Die Behandlung der chronischen Polyarthritis

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1980
S e h o e n: Die Behandlung der chronischen Polyarthritis
Dtsch. med. Wsthr., 81. Jg.
Aus der Medizinischen Universitätsklinik Göttingen (Direktor: Prof. Dr. R. Schoen)
Die Behandlung der chronischen Polyarthritis
Von R. S e h o e n
Hilflosigkeit zu enden pflegte, gar nicht zu reden von den
begleitenden Schmerzen.
Dieses noch vor wenigen Jahrzehnten geläufige Bild der
chronischen Polyarthritis als einer kaum der Behandlung zugänglichen, zu chronisdiem Siechtum führenden Krankheit, die
entsprechend stiefmütterlich in Lehrbüchern und Vorlesungen
behandelt zu werden pflegte, hat sich heute erheblich gewandelt. Das Interesse an der chronischen Polyarthritis ist wach
geworden, wir bekommen jetzt sehr viel mehr beginnende Fälle
zu sehen und weniger desolate mit Kontrakturen und Ankylosen und wir haben eine erhebliche Chance, solche Endstadien
durch re&tzeitige und systematische Behandlung zu verhindern
oder wenigstens einen Rest von Bewegungsfähigkeit zu erhalten.
Dieser Umschwung ist nicht nur vom Therapeutischen her gekommen. Es muß hier der theoretischen und experimentellen Forschung gedacht werden, der Arbeiten von Klinge, von Rössle,
von S w i ft und anderen, welche das Wesen des Rheumatismus,
speziell des entzündlichen Gelenkrheumatismus, von der Pathogenese her und seinem geweblichen Bild nach zu klären versuchten. Der Begriff der allergisch-hyperergischen Entzündung,
ausgeprägt in der hyalinen Verquellung des Bindegewebes und
im rheumatischem Granulom, führte zur Annahme einer besonderen, immunbiologisch bedingten rheumatischen Reaktionslage
und zur einheitlichen Auffassung des entzündlichen Rheumatis-
mus in Form der akuten und chronischen Verlaufsarten des
Gelenkrheumatismus.
Diese Auffassung wurde in der Folgezeit durch den Nachweis zahlreicher freier und zellständiger Antikörper gegen AStreptokokken erweitert, wodurch die maßgebende Bedeutung
der Streptokokkeninfektion für die Entwicklung des Gelenkrheumatismus, vor allem der akuten und subakuten Formen,
erwiesen wurde. Die Untersuchungen zeigten erhebliche und
charakteristische Untérschiede in der serologischen Prüfung der
akuten Formen im Gegensatz zur chronischen Polyarthritis. Wir
kennen wohl Ubergänge, namentlich chronische Formen mit
akutem Beginn; wir dürfen eine Verwandtschaft in der Pathogenese annehmen, aber wir müssen trotzdem die chronische
Polyarthritis als Krankheit sui generis betrachten, solange wir
ihre Ursache nicht näher kennen. Dieses muß eindeutig gesagt
werden, soweit die ganz im Vordergrund stehende primär chronische Polyarthritis gemeint ist. Die sogenannte sekundär chronische Polyarthritis, die Infektarthritis, ist, soweit diese Begriffe
die Hand-und Fußgelenke, die Knie- und Ellenbogengelenke.
Meist erst im späteren Verlauf werden Schulter- und Hüftgelenke befallen. Auffallend ist ein ziemlich symmetrischer Befall. Von Anfang an sind erhebliche Schmerzen, Steifigkeit und
Spannung vorhanden. Die Umgebung der Gelenke und diese
selbst sind geschwollen und druckschmerzhaft, die Beweglichkeit ist durch Schmerzen behindert. Im Verlauf kommen trophische und Pigmentstörungen der Haut hinzu, die Gelenk
kapsel schrumpft, Subluxationen der Finger treten beiderseits
ulnarwärts in typischer Weise ein, die Gelenkflächen deformieren, es kommt zu Kontrakturen und Ankylosen. Wird es versäumt, rechtzeitig Lagekorrekturen vorzunehmen, so machen
die Kontrakturen der Knie, der Ellbogengelenke u.
a. den
Kranken für dauernd zum hilflosen Krüppel.
Die Dauer des Krankheitsverlaufs bis zu diesem Endstadium
ist sehr verschieden, sie schwankt zwischen wenigen Jahren
und Jahrzehnten. Meist lassen sich im Verlauf einzelne Schübe
erkennen, zwischen welchen die Krankheit stillhält oder sogar
geringe Remissionen zeigt. Das ist bei Beurteilung therapeutiseher Erfolge zu beachten. Glücklicherweise kann überhaupt in
jedem Stadium spontan ein Stillstand erfolgen, doch darf man
damit nur als Ausnahme rechnen. Das schwere Endstadium der
völligen Hilflosigkeit ließ sich bisher auch bei Anwendung der
üblichen Therapie nicht völlig verhindern, wobei natürlich sehr
wesentlich ist, in welchem Stadium der Krankheit die Behandlung einsetzt und wie sie durchgeführt wird.
In etwa einem Siebentel der Fälle von chronischer Polyarthritis
beginnt die Krankheit mehr oder weniger akut. Wenn dabei
auch die anfängliche Abgrenzung gegenüber dem rheumatischen
Fieber schwierig sein kann, so läßt der weitere Vérlauf und
auch das serologische Verhalten die chronische Polyarthritis
doch bald erkennen. Man ist heute geneigt, solche Fälle, auch
wenn mehrere Schübe erfolgen, nicht als sekundär chronische
Polyarthritis zu bezeichnen, wenn sie im Verlauf den Typus der
primär chronischen Polyarthritis annehmen.
