Fakultät für Wirtschaftswissenschaften Professur für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre Bachelorarbeit „Absatzpolitische Gestaltungsmuster im Islamic Banking“ Francie Karl Erstgutachter: Prof. Dr. Friedrich Thießen Abgabedatum: 08.02.2012 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ................................................................................................. III Tabellenverzeichnis ....................................................................................................... IV Glossar............................................................................................................................. V 1 Einleitung.............................................................................................................. 1 2 Marketing in Banken ........................................................................................... 3 2.1 Grundlagen des Marketing..................................................................................... 3 2.2 Bankmarketing ....................................................................................................... 5 2.2.1 Besonderheiten von Bankleistungen ........................................................... 5 2.2.2 Anforderungen an das Bankmarketing ........................................................ 7 2.2.3 Phasen des Bankmarketing.......................................................................... 7 2.2.4 Marketingmix .............................................................................................. 9 3 Grundlagen des Islamic Banking ..................................................................... 10 3.1 Islam und islamische Wirtschaftsvorstellungen .................................................. 10 3.2 Shari’a und Shari’a-Boards .................................................................................. 12 3.3 Islamic Banking und seine fünf Schlüsselprinzipien ........................................... 14 3.3.1 Geld – moralische und ethische Grundlage ............................................. 15 3.3.2 Riba – das Verbot von Zinsen ................................................................. 15 3.3.3 Gewinn- und Verlustteilung .................................................................... 16 3.3.4 Gharar und Maysir – Unsicherheit und Glücksspiel ............................... 17 3.3.5 Halal und Haram – Erlaubtes und Verbotenes ........................................ 18 4 Shari’a Marketing.............................................................................................. 20 4.1 Notwendigkeit, Potential und Herausforderungen eines shari’a-konformen Marketing für das Islamic Banking ..................................................................... 20 4.2 Philosophie des islamischen Marketing ............................................................... 22 4.3 Das „4C’s“-Customer-Perspective-Konzept........................................................ 23 5 Islamic Banking Marketingmix ........................................................................ 25 5.1 Product – Produktpolitik ...................................................................................... 25 5.1.1 Allgemeine Anforderungen ..................................................................... 26 5.1.2 Besonderheiten für das Islamic Banking ................................................. 28 5.1.3 Beispielhafte Ausgestaltungsmuster ........................................................ 28 5.1.4 Wertung ................................................................................................... 33 I Inhaltsverzeichnis 5.2 Price – Preispolitik ............................................................................................... 36 5.2.1 Allgemeine Anforderungen ..................................................................... 36 5.2.2 Besonderheiten für das Islamic Banking ................................................. 37 5.2.3 Beispielhafte Ausgestaltungsmuster ........................................................ 39 5.2.4 Wertung ................................................................................................... 40 5.3 Promotion – Kommunikationspolitik .................................................................. 40 5.3.1 Allgemeine Anforderungen ..................................................................... 41 5.3.2 Besonderheiten für das Islamic Banking ................................................. 42 5.3.3 Beispielhafte Ausgestaltungsmuster ........................................................ 44 5.3.4 Wertung ................................................................................................... 48 5.4 Place – Vertriebs- und Verhandlungspolitik ........................................................ 49 5.4.1 Allgemeine Anforderungen ..................................................................... 49 5.4.2 Besonderheiten für das Islamic Banking ................................................. 50 5.4.3 Beispielhafte Ausgestaltungsmuster ........................................................ 51 5.4.4 Wertung ................................................................................................... 55 5.5 People................................................................................................................... 56 6 Schlussbemerkungen und Ausblick ................................................................. 59 Anhang ......................................................................................................................... VII Literaturverzeichnis....................................................................................................... X II Abbildungsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Die Entwicklungsstufen des Marketing ...................................................... 4 Abbildung 2: Die Phasen des Bankmarketingmanagements ............................................ 8 Abbildung 3: Der klassische Marketingmix ..................................................................... 9 Abbildung 4: Die Verbreitung des Islam ........................................................................ 11 Abbildung 5: Die Prinzipien des Islamic Banking.......................................................... 14 Abbildung 6: Die Formen von Riba ................................................................................ 16 Abbildung 7: Die Formen von Gharar ............................................................................ 18 Abbildung 8: Das Murabaha-Grundmodell .................................................................... 30 Abbildung 9: Der Strukturierungsprozess eines Sukuk-Al-Murabaha ........................... 31 Abbildung 10: Homepage-Design der AlAhli Bank (NCB) ........................................... 45 Abbildung 11: Homepage-Design der Bank Muamalat Malaysia Berhad...................... 46 Abbildung 12: Logos der AlAhli Bank (NCB), der Kuveyt Türk Participation Bank und der Dubai Islamic Bank ................................................................................ 47 Abbildung 13: Logo der Al-Shaheen-Produkte .............................................................. 47 Abbildung 14: Filial-Design der Barwa Bank ................................................................ 51 Abbildung 15: Bankamiz-Standorte der Deutschen Bank in Deutschland ..................... 52 III Tabellenverzeichnis Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Online-Banking- und Filialbetriebsverhalten von Kunden islamischer Banken ................................................................................................................. 54 Tabelle 2: Servicequalitätskriterien für Banken .............................................................. 58 IV Glossar Glossar Allah Gott Fatwah rechtliche Meinung nach islamischen Recht Gharar Risiko/Unsicherheit Gharar fahish bedeutende Unsicherheit Gharar yasir unbedeutende Unsicherheit Haddsch Pilgerfahrt nach Mekka Halal zulässig und rechtmäßig Haram unrechtmäßig Ijma Konsens der islamischen Gelehrten Maysir Glücksspiel Murabaha Verkauf einer Ware/eines Gegenstandes mit Gewinnaufschlag Qard Hassan zinsloses Darlehen, insbesondere für Arme Qiyas Analogieschluss Riba Zinsverbot und Wucher/Zinswucher und Ähnliches Riba buyu Wucher im Handel Riba duyun Wucher bei Schulden Salat fünfmaliges tägliches Gebet Saum Fasten im Ramadan Shahada islamisches Glaubensbekenntnis Shari’a religiöses islamisches Recht Shari’a Board religiöser Bankenbeirat Sukuk islamischer Bond Sukuk-al-Murabaha Form des islamischen Bonds V Glossar Sunna Überlieferungen von Mohammed Takaful islamkonforme Versicherung auf Solidaritätsbasis Tashbih islamische Gebetskette Wadiah Verwahrung, hier im Sinne von Bankeinlagen Zakat Almosensteuer VI 1Einleitung 1 Einleitung In Deutschland leben derzeit zwischen 3,8 und 4,3 Millionen Muslime, damit gehören hierzulande 4,6 bis 5,2 Prozent der gesamten Bevölkerung dieser Glaubensgemeinschaft an. Der Islam bildet somit als drittgrößte Religion in Deutschland hinter den beiden christlichen Konfessionen einen integralen Bestandteil unserer gegenwärtigen Gesellschaft.1 Bei Betrachtung der muslimischen Glaubensgemeinschaft lassen sich zahlreiche Untergruppierungen identifizieren. Daraus lässt sich ableiten, dass sich die Glaubensrichtungen in der Art ihres Wesens, aber auch in der Intensität des Glaubens unterscheiden. Die islamische Religion beeinflusst durch ihren Charakter das ökonomische Leben, da der Koran als Heilige Schrift der Religion die Hauptquelle des islamischen Gesetzes, der Shari'a, ist. Das islamische Finanzwesen ist dadurch von den Grundsätzen des Maßes, des Realitätssinns und des Anstands geprägt.2 Glücksspiel, Waffen oder Pornografie – was der Mensch meiden soll, damit soll er auch keinen Handel treiben. Ebenso sieht das der Koran. Aus diesem Grund hat sich seit den 60er Jahren ein Bankwesen etabliert, dass im Einklang mit dem muslimischen Ethik-Vorstellungen steht – das Islamic Banking. Es gilt unter anderem die klassischen Verbote des Islams – unschickliche Investitionen, Spekulationsgeschäfte und Zinsen – mit einem modernen und wettbewerbsfähigen Finanzsystem zu vereinen. Besondere Aktualität gewinnt das Islamic Banking vor dem Hintergrund der vielzitierten Wirtschafts- und Finanzkrise. Es geht im Rahmen der allgemeinen Systemdiskussion hierzulande auch darum, den bislang eher weniger berücksichtigten islamischen Finanzregeln mehr Beachtung zu schenken und das Käuferpotential der muslimischen Gesellschaft in die Marktüberlegungen zu integrieren. Entgegen der weitverbreiteten Annahme ist ökonomische Aktivität im Islam ausdrücklich erwünscht!3 Beispielsweise haben Arbeitnehmer türkischer Herkunft in Deutschland doppelt so hohe Sparquoten wie ihre deutschen Kollegen und stellen somit eine attraktive Zielgruppe für die Vermarktung von Finanzleistungen dar.4 Islamische Finanzprodukte gewinnen nicht zuletzt dadurch an Bedeutung. Neben den zahlreichen kulturellen und rechtlichen Anforderungen an shari’a-konforme Produkte stellt auch die absatzpolitische Gestaltung dieser eine Herausforderung dar. Zur konkreten Um1 Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2009), S. 81. Vgl. Stahnke (2009). 3 Vgl. Sacarcelik (2011), S. 2 ff. 4 Vgl. Knappmann (2006). 2 1 1 Einleitung setzung einer speziellen Marketingstrategie werden marketingpolitische Instrumente eingesetzt. Der kombinierte Einsatz der Ausgestaltungsinstrumente aus den Bereichen Produkt, Preis, Distribution und Kommunikation wird als Marketingmix bezeichnet. Speziell vor dem Hintergrund, dass lediglich ein geringer Teil der muslimischen Bevölkerung sehr streng gläubig ist, reicht die Entwicklung von Produkten, die im Einklang mit den religiösen Anforderungen stehen, allein nicht aus, um Muslime als Zielgruppe anzusprechen. Bei der Mehrzahl der Kunden spielen weitere Faktoren eine Rolle, die im Marketingmanagement Beachtung finden sollten, denn Banking ist immer auch eine Frage des Marketing! Die muslimische Bevölkerung soll in dieser Arbeit als spezielle Zielgruppe des Marketing im Vordergrund stehen. Ziel der Bachelorarbeit ist es, einen Überblick über die absatzpolitischen Ausgestaltungsmuster zu geben, die einen optimalen Marketingmix garantieren. Auf Grundlage der Marketingtheorie werden die Marketingfelder Produkt, Preis, Vertrieb und Kommunikation vorgestellt sowie beispielhaft Möglichkeiten zu deren Ausgestaltungen im Rahmen des Islamic Banking analysiert. Das zweite Kapitel der vorliegenden Arbeit soll grundlegende Züge des Marketing als Erfolgsfaktor für Unternehmen charakterisieren. Im Speziellen wird auf das Marketing von Banken eingegangen. Die von Banken angebotenen Dienstleistungen mit ihren spezifischen Eigenschaften werden beschrieben und der Marketingmix – als Hauptbestandteil der Forschungsfrage – vorgestellt. Mit Hilfe des dritten Kapitels soll ein erster Eindruck über das Wesen des Islam geschaffen werden. Dazu werden dem Leser das Grundverständnis der Religion und wichtige Begrifflichkeiten im Zusammenhang mit dem islamischen Recht vermittelt. Die Vorstellung des Islamic Banking und dessen Schlüsselprinzipien bildet den Abschluss des Kapitels. Im vierten Kapitel werden philosophische Hintergründe, Herausforderungen und Potentiale eines shari’a-konformen Marketing vorgestellt. Es wird hierbei auf ein spezielles Konzept zur Umsetzung des Marketing eingegangen. Anschließend widmet sich das fünfte Kapitel dem Marketingmix. Die wesentlichen Gestaltungsfelder werden anhand allgemeiner und shari’a-spezifischer Merkmale charakterisiert. Es werden beispielhafte Ausgestaltungsmuster gezeigt und bewertet. Insbesondere sollen Potentiale für den deutschen Raum herausgestellt werden. Zur Vereinfachung der Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die männliche Form als Platzhalter für beide Geschlechter eingesetzt. 2 2 Marketing in Banken 2 Marketing in Banken Dieses Kapitel soll überblicksartig darstellen, warum das Marketing nicht zuletzt bei Banken einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet. Im ersten Teil des Kapitels werden allgemeine Verständnisgrundlagen der Marketingtheorie erarbeitet. Das Bankmarketing als spezielle Ausprägungsform des institutionellen Marketing steht im zweiten Teil des Kapitels im Vordergrund der Betrachtungen. Die Wesensbesonderheiten der von Banken angebotenen Dienstleistungen stellen die Grundlage für die einzelnen Anforderungen an ein erfolgreiches Bankmarketing dar. Am Ende des zweiten Kapitels werden einzelne Phasen des Bankmarketing zur Einordnung des für die vorliegende Arbeit bedeutsamen Marketingmix vorgestellt. 2.1 Grundlagen des Marketing In den Köpfen vieler Menschen ist der Begriff des Marketing eng mit der Vorstellung von Verkaufen und Werbung verknüpft. In einer Gesellschaft, die geprägt ist von Werbeanzeigen in sämtlichen Printmedien und auf nahezu jeder Internet-Seite, von Fernseh- und Radiowerbespots und einer großen Informationsflut beim wöchentlichen Einkaufen verwundert eine derartige Einordnung nicht. Ständig wird versucht, einem etwas zu verkaufen. Das Marketing von heute wird weniger der Entwicklung des optimalen Verkaufskonzepts gleichgesetzt, sondern vielmehr als eine umfassende Konzeption zur Befriedigung der Wünsche von Käufern verstanden. Das Marketing setzt weit vor dem eigentlichen Verkaufsprozess eines Produktes an, denn die Kundenbedürfnisse müssen bereits vor der tatsächlichen Produktion identifiziert, analysiert und geschickt in die Produktentwicklung einbezogen werden.5 Seit den 80er Jahren hat sich der Anspruchsbereich eines modernen Marketing und damit einhergehend das Begriffsverständnis durch die Internationalisierung und Globalisierung der (Finanz)märkte stark erweitert. Technischer Fortschritt, der wachsende Welthandel, die Liberalisierung des internationalen Wettbewerbs und nicht zuletzt ein Wertewandel in Politik und Gesellschaft stellen für das Eingehen auf Kundenbedürfnisse eine ständige Herausforderung dar.6 5 6 Vgl. Kotler u.a. (2011), S. 38 f. Vgl. Kopper (1992), S. 108 ff. 3 2 Marketing in Banken Abbildung 1: Die Entwicklungsstufen des Marketing7 Bezugnehmend auf Abbildung 1 lässt sich die Entwicklung des Marketing in den letzten Jahrzehnten verständlich nachvollziehen. Die 50er Jahre waren strukturell von einem Verkäufermarkt geprägt, das Unternehmen als solches stand im Fokus der Betrachtungen. In den 60er Jahren sahen sich die Unternehmen einem immer stärker werdenden Käufermarkt gegenüber. Die Fokussierung des Marketing bezog sich auf die Instrumente und deren Implementierung im Alltagsgeschäft. Im weiteren Verlauf wuchs die Nachfragemacht des Handels weiter und es galt, das Marketing langfristig auszurichten. Es gewann dadurch in der strategischen Unternehmensplanung an Bedeutung. Bereits in den 80er Jahren wurden die Marketingaktivitäten der Unternehmen enorm verstärkt, da der Einfluss der Internationalisierung und des globalen Wettbewerbs stark zunahm. Das Aufgabenspektrum des Marketing erweiterte sich auch noch zu Beginn der 90er Jahre. In den Fokus rückten hierbei die veränderten und sich entwickelnden rechtlichen, ökonomischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Neue Herausforderungen an das moderne Marketing werden gegenwärtig durch erstmalig eingeführte Informations- und Kommunikationstechnologien und nicht zuletzt durch neue Strukturen im Konsumbereich gestellt.8 Mit der stets steigenden Bedeutung des Marketing und der Erschließung neuer Möglichkeiten zur Ausgestaltung haben sich viele verschiedene Definitionen des Marketingbegriffs in Forschung und Lehre etabliert. Für die vorliegende Arbeit soll Marketing als ein Prozess im Wirtschafts- und Sozialgefüge betrachtet werden. Dabei befriedigen Einzelpersonen und Gruppen ihre Be7 8 eigene Darstellung in Anlehnung an: Meffert (2009), S. 10. Vgl. Meffert u.a. (2008), S.8 f. 4 2 Marketing in Banken dürfnisse durch die Erzeugung von Produkten, Dienstleistungen und anderer Dinge von Wert um diese einander anzubieten und miteinander auszutauschen. Der geschaffene Kundenwert dient dem Aufbau langfristiger Kundenbeziehungen und ist für das Unternehmen profitabel.9 Durch den an den Kundenbedürfnissen orientierten Einsatz der absatzpolitischen Instrumente werden außerdem die Marktwiderstände zwischen Angebot und Nachfrage überwunden.10 2.2 Bankmarketing Jeder Unternehmenserfolg hängt schlussendlich vom Absatzmarkt ab. Im Konkurrenzkampf um die „beste“ Bankleistung ist der Wettbewerbsdruck in den letzten Jahren enorm gestiegen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Spezifika der Bankleistungen viele marketingrelevante Besonderheiten aufweisen. 