Themen der Wissenschaft Das Standardmodell der Kosmologie Teil 2: Der kosmische Mikrowellenhintergrund – Supernovae vom Typ Ia – Strukturen im Universum – Konsistenz in der Kosmologie – Inflation und Dunkle Energie von Matthias bartelmann In diesem zweiteiligen Artikel wird unser aktuelles Verständnis der Welt als Ganzes vorgestellt: Heute ist die Kosmologie ein hochaktuelles Forschungsgebiet, in dem sich Astrophysik und Teilchenphysik, Theorie, Beobachtung und Experiment aufs Engste berühren. B ereits im ersten Teil dieses Beitrags wurde besprochen, wie George Gamow auf beeindruckende Weise von der Häufigkeit leichter Elemente, insbesondere des Heliums, auf die Existenz eines Strahlungshintergrunds im Mikrowellenbereich schloss. Die bemerkenswerte Tatsache, dass es im Universum eine bestimmte Menge Helium-4 gibt, und nicht entweder gar keines oder nur Helium-4, erforderte genau die richtige Menge Deuterium als Vorstu- fe, und damit genau das richtige Verhältnis zwischen den Anzahldichten von Baryonen und Photonen. Wenn im frühen Universum thermisches Gleichgewicht zwischen seinen verschiedenen Komponenten herrschte, musste dabei auch thermische Strahlung entstanden sein. Thermische Hintergrundstrahlung Die Entdeckung dieses Kosmischen Mikrowellenhintergrunds (Cosmic Microwave Background, CMB) ist die interessante Ge- Rückblick auf Teil 1 m Teil 1 dieses Artikels (SuW 8/ 2007,S. 38) beschrieb, wie einfache kosmologische Modelle aus der Allgemeinen Relativitätstheorie konstruiert werden können und welche überwältigende Bestätigung sie durch zahlreiche Beobachtungen finden. Bereits diskutiert wurden die Ausdehnung und das Alter des 36 Sterne und Weltraum September 2007 Universums, die Entstehung der leichten Elemente gleich nach dem Urknall und die Hinweise auf Dunkle Materie aus der Bewegung von Sternen und Galaxien und aus dem Gravitationslinseneffekt. Hier wird die Geschichte fortgesetzt und mit einem Ausblick auf Inflation und Dunkle Energie abgeschlossen. schichte zweier Forschergruppen, von denen die eine beim Ausmessen einer Telefonantenne zufällig fand, was die andere aufgrund guter theoretischer Argumente zu finden hoffte. Jedenfalls erschienen im Mai 1965 zwei Arbeiten im Astrophysical Journal: Eine von Arno Penzias und Robert Wilson, in der die Entdeckung eines offenbar vollkommen richtungsunabhängigen Strahlungshintergrunds bei einer Wellenlänge von 74 Millimetern beschrieben wurde, und eine von Robert Dicke, Jim Peebles, Peter G. Roll und David T. Wilkinson, die den kosmischen Ursprung dieser Strahlung als eine Möglichkeit beschrieb. Damit drängten sich zwei Fragen in den Vordergrund. Zum einen: Ist die entdeckte Strahlung wirklich thermische Strahlung? Und zum anderen: Da unser Universum offenbar nur eine Näherung des Idealfalls eines homogenen und isotropen Friedmann-Kosmos ist, weil es durchaus nicht homogen, sondern strukturiert ist, sollte auch der CMB nur näherungsweise isotrop sein und bei genauerer Beobachtung ebenfalls Strukturen zeigen. Entsprechend war die zweite Frage: Weist der CMB Abweichungen von der idealen Isotropie auf, die mit den heutigen kosmischen Strukturen in Einklang zu bringen sind? Beide Fragen erwiesen sich als außerordentlich fruchtbar, ließen Princeton University Abb. 1: Das Hubble Ultra Deep Field ist die tiefste jemals gewon- nene Aufnahme (Belichtungszeit insgesamt: eine Million Sekunden oder knapp zwölf volle Tage). Sie reicht bis zum Rand der Welt, wo die ersten Sterne und Galaxien aufleuchteten. Cobe / Nasa Nasa/Esa/STScI ge Kelvin betragen sollte. Da die Strahlungstemperatur im Universum im gleichen Maß abnimmt wie das Universum sich ausdehnt, musste ein beliebiger Ausschnitt des Universums um etwa das Tausendfache kleiner als heute gewesen sein, als der CMB freigesetzt wurde. Nun wachsen auch Strukturen im Universum in etwa demselben Maß an, wie es sich ausdehnt. Das bedeutet, dass die kosmischen Strukturen, deren Amplitude wir heute messen können, etwa ein Tausends- aber bis zum Jahr 1992 auf ihre Beantwortung warten. Wie die erste Frage zu überprüfen sei, war klar. Man würde ein Spektrum des CMB aufnehmen und feststellen müssen, ob es die wohlbekannte Form des Spektrums eines thermischen Strahlers aufweist, ein so genanntes Planck-Spektrum. Zur zweiten Frage musste erst geklärt werden, welche Strukturen man im CMB aufgrund der heutigen Strukturen im Universum zu finden erwartete. Klar war jedenfalls, dass die Vorläufer der heutigen Strukturen auch Spuren in der Temperatur des CMB hinterlassen haben mussten. Davon wird später noch die Rede sein. Es ist nicht schwierig zu berechnen, dass der CMB freigesetzt worden sein musste, als das Universum auf etwa 3000 Kelvin abgekühlt war, und dass das Universum hierfür etwa 400 000 Jahre gebraucht haben musste. Damals wurde es kühl genug, dass sich Atome aus dem vorherigen Plasma bilden konnten. Damit verschwanden die freien