Die viszerale Mitbeteiligung tritt bei der chronischen Polyarthritis ganz zurück, wenn auch genaue Untersuchungen der
Pathologen in einer nicht ganz geringen Zahl der Fälle autoptisch eine frühere Myokarditis oder eine alte Endokarditis nachweisen können. Klinisch lassen sich selten rheumatische Herz-
störungen erfassen, die Ausnahme bestätigt nur die Regel.
Auch die Bedeutung der Herdinfektion ist bei der primär chronischen Polyarthritis noch sehr umstritten. Man findet zwar oft
solche Herde an Zähnen und Mandeln, man entfernt sie auch,
aber der Verlauf der Krankheit wird dadurch meist nicht er-
kennbar beeinflußt, vielleicht manchmal in frühen Stadien. Daß
solche Herde bei der Therapie stören können, steht auf einem
anderen Blatt.
Die Sonderstellung der chronischen Polyarthritis zeigt sich
auch darin, daß mindestens dreimal mehr Frauen als Männer
überhaupt zu Recht bestehen, etwas anderes und zweifellos
wegen ihrer Seltenheit von geringerer Bedeutung. Während erkranken. Einflüsse der Konstitution und Erblichkeit treten
hierbei die wiederholten akuten Schübe, der Infektionsherd im nachweisbar in vielen Fällen hervor. Das Erkrankungsalter
Vordergrund stehen, treten diese bei der primär chronischen kann, wie beim rheumatischen Fieber, schon in sehr früher
Polyarthritis ganz zurück.
Der Verlauf der primär chronischen Polyarthritls
Diese in ihrer häufigsten Verlaufsform zu charakterisieren,
ist nicht allzu schwierig: Der Beginn mit den kleinen Gelenken
der Finger, besonders auch den Grundgelenken, meist ohne
akute Erscheinungen, schleichend, zuerst kaum merklich, in geringem Grade auch der Zehen. Allmählich Ubergreifen auf die
größeren, mehr proximal gelegenen Gelenke der Extremitäten,
Kindheit liegen., jedoch erkranken weitaus die meisten Patien-
ten erst im dritten bis vierten Jahrzehnt. Die Krankheit führt
zur Invalidität, nicht zum Tode. Infolgedessen stellt sie eine
schwere finanzielle Belastung der Versicherungsträger dar.
Dieser kurze Uberblick soll die schwierigen Aufgaben zeigen,
vor welche jede Therapie der chronischen Polyarthritis gestellt
ist. Ein chronisches, zur Progredienz neigendes Leiden mit
Siechtum, zunehmender Bewegungsbehinderung bis zur völligen
Hilflosigkeit, mit einem sehr verschiedenen Verlauf, mit Still-
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Die chronische Polyarthritis gilt mit Recht seit alters als eine
Crux medicorum. In Kliniken waren solche Kranke nicht sehr
willkommen, da sie schwer zu pflegen und selten erfolgreich
zu behandeln waren. Es kamen fast nur die schweren fortgeschrittenen Fälle mit starker Bewegungsbeschränkung, bedauernswerte Menschen, deren chronisches Siechtum in völliger
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ständen, neuen Sthüben, ständigen Schmerzen! Bei unbekannter Aetiologie ist, wie gesagt, eine deutliche endogene erbliche
Komponente und eine Bevorzugung des weiblichen Geschlechts
gegeben. Es ist nicht zu verwundern, daß jede Therapie dabei
Blutsenkung ist stets erhöht und kein sehr verläßlicher Maß-
verschiedene Faktoren berücksichtigen muß und daß bei der
derung der Albumine zum Krankheitsbild gehören. Nur längere
Verlaufsbeobachtungen lassen sich für die Beurteilung der Aktivität auswerten. Auch die immunbiologischen Tests, insbesondere die wichtige Agglutination sensibilisierter Hammelblutkörperchen (W a a 1 e r - o s e) sind ziemlich unabhängig von der
Schwere und Aktivität der chronischen Polyarthritis. In Fällen,
grundsätzlichen Neigung der chronischen Polyarthritis zur Pro-
gredienz unzählige Mittel und Behandlungsweisen versucht
worden sind. Es ist nicht die Absicht, diese im einzelnen abzuhandeln, sondern über die Fortschritte, über die heute am meisten
zu empfehlende Therapie, zu berichten, wodurch allein schon
vieles Frühere als obsolet entfällt. Die wichtigsten Ziele der Behandlung sind: 1. Beseitigung der Schmerzen, 2. Besserung der
Beweglichkeit und Gelenkfunktion, 3. Kräftigung der Musku-
. latur und Hebung des Aligemeinbefindens, 4. Versuch, die
stab (im Gegensatz zum rheumatischen Fieber), da Serumeiweiß-
veränderungen bei der chronischen Polyarthritis in Richtung
einer Vermehrung der Gamma-Globuline und einer Vermin-
deren Neigung zur Progredienz schwer abschätzbar ist, wird
man sich, falls eine längere Vorbeobachtung nicht möglich oder
angezeigt erscheint, mit der Therapie vorsichtig einschleichen
müssen und zweckmäßigerweise den weiteren Behandlungsplan
Krankheit, wenigstens den derzeitigen Schub, zum Stillstand zu
auf die ersten therapeutischen Erfahrungen selbst aufbauen.
bringen. Die Mittel, welche dazu eingesetzt werden können,
sind je nach dem Stadium der Krankheit und ihrer jeweiligen
Die verschiedenen Register" der Behandlung, die grundsätzlich
zur Auswahl stehen, seien hier aufgeführt.
Aktivität verschieden.