2.2.1 Besonderheiten von Bankleistungen Bankleistungen haben spezifische Eigenschaften, die sie zum Beispiel von Konsumgütern unterscheiden und bei der Ausgestaltung des Marketing Beachtung finden sollten. So sind zum einen die Leistungen von Banken abstrakt und dadurch nicht für jedermann sofort greifbar. Der Gegenstand einer Bankleistung ist kein konkretes Produkt. Zudem spielt Geld als nicht dinggebundenes Element bei diesen Betrachtungen eine besondere Rolle. Die Dienstleistungen der Bank sind des Weiteren durch detaillierte vertragliche Bestimmungen ausgestaltet, um gesetzlichen Anforderungen zu genügen.11 Van Hooven (1991) stellt außerdem heraus, dass die meisten Bankprodukte austauschbar sind. Durch die für andere Institutionen relativ problemlose Imitation von Produkten werden einzelne Produkte für den Kunden – auch durch das reichhaltige Angebot im Allgemeinen – leicht durch andere ersetzbar. Hierbei kommt dem Bekanntheitsgrad und dem Image der Bankleistung eine bedeutende Rolle zu.12 Eine Bank bietet des Weiteren derart komplexe Produkte für ihre Kunden an, so dass oftmals eine Verbindung verschiedener Leistungen anzutreffen ist. Beispielsweise ist ein Einlagengeschäft in der Regel mit einer Zahlungsverkehrstransaktion 9 Vgl. Kotler u.a. (2011), S. 38 f. Vgl. von Hagen/von Stein (2000), S. 1211. 11 Vgl. Süchting (1991), S. 28 f. 12 Vgl. van Hooven (1991), S. 508 f. 10 5 2 Marketing in Banken verbunden.13 Die Verflechtung der verschiedenen Produktkategorien bietet andererseits auch großes Absatzpotential für die Organisation. Zum Beispiel stellt eine entsprechende Versicherung für einen abzuschließenden Kredit ein ideales Zusatzelement für den Kunden dar. Die somit erhöhte Nachfrage nach Bankprodukten in allen Kategorien kann als Besonderheit der Bankleistung nicht außer Acht gelassen werden.14 Süchting (1991) stellt überdies das Zeitelement bei der Betrachtung von Bankleistungen in den Vordergrund. Der Kunde tritt in der Regel mit dem Abschließen eines Vertrags in eine Absatzbeziehung ein. Die Geschäfte finden somit nicht in einem einmaligen Akt ihren Abschluss.15 Ergänzend dazu lässt sich anführen, dass eine Bankleistung im Zeitpunkt ihrer Entstehung abgesetzt werden muss, da sie analog zu anderen Dienstleistungen nicht lagerfähig oder speicherbar ist.16 Hinzukommend ist festzuhalten, dass der Bankberater einen integralen Bestandteil der Bankleistung als sogenanntes menschliches Element darstellt, da letztendlich die Leistungen dem Kunde verständlich gemacht und an diesen vertrieben werden müssen.17 Das Marketingsystem eines Finanzinstituts kann nicht auf eine Stufe mit beispielsweise klassischen Systemen der Konsumgüterindustrie gestellt werden, da sich unter anderem der Vertrieb der Serviceleistungen der Banken zumeist in den lokalen Zweigstellen ansiedelt. An dieser Stelle setzt erneut die Theorie der Käufer-Verkäufer-Beziehung als ein zentrales Element der Bankleistung an. Wie dargestellt, kommt dem Berater hierbei die Rolle des Verkäufers vor Ort zu. Dem Bankmanagement obliegt hingegen die Aufgabe, die angebotenen Dienstleistungen derart auszugestalten, dass sie den internationalen, nationalen, aber auch lokalen Bedürfnissen gerecht werden können. Werden die Bankleistungen aus Sicht des anbietenden Unternehmens betrachtet, muss zusätzlich beachtet werden, dass der Vertrieb von Bank- und Versicherungsleistungen mit hohem finanziellem Risiko behaftet ist. Bei der Erweiterung und der Veränderung der Marktleistungen ist daher gewisse Vorsicht geboten.18 13 Vgl. Büschgen/Büschgen (2002), S. 22. Vgl. Meidan (1996), S. 4. 15 Vgl. Süchting (1991), S. 28 f. 16 Vgl. Büschgen/Büschgen (2002), S. 22. 17 Vgl. Richard u.a. (2000), S. 37. 18 Vgl. Meidan (1996), S. 3 f. 14 6 2 Marketing in Banken 2.2.2 Anforderungen an das Bankmarketing Auf Grundlage der vorgestellten Eigenschaften von Bankleistungen muss ein entsprechendes Marketing bestimmte Wesenszüge aufweisen. Wird das Marketing als praktische Aufgabe für Banken betrachtet, sind drei Problematiken zu thematisieren. Die Institution muss zum einen Absatzmärkte finden und zum anderen ihre Angebote entsprechend gestalten. Schließlich soll durch eine systematische kundenorientierte Unternehmensführung die Nachfrage beeinflusst werden. Zur Erreichung dieser Ziele muss die Angebotspalette in einer für den Kunden transparenten und verständlichen Weise gestaltet werden. Das Vertrauen des Kunden gilt als Erfolgsfaktor zur Erzielung eines Abschlusses.19 2.2.3 Phasen des Bankmarketing Zur erfolgreichen Umsetzung des Bankmarketingmanagements sind mehrere ineinander übergreifende Schritte durchzuführen. Abbildung 2 stellt einen idealtypischen Verlauf des Managementprozesses dar. In der ersten Phase wird die Entscheidungsfindung vorbereitet. Der Schwerpunkt zu Beginn des komplexen Prozesses liegt im Bereich der Beschaffung, der Aufbereitung und der Analyse von Informationen. Die Marktinformationen beziehen sich auf allgemeine Rahmenbedingungen sowie auf spezielle marktbezogene Gegebenheiten. Hierbei gilt es im Besonderen das Nachfrager- und Anbieterverhalten zu untersuchen. Das Management der Unternehmensinformationen bezieht sich vor allem auf die Analyse von Stärken und Schwächen der eigenen Organisation. Die zweite Phase dient der Festlegung der Oberziele der Bank. In Verbindung mit dem Unternehmensleitbild können daraus dann Unterziele entwickelt und quantitative Vorgaben für die Institution erarbeitet werden. Zur strategischen Umsetzung wird im folgenden Abschnitt die Marketingstrategie formuliert. Inhaltlich sollte hierbei das unternehmerische Verhalten der Bank im Markt fokussiert werden.20 Eine Marketingstrategie sollte grundlegende Elemente beinhalten. Gesetzliche Rahmenbedingungen, Branchenspezifika und die eigene strategische Absicht sollten Einfluss finden. Die Definition der eigenen Ziele in Verbindung mit dem optimalen Einsatz der Ressourcen auf personeller, finanzieller und immaterieller Ebene ist daher hier angesiedelt. Ein weiteres essentielles Element bildet das Erkennen des eigenen Wettbewerbsvorteils und die daraus resultierende Konzentration auf Kernkompetenzen. Den letzten Bestandteil bildet die Nutzung von sich ergebenden Synergieeffekten im eigenen Unter19 20 Vgl. Bättig (1992), S. 9 ff. Vgl. Büschgen/Büschgen (2002), S. 23 ff. 7 2 Marketing in Banken nehmen und auf den betreffenden Märkten.21 In Phase vier wird auf operativer Ebene der Einsatz der Marketinginstrumente geplant. Auf die konkrete Ausgestaltung dieses sogenannten Marketingmix wird im folgenden Abschnitt der Arbeit eingegangen. Abbildung 2: Die Phasen des Bankmarketingmanagements22 Die letzte Phase wird als Managementphase bezeichnet. Zum einen muss in diesem letzten Abschnitt eine marktorientierte Bankorganisation umgesetzt werden. Die Bank als Organisation muss in Übereinstimmung mit in den vorangegangenen Phasen getroffenen Entscheidungen adäquate aufbauorganisatorische Strukturen schaffen um einen Marketingerfolg generieren zu können. Zum anderen erfolgt in der Schlussphase eine Marketingkontrolle. Durch Soll-Ist-Analysen und/oder kritische Betrachtungen der einzelnen Elemente der Phasen eins bis vier kann der Erfolg der Maßnahmen kontrolliert werden. Diese letzte Phase ist dann Ansatzpunkt für eventuelle Korrekturen, die auf Grund der Marketingkontrolle im gesamten Prozess vorgenommen werden müssen. Der vorgestellte Prozess mit seinen einzelnen Phasen ist als fortlaufend und wiederkehrend zu verstehen.23 21 Vgl. Zamil u.a. (2010), S. 66. Eigene Darstellung in Anlehnung an: Büschgen/Büschgen (2002), S. 24. 23 Vgl. Büschgen/Büschgen (2002), S. 23 ff. 22 8 2 Marketing in Banken 2.2.4 Marketingmix Zur Umsetzung der erarbeiteten Marketingstrategie auf operativer Ebene werden die marketingpolitischen Gestaltungsinstrumente eingesetzt. Der kombinierte Einsatz der Instrumente wird als Marketingmix bezeichnet. Die im Bankensektor zur Verfügung stehenden Instrumente werden in vier marktpolitische Bereiche eingeteilt: Produkt- und Preispolitik, sowie Distributions- und Kommunikationspolitik. Im folgenden Verlauf dieser Arbeit werden die marketingpolitischen Felder isoliert voneinander dargestellt, um aus didaktischer Sicht einen sinnvollen Überblick gewährleisten zu können. In der Praxis müssen hingegen alle marketingpolitischen Entscheidungen hinsichtlich Wahl und Einsatz der Instrumente als eine umfassende Aufgabe betrachtet werden. Es gilt – neben der Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten der Instrumente miteinander – zusätzlich zu beachten, dass der intensitätsmäßige Einsatz einzelner Instrumente koordiniert werden muss. Abbildung 3: Der klassische Marketingmix24 Abbildung 3 soll verdeutlichen, dass die vier Bereiche des Marketingmix untrennbar miteinander verbunden sind. Der Kunde steht hierbei bei allen Betrachtungsweisen im Vordergrund. Die Abbildung soll einen ersten Eindruck vermitteln, welche Entscheidungen innerhalb der marketingpolitischen Felder generell getroffen werden. Es werden beispielsweise innerhalb der Produktpolitik Produkte und Retailsparten ausgewählt, aber auch Zahlungskonditionen wie Laufzeiten festgelegt.25 24 25 Eigene Darstellung in Anlehnung an: Yavuz (2011), S. 8 ff. Vgl. Büschgen/Büschgen (2002), S. 95. 9 3 Grundlagen des Islamic Banking 3 Grundlagen des Islamic Banking Millionen Muslime leben in Europa und die islamische Religionsgemeinschaft wächst von allen am raschesten. Die Unterstellung, die islamische Präsenz in Europa sei mit den hiesigen Werten und Lebensformen nicht vereinbar, ist auf Grund der überwältigenden Mehrheit, die friedlich mit den einheimischen Nachbarn zusammenlebt, nicht tragbar.26 Die circa vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime stellen einen integralen Bestandteil unserer Gesellschaft dar. Die Muslime bilden nicht zuletzt dadurch eine Anspruchsgruppe für den Finanzsektor. Der Islam als Religion muss als die Grundlage für das Leben der Muslime betrachtet werden. In diesem Kapitel werden der Islam und das daraus resultierende Bild eines Wirtschaftssystems vorgestellt. Im Abschnitt 3.2 stehen das islamische Recht – Shari’a – und der religiöse Bankenbeirat – Shari’a Board – als wesentliche Bestandteile des Islamic Banking im Vordergrund der Betrachtungen. Fünf wesentliche Grundsätze, die das Islamic Banking prägen, werden im letzten Abschnitt definiert und charakterisiert. 3.1 Islam und islamische Wirtschaftsvorstellungen Das Wort „Islam“ bedeutet aus dem Arabischen übersetzt Unterwerfung/völlige Hingabe an Gott. Mit seinen 1,2 bis 1,5 Milliarden Anhängern gilt der Islam als zweitgrößte Religion der Welt. Im deutschsprachigen Raum werden die Anhänger der Religion als Muslime oder Moslems bezeichnet. Die Ursprünge der von Mohammed gestifteten Religion reichen bis ins siebente Jahrhundert zurück. Der Islam als monotheistische Religion ist vom Grundgedanken der Einheit Gottes – Allah – geprägt. Die Quelle der islamischen Lehre ist der Koran, die Heilige Schrift, die die wörtliche Offenbarung Gottes an seinen Propheten verkörpert. Neben seiner Funktion als Weltreligion stellt der Islam einen Kulturraum dar. Der Islam ist in mehrere Glaubensrichtungen gespalten, neben der Existenz kleinerer Gruppen und Untergruppen können als Hauptrichtungen die Sunniten und die Schiiten identifiziert werden.27 Abbildung 4 soll einen Überblick über die Verbreitung der islamischen Religion in der Welt geben. Die unterschiedlichen farbigen Markierungen geben an, 26 27 Vgl. Leggewie (2002), S. 7 f. Vgl. Brockhaus F. A. GmbH (2005), S. 413. 10 3 Grundlagen des Islamic Banking wie hoch der prozentuale Anteil an Muslimen im Vergleich zur gesamten Bevölkerung im jeweiligen Land ist. Abbildung 4: Die Verbreitung des Islam28 Die Lehre des Islam gründet sich auf fünf Säulen, die als Grundpflichten jedem Muslim zur Erfüllung auferlegt sind. Zu diesen Pflichten zählen die Abgabe des islamischen Glaubensbekenntnisses – Shahada –, das fünfmalige tägliche Gebet – Salat –, das Fasten im Ramadan – Saum –, das Abführen von Almosensteuer – Zakat – sowie die Teilnahme an der Pilgerfahrt nach Mekka – Haddsch –.29 Die Religion des Islam ist von sechs Glaubensgrundsätzen – dem Glaube an den einzigen Gott Allah, an seine Engel, an seine Gesandten (Propheten), an seine Offenbarung, an den Tag des Jüngsten Gerichts und an das Leben nach dem Tod sowie die Vorherbestimmung – geprägt.30 Der Lehre des Islam nach ist der Mensch das höchste Wesen auf der Erde. Die Menschheit ist gekennzeichnet von einer grundlegenden Einheit und Brüderlichkeit. Das Wohlergehen aller Menschen ist das erklärte Hauptziel des Islam. Das Wohlbefinden des Menschen wird durch die Befriedigung körperlicher, geistiger und materieller Bedürfnisse bestimmt.31 Da der Adressat der moralischen Lehre im Islam das Individuum darstellt, gibt die islamische Individualethik die Maßstäbe und Grenzen des persönlichen Verhaltens vor. Beim Islam handelt es sich um 28 Axel Springer Verlag (2011). Vgl. Halm (2008), S. 60. 30 Vgl. Der Koran, Sure 4; Vers 136. 31 Vgl. Al-Omar/Abdel-Haq (1996), S. 2 f. 29 11 3 Grundlagen des Islamic Banking ein ganzheitliches Regelsystem, welches sich nicht ausschließlich auf religiöse Alltagsbelange bezieht, sondern ebenso auf weltliche Angelegenheiten ausstrahlt.32 „Aus der besagten Einheit von Religion, Recht und Moral im Islam darf aber nicht voreilig der Schluss gezogen werden, dass im Islam alle Lebensbereiche durchreglementiert wären. Auch im islamischen Denken gibt es Ansätze […], die auf eine Trennung von Säkularem und Sakralem hindeuten.“33 Der Islam sieht kein bestimmtes Wirtschaftssystem vor. Die Weltreligion will keinesfalls den Anspruch erheben, ein ökonomisches Modell für unsere Wirtschaft zu entwickeln. Die Religion kann als eine Art Anleitung zum Finden guter und gerechter Gestaltungsmöglichkeiten der Gesellschaft und der Wirtschaft aufgefasst werden. Dafür formuliert der Islam allgemeine Leitlinien für eine ethische und gemeinwohlfördernde Lebensgestaltung.34 3.2 Shari’a und Shari’a-Boards Die Shari’a spielt im Zusammenhang mit dem Islamic Banking eine bedeutende Rolle. Nicht zuletzt besteht der Hauptgedanke des Islamic Banking darin, sogenannte shari’akonforme Finanzprodukte zu schaffen. Shari’a kann als ein religiöses, gottgegebenes Recht des Islam angesehen werden. Für den Aufbau eines menschen-initiierten Rechtsverständnisses gibt der Islam keinen Raum. Die Shari’a wartet mit umfassenden Regeln für das alltägliche Leben eines Muslims auf und kann als Grundlage für alle wirtschaftlichen Aktivitäten gesehen werden. Ein Gelehrter kann kein Recht schaffen, sondern das bestehende nur interpretieren – als eine Ableitung aus der Sunna oder aus dem Koran. Die Shari’a ist kein Gesetzbuch in schriftlicher Form und wird in rein islamisch geführten Ländern als Rechtssystem gebraucht. In anderen Regionen und Teilen der Erde wird sie zwar ebenfalls genutzt, jedoch differiert ihr Stellenwert von Land zu Land. Als Grundlage der Shari’a gelten wie angedeutet der Koran und die Sunna. Der Koran als Heilige Schrift des Islams ist Grundlage muslimischer Verhaltensweisen.35 „Für die Muslime ist der Koran, da er ja nichts anderes als das Wort Gottes darstellt, die Verkörperung uneingeschränkter gesetzgebender Gewalt und damit der Ursprung jeglicher Gesetzlichkeit und rechtlicher Ver- 32 Vgl. Sacarcelik (2011), S. 1 ff. Sacarcelik (2011), S. 6. 34 Vgl. Sacarcelik (2011), S. 15 ff. 35 Vgl. Ehrler/Fritsche (2005), S. 34 ff. 33 12 3 Grundlagen des Islamic Banking bindlichkeit.“36 Die Gesamtheit der Äußerungen, nachzuahmenden Taten und Billigungen des Propheten Mohammed während seines Lebens werden unter dem Begriff Sunna zusammengefasst. Die Sunna besteht aus Aufzeichnungen von Gelehrten, die anhand von Überlieferungsketten auf deren Reliabilität untersucht werden müssen. In mehreren Koranstellen wird der Sunna eine gesetzmäßige Bedeutung zugeschrieben. Weitere Rechtsquellen des Islam sind die Bildung von Analogieschlüssen – Qiyas – auf Grund gefällter Urteile in der Vergangenheit und das Erzielen eines Konsens der Meinungen der Rechtsgelehrten – Ijma –.37 Die vier vorgestellten Ansatzpunkte islamischer Rechtsfindung – Koran, Sunna, Qiyas und Ijma – werden als Hauptquellen angesehen und bilden die Grundlage für die Arbeit der Shari’a Boards. Die Shari’a Boards sind als religiöse Beiräte von Banken zu verstehen. Diese höchste Autorität im Islamic Banking setzt sich aus islamischen Religions- und Rechtsgelehrten zusammen. Die Boards entwickeln und zertifizieren islamische Bankprodukte und überwachen die Einhaltung der islamischen Vorschriften. Nach El-Gamal (2006) zählen zu den Hauptaufgaben der Shari’a Boards das Marketing und die Produktentwicklung. Bei der Produktentwicklung geht es hauptsächlich darum, nicht shari‘a-konforme Bestandteile konventioneller Produkte gegen islamfähige Varianten auszutauschen. Es erfolgt weiterhin eine Überprüfung der Legalität der neuen Produkte, sowie deren Anpassungsfähigkeit an geltende Rahmenbedingungen. Darüber hinaus werden Effizienzkriterien, beispielsweise unter steuerlichen Aspekten, bewertet. Nach einem erfolgreichen Abschluss der genannten Vorgänge zertifizieren die Shari’a Boards die Produkte mittels Fatwah, einem rechtlichen und religiösen Testat. Die Shari’a Boards setzen Marketing mittels Veröffentlichung von Informationen „ihrer Produkte“ sowie der Teilnahme an Seminaren und Konferenzen um. Durch Sprechbeiträge einzelner Board-Mitglieder nehmen die Shari’a Boards direkt am informellen Marketing teil. Nach Anerkennung und Annahme der Produkte ziehen sich die Shari’a Boards aus dem gesamten Islamic Banking-Prozess zurück.38 Internationale Institutionen des Islamic Banking wie die britische HSBC Amanah Bank und der Dow Jones Islamic Market unterhalten eigene Shari’a Boards und teilweise spezielle Shari’aKomitees in ausgewählten Ländern.39 36 Ramadan (1980), S. 40. Vgl. Visser (2009), S. 10 ff. 38 Vgl. El-Gamal (2006), S. 11 ff. 39 Vgl. CME Group Index Services (2011) und HSBC Amanah Islamic Financial Solutions (2011). 