5 Warum Diäten und Schlankheitskuren dick machen Umbruch_druck 67 02.09.2008 11:33:51 Uhr 68 Warum Diäten und Schlankheitskuren dick machen Ein Hauptgrund dafür, dass immer mehr Menschen zu dick werden, liegt paradoxerweise gerade darin, dass sie verzweifelt versuchen, dünn zu werden – also eine Diät nach der anderen absolvieren. Oder genauer gesagt: daran scheitern. Die dafür in Frage kommenden Kandidaten sind hinlänglich bekannt: die Eier-Diät, die Hollywood-Diät, die Reis-Diät, Atkins und einige andere berüchtigte Foltermethoden haben viele Abnehmwillige bereits absolviert. Dabei haben Millionen Frauen und auch eine wachsende Zahl von Männern eisernes Durchhaltevermögen bewiesen – allein: Geholfen hat es nichts! Viele dieser Diäten sind seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt, jeden Tag wächst eine neue Generation heran, die diesen Methoden liebend gerne ihr Vertrauen schenken möchte. Doch bis heute ist kein einziger Fall bekannt, bei dem die auf diesem Weg »verlorenen« Kilos seine Besitzerin bzw. seinen Besitzer nicht binnen 14 Tagen wieder eingeholt hätten. � Achtung! Der Überlebens-Reflex Fakt ist: Wer mit Crash-Diäten Gewicht verlieren möchte, sollte sich darauf einstellen, schon bald noch mehr auf den Rippen zu haben als zuvor. Und viele heute Übergewichtige sind erst auf diesem vermeintlichen Weg in die Schlankheit richtig dick geworden. Der Grund dafür liegt im so genannten Jojo-Effekt, der wie ein unvermeidbarer Reflex dafür sorgt, dass die verlorenen Kilos in kürzester Zeit wieder dort sitzen, wo sie nach der Logik unseres Körpers hingehören. So wie eine Person, die minutenlang unter Wasser gefangen ist, nach dem Auftauchen mit aller Macht nach Luft schnappt, schneller atmet und eine Weile auch tiefer, um allen Zellen wieder frischen Sauerstoff zuzuführen, sorgt der Jojo-Reflex dafür, dass der »lebensbedrohliche Zustand« durch die Hungersnot raschestmöglich wieder egalisiert wird. Im Gegensatz zur Lunge, die den Sauerstoff nicht für »magere Zeiten« speichern kann, hat das innere Ernährungssystem des Menschen diese Möglichkeit sehr wohl. Und dieser »Überlebensmechanismus« wird auch genutzt, das können ausnahmslos alle Probanden bestätigen. Umbruch_druck 68 02.09.2008 11:33:51 Uhr Wassermarsch! 69 Wasser marsch! Spätestens am zweiten Tag einer 1200-Kalorien-Diät beginnt der Organismus sein Repertoire auszuspielen, denn dann hat er registriert, dass die Energiezufuhr geringer ist als benötigt. Um dieses Minus auszugleichen, holt sich der Körper als erstes die am schnellsten verfügbaren Reserven – die in der Leber und in der Muskulatur deponierten Kohlenhydrate. Obwohl diese Reserven nicht viel mehr wiegen als ein bis zwei Kilo, kann der Körper in den ersten zwei Wochen bis zu acht Kilo Gewicht verlieren. Der Grund: an jedes Kohlenhydratmolekül sind mehrere Wassermoleküle gekoppelt. Werden die Kohlenhydrate mobilisiert, dann schwindet auch Wasser aus dem Körper. Und das ist keine Gewichtsabnahme! Auch der nächste Schritt, der bei einer Radikaldiät folgt, ist alles andere als wünschenswert: Bleibt die Kalorienzufuhr weiterhin niedrig, dann holt sich der Körper die Energie als nächstes aus dem Muskeleiweiß. Die Muskeln werden abgebaut, und das ist gleich doppelt schlecht, denn je weniger Muskeln wir haben, desto weniger Fett kann verbrannt werden. Viel wichtiger ist aber, dass man sich vor Augen hält, dass auch unser Herz ein Muskel ist: Das Herz kann durch eine Crash-Diät angegriffen