Interkulturelle Musikwerkstatt 03.-04.12.2007 'Was hörst Du?' Forum Jugend und Politik Bepackt mit E-Gitarren, Verstärkern, Congas, einem Keyboard und einer Trompete kamen am 03.und 04.12.2007 19 Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrern aus Wesseling (Albert-Einstein-Realschule), Bonn (Friedrich-Ebert-Gymnasium) und BergischGladbach (Nicolaus-Cusanus-Gymnasium) in die Friedrich-Ebert-Stiftung nach Bonn. Beim Aufbau der Instrumente war das Eis schnell gebrochen. Der kulturelle Hintergrund der Schülerinnen und Schüler war kunterbunt und international. Zwar sind fast alle in Deutschland geboren und aufgewachsen, aber bei den wenigsten sind beide Eltern Deutsche. Der kulturelle Hintergrund der Anwesenden reichte von Albanien über Tunesien bis hin zu Kamerun, der Türkei, Frankreich, Bangladesch, England, Russland und Griechenland. „Was hörst Du?“ begann mit der Vorstellung der Lieblingssongs der Schülerinnen und Schüler. Zu ihren Favoriten zählte u.a. der Deutschrapper Bass Sultan Hengzt mit seinem Song ‚Morgen wird ein besserer Tag’ aus seiner CD ‚Der Schmetterlingseffekt’. „Ist man selber schlecht drauf, baut einen der Song wieder auf und stimmt positiv“, so die Begründung der Auswahl dieses Liedes. Dies galt auch für ‚My Immortal’ von Evanescence, eine Ballade im Genre Rock/Pop, auch wenn es hier um das unwiderrufliche Ende der Beziehung ging. Liebe und Beziehung war ein wiederkehrendes Thema bei vielen vorgestellten Songs, so auch bei ‚Wonderwall’, ein großer Hit der Englischen Rockgruppe Oasis. Überrascht waren zumindest die Dozenten Nadia Fischer (im Iran aufgewachsene Sängerin), Jarry Singla (deutsch-indischerJazzpianist und ehemaliger Stipendiat der FES) und Christian Thomé (Schlagzeuger und Aufnahmespezialist), dass der martialische Gesang der Böhsen Onkelz nach Ansicht einiger Schülerinnen und Schüler für gute Partystimmung sorgt. Für die Jugendlichen, die einen Song dieser Band ausgewählt hatten, war die mittlerweile erfolgte Distanzierung der Gruppe vom Rechtsrock und der rechtsradikalen Szene glaubhaft und überzeugend. Eindeutig gesellschaftspolitisch und mit Botschaften besetzt sind die Songtexte der ‚Ärzte’. Ihr Lied ‚Schrei nach Liebe’ gibt einem jugendlichen Neonazi die Chance, mit seinen wahren Gefühlen wieder in die Gesellschaft aufgenommen und integriert zu werden. Als weitere Songs wurden vorgestellt • ‚Aerodynamic’ von ‚Daft Punk’: powervolle, elektronische Musik, • ‚Breaking The Habit’ von Linkin Park: Nu Metal sowie • “Baby Don’t Go” von Fabolous: HipHop. 2 Die Schülerinnen und Schüler hören nicht nur Musik, viele von ihnen engagieren sich auch musikalisch, z.B. in der Schule in einer Musical AG oder in der Freizeit in einer Band. Gute Voraussetzungen also um es zu wagen, in zwei Tagen einen eigenen Song zu texten, zu komponieren, aufzunehmen und schließlich live aufzuführen. Eine gewisse Skepsis war dennoch spürbar, denn zunächst galt es, sich über Text und Musikgenre einig zu werden. Die Frage nach dem musikalischen Stil klärte sich bei der Präsentation eigener Ideen schnell, während das Texten intensive Diskussionen über die Ausgestaltung der Geschichte auslöste. Einigkeit bestand darin, dass der Text auf alle Fälle zwischenmenschliche Beziehungen und Konflikte thematisieren sollte. Das Ergebnis war die Geschichte über einen unausgesprochenen Konflikt zwischen zwei Menschen, die sich nach Jahren zufällig wiedertreffen und erzwungenermaßen näher kennenlernen, was in einer ‚Versöhnung’ und gegenseitigen Wertschätzung endet. Nach dem Abschluss der Textarbeit stand der Abstimmungsprozess zwischen den Sängern/Textern und den Instrumentalisten im Mittelpunkt. Grooves und einzelne Stimmen wurden