das standardmodell der Kosmologie

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Themen der Wissenschaft
Das Standardmodell
der Kosmologie
Teil 2: Der kosmische Mikrowellenhintergrund – Supernovae vom Typ Ia –
Strukturen im Universum – Konsistenz in der Kosmologie – Inflation
und Dunkle Energie
von Matthias bartelmann
In diesem zweiteiligen Artikel wird unser aktuelles Verständnis der
Welt als Ganzes vorgestellt: Heute ist die Kosmologie ein hochaktuelles Forschungsgebiet, in dem sich Astrophysik und Teilchenphysik,
Theorie, Beobachtung und Experiment aufs Engste berühren.
B
ereits im ersten Teil dieses Beitrags wurde besprochen, wie
George Gamow auf beeindruckende Weise von der Häufigkeit leichter Elemente, insbesondere des Heliums,
auf die Existenz eines Strahlungshintergrunds im Mikrowellenbereich schloss.
Die bemerkenswerte Tatsache, dass es im
Universum eine bestimmte Menge Helium-4 gibt, und nicht entweder gar keines oder nur Helium-4, erforderte genau
die richtige Menge Deuterium als Vorstu-
fe, und damit genau das richtige Verhältnis zwischen den Anzahldichten von Baryonen und Photonen. Wenn im frühen
Universum thermisches Gleichgewicht
zwischen seinen verschiedenen Komponenten herrschte, musste dabei auch
thermische Strahlung entstanden sein.
Thermische Hintergrundstrahlung
Die Entdeckung dieses Kosmischen Mikrowellenhintergrunds (Cosmic Microwave
Background, CMB) ist die interessante Ge-
Rückblick auf Teil 1
m Teil 1 dieses Artikels (SuW 8/
2007,S. 38) beschrieb, wie einfache kosmologische Modelle aus der Allgemeinen
Relativitätstheorie konstruiert werden
können und welche überwältigende Bestätigung sie durch zahlreiche Beobachtungen finden. Bereits diskutiert wurden die Ausdehnung und das Alter des
36 Sterne und Weltraum September 2007
Universums, die Entstehung der leichten
Elemente gleich nach dem Urknall und
die Hinweise auf Dunkle Materie aus der
Bewegung von Sternen und Galaxien und
aus dem Gravitationslinseneffekt. Hier
wird die Geschichte fortgesetzt und mit
einem Ausblick auf Inflation und Dunkle
Energie abgeschlossen.
schichte zweier Forschergruppen, von
denen die eine beim Ausmessen einer Telefonantenne zufällig fand, was die andere
aufgrund guter theoretischer Argumente
zu finden hoffte. Jedenfalls erschienen im
Mai 1965 zwei Arbeiten im Astrophysical
Journal: Eine von Arno Penzias und Robert Wilson, in der die Entdeckung eines
offenbar vollkommen richtungsunabhängigen Strahlungshintergrunds bei einer Wellenlänge von 74 Millimetern beschrieben wurde, und eine von Robert
Dicke, Jim Peebles, Peter G. Roll und David T. Wilkinson, die den kosmischen Ursprung dieser Strahlung als eine Möglichkeit beschrieb.
Damit drängten sich zwei Fragen in
den Vordergrund. Zum einen: Ist die entdeckte Strahlung wirklich thermische
Strahlung? Und zum anderen: Da unser
Universum offenbar nur eine Näherung
des Idealfalls eines homogenen und isotropen Friedmann-Kosmos ist, weil es
durchaus nicht homogen, sondern strukturiert ist, sollte auch der CMB nur näherungsweise isotrop sein und bei genauerer Beobachtung ebenfalls Strukturen zeigen. Entsprechend war die zweite
Frage: Weist der CMB Abweichungen von
der idealen Isotropie auf, die mit den heutigen kosmischen Strukturen in Einklang
zu bringen sind? Beide Fragen erwiesen
sich als außerordentlich fruchtbar, ließen

Princeton University
Abb. 1: Das Hubble Ultra Deep
Field ist die tiefste jemals gewon-
nene Aufnahme (Belichtungszeit
insgesamt: eine Million Sekunden
oder knapp zwölf volle Tage). Sie
reicht bis zum Rand der Welt, wo
die ersten Sterne und Galaxien
aufleuchteten.
Cobe
/
Nasa
Nasa/Esa/STScI

ge Kelvin betragen sollte. Da die Strahlungstemperatur im Universum im gleichen Maß abnimmt wie das Universum
sich ausdehnt, musste ein beliebiger Ausschnitt des Universums um etwa das Tausendfache kleiner als heute gewesen sein,
als der CMB freigesetzt wurde. Nun wachsen auch Strukturen im Universum in
etwa demselben Maß an, wie es sich ausdehnt. Das bedeutet, dass die kosmischen
Strukturen, deren Amplitude wir heute messen können, etwa ein Tausends-

aber bis zum Jahr 1992 auf ihre Beantwortung warten.
Wie die erste Frage zu überprüfen sei,
war klar. Man würde ein Spektrum des
CMB aufnehmen und feststellen müssen,
ob es die wohlbekannte Form des Spektrums eines thermischen Strahlers aufweist, ein so genanntes Planck-Spektrum.
Zur zweiten Frage musste erst geklärt
werden, welche Strukturen man im CMB
aufgrund der heutigen Strukturen im
Universum zu finden erwartete. Klar war
jedenfalls, dass die Vorläufer der heutigen
Strukturen auch Spuren in der Temperatur des CMB hinterlassen haben mussten.
Davon wird später noch die Rede sein.
