rtige Situation in der Quantenmechanik

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN
23. J a h r g a n g
29. N o v e m b e r z935
H e f t 48
Die gegenw/irtige Situation in der Quantenmechanik.
V o n 2 . SCHR~3DINGER, O x f o r d .
§ z.
§ 2.
§ 3§ 4.
§ 5.
§ 6.
§ 7§ 8.
§ 9.
§ IO.
§ I i.
§ 12.
§ 13.
§ 14.
§ 15.
Inhalts~bersicht.
Die Pilysik der Modelle.
Die Statistik der Modellvariablen in der Quantenmechanik.
Beispiele fiir Wahrscheinlichkeitsvoraussagen.
Kann man der Theorie ideate Gesamtheiten
unterlegen ?
Sind die Yariablen wirklich verwaschen?
Der bewtlgte Wechsel des erkenntnistheoretitischen Standpunktes.
Die ~-Funktion Ms Katalog der Erwartung.
Theorie des Messens, erster Teil.
Die v)-Funktion als Beschreibullg des Zllstandes.
Theorie des Messens, zweiter Tell.
Die Aufhebung der Verschr~tnkung. ])as Ergebnis abhAngig vom W'illen des Experimentarots.
Eli1 Beispiel.
Fortsetzullg des Beispiels: alle mSglichen
Messungen sind eindeutig verschr~nkt.
Die Jknderung der VerschrXnkung mit der Zeit.
Bedenken gegen die Sonderstetlung der Zeit.
Natllrprinzip oder Rechenkunstgriff?
1. Die Physik der Modelle.
I n der zweiten H~lfte des vorigen J a h r h u n d e r t s
w a r aus den grogen E r f o l g e n der kinetischen
Gastheorie und der mechanischen T h e o r i e der
W ~ r m e ein Ideal der e x a k t e n N a t u r b e s c h r e i b u n g
hervorgewachsen, das als K r 6 n u n g j a h r h u n d e r t e langen Forschens und Erffillung j a h r t a u s e n d e a l t e r
H o f f n u n g einen H 6 h e p u n k t bildet u n d das klassische heiBt. Dieses sind seine Ztige.
Yon den N a t u r o b j e k t e n , deren beobachtetes
V e r h a l t e n m a n erfassen m6chte, bildet man, gesttitzt auf die e x p e r i m e n t e l l e n Daten, die m a n
besitzt, a b e t ohne der i n t u i t i v e n I m a g i n a t i o n zu
wehren, eine Vorsteltung, die in alien Details
genau ausgearbeitet ist, viel genauer als irgendwelche E r f a h r u n g in A n s e h u n g ihres b e g r e n z t e n
Llmfangs je verbtirgen kann. Die Vorstellung in
ihrer a b s o l u t e n B e s t i m m t h e i t gleicht e i n e m m a t h e m a t i s c h e n Gebilde oder einer geometrischen Figur,
welche aus einer A n z a h l y o n Bestimmungsstiiclcen
ganz nnd gar b e r e c h n e t w e r d e n k a n n ; wie z. ]3. an
e i n e m D r e i e c k eine Seite und die zwei ihr anliegenden Winkel, als Bestimmungsstticke, den
d r i t t e n Winkel, die anderen zwei Seiten, die drei
H6hen, den R a d i u s des eingeschriebenen Kreises
usw. m i t b e s t i m m e n . V o n einer g e o m e t r i s c h e n
F i g u r n n t e r s c h e i d e t sich die Vorstellung i h r e m
W e s e n n a c h bloB d u r c h den wichtigen U m s t a n d ,
dab sie auch noch in der Zeit Ms v i e r t e r D i m e n s i o n
ebenso klar b e s t i m m t ist wie jene in den drei
D i m e n s i o n e n des R a u m e s . Das h e i g t es h a n d e l t
sieh (was j a selbstverst~ndlich ist) stets u m ein
Nw. I935
Gebilde, das sich m i t der Zeit ver~ndert, das v e r schiedene Zusti~nde a n n e h m e n k a n n ; und w e n n
ein Z u s t a n d d u r c h die n6tige Zahl yon B e s t i m mungsstticken b e k a n n t g e m a c h t ist, so sind n i c h t
n u r alle a n d e r e n Stiicke in diesem A u g e n S l i c k m i t
gegeben (wie oben a m Dreieck erl~utert), sondern
ganz ebenso alle Stficke, der genaue Zustand, zu
jeder b e s t i m m t e n sp~teren Zeit; ~hnlich wie die
Beschaffe~beit eines Dreiecks an der Basis seine
Beschaffenheit an der Spitze b e s t i m m t . E s geh S r t m i t z u m inneren Gesetz des Gebildes, sich in
b e s t i m m t e r Weise zu ver~ndern, das heiBt, w e n n
es in einem b e s t i m m t e n A n f a n g s z u s t a n d sich selbst
iiberlassen wird, eine b e s t i m m t e Folge y o n Zust~nden kontinuierlich zu durchlaufen, d e r e n j e d e n
es zu ganz b e s t i m m t e r Zeit erreicht. Das ist seine
N a t u r , das ist die t I y p o t h e s e , die man, wie ich
oben sagte, auf G r u n d i n t u i t i v e r I m a g i n a t i o n
setzt.