37 13 3 Grundlagen des Islamic Banking 3.3 Islamic Banking und seine fünf Schlüsselprinzipien Als Islamic Banking wird jenes Bankgeschäft angesehen, dass in Übereinstimmung mit den Ethik-Vorstellungen des Islam und den Regeln der Shari’a geführt wird. Im konventionellen Bankgeschäft stehen in der Regel finanzielle Aspekte im Vordergrund. Seitens der Bank sind alle Aktivitäten mit einer Gewinnerzielungsabsicht gekoppelt. Im Islamic Banking werden dem ökonomischen Anspruch von Bankgeschäften, ethische, soziale, moralische und religiöse Gesichtspunkte gleichgestellt. Auf Grundlage einer von Ehrler/Fritsche (2005) vorgeschlagenen Einteilung der Wesensmerkmale des Islamic Banking in fünf Schlüsselprinzipien werden jene im Folgenden dargestellt.40 Abbildung 5: Die Prinzipien des Islamic Banking41 Die Stärke der Ausprägungen einzelner Verbote und Gebote kann variieren. Letztendlich hängen individuelle Verhaltensweisen von der Intensität des eigenen Glaubens ab. Abbildung 5 verdeutlich die grundsätzliche Ausrichtung des Islamic Banking. Generell werden in diesem Bankenkonzept Rechte und Pflichten der Vertragsparteien betont. Dazu gehören unter anderem die Risikoverteilung, die Unverletzbarkeit von Verträgen und die Orientierung am gesellschaftlichen und sozialen Nutzen. 40 41 Vgl. Ehrler/Fritsche (2005), S. 25 ff. Eigene Darstellung in Anlehnung an: Ashrati (2007), S. 42. 14 3 Grundlagen des Islamic Banking 3.3.1 Geld – moralische und ethische Grundlage Der Islam verbietet die Erwirtschaftung von Geld mittels einer Geldanlage gegen Zins. Gemäß der religiös geprägten Auffassung stellt Geld kein Gebrauchsgut dar, da die Nutzung von Geld keinen direkten Nutzen impliziert. Geld ist seiner Funktion nach ein Mittel zum Kaufen von Gütern. Dem Geld kann keine vergleichbare Qualität zugeordnet werden. Lassen sich beispielsweise Gebrauchsgüter hinsichtlich ihrer Qualitätsmerkmale vergleichen, ist dies bei Geld nicht möglich – ein verschlissener 100 €-Schein besitzt den gleichen Wert wie ein frisch gedrucktes Exemplar. Der Wert eines Erzeugnisses wird beim Handel genau bestimmt (als Preis der Ware), bei Geld hingegen spielt es keine Rolle mit welchem speziellen Schein ein Gut bezahlt wird. Geld erfüllt im Islamic Banking die Funktionen eines Tauschmittels und einer Maßeinheit und kann nicht als eigenes Handelsprodukt verwendet werden. Sollte ein Handel von Geld gegen Geld dennoch erforderlich sein, müssen beide Vertragsparteien den gleichen Anteil an Gewinn und Verlusten erhalten/tragen.42 3.3.2 Riba – das Verbot von Zinsen In der konventionellen Finanzwelt wird Geld aus einem Grund verliehen – um Zinsertrag zu erhalten. Zinsen sind der Preis oder das Entgelt für die temporäre Überlassung von Kaufkraft, Kapital oder für Sachwerte, meist für die Darlehensgewährung.43 Im Islamic Banking sind die Ausgangspunkte der Geldleihe vielmehr auf einer moralisch-ethischen Ebene angesiedelt. Geld wird hauptsächlich verliehen um andere Personen finanziell zu unterstützen. Durch diese Art von Sympathie wird der humanistische Grundgedanke des Islamic Banking deutlich. Ein weiterer Grund, Geld zu verleihen, ist der bessere Schutz des eigenen Vermögens, da es sicher von einem anderen verwahrt wird. Der Darlehensgeber erhält durch Verleihen die Möglichkeit am Gewinn zu partizipieren, trägt aber in gleichem Maße auch eventuelle Verluste mit. Beweggrund des Islam ist hierbei, Gläubiger und Schuldner gleichzustellen. Es wird verhindert, dass sich Personen durch geschickte Finanzanlagen bereichern und andere Menschen über ihre Einkommensverhältnisse leben.44 Das allgemeine Zinsverbot im Islam wird als Riba bezeichnet. Für die Übersetzung von Riba gibt es eine doppelte Bedeutung, in einer spezielleren Auslegung wird auch von Wu- 42 Vgl. Ehrler/Fritsche (2005), S. 26 f. Vgl. Alisch u.a. (2005), S. 3442. 44 Vgl. Ehrler/Fritsche (2005), S. 27 f. 43 15 3 Grundlagen des Islamic Banking cher beziehungsweise Wucherzins gesprochen. Riba kann verschiedene Formen annehmen und wird in einer ersten groben Kategorisierung in zwei Ausprägungsrichtungen eingeteilt. Abbildung 6: Die Formen von Riba45 Abbildung 6 zeigt zum einen Riba duyun, welches alle Arten von Riba zusammenfasst, die im Zusammenhang mit Verbindlichkeiten und Schulden verboten sind. Beispiele für derartige nicht erlaubte Transaktionen sind der Zinswucher und die Erhebung von Strafen bei verspätetem Zahlungseingang für Verpflichtungen. Riba buyu stellt die zweite Ausprägungsform dar und bezeichnet Zinsverbote, die beim Tausch und Austausch von Waren und Geld gelten.46 3.3.3 Gewinn- und Verlustteilung Durch die beschriebene Teilung von anfallenden Gewinnen und Verlusten zwischen den Beteiligten wird im Islamic Banking das Bild von Investoren, die statt Geldgebern zu Partnern werden, geprägt. Bergmann (2008) beschreibt die Ausgangssituation des Gedankens der Verteilungsgerechtigkeit wie folgt: „Sofern ein Muslim Kapital einsetzt, so soll er dies nicht als alleinige Gewinnanlage betrachten, sondern zum Nutzen aller Muslime einsetzen, insgesamt steht das Gemeinwohl im Vordergrund.“47 Das Interesse am Geschäft ist bei den Partnern durch die vorher festgelegte Gewinn- und Verlustteilung stärker ausgeprägt als bei einem klassischen Kreditgeschäft. Durch den Umständen entsprechend angepasste Handlungen werden wirtschaftliche Weiterentwicklungen direkt bei den Unternehmen und auf indirekte Art und Weise im infrastrukturellen Bereich begünstigt.48 Banken sind im 45 Eigene Darstellung in Anlehnung an: Bergmann (2008), S. 34. Vgl. Bergmann (2008), S. 32 ff. 47 Bergmann (2008), S. 38. 48 Vgl. Mirakhor/Zaidi (2007), S. 49 f. 46 16 3 Grundlagen des Islamic Banking Islamic Banking angehalten, mit ihren Kunden in ein Gewinn- und VerlustteilungsVerhältnis einzutreten. Auf Grund der Beteiligung der Banken an Investitionsgeschäften sind die Institutionen bemüht, Risiken gewissenhafter einzuschätzen. Verluste werden eher begrenzt und Gewinne tendenziell höher ausfallen, als wenn die Bank als reiner Vermittler auftritt.49 3.3.4 Gharar und Maysir – Unsicherheit und Glücksspiel Transaktionen, die mit einer hohen Unsicherheit behaftet sind, sowie Spekulationen und Glücksspiel sind im Islamic Banking nicht erlaubt. Büschgen (2006) beschreibt Spekulation als eine wirtschaftliche Betätigung, die auf eine überwiegend kurzfristige Ausnutzung von Preisunterschieden zwischen zwei verschiedenen Zeitpunkten (zum Beispiel Kaufund Verkaufszeitpunkt) abzielt.50 Das Verbot vertraglicher Unsicherheiten und Spekulation wird als Gharar, das Glücksspielverbot als Maysir bezeichnet. Das Verbot des Glücksspiels erstreckt sich nicht allein auf „Spielhallen“, sondern gilt für die gesamte Finanzwelt. Eine Beteiligung an Unternehmen, die Glücksspiele anbieten ist verboten (Vergleiche Abschnitt 3.3.5). Beim Glücksspielverbot geht es darum, Gewinner-Verlierer-Situationen zu vermeiden und das islamische Gebot einer Konstellation mit zwei Gewinnern zu realisieren.51 Zur Umsetzung von Gharar gilt es, die Übernahme hoher Risiken zu vermeiden. Es kann generell nichts verkauft werden, was man (noch) nicht besitzt. Ein Handel kommt erst dann zustande, wenn die Preise für Kauf und eventuellem Rückkauf der Ware bereits festgelegt wurden. Als risikoreicher Handel gelten zusätzlich Geschäfte bei denen eine Ware eine unbekannte Eigenschaft besitzt. El-Gamal (2006) führt dazu das Beispiel des Verkaufs einer schwangeren Kuh an. Da die genauen Eigenschaften des ungeborenen Kalbs nicht bestimmt werden können, ist eine derartige Transaktion nicht möglich. Das Unsicherheitsverbot bezieht sich ausschließlich auf Verträge mit finanziellem Hintergrund, eine Schenkung ist als unproblematische Transaktion anzusehen.52 Gharar kann in den Bereichen Preis und Lieferung eines Guts sowie in den Produkteigenschaften vorkommen. Hauptgedanke des Unsicherheitsverbots ist, zur Vermeidung der Benachteiligung eines Vertragspartners, Unsicherheiten in Verträgen von vornherein auszuschließen. Gharar 49 Vgl. Al-Omar/Abdel-Haq (1996), S. 12. Vgl. Büschgen (2006), S. 846. 51 Vgl. Mahlknecht (2009), S. 27 ff. 52 Vgl. El-Gamal (2006), S. 58 f. 50 17 3 Grundlagen des Islamic Banking verfolgt das Ziel, eine nahezu vollständige Information für alle Vertragspartner zu gewährleisten und irreguläre Informationen in Verträgen zu vermeiden. Abbildung 7: Die Formen von Gharar53 Im Vergleich zu Riba muss Gharar relativierter in seiner Ausprägung betrachtet werden, da jegliche Verträge mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind. Abbildung 7 zeigt die Einteilungsmöglichkeiten von Gharar. Unter Gharar yasir werden eher kleine, unwesentliche Unsicherheiten, die einen Vertrag nicht im gesamten unwirksam werden lassen, verstanden. Gharar fahish hingegen werden die Hauptverbote der Unsicherheit zugeordnet, die einen Vertrag absolut unwirksam machen und verboten sind. Wenn von Gharar gesprochen wird, ist in der Regel Gharar fahish gemeint.54 Im Islamic Banking spielen Finanzinstrumente wie Options- oder Future-Kontrakte und Forward-Geschäfte aus diesem Grund in den klassischen Ausprägungen keine Rolle. Um nicht vom erwähnten Humanitätsgedanke abzuweichen, werden Ausnahmen gewährt. Ein Bauer kann beispielsweise eine Anzahlung für von ihm zu produzierende Waren annehmen, da er und seine Familie in der Zeit zwischen Aussaat und Ernte Geld zum Leben benötigen.55 3.3.5 Halal und Haram – Erlaubtes und Verbotenes Abschließend sollen an dieser Stelle allgemeine im Islam verbotene Handlungen vorgestellt werden. Der Begriff Halal wird im Zusammenhang mit rechtmäßigen, erlaubten Tätigkeiten gebraucht. Die Bezeichnung Haram charakterisiert im Gegensatz dazu verbotene Aktivitäten. Muslime dürfen beispielsweise nicht in den Handel mit Aktien, die von Kreditinstituten oder Versicherungen emittiert werden, die Zinsgeschäfte tätigen, investieren. 53 Eigene Darstellung Vgl. Bergmann (2008), S. 35 ff. 55 Vgl. Ehrler/Fritsche (2005), S. 29 f. 54 18 3 Grundlagen des Islamic Banking Beispielhaft sei an dieser Stelle ein Unternehmen betrachtet, dass seine Gewinne durch den Handel mit sogenannten Halal-Produkten erwirtschaftet, seine Gewinne jedoch in verzinste Finanzanlagen investiert. Ein muslimischer Aktionär sollte auf der Jahreshauptversammlung seine Missbilligung gegenüber dem Zinsgeschäft zum Ausdruck bringen und den in seinem Gewinn enthaltenen Zinsertragsanteil für wohltätige Zwecke spenden. Das Shari’a Board legt fest, wie hoch ein Zinsertrag maximal sein darf. Firmen, die mit Waffen, Alkohol oder Tabak handeln, zählen weiterhin zu nicht erlaubten Investitionspartnern. Muslime dürfen sich ferner nicht finanziell an Unternehmen beteiligen, die in Schweinefleischproduktion und dessen Vertrieb involviert sind oder mit Glücksspiel arbeiten. Das Betreiben von Nachtclubs und Aktivitäten, die in Verbindung mit Prostitution und Pornografie stehen, sind ebenfalls verboten. Im Einklang mit dem Koran dürfen hier auch keine finanziellen Engagements stattfinden. Neben den Aktivitäten von Unternehmen, in die investiert werden könnte, spielt beispielsweise ferner deren Bilanzstruktur eine Rolle. Es ist untersagt, in Unternehmen zu investieren, deren Aktiva nur aus flüssigen Mitteln bestehen, da eine Dividende für den Anleger nur aus „Geld“ bestehen würde (Vergleiche Abschnitt 3.3.1).56 56 Vgl. Ehrler/Fritsche (2005), S. 30 f. 19 4 Shari’a Marketing 4 Shari’a Marketing Shari’a Marketing für die Bankenpraxis bedeutet, ein ganzheitliches Marketingkonzept im Einklang mit der islamischen Lehre zu schaffen, das speziell auf die Vermarktung von Bankleistungen ausgelegt ist. Shari’a Marketing soll nicht nur muslimische Verbraucher ansprechen, sondern auf Grund der Vielfalt an Religionen und Kulturen in der globalen Gemeinschaft und Wirtschaft vielmehr ein ethisches Marketingkonzept für alle Verbraucher darstellen. Die ethischen Grundlagen des Shari‘a Marketing sind Gerechtigkeit und Gleichheit. Zentraler Ausgangspunkt der Marketingbetrachtungen ist der Koran, welcher den Spielraum für das Einbringen individueller Vorstellungen der Marketingverantwortlichen einschränkt. Ein weiterer Fakt, den es zu beachten gibt, ist das Bild der Absolutheit der von Gott geschaffenen Welt im Islam. Auf wirtschaftliche Prozesse bezogenen sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass es im islamkonformen Bankgeschäft nicht primär darum geht, Profite zu maximieren, sondern dass die Wertsteigerung für die Gesellschaft durch ökonomische Aktivitäten im Vordergrund steht.57 Zwei Grundsätze für das ökonomische Handeln und den daraus abgeleiteten Marketingaktivitäten sollen für die folgenden Ausführungen im Vordergrund stehen. Zum einen muss sich das Marketing dabei der moralischen Ordnung Gottes unterwerfen und auf der anderen Seite die Ausbreitung unethischer Praktiken verhindern.58 Dieses Kapitel soll das Shari’a Marketing nahebringen. Zum einen werden dem Leser Potentiale und gegenwärtige Anforderungen an ein solches Marketing verdeutlicht und zum anderen die philosophischen Hintergründe des shari’a-konformen Marketing vermittelt. Zum Abschluss wird das 4C’s-Konzept als Grundlage für das folgende Kapitel vorgestellt. 4.1 Notwendigkeit, Potential und Herausforderungen eines shari’a-konformen Marketing für das Islamic Banking Die konventionellen deutschen Banken bieten derzeit nur sehr wenige Produkte für muslimische Kunden an. Von den rund 32 Millionen in Europa lebenden Muslimen nutzen nur etwa vier Prozent shari’a-konforme Produkte. Dabei fehlt es aber nicht am Interesse der 57 58 Vgl. Pras/Vaudour-Lagrace (2007), S. 202 f. Vgl. Ayub (2007), S. 67. 20 4 Shari’a Marketing Verbraucher, sondern vielmehr an sinnvollen und glaubwürdigen Angeboten. Nur ein geringer Teil der muslimischen Bevölkerung hierzulande ist so streng gläubig, dass eine reine Shari’a-Konformität bei Produkten ausreicht.59 Das Anbieten islamischer Finanzprodukte durch eine konventionelle Bank kann dabei als unproblematisch gesehen werden, sofern die speziellen Produkte shari’a-konform sind. Viele Banken in Deutschland, wie zum Beispiel die Frankfurter Sparkasse, haben bereits einen großen muslimischen Kundenstamm aufgebaut, der jedoch mangels Angeboten größtenteils auf konventionelle Produkte zurückgreift.60 Schätzungen der Islamic Bank of Britain zufolge haben 20 Prozent der eigentlichen Zielgruppe (Muslime) kein Interesse an Islamic Banking, 20 Prozent haben einen sehr hohen Bedarf sowie 60 Prozent müssen über ein intensives Marketing geworben werden.61 Außerdem sollen Islamic-Banking-Produkte auch nicht-muslimische Kunden ansprechen. Bisher konnten keine eindeutigen Präferenzen für islamische Bankprodukte am deutschen Finanzmarkt festgestellt werden. Daher existieren auch keine klaren Aussagen, welche signalisieren, unter welchen Bedingungen die Bevölkerung derartige Produkte nutzen würde.62 Sicher ist jedoch, dass ein steigender Bedarf an islamischen Finanzdienstleistungen zu verzeichnen ist. Die Golfstaaten partizipieren nach wie vor am hohen Rohölpreis, was mit einer erhöhten Nachfrage, den wachsenden Wohlstand auch anzulegen, einhergeht. Nicht zuletzt dadurch wächst auch im europäischen Raum die Akzeptanz des Islamic Banking und generiert frische Marktteilnehmer und Potentiale.63 Das Islamic Financial Service Board (IFSB) schätzt, dass islamisches Finanzkapital bis 2015 auf ein Volumen von rund 2800 Milliarden Dollar wachsen wird.64 Da Marketing nicht nur zur Gestaltung von Produkten und Preisen genutzt werden kann, sondern die Distribution und Kommunikation der angebotenen Leistungen ebenfalls unterstützt, ist Shari’a Marketing ein interessanter Ansatzpunkt für die Etablierung des Islamic Banking in Deutschland. Gegenwärtig liegt die Herausforderung für das Marketing im Islamic Banking klar in der Förderung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit im Hinblick auf die Konkurrenz der konventionellen Banken. Trotz kleinerer Gewinnspannen müssen konkurrenzfähige Gewinne erzielt werden. Des Weiteren muss der eigene Zielmarkt abgegrenzt, zielgruppenspezifisch bearbeitet und erweitert werden, damit auch nicht-muslimische Kunden angesprochen 59 Vgl. Mahlknecht (2009), S. 79. Vgl. Ashrati (2007), S. 124 f. 61 Vgl. Gassner (2004), S. 9. 62 Vgl. Alexander u.a. (2010), S. 95. 63 Vgl. Bergmann (2008), S. 128. 64 Vgl. Thießen/Saggau (2009), S. 21. 