Es ist nicht schwierig zu berechnen,
dass der CMB freigesetzt worden sein
musste, als das Universum auf etwa 3000
Kelvin abgekühlt war, und dass das Universum hierfür etwa 400 000 Jahre gebraucht haben musste. Damals wurde
es kühl genug, dass sich Atome aus dem
vorherigen Plasma bilden konnten. Damit verschwanden die freien elektrischen
Ladungen der Elektronen und der Atomkerne, die vorher eine freie Ausbreitung
des CMB verhindert hatten, und die Photonen bekamen freie Bahn. Dieser Übergang vom ionisierten zum neutralen Zustand dauerte etwa 40 000 Jahre.
Schon Gamow hatte abgeschätzt, dass
die heutige Temperatur des CMB eini-
Abb. 2: P. James E. (Jim) Peebles forscht und lehrt heute an
der Universität Princeton. Ihm
verdanken wir ganz wesentliche
Ideen, auf denen das kosmologische Standardmodell aufbaut.
Zu seinen großen Leistungen gehören – neben vielen anderen –
die Vorhersage der Strukturen im
kosmischen Mikrowellenhintergrund und das Modell der kalten
Dunklen Materie.
Abb. 3: Mit dem Satelliten Cobe
wurden Temperaturschwankungen im Bereich von einigen zehn
Mikrokelvin am Mikrowellenhimmel gefunden. Diese geringe
Schwankungsamplitude weist darauf hin, dass der größte Teil der
Materie im Universum gar nicht
mit Licht in Wechselwirkung treten kann.
tel dieser Amplitude gehabt haben sollten, als der CMB entstand. Daraus kann
man schließen, dass der CMB bei seiner
mittleren Temperatur von einigen Kelvin
Temperaturschwankungen von einigen
Tausendstel Kelvin zeigen sollte, also im
Millikelvin-Bereich. Durch zunehmend
genaue Messungen stellte sich im Lauf
von Jahren heraus, dass es Temperaturschwankungen dieser Größenordnung
im CMB nicht gab. Die Kosmologie geriet
in eine Krise.
In Kürze
m Die kosmische Hintergrundstrahlung
im Mikrowellenbereich (CMB) erreicht uns
aus allen Himmelsrichtungen, sie bezeugt
den heißen Anfang der Welt. Ihre kürzlich gelungene, präzise Vermessung führt
zur genauen Festlegung vieler Parameter
des kosmologischen Standardmodells.
m Eine Supernova vom Typ Ia leuchtet
dann auf, wenn ein Weißer Zwerg in einem Doppelsternsystem von seinem Begleiter so viel Material aufsammelt, dass
er explodiert. Das geschieht stets unter gleichen Bedingungen. Deshalb sind
diese Supernovae stets gleich hell und
eignen sich bestens als Standardkerzen
zur Vermessung des Weltalls.
m Die Strukturen im Universum sind
im Keim bereits im CMB angelegt. Heute
glauben wir zu verstehen, wie die anfänglichen minimalen Temperatur- und
Dichteschwankungen im Quantenbereich
zur Entstehung der Galaxien und zu deren großräumiger Verteilung geführt haben.
m Inflation und Dunkle Energie sind
zwei Zutaten des Standardmodells, die
wir noch nicht wirklich verstehen. Inflation erklärt die Flachheit des Raums,
Dunk­le Energie erklärt dessen beschleunigte Expansion. Die Lösung dieser Rätsel wird uns vermutlich in eine neue
Physik führen.
Sterne und Weltraum September 2007 37
Einen eleganten Ausweg schlug Jim
Peebles (Abb. 2) vor. Er argumentierte,
dass die Schwankungen im MillikelvinBereich nur dann zu erwarten wären,
wenn alle Materie im Universum elektromagnetisch wechselwirken könnte.
Sollte die Dunkle Materie, aus der die
kosmischen Strukturen überwiegend bestehen, aber gar nicht mit Licht in Wechselwirkung treten können, so würden die
Temperaturschwankungen im CMB etwa
um das Hundertfache geringer ausfallen
und im Bereich von einigen zehn Mikrokelvin liegen. Es war ein Triumph dieser Überlegung, als schließlich der Satellit Cobe genau solche Schwankungen im
CMB fand (Abb. 3). Damit wurde die Tatsache, dass Temperaturschwankungen
im CMB nicht im Bereich von Millikelvin,
sondern im Bereich von etwa zehn Mikrokelvin liegen, zum kräftigsten Argument für die Annahme, dass die Dunkle
Materie aus Elementarteilchen bestehe,
die nicht elektromagnetisch wechselwirken können.
Die Bestätigung der Temperaturschwankungen im CMB war eine von
zwei bahnbrechenden Leistungen, die
mit dem Cobe-Satelliten gelangen und
die mit dem Nobelpreis für das Jahr 2006
ausgezeichnet wurden. Die andere war
die genaue Vermessung des Spektrums
des CMB und die Bestätigung, dass es
sich in der Tat um das erwartete PlanckSpektrum handelt (Abb. 4). Tatsächlich ist
das Spektrum, das der Cobe-Satellit vom
CMB aufnahm, das bisher genaueste experimentell bestätigte Planck-Spektrum,
einschließlich aller Labormessungen.
