Botanikexkursion mit Survivaltipps im Irchelpark Samstag, 6. März 2010 Prof. Dr. Rolf Rutishauser Trotz klirrender Kälte und Schneegestöber machten wir uns auf, die Frühlingsflora des Irchelparkes unter der kundigen Leitung von Herrn Rutishauser zu erkunden. Nicht nur die erstaunlichsten Frühblüher sollten wir kennenlernen, sondern, der garstigen Witterung angepasst, auch mit vielen wertvollen Survivalernährungstipps eingedeckt werden. Ich beschränke mich hier auf zwei, zwar etwas unscheinbare, mir aber trotzdem am meisten zusagende „Krautige Gewächse“ sowie ein Moos, auf welche ich nun näher eingehen möchte. Das Frühlings-Hungerblümchen (Erophila verna) ist eine hübsches, besonders winziges (2 -10 cm hoch) einjähriges krautiges Pflänzchen, welches gleich beim Eingang zum Biogebäude, typischerweise in den sandigen Ritzen zwischen den Pflastersteinen wächst. Sein Name bezieht sich auf seine Vorkommen in mageren, nährstoffarmen Böden. Es gehört zur Familie der Kreuzblütler (Brassicaceae) Der Stängel des Lenzblümchens, wie das Frühlings-Hungerblümchen auch genannt wird, wächst aufrecht, ist unverzweigt und die 4 weissen Kronblätter sind als 8strahlige, zweispaltige Rädchen angeordnet. (Bild 1) Da unser Exemplar aber unter einer zentimeterdichten Schneedecke hervorgeklaubt werden musste, waren die Blüten, trotz eigentlicher Blühzeit (März bis Mai), wie Herr Rutishauser uns versicherte, geschlossen und nur marginal erkennbar, eher also so wie auf Bild 2. Im Idealfall, d.h. bei warmer, sonniger Witterung – das Hungerblümchen ist lichtliebend - bilden die Hungerblümchen kleine Kolonien (Bild 3) Die Art verbreitet sich durch Selbstbestäubung. Bild 1 Bild 2 Bild 3 Kaum zwei Schritte weiter buddelte Herr Rutishauser ein weiteres krautiges Gewächse aus dem Schnee, die Schotenkresse (Arabidopsis thaliana), wegen ihres schmalen Wuches und der anspruchslosen Art auch Schmalwand genannt. Sie gehört ebenfalls zu den Kreuzblütler (Brassicaceae), Gattung Schaumkresse, ist eine einjährige, unscheinbare bis höchstens 30 cm hohe Pflanze mit weissen, 2-4 mm grossen Blüten. Aufhorchen liess mich aber die Bemerkung, sie sei die „Drosophila der Botanik“, denn mit ihren Eigenschaften wie platz-und allgemeine Anspruchslosigkeit, Schnellwuchs (Keimung bis fertige Samen 6-8 Wochen), gute Reproduktionsfähigkeit (bis zu 1000, über mehrere Jahre lagerfähige Samen pro Pflanze), Selbstbestäubung, kleine Chromosomenzahl und gute Toleranz gegenüber genetischen Manipulationen, ist sie der ideale Labororganismus der Entwickungsgenetiker. Schön, wenn man nach einem langen Arbeitstag nochmals im Freien der Wildform seines Studienojektes über den Weg gehen kann! Arabidopsis kommerziell angebaut. 3 Tage altes Blatt einer Arabidopsis Und um bei den Unscheinbaren, bevorzugt bei Pflastersteinflächen wachsenden Organismen zu bleiben, grub uns, ebenfalls vor dem Biogebäudeeingang, Herr Rutishauser unter erschwerten Bedingungen auch noch das BrunnenLebermoos (Marchantia polymorpha) aus der Familie Marchantiaceae aus der zentimeterdicken Schneeschicht aus. Brunnen-Lebermoos zwischen Pflastersteinen Brutbecher auf Thallus Zum Gedeihen sind dem Moos weder bestimmte Licht- noch Bodenverhältnisse wichtig, nur eine gewisse Grundfeuchte braucht es. Die Moose im Irchel werden sogar regelmässig im Frühling von den Gärtnern abgeflammt, dank ihrer leicht versteckten Lage überleben sie das aber unbeschädigt und auch sonst nicht zimperlich, sind sie sogar schwermetallresistent. Wegen seiner Ähnlichkeit mit Tierlebern wurde das Brunnenmoos früher als Heilmittel bei Lebererkrankungen und Tuberkulose verschrieben – daher der Name der gesamten Klasse – heute werden sie dank ihrer fungiziden Wirkung erfolgreich zur Behandlung von Haut- und Nagelpilzen eingesetzt. Die Pflanze vermehrt sich vegetativ, indem in kleinen, körbchenartigen Gebilden, den Brutbechern, winzige Teile der Pflanze abgeschnürt und diese Brutkörper später weggespült werden. Während des weiteren Verlaufes der Exkursion kämpften wir uns vorwiegend durch den Schneesturm, versuchten uns vor den eisigen Windböen zu schützen und nahmen um so dankbarer die wertvollen Nahrungs-Survivaltipps von Herrn Rutishauser entgegen: Aus der Familie der Rosengewächse (Rosaceae) bestimmten wir den Schwarzdorn (Prunus spinosa), dessen essbare und erstaunlich schmackhafte Steinfrüchte wir probierten und aus welchen auch der süsse Schlehdorngelee gekocht wird, welchen wir ebenfalls kosten durften. Des weiteren fanden wir einen Weissdorn (Crataegus), aus dessen Früchten die Crataegisan Herztropfen gewonnen werden können. Ein weiterer kulinarischer Höhepunkt war eine köstliche Schokolade, welche ich leider keiner Pflanze mehr zuordnen kann. Dafür erfuhren wir, dass sowohl der Hühnerdarm, auch Vogelmiere (Stella media) genannt, eine Sternmierenart aus der Familie der Nelkengewächse (Caryophyllaceae), als auch der Efeublättrige Ehrenpreis (Veronica hederifolia), welcher heute zur Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae) gestellt wird, oft als kostenlose Nüsslisalatbeimengung gefunden und bedenkenlos verzehrt werden können. Keinesfalls zum Verzehr empfohlen sei jedoch das Kreuz-oder Greiskraut (Gattung Senecio), ebenfalls aus der Familie der Korbblüter (Asteraceae), an dem sogar schon Kühe zugrunde gegangen sein sollen. Und Naturnahrung in Ehren, am Schluss ging aber doch nichts über eine Tasse heisse Schokolade mit Schlagrahm zum Aufwärmen. Herzlichen Dank für diesen unterhaltsamen und lehrreichen Botanikmorgen im Irchelpark! Quellen: Alle Bilder und ergänzenden Daten sind dem Internet entnommen Susanne Guldener, [email protected], 99-714-511