elektrischen Ladungen der Elektronen und der Atomkerne, die vorher eine freie Ausbreitung des CMB verhindert hatten, und die Photonen bekamen freie Bahn. Dieser Übergang vom ionisierten zum neutralen Zustand dauerte etwa 40 000 Jahre. Schon Gamow hatte abgeschätzt, dass die heutige Temperatur des CMB eini- Abb. 2: P. James E. (Jim) Peebles forscht und lehrt heute an der Universität Princeton. Ihm verdanken wir ganz wesentliche Ideen, auf denen das kosmologische Standardmodell aufbaut. Zu seinen großen Leistungen gehören – neben vielen anderen – die Vorhersage der Strukturen im kosmischen Mikrowellenhintergrund und das Modell der kalten Dunklen Materie. Abb. 3: Mit dem Satelliten Cobe wurden Temperaturschwankungen im Bereich von einigen zehn Mikrokelvin am Mikrowellenhimmel gefunden. Diese geringe Schwankungsamplitude weist darauf hin, dass der größte Teil der Materie im Universum gar nicht mit Licht in Wechselwirkung treten kann. tel dieser Amplitude gehabt haben sollten, als der CMB entstand. Daraus kann man schließen, dass der CMB bei seiner mittleren Temperatur von einigen Kelvin Temperaturschwankungen von einigen Tausendstel Kelvin zeigen sollte, also im Millikelvin-Bereich. Durch zunehmend genaue Messungen stellte sich im Lauf von Jahren heraus, dass es Temperaturschwankungen dieser Größenordnung im CMB nicht gab. Die Kosmologie geriet in eine Krise. In Kürze m Die kosmische Hintergrundstrahlung im Mikrowellenbereich (CMB) erreicht uns aus allen Himmelsrichtungen, sie bezeugt den heißen Anfang der Welt. Ihre kürzlich gelungene, präzise Vermessung führt zur genauen Festlegung vieler Parameter des kosmologischen Standardmodells. m Eine Supernova vom Typ Ia leuchtet dann auf, wenn ein Weißer Zwerg in einem Doppelsternsystem von seinem Begleiter so viel Material aufsammelt, dass er explodiert. Das geschieht stets unter gleichen Bedingungen. Deshalb sind diese Supernovae stets gleich hell und eignen sich bestens als Standardkerzen zur Vermessung des Weltalls. m Die Strukturen im Universum sind im Keim bereits im CMB angelegt. Heute glauben wir zu verstehen, wie die anfänglichen minimalen Temperatur- und Dichteschwankungen im Quantenbereich zur Entstehung der Galaxien und zu deren großräumiger Verteilung geführt haben. m Inflation und Dunkle Energie sind zwei Zutaten des Standardmodells, die wir noch nicht wirklich verstehen. Inflation erklärt die Flachheit des Raums, Dunk­le Energie erklärt dessen beschleunigte Expansion. Die Lösung dieser Rätsel wird uns vermutlich in eine neue Physik führen. Sterne und Weltraum September 2007 37 Einen eleganten Ausweg schlug Jim Peebles (Abb. 2) vor. Er argumentierte, dass die Schwankungen im MillikelvinBereich nur dann zu erwarten wären, wenn alle Materie im Universum elektromagnetisch wechselwirken könnte. Sollte die Dunkle Materie, aus der die kosmischen Strukturen überwiegend bestehen, aber gar nicht mit Licht in Wechselwirkung treten können, so würden die Temperaturschwankungen im CMB etwa um das Hundertfache geringer ausfallen und im Bereich von einigen zehn Mikrokelvin liegen. Es war ein Triumph dieser Überlegung, als schließlich der Satellit Cobe genau solche Schwankungen im CMB fand (Abb. 3). Damit wurde die Tatsache, dass Temperaturschwankungen im CMB nicht im Bereich von Millikelvin, sondern im Bereich von etwa zehn Mikrokelvin liegen, zum kräftigsten Argument für die Annahme, dass die Dunkle Materie aus Elementarteilchen bestehe, die nicht elektromagnetisch wechselwirken können. Die Bestätigung der Temperaturschwankungen im CMB war eine von zwei bahnbrechenden Leistungen, die mit dem Cobe-Satelliten gelangen und die mit dem Nobelpreis für das Jahr 2006 ausgezeichnet wurden. Die andere war die genaue Vermessung des Spektrums des CMB und die Bestätigung, dass es sich in der Tat um das erwartete PlanckSpektrum handelt (Abb. 4). Tatsächlich ist das Spektrum, das der Cobe-Satellit vom CMB aufnahm, das bisher genaueste experimentell bestätigte Planck-Spektrum, einschließlich aller Labormessungen. Die daraus abgeleitete Temperatur von 2.728 Kelvin bestätigte Gamows Ab- Wellenlänge [mm] 1 0.67 Strukturen im CMB Für die Strukturen im CMB (Abb. 5) sind drei physikalische Effekte verantwortlich. Zu den bereits angelegten Dichteschwankungen gehören Schwankungen des Gravitationspoten­tials. Wo die Dichte etwas erhöht war, war das Potential geringer, und umgekehrt. Photonen, die aus Potentialsenken herauslaufen mussten, als der CMB freigesetzt wurde, verloren einen kleinen Teil ihrer Energie, und ebenso gewannen solche Photonen Energie, die von Potentialhügeln loslaufen konnten. Dieser Effekt, der allein dadurch bedingt ist, dass die CMB-Photonen in einer leicht hügeligen Potentiallandschaft freigesetzt wurden, heißt Sachs-Wolfe-Effekt und spielt auf den größten Skalen die wesentliche Rolle. Auf kleineren Skalen setzen Schwingungen ein. Sie werden dadurch verursacht, dass