eingespielt, miteinander ausprobiert und zu einer Komposition zusammengefügt. Die ursprüngliche Idee, vier Strophen zu Texten, wurde kurzfristig verworfen. Stattdessen trug ein sehr talentierter Schüler der Albert-Einstein-Realschule die fehlenden Inhalte der letzten beiden Strophen in einem Rap vor. Am zweiten Nachmittag war die Musik dann aufgenommen und alle konnten den neuen Song nun live aufführen (siehe Film und Studioaufnahme in beiliegender CD). Es blieb keine Zeit, einen Songtitel zu finden, aber folgender Titel wäre bestimmt konsensfähig gewesen. ‚Sieh doch genauer hin’ Intro „Space“ E-Pedal Strophe 1 Em G D Am instrumental Steh an der Bar trau meinen Augen nicht. Sehe Dich - wie du da tanzt im Rampenlicht mit all diesen Typen viel zu dicht! Was starrst du mich so an? Hast du irgendein Problem? Komm doch mal rüber Mann, statt nur rum zu stehn, ist doch ’ne Kleinigkeit mal aus sich raus zu gehn! Interlude Bb C Dmi u-a-Chor 3 Strophe 2 Em G D Am Beginn der Studienzeit wieder mal wars so weit. Auf einmal bekam ich n’ Schock, ich sah Dich wieder, sah Dein Gesicht. Jedoch diesmal in ’nem anderen Licht. Sitz’ in der Bibliothek les’ was in den Büchern steht da kreuzt du meinen Weg und fragst nett wie’s mir geht Ich versteh’ die Welt nicht mehr Du gefällst mir plötzlich sehr Interlude Em G D Am so-sehr-Chor Rap Fm Ab G C Die Moral der Geschichte, dass der erste Eindruck trügen kann, dass das Auge dich hintergehen und betrügen kann. Glaub nicht was du als erstes siehst oder von ’nem unbekannten Gesicht abliest Sonst wird es mies und der Konflikt ist da Nur wegen einem Irrtum ein Konflikt geschah Mach nicht den selben Fehler wie die beiden Rede mit deinem gegenüber Danach kannst du ihn besser leiden Anstatt laut zu streiten wegen ’nem Missverständnis Weil so was fast jedes Mal in Streit endet Nimm deine Mitmenschen wahr, so wie sie sind Lern ihn kennen und benimm dich nicht wie ein Kind Respektiere jede Kultur auch wenn es nervig ist Du wirst oft getäuscht von dem ersten Blick Man muss nicht nur an das Schlechte denken Sieh genauer hin sieh auch das Gute im Menschen! Outro Fm Ab G C u-a-Chor 4 Am liebsten hätten alle noch eine Weile zusammen musiziert, die Zeit war jedoch zu schnell vorbeigegangen und die letzte halbe Stunde sollte nun der Auswertung und Bilanzierung dienen. Alle waren überrascht, dass es trotz unterschiedlicher Charaktere und Geschmäcker (sind diese nicht interkulturell geprägt?) möglich war, gemeinsam ein großartiges Ergebnis zu erzielen. Das gegenseitige Verständnis war gewachsen, was sich beispielsweise daran ablesen lies, dass auch die Liebhaber anderer Musikgenres dem Rapgesang nun viel mehr abgewinnen konnten. Die Aufnahme des Songs unter den Bedingungen eines quasi professionellen Tonstudios war für viele Schülerinnen und Schüler eine neue Erfahrung und gewährte ihnen Einblicke wie Musik produziert wird. Gleichzeitig wurde das Workshopergebnis dokumentiert und kann wieder in Erinnerung gerufen werden. Die Musiker Ayissi, Sophia Becker, Emily Blaas, Arno Bolz, Nabila Dimitriou, Dimitrios Dridi, Aimen Ehret, Elisa Frank, Manuel Gaede, Milena Gerards, Benedikt Gibson, Nina Güler, Meryem Koch, Cédric Kryeziu, Laura März, Emma Malik, Nathalie Scheutwinkel, Martin Wahl, Leonie Yildiz, Desireé Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang Gesang/ Rap Gesang E-Gitarre Keyboard Schlagzeug E-Gitarre Gesang Schlagzeug Gesang Keyboard Gesang E-Gitarre E-Bass Gesang 5 Die Dozenten Jarry Singla studierte Jazzklavier an der Hochschule für Musik Köln bei John Taylor. In den vergangenen zehn Jahren lebte und arbeitete er u.a. in New York und Mexico City. Sein Ensemble „blumenbein“ mit dem britischen Saxofonisten Julian Argüelles