Natiirlich ist m a n n i c h t so einf~ltig zu denken,
dab solchermat3en zu e r r a t e n sei, wie es auf d e r
W e l t wirklich zugeht, U m anzudeuten, dab m a n
das nicht denkt, n e n n t m a n den pr~zisen D e n k behelI, den m a n sich geschaffen hat, g e r n ein
Bild oder ein t'Vlodell. 5 ~ t seiner nachsichtslosen
Klarheit, die ohne W'illkiir n i c h t herbeizuftihren
ist, h a t m a n es lediglich d a r a u f abgesehen, dab
eine ganz b e s t i m m t e H y p o t h e s e in ihren F o l g e n
geprfi~t w e r d e n kann, ohne n e u e r ~ArilIktir R a u m
zu geben wg.hrend der langwierigen R e c h n u n g e n ,
d u t c h die m a n F o l g e r u n g e n ableitet. D a h a t m a n
gebundene Marschroute und e r r e c h n e t eigentlich
nut, was ein kluger H a n s aus den D a t e n d i r e k t
herauslesen wfirde! M a n weiB d a n n wenigstens,
wo die ~vViIlk/ir s t e c k t u n d wo m a n zu bessern hat,
wenn's m i t der E r f a h r u n g n i c h t s t i m m t : in der
Ausgangshypothese, i m 3/[odell. D a z u muB m a n
stets bereit sein. W e n n bei vielen verschiedenartigen E x p e r i m e n t e n das N a t u r o b j e k t sich w i r k Hch so b e n i m m t wie das Modell, so f r e u t m a n sich
und denkt, dab nnser Bild in den wesentlichen
Ztigen der W i r M i c h k e i t gem~B ist. S t i m m t es bei
einem n e u a r t i g e n E x p e r i m e n t o d e r bei Verfeiner u n g der MeBtechnik n i c h t mehr, so ist n i c h t gesagt, dab m a n sich nicht freut. D e n n im G r u n d e
ist das die Art, wie allm~hlich eine i m m e r bessere
Anpassung des Bildes, das heiBt unserer Gedanken,
an die T a t s a c h e n gelingen kann.
Die Massische ~<[ettlode des pr~zisen l~Iodelts
h a t den H a u p t z w e c k , die u n v e r m e i d l i c h e W'illkfir
in den A n n a h m e n sauber isoliert zu halten, ich
m 6 c h t e fast sagen wie der K 6 r p e r das K e i m p l a s m a ,
ftir den historisehen AnpassungsprozeB an die
fortschreitende E r f a h r u n g .
Vielleicht liegt der
52
808
SCHRODINGER:
Die
gegenwXrtige Situation in der Quantenmechanik.
Methode der Glaube zugrunde, dab i~yendwie der
Anfangszustand den AblauI wirlclich eindeutig
bestimmt, oder dab ein vollkommenes Modell,
welches mit der Wirklichkeit ganz genau tibereinstimmte, den Ausgang aller Experimente ganz
genau vorausberechnen lassen wfirde. Vielleicht
auch grtindet sich umgekehrt dieser Glaube aui
die Methode. Es ist aber ziemlich wahrscheinlich,
dab die Anpassung des Denkens an die Erfahrung
ein infiniter ProzeB ist und dab ,,vollkommenes
Model1" einen Widerspruch im Beiwort enthglt,
etwa wie ,,grSgte gauze Zahl".
