TITELTHEMA Das Bauchhirn besser verstehen Funktionen und Einflussfaktoren der Darm-Hirnachse auf Wohlbefinden und Stress Dr. Sabine Poschwatta-Rupp Dass der Verdauungstrakt auf die Stimmungslage reagiert, ist lange bekannt. So können Stress- oder Angstsituationen sowohl Appetitlosigkeit, Bauchschmerzen und Übelkeit als auch Diarrhoen, Erbrechen oder in anderen Fällen Obstipation hervorrufen. Dauerstress fördert bei vielen Menschen die Entstehung der Ulcuskrankheit des Magens und Duodenums. Andererseits induzieren positive Erlebnisse ein angenehmes Kribbeln im Bauchraum („Schmetterlinge oder Flugzeuge im Bauch“). Die Steuerung dieser Mechanismen nimmt das enteritische Nervensystem (nachfolgend ENS genannt) in der Darmwand vor. Das ENS ist das größte neuronale Netzwerk außerhalb des zentralen Nervensystems und wird daher „Bauchhirn“ oder „kleines enteritisches Hirn“ genannt. Es verfügt wie das übrige Nervensystem über etwa 100 bis 150 Millionen Nervenzellen, möglicherweise sogar bis zu 600 Millionen (Mayer, 2013). Die sensorischen Neuronen erkennen durch ihre Rezeptoren Wärme, Kälte, Druck oder Schmerz beziehungsweise Funktionszustände des Gastrointestinaltraktes, leiten die Signale über die „Schaltstellen“, die Interneuronen weiter an die Motoneuronen, die unter anderem auf die glatte Muskulatur wirken. Ebenso können Signale an die exkretorischen oder resorptiven Epithelien, immunkompetente und endokrine Zellen sowie Blutgefäße übermittelt wer- den. Ferner gehören zur Ausstattung des ENS Botenstoffe. Die Gliazellen im ENS sind für Nähr- und Stützfunktionen zuständig. Die enteritischen Zellen sind in Ganglien gebündelt, die zur Informationsverarbeitung und -vermittlung durch Nervenfaserstränge vernetzt sind. Diese komplexen Netzwerke (Plexus) in verschiedenen Schichten der Darmwand steuern die Funktionen des Verdauungstraktes. Gemeinsam mit dem sympathischen und parasympathischen Nervensystem gilt das ENS als eine Komponente des autonomen Nervensystems. Abhängig von Impulsen des Gehirns oder der lokalen sensorischen Wahrnehmung (zum Beispiel Ekel, Reaktion auf schädliche Substanzen) werden bestimmte Ablaufmuster von Verdauungsprozessen initiiert. Man kann diese in die Prozesse „Ruhephase“, „Verdauung“ und „emetische Phase“ einteilen (Moser, 2009). Die sensorischen Zellen reagieren auf mechanische und chemische Reize, das heißt sie nehmen unter anderem Dehnungsreize, Temperaturen und Inhaltsstoffe der Nahrung wahr. Die registrierten Reize werden an die Interneuronen übermittelt, die quantitativ im ENS dominieren. Dort werden die sensorischen Informationen verarbeitet und hemmende oder fördernde Signale an die Moto- neuronen weitergeleitet. Diese steuern die Funktionen der glatten Muskulatur (Peristaltik), der sekretorischen und resorptiven Epithelien, der Blutgefäße (Eng- oder Weitstellung) sowie endokriner und immunkompetenter Zellen. Somit ist das ENS nicht nur an neuroendokrinen, neuroimmunologischen sowie neurosekretorischen Prozessen, sondern auch an der Regulation der Nährstoff-, Wasser- und Elektrolytaufnahme beteiligt. Eine der wesentlichen Aufgaben des ENS ist die Steuerung der gastrointestinalen Motilität und somit der gerichtete Transport des Darminhaltes. Dieser Zusammenhang wird besonders deutlich, wenn enteritische Nervenzellen