60 21 4 Shari’a Marketing werden können. Neben Schaffung von Transparenz muss Shari’a Marketing Herausforderungen hinsichtlich regulatorischer Anforderungen wie der Kapitalausstattung von Banken bewältigen. Es muss weiterhin qualifiziertes Marketingpersonal beschafft oder vorhandenes weitergebildet werden. Die Entwicklung neuer Produkte und der Aufbau eines B2BGeschäfts stellen außerdem derzeitige Herausforderungen für das Marketing dar.65 4.2 Philosophie des islamischen Marketing Die wichtigsten Prinzipien des islamischen Marketing ergeben sich aus dem zugrunde liegenden Religions- und Lebensverständnis. Das Marketing muss demnach den Grundprinzipien der Religion, der Ethik, des Realismus und des Humanismus gerecht werden. Laut Arham (2010) können diese Eigenschaften aus den vorgestellten fünf Säulen des Islam (Vergleiche Abschnitt 3.1) abgeleitet werden. Die Rolle der Religion spiegelt sich in der Tatsache wider, dass alle Aspekte des Marketing mit der islamischen Lehre konform sein müssen. Um dem islamischen Gebot gerecht zu werden, ist vorauszusetzen, dass die Verkäufer das islamische Recht als das ultimative Gesetz anerkennen. Die Religion als unmittelbarer Einflussfaktor kann in Verbindung mit der ersten Säule des Islam, dem Glaubensbekenntnis Shahada gebracht werden. Die zweite Säule der Religion stellt das tägliche Gebet Salat dar. Bei der Planung der Marketingaktivitäten ist es notwendig, diese Art und Weise der islamischen Ethik einzubeziehen. Bevor Muslime das Salat-Gebet ausüben, müssen Sie bestimmte Teile ihres Körpers reinigen. Im Sinne des Marketing ist diese Reinigung als ein Akt zu verstehen, bei dem sich der Anbieter von Dienstleistungen vor Beginn etwaiger Marketingaktivitäten von irdischen Einflüssen befreit. Nur durch die Durchführung dieses abstrakten und eher auch symbolisch zu verstehenden Aktes kann das Marketing den von der islamischen Lehre gesetzten Standards entsprechen. Das Fasten im Monat Ramadam – Saum – als weitere Säule des Islam soll die Muslime den Realismus lehren. Durch den Verzicht auf Essen und Trinken bis Sonnenuntergang erleben die Anhänger während des Fastenmonats einen Zustand von Hunger und Durst. Dieser Zustand des Seins soll die Menschen lehren, eine realistische Hoffnung zu entwickeln, sich auf das Wesentliche zu besinnen und innere Kräfte zu entwickeln, um den Mangelzustand zu überstehen. Diese dritte Säule kann nach Auffassung von Arham (2010) Kreativität für das Marketing bedeuten. Kreativität testet dabei die Fähigkeiten der Marketingfachleute, einen Durchbruch zu schaffen und ist die Entwicklung einer Kraft, um innere Barrieren zu überwinden 65 Vgl. Elfakhani u.a. (2007), S. 122 ff. 22 4 Shari’a Marketing und Erfolge zu erzielen. Der Humanitätsgedanke des Marketing bezieht sich auf den Menschen als ein Wesen mit besonderen Werten, welche diesen von anderen Lebewesen auf dieser Welt unterscheidet. Um sich vom unmenschlichen Gedanke der Habgier zu entfernen finden an dieser Stelle des Marketing die Säulen Zakat – Almosensteuer – und Haddsch – Pilgerfahrt – ihre Bedeutung. Durch das Abführen von Almosensteuer wird die Sensibilität gegenüber den Armen erhöht. Die Pilgerfahrt nach Mekka hingegen soll die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Menschen anderer Rassen und Hautfarben fördern. Im Marketingsinne bedeutet dies, dass eine Balance zwischen der Bedürfnisbefriedigung des Einzelnen und der Bewahrung der Umwelt geschaffen werden muss. Es gilt also, ein ethisches Marketing zu etablieren.66 4.3 Das „4C’s“-Customer-Perspective-Konzept Der klassische Marketingmix beinhaltet wie vorgestellt die Elemente Produkt, Preis, Vertrieb und Kommunikation. Auf Grund der Möglichkeit, die vier Elemente in englischer Sprache zu bezeichnen (Product, Price, Place und Promotion) wird das Konzept häufig als „The 4 P’s“ bezeichnet. Da aber besonders im Bankensektor der Kunde als Endverbraucher die bedeutendste Zielgruppe darstellt, empfiehlt es sich, den Marketingmix nicht aus der Unternehmensperspektive, sondern aus Kundensicht zu betrachten. Mit dem von Damirchi/Shafai (2011) vorgestellten „4C’s“-Konzept kann den Käufermarkt-Ansprüchen mit einem modernen Marketing Rechnung getragen werden. Sie bezeichnen diese Konzeption auch als ein „You-Marketing“. „You“ stellt dabei symbolisch den Kunden als zentrales Element dar. Aus Sichtweise des Kunden werden die klassischen, alten Elemente Product zu Customer Value (Kundewert), Price zu Cost (Kosten), Place zu Convenience (Annehmlichkeit) und Promotion zu Communication (Kommunikation). In der Perspektive des Customer Value geht es darum, auf kundenorientierte Art und Weise ein Produkt zu schaffen, das die Wünsche der Kunden erfüllen kann. Der Kundenwert bezeichnet dabei das subjektive Empfinden des einzelnen Konsumenten bezüglich des für ihn durch Nutzung des Produktes generierten Wertes. Mit der Bezeichnung Cost-Perspektive anstatt Preispolitik, wird verdeutlicht, dass der Preis eines Gutes aus Kundenperspektive betrachtet wird – das, was der Kunde dafür zahlt. Aus Marketingsicht geht es darum, zu erkennen, wie der Kunde sein begrenzt verfügbares Einkommen einsetzt, um unbefriedigte Bedürfnisse zu erfüllen. Das Motiv der Unternehmen ist dabei, sich nicht primär auf die Maximierung des 66 Vgl. Arham (2010), S. 151 ff. 23 4 Shari’a Marketing eigenen Gewinns zu konzentrieren, sondern vielmehr die Erreichung des höchsten Nutzens für den Kunden anzustreben. Die Idee der Convenience-Perspektive basiert auf den Erkenntnissen, dass Kunden heute einerseits viel beschäftigt sind und andererseits viele Wünsche haben. Zur Gewinnung von Kunden ist es demnach also wichtig, es dem Kunden so einfach wie möglich zu machen, sich für das eigene Unternehmen zu entscheiden. Ein Teil des Verkaufens findet nicht unbedingt in den Filialen statt. Der Kundenanspruch ist es, selbst entscheiden zu können, wann, wo und wie gekauft beziehungsweise konsumiert wird. Das Ziel der Communications-Perspektive ist es, eine interaktive Marketingkommunikation zu schaffen und sich dadurch vom Massenmarketing abzugrenzen. Anstatt der übertrieben Anpreisung angebotener Leistungen legen Kunden mehr Wert darauf, selbst einbezogen und als ein Teil des Interaktionsprozesses angesehen zu werden. Der Aufbau von Kundenbeziehungen ist dabei das zentrale Element der Kommunikationsmaßnahmen.67 Um einerseits dem klassischen Marketingmix gerecht zu werden und auf der anderen Seite den Kunden als zentralen Faktor in das Marketingkonzept zu integrieren, wird im Folgenden eine fünfte Perspektive – People – in den Marketingmix eingegliedert. Damit wird versucht, einerseits dem muslimischen Kunden als Zielgruppe des Marketing eine besondere Rolle zukommen zu lassen und andererseits gleichzeitig einen weiteren menschlichen Faktor – den Bankberater – einzubeziehen. 67 Vgl. Damirchi/Shafai (2011), S. 1341 f. 24 5 Islamic Banking Marketingmix 5 Islamic Banking Marketingmix Der Islamic Marketingmix verbindet die klassischen Marketingelemente mit den besonderen Anforderungen des Islamic Banking und versucht dadurch ein ganzheitliches Umsetzungskonzept für ein besonderes ethisches Marketing zu schaffen. Um eine sinnvolle Übersicht zu gewährleisten werden im Folgenden die fünf Elemente des Marketingmix – Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Vertriebspolitik sowie der Faktor Mensch – getrennt voneinander vorgestellt, obwohl der Marketingmix in der Praxis als ganzheitliches Instrument mit einer sinnvollen Mischung aller Elemente zu verstehen ist. Die einzelnen marketingpolitischen Felder werden in diesem Kapitel jeweils durch allgemeine Anforderungen und besondere Spezifika, die im Zusammenhang mit der Verwendung für das Islamic Banking auftreten, vorgestellt. Ergänzt werden die Darstellungen durch Beispiele für praktische Ausgestaltungsmöglichkeiten und einer kritischen Würdigung dieser. Die Wertungen sollen dabei besonders einige Potentiale für den deutschen Bankenmarkt herausstellen. Der Faktor Mensch ist zwar kein Bestandteil des klassischen Marketingmix, wird aber am Ende dieses Kapitels auf Grund seiner hohen Bedeutung für das Bankmarketing näher beschrieben. Anhang 1 gibt im Anschluss an das Kapitel einen zusammenfassenden Überblick über Marketingpraktiken für das Islamic Banking. 5.1 Product – Produktpolitik Fragen der Produkt- beziehungsweise Leistungspolitik haben durch die Entstehung von Käufermärkten und dem Ausbau von Produktpaletten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die Entwicklung neuer Produkte und die Bemühungen, innovative und neue Konstellationen für das Islamic Banking zu schaffen, haben sich verstärkt. Die AAOIFI (Accounting and Auditing Organization for Islamic Financial Institutions) hat derzeit 41 Shari’a-Standards für islamische Finanzprodukte entwickelt.68 Islamische Bankgeschäfte sehen sich aber stärker denn je im Wettbewerb mit konventionellen Banken. Es geht zwar hauptsächlich darum, die Prinzipien des Islamic Banking hochzuhalten, allerdings kann sich eine Bank dabei nicht allzu weit von konventionellen Strukturen entfernen, da auch nichtmuslimische Kunden angesprochen werden sollen. Im Folgenden werden neben prinzipiel- 68 Vgl. AAOIFI (2010), S. 1. 25 5 Islamic Banking Marketingmix len Anforderungen auch ausgewählte Produkte vorgestellt. Um einen sinnvollen Überblick und Eindruck zu gewährleisten, wird sich dabei auf Kontenführungs- und entsprechende Kartenmodelle, ein Kredit- und ein Anlageprodukt, sowie einem Beispiel für eine islamische Versicherung beschränkt. 5.1.1 Allgemeine Anforderungen Die dargestellten Wesensmerkmale eines Bankprodukts tragen maßgeblich dazu bei, dass die Bankdienstleistungen durch den Käufermarkt determiniert werden. Für die Produktund Sortimentspolitik gilt ein Leitsatz: Das Produkt muss dem Bedarf des Kunden vollständig entsprechen. Durch eine entsprechende Marktforschung können echte und unechte Bedürfnisse identifiziert und auf dessen Grundlage eine Entscheidung getroffen werden, welche Bedürfnisse befriedigt werden sollen.69 Ausgangpunkt der Entwicklungen des Leistungsprogramms ist der einzigartige Kundennutzen, der durch das Produkt generiert wird und gleichzeitig von den Konkurrenzprodukten nicht geboten wird. In diesem Zusammenhang wird der Begriff „Unique Selling Proposition“ genannt. Darunter wird „[…] jene Eigenschaft, die das Produkt von Konkurrenzprodukten in besonderen Maße unterscheidet und daher im Mittelpunkt der Verkaufsargumentation steht“, verstanden.70 Auf Grundlage des ermittelten spezifischen Kundennutzens kann das Produkt gestaltet werden. Elemente der Produktgestaltung sind Beschaffenheit der Leistung, Qualität, Markenbezeichnung und Ähnliches. Im Dienstleistungsmarketing spielen Fragen des Produktdesigns und der Verpackung keine Rolle.71 Durch eine Segmentierung der Kunden kann die Produkt- und Sortimentspolitik eine weitere Hauptaufgabe erfüllen, die zur Verfügung stehenden Ressourcen optimal einzusetzen. Die Produktpolitik muss eine Anpassung an sich verändernde Umweltbedingungen gewährleisten. Die Ausgestaltung des Leistungsprogramms kann somit nicht in einem einmaligen Akt abgeschlossen werden, sondern muss vielmehr als ein an den Änderungen der Marktverhältnisse orientierter fortlaufender Entwicklungsprozess betrachtet werden.72 Die Durchführung einer Differenzierungsstrategie, im Rahmen derer Unternehmen die branchenweite Einzigartigkeit ihrer Strategie anstreben, ist über ein Bankprodukt schwierig durchsetzbar.73 Die Imitation beziehungsweise das Kopieren von 69 Vgl. Bättig (1992), S. 13. Bruhn (2010), S. 124. 71 Vgl. Bruhn (2010), S. 124. 72 Vgl. Büschgen/Büschgen (2002), S. 96. 73 Vgl. Homburg/Kromer (2003), S. 169. 70 26 5 Islamic Banking Marketingmix Produkten im Bankensektor ist keine Seltenheit, zumal eine Produktnachahmung relativ problemlos möglich ist. Dahingehend spielen bei der Produktentwicklung Faktoren wie Qualität und Produktzusatzleistungen eine wichtige Rolle. Gerade Banken sind bestrebt nicht nur eine einzige, isolierte Leistungsart anzubieten, viel mehr entwickelt sich der Trend dazu, dem Kunden ganze Leistungsbündel zu vertreiben. Als Beispiel kann hierzu eine Baufinanzierung, welche mit dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung gekoppelt wird, angeführt werden. Auch eine umfassende Vermögensverwaltung, welche bereits viele Institute anbieten, kann dazu gezählt werden. Auf Grund der besonderen Eigenschaften von Bankleistungen und dem zunehmenden Wettbewerbsdruck gewinnen die Fragen nach einem erfolgreichen Qualitäts- und Markenmanagement im Rahmen der Produktpolitik an Wichtigkeit. Der Produktpolitik kommt demnach die Aufgabe zu, die Kundenloyalität zu steigern und die Preisempfindlichkeit der Kunden zu senken. Dem Bankberater obliegt eine bedeutende Rolle, da dem Kunden die spezifisch auf ihn abgestimmten individuellen Servicepakete zunächst bekannt gemacht und später an ihn vertrieben werden müssen.74 Insbesondere durch technologischen Fortschritt ist jedoch gleichzeitig eine Abnahme der persönlichen Beziehungen zwischen Bankberater und Kunde zu verzeichnen. Der unverwechselbare Charakter und der hohe Wert der angebotenen Marke sind für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement unerlässlich.75 Außerdem zählt zur Aufgabe der Sortimentspolitik, ungenügend nachgefragte Dienstleistungen zu identifizieren und diese aus der Produktpalette zu entfernen.76 Zur erfolgreichen Umsetzung der Produktpolitik müssen neben den oben genannten Aspekten politische und rechtliche Rahmenbedingungen Beachtung finden. Die Einhaltung von Rechtsvorschriften stellt gerade beim Angebot shari’a-konformer Leistungen in nichtislamischen Ländern eine Herausforderung dar. Büschgen/Büschgen (2002) schlagen im Rahmen dieser Perspektive eine Trennung in kunden- und konkurrenzbezogene Teilziele vor. Somit können auf der einen Seite verschiedene Kundengruppen (zum Beispiel Neuund Bestandskunden) fokussiert und bearbeitet und andererseits die Wettbewerbssituation der Bank als wichtiges Element integriert werden.77 74 Vgl. Meidan (1996), S. 84 ff. Vgl. Hermann u.a. (1999), S. 12 ff. 76 Vgl. Kotler u.a. (2007), S. 664. 77 Vgl. Büschgen/Büschgen (2002), S. 97. 75 27 5 Islamic Banking Marketingmix 5.1.2 Besonderheiten für das Islamic Banking Im Vergleich zur klassischen Produktpolitik müssen im Islamic Banking zusätzlich moralische Aspekte in den Produktentwicklungsprozess einfließen, um den islamischen Ethikvorstellungen ausreichend Beachtung zu schenken. Damirchi/Shafai (2011) legen auf Grundlage einer von Ukkuwwah (1983) vorgestellten Prinzipienaufstellung fünf Maxime für die Entwicklung eines erfolgreichen Produkts zu Grunde. Demnach muss ein islamkonformes Produkt folgende Merkmale aufweisen: 1. Rechtmäßigkeit 2. Gewährleistung der Vermögenssicherung 3. Lieferbarkeit im Zeitpunkt des Kaufes/Verkaufes 4. zusätzliche Kosten, die beispielsweise durch Zusatzfunktionen und -services entstehen müssen identifizierbar sein 5. alle am Verkaufsprozess beteiligten Parteien müssen in der Absicht sein, ihre Verpflichtungen (materielle und immaterielle) im Glaube an Gott unter Beachtung der Prinzipien der Gerechtigkeit und Gleichheit zu erfüllen Beim Produktionsprozess steht das Wertkriterium im Vordergrund. Der Wert bestimmt sich durch die Auswirkungen des Produkts auf die gesamte Gesellschaft. Andererseits ist das Wohlergehen des Individuums (zum Beispiel des Käufers) in Bezug auf die Befriedigung dessen grundlegender menschlicher Bedürfnisse als Wertkriterium zu beachten. Der islamischen Sichtweise nach können unethische Entscheidungen nur sub-optimale Produkte hervorbringen. Bei einer ethischen Produktgestaltung soll das Anstreben des gesellschaftlichen Wohls der Profitabsicht überwiegen.78 5.1.3 Beispielhafte Ausgestaltungsmuster Kontoführung, Zahlungsverkehr und Karten stellen wie beim konventionellen Bankgeschäft die Grundlage aller Transaktionen im Islamic Banking dar. Klassische Girokonten werden zum einem nach dem Wadiah-Prinzip, zum anderen nach Vorbild des sogenannten Qard-Hassan-Modells angeboten. Beim Wadiah-Prinzip werden Einlagen der Kunden entgegengenommen und von der Bank treuhänderisch verwaltet. Die Bank verwendet, nach Zustimmung durch den Kunden, die Einlagen für shari’a-konforme Aktivgeschäfte. Risiken, die durch die Mittelverwendung entstehen, trägt die Bank. Anstatt der Zahlung 78 Vgl. Damirchi/Shafai (2011), S. 1343. 28 5 Islamic Banking Marketingmix eines Guthabenzinses erhalten Kunden zumeist kleine Geschenke von der Bank. Hierbei liegt der Hauptunterschied zum Qard-Hassan-Prinzip, da bei diesem keinerlei Kompensation für die nicht stattfindende Zinszahlung erfolgt. Der Grundgedanke des Qard-HassanModell beruht auf der Idee, dass Kunden der Bank mittels Einlagen einen zinslosen Kredit gewähren. Sparkonten werden ebenfalls im Islamic Banking angeboten. Ziel dieses Angebots ist die sichere Verwahrung von Vermögen, die mit einem geringen Ertrag verbunden ist. Eine mögliche Ausgestaltungsmöglichkeit ist auch hier das Wadiah-Modell. Der Kunde erhält einen Ertragsanteil, den die Bank nach eigenem Ermessen festlegt. Einlagen sind zu 100 Prozent abgesichert, da keine Risikobeteiligung des Kunden erfolgt. Im Gegensatz dazu wird des Weiteren das Murabaha-Modell angeboten. Hier arbeitet die Bank ebenfalls mit den Einlagen und der Kunde erhält einen vorher definierten Ertragsanteil. Besonderheiten sind, dass der Kunde jederzeit seine Einlagen abheben kann und sowohl an Gewinnen partizipiert als auch Verluste mit tragen muss. Zu den verschiedenen Konten werden Debit Cards (EC-Karten) und Kreditkarten angeboten. Auf Grund des steigenden Wohlstandsniveaus und der Zunahme des Online-Handels haben insbesondere Kreditkarten an Bedeutung gewonnen und breite Akzeptanz gefunden. Der Kunde leistet seine Zahlungen bargeldlos und erhält für diesen zinslosen Monatskredit eine monatliche Rechnung. Der Rechnungsbetrag kann in Raten abgezahlt werden („echte“ Kreditkarte) oder mittels einer Einmalzahlung getilgt werden (Charge Card). Neben der Zahlung einer Jahresgebühr durch den Kunden, zahlt der Händler eine Gebühr (prozentualer Anteil am Kaufpreis) an die Bank um eine Garantie für den Rechnungsbetrag zu erhalten.79 Murabaha ist wohl das bekannteste Kreditprodukt im Islamic Banking. Der MurabahaVertrag regelt einen Verkauf mit einem bekanntgegebenen Gewinnaufschlag. In den meisten Fällen ist beim Murabaha ein Zahlungsaufschub integriert und kann mit einem uns bekannten Abzahlungsgeschäft verglichen werden. Die Bank tritt bei jenem Geschäft als dritte Partei zwischen Käufer und Verkäufer. Im Vergleich zur deutschen Variante der Rechtspraxis (Kaufvertrag UND Darlehensvertrag), wird im Islamic Banking auch die Finanzierung Bestandteil des Kaufvertrages.80 Abbildung 8 soll in Verbindung mit der folgenden beispielhaften Nachzeichnung einer Murabaha-Transaktion die Grundkonstruktion des Produkts verdeutlichen. Ein Kunde möchte sich gern ein Kraftfahrzeug für den privaten Gebrach kaufen. Er beauftragt seine Bank, ihm das Fahrzeug zu besorgen und benennt 79 80 Vgl. Ehrler/Fritsche (2005), S. 48 ff. Vgl. Ashrati (2007), S. 61 f. 29 5 Islamic Banking Marketingmix den gewünschten Verkäufer, das Modell et cetera. Daraufhin kauft die Bank den PKW beim Verkäufer, bezahlt ihn dort und verkauft das Auto inklusive einem vorher mit dem Kunden vereinbarten Gewinnzuschlag an diesen weiter. In der Regel zahlt der Kunde dann den vereinbarten Preis an die Bank in Raten zurück. Abbildung 8: Das Murabaha-Grundmodell81 Das Eigentum am Fahrzeug geht durch die erste Transaktion zwischenzeitlich an die Bank über. Mit dem Eigentums- und Besitzerwerb trägt die Bank, wenn auch kurzzeitig, Haftungsrisiken im Hinblick auf grobe Fahrlässigkeit bis hin zu Garantieleistungen. Die Bank muss das Eigentum am Gegenstand erwerben, da Zahlung und Eigentumsübergang sonst in der Zukunft stattfinden würden, was nach islamischer Auffassung nicht möglich ist. Der Vermögensgegenstand darf weiterhin nach islamischem Recht kein Haram-Produkt sein und muss zum Abschlusszeitpunkt des Vertrages bereits existieren. Bezugnehmend auf das angeführte Beispiel kann also nicht, wie beispielsweise in Deutschland üblich, ein Neuwagen gekauft werden, der noch produziert werden muss. Ferner müssen alle Parteien (im Beispiel der PKW-Verkäufer und später die Bank) Eigentümer und auch Besitzer (alternativ: ein uneingeschränkter Zugriff muss möglich sein) der Sache sein. Die Abzahlung der Ware seitens des Kunden kann in voller Höhe sofort, in Raten oder als Gesamtbetrag in der Zukunft erfolgen. Die Vertragslaufzeit muss befristet sein. Die Bereitstellung von Sicherheiten ist durchaus üblich.82 81 82 Eigene Darstellung in Anlehnung an: Gassner/Wackerbeck (2010), S. 68. Vgl. Mahlknecht (2009), S. 103 f. 30 5 Islamic Banking Marketingmix Sukuk sind gemäß der Definition der AAOIFI „Zertifikate, die untereinander gleichrangige, ungeteilte Anteile am Eigentum von Sachvermögen, Nießbrauch und Dienstleistungen oder Eigentum an Vermögenswerten eines bestimmten Projekts oder einer besonderen Investmenttätigkeit darstellen.