Eine klare Vorstellung davon, was unter einem
klassischen Modell, seinen Bestimmur~sst~elcen,
seinem Zustand gemeint sei, ist die Grundlage ffir
alles Folgende, Vor allem darI e~;n bestimmtes
Modell und ein bestimmter Zustand desselbe~ nicht
vermengt werden. Am besten wird ein Beispiel
dienen. Das RUTHERVORDsche Modell des Wasserstoffatoms besteht aus zwei Massenpunkten. Als
Bestimmungsstticke kann man beispielsweise die
zwei real drei rechtwinkeligen Koordinaten der
zwei Punkte und die zweimM drei Komponenten
ihrer Geschwindigkeiten in Richtung der Koordinatenachsen verwenden - - also zw61f im ganzen.
S t a t t dessert k6nnte man auch w~hlen: die Koordinaten und Geschwindigkeitskomponenten des
Schwerpunktes, dazu die Ent.fernung der zwei
Punkte, zwei Winkel, welche die Richtung ihrer
Verbindungslinie im R a u m festlegen, und die
Gesehwindigkeiten ( = DifferentiMquotienten nach
der Zeit), mit welchen die Entfernung und die
zwei Winkel sich in dem betreffenden Augenblick
ver~ndern; das sind nattirlich wieder zwSlf. Es
gehSrt nieht mit zum Begriff ,,R.sches ModeU
des H - A t o m s " , dab die Bestimmungsstiicke bestimmte Zahlwerte haben sollen. Indem man
ihnen solche zuschreibt, gelangt man zu einem
bestimmten Zustand des Modells. Die klare i)bersicht fiber die Gesamtheit der mSglichen. ZustXnde
- - noch ohne Beziehung zueinander - - bildet
,,das Modelt" oder ,,das ModelI in irgendeinem
Zustand". Aber zum Begriff des Modells geh6rt
dann noch mehr als bloB: die zwei Punkte in beliebiger Lage und m i t beliebigen Geschwindigkeiten begabt. Es geh6rt dazu noch, dab fiir
yeden Zustand bekannt ist, wie er sich mit der
Zeit ver~ndern wird, solange kein ~uBerer Eingriff stattfindet. (Ftir die eine H~lfte der Bestimmungsstficke gibt zwar die andere dartiber
Auskunft, abet ffir die andere muB es e r s t gesagt
werden.) Diese Kenntnis ist latent in den Aussagen: die Punkte haben die Massen m bzw. M
und die Ladungen - - e bzw. + e und ziehen sich
daher mit der Kraft e2/r~ an, wenn ihre Entfernung r ist.
Diese Angaben, m i t bestimmten Zahlwerten
N r m, M und e (aber natiirlich ni&t ftir r), geh6ren
mit zur Beschreibung des Modell,~ (nicht erst zu
der eines bestimmten Zustands). m, M und e
heiBen nicht Bestimmungsstticke. Dagegen ist die
Entfernung r eines. In dem zweiten ,,Satz", den
Die Naturwissenschaften
wir oben beispielsweise angeitihrt hatten, k o m m t
ate als siebentes vor. Auch wenn man den ersten
verwendet, ist r kein nnabh~ngiges dreizehntes,
es l~13t sich ja aus den 6 rechtwinkeligen Koordinaten ausrechnen :
~" =
I/(Xl
--
X2) 2 + (Yl - - Y2) 2 + (Z1 - - Z2) 2"
Die Zahl der Bestimmungsstficke (die oft auch
Variable genannt werden im Gegensatz zu den
Modellkonstcmten wie m, M, e) ist unbegrenzt.
Zw51f passend ausgew~Mte bestimmen alle iibrigen
oder den Zustand. Keine zwSlf haben das Privileg,
die 13estimmungsstticke zu sein. Beispiete anderer,
besonders wichtiger Bestimmungsstficke sind: die
Energie, die drei Komponenten des Impulsmomentes beztiglich des Schwerpunktes, die
kinetische Energie der Schwerpunktsbewegung.
Die eben genannten haben noch eine besondere
Eigenart. Sie sind zwar Variable, d. h. sie haben
in verschiedenen Zust~nden verschiedene Werte.
Abet in jeder Reihe yon Zust~tnden, die im Laufe
der Zeit wirklich durchlaufen wird, behalten sie
denselben W e f t bei. Sie heiBen d a t u m auch
Konstante der Bewegung -- im Unterschied von den
Modetlkonstanten.
§ 2.