Die daraus abgeleitete Temperatur von
2.728 Kelvin bestätigte Gamows Ab-
Wellenlänge [mm]
1
0.67
Strukturen im CMB
Für die Strukturen im CMB (Abb. 5) sind
drei physikalische Effekte verantwortlich. Zu den bereits angelegten Dichteschwankungen gehören Schwankungen
des Gravitationspoten­tials. Wo die Dichte etwas erhöht war, war das Potential
geringer, und umgekehrt. Photonen, die
aus Potentialsenken herauslaufen mussten, als der CMB freigesetzt wurde, verloren einen kleinen Teil ihrer Energie, und
ebenso gewannen solche Photonen Energie, die von Potentialhügeln loslaufen
konnten. Dieser Effekt, der allein dadurch
bedingt ist, dass die CMB-Photonen in einer leicht hügeligen Potentiallandschaft
freigesetzt wurden, heißt Sachs-Wolfe-Effekt und spielt auf den größten Skalen die
wesentliche Rolle.
Auf kleineren Skalen setzen Schwingungen ein. Sie werden dadurch verursacht, dass Überdichten aus Dunkler Materie aufgrund ihrer Schwerkraft
das Gemisch aus Photonen und Gas zu
komprimieren beginnen, sodass dessen Druck steigt und der Kompression
entgegen wirkt. Das ist derselbe Mechanismus, der es Schallwellen ermöglicht,
sich durch die Luft auszubreiten, weshalb
man von akustischen Schwingungen spricht.
Sie breiten sich mit einer Schallgeschwindigkeit aus, die knapp sechzig Prozent der
Lichtgeschwindigkeit beträgt und kamen
daher in den etwa 400 000 Jahren zwischen dem Urknall und der Freisetzung
des CMB höchstens etwa 230 000 Lichtjahre weit. Strukturen, die größer als die-
0.5
400
Intensität [MJy/steradian]
Lauf der Entwicklung des Universums gerade in der Weise abgefallen ist, wie ein
Friedmann-Modell es erwarten lässt.
Nasa/Cobe
2
schätzung aus den 1940er Jahren auf eindrucksvolle Weise.
Eine interessante Frage schließt sich
hier unmittelbar an. Vorhin wurde erwähnt, dass der CMB nicht instantan freigesetzt wurde, sondern im Verlauf von
etwa 40 000 Jahren. Währenddessen fiel
die Temperatur um etwa 200 Kelvin ab.
Manche der CMB-Photonen, die wir heute beobachten, sollten also etwas früher
ein etwas heißeres, manche etwas verspätet ein etwas kühleres Plasma verlassen haben. Wir sollten also gerade nicht
ein Planck-Spektrum zu einer einzigen,
scharf definierten Temperatur sehen,
sondern eine Mischung von Planck-Spektren aus einem Temperaturbereich von
etwa 200 Kelvin. Wie kann es sein, dass
wir trotzdem ein Planck-Spektrum zu einer Temperatur beobachten?
Die Antwort liefert einen weiteren indirekten Hinweis auf die Gültigkeit der
Friedmann-Kosmologie. Ein verfrühtes
CMB-Photon hatte eine etwas längere Reise vor sich als ein verspätetes. Zwischen
der Aussendung des verfrühten Photons
und heute dehnte sich das Universum
daher etwas mehr aus und kühlte damit
das verfrühte Photon etwas stärker ab.
Im Rahmen der Friedmann-Kosmologie
ist diese etwas stärkere Abkühlung gerade so groß, dass sie die etwas höhere Anfangstemperatur des Photons exakt ausgleicht. Erst diese nachträgliche, leicht
unterschiedliche Abkühlung reduziert die
eigentlich erwartete Mischung aus PlanckSpektren zurück auf ein einziges. Die Tatsache, dass Cobe mit höchster Genauigkeit ein Planck-Spektrum fand, beweist
also neben dem thermischen Ursprung
des CMB auch, dass die Temperatur im
300
 Abb. 4: Das vom Firas-Instrument
an Bord des Cobe-Satelliten auf-
genommene Spektrum des kosmischen Mikrowellenhintergrunds
ist das beste jemals gemessene
Planck-Spektrum. Die Fehlerbalken der einzelnen Messpunkte
entsprechen 400 Standardabweichungen!
200
100
0
0
150
38 Sterne und Weltraum September 2007
300
Frequenz [GHz]
450
600
 Abb. 5: Der Wmap-Satellit hat inzwischen eine sehr viel detailliertere Karte der Temperaturschwankungen im CMB aufgenommen.
Anhand der charakteristischen
Skalen der sichtbaren Strukturen können viele kosmologische
Parameter genau bestimmt werden.
H
H
H
negativ
gekrümmt
flach
positiv
gekrümmt
sacht die Expansion. Die Ausprägung dieser Schwingungen, insbesondere deren
Amplitude, ist durch das Verhältnis der
Dichten der baryonischen zur Dunklen
Materie gegeben.
Besonders eindrücklich ist das folgende zweite Beispiel. Oben wurde schon
erwähnt, dass akustische Schwingungen
nur auf solchen Skalen auftreten können,
die kleiner als der Schallhorizont sind. Die­
se physikalische Länge kennen wir aus
der Theorie. Am Himmel können wir
feststellen, wie groß die dazugehörige
Winkelgröße ist. Unter welchem Winkel
eine bestimmte physikalische Länge erscheint, ist eine Frage der Raumgeometrie
beziehungsweise der Raumkrümmung:
Während sich in dem uns vertrauten euklidischen Raum zwei Lichtstrahlen aus
einer Quelle geradlinig ausbreiten und
dabei ihren Abstand zueinander linear
vergrößern, werden sie in einem positiv
gekrümmten Raum aufeinander zu, in
 Abb. 6: Der Winkel, unter dem
uns eine gegebene Länge in einer gegebenen Entfernung erscheint, hängt von der Art der
Raumkrümmung ab.
einem negativ gekrümmten Raum voneinander weg gekrümmt. Dementsprechend erscheint dieselbe physikalische
Länge, zum Beispiel der Schallhorizont,
in einem positiv gekrümmten Raum unter einem größeren, in einem negativ gekrümmten Raum unter einem kleineren
Winkel (Abb. 6). Die Winkelgröße des
Schallhorizonts kann aus den Temperaturschwankungen des CMB abgelesen
werden, und seine physikalische Größe
ist bekannt. Aus dem Vergleich beider
folgt, dass unser Universum mit hoher
Genauigkeit gerade nicht gekrümmt, sondern räumlich flach ist.