Die Sdimerzen sind von den ersten, noch kaum erkennbaren
Anfängen der chronischen Polyarthritis an vorhanden und steigern sich mit den Gelenkveränderungen. Sie beginnen oft als
Paraesthesien in den Fingern. Durch die üblichen Antineuralgika, vor allem die Salicylsäureverbindungen, sind sie nur vor-
Salicylate
(Salicylsaures Natrium, Aspirin u. a.) haben bei der chronischen
Polyarthritis nicht die fast spezifisch erscheinende Wirkung wie
beim rheumatischen Fieber. Als einleitende Behandlung sind sie
übergehend zu beseitigen. Narkotische Mittel sind bei der
Chronizität des Leidens nicht am Platze. Am wichtigsten ist von
Anfang an die richtige Lagerung, die Ruhigstellung der erkrankten Gelenke, die Vermeidung schwerer Bettdecken, die
vor allem bei febrilen Schüben der chronischen Polyarthritis
sehr geeignet, wobei die Dosierung nicht über 4-6 g hinauszugehen braucht. Auch in afebrilen Fällen wirken sie analgetisch, jedoch nur bei exsudativen Gelenkveränderungen auch
antirheumatisch. Bei torpiden Verläufen der chronischen Poly-
Warmhaltung. Sehr geeignet sind z. B. elektrisch geheizte leichte
Bettdecken, sehr wertvoll den Druck abhaltende Bettbügel. Bei
arthritis sind Salicylate nicht zu empfehlen.
Fehlstellungen muß frühzeitig orthopädische Hilfe zugezogen
werden. Sehr wesentlich ist die sorgsame Pflege, wozu beim
Umbetten und bei allen Verrichtungen genügend Personal zur
Verfügung sein muß.
Die Schmerzen und Unbeweglichkeit verursachen Schlaflosigkeit, welche - wieder unter dem Gesichtspunkt der Chronizität - möglichst mit nicht zur Gewöhnung führenden Mitteln, unter ständigem Wechsel der Pharmaka, zu bekämpfen ist.
Schließlich bedarf es einer psychischen Führung besonderer
Art, wie bei jeder chronisch-progredienten Krankheit. Die dauernden Schmerzen, die Hilflosigkeit, die Angst vor dem Roll-
und Antipyretika. Pyramidon, Irgapyrin sind gute analgetische
Mittel, welche in jedem Fall gewisse Linderung bringen (Leukozytenkontrolle wegen der Agranulozytosegefahr!).
großen psychischen Auftrieb und stärken das so notwendige
Vertrauen zum Arzt - ein wichtiger Faktor für die Wunder-
Butazolidin zur Dauertherapie geeignet und den pyramidon-
Das gleich gilt etwa für die ganze Gruppe der Analgetika
Irgapyrin und Butazolidin
Irgapyrin ist eine Kombination von Pyramidon mit Butazolidin (Phenylbutazon) und nimmt dadurch und gegenüber anderen analgetischen Kombinationspräparaten eine besondere
Stellung ein. Das Butazolidin hat analgetische und antirheumatische Eigenschaften und ist heute aus dieser Gruppe das Mittel
der Wahl. Es wirkt ebenso bei den akuten wie chronischen Formen des Gelenkrheumatismus und sogar bei der echten Gicht.
stuhl - wie kann man dem Kranken darüber hinweghelfen?
Butazolidin kann injiziert und in Tabletten gegeben werden,
Glücklicherweise hilft die Natur selbst, indem häufig die chro- was durchaus vorzuziehen ist und nur eine geringe Dosierung
nischen Polyarthritiker stille, in sich gekehrte, in ihr Schicksal von 3, auf längere Dauer nur 2 Tabletten täglich zur Erhaltung
ergebene Menschen sind, die sich zufrieden geben. Therapeu- eines wirksamen Blutspiegels erfordert. Die Nebenwirkungen
tische Erfolge geben natürlich den gequälten Kranken einen sind gering und selten gefährlich (Agranulozytose). Insofern ist
wirkung" des Cortisons.
Die Verbesserung der Beweglichkeit hat zur Voraussetzung,
daß eine solche anatomisch noch möglich ist. Ankylosen,
fixierte Kontrakturen, auch schwere Zerstörungen der Gelenkflächen mit fortgeschrittener sekundärer Arthrose und Subluxation, werden therapeutisch nichts oder wenig erhoffen lassen.
Es kommt also darauf an, daß der Kranke vor dem Eintritt solcher schweren Veränderungen, die gewöhnlich in statisch ungünstiger Stellung erfolgen (Knie gelenke in Beugestellung fixiert), zur Behandlung kommt. Je früher, um so besser ist die
Aussicht auf bleibenden Erfolg.
Die Aktivität der Erkrankung vor Anwendung einer Therapie festzustellen, ist entscheidend wichtig für die Auswahl der
Methoden. Neben einer sorgfältigen Anamnese der Beschwerden und des bisherigen Verlaufs ist gewöhnlich dazu eine kli-
nishe Beobachtung von 1-2 Wochen erforderlich. Akut und
subakut verlaufende Schübe sind an Fieber, schmerzhaften
Gelenkschwellungen mit exsudativem Charakter, leicht erkennbar. Bei den viel häufigeren Fällen mit schleichendem Verlauf
Ist es schwerer, den Grad der Aktivität zu erkennen. Die Anamnese ist weniger aufschlußreich, die Gel.enke sind trocken, die
Gelenkspalte ist eingeengt. Die Temperatur ist nicht? erhöht, die
haltigen Mitteln vorzuziehen. Es ist besonders für eine Behandlung während der ersten Wochen der Beobachtung der chronischen Polyarthritis geeignet, bis sich die verschiedenen Heilfaktoren, wie Ruhe und Entspannung, Wärme, Lagerung, neben
der medikamentösen Behandlung soweit bemerkbar machen, daß
eine Beurteilung des Verlaufs und der Aktivität möglich ist.