D'ie
Statistik der Modellvariablen in der
Quantenmechanik,
I m Angelpunkt der heutigen Quantenmechanik
(Q.M.) steht eine Lehrmeinnng, die vielleicht noch
manche U m d e u t u n g erfahren, aber, wie ich lest
iiberzeugt bin, nicht aufh6ren wird, den Angelpunkt zu bilden. Sie besteht darin, dab Modelle
mit Bestimmungsstficken, die einander, so wie
die klassischen, eindeutig determinieren, der N a t u r
nicht gereeht werden kSnnen.
Man wiirde denken, dab fiir den, der das glaubt,
die klassischen Modelle ihre Rolle ausgespielt
haben. Aber so i s t e s nicht. Vielmehr verwendet
man gerade 8ie, nieht nur um das Negative der
neuen Lehrmeinung auszndrtieken; sondern aueh
die herabgeminderte gegenseitige Determinierung,
die danach noch iibrigbleibt, wird so beschrieben,
als bestehe sie zwischen denselben VariabIen derselben Modelle, die friiher bentitzt wurden. FoIgendermaBen.
A. Der klassische Begriff des Zustandes geht
verloren, indem sich h6chstens einer wohlausgew~hlten Hdlfte eines vollst~ndigen Satzes yon
Variablen bestimmte Zahlwerte zuweisen lassen;
beim RUTHERFORDsChen Model1 beispielsweise den
6 rechtwinkligen Koordinaten oder den Geschwindigkeitskomponenten (es sind noch andere Gruppierungen m6glich). Die andere H~lfte bleibt dann
v611ig unbestimmt, w~thrend fiberz~hlige Stficke
die verschiedensten Grade yon Unbestimmtheit
aufweisen k6nnen. I m Mlgemeinen werdeI1 in
einem vollst~ndigen Satz (beim R.schen Modei1
zw6If Stficke) alle nut unscharf bekannt sein.
~lber den Grad der Unsch~rfe l~Bt sich am besten
Auskunft geben, wenn man, der klassischen Mechanik folgend, bei der Auswahl der Variablen daftir
Heft 48, ]
29. II, X935J
SCHRODINGER: D i e
gegenwXrtige Situation in der Quantenmechanik.
Serge trXgt, dab sie sich zu Paaren sog. kanonisch
k o n j u g i e r t e r ordnen, woftir das einfachste Beispiel:
eine O r t s k o o r d i n a t e x eines M a s s e n p u n k t e s u n d
die K o m p o n e n t e p~, in derselben R i c h t u n g geschXtzt, seines linearen Impulses (d. i. Masse real
Geschwindigkeit). Solche zwei beschr~nken eina n d e r in der Schgrfe, mifi der sie gleichzeitig bek a n n t sein k6nnen, fndem das P r o d u k t ihrer
Toleranz- oder V a r i a t i o n s b r e i t e n (die m a n d u t c h
ein der Gr6Be v o r a n g e s e t z t e s A zu bezeichnen
pflegt) n i c h t unter den B e t r a g einer gewissen universellen K o n s t a n t e ~ herabsinken kann, e t w a
A x • A p.~h.
(HnlSENBnR~S Ungenauigkeitsbeziehung.)
t3. W e n n nicht e i n m a l . i n j e d e m A u g e n b l i c k
alle Variable d u t c h einige y o n ihnen b e s t i m m t
sind, d a n n nattirlich auch nicht in einem sp~teren
A n g e n b l i c k aus e r l a n g b a r e n D a t e n eines frfiheren.
Man k a n n das einen Jgruch m i t d e m Kausalit~itsprinzip nennen, aber es ist gegeniiber A nichts
wesentlich Neues. W e n n in keinem A u g e n b l i c k
ein klassischer Z u s t a n d feststeht, kann er sich
auch nicht zwangsltiufig ver~tndern. W a s sich
ver~ndert, sind die Statistike~ oder Wahrscheinlieh]~eiten, die iibrigens zwangsl~ufig. E i n z e l n e V a r i a b l e
k6nnen dabei sch~rfer, andere unsch~rfer werden.