veröffentlichte bislang zwei CDs mit Eigenkompositionen : "blumenbein" (JazzHausMusik) und "Planetarium" (Shaamusic). Die Gruppe gastierte u.a. beim Jazzfestival der Europäischen Union in Mexiko City, es erfolgten Radio- und Fernsehpräsentationen. Neben „blumenbein“ arbeitet Jarry in den Grenzbereichen Musik/Theater sowie Jazz/Weltmusik. In seinem aktuellen Projekt „Borderland“ mit der ukrainischen Sängerin Mariana Sadovska entsteht aus ukrainischen Traditionen, europäischem Musikfundament und Jazzeinflüssen eine neue, eigene Form von "Weltmusik". „Borderland“ wurde im September 2006 mit dem „Creole Preis für Weltmusik aus NRW“ ausgezeichnet. Sein Soloprogramm für (präpariertes) Klavier führte Jarry erstmalig im Rahmen eines Doppelkonzertes mit dem New Yorker Pianisten Marc Copland auf. Jarry´s Komposition "Fitozou" für Jazzklaviertrio und Sinfonieorchester wurde bei ihrer Uraufführung in der Hochschule für Musik Köln von Publikum und Presse begeistert aufgenommen. www.blumenbein.de www.borderlandmusic.de Nadia Maria Fischer, Studium der Jazz und Popularmusik an der Musikhochschule Köln (1987-1993) u.a: freiberuflich tätig als Sängerin, Arrangeurin und Komponistin. Seit 1989 Konzerte, Tourneen, Festivals, Bands und Projekte, seit 1991 diverse CD Veröffentlichungen. 2004 Solodebut, CD Veröffentlichung Talk im September 2005, bei Double Moon Records in der Reihe Jazz Thing Next Generation. Zusammenarbeit u.a. mit Johnny Clegg and Savouka, Simon Phillips, Jack Bruce, Ziggy Marley, Jerry van Reuen und der WDR Bigband, Celine Rudolph, Francesca Simone, Walter Dahn, Werner Neumann, Claus Fischer, Thomas Heberer, Axel Heilhecker, Frank Köllges, Dal Martino, Dietmar Fuhr. Lehrtätigkeit seit 1992, Arbeit mit Chören, Sängern, Schauspielern, Kindern. Zurzeit Lehrauftrag für Jazz und Populargesang, Satzgesang und Performance an der Musikhochschule Carl Maria von Weber in Dresden. www.nadiamariafischer.de 6 Christian Thomé erlernte neben dem Schlagzeugauch das Klarinetten-, Klavier- und Saxophonspiel. Von 1991 bis 1997 besuchte er die Hogeschool voor de kunsten Arnhem, wo er Schüler von Joop van Erven und René Creemers war. Er schloss das Studium mit der höchsten Bewertung ab, die in der Geschichte der Hochschule vergeben wurde. Er arbeitete in interdisziplinären Projekten, wie am European Dance Development Center mit der Tänzerin Paola Bartoletti oder für den WDR zusammen mit dem Auryn Streichquartett. Thomé lebt und arbeitet in Köln. Zu seinen Projekten gehört das Septett tomatic 7, die Band Lühning sowie das Projekt Radio Köber, das 2004 Preisträger des Jazzart-Festivals war. Zudem beschäftigt er sich mit elektronischer Musik. Thomé spielte mit Lee Konitz, Peter Kowald, Michael Moore, Reiner Winterschladen, Markus Stockhausen, Claudio Puntin, Till Brönner, Dieter Manderscheid, Moritz Eggert, Underkarl und Nils Wogram. Thomé ist einer der sensibelsten und zugleich ausdruckstärksten Schlagzeuger in der Region. www.thomat.de Verantwortlich für die Musikwerkstatt ‚Was hörst Du?’ Adalbert Schlag , Friedrich-Ebert-Stiftung, Politische Akademie, Forum Jugend und Politik, Soziologe und ehemaliger Stipendiat der FES. Tel. 0228/883 283, E-Mail: [email protected] In der Freizeit Hobbysaxophonist www.sax5connection.de und www.brassrock.com Das Forum Jugend und Politik (JuP) ist eine Arbeitslinie der Politischen Akademie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die Angebote zur Jugendpolitik macht. Damit richtet sich das Forum Jugend und Politik mit ihrem Angebot direkt oder über Multiplikatoren an Jugendliche oder macht Veranstaltungen zu jugendpolitischen Themen. www.fes.de/forumjugend Text: Adalbert Schlag Fotos: Eric Lichtenscheidt und Adalbert Schlag