Überdichten aus Dunkler Materie aufgrund ihrer Schwerkraft das Gemisch aus Photonen und Gas zu komprimieren beginnen, sodass dessen Druck steigt und der Kompression entgegen wirkt. Das ist derselbe Mechanismus, der es Schallwellen ermöglicht, sich durch die Luft auszubreiten, weshalb man von akustischen Schwingungen spricht. Sie breiten sich mit einer Schallgeschwindigkeit aus, die knapp sechzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit beträgt und kamen daher in den etwa 400 000 Jahren zwischen dem Urknall und der Freisetzung des CMB höchstens etwa 230 000 Lichtjahre weit. Strukturen, die größer als die- 0.5 400 Intensität [MJy/steradian] Lauf der Entwicklung des Universums gerade in der Weise abgefallen ist, wie ein Friedmann-Modell es erwarten lässt. Nasa/Cobe 2 schätzung aus den 1940er Jahren auf eindrucksvolle Weise. Eine interessante Frage schließt sich hier unmittelbar an. Vorhin wurde erwähnt, dass der CMB nicht instantan freigesetzt wurde, sondern im Verlauf von etwa 40 000 Jahren. Währenddessen fiel die Temperatur um etwa 200 Kelvin ab. Manche der CMB-Photonen, die wir heute beobachten, sollten also etwas früher ein etwas heißeres, manche etwas verspätet ein etwas kühleres Plasma verlassen haben. Wir sollten also gerade nicht ein Planck-Spektrum zu einer einzigen, scharf definierten Temperatur sehen, sondern eine Mischung von Planck-Spektren aus einem Temperaturbereich von etwa 200 Kelvin. Wie kann es sein, dass wir trotzdem ein Planck-Spektrum zu einer Temperatur beobachten? Die Antwort liefert einen weiteren indirekten Hinweis auf die Gültigkeit der Friedmann-Kosmologie. Ein verfrühtes CMB-Photon hatte eine etwas längere Reise vor sich als ein verspätetes. Zwischen der Aussendung des verfrühten Photons und heute dehnte sich das Universum daher etwas mehr aus und kühlte damit das verfrühte Photon etwas stärker ab. Im Rahmen der Friedmann-Kosmologie ist diese etwas stärkere Abkühlung gerade so groß, dass sie die etwas höhere Anfangstemperatur des Photons exakt ausgleicht. Erst diese nachträgliche, leicht unterschiedliche Abkühlung reduziert die eigentlich erwartete Mischung aus PlanckSpektren zurück auf ein einziges. Die Tatsache, dass Cobe mit höchster Genauigkeit ein Planck-Spektrum fand, beweist also neben dem thermischen Ursprung des CMB auch, dass die Temperatur im 300 Abb. 4: Das vom Firas-Instrument an Bord des Cobe-Satelliten auf- genommene Spektrum des kosmischen Mikrowellenhintergrunds ist das beste jemals gemessene Planck-Spektrum. Die Fehlerbalken der einzelnen Messpunkte entsprechen 400 Standardabweichungen! 200 100 0 0 150 38 Sterne und Weltraum September 2007 300 Frequenz [GHz] 450 600 Abb. 5: Der Wmap-Satellit hat inzwischen eine sehr viel detailliertere Karte der Temperaturschwankungen im CMB aufgenommen. Anhand der charakteristischen Skalen der sichtbaren Strukturen können viele kosmologische Parameter genau bestimmt werden. H H H negativ gekrümmt flach positiv gekrümmt sacht die Expansion. Die Ausprägung dieser Schwingungen, insbesondere deren Amplitude, ist durch das Verhältnis der Dichten der baryonischen zur Dunklen Materie gegeben. Besonders eindrücklich ist das folgende zweite Beispiel. Oben wurde schon erwähnt, dass akustische Schwingungen nur auf solchen Skalen auftreten können, die kleiner als der Schallhorizont sind. Die­ se physikalische Länge kennen wir aus der Theorie. Am Himmel können wir feststellen, wie groß die dazugehörige Winkelgröße ist. Unter welchem Winkel eine bestimmte physikalische Länge erscheint, ist eine Frage der Raumgeometrie beziehungsweise der Raumkrümmung: Während sich in dem uns vertrauten euklidischen Raum zwei Lichtstrahlen aus einer Quelle geradlinig ausbreiten und dabei ihren Abstand zueinander linear vergrößern, werden sie in einem positiv gekrümmten Raum aufeinander zu, in Abb. 6: Der Winkel, unter dem uns eine gegebene Länge in einer gegebenen Entfernung erscheint, hängt von der Art der Raumkrümmung ab. einem negativ gekrümmten Raum voneinander weg gekrümmt. Dementsprechend erscheint dieselbe physikalische Länge, zum Beispiel der Schallhorizont, in einem positiv gekrümmten Raum unter einem größeren, in einem negativ gekrümmten Raum unter einem kleineren Winkel (Abb. 6). Die Winkelgröße des Schallhorizonts kann aus den Temperaturschwankungen des CMB abgelesen werden, und seine physikalische Größe ist bekannt. Aus dem Vergleich beider folgt, dass unser Universum mit hoher Genauigkeit gerade nicht gekrümmt, sondern räumlich flach ist. Das allein ist in mindestens zweierlei Hinsicht ein bemerkenswertes Ergebnis. Zum einen ist räumliche Flachheit eine instabile Eigenschaft eines Friedmann-Modells. Nur solche Modelle, die von Anfang an räumlich flach waren, bleiben es auch. Jede anfängliche Krümmung verstärkt sich im Lauf der kosmischen EntwickNasa/Wmap SuW ser Schallhorizont waren, konnten also nicht akustisch schwingen. Auf noch kleineren