I m ganzen l~Bt sich b e h a u p t e n , dab sich die Gesamtsch~rfe der Beschreibung m i t der Zeit nich~
~nder~, was d a r a u f beruht, dab die d u t c h A auferlegten B e s c h r ~ n k u n g e n in j e d e m A u g e n b l i c k
dieselben sind. - W a s b e d e u t e n n u n die Ausdriicke ,,unscharf",
,,Statistik", , , W a h r s c h e i n l i c h k e i t " ? Dartiber gibt
die Q.M. folgende Auskunf~. Sie e n t n i m m t die
ganze unendliche M u s t e r k a r t e d e n k b a r e r V a r i a b l e n
o d e r B e s t i m m u n g s s t f i c k e unbedenkIich d e m klassischen Modell nnd erklfi.rt jedes Sttick ftir direkt
mefibar, ja sogar mix beliebiger Genauigkeit mel3bar, w e n n es n u t auf es allein a n k o m m t . H a t m a n
sich d u t c h eine passend ausgew~hlte beschr;tnkte
Zahl y o n Messungen eine O b j e k t k e n n t n i s y o n
j e n e m m a x i m a l e n T y p u s verschafft, wie sie n a c h A
gerade n o c h m6glich ist, d a n n gibt der m a t h e m a tische A p p a r a t der neuen Theorie die Mittel an die
H a n d , u m ftir denselben Z e i t p u n k t oder fiir irgendeinen sp~teren ~eder V a r i a b l e n eine ganz b e s t i m m t e
statistisehe Verteil~tng zuzuweisen, d. h. eine Angabe dartiber, in welchem B r u c h t e i l der F~lle sie
bei diesem oder j e n e m W e f t , oder in diesem oder
j e n e m kleinen I n t e r v a l l angetroffen w e r d e n w i r d
(was m a n auch W a h r s c h e i n l i c h k e i t nennt). Es ist
die Meinung, dab dies in der T a t die W a h r s c h e i n lichkeit sei, die betreffende Variable, w e n n m a n
sie in d e m b e t r e f f e n d e n Z e i t p u n k t miBt, bei diesem
oder j e n e m W e r t anzutreffen. D u r c h einen einzelnen V e r s u c h l g g t sich die R i c h t i g k e i t dieser
I~ahrsehein~iehl~eitsvorau~,~age h6chstens a n g e n ~ h e r t
prfifen, n~mlich dann, wenn sie einigermaBen
h = 1,o41 • io -2~ ergsec. In der Literatur wird
meist das 2 e~-fache davon (6,542 • Io-~v ergsec) mit h
bezeichnet und ffir unser h ein h mit einem Querstrichlein geschrieben.
809
scharf ist, d. h. nur einen kleinen W e r t e b e r e i c h Iiir
i i b e r h a u p t m6glich erkl~rt. U m sie vollinhMtlich
zu prtifen, muB m a n den ganzen Versuch ab eve
(d. h. einschliel31ich der o r i e n t i e r e n d e n oder pr~p a r a t i v e n Messungen) sehr oft wiederholen und darf
bloB die F~lle verwenden, we die orientierende~ Messnngen genau dieseIben R e s n l t a t e ergeben haben.
An diesen F~llen soil sich d a n n die ftir eine b e s t i m m t e
Variable aus den orientierenden Messungen vorausberechnete S t a t i s t i k d u t c h Messnng b e s t ~ i g e n - das ist die Meinung.
Man mul3 sich htiten, diese Meinung deshalb zu
kritisieren, well sie so schwer auszusprechen ist;
das liegt an unserer Sprache. A b e r eine andere
K r i t i k drSngt sich auf. K a u m ein P h y s i k e r der
klassischen E p o c h e h a t wohl b e i m A u s d e n k e n
eines Modells sich erdreistet zu glanben, dab dessen
B e s t i m m u n g s s t i i c k e a m N a t u r o b j e k t meBbar sind.
N u r vie1 abgeleitetere F o l g e r u n g e n aus d e m Bild
w a r e n tats~chlich der e x p e r i m e n t e l l e n Prtifung
zug~ngtich. U n d m a n durfte n a c h aIler E r f a h r u n g
iiberzeugt sein: lange b e v o r die fortschreitende
E x p e r i m e n t i e r k u n s t die weite K l u f t fiberbrfickt
h a b e n wtirde, wird das Modell d u t c h allm~hliche
A n p a s s u n g an neue T a t s a c h e n sich erheblich ver~ndert haben. - - W ~ h r e n d nun die neue Theorie
das klassische Modell ftir unzustXndig erkl~rt, den
Zusammenhar~g der Bestimmungssti~eke untereinander wiederzugeben (woffir seine E r s i n n e r es
gemeint batten), h~lt sie es anderseits ffir geeignet,
uns dar/iber zu orientieren, was fiir Messungen
an d e m b e t r e f f e n d e n N a t n r o b j e k t prinzipiell ausftihrbar sind; was denen, die das t~ild ansgedacht,
eine u n e r h 6 r t e 1)berspannung ihres Denkbehelfs,
eine leichtfertige V o r w e g n a h m e kiinftiger E n t w i c M u n g geschienen hXtte. W ~ r ' das n i c h t pr~stabilierte H a r m o n i e y o n eigner Art, w e n n die
Forscher der klassischen Epoche, die, wie m a n
h e u t e h6rt, damals noch gar nicht wuBten, was
Messen eigentlich ist, uns gleichwohl als V e r m ~ c h t his ihnen u n b e w u B t einen Orientierungsplan tibera n t w o r t e t h~tten, aus d e m zu e n t n e h m e n ist, was
m a n alles z. B. an einem W a s s e r s t o f f a t o m grunds~tzlich messen k a n n l ?