anlagebedingt fehlen oder geschädigt worden sind. Dann kann die Motilitätsfunktion der betroffenen Darmabschnitte ausfallen – es kommt zu Motilitätsstörungen, die sich zum Beispiel als chronische, „Slow-transit“-Obstipation, Megacolon oder Morbus Hirschsprung zeigen können (Soost, 2005). RRTabelle 1: Aufgaben des Enteritischen Nervensystems • Steuerung der gastrointestinalen Motilität gerichteter Transport des Darminhaltes • Regulation der Resorption von Nährstoffen, Elektrolyten und Wasser • Beteiligung an neuroendokrinen, neuroimmunologischen sowie neurosekretorischen Prozessen RRAbbildung 1: Bakterien beeinflussen Darm und Gehirn; Bild: nutrimmun GmbH 143 І 2014 VFEDaktuell 9 TITELTHEMA Die Beziehung zwischen dem ENS und dem Zentralnervensystem (ZNS) ist bidirektional. Etwa 90 Prozent der Informationen werden vom Darm zum Gehirn und lediglich zehn Prozent vom Gehirn zum Darm übermittelt. Die Signalvermittlung erfolgt über die nervalen Verbindungen, aber auch durch Botenstoffe wie Neuropeptide, Cytokine und Hormone. Zudem übernehmen die Bakterien des Verdauungstraktes (intestinales Mikrobiom) regulatorische Aufgaben (Cryan & Dinan, 2012). Stressreaktion, Verdauungs- und Immunfunktion Mentale und körperliche Belastungen beeinflussen sowohl Immun- als auch Verdauungsfunktionen. Insbesondere bei Hochleistungssportlern und beruflich sehr belasteten Menschen ist gerade nach Belastungssituationen eine erhöhte Infektanfälligkeit zu beobachten. Die wesentlichen Mechanismen konnten in den vergangenen Jahren weitgehend aufgeklärt werden. Folgende Prozesse finden in diesen Fällen statt: Stress wird als Zustand der Alarmbereitschaft des Organismus verstanden, der sich auf eine erhöhte Leistungsbereitschaft einstellt. Man differenziert zwischen Eustress, der einen motivierenden, aktivierenden Effekt ausübt, und Distress, einer belastenden, schädlich wirkenden Reaktion auf ein Übermaß an Anforderungen. Besteht die Stressbelastung über einen längeren Zeitraum, passt sich der Organismus an die veränderte Lage an (Adaptationssyndrom). Die Adaptation verläuft in drei Phasen: Alarmreaktionsphase, Widerstandsphase und Erschöpfungsphase. In der ersten Phase werden durch das Nebennierenmark Katecholamine („Stresshormone“, zum Beispiel Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin) freigesetzt. Der folgende Anstieg des Herzminutenvolumens, des Blutdrucks und der Pulsfrequenz soll der schnellen Mobilisierung von Energie dienen („Fluchtreaktion“), die einen beschleunigten Nährstofftransport über das Blut bewirkt. Zusätzlich werden die allgemeine Motorik und Motivation stimuliert. Der Hypothalamus setzt das Hormon CRH (Cortisol releasing hormone) frei, das indirekt unter Hinzuziehung der Hypophyse die Nebennierenrinde dazu veranlasst, Cortisol freizusetzen. Dieses Glucocorticoid bewirkt die 10 VFEDaktuell 143 І 2014 RRAbbildung 2: Ablauf einer Stressreaktion, Hormonkaskade Abkürzungen: CRH = cortisolfreisetzendes Hormon; NK-Zellen = Natürliche Killerzellen Mobilisierung von Traubenzucker und Triglyceriden (GBE-Bund, 2013). In der zweiten Phase, der Widerstandsphase, versucht der Organismus, sich an den Stressor, das heißt den Stress auslösenden Faktor anzupassen. Dabei lässt die Widerstandsfähigkeit gegenüber anderen Stressoren nach, so dass es