und massiv geschädigt werden. Gerade wer hohes Übergewicht hat, sollte dies auf keinen Fall riskieren, denn Herz und Kreislauf leiden ohnehin schon unter der schweren Belastung. Mithilfe eines Körperfettanalysegerätes lässt sich das Dilemma leicht darstellen – während man hungert und abnimmt, steigt der prozentuale Fettanteil im Körper. Umbruch_druck 69 02.09.2008 11:33:51 Uhr 70 Warum Diäten und Schlankheitskuren dick machen Das Sparen beginnt Nach wenigen Tagen setzt ein weiterer Mechanismus ein – der Grundumsatz sinkt. Der menschliche Organismus hat nur deshalb drei Milliarden Jahre überlebt, weil er gelernt hat, selbst mit extremen Bedingungen zu Recht zu kommen. Evolutionär gesehen ist Hunger das dem Menschen wohl mit Abstand bekannteste Gefühl. Hunger ist ein Alarmsignal, gleichzeitig nach außen und nach innen, das Äußere kennen wir gut: Ein heftiges Ziehen im Magen macht uns darauf aufmerksam, dass wir die Bedingungen ändern – sprich: essen – sollen. Im Körperinneren lautet die Botschaft ein wenig anders: Sparen heißt die Devise. Jetzt bekommen wir also die Rechnung präsentiert: Der Körper hat sich entschieden, nur mehr für die wichtigsten Vorgänge Energie aufzuwenden, der Rest wird auf Sparflamme geschaltet. Antriebslosigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten sind praktisch programmiert. Gleichzeitig rüttelt der Hunger an unserem Nervenkostüm und zermürbt unsere Willenskraft. � Achtung! Der Fressanfall lauert schon Wenn die Kohlenhydratreserven aufgebraucht sind, ist auch keine Nervennahrung mehr vorhanden, die Stimmung beginnt zu schwanken, man fühlt sich schwach und lustlos. Und das ist ein weiteres Zeichen dafür, dass der Körper gerade dabei ist, zum Gegenschlag auszuholen: Wenn die Laune in den Keller rasselt, dann ist der nächste Fressanfall nur mehr eine Frage der Zeit. Umbruch_druck 70 02.09.2008 11:33:51 Uhr DasSparenbeginnt Umbruch_druck 71 71 02.09.2008 11:33:52 Uhr 72 Warum Diäten und Schlankheitskuren dick machen Lektion gelernt Wenn der Moment schließlich gekommen ist, wo die Nahrungszufuhr wieder gesteigert wird, passiert das Unvermeidliche: Der Körper hat aus der Diät seine Lektion gelernt. Um nicht wieder in eine solch missliche Lage zu geraten, sorgt er jetzt dafür, dass die Fettdepots ordentlich aufgefüllt werden. Das ist der Jojo-Effekt – und einer der ersten Schritte zum dauerhaften Übergewicht. Bei der schnellen »Wiederherstellung« des Ursprungszustandes verzichtet der Körper übrigens erstmal auf die kompliziertere Produktion von neuem Muskelmaterial – das Einlagern von Fett geht schneller und ist effizienter. Allein schon dadurch ist der relative Fettanteil im Körper nach einer Diät oft größer als vorher, zusätzlich sorgt die »Panikreaktion« des Organismus dafür, dass mehr Fettreserven in den Zellen deponiert werden. Die Stoffwechselrate bleibt auch nach einer Crash-Diät vorsichtshalber noch eine Weile niedrig, denn man kann ja nie wissen, ob die Dürrezeit jetzt tatsächlich überstanden ist. Der Körper verbraucht auch deshalb nun weniger Kalorien als zuvor. � Top-Tipp Bausteine für die Stabilität Der einzige funktionierende Weg zu einem schlankeren Körper führt über eine dauerhaft gesündere Ernährung. Dazu gehört ein tägliches Pensum an Obst und Gemüse, Getreide, fettarmem Fleisch und anderen natürlichen Lebensmitteln. Wichtig ist dabei, dass das Essen hochwertige Nährstoffe liefert, denn wenn es dem Organismus ständig an wichtigen Bausteinen fehlt, dann tut er das Gleiche wie bei einer CrashDiät – er fordert durch einen gesteigerten Appetit vehement die fehlenden Vitamine, Spurenelemente, Mineralien und Enzyme ein, die er für einen funktionierenden Stoffwechsel braucht. Wenn Sie das konsequent »Richtige« essen, werden Sie bemerken, dass Sie nicht mehr von Fressanfällen heimgesucht werden. Machen Sie lieber nicht Umbruch_druck 72 02.09.2008 11:33:52 Uhr AlsokeineDiät.Aberwasdann? 