“83 Sie wurden als Ersatz für unzulässige konventionelle Anleihen geschaffen. Sukuk basieren auf islamischen Grundvertragsmodellen, durch welche die Erträge für die Sukuk-Zahlungen an die Investoren generiert werden. Der Grundgedanke von Sukuk besteht im Miteigentum an zugrundeliegenden Vermögensgegenständen. Diese werden durch den Emittenten treuhänderisch für den Sukuk-Inhaber erworben, der Emittent refinanziert damit seine Zahlungsverpflichtungen aus dem Grundgeschäft.84 Abbildung 9: Der Strukturierungsprozess eines Sukuk-Al-Murabaha85 83 AAOIFI (2008), S. 1. Vgl. Momen (2010), S. 36. 85 Eigene Darstellung in Anlehnung an: Mahlknecht (2009), S. 177 f. 84 31 5 Islamic Banking Marketingmix Beispielhaft wird im Folgenden einer der zahlreichen durch die AAOIFI standardisierten Zertifikate, der Sukuk-Al-Murabaha vorgestellt. Jener basiert auf dem vorgestellten Vertragsmodell des Murabaha. Die Zweckgesellschaft erwirbt im Auftrag des Kunden (zum Beispiel ein Unternehmen) einen Vermögenswert mittels Murabaha. Das Produkt wird mit einem Profitaufschlag an den Kunden weiterverkauft. Die Abzahlung erfolgt mittels Raten. Zur Refinanzierung des Geschäfts emittiert die Zweckgesellschaft Zertifikate. Da die Inhaber dieser Eigentümer an der zugrundeliegenden Ware werden, erhalten sie den Verkaufspreis und eventuelle Gewinnanteile weitergeleitet.86 Abbildung 9 soll die einzelnen Prozesse zum besseren Verständnis nachzeichnen. Die künftigen Zuflüsse an die Zweckgesellschaft und dadurch auch jene, die an die Investoren fließen, können relativ exakt prognostiziert werden. Die zu erwartende Rendite ist ein wichtiges Element, ähnlich wie bei konventionellen Anleihen. Der Sukuk-Al-Murabaha bezieht sich dabei auf zugrundeliegende Vermögensgegenstände und nicht auf das emittierende Unternehmen als solches.87 Takaful bedeutet so viel wie gegenseitige Garantie und ist die Bezeichnung für das islamische Versicherungsgeschäft. Das Konzept von Takaful beruht auf dem Grundgedanken von Garantien der Mitglieder untereinander, welche von Fairness, Brüderlichkeit und Solidarität geprägt sind. Das wesentliche Merkmal dieser Versicherung ist die gemeinsame Haftung. Da die Absicherung von Vermögen eine wesentliche Angelegenheit im Islam ist und konventionelle Bankprodukte Elemente von Unsicherheit, Zins und Glücksspiel enthalten, wurde Takaful als ein shari’a-konformes Produkt entwickelt. Beispielsweise ist eine Lebensversicherung nach der konventionellen Methode im Islam nicht erlaubt, da sie einem „Verkauf des Lebens“ beziehungsweise einem Glücksspiel entspricht. Hauptmerkmal der islamischen Versicherung ist die Gewinn- und Verlustbeteiligung aller Mitglieder. Mittels Takaful können sich Muslime selbst vor Notsituationen schützen. Es besteht zwar die Möglichkeit, Rücklagen für künftige Schadensfälle zu bilden, jedoch werden in der Regel nicht benötigte Beiträge und Gewinne direkt an die Mitglieder ausgeschüttet. Takaful ist shari’a-konform, da es nicht mit Zinsen, Glücksspiel und Unsicherheit arbeitet, Gewinne und Verluste geteilt werden und die Gelder von den Takaful-Versicherern shari’a-konform angelegt werden. Als Beispiel sei hierzu eine in Großbritannien von der HSBC Amanah angebotene Haushaltversicherung zur Absicherung von Schäden durch Diebstahl, Brand und Sturm betrachtet. Entsprechend der Shari’a-Anforderungen wird dazu ein Takaful- 86 87 Vgl. Naumann (2010), S. 262. Vgl. Mahlknecht (2009), S. 178. 32 5 Islamic Banking Marketingmix Fonds verwaltet, in welchen die Kunden einzahlen. Die Teilnehmer dieses kooperativen Pools teilen sich Risiken als auch Überschüsse. Tritt am Ende einer Periode ein ausschüttungsfähiger Überschuss von mehr als fünf Prozent der Einzahlungssumme auf, werden die darüber hinausgehenden Gewinne im Verhältnis 50:50 zwischen dem Versicherungskunden und dem Fondsmanager geteilt. Der Fondsmanager erhält eine performanceabhängige Gebühr sowie fixe Jahresgebühren. Sollte der Überschuss eine Höhe von 25 Pfund pro Versicherungsnehmer nicht überschreiten, wird dieser als Rücklage einbehalten. Der Versicherungsvertrag wird jährlich abgeschlossen beziehungsweise verlängert.88 5.1.4 Wertung Das Führen islamischer Girokonten ist als weitestgehend unproblematisch für Deutschland zu betrachten, da eine Guthabenverzinsung hierzulande nicht üblich ist. Lediglich Überziehungskredite dürfen nicht in Anspruch genommen werden. Die vorgestellten GirokontenModelle basieren zwar auf einem speziellen Grundverständnis, sind aber mit dem deutschen Rechtssystem vereinbar und für die Bankenpraxis umsetzbar. Für spezielle Zielgruppen, wie zum Beispiel Studenten wurden in der Vergangenheit ebenfalls zahlreiche Kontenformen geschaffen. Zur Erschließung der Muslime als Kunden ist eine Kontoführung beim betreffenden Institut eine wichtige Grundlage. Sparkonten stellen dabei die größere Herausforderung für konventionelle Bankkonzepte dar. Die Einlagen müssen von der Bank halal investiert werden. Das Nutzen entsprechender Möglichkeiten dazu ist zwar eingeschränkt, aber möglich. Das Murabaha-Konten-Modell als Produkt für die europäische Bankenpraxis ist als kritisch zu betrachten, denn in Europa dürfen Konten kein Verlustrisiko beinhalten. Nicht zuletzt wurde unter anderem dafür in Deutschland der Einlagensicherungsfonds eingerichtet. Zur Lösung dieses Problems werden in Großbritannien mit jedem Kunde individuelle Garantien abbedingt. Nimmt ein Kunde seine Garantie dann in Anspruch, wird sein Konto nicht mehr shari’a-konform geführt. Zur dauerhaften Einlage muss der Kunde schriftlich auf die Garantie verzichten.89 Die Ausgabe shari’a-konformer EC-Karten ist ebenfalls denkbar, insofern dadurch ein Konto nicht überzogen werden kann. Es werden derzeit in Deutschland sogenannte Habenkonten angeboten, eine Auszahlung am Bankautomat mit einer Überziehung von nur einem Cent ist damit schon nicht mehr möglich. Das islamische EC-Karten-Prinzip könnte somit auch hierzulande mittels bestimmter Kontenmodelle umgesetzt werden. Für EC- und auch 88 89 Vgl. Mahlknecht (2009), S. 294 f. Vgl. Gassner/Wackerbeck (2010), S. 96. 33 5 Islamic Banking Marketingmix Kreditkarten gilt außerdem, dass diese nicht zum Kauf von Haram-Produkten eingesetzt werden. Die Karten können sonst von der Bank eingezogen werden. Die Überprüfung der getätigten Transaktionen ist dabei aber mit enormem Aufwand verbunden, da hierzulande in allen Supermärkten, Elektronikgroßfachmärkten oder auch in der Gastronomie zahlreiche Haram-Produkte vertrieben werden und die Einhaltung islamischer Grundsätze keine ausreichende Beachtung findet. Das System kann dann nur funktionieren, wenn jeder Muslim die Verantwortung für seine Einkäufe selbst übernimmt. Wenn Kreditkarten im Inland eingesetzt werden, erfolgt der Rechnungsausgleich innerhalb von drei Tagen, bei Einsatz im Ausland dauert es in der Regel länger, bis ein Rechnungsausgleich erfolgt. Aus diesem Grund ist das Nutzen von Kreditkarten im Ausland nicht shari’a-konform.90 Das ChargeCard-System birgt ein weiteres shari’a-relevantes Problem, da im islamischen Recht eine Garantie nur ohne Gegenleistung erfolgen kann, hier wird dafür aber eine Gebühr vom Händler verlangt. Eine daher bereits praktizierte Möglichkeit ist auch für Deutschland denkbar: Die Bank verlangt vom Kunde einen bestimmten Betrag als Sicherheit zu hinterlegen. Somit wird im Fall der Zahlungsunfähigkeit am Monatsende keine Zinszahlung fällig. Murabaha-Finanzierungen werden oft kritisiert, da sie einem Darlehensgeschäft mit verbotenen Zinsen ähnlich sind. Diese Kritik stützt sich dabei aber vorrangig auf den Gedanken, dass eigenkapitalbasierte Techniken die optimale Lösung für die Gesamtwirtschaft darstellen und Fremdkapital an sich in der Kritik steht. In der Bankpraxis haben sich Murabaha-Finanzierungen dennoch etabliert, da islamische Rechtsgelehrte den Abzahlungskauf mit zeitabhängigem Gewinnaufschlag fast einstimmig akzeptieren. Des Weiteren decken die Shari’a-Standards der AAOIFI dieses Konstrukt.91 Beim Murabaha trägt die Bank nicht nur das Kreditausfallrisiko mit, sondern auch das Preisrisiko, sowie die Gefahr, dass der zu verkaufende Gegenstand beschädigt oder zerstört wird.92 Außerdem könnten der Bank mangelnde Sachkundekenntnisse an Gütermärkten gefährlich werden. Für die Finanzierung eines realen Guts, mit kurzen Laufzeiten und einem niedrigen Risiko, sind Murabaha-Transaktionen, als Einstieg ins Islamic Banking für den deutschen Markt zunächst durchaus denkbar.93 Ein derartiger Kredit birgt aber erhebliche Rechtsprobleme, Zusatzkosten (zum Beispiel Prüfkosten und doppelte Notarkosten bei Grundstücken) und 90 Vgl. Bergmann (2008), S. 97 f. Vgl. Gassner/Wackerbeck (2010), S. 70 ff. 92 Vgl. Mahlknecht (2009), S. 103 f. 93 Vgl. Bergmann (2008), S. 53. 91 34 5 Islamic Banking Marketingmix Risiken, für die es (noch) keine Erfahrungswerte gibt. Dennoch könnten mittlerweile akzeptierte Merkmale und bereits verwendete Ausgestaltungsmöglichkeiten von MurabahaFinanzierungen die Akzeptanz für das Islamic Banking steigern und so auch den Weg für neuere, komplexere Produkte ebnen. Das Land Sachsen-Anhalt hat im Jahr 2004 einen Sukuk mit einem Emissionsvolumen von 100 Milliarden US-Dollar emittiert. Die Investorenbasis wurde dadurch vergrößert und langfristig sollen dadurch Finanzierungskosten gesenkt werden. Die davon ausgehende enorme Marketingwirkung erhöhte die Attraktivität von Emittenten aus nichtmuslimischen Ländern und kann Ansatzpunkt für weitere Produktentwicklungen sein.94 Außerdem wurden dadurch Investoren aus den Golfstaaten für den Standort Deutschland geworben.95 Eine Reihe internationaler Banken, wie zum Beispiel die Citigroup, die Deutsche Bank und die UBS sind im Bereich der islamischen Bonds aktiv. Für den deutschen Markt können Sukuks zur Entwicklung der Infrastruktur genutzt werden und stellen eine shari’a-konforme Anlagemöglichkeit außerhalb der Aktienmärkte dar.96 Die MurabahaVerbindlichkeiten aus dem gezeigten Beispiel stellen allerdings Schuldpapiere dar, die nur eingeschränkt handelbar sind. Schuldpapiere können nur zum Nennwert übertragen werden.97 Aus diesen Gründen muss das Potential derartiger Sukuks für Deutschland durchaus optimistisch, aber vorsichtig bewertet werden. Takaful besticht durch Transparenz und Fairness im Vergleich zu konventionellen Versicherungsvarianten.98 Der Takaful-Markt verzeichnete in den letzten fünf Jahren Wachstumsraten von circa 23 Prozent pro Jahr.99 Das Marktpotential für Deutschland wird auf bis zu eine Milliarde Euro geschätzt.100 Trotz des Vorhandenseins dieses attraktiven Wachstumsmarktes mangelt es derzeit noch an qualifiziertem Personal zur Umsetzung. Mahlknecht (2009) empfiehlt daher, Takaful-Entwicklungen in Zusammenarbeit mit erfahrenen Partnern mittels der Gründung von Vertriebspartnerschaften durchzuführen.101 Es gilt, die Takaful-Produkte wettbewerbsfähig mit konventionellen Angeboten zu machen. Ohne gesetzgeberische Initiativen gestaltet sich die Einführung von Takaful auf dem deutschen 94 Vgl. Gassner/Wackerbeck (2010), S. 133 f. Vgl. Ashrati (2007), S. 84 f. 96 Vgl. Bergmann (2008), S. 81 f. 97 Vgl. Mahlknecht (2009), S. 178. 98 Vgl. Bergmann (2008), S. 102. 99 Vgl. Gassner/Wackerbeck (2010), S. 192. 100 Vgl. Peisker (2010), S. 234. 101 Vgl. Mahlknecht (2009), S. 297. 95 35 5 Islamic Banking Marketingmix Markt schwierig. Nicht zuletzt müssen shari’a-konforme Kapitalanlagemöglichkeiten gefunden werden, was sich auf Grund des (noch) eingeschränkten Anlageuniversums schwierig gestaltet.102 Interessant dabei ist jedoch, dass knapp ein Drittel der muslimischen Zielgruppe in Deutschland angegeben hat, auf Risikoabsicherung verzichten zu wollen, solange eine gesetzliche Vorschrift dafür nicht existiert. 103 Gegen die obligatorischen Versicherungen gibt es laut islamischen Verbänden keine Einwände; es wird dazu geraten, die in Deutschland vorhandenen Pflichtversicherungen abzuschließen.104 Ohne Initiativen seitens des Gesetzgebers kann hier zunächst nur ein intensives Marketing ansetzen, um den Muslimen die Existenz von Takaful näher zu bringen und von deren Wert zu überzeugen. 5.2 Price – Preispolitik Der Preis gilt nach wie vor als einer der wirksamsten Regulatoren in der freien Marktwirtschaft. „Die Preispolitik beschäftigt sich mit der Festlegung der Art von Gegenleistungen, die die Kunden für die Inanspruchnahme der Leistungen des Unternehmens entrichten.“105 Als Besonderheit für den Bankensektor gilt hierbei, dass eine strikte Trennung von Produkt- und Preispolitik nicht möglich ist, da die Produktmerkmale neben rechtlichen Anforderungen maßgeblich durch die Konditionengestaltung als solches geprägt sind. Diese Auffälligkeit kann als weitestgehend unproblematisch gesehen werden, da der Marketingmix als eine in sich geschlossene Einheit betrachtet werden muss. Aus diesem Grund werden als Beispiele in diesem Abschnitt lediglich in Bezugnahme auf die vorgestellten Produkte die Ausgestaltung von Verzugszinsen, Gewinnzuschlägen und Rabatten vorgestellt. 5.2.1 Allgemeine Anforderungen Preisstellungsalternativen auf Bankebene können zum einen die Variation des Zinssatzes und Rabatte, andererseits auch Provisionen, Gebühren und Kommissionen sein. Innerhalb des Marketingmix nimmt die Preispolitik eine besondere Stellung ein, denn im Gegensatz zu den anderen einsetzbaren marktpolitischen Maßnahmen ist die Ausgestaltung der Preise relativ flexibel und somit kurzfristig umsetzbar. Auf Grundlage des intensiven Wettbewerbsdrucks ist die Preissensibilität der Kunden gestiegen. Eine attraktive Preisgestaltung kann somit oftmals als Ausgangspunkt für eine neue Geschäftsbeziehung dienen. Zur stabi102 Vgl. Gassner/Wackerbeck (2010), S. 192 ff. Vgl. Peisker (2010), S. 235. 104 Vgl. Alexander u.a. (2010), S. 98. 105 Bruhn (2010), S.165. 