zu einer Schwächung des Immunsystems kommen kann. Sowohl Cortisol als auch Adrenalin hemmen die zelluläre Immunabwehr. Bereits ein bis zwei Stunden nach der Belastungssituation gehen die Konzentrationen bestimmter Killerzel- RRAbbildung 3: „Teufelskreis“ der Stressreaktion len im Blut zurück (Poschwatta-Rupp, 2013(2)). Beim Sportler lassen sich insbesondere unmittelbar nach der Belastung reduzierte Konzentrationen schützender Immunglobuline (sekretorisches Immunglobulin A = slgA) auf den Schleimhäuten nachweisen. Die Infektanfälligkeit nimmt zu (Abel, 2007, Petrak und Winzenhöller, 2009). Infekte erzeugen nochmals Stress – die Reaktionsspirale setzt sich fort. Ein Begleiteffekt der hormonellen Kaskade ist die Provokation von Entzündungen im Verdauungstrakt. Während Cortisol eine Erhöhung der Permeabilität der Abkürzungen: HMV=Herzminutenvolumen; RR=systolischer Blutdruck, TG=Triglyceride; CRH=cortisolfreisetzendes Hormon; NK-Zellen=Natürliche Killerzellen TITELTHEMA Darmschleimhaut bewirkt, was mit einer beeinträchtigten Barrierefunktion einhergeht, kann das Hormon CRH im Darm zu einer Entzündungsreaktion führen, denn dort sind reichlich Mastzellen vorhanden, die bei entsprechender Stimulation degranulieren und entzündungsfördernde Botenstoffe ausschütten. Ein Teil dieser Mediatoren veranlasst die Leber zur Produktion und Freisetzung von Akut-Phase-Proteinen (zum Beispiel CRP = C-reaktives Protein), die unter anderem zu einer erhöhten intestinalen Permeabilität führen (PoschwattaRupp, 2013(2)) (siehe Abbildung 4). Im Zuge der Entzündungsreaktion werden weitere Botenstoffe sezerniert, die zum Teil den Tryptophanstoffwechsel in der Weise beeinflussen, dass weniger Serotonin und Melatonin aus Tryptophan Chronisch einwirkender Stress kann in die Phase der Erschöpfung münden. Organische Erkrankungen wie zum Beispiel Magengeschwüre, Bluthochdruck, Herzinfarkt oder rezidivierende Infekte können die Folge sein. Der Informationsfluss vom Darm zum Hirn Während Emotionen zu gastrointestinalen Störungen führen können, kann umgekehrt die Stimmung durch bestimmte Zustände im Verdauungstrakt beeinflusst werden, zum Beispiel durch Informationen über Sättigung, Bauchschmerzen, Übelkeit und Blähungen. Diese Symptome können unter anderem als Reaktion auf die Erkennung unverträglicher Nahrungsbestandteile beim Vorliegen einer Nahrungsmittelallergie auftreten. Die RRAbbildung 4: stressbedingte Entzündungsreaktion im Gastrointestinaltrakt (Abkürzungen: IL1=Interleukin-1, IL-6=Interleukin-6, TNF-α=Tumornekrosefaktor- α,IFN-g=Interferon-g produziert werden. Statt dessen werden bis zu 95 Prozent des Tryptophans in die aromatische Aminosäure Kynurenin umgesetzt. Ein Serotoninmangel kann mit depressiven Verstimmungen, zum Teil verbunden mit Heißhunger, assoziiert sein. Ein Mangel an Melatonin äußert sich durch Ein- oder Durchschlafstörungen. Zusätzlich hemmt das Kynurenin die zelluläre Immunität, das heißt hier die Aktivität der natürlichen Killerzellen sowie der T-Zellen. Gleichzeitig fördert es die Apoptose (das programmierte Absterben) aktivierter T-Zellen. Daraus resultiert eine verminderte Immunkompetenz im Rahmen eines Serotoninmangels (Poschwatta-Rupp, 2013(1)). Darmschleimhaut beherbergt zahlreiche enteritische Mastzellen, die von Nervenstrukturen umgeben