Dicke Mäuse – dünne Mäuse: Einfluss verschiedener Diäten auf

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Dicke Mäuse – dünne Mäuse: Einfluss verschiedener Diäten auf Mausstämme.
Vorläufige Ergebnisse eines Fütterungsversuchs
Altromin-Symposium (29./30. März 2012)
Martina Dorsch
Zentrales Tierlaboratorium und Institut für Versuchstierkunde, Medizinische Hochschule
Hannover, Carl-Neuberg-Str. 1, 30625 Hannover.
Die Standardisierung im Tierversuch soll im Sinne der 3R (Russel & Burch, 1959)
dazu beitragen durch die Reduzierung von Varianzen der Versuchsergebnisse, die
Zahl der benötigten Tiere zu reduzieren und gleichzeitig die Versuche reproduzierbar
zu machen.
Da wir es bei Tierversuchen mit Lebewesen zu tun haben, ist Standardisierung nur
begrenzt möglich. Die physikalische Umwelt kann z.B. durch den Einsatz genormter
Käfige oder durch konstante, geregelte klimatische Bedingungen (Temperatur,
Luftfeuchte, Lichtrhythmus) standardisiert werden.
Eine Standardisierung der mikrobiologischen Umwelt ist in gewissem Umfang durch
den Einsatz von SPF, besser jedoch durch gnotobiotische oder axenische Tiere
möglich.
Zur Standardisierung der chemischen Umwelt gehört unter Anderem die Ernährung.
Hier ist eine Standardisierung in Abhängigkeit der Spezies oft kaum realisierbar. Die
Standardisierung der Ernährung bei Mäusen ist Thema meines Beitrags.
Die Ernährung von Versuchstieren ist ein Umweltfaktor, der sowohl Einfluss auf das
Wohlbefinden der Tiere, als auch auf die Versuchsergebnisse hat. Die Ernährung soll
das Wohlbefinden der Tiere sicherstellen und den Anforderungen an
unterschiedliche Lebensphasen gerecht werden. Eine laktierende oder wachsende
oder gravide Maus hat andere Ansprüche, als ein Tier in reiner Haltung. Gleichzeitig
sollen durch standardisierte Diäten die Varianzen von Versuchsergebnissen reduziert
werden um den Tierverbrauch zu senken.
Die Nagerdiäten kommerzieller Hersteller erfüllen in der Regel die beschriebenen
Anforderungen. Allerdings haben verschiedene Mausstämme unter Umständen
unterschiedliche Ansprüche. So gibt es Mausstämme, die sehr schnell verfetten, wie
z.B. NMRI-Mäuse, während andere ein maximales Gewicht auch im Alter selten
überschreiten, wie z.B. BALB/c-Mäuse
Viele neu generierte Stämme, vor allem gentechnisch modifizierte Stämme,
unterscheiden sich in ihren Ansprüchen häufig von ihrem „wildtypischen“
Hintergrundstamm. So zeigten Zhou et al. (2001), dass eine Erhöhung des
Methionin-Gehalts in der Diät bei ApoE-defizienten Mäusen deren Lebensspanne
deutlich reduzierte.
Neben diesen, offensichtlich genetisch bedingten Problemen, gibt es Probleme, die
bei den Diäten selbst liegen.
Alleinfuttermittel auf Getreidebasis werden nach einheitlichen Rezepturen hergestellt,
die einen möglichst konstanten Gehalt an Nähr- und Inhaltstoffen gewährleisten
sollen. Leider gibt es aufgrund der sog. „offenen Deklaration“ keine Hinweise zu den
einzelnen Komponenten der Diäten.
Je nach Herkunft, Lagerung und Qualität der einzelnen Komponenten kann es
erhebliche Schwankungen hinsichtlich der wertbestimmenden Bestandteile geben.
Eine Verunreinigung durch Mikroorganismen ist heutzutage aufgrund der
Herstellungs- und Verpackungsverfahren zwar relativ gering, aber die Bestandteile
abgetöteter Mikroorganismen können zu Reaktionen im Organismus führen. Hier
sind vor allem Lipopolysaccaride (LPS) zu nennen.
Ein weiteres Problem bei der Herstellung ist die Kontamination durch Schadstoffe,
die über den Boden und durch Düngung in die Getreide gelangen.
Mykotoxine, wie das Alfatoxin können durch Getreidekomponenten schlechter
Qualität in das Futter gelangen.
Sekundäre Pflanzenstoffe, wie Phytoöstrogene, sind ein weiteres Problem, das die
Zuchtleistung beeinflussen kann. Der Gehalt kann ebenfalls von Futter-Charge zu
Charge erheblich schwanken.
Die eben aufgezählten Faktoren beeinflussen die Versuchsergebnisse und führen
möglicherweise zu erhöhten Varianzen und damit zu einem erhöhten Tierverbrauch.