103 36 5 Islamic Banking Marketingmix len Erzeugung einer Kundenbindung müssen, wie bereits erwähnt, auch die anderen marketingpolitischen Maßnahmen greifen und dauerhaft im Markt überzeugen.106 Die Preistransparenz gewinnt aus diesen Gründen besonders im Dienstleistungssektor stark an Wichtigkeit. Die Branche tendiert zu einer Einzelverrechnung der konsumierten Dienstleistungen, wodurch Vergleiche mit der Konkurrenz erleichtert werden. Niedrigpreisanbieter wie beispielsweise Direktbanken drängen zusätzlich in den Markt. Diese Banken offerieren oft keinen Leistungsvorteil; es wird auch kein zusätzlicher Mehrwert generiert. Die Umsetzung des Marketingmix basiert aber auf der Erreichung optimaler Ziele in allen vier Bereichen.107 An dieser Stelle sei erwähnt, dass durch den Wettbewerbsdruck die strategische Bedeutung der Preispolitik zunimmt. In diesem Zusammenhang steigen auch die Risiken des Preismanagements auf Seiten von Anbieter und Nachfrager. Besonders seien hierbei in Bezug auf das Bankmarketing finanzielle Risiken wie Kreditausfallrisiken, Kalkulationsrisiken und Marktreaktionsrisiken als Beispiele genannt.108 Außerdem müssen allgemeine Geschäftsrisiken, wie unsichere Rückflüsse aus Investments und das allgemeine SolvenzRisiko beachtet werden. Bergmann (2008) führt des Weiteren das Management von Treasury-Risiken als Herausforderung für islamische Banken an. Islamische Banken sehen sich diesen insbesondere gegenüber, da sie zur Refinanzierung keine Kredite am zinsbasierten Interbankenmarkt aufnehmen können und durch das Hedging-Verbot keine Absicherung gegen bestimmte Preisentwicklungen möglich ist.109 5.2.2 Besonderheiten für das Islamic Banking Die klassische Preispolitik soll auf psychologischer Ebene das Kaufverhalten der Konsumenten beeinflussen. Im islamischen Recht ist es dahingegen nicht erlaubt, eine Kaufentscheidung herbeizuführen, indem dem Kunden das „falsche“ Gefühl vermittelt wird, ein Schnäppchen zu bekommen. Bei einem islamkonformen Produkt kann beispielsweise der Preis nicht geändert werden, ohne dass sich wesentliche Produktmerkmale, wie die Eigenschaften gewandelt haben. Der Islam verbietet es, etwas zu bekommen (ein Produkt oder einen Gewinn), ohne dafür gearbeitet haben zu müssen. Zur Wahrung eines transparenten Marktes ist es nicht konform mit der islamischen Lehre, unwahre Publizierungen hinsicht106 Vgl. Büschgen/Büschgen (2002), S. 149. Vgl. Bättig (1992), S. 18 ff. 108 Vgl. Diller (2003), S. 8 f. 109 Vgl. Bergmann (2008), S. 106 f. 107 37 5 Islamic Banking Marketingmix lich des Preises zur Beeinflussung des Käufers zu verwenden.110 Die islamische Ethik erlaubt in Ausnahmefällen das Verlangen höherer Preise als nötig, um die Knappheit der Güter zum Ausdruck zu bringen. Zur Zügelung des Opportunismus werden allerdings meist Preisobergrenzen vorgegeben. Der Islam verbietet Preiskontrollen der Handelstreibenden untereinander zum Zwecke des freien Marktes nicht und ermutigt dazu, auf den Selbstregulierungsmechanismus des Preises zu vertrauen und einen gesunden Wettbewerb zu fördern. Preisabsprachen sind nicht erlaubt. Damit sich der Markt aber selbst regulieren kann, ist es von Bedeutung, dass es kein Horten von Waren, keine unrechtmäßige Preismanipulation und keine Handelsbeschränkungen gibt. Das System bietet auf der anderen Seite auch Flexibilität: Konkurrierende Wettbewerber sollen in Ausnahmefällen zum gleichen Preis verkaufen, wenn der Kaufzwang für das billigere Produkt zu hoch wäre oder wenn ein allgemein zu hohes Preisniveau die Folge wäre. Mohammed predigte, dass unter Wettbewerbsdruck die eigenen Preise nicht erhöht werden sollten. Beispielsweise werden Marktführer durch das islamische Recht somit auf eine Stufe mit anderen Wettbewerbern gestellt.111 Ziel der islamkonformen Preispolitik ist es, einen Preis-Konsens zu erzielen, der nicht ungerecht für den Konsumenten ist, aber auch einen angemessenen Gewinn für die Vermarkter einbringt. Damit das Gebot des gesellschaftlichen Wohlergehens gewahrt wird, müssen die Preise fair verhandelt werden. Alle unethischen Maßnahmen im Sinne des Korans bei der Preisfestsetzung sind ungerecht und sündig. Profite, die durch derartige Transaktionen entstehen, sind ebenfalls unethisch und verletzen den einzigartigen Status des Menschen und dessen verpflichtender Rolle der gegenseitigen Verantwortung. Zur Vermeidung moralisch verwerflicher Maßnahmen müssen Verkäufer als auch Käufer sich ihrer moralischen Verantwortung auf der Erde bewusst sein und sich nicht einer Gier nach Profiten hingeben.112 Das Gebot der Transparenz wird im islamischen Markt groß geschrieben. Es ist ein Frevel, wenn der eigentliche Inhaber der Ware sich als vermeintlicher Nicht-Eigentümer sondern als reiner Verkäufer ausgibt, um den Preis künstlich hochzutreiben. Der Kunde könnte in einen moralischen Zwiespalt geraten, wenn er den Eindruck vermittelt bekommt, der Eigentümer würde einen viel höheren Preis verlangen wollen/können. Unter Transparenz wird im Weiteren aber nicht verstanden, dass jeder Unbeteiligte Kenntnis von der Höhe eines ausgehandelten Preis erlangen kann. Die Gesellschaft 110 Vgl. Ayub (2007), S. 68 f. Vgl. Damirchi/Shafai (2011), S. 1343 f. 112 Vgl. Ayub (2007), S. 68 f. 111 38 5 Islamic Banking Marketingmix muss sich jedoch darauf verlassen können, dass ein Verkäufer den verhandelten Preis ausschließlich vom Käufer erhält und keine verborgenen Transaktionen im Hintergrund stattfinden.113 5.2.3 Beispielhafte Ausgestaltungsmuster Verzugszinsen werden im konventionellen Bankgeschäft erhoben, wenn Schuldner fällige Schuldverpflichtungen nicht erfüllen. Der deutschen Rechtsprechung zufolge, laufen Verzugszinsen auf, während eine Geldschuld nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit nicht geleistet wurde (§ 286 ff. BGB). Im Islamic Banking dürfen auf Grund von Riba keine Verzugszinsen erhoben werden, wenn beispielsweise ein Kreditnehmer seinen Kredit bei Fälligkeit nicht zurückzahlt. Um dennoch pünktliche Zahlungen der Schuldner gewährleisten zu können, werden als Alternative häufig Spenden für wohltätige Zwecke vereinbart, die zu leisten sind, wenn der Fälligkeitszeitpunkt ohne Angabe von Gründen nicht eingehalten wird. Befindet sich der Schuldner aber in einer Notlage, entfällt diese „Zwangsspende“. In Großbritannien wird für die Überziehung eines shari’a-konformen Kontos eine Strafgebühr unabhängig von der Höhe der Überziehung fällig. Werden folgewidrig dann noch Transaktionen während eines bestehenden Soll-Saldos getätigt, wird zusätzlich eine einmalige Gebühr erhoben.114 Gewinnzuschläge, die beispielsweise beim beschriebenen Murabaha-Geschäft anfallen, werden meist in Form eines Referenz-Zinssatzes, wie zum Beispiel dem LIBOR (London Interbank Offered Rate), angegeben. Aus rechtlicher Sicht spricht nichts gegen eine derartige Auszeichnung in Verbindung mit einem Zinssatz. Die islamischen Finanzleistungen stehen auch in muslimischen Ländern im Wettbewerb mit konventionellen Angeboten und bieten dem Kunde daher die Möglichkeit, Produkte besser miteinander zu vergleichen.115 Rabatte sind nach islamischer Auffassung Techniken der Korruption. Es ist nicht möglich aus Gewinnerzielungsabsichten Rabatte beim Vertriebsprozess von Bankleistungen zu gewähren.116 113 Vgl. Damirchi/Shafai (2011), S. 1343 f. Vgl. Gassner/Wackerbeck (2010), S. 69 ff. 115 Vgl. Gassner/Wackerbeck (2010), S. 70 f. 116 Vgl. Pras/Vadour-Lagrace (2007), S. 204. 114 39 5 Islamic Banking Marketingmix 5.2.4 Wertung Für die Absicherung eines möglichen Zahlungsausfalls des Kunden gibt es verschiedene Regelungsvarianten. Wenig reizvoll für Banken ist die Variante, dass der Kunde einen bestimmten Betrag für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung stellt, auf den im Notfall zurückgegriffen werden kann. Ähnlich wie beim Kreditkartengeschäft kann auch ein Betrag direkt bei der Bank als Sicherheit hinterlegt werden. Bei willentlichem Ausfall des Kunden, kann eine an die Bank zu zahlende Entschädigung festgelegt werden. Auf Grund von Restriktionen durch die Shari’a steht jene Variante aber nur beschränkt zur Verfügung. Lediglich Betreibungskosten kann die Bank in Verzugsfall geltend machen.117 Beim Murabaha kann die Bank bei Vertragsbruch auf die finanzierte Ware zurückgreifen.118 Gewinnzuschläge werden oft als verschleiertes Zinsgeschäft kritisiert. Da diese aber eine shari’a-konforme, praktikable Ausgestaltungsmöglichkeit darstellen und derzeit noch keine islamisch orientierte Benchmark-Rendite existiert, ist die bisherige Vorgehensweise auch für andere Länder denkbar.119 Durch das steigende Preisbewusstsein ist eine Transparenz durch gute Vergleichsmöglichkeiten mit anderen Produkten lobenswert. Rabattaktionen werden im europäischen Raum gern genutzt, um beispielsweise Neukunden zu werben. Bei deutschen Banken beziehen sich Rabattangebote meist auf hohe Zinsen für Neueinlagen und Ähnliches. Auf Grund von Riba entfällt diese Ausgestaltungsmöglichkeit als solches. Zum einen könnten Neukunden durch kleine Geschenke geworben werden, die als Kompensation für Einlagenzinsen gewährt werden. Zum anderen muss Marketing vor allem aber Muslime von der religiösen Produktsubstanz überzeugen können. 5.3 Promotion – Kommunikationspolitik Noch vor wenigen Jahren hatten islamische Banken eine hohe Bedeutung in ihren Märkten. Inzwischen sind aber nach und nach zahlreiche Anbieter eingetreten. Nicht zuletzt müssen durch das Angebot islamkonformer Finanzdienstleistungen auch von Seiten konventioneller Banken und dem steigenden Wettbewerbsdruck im Allgemeinen die Maßnahmen der Kommunikationspolitik verstärkt, weiterentwickelt und angepasst werden. 117 Vgl. Gassner/Wackerbeck (2010), S. 69. Vgl. Bergmann (2008), S. 52. 119 Vgl. Gassner/Wackerbeck (2010), S. 71. 118 40 5 Islamic Banking Marketingmix 5.3.1 Allgemeine Anforderungen Im Rahmen der Kommunikationspolitik werden die Entscheidungen zur Übermittlung von Informationen über sich selbst oder über die angebotenen Marktleistungen getroffen. Zielgruppen der Kommunikationsmaßnahmen stellen dabei nicht nur Bestands-, sondern auch neue potentielle Kunden und die allgemeine Öffentlichkeit dar. Die besonderen Eigenschaften von Bankleistungen müssen auch im Bereich der Kommunikationspolitik Beachtung finden. Durch die Erklärungsbedürftigkeit der Produkte müssen die Maßnahmen eben auf diesen Bedarf ausgerichtet werden. Innerhalb der Kommunikationspolitik werden zum einen ökonomische Ziele verfolgt. Darunter sind Umsatz-, Marktanteils- und Absatzsteigerungen zu verstehen. Eine Erfolgszuordnung zu einer einzelnen Maßnahme ist aber auf direktem Weg nicht möglich. Als eine zweite Gruppe gilt es in der Kommunikationspolitik psychologische, nicht monetäre Ziele, zu erreichen. Die Erhöhung des Bekanntheitsgrades eines Produkts, die Verbesserung des Images der Bank, das Hervorrufen einer Kaufabsicht oder auch eine bloße Interessensweckung zählen zu diesen Absichten. Die Kommunikationspolitik muss ebenfalls wie der Marketingmix an sich als ganzheitliches Konstrukt betrachtet werden. Es werden mehrere Formen von Kommunikationsinstrumenten unterschieden. Diese Instrumente werden mit dem Ziel eingesetzt, die Meinungsbildung der nachfragenden Kunden durch die Bank zielgerichtet zu beeinflussen.120 Die klassische Werbung wird bei Bankprodukten meist zur Imageverbesserung eingesetzt, da Dienstleistungen wegen ihres abstrakten Charakters nur schwer bildlich darstellbar sind. Über die optische Anziehungskraft lässt sich also bei Dienstleistungen kein oder zumindest nur ein geringer Verkaufserfolg erzielen. Bankprodukte bedürfen außerdem in der Regel einer Erklärung, die über die meisten Werbeformen nicht gewährleistet werden kann. Außerdem gilt es zu beachten, dass insbesondere bei Medienwerbung mit Streuverlusten zu rechnen ist. Eine weitere Form, das Direct Marketing, spricht ausgewählte Kundengruppen direkt an. Über Mailings und Telefonkontakte wird dem Kunden ein konkretes Angebot unterbreitet. Aber auch das Direct Marketing steht vor Herausforderungen, da die Verbraucher zunehmend mit derartigen Angeboten verschiedenster Anbieter kontaktiert werden. Das Sponsoring hingegen stellt ein Bindeglied zur Öffentlichkeitsarbeit dar. Das Ziel des Sponsorings ist, eine dem Sponsor gegenüber positive Grundeinstellung zu erreichen. Auch das Instrument der Öffentlichkeitsarbeit dient der Beeinflussung des Images der Bank. Im Bankensektor kann durch eine positive Wirkung in der Öffentlichkeit bei120 Vgl. Büschgen/Büschgen (2002), S. 261. 41 5 Islamic Banking Marketingmix spielsweise aktiv das Rating des Instituts beeinflusst werden. Hingegen erfüllt das Instrument der Verkaufsförderung, auch als Sales Promotion bezeichnet, sowohl interne als auch externe Aufgaben. Auf externer Ebene soll das Kundeninteresse beeinflusst werden, im internen Bereich werden dazu Mitarbeiter geschult, motiviert und informiert. Die Mitarbeiter können durch interne Wettbewerbe oder stattfindende Incentives belohnt werden. Zur langfristigen Motivation des Personals müssen aber grundlegende Maßnahmen im Personal- und Sozialbereich getroffen werden. Für Banken bieten sich als Kommunikationsinstrumente außerdem Sachmittel an. Dazu zählen Verkaufshandbücher, Prospekte und Flyer; sie bieten einen Ansatz für ein Beratungsgespräch. In den Bereich der Kommunikationspolitik können des Weiteren die Gestaltung von Kunden- und Schalterhalle und der Beratungsräumlichkeiten eingeordnet werden. Aber auch eine Zuordnung dieser Ausgestaltungsmöglichkeiten zur Vertriebspolitik ist möglich. 121 Trotz der Vielfältigkeit der Instrumente muss festgehalten werden, dass eine gute Werbung keine Patentlösung für ein erfolgreiches Produkt darstellt. Es geht darum, Produkte zu verkaufen, die eine auf die Probleme des einzelnen Konsumenten zugeschnittene Lösung bietet. Somit kann der Marketingmix auch nur als ganzheitliches Instrumentarium gesehen werden. 5.3.2 Besonderheiten für das Islamic Banking Kommunikationspolitik im islamkonformen Bankgeschäft muss sich einigen Verboten unterwerfen. Im traditionellen Marketing kommuniziert der Verkäufer relevante Produktund Kaufinformationen oft nur selektiv, um Kaufabsichten auf Seite der Kunden auszulösen. Im Islam ist ein trügerisches Werbeverhalten, dass eine genaue und vollständige Information über die wahre Natur des Produkts nicht gewährleisten kann, verboten. Es ist nicht erlaubt durch fehlerhafte und/oder unbegründete Behauptungen die Käufer zu täuschen. Es geht dabei darum, nicht um des Verkaufen-Willens den potentiellen Kunden einen falschen Eindruck vermitteln zu wollen. Die Freiheit und die Unabhängigkeit der Urteilskraft nehmen in der islamischen Lehre einen hohen Stellenwert ein. Beispielsweise ist es nicht möglich, ein beim Produkt nicht vorhandenes Qualitätsmerkmal anzupreisen. Eine übermäßige Werbung für ein Produkt stellt außerdem eine unethische Verhaltensweise des Verkäufers dar. Es ist eine Schande, Gewinne durch unehrenhafte Maßnahmen wie die der Anbiederung, Täuschung oder gar durch Diebstahl zu erwirtschaften. 121 Vgl. Bättig (1992), S. 27 ff. 42 5 Islamic Banking Marketingmix Folgende Regeln gelten nach Damirchi/Shafai (2011) für die Kommunikationspolitik im Islam: 1. Vermeidung falscher und irreführender Werbung 2. Ablehnung der Manipulation von Kunden und anderer trügerischer Verkaufstaktiken 3. Verzicht auf täuschende Verkaufsförderungsmaßnahmen Nach der islamischen Auffassung fühlt sich der Verkäufer mit Gott verbunden. Das Marketingversprechen wird im Kaufvertrag mündlich, schriftlich oder in manchen Fällen auch durch Schweigen als Einwilligung gegeben. Daher werden kaufrelevante Dokumente nur ausgetauscht, wenn sie alle gewichtigen Informationen zu Spezifika der Ware, der Qualität, der Menge, dem Preis, der Art der Lieferung und Bezahlung und ähnlichem enthalten. Der Zugang zu Informationen kann als ein Grundrecht gesehen werden. Nicht zuletzt dadurch sind Anbieter von Waren verpflichtet, alle Mängel in den Produkten – gleich ob sichtbare oder unsichtbare – offenzulegen. Um Täuschung zu vermeiden, muss der Käufer alle etwaigen Fehler/Mängel des Produkts kennen. Dabei ist der Kunde aber nicht selbst in der Pflicht jene herauszufinden. Ein Kauf ohne weitere Auflagen macht es daher notwendig, dass nur Dinge verkauft werden, die frei von Mängeln sind. Um diesen Grundgedanken im Islamic Banking umzusetzen, könnte etwaige Produktmängel als Risiken eingeordnet werden, die mit dem Kauf einer Bankleistung (zum Beispiel bei einem Kredit) verbunden sind. Es ist verboten bei Werbemaßnahmen sexuelle, emotionale, übermäßig fantasievolle und Angst hervorrufende Elemente zu verwenden. Mit dem Verbot sexueller Anspielungen in Werbungen soll weiterhin gleichzeitig vermieden werden, dass Frauen als Lockelemente missbraucht werden. Zu sexuellen Anspielungen in der Werbung zählt außerdem, dass private Teile des Körpers, auch wenn zum Beispiel durch einen Bikini verdeckt, nicht gezeigt werden. Die bereits dargestellten verbotenen Haram-Produkte dürfen ebenfalls nicht für Werbezwecke, zum Beispiel in Logos oder für Produktabbildungen verwendet werden (Vergleiche Abschnitt 3.3.5). Auch durch pseudo-relevante Aussagen und Übertreibungen soll die sogenannte Stumpfheit des Geistes nicht beeinflusst werden. Zu diesem Zwecke können außerdem die Verwendung einer äußerst eindringlichen Sprache und gleichartiger Verhaltensweisen verboten werden. Derartige Verhaltensweisen sind unethisch, da sie aus- 43 5 Islamic Banking Marketingmix schließlich dazu genutzt werden, hohe Gewinne zu erwirtschaften und den eigenen Marktanteil auszubauen.122 5.3.3 Beispielhafte Ausgestaltungsmuster Es gilt einerseits, die Kunden mittels Werbemaßnahmen von dem hohen/höheren religiösen Wert der Produkte zu überzeugen. Auf der anderen Seite werden zumeist landestypische Werte, Bräuche, Verhaltensweisen und Symbole eingesetzt, um Marketingstrategien erfolgreich umzusetzen. „Die zentrale Aussage der meisten islamischen Banken stellt [dabei] die Einhaltung und Bewahrung ursprünglicher und reiner islamischer Werte dar.“123 Wie bereits erwähnt, stellt nicht der Kunde allein die Zielgruppe der Kommunikationspolitik dar; vielmehr wird mittels kommunikationspolitischer Maßnahmen das Bild des Instituts in der Öffentlichkeit geprägt. Nach außen soll demnach das Bild des Islamic Banking mit einem öffentlichen, aber auch religiösen Auftrag gekoppelt werden. Beispielweise kann die Tradition des Islam mit einem modernen Bild verknüpft werden. Auch wissenschaftliche und geistige Errungenschaften stellen ein beliebtes Werbeelement dar. Gerade in der konventionellen Kommunikationspolitik werden oft prominente Werbeträger eingesetzt. Im Islamic Banking sollten derartige Praktiken vermieden werden, ein Prominenter sollte keinesfalls Werbeversprechen verkörpern und die Dienstleistung selbst im wahren Leben gar nicht konsumieren. Rabatte oder gar ein Geschenk, welche versprochen werden, sollten weiterhin nicht zu Werbezwecken eingesetzt werden.124 Der Kunde als eine exklusive, moderne Person steht meist im Mittelpunkt der Werbebotschaften. Die Modernität soll dabei aber mitnichten islamische Grundwerte vergessen lassen; vielmehr werden verschiedene Elemente in den Botschaften vereint. Durch die Nutzung islamischer Symbole soll das Zugehörigkeitsgefühl zur islamischen Gemeinschaft zusätzlich gestärkt werden. Die zu vermittelnden Werbebotschaften sollen durch Symbolisierung an Ausdruck gewinnen. Die Produkte symbolisieren eine Gruppen- und Wertezugehörigkeit für die betreffenden Konsumenten. Der Kunde kann dadurch ein Gefühl erleben, sich selbst mit Hilfe des Produkts auszudrücken. Die Verwendung islamischer Symbole dient des Weiteren der Abgrenzung vom konventionellen Bankgeschäft. Zur Darstellung der eigenen Bank als eine moralisch überlegene Institution hat Saggau (2010) jene 122 Vgl. Damirchi/Shafai (2011), S. 1344 f. Saggau (2010), S. 142. 124 Vgl. Pras/Vaudour-Lagrace (2007), S. 204. 