sind. Die Mastzellen erkennen die Antigene und informieren die benachbarten Nervenzellen des ENS. Degranulieren die Mastzellen unter Freisetzung von Botenstoffen, hat sich die Allergie manifestiert – man spricht von einer viszeralen Hypersensitivität. Dieser Sensibilisierungsweg ist insbesondere für manche hitzestabile Allergene wie Erdnuss sowie einige Proteine der Kuhmilch und des Hühnereis bekannt. Chronische Schmerzen werden wahrscheinlich über sogenannte „stille Nozirezeptoren“ generiert. Diese Rezeptoren werden durch Entzündungsmediatoren sensibilisiert und reagieren spontan auf ganz normale Dehnungen im MagenDarm-Trakt. Dieses Phänomen kann als Folge von Darminfektionen auftreten (postinfektiöses Reizdarmsyndrom). Möglicherweise spielt es auch eine Rolle bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Eine weitere wichtige Komponente der Darm-Hirn-Achse ist das intestinale Mikrobiom, früher als Darmflora bezeichnet. Heute schätzt man etwa 1000 verschiedene Bakterienspezies beziehungsweise 7000 Stämme im menschlichen Verdauungstrakt. Die Anzahl der Bakterienzellen beträgt vermutlich das Zehnfache der Zahl eigener Körperzellen (Bercik et al., 2012). Offensichtlich ist bereits die Exposition gegenüber Mikroben im frühen Säuglingsalter entscheidend für die Entwicklung und den Funktionserhalt bestimmter Immunzellen (Olszak et al., 2012). Aktuell wird sogar eine pränatale Prägung diskutiert. Die Mikroorganismen tragen aktiv zur Entwicklung von Toleranzmechanismen des Immunsystems gegenüber den Mikroben bei, ein wichtiger Prozess in der Koordination der gesunden Immunantwort (Round et al., 2010 in Cryan, Dinan, 2012). Ist die Kommunikation zwischen den Mikroben und dem Wirt gestört, steigt die Wahrscheinlichkeit, Autoimmunreaktionen (zum Beispiel chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Rheumatoide Arthritis, Diabetes Typ 1) zu entwickeln. Latente Viruserkrankungen (zum Beispiel Gürtelrose, Herpes, EBV) werden unter Stressbedingungen reaktiviert (Bieger, 2013, Cryan & Dinan, 2012). Seit Jahrzehnten weiß man, dass etwa 80 Prozent des Immunsystems im Darm beherbergt sind. Zur Bedeutung der Mikroflora, deren Beeinflussung durch Ernährungsfaktoren sowie die Zusammenhänge zu Stress und anderen psychologischen Faktoren wurden in den vergangenen Jahren bemerkenswerte Daten erhoben. Meist diente das Tiermodell mit keimfreien (gnotobiotischen), antibiotikabehandelten oder gezielt infizierten Labortieren als Untersuchungsgrundlage (Sudo et al., 2004, Desbonnet et al., 2008 zit. in Cryan, Mahony et al., 2011, Bercik et al., 2010). In einigen Studien betrachtete 143 І 2014 VFEDaktuell 11 Alles Gute für Ihren Darm TITELTHEMA man ausgewählte Probandenkollektive in bestimmten Stresssituationen und verglich deren Reaktionen auf Stressbelastungen mit und ohne Probiotikagabe (Messaoudi et al., 2011). Es konnten sowohl beim Versuchstier als auch bei den Probanden Unterschiede in der Stressverarbeitung festgestellt werden. Die Kollektive mit einer normalen Darmbesiedlung sowie solche nach Gabe von ausgewählten probiotischen Stämmen wiesen u.a. deutlich geringere Levels bestimmter Stressparameter (zum Beispiel Cortisol im Sammelurin, ACTH) sowie Entzündungsfaktoren auf als keimfreie Tiere beziehungsweise Kontrollkollektive. In weiteren