Eine Lösung der Probleme verspricht der Einsatz von Diäten aus chemisch
definierten Komponenten.
Chemisch definierte Diäten sind jedoch sehr teuer und daher für den Nutzer nicht
besonders attraktiv. Darüber hinaus sind diese Diäten, aufgrund der chemischen
Komponenten die als Ballast-Ersatzstoffe zugesetzt werden müssen, nur kurz
haltbar.
Ausgehend von diesen Überlegungen wurden in Zusammenarbeit des Zentralen
Tierlaboratoriums der Medizinischen Hochschule (ZTL) und der Firma Altromin nach
besser haltbaren und kostengünstigeren Alternativen für Mausdiäten gesucht.
Halbsynthetische Haltungs- und Zuchtdiäten, die sich in ihrem Protein- und
Fettgehalt an den Diäten auf Getreidebasis orientierten, schienen hier geeignet. Die
Diäten sollten frei sein, von Nitrosaminen, Gluten, Aflatoxinen und Phytoöstrogenen.
Sie sollten außerdem keine Sojaprodukte enthalten. Lebensmittelstandard bei den
eingesetzten Ausgangskomponenten sollte die Freiheit von weiteren Schadstoffen
garantieren.
In unseren Untersuchungen wurden schließlich fünf Diäten eingesetzt: drei Zuchtund zwei Haltungsdiäten.
Zuchtdiäten:
o Altromindiät #1310 auf Getreidebasis mit 5% Fett und 22,5% Protein
o und je eine Diät mit 10% bzw.14% Fett, beide mit 25% Protein.
Haltungsdiät
o mit 10% bzw. 14% Fett, aber nur 19% Protein.
Komponenten des halbsynthetischen Futters:
o Fett aus Rapsöl
o Rohprotein aus Mais
o Stärke aus Maisstärke
o Rohfaser aus Cellulose
o Energie aus Saccharose
Untersuchungsparameter
waren
die
Gewichtsentwicklung,
das
Reproduktionsverhalten, Auswirkungen auf die Organsysteme sowie klinischchemische Parameter.
Die in unserem Versuch verwendeten Mausstämme wurden ausgewählt, da sie
häufig als Hintergrundstamm für genetische Modifikationen eingesetzt werden
(BALB/cJZtm, C57BL/6JZtm, C3H/HeJ/Ztm, Ztm:NMRI) und von den Nutzern des
ZTL stark nachgefragt werden.
Die Untersuchungen umfassten insgesamt drei Generationen:
Aus den laufenden Kolonien des ZTL wurden Tiere der genannten Stämme
ausgewählt (P0) um die Fütterung zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die
Versuchsdiäten umzustellen. Von den Nachkommen dieser P0 (F1), wurden für jede
Diät und für jeden Stamm jeweils 10 Zuchtpaare gebildet (200 Zuchtpaare). Die
Nachkommen dieser Tiere (F2) bilden die eigentlichen „Versuchstiere“. So sollte
sichergestellt werden, dass beobachtete Veränderungen der oben beschriebenen
Parameter tatsächlich durch die jeweilig verfütterte Diät verursacht wurden.
Durch dieses Vorgehen dauerte es 1,5 Jahre, bis die ersten Daten zur Auswertung
vorlagen. Hier werden die ersten Ergebnisse für den Stamm BALB/c und NMRI
vorgestellt.
Gewichtsentwicklung:
Die Entwicklung des Körpergewichts wurde ab der 3. Lebenswoche, d.h. ab dem
Absatz vom Muttertier bis zur 17. Lebenswoche erfasst. Dafür wurden Tiere von etwa
10 Würfen pro Diät und Stamm einmal pro Woche gewogen.
Wie erwartet, verläuft die Gewichtskurve der weiblichen Tiere unterhalb der von den
Männchen. Die Gewichtskurven verlaufen parallel – daher werde ich hier nur auf die
Kurven der männlichen Tiere eingehen.
Das Absatzgewicht ist bei den BALB/c-Mäusen, die das Zuchtfutter mit 10% Fett und
25% Protein erhielten, signifikant höher als bei den übrigen Diäten. Bei NMRI sind
die Mäuse mit drei Wochen am schwersten, die das Futter auf Getreidebasis
erhalten haben. Insgesamt sind die BALB/c-Mäuse beim Absatz etwas schwerer als
die NMRI-Mäuse.
Mit 17 Wochen wiegen die BALB/c-Mäuse zwischen 27 und 32g. Am schwersten
werden sie mit der Diät auf Getreidebasis, am leichtesten bleiben sie bei Fütterung
mit der Diät mit 10% Fett und 19% Protein. Die Unterschiede zwischen den Diäten
sind nicht signifikant.
Die NMRI-Mäuse sind mit 17 Wochen deutlich schwerer als BALB/c. Sie wiegen
zwischen 49 und 54g. Am schwersten werden die NMRI-Mäuse mit der Diät mit 14%
Fett und 25% Protein. Dieser Unterschied ist signifikant zu den Diäten mit 10% Fett
und 19% Protein und zu der Diät auf Getreidebasis.