Ich h e l l e sp~iter k l a r z u m a c h e n , dab die herrschende L e h r m e i n u n g ans 13edrXngnis geboren ist.
Vorl~ufig fahre ich in ihrer D a r l e g u n g fort.
b~ 3. Beispiele ji~r Wahrscheinlichkeitsvoraussagen.
Also Mle Voraussagen beziehen sich nach wie
v e t anf B e s t i m m u n g s s t t i c k e eines klassischen
Modells, auf O r t e und Geschwindigkeiten yon
Massenpnnkten, auf Energien, I m p u l s m o m e n t e
u. dgl. m. Unklassisch ist blo13, dab n u r W a h r scheinliehkeiten v o r a u s g e s a g t werden. Sehen wir
uns das genauer an. Offiziell h a n d e l t es sich stets
darum, dab vermffctels einiger jetzt angestellter
Messungen und ihrer R e s u l t a t e fiber die zu erw a r t e n d e n R e s u l t a t e a n d e r e r Messungen, die entweder augenblicklich oder zu b e s t i m m t e r Zeit
d a r a u f folgen sollen, die bestmSglichen W'ahrscheinlichkeitsangaben gewonnen werden, welche die
5 2*
SCI-IR6DINGER: Die gegenwXrtige Situation in der Quantenmechanik.
810
N a t u r zul~13t. Wie sieht die Sache n u n a b e t wirklich aus? I n wichtigen a n d t y p i s c h e n FMlen
folgendermaBen.
~ e n n m a n die E n e r g i e eines PLANC~SChen
Oszillators miBt, d a n n ist die Veahrscheinlichkeit,
daffir einen W e f t zwischen E n n d E" zu Iinden,
n u r d a n n m6glicherweise y o n N u l l verschieden,
wenn zwischen E a n d E ' ein W e r t aus der R e i h e
3¢chv, 5 ~ h v , 7 ~ h v ,
9=l~v . . . . . . .
liegt. Ffir jedes Intervall, das keinen dieser W e r t e
enthMt, ist die W a h r s c h e i n l i e h k e i t Null. Auf
d e u t s c h : andere 3/[eBwerte sind ausgeschlossen.
Die Zahlen sind u n g e r a d e Multipla der ModelZkonstante ~ h v (t~ ~ PLaNcxsche Zahl, v ~ Freq u e n z des Oszillators). Zwei Dinge fallen auL
E r s t e n s fehlt die B e z u g n a h m e auf v o r a n g e h e n d e
Messungen - - die sind gar n i e h t n6tig. Zweitens:
die Aussage leidet wirMich n i c h t an einem iibert r i e b e n e n Mangel an PrXzision, ganz i m Gegenteil,
sie ist schXrfer als eine wirkliche Messung je sein
kann.
E i n anderes typisches Beispiel ist der B e t r a g
des I m p u l s m o m e i l t s . I n Fig. I sei M ein b e w e g t e r
Massenpunkt, der Pfeit soil seinen I m p u t s (Masse
mal Geschwindigkeit) nach Gr6Be und R i c h t u n g
darstellen. 0 ist irgendein fester P u i l k t im R a u m ,
sagen wir der K o o r d i n a t e n u r s p r u n g ; also nicht
ein P u n k t n i t physikalischer B e d e u t u n g , sondern
ein geometrischer B e z u g s p u n k t . Als B e t r a g des
I m p u I s m o m e n t s y o n M bezfiglich 0 bezeichnet die
ldassische M e c h a n i k das P r o d u k t aus tier L~tnge
des Impulspfeiles a n d der L~nge des Lores Oil.
t
I
O
/l
• ...."'---..
!/
..... ./~
!