Studien konnten bei depressiven Patienten vermehrt entzündungsfördernde Cytokine, eine erhöhte Permeabilität der Darmschleimhaut und infolgedessen eine vermehrte bakterielle Translokation (zum Beispiel Bakterien, die aus dem Darmlumen in die Schleimhaut eindringen) mit Entzündungsfolge festgestellt werden. Diese Phänomene konnten experimentell durch Prä- und Probiotika deutlich gelindert werden (Pimentel et al., 2012). Psychosozialer Stress kann zudem eine Veränderung der Zusammensetzung der Mikrobiota zur Folge haben. Die Funktionen der Mikroorganismen in diesem Kontext sind vielfältig. Ihre Stoffwechselprodukte (zum Beispiel kurzkettige Fettsäuren, Bacteriocine, Schleimstoffe, funktionelle Proteine wie Defensine) können Krankheitserreger abtöten oder deren Wachstum hemmen. Einige mikrobielle Produkte tragen zur Ernährung der Schleimhäute sowie zum Erhalt ihrer Funktionsfähigkeit bei. Kurzkettige Fettsäuren als Endprodukte der Ballaststoff-Fermentation wie N-Butyrat, Acetat, Propionat haben zudem neuroaktive Wirkungen, unter anderem fördern sie die Darmperistaltik. Begleiter der tägliche system ndes Immun für ein gesu che Darmphysiologis la n und Acero Aktivkulture Weiterhin sind die Darm-Mikroben immunmodulatorisch aktiv in dem Sinne, dass sie die Cytokinausschüttung des Immunsystems, die Reifung von T-Lymphocyten sowie die Produktion von sekretorischen Immunglobulin A durch die Schleimhäute beeinflussen. Manche Mikroben sind in der Lage, Neurotransmitter zu produzieren oder die Schleimhautzellen zur Produktion von Botenstoffen für das ENS anzuregen. Manche Mikroben sind in der Lage, den Nervus Vagus zu aktivieren und somit eine antiinflammatorische Wirkung hervorzurufen, wobei der Mechanismus unklar ist. lung chen Behand s ti te e iä d r zu und ll während von Durchfa me tika-Einnah nach Antibio 12 VFEDaktuell 143 І 2014 extra hoch dosiert wissenscha ftlich geprü ft www.natura.de Besonders interessant ist der mikrobielle Einfluss auf den Tryptophanstoffwechsel. Die Aminosäure ist der Grundstoff für die Hormone Serotonin und Melatonin, die bedeutend für die Stimmungslage und die Schlafregulation sind. Offensichtlich ist eine normale mikrobielle Darmbesiedlung ein wichtiger Faktor für die Regulation der Serotonin- und Melatoninproduktion aus Tryptophan (Desbonnet et al., 2008, zit. in Cryan, Mahony et al., 2011; Manco, 2012). Serotoninmangel, Schlafstörungen und Depressionen scheinen somit auch im direkten Zusammenhang zu Verschiebungen des Mikrobioms zu stehen. TITELTHEMA Wirkungen von Ernährungsfaktoren und Probiotika auf die Darm-Hirn-Achse Die Ernährungsweise ist ein bedeutender Einflussfaktor auf die Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms. Bereits im Säuglingsalter findet eine entscheidende Prägung durch das Stillen beziehungsweise die Formulaernährung statt. Danach fördert eine ballaststoffreiche, ausgewogene und vollwertige Kost das Wachstum wichtiger saccharolytischer Bakterien, die zum Beispiel für die Produktion kurzkettiger Fettsäuren sorgen, aber auch zahlreiche andere immunmodulierende Funktionen ausüben. Bei fett- und proteinreicher Kost ist eher ein vermehrtes Wachstum von proteolytischen Mikroben, wie zum Beispiel Bacteroides- und Clostridienstämmen, einhergehend mit einer Verdrängung der Saccharolyten