123 44 5 Islamic Banking Marketingmix Schlagwörter identifiziert, die Banken überdurchschnittlich oft und über Ländergrenzen hinweg in Werbebotschaften verwenden: Aufrichtigkeit, Vertrauen, richtige Wahl, reine Quelle, Rechtmäßigkeit oder auch „das Beste aus zwei Welten“. Diese zahlreichen Schlüsselwörter werden häufig durch grafische Codierungen oder eine entsprechende symbolhafte Sprache ergänzt.125 Die Familie ist außerdem oft Ausgangsfaktor von Werbebotschaften. Zur Vermittlung einer familiären Werbebotschaft werden Familien mit Kindern, glückliche Menschen und materieller Wohlstand beispielsweise durch Darstellung von Einfamilienhäusern symbolhaft eingesetzt. Abbildung 10 zeigt das Homepage-Design der AlAhli Bank im Themenabschnitt „Sparen und Investieren“. Es werden Mann und Frau in traditioneller Kleidung als Sinnbild einer glücklichen Familie dargestellt. Beide blicken zusätzlich auf ein gerahmtes Bild mit (vermeintlich) ihren Kindern. Abbildung 10: Homepage-Design der AlAhli Bank (NCB)126 In der Öffentlichkeit soll das Bild einer modernen Bank, die aber gleichzeitig tief in ihrem religiösen Auftrag verwurzelt ist, geprägt werden. Aus diesem Grund wird auch die Religion oder vielmehr die Religiosität als Inhalt von Werbebotschaften genutzt. Zur Schließung dieser Lücke zwischen der traditionellen Religion einerseits und dem modernen Leben 125 126 Vgl. Saggau (2010), S. 142 f. AlAhli Bank (2010a). 45 5 Islamic Banking Marketingmix andererseits werden beispielsweise islamische Symbole genutzt. Dazu zählen, der islamische Halbmond, die islamische Gebetskette Tashbih oder auch Zitate aus dem Koran. Um die Modernität abzubilden werden die religiösen Sinnbilder dabei oft durch Symbole wie Laptops, Mobiltelefone oder auch moderne Fernsehgeräte ergänzt.127 Viele Banken nutzen zum Beispiel Moscheen als Symbole des Islam für Hintergrundbilder in Werbeanzeigen oder auch auf Websites. Abbildung 11 zeigt dazu beispielhaft das Homepage-Design der Muamalat Bank im Abschnitt zum Investment Banking. Abbildung 11: Homepage-Design der Bank Muamalat Malaysia Berhad128 Auch Farben werden im Bereich der Werbebotschaften symbolisch gebraucht. So findet beispielsweise die Farbe Grün im Koran mehrfach Erwähnung. Der Prophet Mohammed soll die Farbe bei seiner Kleiderwahl bevorzugt haben und auch die Moschee in Medina trägt ein grünes Dach. Die grüne Farbe hat sich als einprägsames Symbol bei Muslimen etabliert und wird daher gern als Farbe für Logos verwendet. Besonders bei konventionellen Banken wird Grün oftmals als Symbolfarbe für die islamischen Tochtergesellschaften gewählt.129 Abbildung 12 zeigt ausgewählte Logos islamischer Banken, die auf eine grüne Farbgebung zurückgreifen. 127 Vgl. Saggau (2010), S. 143. Bank Muamalat Malaysia Berhad (2011). 129 Vgl. Saggau (2010), S. 145. 128 46 5 Islamic Banking Marketingmix Abbildung 12: Logos der AlAhli Bank (NCB), der Kuveyt Türk Participation Bank und der Dubai Islamic Bank130 Die Gestaltungsmuster des Islamic Marketing setzen auch übergreifend in den Marketingmixbereichen an. Die speziellen Werbebotschaften werden oftmals bereits durch Produktnamen oder Namen der Banken transportiert. Dieser Ausgestaltungsbereich kann ebenfalls der Produktpolitik zugeordnet werden, wird aber an dieser Stelle mitvorgestellt, da ähnliche Muster wie bei konkreten Werbemaßnahmen genutzt werden. So bedeutet beispielsweise der Name der bereits erwähnten HSBC Amanah Bank „Treuhandschaft“, der Slogan der Türkiye Finans „Entgegnet gesellschaftlichen Bedürfnissen mit Qualität“ und das Motto der Albaraka Türk lautet „Segen der sozialen Verantwortung“.131 Die Tochtergesellschaft der UBS trägt den Namen „NoRiba“ und soll damit eine Anspielung auf das Zinsverbot („No“ „Riba“) darstellen. Ausgewählte Produkte des Private Banking werden zum Beispiel wie folgt bezeichnet: „Wessam“ ein Produkt der AlAhli Bank heißt übersetzt „Ehrenzeichen“, das National Bank of Kuwait‘s Produkt „Tahabi“ bedeutet „Gold“ und „Früchte tragen“ (im Sinne von Zugewinn erzielen) lautet die sinngemäße Übersetzung von „Ethmar“, einem Produkt der Emirates Bank. In Arabisch sprechenden Ländern werden die Produktbezeichnungen dann oftmals als kalligrafisches Logo dargestellt. Als Beispiel ist das Logo der Al-Shaheen-Produkte der Emirates Bank in Abbildung 13 dargestellt, welches neben dem Schriftzug das Symbol eines Falken verwendet.132 Abbildung 13: Logo der Al-Shaheen-Produkte133 130 AlAhli Bank (2010b), Kuveyt Türk Participation Bank (2011) und Dubai Islamic Bank (2010a). Vgl. Yavuz (2011), S. 13. 132 Vgl. Saggau (2010), S. 144 f. 133 Emirates NBD Bank (2011), S. 1. 131 47 5 Islamic Banking Marketingmix Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass beispielsweise die türkische Verfassung die Verwendung religiöser Inhalte in Logos und Slogans verbietet.134 Je nach regionaler Lage des Zielmarktes müssen also auch gesetzliche Anforderungen eingehalten werden. Als Werbeträger können für das Islamic Banking weitestgehend die gleichen Kanäle wie auch bei konventionellen Banken genutzt werden. In Frage kommen Fernsehen, Rundfunk, Tageszeitung, Zeitschrift, Plakate (zum Beispiel Bushaltestelle) oder auch Internet. 135 Öffentlichkeitsarbeit und Verkaufsförderung stehen auch als kommunikationspolitische Maßnahmen im Bankensenktor zur Verfügung. So können beispielsweise Seminare, Ausstellungen oder auch das klassische Sponsoring genutzt werden. Auch das Geben von Spenden, zum Beispiel für gemeinwohlorientierte Zwecke, ist eine beliebte Maßnahme bei islamkonformen Banken.136 5.3.4 Wertung Die vorgestellten Beispiele für eine Ausgestaltung der Kommunikationspolitik können dazu beitragen, ein Bewusstsein für Islamic Banking in Europa zu schaffen. Bestimmte für das konventionelle Bankgeschäft genutzte Werbetechniken können dabei nicht ohne weiteres übernommen werden, da der Islam einige Einschränkungen vorgibt. In Deutschland wird Kommunikationspolitik jedoch seit Jahren immer mehr zielgruppenspezifisch ausgerichtet. Durch Segmentierungsstrategien und Werbetechniken können auch entsprechende Hürden für das Islamic Banking überwunden werden, indem innerhalb des Handlungsrahmens besondere Themen herausgegriffen und dem Kunden vermittelt werden. Die größte Herausforderung für die Kommunikationspolitik liegt in der Konkurrenz konventioneller Produkte, die mittels Übertreibungen, falschen Aussagen oder auch nach dem Motto „Sex Sells“ angepriesen werden. Das Marketing muss als operative Aufgabe KommunikationsAngebote schaffen, die werthaltig sind, muslimische Themen ansprechen und dennoch als interessant wahrgenommen werden. Der Kommunikationspolitik kommt auf Grund der noch schwachen Verbreitung von Wissen, Bewusstsein und Interesse am Islamic Banking eine hohe Bedeutung zu, da Produkte, Preise und Vertriebswege dem Kunden bewusst gemacht werden müssen. 134 Vgl. Yavuz (2011), S. 13. Vgl. Yavuz (2011), S. 24. 136 Vgl. Yavuz (2011), S. 26. 135 48 5 Islamic Banking Marketingmix 5.4 Place – Vertriebs- und Verhandlungspolitik Im Rahmen der Distributionspolitik werden Entscheidungen darüber getroffen, wo, wie und wann eine Dienstleistung angeboten wird. Da der Vertrieb von Finanzleistungen eng mit einer vorangehenden Verhandlung gekoppelt ist, wird in diesem Abschnitt neben klassischen Distributionsmaßnahmen wie Einrichtung von Filialbetrieb und Online-Banking auch die Verhandlung als integraler Bestandteil des Islamic Banking betrachtet. Des Weiteren wird das Lady-Banking als zielgruppenspezifische Maßnahme thematisiert. 5.4.1 Allgemeine Anforderungen Büschgen/Büschgen (2002) unterscheiden zwei Themenbereiche der Vertriebspolitik, die physische und die kommunikativ-akquisitorische Distribution. Auf Grund der Besonderheit von Dienstleistungen entfallen auf der physischen Betrachtungsebene die bei Gütern üblichen Probleme wie die der Koordination von Transportwegen und der Lagerhaltung. Im organisatorischen Bereich muss die Vertriebspolitik aber analog zum Sachgüterbereich eine Bereitstellung der Leistung zur richtigen Zeit am richtigen Ort den Kundenbedürfnissen entsprechend und zu minimalen Kosten gewährleisten. Neben der zeitlichen und räumlichen Koordination der Vertriebswege muss an dieser Stelle aber auch ein adäquates Kostenmanagement etabliert werden. Speziell im Personalbereich ist in den vergangenen Jahren ein Kostenanstieg zu verzeichnen gewesen. Gleichzeitig sind aber auch die Kundenansprüche an ein zeitlich und räumlich äußerst flexibles Leistungsangebot enorm gestiegen.137 Es stellt sich hierbei zum Beispiel die Frage der Gestaltung des Filialnetzes, da im Bankensektor mittlerweile viele Standarddienstleistungen über SB-Banking an Automaten oder das Internet-Banking abgedeckt werden. Durch die Einführung eines Online-Banking werden somit personelle Ressourcen in den einzelnen Filialen freigesetzt.138 Die physische Distributionspolitik hat die Aufgabe, diese vielfältigen Faktoren zu koordinieren und in Einklang zu bringen. Die kommunikativ-akquisitorische Vertriebspolitik hingegen beinhaltet die Fragestellung nach dem Management der Kommunikation der Leistungsprogramminformationen. Hierbei sind einerseits die Kommunikation der Dienstleistungen an den Kunden, aber auch die Rückkopplung seitens des Kunden an die Bank gemeint. In Anlehnung an den Gedanken des Beratungsbedarfs des einzelnen Kunden stel- 137 138 Vgl. Kotler u.a. (2007), S. 1004 ff. Vgl. Bättig (1992), S. 18 ff. 49 5 Islamic Banking Marketingmix len die personellen Kapazitäten auch hier einen wichtigen Faktor dar.139 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die distributionspolitischen Analysen und Maßnahmen darauf abzielen, regionale Bedürfnisse und Chancen zu erkennen um dadurch strategisch sinnvolle Orte zu identifizieren. 5.4.2 Besonderheiten für das Islamic Banking Bei der Wahl der Distributionskanäle gilt das Prinzip, dass diese keine zusätzliche Belastung für den Endkonsumenten darstellen sollten, indem beispielsweise durch vertriebspolitische Maßnahmen Güterpreise steigen und es eventuell zu Verzögerungen der Verfügbarkeit der Ware kommen kann. Durch eine verspätete Lieferung könnte dem Kunde unnötiger Ärger entstehen. Der Islam verbietet keinen Filialbetreib, um den Erwerb von Waren zu erleichtern. Die Distributionskanäle sollen durch die Bereitstellung ethischer und befriedigender Waren einen Wert schaffen um den Lebensstandard zu erhöhen. Auch für die Distributionspolitik sollen an dieser Stelle grundlegende Prinzipien vorgestellt werden: 1. die Verfügbarkeit eines Produktes nicht manipulieren um Verbraucher auszubeuten 2. Vermeidung von Marketingmaßnahmen, die das Mittel des Zwangs beinhalten 3. nicht unangemessenen Einfluss über den Weiterverkäufer ausüben, um die Wahl eines Produkts zu beeinflussen Entscheidungen, die nach dem Profit-Maximierungs-Prinzip getroffen werden sind auch an dieser Stelle des Marketingmix nicht mit dem Wohlergehen der Gesellschaft vereinbar. Als unethische Praktik im Bereich der Distributionspolitik kann zum einen die Wahl einer Verpackung/eines Verpackungsdesigns, die/das keinen ausreichenden Schutz und keine hohe Sicherheit des Produkts bildet. Ungeeignete Verpackungen sind demnach verboten. Außerdem gilt es als Frevel der Distributionspolitik beispielsweise gefährliche oder gar giftige Produkte auf öffentlichen Autobahnen transportieren. Aus islamischer Sicht sind derartige Praktiken Gemeinwohl gefährdend, nicht verzeihbar und führen zu einem ungerechten Marketingprozess.140 Auf Grund der Immaterialität von Bankleistungen und des Wegfalls derartiger Ausgestaltungsmöglichkeiten werden diese Punkte im Folgenden nicht weiter thematisiert. 139 140 Vgl. Büschgen/Büschgen (2002), S. 169. Vgl. Damirchi/Shafai (2011), S. 1345. 50 5 Islamic Banking Marketingmix 5.4.3 Beispielhafte Ausgestaltungsmuster Die Verhandlung, welche in der Regel während des Beratungs- und Verkaufsgespräches erfolgt, muss einer bestimmten Logik folgen. Dabei gilt es, das Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit zu wahren. Damit zwei gleichberechtigte Partner (zum Beispiel Bank und Kunde) einen Vertrag schließen können, muss unbedingt darauf geachtet werden, dass insbesondere der Kunde als Individuum geschätzt wird und seine Entscheidungen frei treffen kann. Hierbei spielt die psychische Gesundheit des Kunden, die nicht durch Krankheit oder Alter beeinträchtigt sein darf, eine wichtige Rolle. Bei seinen Untersuchungen zur Absatzpolitik von Banken in der Türkei, fand Yavuz (2011) außerdem heraus, dass im sogenannten Small-Talk bei Beratungsgesprächen persönliche Themen wie Familie oder Abstammung im Dialog mit Muslimen gern angesprochen werden. Die Thematisierung von religiösen und politischen Fragestellungen hingegen wird vermieden.141 Die Einrichtung von Filialen für den Vertrieb islamkonformer Finanzleistungen kann ähnlich wie beim Vertrieb konventioneller Leistungen gestaltet werden. Diese können klassisch oder auch modern gestaltet werden. Islamkonforme Banken in der Türkei nutzen oftmals zweistöckige Einrichtungen für ihre Filialen, um eine hohe Diskretion zu gewährleisten. Abbildung 14: Filial-Design der Barwa Bank142 141 142 Vgl. Yavuz (2011), S. 30. Crea International (2011). 51 5 Islamic Banking Marketingmix So sind im Erdgeschossbereich Bankschalter und Kundenberater untergebracht, die Besprechungszimmer dagegen finden sich auf der darüber liegenden Ebene. Auch ein Außendienst, der durch mobile Vertriebsberater abgedeckt wird, bietet sich an. Das Angebot von Telefon- und Online-Banking ist im Islamic Banking ebenfalls unproblematisch.143 Abbildung 14 zeigt ein modernes Filialdesign, welches in der Barwa Bank in Katar umgesetzt wurde. Die tief in der Bevölkerung verankerte islamische Religion wird dabei mit der Modernität der westlichen Welt in Einklang gebracht. Als Inspiration soll nach Angaben der Designer-Firma Crea International die Wüstenlandschaft Katars gedient haben.144 Im Rahmen der Distributionspolitik sind bei der Einrichtung eines Filialnetzes auch Standortfragen zu klären. Als Beispiel sei hierfür die Deutsche Bank betrachtet. In 48 ausgewählten Investment- und Finanzcentern in Deutschland werden mittels des sogenannten Bankamiz-Angebotes spezielle Beratungen und ausgesuchte Produkte für muslimische Kunden angeboten.145 Abbildung 15 zeigt die gewählten Standorte. Das Programm wird zum großen Teil in den Regionen Frankfurt und Stuttgart, sowie im Ruhrgebiet umgesetzt. Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge leben in diesen deutschen Regionen bevölkerungsmäßig die meisten Muslime.146 Abbildung 15: Bankamiz-Standorte der Deutschen Bank in Deutschland147 143 Vgl. Yavuz (2011), S. 20 ff. Vgl. Crea International (2011). 145 Vgl. Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG (2011). 146 Vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (2009), S. 107. 147 Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG (2011). 144 52 5 Islamic Banking Marketingmix Das Online-Banking gewinnt als Ergänzung zum traditionellen Filialvertrieb auch im Islamic Banking an Bedeutung. Die Ressourcen der Banken können gebündelt genutzt werden, um einen neuen Zielmarkt zu erschließen und den Umsatz zu steigern. Durch das Angebot von Online-Diensten als Ergänzung zum Einzelhandelsgeschäft in den Filialen liegt der Vorteil ganz klar in der Kosteneinsparung. Elbeck/Dedousissis (2010) beziffern das Einsparungspotential im Rahmen ihrer Studie zum Online-Banking bei islamischen Banken auf 25 bis 30 Prozent in Relation zu den Kosten der Bankfiliale. Eine positive Mundzu-Mund-Propaganda hilft, die Wahrnehmung der nützlichen Vorteile hervorzuheben und gleichzeitig die negativ behafteten Sicherheitsgedanken zu vermindern. Lokale kulturelle Gegebenheiten können durch den Gebrauch von Sprache und der Darstellung von Personen und Hintergrund auf der Website genutzt werden, um schließlich auch den Ruf der Bankfiliale in nachhaltiger Art und Weise zu beeinflussen. Länderspezifisch wurden in der vorgestellten Studie von Elbeck/Dedousissis (2010) Unterscheide in den Anforderungen an ein modernes und funktionsfähiges OnlineBanking-System identifiziert. Als besonders wichtige Anforderungsmerkmale konnten dabei Nutzen, Design, Gebühren, Qualität der Informationen, Glaubwürdigkeit, Datensicherheit, Privatsphäre, Kompatibilität und Einfachheit in der Bedienung festgestellt werden. Um den Gedanken shari’a-konformer Angebote auch im Internet durchzusetzen, muss dabei natürlich auf den Informations- und Kommunikationsgehalt des Internet-Auftritts besonderes Augenmerk gelegt werden. Die Auswahl an den angebotenen Bank- und Wertpapierdienstleistungen muss daher sinnvoll getroffen werden, um die nahtlose Verbindung zwischen Technologie und Glaube zu gewährleisten. Durch den 24-Stunden-Zugang zu Informationen und damit verbundenen Zeiteinsparungen sind die Besuche in den untersuchten Filialen zwischen 1999 und 2009 um 45 Prozent zurückgegangen. Tabelle 1 zeigt die Studienergebnisse von Elbeck/Dedousissis (2010) und soll verdeutlichen, dass die Bedeutung von Online-Banking in den letzten zehn Jahren enorm gestiegen ist und dadurch auch Folgen für den Filialbetrieb entstehen. Die Kunden nutzen laut der Studie das Online-Angebot vor allem zur Konten- und Anlageportfolioübersicht, zum Tätigen von Überweisungen, um neue Konten zu eröffnen, sowie Daueraufträge einzurichten und zu löschen. Auf Grund der positiven Tendenzen in den letzten Jahren bezüglich der Nutzung von Online-Banking können durchaus auch islamische Banken in dieser Richtung 53 5 Islamic Banking Marketingmix eine erfolgreiche globale Wachstumsstrategie verfolgen, insofern die genannten Parameter Beachtung finden.148 Tabelle 1: Online-Banking- und Filialbetriebsverhalten von Kunden islamischer Banken149 Verhaltensweise Benutzung des Internets Besitz eines eigenen Online-BankingAccounts Besitzen eines Kontos, welches in einer Filiale einer islamischen Bank geführt wird Interesse, in den nächsten 12 Monaten einen Online-BankingAccount zu eröffnen Benutzung von Geldautomaten pro Monat Bankbesuche pro Monat Häufigkeit des Verhaltens laut Studie von 1999 (120 Befragte) 45 % Häufigkeit des Verhaltens laut Studie von 2009 (220 Befragte) 91 % 18 % 61 % + 43 % 15 % 51 % + 36 % 38 % 48 % + 10 % 8,9 7,1 - 20 % 4,7 2,6 - 45 % Veränderung + 46 % Der alleinige Vertrieb islamkonformer Finanzdienstleistungen über das Internet (zum Beispiel wie bei Direktbanken) gestaltet sich dagegen schwierig. Gerade auf Grund der Komplexität von Bankleistungen sind die Produkte erklärungsbedürftig. Außerdem kann ein Internetangebot eine umfassende Beratung wie von einem Bankberater nicht anbieten, da der Kunde sich die Informationen selbst, zum Beispiel mittels Durchklicken auf der Homepage, beschaffen und anlesen muss. Für den Aufbau eines partnerschaftlichen Verhältnisses zwischen Kunde und Bank ist eine persönliche Beratung unabdingbar. Speziell gilt das für muslimische Kunden, die neben den klassischen Produktfragen auch Beratungsbedarf hinsichtlich religiöser Grundfragen im Zusammenhang mit dem Bankgeschäft haben. Nach eigenen Recherchen konnten keine umfassenden Islamic Banking-Angebote, die über einen reinen Internetvertrieb abgesetzt werden, identifiziert werden. Das sogenannte Lady Banking stellt im Zusammenhang mit vertriebspolitischen Maßnahmen eine Innovation dar. Die Dubai Islamic Bank (DIB) als Vorreiter will mit speziel148 149 Vgl. Elbeck/Dedoussis (2010), S. 268 ff. Eigene Darstellung in Anlehnung an: Elbeck und Dedousissis (2010), S. 273. 