Butazolidin zeigte im Tierversuch (Ratte) eine gute analgetis che,
antipyretische und antiphlogistische Wirkung, die durchaus cortisonartig in ihrem zeitlichen Ablauf ist, aber quantitativ zurück-
bleibt. Klinisch steht bei der chronischen Polyarthritis, bei der
Butazolidin zuerst systematisch angewandt wurde, die an-
algetische Wirkung im Vordergrund, welche innerhalb weniger
Tage bei anfangs höherer Dosierung (3-6 TabI.) einzutreten
pflegt. Bald stellt sich auch in geeigneten Fällen eine verbesserte Beweglichkeit und Abnahme der Schwellung der befallenen Gelenke ein. Falls die Temperatur erhöht war, sinkt sie zur
Norm zurück. Diese günstige Wirkung kann, solange Butazolidin verabreicht wird, durchaus als Besserung gebucht werden.
Allerdings bleibt zweifelhaft, ob der Ablauf der Krankheit im
ganzen dadurch merkbar beeinflußt werden kann. Es handelt
sich überwiegend um eine symptomatische Therapie.
Bei der akuten Polyarthritis (rheumatisches Fieber) können
bei der begrenzten Krankheitsdauer durch symptomatische Be-
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handlung die Krankheitserscheinungen so lange unterdrückt
werden, bis die Aktivität des Prozesses abgeklungen ist. Auch
dabei sind Rückfälle häufig. Die chronische Polyarthritis verläuft
über Jahrzehnte. Eine Unterdrückung der subjektiven Symptome gelingt je nach dem Krankheitsstadium nur unvolikommen. Der Rückgang der Schmerzen, die dadurch z. T. schon
bessere Beweglichkeit, bedeuten sehr viel für den Kranken, er
wird vor allem psychisch freier, zuversichtlicher und widerstandsfähiger. Diese Wirkung, die wir in höherem Maße auch
bei der Cortisontherapie finden werden, ist gewiß sehr wertvoll,
aber sie bleibt häufig auf die Dauer der Verabreichung des
Mittels beschränkt und ändert nicht den Charakter der Krankheit. Deshalb ist es sehr wesentlich, daß diese Therapie der
Unterdrückung der Symptome möglichst 1 a n g f r i s t i g durch-
geführt wird, weil nur dann gehofft werden kann, daß inzwischen die Aktivität eines Schubes abklingt und die Remission
eintritt und von einer größeren Dauer sein kann. Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für die Cortisontherapie.
Es ist deshalb entscheidend wichtig, wie die Verträglichkeit
des angewandten Mittels bei langdauernder Verabreichung ist
und ob die wirksame Dosis soweit gesenkt werden kann, daß
toxische Wirkungen vermieden werden. Butazolidin wird rasch
und nahezu vollständig bei oraler Gabe resorbiert, der wirksame Blutspiegel von 8-11 mg°/o wird bei einer Dosis von
800 mg in 24h erreicht und weiterhin durch 200 mg täglich aufrechterhalten (2 Tabl.) Dadurch ergeben sich äußerst günstige
Voraussetzungen für eine Behandlung auf längere Sicht. Toxis che
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lassen sich allerdings mit etwas größerem Risiko die gleichen
Erfolge auch mit Cortison und Hydrocortison (Cortisol) in entsprechender Dosierung erreichen. Ein Preisunterschied in der
Verwendung der verschiedenen Mittel besteht zur Zeit nicht.
Die Wirkungsweise des Cortisons bei der chronischen Polyarthritis ist in erster Linie eine antiphlogistische. Die rheumatische Entzündung wird abgebremst, die Oedeme, die Gelenkergüsse bilden sich zurück, die Beweglichkeit der Gelenke nimmt,
sofern schwere anatomische Veränderungen fehlen, zu und
die Schmerzhaftigkeit gleichzeitig ab. Es ist verständlich, daß
diese Wirkung, zumal wenn sie sich innerhalb weniger Tage
einstellt, psychisch günstig ist, wozu noch eine direkte euphori-
sierende Wirkung des Cortisons mit beiträgt. Nach langdauernder Behandlung bilden sich auch die humoralen Veränderungen zurück, die Temperatur wird normal, die Blutsenkung
verlangsamt sich, die Bluteiweißveränderungen kehren allmählich zur Norm zurück.
Wie diese vielseitige Wirkung des Cortisons im einzelnen
zustandekommt, kann hier nicht erörtert werden, die Zusammen-
hänge sind auch nicht völlig geklärt. Jedenfalls greift die
Wirkung am Bindegewebe an, in welchem sich die rheumatischen Veränderungen abspielen. Es ändert sich unter der Cortinsonwirkung die Entzündungsbereitschaft, d. h. sie nimmt ab.
So ergibt sich eine deutliche antirheumatische Wirkung als
symptomatischer Effekt, ohne an die Ursache der Erkrankung
zu rühren. Die Wirkung sistiert, wenn das Mittel abgesetzt
wird, es sei denn, daß inzwischen die Aktivität der Erkrankung
Erscheinungen sind bei dieser vorsIchtigen Dosierung weit- nachgelassen hat. Bei der chronischen Polyarthritis Ist damit
gehend vermeidbar. Dyspeptische Beschwerden, Ubelkeit, Er- günstigenfalls erst nach langen Zeiträumen zu rechnen und desbrechen verschwinden rasch nach Absetzen des Mittels. Zu halb eine Dauerbehandlung notwendig.
achten ist stets auf Oedeme und Haematurie als mögliche Kom-
plikationen, ferner auf eine Purpura oder eine Leukopenie.