Skalen setzt ein Effekt ein, der daher kommt, dass ausreichend kleine Strukturen Photonen nicht 400 000 Jahre lang einschließen können. Wenn die Strecke, die ein durchschnittliches Photon vor seiner Freisetzung zurücklegen konnte (seine mittlere freie Weglänge), größer war als die Struktur, in der es sich aufhielt, konnte es sie einfach verlassen und damit dazu beitragen, die Struktur zu verwischen. Dieser Diffusionsprozess der Photonen heißt SilkDämpfung und sorgte dafür, dass Strukturen umso stärker unterdrückt wurden, je kleiner sie waren. Entscheidend für die Kosmologie ist, dass diese drei Effekte empfindlich von den kosmologischen Parametern abhängen, insbesondere von den Dichteparametern der Dunklen und der baryo­ nischen Materie sowie der kosmischen Expansionsrate zur Zeit der Entstehung des CMB, die durch die Hubble-Konstante parametrisiert wird. Weiterhin sorgen die drei genannten Effekte für charakteristische Muster in der Intensität beziehungsweise der Temperatur des CMB und können daher durch deren statistische Analyse bestimmt werden. Ohne Details zu beschreiben, sind vielleicht zwei Beispiele hierfür nachvollziehbar. Die akustischen Schwingungen werden durch das Wechselspiel von Gravitation und Druck getrieben. Die Schwerkraft, mithin die Gesamtdichte der Dichteschwankungen, sorgt für Kontraktion, der Druck, bestimmt durch die Dichte des Gases, durch dessen Temperatur und durch die Photonendichte, verur- Sterne und Weltraum September 2007 39 lung. Also führt die räumliche Flachheit unseres Universums, die aus den Strukturen im CMB abgelesen werden kann, unweigerlich zu der Frage, wodurch das Universum anfänglich so extrem flach wurde, dass es bis heute so geblieben ist. Zum anderen erfordert räumliche Flachheit, dass die Gesamtdichte aller Materieund Energieformen im Universum gerade die kritische Dichte ergibt. Bisher ergibt unsere Bilanz aber nur etwa ein Drittel davon: Baryonen tragen vier Prozent bei, und mit Dunkler Materie kommen wir auf etwa dreißig Prozent. Offenbar fehlt uns bisher der entscheidende Anteil. Nasa/Esa Zeigt ihr Spektrum Wasserstofflinien, gehört sie zum Typ II, anderenfalls zum Typ I. Findet man keinen Wasserstoff, aber Silizium, wird sie als Typ-Ia-Supernova (SNIa) bezeichnet. Supernovae werden durch thermonukleare Explosionen ausgelöst, in denen entweder der Kern eines massereichen Sterns ausbrennt und aufgrund seiner Schwerkraft kollabiert, oder in denen ein Weißer Zwerg durch äußere Einflüsse über die Massengrenze getrieben wird, die er noch stabilisieren kann. Zu ersteren gehören die Typen Ib/c und II, letztere bilden den Typ Ia. Weiße Zwerge bestehen im Kern aus Kohlenstoff und Sauerstoff. Weitere Fu­ Supernovae vom Typ Ia sion ist nicht möglich, weil die Masse In einem Supernova-Ereignis leuchtet nicht ausreicht, um die Zentraltempe­ ein Stern in wenigen Tagen hell auf, um ratur hoch genug zu treiben. Die nukleare dann innerhalb von Monaten wieder zu Energieerzeugung erlischt, und der Stern ver­löschen. Die dabei erreichten Leucht- wird so weit komprimiert, dass das Elekkräfte sind extrem: Im Helligkeitsmaxi- tronengas in seinem Inneren entartet und mum strahlt eine Supernova etwa so viel ihn durch seinen Fermidruck stabilisiert. Licht ab wie die gesamte Galaxie, die sie Das ist bis zur Chandrasekhar-Grenze beherbergt (Abb. 7). von knapp 1.4 Sonnenmassen möglich. Kurz bevor ein Weißer Zwerg diese Grenze erreicht, wird durch die hohe Dichte Abb. 7: Supernovae, wie hier die in seinem Kern thermonukleares BrenSupernova 1994d in der Galaxie nen gezündet, das die Explosion in Gang NGC 4526, deren innerer Bereich setzt. Weiße Zwerge können auf verschiein dieser Aufnahme mit dem HST abgebildet ist, leuchten etwa so dene Weise über die Chandrasekharhell auf wie die Galaxien, in de- Masse getrieben werden. Die gängigsten Vorstellungen sind, dass entweder ein nen sie auftreten. O N 5 Bogensekunden 950 Lichtjahre 40 Sterne und Weltraum September 2007 massereicher Begleitstern Masse an den Weißen Zwerg abgibt, oder dass zwei weiße Zwerge kollidieren. Vereinfachend ausgedrückt, explodiert also bei einer Supernova vom Typ Ia immer dieselbe Menge »Sprengstoffs« (Abb. 8). Also sollten alle Supernovae dieses Typs im Wesentlichen gleich hell sein. Das ist nicht streng der Fall, aber die Abweichungen von der Standardhelligkeit lassen sich durch eine einfache Beziehung korrigieren: Hellere Supernovae vom Typ Ia dauern etwas länger, schwächere etwas weniger lang, und damit lassen sich die wahren Helligkeiten dieser Supernovae standardisieren. Aus ihrer scheinbaren Helligkeit folgt dann ihre Entfernung, und zusammen mit der Rotverschiebung ihrer Spektrallinien kann daraus das Expansionsverhalten des Universums rekonstruiert werden. Dies hat die spektakuläre Erkenntnis ermöglicht, dass die Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums seit etwa sieben Milliarden Jahren