73 den Fehler, auf die Verheißungen der Nahrungsmittelindustrie hereinzufallen, die Ihnen suggerieren möchte, dass ein mit ein paar Vitaminen angereichertes Kunstprodukt alles beinhaltet, was Sie brauchen. Es ist längst erwiesen, dass viele Vitalstoffe nur in Kombination der sie von Natur aus umgebenden Substanzen optimal vom Körper verwertbar sind. In allen Pflanzen sind sekundäre Pflanzenstoffe enthalten, die teilweise direkt und zum Teil indirekt die Wirkungsweise der jeweiligen Nährstoffe beeinflussen. Auch wenn man in der heutigen »konventionellen« Landwirtschaft davon ausgehen muss, dass auch hier bereits durch Züchtung und Überdüngung der Böden der physiologische Wert der Nahrungsmittel bereits geringer ist als bei Bioprodukten – echte Äpfel, Karotten und Salat sind Vitamin-angereicherten Cornflakes in ihrer biologischen Wertigkeit noch immer haushoch überlegen. Also keine Diät. Aber was dann? Auf keinen Fall sollten Sie eine Crash-Diät machen, die das Gewicht durch eine zu niedrige Kalorienzufuhr reduzieren soll, aber auch einseitige Diäten, bei denen bestimmte Nährstoffgruppen (Kohlenhydrate oder Fett) kategorisch ausgeklammert werden, können auf Dauer nicht funktionieren. Es gibt aber auch Ernährungskonzepte, die ebenfalls als »Diät« bezeichnet werden, aber eigentlich keine sind – dazu gehören Pläne, die sich darauf konzentrieren, Ihren Blick auf die bessere Nahrungswahl zu lenken. Eine ideale »Diät« im Sinne einer Ernährungsform gibt Ihnen nie das Gefühl, dass Sie etwas schmerzlich vermissen müssen, sie motiviert Sie zu regelmäßiger Bewegung, und sie zielt nicht auf einen unmittelbaren Gewichtsverlust ab. Eine Ernährungsform, die Sie dauerhaft beibehalten können, ja sogar möchten, weil sie sich mit den Effekten gesund und wohl fühlen. Umbruch_druck 73 02.09.2008 11:33:52 Uhr 74 Warum Diäten und Schlankheitskuren dick machen Zu den von den Ernährungsexperten am häufigsten empfohlenen (Nicht-)Diäten gehört die Brigitte-Diät, die Fit for Fun-Diät, die Programme »Schlank ohne Diät« und »Schlank mit System«, Weights Watchers und zum Beispiel die Pfunds-Kur. Bewegung unterstützt den Erfolg Um Ihren Abnahmeerfolg zu unterstützen, muss Ihr Körper regelmäßig in Schwung kommen – eine halbe Stunde pro Tag ist schon ein guter Wert. Vergessen Sie »Sport«, wenn Ihnen davor graut, ein flotter Spaziergang, Gassigehen mit dem Hund, mit den Kinder toben, die Küche neu ausmalen oder beherztes Entrümpeln des Kellers tut es auch. Je »sinnvoller« die Bewegung ist, desto leichter fällt es vielen Menschen, diese auch in ihr Leben zu integrieren. Dass wir auf körperliche Bewegung nicht verzichten können, liegt an unseren Genen: Je mehr wir uns bewegen – und je stabiler unsere Nahrungszufuhr ist –, desto eher ist der Organismus bereit, Energie aus den Reserven freizusetzen. Stimmt diese Balance, dann belohnt uns der Körper durch die Produktion von zusätzlichen Mitochondrien, das sind Energiekraftwerke in den Zellen, die reichlich Energie verbrennen. Und das Beste: Mit dieser Ausstattung