Eine Agranulozytose ist nur vereinzelt beobachtet worden. Bei
Anwendung der nötigen Vorsicht darf man Butazolidin als ein
Mittel bezeichnen, welches die Voraussetzungen einer Anwendung über lange Zeit erfüllt und sich seit vielen Jahren bei der
chronischen Polyarthritis bewährt hat.
Cortison, Hydrocortison, Prednison und ACTH
Eine viel breitere Auswirkung als Butazolidin hat die Behandlung mit Cortison genommen, welches seit 1949 angewen-
det wurde, aber erst seit wenigen Jahren bei uns unbegrenzt
zur Verfügung steht. Cortison ist dabei als Gattungsbegriff für
die Nebennierenrindensteroide ähnlicher Wirkung zu verstehen, denn das ursprüngliche, als Cortison bezeichnete Gluco-
corticoid ist heute fast als überholt zu bezeichnen. Das unter
physiologischen Bedingungen vorkommende Hormon ist das
Hydrocortison (Cortisol), dessen Wikung derjenigen des Cortisons im wesentlichen entspricht. Es hat den Vorteil, intraartikulär injiziert, eine recht gute lokale Wirkung auf entzündlich
Die Cortisonanwendung hat sich nach anfänglichen Irrwegen
durch die Erfahrung diesem Erfordernis angepaßt und dabei
versucht, Nebenwirkungen trotz der langwierigen Behandlung
zu vermeiden. 1948/49 wurde viel höher dosiert, und es traten
nach anfänglichen Wunderwirkungen schwere Rückschläge ein,
weil das Mittel ziemlich brüsk wegen seiner Nebenwirkungen
abgesetzt werden mußte. Allmählich hat man gelernt, eine
individuelle Behandlung durchzuführen, man verzichtet auf
drastische Erfolge.
Es gibt bestimmte Kontraindikationen, welche zum Verzicht
auf Cortison raten lassen: der Diabetes, die Hypertonie, eine
Neigung zu Ulzera des Magens und des Zwölffingerdarmes sind
die wichtigsten. Sie sind selten bei der chronischen Polyarthritis
anzutreffen. Wichtiger ist es, unbeabsichtigte Folgen der Cortisonmedikation zu kontrollieren und ein zuviel, aber auch ein
zuwenig in der Dosierung rechtzeitig zu erkennen.
Länger dauernde Uberdosierung führt zum Cushing-Syndrom,
dessen erste äußere Zeichen die Rundung des Gesichts und das
Auftreten der roten Striae am Rumpf sind. Dazu wird es bei
niedrIger Dosierung im Rahmen der Behandlung der chronischen
veränderte Gelenke auszuüben und sich auch in anderen Formen
Polyarthritis selten kommen Dagegen können sich die beim
zu lokaler Behandlung zu eignen. Hydrocortison hat das ursprüngliche Cortison allmählich verdrängt, 20 mg Hydrocortison entsprechen in der Wirkung 25 mg Cortison. Inzwischen
Cushing-Syndrom bekannten Stoffwechselstörungen auch ohne
das charakteristische äußere Bild bemerkbar machen die diabetische Stoffwechsellage (Steroiddiabetes), die Störungen im
Mineraihaushalt durch Natriumretention mit Oedemneigung,
durch Kaliumverarmung mit den manchmal bedrohlichen Begleiterscheinungen der Hypokaliaemie. Deshalb empfiehlt es
ist aber durch die Einführung der synthetischen Steroide Metacortandracin und Metacortandralon, welche aus Cortison bzw.
Hydrocortison durch Dehydrierung mit einer Doppelbindung
zwischen C1 und C2 entwickelt wurden, die Cortisontherapie in
eine neue Phase getreten: die gleiche therapeutische Wirkung
läßt sich mit geringerer Gefahr störender Nebenwirkungen
durch diese neuen Substanzen, die meist als Prednison und
sich, Na-arme Kost mit der Cortisontherapie zu verbinden.
Prednison bedarf dieser Vorsicht meist nicht. Eine weitere
Folge ist eine Osteoporose, welche sogar zu Spontanfrakturen
führen kann. Bei der chronischen Polyarthritis mit ihrer Nei-
Prednisolon bezeichnet werden und unter vielen verschiedenen
Firmennamen im Handel sind, bei viel stärkerer Wirksamkeit
erzielen. 5 mg Prednison entsprechen 25 mg Cortison an Wirkung. Die Vorteile des Prednison (über Prednisolon fehlen noch
gung zu Knochenatrophie wird man gerade dem Skelettsystem
besondere Aufmerksamkeit widmen müssen, zumal die Patienten Traumen stärker ausgesetzt sind. Schließlich muß auch mit
psychischen Nebenwirkungen gerechnet werden. Die Euphorie
ausreichende Erfahrungen) wirken sich vor allem dann aus,
wenn eine Behandlung auf lange Zeit erforderlich ist. So ist es
verständlich, daß die chronische Polyarthritis das wichtigste
Anwendungsgebiet des Prednisons darstellt und dieses dabei
durch die Cortisonwirkung kann in Erregungszustände oder
auch Depressionen umschlagen, die eine bedrohliche Lage ergeben. Ferner kann unter der Einwirkung von Cortison ein
z. Z. als Mittel der Wahl bezeichnet werden kann. Grundsätzlich
fieberhafter Infekt, eine septische Komplikation übersehen werden, da die'typischen Symptome sich nicht entwickeln können.