zunimmt. Eigentlich würde man das Gegenteil erwarten, denn die Schwerkraft sollte die kosmische Ausdehnung verlangsamen. Ein Friedmann-Modell kann sich nur dann beschleunigt ausdehnen, wenn nicht gewöhnliche, baryonische oder Dunkle Materie dominieren, sondern die kosmologische Konstante, die Einstein anfänglich gerade zu dem Zweck in seine Feldgleichungen eingebaut hatte, um ein statisches Universum zu ermöglichen. Wir haben bestenfalls sehr diffuse Vorstellungen davon, was die physikalische Bedeutung der kosmologischen Konstante sein könnte. Darüber wird später noch zu reden sein. Aber auch die Temperaturschwankungen im CMB hatten uns gezeigt, dass uns bisher etwa siebzig Prozent des kosmischen Materials entgangen waren. Nun zeigen die Supernovae vom Typ Ia, dass diese fehlende Substanz gerade die kosmologische Konstante sein sollte oder wenigstens etwas, was sich ähnlich wie sie verhält, indem es die Ausdehnung des Universums beschleunigt, statt sie abzubremsen. Auf diese Weise ergeben alle bisheri­ gen Bestimmungen kosmologischer Parameter ein konsistentes Bild. Wir können ein Friedmann-Modell angeben, in das so gut wie alle kosmologischen Messungen hervorragend passen. Dieses Modell, von dem wir annehmen, dass es unser Universum tatsächlich beschreibt, ist dadurch gekennzeichnet, dass es zu etwa dreißig Prozent aus Materie und etwa siebzig Prozent aus kosmologischer Konstante besteht, was immer das sein mag. Altersabschätzungen, die Entstehung der leichten Elemente, direkte und indirekte Abschätzungen der Massendichte, die Temperaturschwankungen im CMB und die anhand der Typ-Ia-Supernovae rekonstruierte kosmische Expansionsrate fügen sich in dieses Bild. Es stellt uns vor das große Rätsel, was die Dunkle Materie und die kosmologische Konstante sein könnten. Strukturen im Universum Zwei weitere kosmologische Messungen bestätigen zumindest, dass das Universum zu dreißig Prozent seiner kritischen Dichte aus Dunkler Materie besteht. Beide betreffen die großräumigen Strukturen, die das Universum durchziehen. Die Verteilung der Galaxien im Raum zeigt, dass es im Universum zusammenhängende Strukturen gibt, die Größen von etwa 100 Millionen Lichtjahren erreichen können. Große Leerräume werden von dünnen Filamenten umgeben, und wo Filamente sich schneiden, finden sich Galaxienhaufen. Die Theorie der Strukturbildung im Universum macht die be- GALILEO /6-iÀi £Î{ÓÊ ÉnÎÊ€ /6ÇÈÊvÉÈ]Î ÊÓ£ÓäÊ É£ÎÓxÊ€ /6nxÊvÉÇ ÊÓnÎÓÊ É£ÇÇäÊ€ /6£äÓ-ÊvÉn]È {ÈÇÓÊ ÉÓÓäÊ€ *É--iÀi /6Èä-ÊvÉÈ ÓÈÎ{Ê É£È{ÈÊ€ *£ä£-ÊvÉx]{ xÇÈÊ ÉÎÈäÈÊ€ *£ÓÇ-ÊvÉx]Ó £ä£ÈÇÊ ÉÈÎxxÊ€ "Õ>Ài\ >}iÀÊÓ]xÊʣΠ,>`>ÊÎÊÊ£n l./ ta br an dt e lle Hi Ihr Astrospezialist iÕÊLiÊ" Ê} ÌÀ`}iÊLÃÃÊiÕÝi n»]Ê£ä»]Ê£Ó»ÊÕ`ʣȻ /ii6Õi /6ÈäÊvÉÈ - MP A Abb. 8: Die Explosion einer Super­ nova vom Typ Ia verläuft im Detail sehr kompliziert. Erst kürzlich gelang es Wolfgang Hillebrandt und seinen Mitarbeitern am MaxPlanck-Institut für Astrophysik in Garching, die turbulente Ausbreitung der nuklearen Brennfront im Kern einer solchen Supernova realistisch zu simulieren. iÊ{{ÇÊ ÉÓÇÊ€ iÊÎÈ{Ê ÉÓÓnÊ€ iÀ}BÃiÀ\ LÃÊ} ÌÀ`}iÊiÕÝiÊ ÊiV Ì}iÜV ÌÊÕÌiÀÊ`iÊLÃÌiiëi°ÊiÃÌiÊ iV >ÃV iÊ6iÀ>ÀLiÌÕ}]Ê iÊ«ÌÃV iÊ+Õ>ÌBÌ]Ê iv>V iÀÊ<ÕÃ>iL>ÕÊÕ`ÊÃi ÀÊ}ÕÌÊâÕÊÌÀ>ëÀÌiÀi° >LÊ>}iÀÊiviÀL>À ÌÌÃiÀÌÊV ÊLÃÊ âÕÊ£x°ÊÕÊÓääÇ n¿¿ÊvÉÈ\ Çn£Ê É{nÊ€ £ä¸ÊvÉx\ £äÎ£Ê ÉÈ{xÊ€ £Ó¿¿ÊvÉx\ £È¸vÉx\Ê Ên]xÝ{Ó ÓÇÈxÊ É£ÇÓÊ€ Ê£äÝ{Ó Ó£xÊ É£nÓÓÊ€ £ÈÓÓÊ É£ä£{Ê€ - Ê£xÝxÈ7 Ó£xÊ É£nÓÓÊ€ ÎÈnnÊ ÉÓÎäxÊ€ - Ê£äÝxä7 Óx{äÊ É£xnnÊ€ *ViÌÊnÝÓäÊ ÎäÊ ÉxnÓÊ€ -«iÌÛi\ Grüner Laserpointer iÃÌÕ}ÃÃÌ>ÀiÀÊÕ`ÊÃi ÀÊ}ÕÌÊ -V iÀÊ-iÊÃV ÊV ÊLÃÊâÕÊ£x°Ç°Ê ÃV ÌL>ÀiÀ]Ê}ÀØiÀÊ>ÃiÀ«ÌiÀ°Ê`i>Ê vØÀÊvviÌV iÊØ ÀÕ}iÊ`iÀÊâÕÊ LiÊiiÊ>ÕvÊØLiÀÊÓäääÊ Ê iiÊÃÌiÃiÊ>ÃiÀ«ÌiÀÊ`iÀÊ <i}iÊLiÊ/>}iÃV Ì° 149 CHF iÊ>ÀLÌiÀÃiÌt /-ÊÈxÊ ÓÈÓäÊ É£ÈÎnÊ€ /-Ênä Ó{{xÊ É£xÓÊ€ /-ÊnäÊ ÎÈ{äÊ ÉÓÓÇxÊ€ "Õ>À>`>«ÌiÀ £{Ê É{Ê€ Ê Ê ADM - Argo Navis - ASA - Astrodon - Astronomik - AstroZap - Atik - Bob Knob's - Canon - Celestron - Cercis Astro - Coronado - Denkmeier - Diffraction Limited - Discovery - Equatorial Platforms - FLI - Gemini Geoptik - Importations Chinoises - Intes Micro - Johnsonian Design - Losmandy - Lumicon - Lymax - Meade - Miyauchi - Obsession - OGS - Optec - RCOS - RoboFocus - SBIG - Sirius Observatories - SkyWatcher SolarScope - Software Bisque - Starlight Instruments - Starlight Xpress - StarryNight - StarWay - StellarCat - Swarovski - Takahashi - TEC - TeleVue - Vixen - William Optics www.galileo.cc [email protected] Limmattalstrasse 206 - CH-8049 Zürich - Tel: +41 (0) 44 340 23Sterne 00 -undFax: +41 (0) 44 2007 340 4123 02 Weltraum September Rue de Genève 7 - CH-1003 Lausanne - Tel: +41 (0) 21 803 30 75 - Fax: +41 (0) 21 803 30 77 Preise inkl. 7.6% MWSt. Preise, Angaben und Abbildungen ohne Gewähr. 