Das allein ist in mindestens zweierlei
Hinsicht ein bemerkenswertes Ergebnis.
Zum einen ist räumliche Flachheit eine instabile Eigenschaft eines Friedmann-Modells. Nur solche Modelle, die von Anfang
an räumlich flach waren, bleiben es auch.
Jede anfängliche Krümmung verstärkt
sich im Lauf der kosmischen EntwickNasa/Wmap
SuW
ser Schallhorizont waren, konnten also
nicht akustisch schwingen.
Auf noch kleineren Skalen setzt ein
Effekt ein, der daher kommt, dass ausreichend kleine Strukturen Photonen nicht
400 000 Jahre lang einschließen können.
Wenn die Strecke, die ein durchschnittliches Photon vor seiner Freisetzung zurücklegen konnte (seine mittlere freie
Weglänge), größer war als die Struktur,
in der es sich aufhielt, konnte es sie einfach verlassen und damit dazu beitragen,
die Struktur zu verwischen. Dieser Diffusionsprozess der Photonen heißt SilkDämpfung und sorgte dafür, dass Strukturen umso stärker unterdrückt wurden, je
kleiner sie waren.
Entscheidend für die Kosmologie ist,
dass diese drei Effekte empfindlich von
den kosmologischen Parametern abhängen, insbesondere von den Dichteparametern der Dunklen und der baryo­
nischen Materie sowie der kosmischen
Expansionsrate zur Zeit der Entstehung
des CMB, die durch die Hubble-Konstante
parametrisiert wird. Weiterhin sorgen die
drei genannten Effekte für charakteristische Muster in der Intensität beziehungsweise der Temperatur des CMB und können daher durch deren statistische Analyse bestimmt werden. Ohne Details zu
beschreiben, sind vielleicht zwei Beispiele
hierfür nachvollziehbar.
Die akustischen Schwingungen werden
durch das Wechselspiel von Gravitation
und Druck getrieben. Die Schwerkraft,
mithin die Gesamtdichte der Dichteschwankungen, sorgt für Kontraktion,
der Druck, bestimmt durch die Dichte des Gases, durch dessen Temperatur
und durch die Photonendichte, verur-
Sterne und Weltraum September 2007 39
lung. Also führt die räumliche Flachheit
unseres Universums, die aus den Strukturen im CMB abgelesen werden kann,
unweigerlich zu der Frage, wodurch das
Universum anfänglich so extrem flach
wurde, dass es bis heute so geblieben ist.
Zum anderen erfordert räumliche Flachheit, dass die Gesamtdichte aller Materieund Energieformen im Universum gerade
die kritische Dichte ergibt. Bisher ergibt
unsere Bilanz aber nur etwa ein Drittel
davon: Baryonen tragen vier Prozent bei,
und mit Dunkler Materie kommen wir
auf etwa dreißig Prozent. Offenbar fehlt
uns bisher der entscheidende Anteil.
Nasa/Esa

Zeigt ihr Spektrum Wasserstofflinien,
gehört sie zum Typ II, anderenfalls zum
Typ I. Findet man keinen Wasserstoff,
aber Silizium, wird sie als Typ-Ia-Supernova (SNIa) bezeichnet. Supernovae werden durch thermonukleare Explosionen
ausgelöst, in denen entweder der Kern
eines massereichen Sterns ausbrennt und
aufgrund seiner Schwerkraft kollabiert,
oder in denen ein Weißer Zwerg durch
äußere Einflüsse über die Massengrenze
getrieben wird, die er noch stabilisieren
kann. Zu ersteren gehören die Typen Ib/c
und II, letztere bilden den Typ Ia.
Weiße Zwerge bestehen im Kern aus
Kohlenstoff und Sauerstoff. Weitere Fu­
Supernovae vom Typ Ia
sion ist nicht möglich, weil die Masse
In einem Supernova-Ereignis leuchtet nicht ausreicht, um die Zentraltempe­
ein Stern in wenigen Tagen hell auf, um ratur hoch genug zu treiben. Die nukleare
dann innerhalb von Monaten wieder zu Energieerzeugung erlischt, und der Stern
ver­löschen. Die dabei erreichten Leucht- wird so weit komprimiert, dass das Elekkräfte sind extrem: Im Helligkeitsmaxi- tronengas in seinem Inneren entartet und
mum strahlt eine Supernova etwa so viel ihn durch seinen Fermidruck stabilisiert.
Licht ab wie die gesamte Galaxie, die sie Das ist bis zur Chandrasekhar-Grenze
beherbergt (Abb. 7).
von knapp 1.4 Sonnenmassen möglich.
Kurz bevor ein Weißer Zwerg diese Grenze erreicht, wird durch die hohe Dichte
Abb. 7: Supernovae, wie hier die in seinem Kern thermonukleares BrenSupernova 1994d in der Galaxie nen gezündet, das die Explosion in Gang
NGC 4526, deren innerer Bereich setzt.
Weiße Zwerge können auf verschiein dieser Aufnahme mit dem HST abgebildet ist, leuchten etwa so dene Weise über die Chandrasekharhell auf wie die Galaxien, in de- Masse getrieben werden. Die gängigsten
Vorstellungen sind, dass entweder ein
nen sie auftreten.