verbrennt der Körper auch dann Fett, wenn wir gerade unseren wohlverdienten Feierabend genießen. Besteht der Körper dagegen vorwiegend aus Fettgewebe, passiert nichts dergleichen. Das »Problem« mit der Waage Eine der ungeliebtesten »Nebenerscheinungen« jedes Abnehmversuches ist die Diktatur der Waage: Gnadenlos zeigt sie an, was der Körper wiegt und übernimmt damit Umbruch_druck 74 02.09.2008 11:33:52 Uhr Das»Problem«mitderWaage 75 die Macht über unsere Gefühle. Als ob es nicht schon schlimm genug wäre, dass die Anzeige auf der Waage über unser seelisches Befinden entscheiden kann – sie ist auch noch falsch! Oder zumindest ungenau. Was eine normale Badezimmerwaage wiegen kann, ist das Körpergewicht, mehr nicht. Sie sagt nichts über den Fettanteil, den Muskelanteil und den Wasseranteil im Körper aus. Diese Faktoren sind aber entscheidend, denn während einer gesunden Gewichtsabnahme bei gleichzeitiger sportlicher Betätigung kann es durchaus sein, dass sich das Gewicht über Wochen hinweg nicht verändert. Der Grund: Im Idealfall wird Fett ab- und Muskelmasse aufgebaut. Muskeln sind schwerer als Fett, ihr Gewicht ist höchst willkommen, denn Muskeln verbrennen aktiv weiteres Fett. Bis die neu entstehenden Muskelzellen selbst genug Brennkammern produziert haben, kann es so aussehen, als täte sich auf der Waage gar nichts. Nicht wenige Opfer dieses Effektes haben bereits entmutigt aufgegeben – das sollten Sie aber nicht, denn es ist wirklich nur eine Frage der Zeit, bis die neuen Muskeln spürbar mehr Körperfett eliminieren, als sie selbst auf die Waage bringen. Gleichzeitig kann es im Körper – ganz besonders im weiblichen – immer wieder zu temporären Wasseransammlungen kommen, die das Gewicht verfälschen. Es verwundert kaum, dass das tägliche Wiegen die Motivation nahe an den Zusammenbruch führen kann. � Top-Tipp Bloß nicht auf die Waage! Die einzige Lösung: Steigen Sie nicht auf die Waage! Versuchen Sie sich vor allem in der ersten Phase darauf zu konzentrieren, zu SPÜREN, was sich im Körper tut. Spüren Sie eine wachsende Spannkraft? Verändert sich Ihr Umfang? Fällt Ihnen das Bewegen leichter? Wenn ja, bleiben Sie in Ihrer Ernährungsumstellung konsequent und vermeiden Sie unbedingt weiter den Gang auf die Waage. Denn die negativen Gefühle aus einem enttäuschenden Wiegeergebnis können stark und unkontrollierbar Umbruch_druck 75 02.09.2008 11:33:52 Uhr 76 Warum Diäten und Schlankheitskuren dick machen werden – und was passiert, wenn Ihre Psyche mit Traurigkeit, Ärger oder Frust konfrontiert wird, wissen Sie wahrscheinlich nur zu gut. Konsultieren Sie Ihre Waage lieber nur alle paar Wochen, und auch nur dann, wenn Sie sich richtig gut fühlen. Die einzige Ausnahme: Sollten Sie bereits Ihr Wunschgewicht erreicht haben, dann ist es »eher gut«, wenn Sie Ihr Gewicht regelmäßig kontrollieren, denn so können Sie besser gegensteuern, wenn der Trend zu stark in die falsche Richtung geht. Einmal pro Woche wiegen sollte aber reichen. Zusammenfassung Nach fast 50 Jahren der »Erprobung« gibt es keinen Zweifel daran, dass radikale Diäten dick statt schlank machen. Der Grund: Der Körper empfindet die Diät als Hungersnot – und dagegen weiß er sich aus evolutionären Gründen sehr zu wehren. Auf eine stark eingeschränkte Kalorienzufuhr oder das Eliminieren von bestimmen Nahrungsgruppen folgt unweigerlich der Jojo-Effekt. Die abgebauten Kilos kehren rasch zurück, der Fettanteil im Körper steigt. Umbruch_druck 76 02.09.2008 11:33:52 Uhr