zu erwarten. Ihren Stoffwechselprodukten werden krebsbegünstigende Eigenschaften zugesprochen. Gelassen durch den Alltag. Aktuelle Untersuchungen einer französischen Arbeitsgruppe konnten zeigen, dass eine große Artenvielfalt der Darm-Mikrobiota positiv mit einem verbesserten Gesundheitszustand (Körpergewicht, Triglycerid- und Cholesterinwerte, Insulinsensitivität) korreliert (Cotillard et al., 2013). Eine ernährungsbedingte Einflussnahme auf die Mikroflora im Sinne einer ballaststoffreichen, vollwertigen Kost wirkt sich mittel- bis langfristig auf deren Stoffwechselaktivität und letztlich die mikrobielle Produktion neuroaktiver Substanzen wie kurzkettige Fettsäuren, aus. Auch die Freisetzung von Neurotransmittern, die die Nahrungsaufnahme und somit die Energiebilanz steuern, wird durch die Darmmikroben beeinflusst. Dazu gehören unter anderem neben den kurzkettigen Fettsäuren, Tryptophan und Serotonin das Peptid YY, Ghrelin und Endocannabinoid-Liganden (Gruninger et al., 2007 in Manco, 2012). Manche Lactobacillen- und Bifidobakterienspecies sind in der Lage, den Neurotransmitter Gamma-Aminobuttersäure (GABA) zu produzieren. GABA hat im Sinne eines „körpereigenen Beruhigungsmittels“ regulatorische Aufgaben im Nervensystem, es wird als angstlösend und antidepressiv beschrieben (Bravo et al., 2011 in Pimentel et al., 2012). Bestimmte Streptokokkenund Escherichiastämme bilden Serotonin, einige Lactobacillen Acetylcholin. Verschiedene probiotische Stämme modulieren die Konzentrationen von Opioid- und Cannabinoidrezeptoren im Darmepithel. Möglicherweise werden Epithelzellen stimuliert, Botenstoffe für das ENS beziehungsweise direkt für afferente Neuronen freizusetzen. Letztere Eigenschaft wird auch kohlenhydrathaltigen Zellwandbestandteilen der Bakterien zugesprochen. Einige probiotische Stämme erzielten in Experimenten an Versuchstieren und Probandenkollektiven antidepressive Wirkungen, zum Teil einhergehend mit sinkenden Cortisolspiegeln im Sammelurin, reduzierter Freisetzung proinflammatorischer Cytokine und einem Anstieg des Tryptophanspiegels im Plasma. Möglicherweise beeinflussen probiotische Bakterien die morphologische Beschaffenheit des Gehirns. So konnten durch den vorübergehenden Verzehr einer Mischung aus probiotischen Milchsäurebakterien strukturelle Verbindungen bestimmter Hirnareale, die unter anderem für die somatosensorische Steuerung verantwortlich sind, experimentell verstärkt werden (Tillisch et al., 2013). Für Souveränität und gute Nerven. NEU! probiotik®recur hilft selbst in belastenden Lebenssituationen Souveränität und gute Nerven zu bewahren. 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The probiotic Bifidobacteria infantis: an assessment of potential antidepressant properties in the rat. J Psychiatr Res 2008; 43: 164–74 zit. in Cryan, Mahony et al., 2011 B. infantis • Normalisierung einer stressbedingten erhöhten ACTH-Ausschüttung Keimfreie Mäuse Sudo N et al.: Postnatal microbial colonization programs the hypothalamic-pituitaryadrenal system for stress response in mice. J. Physiol. 