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Es gab also einen Zeitpunkt, vor dem nicht Materie, sondern Strahlung das Verhalten des Universums dominierte. Davon haben wir bereits im Zusammenhang mit der Entstehung der leichten Elemente Gebrauch gemacht, weil sie so früh stattfand, dass nur die Strahlungsdichte für ihren Verlauf maßgeblich war. Der Zeitpunkt, zu dem die Strahlungsdichte unter die Materiedichte fiel, markiert das Ende einer für die Entwicklung der kosmischen Strukturen sehr wichtigen Zeitspanne. Multipliziert man sie mit der Lichtgeschwindigkeit, so erhält 42 Sterne und Weltraum September 2007 man eine physikalische Länge. Sie gibt an, über welche Strecken hinweg sich zwei hypothetische Beobachter bis zum Ende der strahlungsdominierten Phase verständigen konnten, da sich kein Signal schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten kann. Strukturen, die kleiner als diese Horizontlänge am Ende der strahlungsdominierten Phase waren, konnten so lange nicht anwachsen, bis endlich Materie zu dominieren begann. Dadurch wurde diese Horizontlänge für alle späteren Strukturen eine charakteristische Größe. Aus der Temperatur des CMB kennen wir die heutige Strahlungsdichte, denn alle anderen Beiträge dazu sind gegenüber dem CMB völlig vernachlässigbar. Wenn es uns gelingt, diese charakteristische Größe kosmischer Strukturen etwa anhand der Galaxienverteilung zu bestimmen, kennen wir die Horizontlänge am Ende der strahlungsdominierten Phase und können daraus berechnen, wie lange sie gedauert hat. Daraus kann dann die Materiedichte bestimmt werden. Mit etwa 200 Millionen Lichtjahren ist die charakteristische Länge sehr groß. Um sie bestimmen zu können, muss man die Galaxienverteilung innerhalb kosmischer Volumina ausmessen, die eine solche Strecke bequem einschließen können. Das ist erst seit wenigen Jahren möglich, wurde aber in zwei unabhängigen großen Durchmusterungsprojekten unternommen. Beide konnten auf diese 22 h 2.5 Weise bestätigen, dass die Materiedichte im Universum wesentlich geringer als die kritische Dichte ist. Während die Verteilung der Galaxien offensichtlich leuchtende Strukturen abbildet (Abb. 9), kann der Gravitationslinseneffekt auch Dunkle Strukturen finden (Abb. 10). Wegen der großräumigen Strukturen im Universum muss das Licht von jeder entfernten Quelle abgelenkt und damit dem Gravitationslinseneffekt unterworfen sein. Sein Astigmatismus sorgt dafür, dass weit entfernte Quellen messbar verzerrt erscheinen, und dass diese Verzerrungen auf relativ großen Winkel­ skalen am Himmel kohärent sind, also für ausreichend eng benachbarte Galaxien etwa gleich groß und gleich ausgerichtet sind. Das gesamte Universum zwischen den Quellen und uns als Beobachtern wirkt dergestalt als Linse und prägt dem fernen extragalaktischen Himmel ein charakteristisches Verzerrungsmuster auf. Es ist eine der faszinierenden kosmologischen Errungenschaften der vergangenen wenigen Jahre, dass dieser Effekt tatsächlich messbar wurde. Zunächst bedecken genügend schwache und weit entfernte Galaxien den Himmel wie eine fein gemusterte Tapete. Es gibt so viele von ihnen, dass der Mond einige Zehntausend davon bedeckt. Erst dadurch, dass die Verzerrung aufgrund des Gravitationslinseneffekts an derart vielen Objekten vermessen werden kann, wird sie über- Konsistenz in der Kosmologie Diese Ergebnisse gewinnen zusätzliche Überzeugungskraft, wenn sie nicht jedes für sich genommen, sondern in ihrem Zusammenspiel betrachtet werden. Erinnern wir uns: Grundlage der modernen Kosmologie sind die Feldgleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins. Verbunden mit zwei Symmetrieannahmen, nämlich denen der Isotropie und der Homogenität, folgt aus ihnen die Klasse der Friedmann-Modelle. Grundsätzlich sind Friedmann-Modelle möglich, die einen Urknall vermeiden, aber einige einfache Beobachtungen zeigen, dass unser Universum nicht von dieser Art sein kann. Wenn also überhaupt ein Friedmann-Modell zur Beschreibung unseres Universums in Frage kommt, dann nur eines, das sich aus einem Urknall heraus entwickelt hat. Zunächst muss geprüft werden, ob das Universum tatsächlich als so symmetrisch angesehen werden kann, wie die Fried­ mann-Modelle es annehmen. Für die Isotropie um uns spricht vieles, am überzeu- gendsten aber die fast perfekte Richtungsunabhängigkeit des CMB. Dass unsere Position im Universum gegenüber anderen nicht bevorzugt sei, ist eine Annahme, die wir nicht mehr gewohnt sind, in Frage zu stellen. Seit Kopernikus gehen wir unwidersprochen davon aus, dass wir nicht im Mittelpunkt der Welt stehen. Auf dieser Grundlage erscheint uns die Annahme ganz natürlich, dass jedem Beobachter das Universum isotrop erscheinen muss, wenn es uns isotrop erscheint. Dann muss das Universum aber zumindest in sehr guter Näherung auch homogen sein. Die grundlegenden Symmetrieannahmen der Friedmann-Modelle scheinen also gerechtfertigt zu sein. Dann kommt eine Reihe von Hinweisen dazu, dass sich unser Universum zumindest qualitativ wie ein Friedmann-Universum verhält. Die Galaxienflucht war der erste davon, hinzu kamen dann die Häufigkeit des Heliums als Hinweis auf