O
N
5 Bogensekunden
950 Lichtjahre
40 Sterne und Weltraum September 2007
massereicher Begleitstern Masse an den
Weißen Zwerg abgibt, oder dass zwei
weiße Zwerge kollidieren. Vereinfachend
ausgedrückt, explodiert also bei einer Supernova vom Typ Ia immer dieselbe Menge »Sprengstoffs« (Abb. 8). Also sollten
alle Supernovae dieses Typs im Wesentlichen gleich hell sein. Das ist nicht streng
der Fall, aber die Abweichungen von der
Standardhelligkeit lassen sich durch eine
einfache Beziehung korrigieren: Hellere
Supernovae vom Typ Ia dauern etwas länger, schwächere etwas weniger lang, und
damit lassen sich die wahren Helligkeiten
dieser Supernovae standardisieren. Aus
ihrer scheinbaren Helligkeit folgt dann
ihre Entfernung, und zusammen mit der
Rotverschiebung ihrer Spektrallinien
kann daraus das Expansionsverhalten des
Universums rekonstruiert werden.
Dies hat die spektakuläre Erkenntnis
ermöglicht, dass die Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums seit etwa
sieben Milliarden Jahren zunimmt. Eigentlich würde man das Gegenteil erwarten,
denn die Schwerkraft sollte die kosmische
Ausdehnung verlangsamen. Ein Friedmann-Modell kann sich nur dann beschleunigt ausdehnen, wenn nicht gewöhnliche, baryonische oder Dunkle
Materie dominieren, sondern die kosmologische Konstante, die Einstein anfänglich gerade zu dem Zweck in seine Feldgleichungen eingebaut hatte, um ein statisches Universum zu ermöglichen.
Wir haben bestenfalls sehr diffuse Vorstellungen davon, was die physikalische
Bedeutung der kosmologischen Konstante sein könnte. Darüber wird später noch
zu reden sein. Aber auch die Temperaturschwankungen im CMB hatten uns gezeigt, dass uns bisher etwa siebzig Prozent des kosmischen Materials entgangen
waren. Nun zeigen die Supernovae vom
Typ Ia, dass diese fehlende Substanz gerade die kosmologische Konstante sein sollte oder wenigstens etwas, was sich ähnlich wie sie verhält, indem es die Ausdehnung des Universums beschleunigt, statt
sie abzubremsen.
Auf diese Weise ergeben alle bisheri­
gen Bestimmungen kosmologischer Parameter ein konsistentes Bild. Wir können ein Friedmann-Modell angeben, in
das so gut wie alle kosmologischen Messungen hervorragend passen. Dieses Modell, von dem wir annehmen, dass es unser Universum tatsächlich beschreibt,
ist dadurch gekennzeichnet, dass es zu
etwa dreißig Prozent aus Materie und
etwa siebzig Prozent aus kosmologischer
Konstante besteht, was immer das sein
mag. Altersabschätzungen, die Entstehung der leichten Elemente, direkte und
indirekte Abschätzungen der Massendichte, die Temperaturschwankungen im
CMB und die anhand der Typ-Ia-Supernovae rekonstruierte kosmische Expansionsrate fügen sich in dieses Bild. Es stellt
uns vor das große Rätsel, was die Dunkle
Materie und die kosmologische Konstante sein könnten.
Strukturen im Universum
Zwei weitere kosmologische Messungen
bestätigen zumindest, dass das Universum zu dreißig Prozent seiner kritischen
Dichte aus Dunkler Materie besteht. Beide betreffen die großräumigen Strukturen, die das Universum durchziehen.
Die Verteilung der Galaxien im Raum
zeigt, dass es im Universum zusammenhängende Strukturen gibt, die Größen
von etwa 100 Millionen Lichtjahren erreichen können. Große Leerräume werden
von dünnen Filamenten umgeben, und
wo Filamente sich schneiden, finden sich
Galaxienhaufen. Die Theorie der Strukturbildung im Universum macht die be-
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 Abb. 8: Die Explosion einer Super­
nova vom Typ Ia verläuft im Detail sehr kompliziert. Erst kürzlich
gelang es Wolfgang Hillebrandt
und seinen Mitarbeitern am MaxPlanck-Institut für Astrophysik in
Garching, die turbulente Ausbreitung der nuklearen Brennfront
im Kern einer solchen Supernova
realistisch zu simulieren.
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
5
Abb. 9: Die großräumige Verteilung der Galaxien, abgeleitet
aus einer in Australien durchgeführten spektroskopischen Durch­
musterung des Südhimmels (vgl.
Abb. 1 in Teil 1).
merkenswerte Vorhersage, dass diesen
Strukturen bereits im noch sehr jungen
Universum eine wichtige Längenskala
aufgeprägt wurde.
Heute ist die gesamte Strahlungsener­
giedichte im Universum, die im Wesentlichen vom CMB beigetragen wird, vernachlässigbar klein. Geht man aber in
der Zeit zurück und verfolgt, wie sich
die Dichten der Strahlung und der Materie im dann schrumpfenden Universum
verhalten haben, so stellt man fest, dass
die Strahlungsdichte gegenüber der Materiedichte immer weiter zunimmt. Es
gab also einen Zeitpunkt, vor dem nicht
Materie, sondern Strahlung das Verhalten des Universums dominierte. Davon
haben wir bereits im Zusammenhang
mit der Entstehung der leichten Elemente
Gebrauch gemacht, weil sie so früh stattfand, dass nur die Strahlungsdichte für ihren Verlauf maßgeblich war.