558; 263-275 (2004) B. longum • Hemmung der Synthese von IL-8, TNF-α und TGF-ß • Stabilisierung des Darmepithels –– Verhinderung des Anheftens und Eindringens von Krankheitserregern in die Mucosa –– Unterbindung der Permeation von Antigenen Ratten, gesunde Probanden Messaoudi M, Lalonde R, Violle N et al. Assessment of psychotropic like properties of a probiotic formulation (Lactobacillus helvet-icus R0052 and Bifidobacterium longum R0175) in rats and human subjects. Br J Nutr 2010; 26: 1–9. zit. in Cryan, Mahony et al., 2011 L. helveticus • fördernde Wirkung auf die Proliferation des Darmepithels, • Synthese Tight Junction Protein • Schleimproduktion –– Verhinderung des Anheftens und Eindringens von Krankheitserregern in die Mucosa –– Unterbindung der Permeation von Antigenen, Hemmung Synthese proinfl. Cytokine (z.B .TNF-α, IFN-γ) Ratten, gesunde Probanden Messaoudi M, Lalonde R, Violle N et al.: Assessment of psychotropic-like properties of a probiotic formulation (lactobacillus helveticus R0052 and bifidobacterium longum R0175) in rats and human subjects. British Journal of Nutrition (2011), 105, 755-764 B. longum L. helveticus • Psychometrische Parameter verbessert (Depressivität, Angst, subjektives Belastungsgefühl, Aggressivität, Problemlöseverhalten,) • Cortisolsekretion (24-h-Urin) um 13,5 Prozent gesenkt 55 gesunde Probanden Messaoudi M, Violle N, Bisson JF et al.: Beneficial psychological effects of a probiotic formulation (lactobacillus helveticus R0052 and bifidobacterium longum R0175) in healthy human volunteers. Gut Microbes 214, 256-261; July/August 2011 B. longum • Verhalten normalisiert (Angst ) • Normalisierung BDNF m RNA (BDNF = Brain Derived Neurotrophic Factor) • keine Wirkung auf Cytokine und Kynurenin Mäuse, infiziert mit Trichiuren Bercik P, Verdu EF, Foster JA et al. Chronic gastrointestinal inflammation induces anxiety-like behavior and alters central nervous system biochemistry in mice. Gastroenterology 2010; 139:2102-12; zit. in Cryan, Mahony et al. 2011 Mischung aus: B. animalis ssp Lactis, Streptococcus thermophilus, L. bulgaricus, Lactococcus lactis ssp Lactis. Hirn-MRT: Die Verbindungen zwischen dem periaquäduktalen Grau und kognitiven Zentren im präfrontalen Cortex verstärkt (periaquäduktales Grau: evolutionär alte Struktur im Hirnstamm, die unter anderem Angst- und Fluchtreflexe koordiniert). Veränderungen im somatosensorischen Cortex, wo die sensiblen Signale aus verschiedenen Körperregionen, unter anderem auch vom Darm eintreffen. 30 gesunde Frauen, 4 Wochen Tillisch et al. Gastroenterology (2013; doi: 10.1053/j.gastro.2013.02.043), Zit. In: Deutsches Ärzteblatt, 29.05.2013 VFEDaktuell 143 І 2014 TITELTHEMA Wichtige Einflussfaktoren auf das Mikrobiom sind neben Stresssituationen, zu denen auch jede Erkrankung und ihre Therapie zu zählen ist, Lebensstilfaktoren, insbesondere die Ernährungsweise. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine funktionierende Kommunikation von Gehirn, Verdauungstrakt und Mikrobiom für unsere Gesundheit und somit das psychische sowie körperliche Wohlbefinden essenziell ist. Die therapeutische Bedeutung von Probiotika bei bestimmten psychiatrischen Krankheitsbildern ist derzeit noch unklar, da bisher lediglich zu wenigen Stämmen aussagekräftige Daten vorliegen. Es ist jedoch denkbar, dass sie künftig einen wichtigen Bestandteil eines effizienten therapeutischen Konzeptes darstellen. RRLiteratur Abel G: Der Einfluss eines gemischten Probiotikums auf den Immunstatus von Radsportlern. Masterthesis