Rheumatologische Erkrankungen der Hand OA. Dr.Edmund Cauza, Wilhelminenspital 5. Medizinische Abteilung, Rheumatologie Unter dem Begriff „Rheuma“ wird eine Anzahl von Krankheitszeichen zusammengefasst, die im Bereich des Bewegungsapparates auftreten. Die Hände sind oft der erste Ort wo sich eine rheumatische Erkrankung manifestiert. Man kann einerseits zwischen entzündlich bedingten rheumatischen Erkrankungen und degenerativen Erkrankungen, die meist mit zunehmendem Alter auftreten, unterscheiden. Eine weitere Unterscheidung ist durch die unterschiedliche Gelenktopologie verschiedener Arthitiden mit besonders unterschiedlichem Befall der einzelnen Fingergelenke möglich. Zwischen folgenden rheumatischen Erkrankungen mit vor allem Befall der Handgelenke sollte unterschieden werden: 1: die chronische Polyarthritis (rheumatoide Arthritis): Die chronische Polyarthritis ist die häufigste und bekannteste entzündliche Erkrankung des rheumatischen Formenkreises. Bei der rheumatoiden Arthritis ist die Gelenksschwellung die erste objektiv erkennbare Manifestation der Erkrankung. Bevorzugt werden die proximalen Interphalangealgelenke (PIP), die Metacarpophalangealgelenke (MCP) und die Handgelenke (funktionell sind dem Handgelenk nicht nur das Radiokarpal- und distale Radioulnargelenk sondern auch die Interkarpealgelenke zugeordnet). Typisch ist auch das häufige beidseitig symmetrische Befallsmuster. Die Fingerendgelenke (distalen Interphalangealgelenke, DIP) bleiben im Allgemeinen frei. In typischer Weise werden die PIP-Gelenke spindelförmig aufgetrieben, die normale Hautfältelung ist dabei verstrichen. Die Gelenksschwellungen können anfänglich flüchtig sein und remittieren. Anamnestisch klagen die Patienten im Frühstadium der Erkrankung über schmerzhafte Schwellungen und Hitzegefühl in den Hand und einzelnen Fingergelenken, bestimmte Bewegungen (Türe aufschließen, Wasserhahn zudrehen) bereiten große Mühen und Schmerzen. Dies ist vor allem durch die synovialitische Schwellung im Bereich des Processus styloideus ulnae mit schmerzhafter Einschränkung der Volarflexion des Handgelenkes und Behinderung der Pro- und Supination sowie Verminderung der Greifkraft erklärlich. Die Morgensteifigkeit der Hände kann in diesem Stadium schon sehr ausgeprägt und lang andauernd sein. Sie verliert sich erst nach mehreren Stunden und unterscheidet sich dadurch grundsätzlich von der Morgensteifigkeit bei Polyarthrosen der Fingergelenke. Mit unterschiedlicher Krankheitsdauer kann sich das Vollbild einer chronischen Polyarthritis entwickeln. Die ist gekennzeichnet durch die destruierende Synovialitis mit typischen Fehlstellungen der Gelenke. Mit dem Übergreifen des entzündlichen Prozesses auf Sehnen, Sehnenscheiden und dem Bandapparat entstehen verschiedenartige Bilder. Die bekannteste Fehlstellung ist die Ulnardeviation in den MCPGelenken (verursacht durch die Zugtendenz der Sehnen ulnarwärts in Verbindung mit der Atrophie der Musculi interossei). Eine weitere Veränderung stellt die „Schwanenhalsdeformierung“ (durch Hyperextension im PIP und Flexion im DIP-Gelenk) dar. Sie ist für die Funktion katastrophal, weil sie Greiffunktion und Faustschluss behindert. Das Bild der Knopflochdeformität zeigt eine Beugung der PIP- und Überstreckung der DIPGelenke. Die Funktionsbeeinträchtigung ist im Gegensatz zur Schwanenhalsdeformität weniger gravierend, der Faustschluss ist meist möglich. Unter dem Caput-ulnae-Syndrom versteht man ein stark nach dorsal vorstehendes Ulnaköpfchen (diese Dislokalisation kommt vorwiegend durch eine Zerstörung der Bänder und der Sehne des Musculus extensor carpi ulnaris