Der Zeitpunkt, zu dem die Strahlungsdichte unter die Materiedichte fiel, markiert das Ende einer für die Entwicklung
der kosmischen Strukturen sehr wichtigen Zeitspanne. Multipliziert man sie
mit der Lichtgeschwindigkeit, so erhält
42 Sterne und Weltraum September 2007
man eine physikalische Länge. Sie gibt an,
über welche Strecken hinweg sich zwei
hypothetische Beobachter bis zum Ende
der strahlungsdominierten Phase verständigen konnten, da sich kein Signal schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten kann. Strukturen, die kleiner als diese
Horizontlänge am Ende der strahlungsdominierten Phase waren, konnten so
lange nicht anwachsen, bis endlich Materie zu dominieren begann. Dadurch wurde diese Horizontlänge für alle späteren
Strukturen eine charakteristische Größe.
Aus der Temperatur des CMB kennen
wir die heutige Strahlungsdichte, denn
alle anderen Beiträge dazu sind gegenüber dem CMB völlig vernachlässigbar.
Wenn es uns gelingt, diese charakteristische Größe kosmischer Strukturen etwa
anhand der Galaxienverteilung zu bestimmen, kennen wir die Horizontlänge am Ende der strahlungsdominierten
Phase und können daraus berechnen, wie
lange sie gedauert hat. Daraus kann dann
die Materiedichte bestimmt werden.
Mit etwa 200 Millionen Lichtjahren
ist die charakteristische Länge sehr groß.
Um sie bestimmen zu können, muss man
die Galaxienverteilung innerhalb kosmischer Volumina ausmessen, die eine
solche Strecke bequem einschließen können. Das ist erst seit wenigen Jahren möglich, wurde aber in zwei unabhängigen
großen Durchmusterungsprojekten unternommen. Beide konnten auf diese
22 h
2.5
Weise bestätigen, dass die Materiedichte
im Universum wesentlich geringer als die
kritische Dichte ist.
Während die Verteilung der Galaxien
offensichtlich leuchtende Strukturen abbildet (Abb. 9), kann der Gravitationslinseneffekt auch Dunkle Strukturen finden (Abb. 10). Wegen der großräumigen
Strukturen im Universum muss das Licht
von jeder entfernten Quelle abgelenkt und
damit dem Gravitationslinseneffekt unterworfen sein. Sein Astigmatismus sorgt
dafür, dass weit entfernte Quellen messbar verzerrt erscheinen, und dass diese
Verzerrungen auf relativ großen Winkel­
skalen am Himmel kohärent sind, also für
ausreichend eng benachbarte Galaxien
etwa gleich groß und gleich ausgerichtet
sind. Das gesamte Universum zwischen
den Quellen und uns als Beobachtern
wirkt dergestalt als Linse und prägt dem
fernen extragalaktischen Himmel ein charakteristisches Verzerrungsmuster auf.
Es ist eine der faszinierenden kosmologischen Errungenschaften der vergangenen wenigen Jahre, dass dieser Effekt
tatsächlich messbar wurde. Zunächst bedecken genügend schwache und weit entfernte Galaxien den Himmel wie eine fein
gemusterte Tapete. Es gibt so viele von ihnen, dass der Mond einige Zehntausend
davon bedeckt. Erst dadurch, dass die
Verzerrung aufgrund des Gravitationslinseneffekts an derart vielen Objekten
vermessen werden kann, wird sie über-
Konsistenz in der Kosmologie
Diese Ergebnisse gewinnen zusätzliche
Überzeugungskraft, wenn sie nicht jedes für sich genommen, sondern in ihrem Zusammenspiel betrachtet werden.
Erinnern wir uns: Grundlage der modernen Kosmologie sind die Feldgleichungen
der Allgemeinen Relativitätstheorie Einsteins. Verbunden mit zwei Symmetrieannahmen, nämlich denen der Isotropie
und der Homogenität, folgt aus ihnen die
Klasse der Friedmann-Modelle. Grundsätzlich sind Friedmann-Modelle möglich, die einen Urknall vermeiden, aber
einige einfache Beobachtungen zeigen,
dass unser Universum nicht von dieser
Art sein kann. Wenn also überhaupt ein
Friedmann-Modell zur Beschreibung unseres Universums in Frage kommt, dann
nur eines, das sich aus einem Urknall heraus entwickelt hat.
Zunächst muss geprüft werden, ob das
Universum tatsächlich als so symmetrisch
angesehen werden kann, wie die Fried­
mann-Modelle es annehmen. Für die Isotropie um uns spricht vieles, am überzeu-
gendsten aber die fast perfekte Richtungsunabhängigkeit des CMB. Dass unsere
Position im Universum gegenüber anderen nicht bevorzugt sei, ist eine Annahme,
die wir nicht mehr gewohnt sind, in Frage
zu stellen. Seit Kopernikus gehen wir unwidersprochen davon aus, dass wir nicht
im Mittelpunkt der Welt stehen. Auf dieser Grundlage erscheint uns die Annahme ganz natürlich, dass jedem Beobachter
das Universum isotrop erscheinen muss,
wenn es uns isotrop erscheint. Dann muss
das Universum aber zumindest in sehr
guter Näherung auch homogen sein.
Die grundlegenden Symmetrieannahmen der Friedmann-Modelle scheinen
also gerechtfertigt zu sein. Dann kommt
eine Reihe von Hinweisen dazu, dass sich
unser Universum zumindest qualitativ
wie ein Friedmann-Universum verhält.