54 5 Islamic Banking Marketingmix len Angeboten (zum Beispiel Kreditkarten und Versicherungen) für die weibliche Zielgruppe ihren Markt ausbauen. Angesichts der besonderen Stellung der Frau im Islam, worauf im Folgenden aus didaktischen Gründen nicht näher eingegangen werden soll, werden Bankgeschäfte in streng muslimischen Teilen der Erde bevorzugt von der männlichen Bevölkerung getätigt. Hindawi, der Produkt-Entwicklungsmanager des sogenannten JoharaAngebots der DIB erklärt in einem Interview, dass diese exklusiven Leistungen angeboten werden, um den Beitrag von Frauen zum ökonomischen Leben zu würdigen und auch Frauen den Zugang zu den höchsten Standards persönlicher Betreuung, Professionalität und Komfort im Bankgeschäft zu bieten. Ziel der Einführung eines speziellen Lady Banking sei es demnach, die gerechte Ressourcenverteilung in der Gesellschaft zu ermöglichen.150 Aus diesem Grund wurden in und um Dubai in den letzten Jahren sieben Filialen mit 19 zugehörigen Geschäftsstellen exklusiv für die weibliche Bevölkerung geschaffen.151 5.4.4 Wertung Die bereits praktizierten vertriebspolitischen Maßnahmen sind durchaus auch für den deutschen Markt denkbar. Die aufgeführten Prinzipien für Verhandlungen gelten auch für das konventionelle Bankgeschäft und sollten keine Hürde für ein erfolgreiches Islamic Banking darstellen. Der Vertrieb über Filialen kann auch als relativ unkritisch betrachtet werden. Sicherlich könnten für das Islamic Banking auch, gerade in Deutschland, höhere Maßstäbe angesetzt werden. Wenn der Ausgangspunkt in der Betrachtung des Vertriebs islamkonformer Dienstleistungen durch konventionelle Banken oder deren Tochtergesellschaften anzusetzen ist, müssten bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden. Die Durchsetzung einer, wie im Beispiel beschriebenen, Filialarchitektur ist nur mit großem Aufwand umsetzbar. Jedoch können grundlegende räumliche Maßnahmen zur Wahrung einer hohen Diskretion getroffen werden, die auch bei konventionellen Kunden auf Begrüßung stoßen würden. Zur Wahrung der Kundeninteressen sollten Beratungen nicht am Schreibtisch des Kundenbetreuers, sondern in separaten Räumen abgehalten werden. Bei vielen deutschen Banken gehört dies bereits zur gängigen Praxis. Standortfragen innerhalb Deutschlands müssen sich an der lokalen Verteilung der Zielgruppe orientieren. Dabei müssen sich entsprechende Spezialangebote aber in ein eventuell bereits bestehendes Filialsystem integrieren lassen. 150 151 Vgl. Stensgaard (2007). Dubai Islamic Bank (2010b). 55 5 Islamic Banking Marketingmix Eine entsprechende Ausgestaltung des Online-Angebots ist zwar mit technischem und finanziellem Aufwand verbunden, lässt sich aber gut in bestehende Systeme integrieren. Durch das Angebot von einfachen Kontenmodellen als Einstieg in das Islamic Banking ist aber die Einrichtung eines entsprechenden Online-Angebots unabdingbar. Telefonbanking als zusätzliches Angebot sollte ebenfalls eingerichtet werden, um einen vergleichbaren Service zu den konventionellen Angeboten einerseits und rein islamischen Banken andererseits zu gewährleisten. Islamische Direktbanken bleiben auf Grund fehlender Erfahrungen in den Vorreiterländern des Islamic Banking hier außer Betracht. Das Lady-Banking ist als spezielles Zielgruppenangebot zum jetzigen Zeitpunkt in der vorgestellten Form für den deutschen Raum nicht umsetzbar. Zunächst sollte das Islamic Banking als eine moderne Form des Bankgeschäfts etabliert werden. Dabei können sicherlich spezielle Angebote für Frauen wie Kreditkarten und Ähnliches geschaffen werden. Die Errichtung spezieller Filialen ist außerdem auf Grund der unklaren tatsächlichen Nachfrage und des vermeintlich geringeren Potentials als beispielsweise in der Türkei, nicht günstig. 5.5 People Zunächst soll an dieser Stelle der Verbraucher als zentrales Element des Marketingmix betrachtet werden. Wichtig ist es, die Freiheit und unabhängige Urteilskraft des Kunden anzuerkennen und zu wahren. Die Fähigkeit ausschließlich mit rationalen Elementen eine Marketingaktivität auszugestalten, ist eine Voraussetzung im islamischen Recht. Die Gesellschaft soll frei von Zwängen des Marketing sein und auf eine grundlegende Ehrlichkeit vertrauen können. Der Konsument hat das Recht, alle Informationen zu bekommen. Er hat einen speziellen Status vom Islam zugewiesen bekommen, da es sein Vermögen ist, was in den Kauf von Gütern investiert wird. Es liegt in der Verantwortlichkeit der Verkäufer keine Form von Zwang zuzulassen. Sie müssen unter allen Umständen auch daran denken, dass der Wert des Geldes, welches hart verdient worden ist, nicht verschwendet oder vergeudet wird. Unter einem Zwang wird hierbei verstanden, jemanden zu nötigen etwas ohne seine Zustimmung zu tun. Sobald ein Zwang die Grundlage für den Abschluss eines Vertrages ist, bleibt die grundlegende und unabdingbare Voraussetzung des gegenseitigen Einverständnisses unerfüllt, denn die daraus resultierenden Transaktionen sind unethisch und unrechtmäßig. Elemente die Zwänge auslösen sind jene, die Sexualität, Emotionalität, Angst, unterschwellige Werbung sowie pseudo-wissenschaftliche Behauptungen beinhal- 56 5 Islamic Banking Marketingmix ten. Ein ethischer Marketingmix muss die Entscheidungsfreiheit des Käufers vor allen Zwang-Elementen schützen.152 Der Prophet Mohammed soll bereits großen Wert darauf gelegt haben, sich als ehrlicher und zuverlässiger Händler zu positionieren, anstatt den Fokus auf die zu verkaufenden Produkte zu legen. Für die Umsetzung eines modernen Marketing kann dieser Ansatz übernommen werden. Der beste Marketingmix kann nicht zum Erfolg führen, wenn die Art und Weise des persönlichen Verkaufes nicht stimmig ist.153 Die beiden am häufigsten genannten aktuellen Herausforderungen für Retail-Banken sind einerseits die Senkung von Kosten und auf der anderen Seite die Verbesserung der Kundenbindung und der damit verbundenen Servicequalität. Bankmitarbeiter müssen nicht nur freundlich, sondern vor allem kompetent sein. Kommunikationsleistungen bilden dabei ein zentrales Element, da Bankleistungen auf Grund ihrer Komplexität erklärungsbedürftig sind. Islamische Finanzprodukte erheben dabei einen besonderen Anspruch um nicht nur klassische Produktmerkmale kommunizieren zu können, sondern auch shari’a-relevante Aspekte in den Vordergrund zu stellen. Zum Aufbau der wichtigen Kunden-Mitarbeiter-Beziehung setzen islamkonforme Banken in der Türkei dazu beispielsweise auf eine geschlechtsbasierende Kundenbetreuung.154 Die Beschäftigung von nicht-muslimischen Mitarbeitern hingegen wird unproblematisch gesehen. Ein Mitarbeiter muss nach Arham (2010) lediglich kompetent sein und sich den Regelungen des Instituts zu unterwerfen bereit sein.155 Einer Umfrage von Thießen (2011) bei deutschen Finanzinstituten zu folge wollen Mitarbeiter Fragen zu shari’a-konformen Produkten an eine zentrale Stelle abgeben. Vorstände beklagen zudem, dass die Mitarbeiter für das Islamic Banking-Thema nicht das richtige Fingerspitzengefühl haben. Deutsche Mitarbeiter beschwerten sich intern darüber, wenn schon wieder Prospekte für türkische Kunden gestartet werden sollen.156 Kundenorientierung muss aber als wichtiges Element betrachtet und Mitarbeiter entsprechend geschult, informiert und motiviert werden. Zur Einführung eines erfolgreichen Islamic Banking ist es unabdingbar, mit qualifiziertem und motivierten Bankpersonal aufzuwarten, um in persönlichen Gesprächen grundlegendes Interesse der Kunden aufzugreifen und sie für islamische Finanzprodukte zu gewinnen. 152 Vgl. Damirchi/Shafai (2011), S. 1345 f. Vgl. Arham (2010), S. 158. 154 Vgl. Yavuz (2011), S. 31. 155 Vgl. Arham (2010), S. 161. 156 Vgl. Thießen (2011), S. 36. 153 57 5 Islamic Banking Marketingmix In einer Studie untersuchte Lee (2011) die präferierten Servicequalitätskriterien bei Banken von Kunden. Es wurden Studierende der Wirtschaftswissenschaften im durchschnittlichen Alter von 25 Jahren befragt, wobei Mehrfachantworten möglich waren. Tabelle 2 zeigt die Verteilung der Antworten nach Kategorien. Eine hohe Kundenorientierung zeichnet sich durch Freundlichkeit, Höflichkeit, Hilfsbereitschaft und persönliche Hinwendung des Personals aus; aber auch Kompetenz, Problemlösefähigkeit und aktive Kommunikation tragen zu einem guten Service bei.157 Tabelle 2: Servicequalitätskriterien für Banken158 Qualitätskriterium Häufigkeit der Antwort Kundenorientierung 61 Service-Funktionalität 39 Komfort/Verfügbarkeit 33 Preise/Konditionen 19 Image 11 Andere 3 Kundenorientierung und Wertschätzung des Verbrauchers gelten auch für das Islamic Banking als Schlüsselprinzipien erfolgreicher Vermarktungsstrategien. Das Personal muss dafür entsprechend sensibilisiert und ausgebildet werden. Der Aufbau von KundenMitarbeiter-Beziehungen ist integraler Bestandteil des Marketingmix und darf bei allen notwendigen Produktentwicklungen, Werbe- und Vertriebsmaßnahmen nicht außer Acht gelassen werden. 157 158 Vgl. Lee (2011), S. 3 f. Eigene Darstellung in Anlehnung an: Lee (2011), S. 4. 58 6 Schlussbemerkungen und Ausblick 6 Schlussbemerkungen und Ausblick Lange Zeit galt Islamic Banking als Nische und war räumlich auf islamisch geprägte Regionen beschränkt. Win-Win-Situationen, vollständige Information und Risikokontrolle machen Islamic Banking zu einem interessanten Konzept, auch für den deutschen Finanzmarkt. Shari’a-konforme Produkte können für muslimische und nicht-muslimische Kunden eine Alternative zu konventionellen Produkten darstellen, da sie transparenter sind und ihnen ein konkreter Wert zu Grunde liegt. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass Islamic Banking in Deutschland durchaus denkbar wäre. Bisher in anderen Teilen der Erde praktizierte Umsetzungskonzepte können aber auf Grund der Stellung der Muslime in Deutschland und des geltenden Rechtsrahmens nicht ohne Weiteres adaptiert werden. Zunächst muss aber eine allgemeine Akzeptanz der Religion geschaffen werden. Produkte, welche grundlegende Einstellungen von Christen verletzen, werden es schwer haben. Hier kann der Marketingmix ansetzen, denn neben der Auswahl an Produkten, werden auch Distribution, Preisgestaltung und Kommunikationsmaßnahmen in die Betrachtungen einbezogen, um ein ganzheitliches und optimales Konzept umzusetzen. Die Beachtung der Shari’a und die Generierung angemessener Gewinne aus dem Geschäft stellen dabei die größten Herausforderungen dar. Die Auswahl möglicher Produkte stellt den Ausganspunkt einer operativen Maßnahmenplanung dar. Neben den Anforderungen der Shari’a müssen dabei gesetzliche Bestimmungen des jeweiligen Landes, Wettbewerbsfähigkeit und Akzeptanz der Bevölkerung eine Rolle spielen. Die Einführung komplexer Produkte kann erst erfolgen, wenn grundlegende Elemente des Aktiv- und Passivgeschäfts etabliert wurden. Als Anleihen-Alternative für den konventionellen Kundenstamm sind besonders Sukuks für den deutschen Markt interessant. Es besteht aber auch Potential für das Spar- und Girokontengeschäft. Bei der Auswahl geeigneter Produktpaletten kann das Marketing Unterstützung leisten. Durch zielgruppenspezifische Kommunikationspolitik kann ein intensives Marketing betrieben werden um neue Kunden zu akquirieren und bestehende für neue Produktlinien zu gewinnen. Zur Verbesserung der Akzeptanz islamischer Finanzprodukte kommt der Kommunikationspolitik eine wichtige Aufgabe zu, die im Einklang mit speziellen Vorschriften und Verboten für Werbemaßnahmen in allen Bereichen bewältigt werden muss. Für den Vertrieb sollten spezielle Maßstäbe gelten, um Muslime anzusprechen und grundlegende mo- 59 6 Schlussbemerkungen und Ausblick ralische und religiöse Ansprüche zu wahren. Eine hohe Diskretion spielt dabei genauso eine Rolle, wie ein kompetenter und freundlicher Kundenbetreuer. Besonders Standortfragen für den Vertrieb islamischer Finanzprodukte innerhalb Deutschlands und Europas können ein interessanter Ausgangspunkt für die Etablierung des Islamic Banking sein. Es empfiehlt sich sicher, bei diesem vergleichsweise jungen Bankenkonzept auf Erfahrungen von Vorreitern zu warten. Aber auch ethische Marketingkonzepte von derart orientierten Banken in Deutschland können als Vorbild dienen. Britische Banken machen islamische Werte bereits zum Standard. Eine Reihe von Finanzinstituten in Frankreich, wo die meisten Muslime Europas leben, bemüht sich bereits um die Erteilung von Lizenzen für das Islamic Banking-Geschäft. Deutschland kann folgen: Die Deutsche Bundesbank hat eine eigene Konferenz ins Leben gerufen – Ziel: Islamkonformen Banken den Weg nach Deutschland ebnen. Die nächsten Jahre werden zeigen, in welche Richtung sich das europäische Bankensystem, besonders im Hinblick auf die aktuell herrschenden Debatten zur Finanzkrise, entwickeln wird. Das Erkennen und Nutzen neuer Potentiale kann aber ein Schlüsselfaktor sein, denn wie sagte einst Henry Ford: „Wer immer tut, was er schon kann, bleibt immer das, was er schon ist.“ Sicher ist jedoch: Egal wo und in welcher Intensität Konzepte umgesetzt werden sollen, ohne Marketing werden diese erfolglos bleiben. 60 -Rechtmäßigkeit und Konformität mit der islamischen Lehre -Beachtung physischer Auswirkungen des Produkts auf Individuum und Gesellschaft Produktpolitik -niemand darf etwas erhalten, ohne dafür gearbeitet zu haben -Verbot von Preiswucher -gegenseitige Interessenwahrung vor Gewinnerzielungsabsicht Preispolitik Gerechtigkeit, Gleich- -Produktqualität als Aus- -faire Preise für Verbrauheit und Ehrlichkeit gangpunkt zur Steigerung cher und angemessene der individuellen und kol- Gewinne für Verkäufer lektiven Bedürfnisbefrie- -Beachtung des Selbstredigung gulierungsmechanismus -Verbot unmoralischer der Märkte und belästigender Produk- -Verbot von Preisdiskrite minierung -Verbot des Betrugs hinsichtlich der Qualitätsmerkmale -Zusatzkosten, die durch Zusatzservices entstehen, müssen identifizierbar sein Ethische Grundlage: Der Islam Prinzipien Marketingmixbereich -Beachtung von Prinzipien der Freiheit, der Unabhängigkeit von Urteilen und des freien Zugangs zu Informationen -keine übermäßige Anpreisung von Produkten -Transparenz wahren -Offenlegung von Mängeln -Aufbau von Vertrauen z.B. durch islamische Terminologie -Schätzen des Beitrags von Frauen für die Gesellschaft -Beachtung und Nichtverletzung islamischer Werte bei allen Maßnahmen Kommunikationspolitik -Verbot von Zwang und Techniken der Korruption -Gewährleistung von Zuverlässigkeit der Transaktionen -Schaffung von Mehrwert für alle Parteien durch Verhandlung -Wahrung der Wahlfreiheit (z.B. hinsichtlich Distributionskanal) -Verbot der Manipulation der Produktverfügbarkeit -Fokus auf individuellem und kollektivem Wohlergehen -Gewinnmaximierung darf nicht bestimmender Faktor sein Distributionspolitik Anhang 1: Marketingpraktiken für das Islamic Banking im Überblick Anhang Anhang VII Distributionspolitik -Zuverlässigkeit und Si- -keine künstliche Gütercherheit der Produkte/ verknappung zum ZweGewährleistung der Ver- cke der Preiserhöhung mögenssicherung zulassen -richtige und vollständige -Wahrung von PreisInformation transparenz -Produkt muss Nutzen implizieren -Gewährleistung wahrer -Verhandlung im Einund vollständiger Infor- klang mit dem Produkt mation -keine selektive Informationsstreuung Kommunikationspolitik Sicherheit und Standards Preispolitik -Verbot von Sexualität, -Gewährleistung der LieEmotionen, Angst, Fanta- ferbarkeit des Produkts sie und Lügen -Beachtung geltender -Verbot der stereotypen Vorschriften von InstituDarstellung von Frauen tionen als Sexualobjekte -Verbot suggestiver Sprache -Verbot irreführender, irrationaler Elemente Produktpolitik Bescheidenheit, Regu- -Verbot von Produkten in -Verbot von Monopollierung und Verbote- Verbindung mit Waffen, bindung und Absprachen nes Pornografie, Alkohol, -Verbot von PreismaniTabak und Glücksspiel pulation -Zinsverbot -Preise passen sich selbst -Produkt muss im Eigen- an veränderte Marktbetum und Besitz des Ver- dürfnisse an käufers sein -Gewährleistung der Lieferbarkeit im Kauf-, Verkaufszeitpunkt Prinzipien Marketingmixbereich Anhang VIII -Achtung ökologischer und ethischer Werte -Förderung von Gesundheit und Wohlfahrt Produktpolitik Geld und Gewinne als -Verbot der KreditvergaFolge einer erbrachten be gegen Zinsen; ErheArbeitsleistung bung von Pauschalbeträgen möglich Einheit von Mensch und Natur Prinzipien Marketingmixbereich Kommunikationspolitik Distributionspolitik -keine Preisänderung bei gleicher Qualität und Quantität der Ware -Zinsverbot -genaue Definition von Kosten und Laufzeiten -Wahrung von Brüderlichkeit und Gleichheit -Darlehen nur nutzen wenn nötig -Profiterzielung als sekundäres Ziel -Beachtung moralischer -Schutz von Umwelt, -Verbot der Gefährdung Verantwortung des Men- Natur und Gesundheit von Sicherheit des Einschen auf der Erde beach- -Vereinigung von Tradi- zelnen und der Umwelt ten tion und Wissenschaft Preispolitik Anhang IX Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis AAOIFI (2008), Definition von Sukuk, verfügbar: http://www.aaoifi.com/aaoifi_sb_sukuk_Feb2008_Eng.pdf (Zugriff am 17.01.2012). 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