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So ergibt sith, daß die Behandlung mit Cortison große Erfahrung und Vorsitht erfordert. Dazu kommt noch ein sehr
wesentliches Moment: die Rückbildung der Aktivität der Neben-
nierenrinde bis zur Atrophie unter der Cortisonwirkung weil
der stimulierende Einfluß des Hypophysenvorderlappens dadurcth abgebremst wird. Dies ist der Grund, warum die Cortison-
behandlung nicht plätzlith abgesetzt werden darf: es könnte
sith rsth eine Nebenniereninsuffizienz mit ihren deletären
Folgen einstellen.
Das die Bildung von Cortisol anregende adreno-corticotrope
Hormon (ACTH) Ist bisher als Therapeutikum noch nicht erwähnt worden, obwohl es die den physiologischen Verhältnissen
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Notwendigkeit einer höheren Dosierung ergeben. Deshalb empfiehlt sich die Zwischenschaltung von ACTH in der schon besprochenen Weise in größeren Abständen.
Eine Unterstützung der systematischen Behandlung stellt die
Lokalbehandlung der schwerer veränderten Gelenke, auch solcher mit sekundär arthrotischen Veränderungen, durch Injektionen von Hydrocortisonacetat (50-100 mg pro dosi) dar. Besonders geeignet sind die Kniegelenke, doch können bei entsprechender Technik auch die Hüft- und Sprunggelenke u. a.
behandelt werden. Die Wirkung besteht in einer direkten Be
einflussung der entzündlichen Veränderungen und wird sub-
ACTH-Injektionen einzuschalten und vor allem bei Beendigung
der Cortisontherapie einige Zeit zur Anregung der Rindenfunktion ACTH zu injizieren (zweimal 10 Einh.-Depot-ACTH).
Geringe Abweichungen von der adäquaten Dosierung führen
vertragen.
Die schwierigste Entscheidung bei der Cortisonbehandlung
bringt die Frage nach ihrer Beendigung. In Fällen, in welchen
die Therapie wirkungslos war (auch bei entsprechender Dosie-
bei längerer Dauer zu einem Hyper- oder Hypocorticismus.
Beide Formen verursachen Wiederauftreten von Schmerzen,
rung) oder wenn ins Gewicht fallende Nebenwirkungen auftreten, ist die Beendigung notwendig. Doch darf sie nie brüsk
eine Uberdosierung führt zu Ermüdung, allgemeinen Myalgien
und Hyperalgesien, eine Unterdosierung zu ausgesprochenen
Gelenkrecidiven, welche durch eine Erhöhung der Cortisondosierung verschwinden. Schwieriger Ist es, den Hypercorticismus zu erkennen, der zu stärkeren psychischen Schwankungen
zwischen Hyperaktivität und Depression führen kann und eine
vorsichtige Reduktion in der Dosierung unbedingt erfordert.
Das Ziel einer individuellen Behandlung geht dahin, mit einer
noch eben ausreichenden Dosis einen subjektiv und objektiv
ausreichenden Effekt zu erreichen und die Behandlung - so-
geschehen, sondern langsam ausschleichend nach länger dauernder Verabreichung mit ACTH zumSchluß, wie beschrieben. Bei
guter Wirkung wird die Steroidtherapie möglichst lange Zeit
fortzusetzen sein, bis die Aktivität der chronischen Polyarthritis,
vor allem bei chubweisem Verlauf, entscheidend nachgelassen
hat. Die Blutsenkung, Elektrophorese u. a. sind dabei neben
dem klinischen Verlauf zu Rate zu ziehen. Zur Uberbrückung
kann Butazolidin dienen. Bei Rückfällen wird man wieder zur
Steroidtherapie zurückkehren. In sehr torpiden Fällen wird
man sich entschließen, die Dauertherapie mit kleinen Dosen
weit erforderlich - über lange Zeiträume fortzuführen, ohne (5-10 mg Prednison) weiter zu führen, eventuell jahrelang.
schädliche Nebenwirkungen hervorzurufen. Ein solches Vor- Dabei ist allenfalls möglich, Prednison nur alle 2-3 Tage und
gehen erscheint am besten bei Verwendung von P r e d n i s n
durchführbar. Es können dafür gewisse Richtlinien, aber kein
allgemein gültiges Schema gegeben werden. Es empfiehlt sich,
mit mittleren Dosen die Behandlung zu beginnen (20-30 mg)
bei akuten Schüben kann die Anfangsdosis kurzfristig erhöht
werden (30-50 mg Prednison tgl.). Wenn nach einigen Tagen
ein günstiger, zunächst subjektiver Effekt eintritt, so wird man
die mittlere Dosierung noch so lange weitergeben, bis auch ein
objektiver añtirheumatischer Effekt (bessere Beweglichkeit,
Rückgang der Gelenkschwellungen) eingetreten ist. Nach 1-2
Wochen kann man dann die Dosis vorsichtig abbauen, soweit
es ohne Rückfall der Symptome möglich ist. Die minimal ausreichende Dosis liegt bei der chronischen Polyarthritis zwischen
15 und 5 mg Prednison tgl. (nach C o s t e im Durchschnitt
14,6 mg tgl., nach unserer Erfahrung niedriger). Damit gelangt
man in einen Bereich, innerhalb dessen Nebenwirkungen auch
bei langdauernder Behandlung vermeidbar sind. Kochsalzarme
Kost ist dabei entbehrlich, da Wasser- und Natriumretention
geringer als bei Cortison sind; Gewicht, Blutdruck und Blutzucker müssen in Abständen kontrolliert werden. Kleine Unterschiede der Dosierung madien sich bei Prednison mehr bemerkbar als bei Cortison. Die Dosierung des Cortisons ist etwa 5mal,
des Hydrocortisons 4mal höher. Dèr Beginn mit einer über der
Dauerdosis liegenden Dosis hat den Vorteil einer raschen Wirkung und erlaubt danach die minimale wirksame Dosis schneller
zu erreichen.