eine frühe heiße Phase, das perfekte Planck-Spektrum des CMB, das nicht nur zeigte, dass der CMB thermischen Ursprungs ist, sondern auch, dass sich das Universum gerade so ausgedehnt und abgekühlt hat, wie es für ein Friedmann-Universum zu erwarten ist. Legt man also die Allgemeine Relativitätstheorie zu Grunde und vertraut mit guten Gründen den Symmetrieannahmen, so erscheint es zwingend, dass das Universum zumindest in sehr guter Näherung durch ein Friedmann-Modell beschrieben werden muss. Dann bleibt die Frage, ob es einen einzigen Satz von Parametern gibt, die das Universum nicht nur in einem momentanen Zustand, sondern auch in seiner Entwicklung konsistent zu beschreiben vermögen. Dabei kommt ins Spiel, dass verschiedene kosmologische Messungen den Zustand des Universums zu ganz verschiedenen Zeiten überprüfen. Die Entstehung leichter Elemente war etwa drei Minuten nach dem Urknall abgeschlossen. Die gemessenen Häufigkeitsverhältnisse lassen auf eine Baryonendichte schließen, die etwa vier Prozent der kritischen Dichte beträgt. Auch aus den Temperaturschwankungen im CMB lässt sich eine Baryonendichte bestimmen, die den Wert aus den Häufigkeitsverhältnissen der leichten Elemente bestätigt. Aber der CMB entstand 400 000 Jahre nach dem Urknall! Dass diese beiden Messungen der Baryonendichte trotz ihres enormen zeitlichen Abstands übereinstimmen, bestätigt die Konsistenz des einen Friedmann-Modells, mit dem wir unser Universum beschreiben möchten. Messungen der mittleren Materiedichte sind mit Hilfe des CMB ebenso möglich wie mit Hilfe des Gravitationslinseneffekts oder der typischen Längenskala in den kosmischen Strukturen. Beide überprüfen aber den Entwicklungszustand des Universums Milliarden von Jahren nach dem Urknall, also wesentlich später als der CMB. Trotzdem stimmen sie mit einem Friedmann-Modell überein. Diese nicht nur momentane, sondern auch zeitliche Konsistenz der FriedmannModelle verleiht ihnen einen kaum antastbaren Status, wenn man nicht die beiden Grundlagen in Zweifel ziehen will, auf denen sie beruhen: die Allgemeine Relativitätstheorie und zwei Symmetrieannahmen. Ausgedrückt in genaueren Zahlen sind heute 4.2 Prozent der kritischen Dichte Groupe INC, Stéphane Colombi, IAP haupt nachweisbar, denn die typischen Verzerrungen sind sehr schwach. Wären die verzerrten Objekte ursprünglich kreisförmig, würden sie durch den Gravitationslinseneffekt zu Ellipsen, deren Hauptachsen sich um wenige Prozent unterschieden. Trotz zahlreicher Schwierigkeiten im Detail ist es inzwischen gelungen, den schwachen kosmischen Gravitationslinseneffekt nicht nur zweifelsfrei nachzuweisen, sondern ihn auch recht genau auszumessen. Leider erlauben es diese Messungen nicht, die mittlere Materiedichte im Universum direkt zu bestimmen, weil der Gravitationslinseneffekt nicht nur von ihr abhängt, sondern auch von der mittleren Amplitude der kosmischen Dichteschwankungen. Letztere lässt sich aber auch auf andere Weise abschätzen, zum Beispiel anhand der Anzahl massereicher Galaxienhaufen. Kombiniert man solche Messungen mit dem schwachen Gravitationslinseneffekt, so wird das Ergebnis abermals bestätigt, dass (baryonische und Dunkle) Materie nur zu etwa dreißig Prozent zur Gesamtdichte des Universums beiträgt. Abb. 10: Das Licht entfernter Galaxien wird durch den Gravitationslinseneffekt großer kosmischer Strukturen vielfach abgelenkt, bevor es bei uns ankommt. Der Astigmatismus des Effekts verursacht kleine, aber messbare Verzerrungen, die Rückschlüsse auf die Strukturen aus Dunkler Materie erlauben. Sterne und Weltraum September 2007 43 baryonisch, und 24.3 Prozent bestehen aus Dunkler Materie. Die kosmologische Konstante trägt gerade so viel bei, dass die Dichte insgesamt kritisch wird, was sich daran ablesen lässt, dass unser Universum räumlich entweder flach oder im Rahmen der Messgenauigkeit von einem flachen Universum nicht zu unterscheiden ist. Daraus ergibt sich für das heutige Alter des Universums ein Wert von 13.7 Milliarden Jahren. Inflation und Dunkle Energie Mit diesem großen Erfolg des kosmologischen Standardmodells ist die Kosmologie sicher nicht am Ende, aber zweifellos ist sie in eine neue Phase eingetreten. Während noch vor recht kurzer Zeit selbst die wichtigsten kosmologischen Parameter in Frage standen, steht das kosmologische Rahmenmodell heute so gut wie fest. Gleichzeitig stellt es uns vor eine Reihe schwerwiegender Probleme. Literaturhinweise M. Bartelmann: Der kosmische Mikrowellenhintergrund. SuW 5/2000, S. 330 – 337 H. Schulz: Dunkle Energie, Antrieb für die Expansion des Universums. Teil 1: SuW 10/2001, S. 854 – 861, Teil 2: SuW 11/2001, S. 948 – 955 W. Hillebrandt, F. Röpke: Supernovae vom Typ Ia – die Physik der Explo- sionen. SuW 5/2005, S. 22 – 28 B. Leibundgut: Kosmologie mit Supernovae vom Typ Ia. SuW 5/2005, S. 30 – 37 V. Springel: Die Millennium-Simulation. Auf den Spuren der Galaxien, SuW 