zustande). Durch dieses auffallend vorspringende Ulnaköpfchen werden die Fingerstrecksehen erheblich behindert und kann zu deren Ruptur führen. Noch zu erwähnen sind die Nervenkompressionssyndrome (N.medianus-Karpaltunnelsyndrom, N.ulnarisSyndrom der Loge von Guyon) die sich aufgrund der entzündlichen Schwellungen entwickeln. Das Endstadium der chronischen Polyarthritis ist gekennzeichnet durch völlige Gelenksversteifung infolge knöcherner Ankylose. In diesem Stadium werden nur mehr selten Schwellungen beobachtet, der Prozess ist gewissermaßen „ausgebrannt“. Ein scheinbar ausgebranntes Gelenk kann jedoch immer wieder erneut aufflackern. 2: Psoriasisarthritis: Die Psoriasisarthritis (PsA) ist eine chronische Systemerkrankung mit meist gleichzeitig bestehender Psoriasis vulgaris. Gelegentlich kann der Gelenksbefall den Hautveränderungen sogar vorausgehen. Der symmetrische multiple Endgelenksbefall ist für die PsA typisch. Er darf nicht verwechselt werden mit der Arthrose der Endgelenke die häufig mit Heberden-Knotenbildung einhergeht. Charakteristisch ist ferner der Befall aller Fingergelenke in einem Strahl. Dieser sog. Strahlbefall (Daktylitis) ist durch eine Tendinitis und Tendovaginitis der Streck- und Beugesehnen bedingt. Bei der Daktylitis handelt es sich im Prinzip um eine Oligoarthritis, wobei neben DIP- auch PIP- und MCP-Gelenke eines Strahles betroffen sind. Die Veränderungen an den kleinen Gelenken treten im Gegensatz zur chronischen Polyarthritis häufig asymmetrisch auf. Bei Verdacht aus PsA muss neben den entsprechenden Hautveränderungen auch vor allem nach typischen Nagelveränderungen gesucht werden. Typisch ist das Auftreten sog. Ölflecken (Verhornungsstörungen) und einer Keratitis punctata. Ebenso wie bei der chronischen Polyarthritis stellt die Arthritis mutilans eine häufig vorkommende Sonderform bei der PsA dar. In Folge ausgeprägter destruierender Knochenresorptionen kommt es Verkürzungen der Finger. 3: Arthritis urica: Die Arthritis urica gehört zur Gruppe der kristallinduzierten Arthropathien, bzw. ebenso wie die Hämochromatose zu den stoffwechselassoziierten Arthropathien und wird als die klinische Folge einer chronischen Harnstoffwechselstörung angesehen. Prädilektionsorte des akuten Gichtanfalls sind vor allem die peripheren Extremitätengelenke- häufiger der unteren als der oberen Extremität. Neben einer hochgradig schmerzhaften Weichteilschwellung kommt es zu einer Überwärmung und roten Hautverfärbung vor allem der PIP-Gelenke (Chiragra). Der erste Anfall ist in den häufigsten Fällen monoarticulär und dauert meist 3-5 Tage, manchmal auch länger. Ohne adäquate Therapie kann die Erkrankung eine chronische Verlaufsform annehmen, welche vor allem durch Auftreten von Tophi charakterisiert ist. Diese Ablagerung von Uratkristallen im gelenksnahen Knorpel führt zu einer Zerstörung der Gelenksflächen. 4: Hämochromatosearthropathie: Signalhaften Charakter für diese Diagnose haben die MCP-Gelenke II und III, meist beidseits. Ihre symmetrische, also mit einer rheumatoiden Arthritis verwechselbaren –Gelenksschwellung finden radiomorphologisch ein klassisch „nasenförmiges“ Korrelat. Neben dieser „Nasenbildung“ an den Köpfchen der Ossa metacarpalia, manifestiert sich die Hämochromatosearthropathie häufig als Chondrokalzinose (hier bevorzugt an den Radiocarpalgelenken). Zusätzliche HLA-Bestimmungen und eine erhöhte Transferrin Sättigung sichern die Diagnose. 