zur Erlangung des Master of Science, Fachbereich 09 (Oecotrophologie) der JLU Gießen, 2008 Bercik P, Verdu EF, Foster JA et al. Chronic gastrointestinal inflammation induces anxiety-like behavior and alters central nervous system biochemistry in mice. Gastroenterology 2010; 139: 2102–12 Bieger WP: Neurostress – eine Einführung, Teil 1. OM Ernährung 143, 2013 Bundesinstitut für Risikobewertung (BFR): Schwellenwerte zur Allergenkennzeichnung von Lebensmitteln. Expertengespräch im Rahmen der BMELV-Konferenz 2008 „Allergien: Bessere Information, höhere Lebensqualität“ am 15. Oktober 2008 in Berlin, herausgegeben von K. Richter, S. Kramarz, B. Niemann, R. Grossklaus, A. Lampen Cotillard A, Kennedy SP, Kong LC et al.: Dietary intervention impact on gut microbial gene richness. Nature 500:585-8, 2013 Cryan JF,O´Mahony SM: The microbiome-gut axis: From bowel to behaviour. Neurogastroenterology and motility (2011) 23; 187-192 Cryan JF, Dinan TG: Mindaltering microorganisms: The impact of the gut microbiota on brain and behaviour. Nature Reviews Neuroscience AOP, 2012, doi:10.1038/nrn3346 GBE-bund.de: Stress. Download am 01.08.2014 Manco M: Gut Microbiota and Developmental Programming of the Brain: From Evidence in Behavioral Endophenotypes to Novel Perspective in Obesity Front Cell Infect Microbiol. 2012; 2: 109. 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Published 22 March 2012 on Science Express DOI: 10.1126/ science.1219328 Petrak D, Winzenhöller P: Darmfloraveränderungen und Infektanfälligkeit durch Stress? Der Heilpraktiker & Volksheilkunde 3, 2009 Pimentel GD et al.: Gut-central nervous system axis is a target for nutritional therapies Nutrition Journal 2012, 11:22 doi:10.1186/ 1475-289111-22 online bei: http://www. nutritionj.com/ content/11/1/22 Poschwatta-Rupp S: Was hat Stress mit dem Darm zu tun? E&M – Ernährung und Medizin 2013; 28; http://dx.doi. org/10.1055/s-0032-1331084 Poschwatta-Rupp S: Die Darm-Hirn-Achse. Kommunikationssystem zwischen Gehirn und Verdauungstrakt: Bakterien gegen Stresssymptome? OM & Ernährung 2013 Nr.143,S. 50-51 Soost K: Morphometrische Untersuchungen des enteritischen Nervensystems im menschlichen Rektum. Inauguraldissertation, Universität Lübeck 2005 Sudo N et al.: Postnatal microbial colonization programs the hypothalamic-pituitary-adrenal system for stress response in mice. J. Physiol. 558; 263-275 (2004) Tillisch et al.: Gastroenterology (2013; doi: 10.1053/j.gastro.2013.02.043) Dr. biol. hom. Dipl.-Oecotrophologin Sabine Poschwatta-Rupp Gothaer Straße 17 35396 Gießen Abdigest Probiotik Kapseln Ich fühl’ mIch gut ... Acht Lactobacillus- und Bifidobakterien-Stämme mikroverkapselt mit 16 Mrd. Lebendkeimen/Tag. Auch bei Antibiotika-Einnahme. PZN 9768760 ... trotz Lebensmittel-Intoleranz und Reizdarm! Was ist das Besondere an Abdigest, Multidigest, Fructobalax und Betacur? Das Apothekensortiment der Laktonova GmbH ist besonders geeignet bei Reizdarmsyndrom und Nahrungsmittel-Intoleranz: Alle Produkte sind speziell darauf abgestimmt und frei von Fructose, Laktose, Gluten, Histamin, Gelatine (Abdigest und Multidigest), Hefe, Aromastoffen, Farbstoffen, Süßungsmitteln, Sorbit, Xylit, Mannit, Schellack u. v. m. Erhältlich in Ihrer Apotheke. 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