Die Frage, ob bei langer Behandlungsdauer eine Abschwä-
chung des Effekts eintritt, ist nicht generell zu beantworten,
sondern wird von Fall zu Fall wechseln. Grundsätzlich ist eine
Gewöhnung an die Behandlung nicht anzunehmen. Durch zu-
nehmende Inaktivität der Nebennierenrinde könnte sich die
dazwischen 2 Tabl. tgl. Butazolidin zu geben. Jede Verschlechterung muß mit einer vorübergehenden Erhöhung der Predni-
songabe aufgefangen werden. So kann man auch schwere,
therapeutisch ungünstige Fälle über Jahre hinaus in einem erträglichen Zustand, ohne wesentliche Progression des Leidens,
erhalten. Die Aussichten der Therapie sind natürlich um so
besser, je früher die Behandlung der chronischen Polyarthritis
einsetzt. Die Stadien I und II nach S t e i n b r o c k e r bieten die
besten Chancen. Daher ist die Frühdiagnose, die nicht immer
leicht ist, von so eminenter Wichtigkeit und so verantwortungsvoll. Während einer Behandlung mit Nebennierenrindensteroi-
den darf der Patient nicht unkontrolliert bleiben, vor allem
darf er nicht plötzlich die Behandlung ohne Kenntnis des Arztes
abbrechen, weil dann gewöhnlich ein Rezidiv, manchmal schwere
Komplikationen, eintreten.
Der Erfolg der Behandlung wird je nach dem Krankengut
und der Handhabung der Therapie verschieden sein, zudem ist
schwer vergleichbar zu fassen, was subjektive, was objektive
Besserung ist. Unter 25 Fällen einer chronischen Polyarthritis
hatten wir bei der Behandlung mit ACTH und Rindensteroiden
6mal eine volle subjektive und objektive Besserung (24°/o),
6mal eine gute subjektive und teilweise objektive Besserung
(24°/o), 9mal eine teilweise subjektive und objektive Besserung
(36°/o) und 4mal keinen Effekt (16°/o). Ernsthafte Komplikationen
fehlten, je 1mal trat eine Glykosurie und eine Akne auf.
C ost e hatte unter 123 Fällen einer chronischen Polyarthritis
in 97 (79°/o) günstige, in 5 zweifelhafte und in 21 keine Erfolge mit Hydrocortison mit Prednison werden die Ergebnisse,
wenn erst genügend lange Erfahrung vorliegt, anscheinend
noch günstiger sein. Faßt man statistische Angaben der Literatur
über 134 Fälle einer chronischen Polyarthritis von M e lvi n,
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jektiv und objektiv bei geeigneten Fällen innerhalb kurzer
am nächsten kommende Form der Behandlung mit Rinden- Zeit bemerkbar. Die Injektionen können je nach Befinden in
steroiden darstellt, da dabei die Nebennierenrinde stimuliert etwa wöchentlichen Abständen wiederholt werden.
Schließlich besteht die Möglichkeit, die Steroidbehandlung
und zur Hypertrophie gebracht wird. Für die Dauerbehandlung
der chronischen Polyarthritis ist ACTH, weithes heute stets in mit Butazolidin- oder Salizylgaben zu kombinieren. Dieses Verder sparsamen Depotform angewandt wird, nicht sehr geeignet, fahren empfiehlt sich im Anfang und zum Ausschleidien am
da es nitht so exakt individuell dosiert werden kann und stets Ende einer längeren Steroidtherapie, ferner in Fällen, welche
injiziert werden muß. Es empfiehlt sidi jedoch in die kontinu- eine Herabsetzung auf die für Dauerbehandlung erforderlichen
ierliche Cortisonbehandlung alle 3-4 Wochen einige Tage mit niedrigen Dosen (unter 15 mg Prednison) nicht ohne Schmerzen
A r n o 1 d: Der heutige Stand der medikamentösen Hochdruckbehandlung
Leon, Böni, Hench, Bunim und Küchmeister zu-
sammen, so ergeben sich in 75 Fällen, = 560/o, gute, in 39,
= 300/o, teilweise und in 20 Fällen keine Besserung. Diese Ergebnisse, so wenig sie sich bei der Verschiedenheit der Verlaufsarten der thronischen Polyarthritis in ein Maßsystem bringen lassen, sind recht ermutigend bei einer bisher der Behandlung so wenig zugänglichen, von Natur progredient verlaufenden
chronischen Krankheit
Sie zeigen andererseits die Grenzen der Therapieerfolge,
welche nicht unter dem Gesichtspunkt der Heilung oder der
Dauerremissioi bei der noch auf wenige Jahre (bestenfalls) beschränkten Beobachtungsdauer gesehen sind. Hoffnungen in
dieser Richtung sind nur bei sehr frühzeitiger Behandlung in
den ersten erkennbaren Stadien der chronischen Polyarthritis
Auf andere Formen der Reiztherapie, die in gewissen Stadien
der chronischen Polyarthritis von Nutzen sein können, einzugehen, würde zu weit führen. Auch die Balneotherapie und
Bewegungsbehandlung, die physikalische Therapie durch Wärme,
Massage, einschließlich der Unterwassermassage, und die
Gemeinschaftsbäder im Thermalschwimmbad, die Schwefel-,
Schlamm- und Moorbehandlung können nicht im einzelnen besprochen werden, ebensowenig die Fehistellungen korrigierende, Gelenke fixierende chirurgisch-orthopädische Behandlung. Alle diese Maßnahmen müssen sich planmäßig aufeinander
abstimmen und werden je nach den Stadien der Erkrankung
die bevorzugten Methoden. Die Kräftigung der Muskulatur, die
Hebung des Allgemeinbefindens fallen in diesen Aufgabenbereich, sobald der Zustand der Gelenke dieses erlaubt.