5: Reaktive Arthritis: Unter reaktiver Arthritis versteht man eine mono- oder oligoartikuläre Arthritis die infolge einer Infektion ( vor allem Urogenital- oder Intestinaltrakt ) aufgetreten ist. Die Prädilektionsstellen sind vor allem die großen Gelenke, aber es kann auch, obwohl dies eher selten ist, zu einer Mitbeteiligung der Fingergelenke (2-6 Wochen nach der Infektion) kommen. Eine hochakute wurstförmige Schwellung einzelner Finger (wie bei Psoriasis Arthritis) als Zeichen einer deutlichen Tendovaginitis der Flexorensehnen ist möglich. Nur selten kommt es zu einer chronischen Verlaufsform, wo auch mit erosiven Gelenksveränderungen gerechnet werden muss. 6: Algodystrophie (Morbus Sudeck): Bei dieser Erkrankung zeigt sich eine diffuse, teigigweiche Schwellung und manchmal auch eine Überwärmung der gesamten Hand. Nach Abklingen der akuten Symptome verbleibt eine Reststeifigkeit der Gelenke mit einer Muskelatrophie, weiters kommt es zu einer Demineralisierung des Knochens. Als Ursache wird eine meist posttraumatische Störung des autonomen Nervensystems angesehen. 7: Kollagenosen: a: Lupus erythematodes: Eine klare Differenzierung zwischen chronischer Polyarthritis einerseits und Lupus erythematodes (SLE) andererseits kann häufig schwierig sein. Der SLE ist eine Erkrankung mit vielen Gesichtern. Neben möglicher verschiedenster Organmanifestationen und charakteristischen Laborveränderungen stehen neben den Arthralgien, die Arthritis besonders in MCP- und PIP-Gelenken im Vordergrund. Die Gelenkmanifestationen bleiben meist auf die Synovialis beschränkt. Nahezu nie kommt es zu Destruktionen. b: Progressive systemische Sklerose (Sklerodermie): Besonders im Anfangsstadium der Erkrankung ist ebenso eine Verwechslung mit der chronischen Polyarthritis möglich. Die typische Beugestellung der Finger ist nicht wie bei der chronischen Polyarthritis Folge von Destruktionen, sondern Ausdruck von Fibrosierungsprozessen des Bindegewebes. Die Sklerose der Sehnenscheiden und Sehnen führt zur Flexion der Fingergelenke. Die Folge ist eine Verschmälerung des Gelenkspaltes der DIP- und PIP-Gelenke. Neben dem häufigen Auftreten eines Raynauld-Syndroms, kommt es manchmal zum Auftreten von sog. Fingerkuppennekrosen. Während zu Krankheitsbeginn die Radiologie unergiebig ist, zeigen sich im Spätstadium Osteolysen der Fingerendphalangen. 8: Degenerative Veränderungen der Hände: Degenerative Gelenkserkrankungen (Arthrosen der kleinen Gelenke) stellen eine häufige Erkrankung des Bewegungsapparates dar. Bei den Fingerpolyarthrosen (FPA) finden sich im Bereich der Fingerend- bzw. Fingermittelgelenke mehrfache Deformierungen, die häufig mit Knotenbildungen vergesellschaftet sind. Während die polyarthritische Hand im Allgemeinen durch eine verstrichene Hautfältelung imponiert, ist die Hautfältelung bei einer Polyarthrose gut zu erkennen, bzw. erhält sie ein plumperes Aussehen. An dem PIP-Gelenk wird sie Bouchardarthrose, an dem DIP-Gelenk Heberdenarthrose genannt. Die Daumensattelgelenksarthrose, die häufig mit einer Atrophie der Thenarmuskulatur einhergeht, wird Rhizarthrose genannt. Typischerweise tritt die Erkrankung nach dem 50. Lebensjahr auf, Frauen sind 10x häufiger betroffen als Männer. Neben Schmerzen (vor allem Anlaufschmerz) und Knotenbildung kommt es im weiteren Verlauf zu Kontrakturen (Beugekontrakturen der DIP-Gelenke) Deviationen (nach radial) oder Versteifungen einzelner Gelenke. Als besondere Verlaufsformen gelten folgende Erscheinungsbilder: a: Aktivierte (entzündliche) FPA: Inflammiertes Gelenk mit plötzlichem Auftreten heftiger Schmerzen. b: Erosive FPA: Entzündliche Schwellungen vorwiegend in PIP-Gelenken mit radiologischen Nachweis von Erosionen c: Propf-CP: Unter Propf-CP bezeichnet man die Entwicklung einer chronischen Polyarthritis in eine polyarthrotisch veränderten Hand.