Fig. I. Impulsmoment:
M i s t ein materieller Punkt, 0 ein
geometrischer Bezugspunkt. Der PfeH
soil den Impuls ( = Masse real Geschwindigkeit) yon M darstellen.
Dann ist das Impulsmoment das Produkt aus der L~nge des Pfeils und
der L/inge OF.
/
I
I n der Q.M. gilt ffir den B e t r a g des I m p u l s m o m e n t s
ganz Nhnliches wie ffir die Energie des Oszillators.
\~Tieder ist die W a h r s c h e i n l i c h k e i t Null ffir jedes
IntervaI1, das keinen \~Tert aus der ~oIgenden R e i h e
enthMt
O,
hf2,
h f ~ × 3,
hl/3x4,
1~g'4×5 . . . . . .
d. h. n u t einer dieser W e r t e k a n n h e r a u s k o m m e n .
Das gilt wieder ganz ohne B e z u g auI vorangeheilde
Messungen. E n d m a n k a n n sich wohl vorstellen,
wie wichtig diese pr~zise Anssage ist, vial wichtiger
sis die Kenntilis, welcher y o n diesen W e r t e n oder
welche W a h r s c h e i n l i c h k e i t f fir jeden voil ihnen im
Einzelfall wirklich vorliegt. Aul3erdem ~Mlt hier
aber n o c h anf, dab v o m B e z u g s p u n k t gar n i c h t
die R e d e ist: wie i m m e r m a n ihn w~hlt, m a n wird
einen \~rert aus dieser R e i h e finden. A m ModelI ist
diese B e h a u p t u n g unsinnig, d e n n das L o t O f ver~indert sich stetig, w e n n m a n den P u n k t 0 v e t -
[ Die Natur-
[wissenschaften
schiebt, nnd der Impulspfeil bleibt unge~tndert.
W i r sehen an diesem Beispiel, wie die Q.M. das
Modell zwar benfitzt, u m an i b m die Gr6Ben abzulesen, welche m a n messen kann a n d fiber welche
Voraussagen zu m a c h e n ffir sinnvotl gehaltem wird,
w~hrend es ifir n n z u s t g n d i g erkl~rt w e r d e n m u g ,
den Z u s a m m e n h a n g dieser Gr6Ben u n t e r e i n a n d e r
z u m A u s d r u c k zu bringen.
H a t m a n nun nicht in beiden Fgllen das Geffihl,
dab der wesentliche I n h a l t dessen, was gesagt
w e r d e n soil, sieh Ilur m i t einiger Miihe zwgngen
lgBt in die spanischen Stiefel einer Voraussage
fiber die Wahrscheinlichkeit, ffir eine VariabIe des
klassischen Modells diesen oder j e n e n MeBwert
anzutreffen? H a t m a n nicht den E i n d r u c k , dab
hier yon g r u n d l e g e n d e n E i g e n s c h a f t e n neuer
M e r k m M g r u p p e n die R e d e ist, die n i t den klassischen n u r noch den N a m e n gemein h a b e n ?
Es h a n d e l t sieh keineswegs m n Ausnahmef~lle,
gerade die w a h r h a f t w e r t v o l l e n Aussagen der
neuen Theorie h a b e n diesen Charakter. Es gibt
wohl auch Aufgaben, die sich d e m T y p u s n~hern,
auf den die Ausdrucksweise eigentlich zugeschnitt e n ist. Aber sie h a b e n nicht ann~thernd dieselbe
Wichtigkeit. U n d vollends die, die m a n sich
naiverweise als Schulbeispiele konstruieren wfirde,
die h a b e n gar keiile. ,,Gegeben der Ort des Elektrons im W a s s e r s t o f f a t o m zur Zeit t = 0; m a n
konstruiere seine O r t s s t a t i s t i k zu einer sp~teren
Zeit." Das interessiert keiilen Menschen.
D e m ~ o r t l a u t n a c h beziehen sich alle Aussagen auf das anschauIiche Modell. A b e t die w e r t vollen Anssagen sind an i h m wenig anschaulieh
a n d seine anschaulichen M e r k m a i e sind yon
geringem W e f t .
4,
K a n n m a n der Theorie ideale Ge~arathdten
unterlegen?