vielleicht berechtigt, jedoch keineswegs in allen derartigen
Fällen. S o 1 e m und R ö m c k e haben bei 31/2jähriger Beobachtung in 3ØO/ ihrer im Stadium I und II befindlichen 1 14 Fälle
einer chronischen Polyarthritis eine befriedigende Verbesserung festgestellt. Die Mehrzahl ihrer Fälle hielten sie zur Behandlung mit Steroidhormonen für nicht geeignet. Doch darf
man nicht vergessen, daß auch die Fälle (wozu auch die Stadien III noch gehören), welche nur eine zeitlich begrenzte Freiheit von Beschwerden erzielen lassen, die Anwendung der Cor-
tisonbehandlung lohnen, wenn andere Mittel nicht zu einem
erträglichen Zustand verhelfen können.
Ein anderer Weg der medikamentösen Therapie der chronischen Polyarthritis muß hier erwähnt werden:
Die unspezifische Reizbehandlung
Sie umfaßt unzählige Mittel, die sich aber nicht generell bewährt haben. Das Ziel ist, eine Umstimmung vorzuiiehmen und
Dtsch. med. Wsdir., 81. Jg.
Schlußbemerkungen
Uberblickt man nochmals die derzeitigen therapeutischen
Möglichkeiten bei der chronischen Polyarthritis, so bleibt sie
noch immer eine schwer anzugehende, zur Progression neigende,
unheimliche Krankheit, von deren zuverlässiger Beherrschung
wir noch weit entfernt sind. Immerhin sind aber in den letzten
Jahren die Chancen wesentlich besser geworden, die Krankheit
in Schranken zu halten, die bedauernswerten Stadien der Hilflosigkeit und des Marasmus zu vermeiden und die Leiden erträglich zu gestalten. Je frühere Stadien zur Behandlung kommen, um so mehr sind echte therapeutische Erfolge bei konsequenter Dauerbehandlung und Anwendung des rechten Mittels
zur rechten Zeit mit systematischem Aufbau zu erwarten.
Die Forderung an den Arzt lautet deshalb: Frühdiagnose und
Sorge für sofortige Einleitung einer sachverständigen Behandlung,
an die Versicherungsträger: Gewährung ausreichender Mittel,
dadurch die Reaktionsweise des Organismus geenüber der speziell für die Behandlung der frühen und mittleren Stadien der
rheumatischen Entzündung zu beeinflussen. Ob der Ablauf der
chronischen Polyarthritis durch eine solche Reizbehandlung
günstig oder ungünstig beeinflußt wird, was beides möglich ist,
hängt von verschiedenen Faktoren ab: die Aktivität der chronischen Polyarthritis, die Dosierung des Mittels, der Abstand
der Injektionen desselben sind die am ehesten abschätzbaren
Einflüsse. Die Wirkung ist zum Teil eine unmittelbare, zum Teil
wohl auch eine Stresswirkun.g durch Aktivierung des Hypophysen-Nebennierensystems.
Die medikamentöse Reiztherapie konzentriert sich überwiegend auf Gold-Präparate, z. B. Solganal-B, Aurodetoxin, colloidales Gold u. a. Doch gehört auch die balneologische Behandlung in den Rahmen der Reiztherapie, wobei dem Schwefel eine
besondere Bedeutung zukommt. Auf Einzelheiten dieser bekannten Verfahren braucht hier nicht eingegangen zu werden.
Mit der nötigen Vorsicht in langsam steigender Dosierung und
unter Berücksichtigung der Reäktion des Organismus durchgeführt, hat sich die Goldbehandlung einen festen Platz bei der
chronischen Polyarthritis erworben, besonders in den Stadien
geringerer Aktivität außerhalb frischer Schübe. Cortison hat
dem Gold keinen Abbruch getan. Viele Kliniker setzen die
Goldtherapie zeitlich vor die Steroidbçhandlung.
Die Wirkungsweise des Goldes Ist noch nicht genügend klar-
gestellt. Es besteht wohl eine Affinität zu den rheumatischen
Gewebsschäden. Gold ist ein differentes Mittel und muß sehr
vorsichtig gehandhabt werden. Eine zu große Dosis zur unrechten Zeit kann eine schädliche Reaktion hervorrufen. Man fängt
deshalb mit einer geringen Dosis von 0,01 g Solganal-B an und
steigert die Menge bei 4-5tägigem Intervall der Injektionen
nur, sofern die vorhergehende Gabe reaktionslos (Lokal- und
Allgemeinreaktion) vertragen wurde. So tastet man sich zur
Höchstdosis von 0,1-0,2 g heran und beendet dann die Kur.
Diese sollte in allen Fällen einer chronischen Polyarthritis versucht werden, sofern keine frischen Schübe mit rascher Progredienz oder desolate Endzustände vorliegen. Die Goldbehandlung kann in frischen Fällen hoher Aktivität auch zwischen die
Steroidtherapie eingeschaltet oder unter deren Schutz eingeleitet werden.
Krankheit, um die Aufwendungen für jahrzehntelange Invalidi-
tät und Pflegebedürftigkeit zu ersparen. An die Geduld und
Energie des Kranken stellt die Behandlung große Anforderungen, dafür kann ihm in den meisten Fällen die quälende Furcht
vor dem Rollstuhl genommen werden.
Schrifttum
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(Ansthr.: Prof. Dr. R. S c h o e n, Mediz. Univ.-Klinik, Göttingen)
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1984
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