Die Galaxienflucht war der erste davon,
hinzu kamen dann die Häufigkeit des
Heliums als Hinweis auf eine frühe heiße
Phase, das perfekte Planck-Spektrum des
CMB, das nicht nur zeigte, dass der CMB
thermischen Ursprungs ist, sondern auch,
dass sich das Universum gerade so ausgedehnt und abgekühlt hat, wie es für ein
Friedmann-Universum zu erwarten ist.
Legt man also die Allgemeine Relativitätstheorie zu Grunde und vertraut mit
guten Gründen den Symmetrieannahmen, so erscheint es zwingend, dass das
Universum zumindest in sehr guter Näherung durch ein Friedmann-Modell beschrieben werden muss. Dann bleibt die
Frage, ob es einen einzigen Satz von Parametern gibt, die das Universum nicht nur
in einem momentanen Zustand, sondern
auch in seiner Entwicklung konsistent zu
beschreiben vermögen. Dabei kommt ins
Spiel, dass verschiedene kosmologische
Messungen den Zustand des Universums
zu ganz verschiedenen Zeiten überprüfen.
Die Entstehung leichter Elemente war
etwa drei Minuten nach dem Urknall abgeschlossen. Die gemessenen Häufigkeitsverhältnisse lassen auf eine Baryonendichte schließen, die etwa vier Prozent der kritischen Dichte beträgt. Auch
aus den Temperaturschwankungen im
CMB lässt sich eine Baryonendichte bestimmen, die den Wert aus den Häufigkeitsverhältnissen der leichten Elemente
bestätigt. Aber der CMB entstand 400 000
Jahre nach dem Urknall! Dass diese beiden Messungen der Baryonendichte trotz
ihres enormen zeitlichen Abstands übereinstimmen, bestätigt die Konsistenz des
einen Friedmann-Modells, mit dem wir
unser Universum beschreiben möchten.
Messungen der mittleren Materiedichte sind mit Hilfe des CMB ebenso
möglich wie mit Hilfe des Gravitationslinseneffekts oder der typischen Längenskala in den kosmischen Strukturen.
Beide überprüfen aber den Entwicklungszustand des Universums Milliarden von
Jahren nach dem Urknall, also wesentlich
später als der CMB. Trotzdem stimmen
sie mit einem Friedmann-Modell überein. Diese nicht nur momentane, sondern
auch zeitliche Konsistenz der FriedmannModelle verleiht ihnen einen kaum antastbaren Status, wenn man nicht die beiden Grundlagen in Zweifel ziehen will,
auf denen sie beruhen: die Allgemeine
Relativitätstheorie und zwei Symmetrieannahmen.
Ausgedrückt in genaueren Zahlen sind
heute 4.2 Prozent der kritischen Dichte
Groupe INC, Stéphane Colombi, IAP
haupt nachweisbar, denn die typischen
Verzerrungen sind sehr schwach. Wären die verzerrten Objekte ursprünglich
kreisförmig, würden sie durch den Gravitationslinseneffekt zu Ellipsen, deren
Hauptachsen sich um wenige Prozent unterschieden. Trotz zahlreicher Schwierigkeiten im Detail ist es inzwischen gelungen, den schwachen kosmischen Gravitationslinseneffekt nicht nur zweifelsfrei
nachzuweisen, sondern ihn auch recht
genau auszumessen.
Leider erlauben es diese Messungen
nicht, die mittlere Materiedichte im Universum direkt zu bestimmen, weil der
Gravitationslinseneffekt nicht nur von
ihr abhängt, sondern auch von der mittleren Amplitude der kosmischen Dichteschwankungen. Letztere lässt sich aber
auch auf andere Weise abschätzen, zum
Beispiel anhand der Anzahl massereicher
Galaxienhaufen. Kombiniert man solche
Messungen mit dem schwachen Gravitationslinseneffekt, so wird das Ergebnis abermals bestätigt, dass (baryonische
und Dunkle) Materie nur zu etwa dreißig
Prozent zur Gesamtdichte des Universums beiträgt.
 Abb. 10: Das Licht entfernter
Galaxien wird durch den Gravitationslinseneffekt großer kosmischer Strukturen vielfach abgelenkt, bevor es bei uns ankommt. Der Astigmatismus des
Effekts verursacht kleine, aber
messbare Verzerrungen, die
Rückschlüsse auf die Strukturen
aus Dunkler Materie erlauben.
Sterne und Weltraum September 2007 43

baryonisch, und 24.3 Prozent bestehen
aus Dunkler Materie. Die kosmologische
Konstante trägt gerade so viel bei, dass
die Dichte insgesamt kritisch wird, was
sich daran ablesen lässt, dass unser Universum räumlich entweder flach oder im
Rahmen der Messgenauigkeit von einem
flachen Universum nicht zu unterscheiden ist. Daraus ergibt sich für das heutige
Alter des Universums ein Wert von 13.7
Milliarden Jahren.
Inflation und Dunkle Energie
Mit diesem großen Erfolg des kosmologischen Standardmodells ist die Kosmologie sicher nicht am Ende, aber zweifellos ist sie in eine neue Phase eingetreten. Während noch vor recht kurzer Zeit
selbst die wichtigsten kosmologischen
Parameter in Frage standen, steht das kosmologische Rahmenmodell heute so gut
wie fest. Gleichzeitig stellt es uns vor eine
Reihe schwerwiegender Probleme.