Reproduktion:
Die Zahl der Jungtiere, die pro Wurf geboren werden, ist bei den BALB/c (5-6 Jgt),
wie erwartet niedriger als bei den NMRI-Mäusen (8-10 Jgt). Innerhalb der
Stammgruppe gibt es aber keine signifikanten Unterschiede.
Nicht immer erreichen alle Jungtiere das Absatzalter. Die Anzahl der Jungtiere, die
vor Erreichen der 3. Lebenswoche versterben, variiert jedoch so stark, dass kein
Zusammenhang zur Diät hergestellt werden kann.
Auch das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Tieren die geboren werden, ist
ausgeglichen. Die leichten Verschiebungen sind bis auf eine Ausnahme nicht
signifikant (NMRI mit H10/19-Diät, 3,6 Weibchen/ 6,7 Männchen).
Die Zwischenwurfzeiten vom ersten zum zweiten, sowie vom zweiten zum dritten
Wurf variieren sehr stark, so dass hier kein Zusammenhang zur verfütterten Diät
hergestellt werden kann.
Die F1-Tiere sollten insgesamt drei Würfe generieren und waren damit bis zur 44.
Lebenswoche im Versuch. Sie wurden am Ende dieser Beobachtungsphase
gewogen um einen möglichen Zusammenhang von Gewicht und Zuchtleistung
herzustellen.
BALB/c Mäuse wiegen nach ca. 44 Wochen zwischen 27 und 34g und haben seit der
17. Lebenswoche nicht wesentlich zugenommen. Die Unterschiede zwischen den
verfütterten Diäten sind nicht signifikant.
NMRI-Mäuse nehmen hingegen auch als adulte Tiere weiter stark zu. Sie wiegen mit
44 Wochen zwischen 60 und 76g – Einzeltiere werden noch deutlich schwerer. Das
schwerste Tier wog mit 44 Wochen 115g (Zuchtbock, bei der Diät mit 14% Fett und
25% Protein). Der Unterschied zwischen den Diät-Gruppen ist nicht signifikant.
Interessant ist, dass die Anzahl der Würfe während des Beobachtungszeitraums bei
den schwereren NMRI-Mäusen deutlich niedriger war als bei den BALB/c-Mäusen.
NMRI-Mäuse mit der Diät 10% Fett/ 25% Protein hatten signifikant weniger Würfe als
die Gruppe mit dem Futter auf Getreidebasis (5% Fett/ 22,5% Protein). Gleichzeitig
waren die Tiere mit der Diät 10% Fett/ 25% Protein am schwersten. Hier scheint ein
Zusammenhang zwischen Gewicht der Eltern und der Reproduktionsleistung
vorhanden zu sein.
Zusammenfassung:
1. Die Gewichtsentwicklung wird durch die getesteten Diäten nicht beeinflusst. Die
Unterschiede in der Gewichtsentwicklung sind vermutlich vom Stamm abhängig.
2. Zuchtparameter, wie Wurfgröße, Anzahl der verstorbenen Jungtiere vor Absatz,
Verhältnis von Männchen zu Weibchen oder die Zwischenwurfzeiten, werden von
den getesteten Diäten nicht beeinflusst.
3. Es scheint einen Zusammenhang zwischen dem Gewicht der Zuchtpaare und der
Anzahl der Würfe zu geben. Schwere Tiere produzieren weniger Nachwuchs als
leichtere Tiere.
4. Die Varianzen der Ergebnisse wurden durch die synthetischen Diäten nicht, wie
erhofft, verringert.
Schlussfolgerung und Ausblick:
1. Alle getesteten Diäten erfüllen die Anforderungen an eine Alleindiät.
2. Halbsynthetische Diäten könnten für spezifische Fragestellungen eine Alternative
darstellen.
3. Halbsynthetische Diäten sind relativ preisgünstig und die verwendeten Rohstoffe
haben Lebensmittelstandard, so dass man davon ausgehen kann, dass sie frei
von toxischen Substanzen sind.
4. Die Auswertung von C57BL/6J und C3H/HeJ-Mäusen ist in Arbeit.
5. Die Auswertung histologischer und klinischer Parameter ist in Arbeit.
Projektbeteiligte:
Fa. Altromin: H.-L. Altrogge, Dr. M. Nohroudi
ZTL: Prof. Hedrich, Dr. Glage, E. Wiebe, H. Dettmering
Literatur:
Zhou J, Møller J, Danielsen CC, Bentzon J, Ravn HB, Austin RC, Falk E (200) Dietary
supplementation with methionine and homocysteine promotes early atherosclerosis but not
plaque rupture in ApoE-deficient mice. Arterioscler Thromb Vasc Biol. 21:1470-6.
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