11/2006, S. 30 – 40 SuW Dossier 1/2006 »Struktur des Kos­mos«, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, ISSN 1612 4618 SuW Special 1/2006 »Unsere kos- mische Heimat – das neue Bild der Milchstraße«, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, ISSN 1434 2057 44 Sterne und Weltraum September 2007 Abb. 11: Während der (hypothetischen!) Phase der kosmologischen Inflation wurde das Universum innerhalb sehr kurzer Zeit extrem stark ausgedehnt. Dabei wurden Quantenfluktuationen so stark vergrößert, dass sie zu Vorläufern heutiger Strukturen werden konnten. Zunächst müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass fast alle Materie im Universum dunkel ist, oder jedenfalls nicht von der baryonischen Art, wie wir sie kennen. Aus der Tatsache, dass die Temperaturschwankungen im CMB im Bereich von einigen zehn Mikro- statt Millikelvin liegen, müssen wir schließen, dass die Dunkle Materie nicht mit Licht wechselwirken kann. Am plausibelsten erscheinen uns schwach wechselwirkende Elementarteilchen, aber wir haben keinen der wahrscheinlichen Kandidaten bisher auch entdeckt. Möglicherweise werden Experimente wie der Large Hadron Collider, der noch 2007 am Cern in Genf den Betrieb aufnehmen soll, eine Antwort auf die Frage liefern, woraus die Dunkle Materie besteht. Wir verstehen auch, wie kosmische Strukturen zu ihrer heutigen Amplitude angewachsen sein können, wenn wir davon ausgehen, dass sie im jungen Universum angelegt worden waren. Aber worin liegt ihr Ursprung? Wodurch wurden sie angelegt? Es stellt sich heraus, dass die ergänzende Theorie der kosmologischen Inflation hervorragend dafür geeignet sein kann, eine Antwort auf diese Frage zu geben, obwohl sie ursprünglich dazu geschaffen worden war, die räumliche Flachheit des Universums zu erklären. Wie erwähnt, ist Flachheit eine instabile Eigenschaft der Friedmann-Modelle, weil sie sich davon weg bewegen, falls sie nicht von Anfang an perfekt räumlich flach waren. Die kosmologische Infla­tion erklärt die Flachheit dadurch, dass sie eine Entwicklungsphase annimmt, in der sich das Universum sehr rasch sehr stark ausgedehnt hat (Abb. 10). Dadurch mag sein Krümmungsradius so groß geworden sein, dass er bis heute als beinahe unendlich erscheint und das Universum damit als räumlich flach. Wenn es eine solche Phase gab, dann müssen in ihr auch die unvermeidlichen Quantenfluktuationen extrem vergrößert worden sein, die es im sehr jungen Universum gegeben haben muss. Die Inflation kann dafür gesorgt haben, dass ursprünglich subatomar kleine Quantenfluktuationen so stark vergrößert wurden, dass sie zu Vorläufern der heutigen kosmischen Strukturen werden konnten. Für diese atemberaubende These spricht inzwischen alle Evidenz. Insbesondere folgen aus ihr eine Reihe statistischer Eigenschaften solcherart entstandener Strukturen, die offenbar genau denen entsprechen, die wir an den kosmischen Strukturen beobachten können. Obwohl es noch keinen direkten Nachweis der kosmologischen Inflation gibt, liefert sie inzwischen die einzige plausible Theorie für die räumliche Flachheit, den Ursprung kosmischer Strukturen und eine Reihe weiterer Eigenschaften des kosmologischen Standardmodells. Wenn es eine Inflation gab, was mag sie getrieben haben? Teilchenphysiker sind nicht darum verlegen, eine physikalische Antwort darauf zu geben. Sie können zeigen, dass ein genügend stark mit sich selbst wechselwirkendes, einfaches Quantenfeld genau dazu führen kann, dass sich das Universum beschleunigt ausdehnt. Sie postulieren also ein solches Feld, das Inflatonfeld, als Ursache der kosmologischen Inflation. Wir mussten aber auch feststellen, dass das Universum heute abermals eine Phase beschleunigter Expansion durchläuft, was wir oben der kosmologischen Konstante zugeschrieben hatten. Aus vielen Gründen ist die kosmologische Konstante aus der Sicht der Allgemeinen Relativitätstheorie etwas sehr einfaches, aus der Sicht der Teilchenphysik aber etwas höchst unbefriedigendes. Also liegt es nahe, als Ursache der heutigen beschleunigten Expansion ebenso wie für die kosmologische Inflation ein geeignetes Quantenfeld anzunehmen, das üblicherweise als Kosmonfeld, Quintessenz oder mit einem Oberbegriff als Dunkle Energie bezeichnet wird. Auf der Suche nach der Dunklen Energie, von der wir fast nichts wissen, außer dass sie für die beschleunigte Ausdehnung des Universums verantwortlich sein soll, befinden wir uns an einem bescheidenen Anfang. Ohne Zweifel sind die Infla­tion, die Dunk­le Materie und die Dunkle Energie die wichtigsten Rätsel, die uns das sonst so erfolgreiche kosmologische Standardmodell aufgibt. Sehr wahrscheinlich wird uns ihre Beantwortung in eine neue Ära der Physik be gleiten. Matthias Bartelmann ist Direktor am Institut für Theoretische Astrophysik, einem der drei Institute des Zentrums für Astronomie der Universität Heidelberg, und Mitherausgeber von SuW.