Literaturhinweise
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B. Leibundgut: Kosmologie mit Supernovae vom Typ Ia. SuW 5/2005,
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V. Springel: Die Millennium-Simulation. Auf den Spuren der Galaxien,
SuW 11/2006, S. 30 – 40
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ISSN 1612 4618
SuW Special 1/2006 »Unsere kos-
mische Heimat – das neue Bild
der Milchstraße«, Spektrum der
Wissenschaft Verlagsgesellschaft
mbH, ISSN 1434 2057
44 Sterne und Weltraum September 2007
Abb. 11: Während der (hypothetischen!) Phase der kosmologischen Inflation wurde das Universum innerhalb sehr kurzer Zeit
extrem stark ausgedehnt. Dabei
wurden Quantenfluktuationen so
stark vergrößert, dass sie zu Vorläufern heutiger Strukturen werden konnten.
Zunächst müssen wir zur Kenntnis
nehmen, dass fast alle Materie im Universum dunkel ist, oder jedenfalls nicht von
der baryonischen Art, wie wir sie kennen.
Aus der Tatsache, dass die Temperaturschwankungen im CMB im Bereich von einigen zehn Mikro- statt Millikelvin liegen,
müssen wir schließen, dass die Dunkle Materie nicht mit Licht wechselwirken kann.
Am plausibelsten erscheinen uns schwach
wechselwirkende Elementarteilchen, aber
wir haben keinen der wahrscheinlichen
Kandidaten bisher auch entdeckt. Möglicherweise werden Experimente wie der
Large Hadron Collider, der noch 2007 am
Cern in Genf den Betrieb aufnehmen soll,
eine Antwort auf die Frage liefern, woraus
die Dunkle Materie besteht.
Wir verstehen auch, wie kosmische
Strukturen zu ihrer heutigen Amplitude
angewachsen sein können, wenn wir davon ausgehen, dass sie im jungen Universum angelegt worden waren. Aber worin
liegt ihr Ursprung? Wodurch wurden sie
angelegt? Es stellt sich heraus, dass die ergänzende Theorie der kosmologischen
Inflation hervorragend dafür geeignet
sein kann, eine Antwort auf diese Frage
zu geben, obwohl sie ursprünglich dazu
geschaffen worden war, die räumliche
Flachheit des Universums zu erklären.
Wie erwähnt, ist Flachheit eine instabile Eigenschaft der Friedmann-Modelle, weil sie sich davon weg bewegen, falls
sie nicht von Anfang an perfekt räumlich
flach waren. Die kosmologische Infla­tion
erklärt die Flachheit dadurch, dass sie eine
Entwicklungsphase annimmt, in der sich
das Universum sehr rasch sehr stark ausgedehnt hat (Abb. 10). Dadurch mag sein
Krümmungsradius so groß geworden
sein, dass er bis heute als beinahe unendlich erscheint und das Universum damit
als räumlich flach.
Wenn es eine solche Phase gab, dann
müssen in ihr auch die unvermeidlichen
Quantenfluktuationen extrem vergrößert worden sein, die es im sehr jungen
Universum gegeben haben muss. Die Inflation kann dafür gesorgt haben, dass
ursprünglich subatomar kleine Quantenfluktuationen so stark vergrößert wurden, dass sie zu Vorläufern der heutigen
kosmischen Strukturen werden konnten.
Für diese atemberaubende These spricht
inzwischen alle Evidenz. Insbesondere folgen aus ihr eine Reihe statistischer
Eigenschaften solcherart entstandener
Strukturen, die offenbar genau denen
entsprechen, die wir an den kosmischen
Strukturen beobachten können. Obwohl
es noch keinen direkten Nachweis der
kosmologischen Inflation gibt, liefert sie
inzwischen die einzige plausible Theorie für die räumliche Flachheit, den Ursprung kosmischer Strukturen und eine
Reihe weiterer Eigenschaften des kosmologischen Standardmodells.
Wenn es eine Inflation gab, was mag
sie getrieben haben? Teilchenphysiker
sind nicht darum verlegen, eine physikalische Antwort darauf zu geben. Sie können zeigen, dass ein genügend stark mit
sich selbst wechselwirkendes, einfaches
Quantenfeld genau dazu führen kann,
dass sich das Universum beschleunigt
ausdehnt. Sie postulieren also ein solches
Feld, das Inflatonfeld, als Ursache der kosmologischen Inflation.
Wir mussten aber auch feststellen,
dass das Universum heute abermals eine
Phase beschleunigter Expansion durchläuft, was wir oben der kosmologischen
Konstante zugeschrieben hatten. Aus vielen Gründen ist die kosmologische Konstante aus der Sicht der Allgemeinen Relativitätstheorie etwas sehr einfaches, aus
der Sicht der Teilchenphysik aber etwas
höchst unbefriedigendes. Also liegt es
nahe, als Ursache der heutigen beschleunigten Expansion ebenso wie für die
kosmologische Inflation ein geeignetes
Quantenfeld anzunehmen, das üblicherweise als Kosmonfeld, Quintessenz oder
mit einem Oberbegriff als Dunkle Energie
bezeichnet wird. Auf der Suche nach der
Dunklen Energie, von der wir fast nichts
wissen, außer dass sie für die beschleunigte Ausdehnung des Universums verantwortlich sein soll, befinden wir uns an
einem bescheidenen Anfang. Ohne Zweifel sind die Infla­tion, die Dunk­le Materie
und die Dunkle Energie die wichtigsten
Rätsel, die uns das sonst so erfolgreiche
kosmologische Standardmodell aufgibt.
Sehr wahrscheinlich wird uns ihre Beantwortung in eine neue Ära der Physik be
gleiten.
Matthias Bartelmann
ist Direktor am Institut
für Theoretische Astrophysik, einem der drei
Institute des Zentrums
für Astronomie der Universität Heidelberg,
und Mitherausgeber
von SuW.
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