena Haupt Fotos: Stephanie Schweigert KONTAKT Hunsrück Lamas „Villa Autland“, Julia & Petra Buss Autishof 12, 55444 Seibersbach Tel. 06724/605 79 19, www.hunsrueck-lamas.de