LEITUNG: MICHI GAIGG LINZ • AUSTRIA www.lorfeo.com • [email protected] Im italienischen Stile Franz Schubert (1797-1828) Ouvertüre D-Dur „im italienischen Stile“ D 590 (1817)* Ludwig van Beethoven (1770-1827) “Erste Liebe, Himmelslust / Primo amore” WoO 92 Szene für Sopran und Orchester (1791-92) Franz Schubert Ouvertüre C-Dur „im italienischen Stile“ D 591 (1817)* *** Franz Schubert aus: Claudine von Villa Bella D 239 (1815) Singspiel in 3 Akten, Text von Johann Wolfgang von Goethe Ouvertüre E-Dur Ariette der Lucinde „Hin und wieder fliegen die Pfeile“ Arie der Claudine „Alle Freuden, alle Gaben“ Ariette der Claudine „Liebe schwärmt auf allen Wegen“ Sinfonie Nr. 3 D-Dur D 200 (1815) „Italienische“ Adagio maestoso – Allegro con brio Allegretto Menuetto. Vivace Presto vivace (Tarantella) Christine Schäfer oder Chen Reiss, Sopran L’Orfeo Barockorchester Dirigentin: Michi Gaigg Besetzung: Fl., 2 Ob., 2 Klar., 2 Hr., 2 Fg., 2 Trp., Pk., Str. 55322, Hammerflügel (= 32 Mitwirkende) *Originalfassung, nach dem Autograph musiziert Wie sehr ändern sich die Zeiten! Bereits zu Lebzeiten war Franz Peter Schubert ein berühmter Interpret und Tonsetzter, wenngleich ihm die musikalische Öffentlichkeit seiner Tage allenfalls die Bedeutung seines Liedschaffens in annährend gebührender Weise zollte. Der Sinfoniker Schubert blieb weit über seinen Tod hinaus unentdeckt, der Opernkomponist gar bis in die Jetztzeit. Auch Schuberts Konzertouvertüren fristen bis heute größtenteils ein Schattendasein. Allenfalls die sogenannte Rosamunde-Ouvertüre haben die Programmgestalter fest in ihr Herz geschlossen. Einen gewissen Bekanntheitsgrad, wenngleich nicht in ihrer Originalgestalt, sondern in dem von Johannes Brahms tatkräftig mitgewebten Stoff der Alten Schubert Gesamtausgabe (1884-1897), erlangten zumindest die beiden sog. „Ouvertüren im italienischen Stile“, um deren Entstehung sich folgende, schwerlich anzuzweifelnde Geschichte rankt: „Schubert besuchte öfters das Theater, und es darf nicht Wunder nehmen, daß der liederreiche Tondichter sich von dem Melodienstrom Rossinischer Musik angeregt fühlte, wobei freilich Niemand weniger als er die schwachen Seiten des genialen Maestro übersehen konnte. Als er nun eines Abends mit mehreren Bekannten (darunter auch Herr [Josef] Doppler, der Gewährsmann dieses Geschichtchens) aus der Oper Tancredi nach Hause wanderte, ergingen sich diese derart in Lobeserhebungen über Rossinis Musik und insbesondere über seine Opernouvertüren, daß Schubert, dem des Lobes zu viel sein mochte, zum Widerspruch gereizt, erklärte, es würde ihm ein Leichtes sein, derlei Ouvertüren, in ähnlichem Styl gehalten, binnen kürzester Zeit niederzuschreiben. Seine Begleiter nahmen ihn beim Wort, und versprachen ihrerseits die Tat durch ein Glas guten Weins zu belohnen. Schubert machte sich sogleich an die Arbeit und componirte eine Ouvertüre für Orchester, welcher später noch eine zweite folgte, und die unter dem Namen: „Ouvertüren im italienischen Styl, bekannt, bei seinen Lebzeiten in Concerten mit Beifall aufgeführt wurden.“ Eine der beiden besagten Ouvertüren, die Überlieferung verrät uns nicht welche, erlebte am 7. März 1818 in Wien im Saale des Hotels „Zum römischen Kaiser" (heute Renngasse 1) die erste öffentliche Aufführung eines weltlichen Werkes von Franz Schubert überhaupt. Auf ein solches Glück können die Werke des zweiten Teils – zumindest was deren Wirkung in der Öffentlichkeit betrifft – nicht verweisen. Im sogenannten „Liederjahr“ 1815 entstanden, stellt Claudine von Villa Bella D 239 die insgesamt fünfte und bis dato weitaus ambitionierteste musikdramatische Tonschöpfung aus der Feder des jungen Schubert dar.Der Ehrgeiz des gerade einmal 18-jährigen Privatschülers von Hofcompositeur Antonio Salieri zeigt sich bereits in der Wahl des Textes: Es ist das einzige Bühnenwerk überhaupt, für das er ein Textbuch jenes Dichters wählte, den er zu dieser Zeit über alles verehrte – Johann Wolfgang von Goethe (dessen Dichtung 1774/75 als „Schauspiel mit Gesang“ entstanden und 1788 zu einem Singspiel umgearbeitet worden war). D 239 ist mit seinen drei Akten aber auch das umfangreichste unter Schuberts Singspielen, oder besser: das war es damals, zu seiner Zeit. Schubert hatte nämlich in den 1820er Jahren, als seine Vorstellung von der Musik fürs Theater sich grundsätzlich wandelte (weg von der zumeist leichten Kost, die in den Wiener Vorstadttheatern gepflegt wurde, hin zur heroisch-romantischen Oper), seinem Freund Josef Hüttenbrenner frühere Manuskripte überlassen, Manuskripte, die zwar seinem „moderneren“ Geschmack nicht mehr entsprachen, die er aber auch nicht einfach beiseite legen wollte – nämlich die Partituren von Des Teufels Lustschloss (nach August von Kotzebue) und eben Claudine von Villa Bella. ln den Wirren des Revolutionsjahres 1848 (Hüttenbrenner, damals Beamter des Finanzministeriums, sah sich gezwungen die Stadt Wien aus Gründen des Selbstschutzes zu verlassen) haben dann Hausgenossen das Papier zum Ofenanheizen benutzt - so sind uns u.a. die Akte 2 und 3 der Claudine verlorengegangen. Hören Sie also aus dem Fragment von Schuberts Goethe-Singspiel dessen Ouvertüre samt dreier Gesangsnummern mit ausgeprägter Ohrwurmqualität, von denen die beiden Arietten in ihrer jeweiligen Klavierfassung Einzug in das Liedrepertoire manch großer Sängerin gehalten haben. Mehr als nur eine Kompensation der verlorengegangenen Musik der Claudine stellt Schuberts „italienische“, seine (nach offizieller Zählung) dritte Sinfonie dar. Ihren Beinnamen trägt das durch und durch von musikadramatischem Geist beseelte Werk nicht zuletzt aufgrund des Schlusssatzes Presto vivace, dessen Einzigartigkeit und musikgeschichtliche Tragweite erst unlängst erkannt wurde: Die durch den Tanzrhythmus der Tarantella erzielte Italianità greift nicht nur der Uraufführung des Barbiere di Sivigla, sondern auch dem Rossini-Taumel, in den Wien (gleichfalls 1816) durch das Gastspiel einer italienischen Operntruppe geraten sollte, um ein ganzes Jahr voraus.