Das klassische Modell spielt in der Q.M. eine
Proteus-Rolle. Jedes seiner Bestimmungsstficke
k a n n n n t e r U m s t ~ n d e n Gegenstand des Interesses
w e r d e n und eine gewisse R e a l i t ~ t erlangen. A b e r
niemals alle zugleich - - bald sind es diese, bald
sind es jene, und zwar i m m e r h6chstens die Hi~l]te
eines vollst~ndigeil Variablensatzes, der ein klares
Bild y o n d e n angenblicklichen Z u s t a n d e r l a u b e n
wfirde. V~Tie s t e h t es jeweils m i t den fibrigen?
Haben die d a n n keine Realit~t, vielleieht (s. v. v.)
eine v e r s e h w o m m e n e R e a l i t ~ t ; oder h a b e n stets
alle eine a n d ist bloB, nach Satz A yon § 2 ihre
gleichzeitige K e n n t n i s unm6glich?
Die zweite Auffassung ist auBerordentlich
naheliegend ftir den, der die ]3edeutung der
statistischen Betrachtungsweise kennt, die in der
zweiten H ~ l f t e des vorigen J a h r h u n d e r t s entstanden ist; zumal w e n n er gedenkt, dab a m Vorabend des Illeueil an8 ihr, aus einem z e n t r a l e n
P r o b l e m der statistischenW~rmelehre, die Q u a n t e n theorie geboren w u r d e (MAx PLANCI~S Theorie der
\ ¥ ~ r m e s t r a h l u n g , D e z e m b e r 1899). Das W e s e n
j e n e r D e n k r i c h t u n g b e s t e h t gerade darin, dab m a n
p r a k t i s c h niemals alle B e s t i m m u n g s s t f i c k e des
Heft 48. ]
29. i i . x935J
SCItRSDINGER: Die gegenwgrtige Situation in der Quantenmechanik.
Systems kennt, sondern viel weniger. Zur Beschreibung eines wirklicheu K6rpers in eiuem gegebenen Augenblick zieht m a n darum nicht einen
Zustand des Modells, sondern ein sog. Gibbssehes Ensemble heran. D a m i t ist gemeint eine
ideale, das heiBt MoB gedachte, Gesamtheit yon
Zust~tnden, welche genau unsere beschrgnkte
Kenntnis v o m wirklichen I~Srper widerspiegelt.
]Der KSrper soll sich dann so benehmen wie ein
beliebig aus dieser Gescvmtheit herausgeg~'i]]ener
Zustand. ]Diese Auffassnng h a t die allergr6Bten
Erfolge gehabt. Ihren hSchsten Triumph. bildeten
solche F~lle, in denen nicht alle in der Gesamtheit
vorkommenden Zustgnde dassdbe beobachtbare
Verhalten des K6rpers erwarten lassen. ]Der
K6rper b e n i m m t sich n~mlich dann wirklich bald
so, bald so, genau der Voraussicht entspreehend
(thermodynamische Schwankungen). Es liegt nahe,
dab man versuche, die stets unscharfe Aussage
der Q.M. anch zu beziehen auf eine ideale Gesamtheft yon Zustgnden, yon denen im konkreten
Einzelfall ein ganz bestimmter vorliege - - abet
man
weiB
nicht
welcher.
DaB das nicht geht, zeigt uns das eine BeispieI
v o m Impulsmoment, als eines ffir viete. Man denke
sieh in Fig. I den P u n k t 2~I in die verschiedensten
Lagen gegeniiber O gebracht und m i t den versehiedensten Impulspfeilen versehen und vereinige
alle diese M6glichkeiten zu ether idealen Gesamtheft. Dann kann man wohl die Lagen und die
Pfeile so ausw~ihlen, dab in jedem Fall das P r o d u k t
aus der L~inge des Pfeils und der L~nge des Lotes OF
einen oder den anderen yon den zul~issigen Werten
h a t - - beztiglich des bestimmten Punktes O. Aber
ffir einen beliebigen anderen P u n k t O' treten
selbstverstgndlich unzulgssige Werte auf. Das
Heranziehen der Gesamtheit hilft also keinen
Schritt wetter. - - Ein anderes Beispiel ist die
Energie des Oszillators. Es gibt den Fall, dab sie
einen scharf bestimmten W e f t hat, z. t3. den
niedersten 3 ~hvDie Entfernung der zwei
Massenpunkte (die den Oszillator bilden) erweist
sieh dann Ms sehr unseharfl U m diese Aussage
auf ein statistisches Kollektiv yon Zust~nden beziehen zu k6nnen, mfiBte dann aber in diesem Fall
die Statistik der Entfernungen wenigstens nach
oben hill scharf begrenzt sein durch diejenige
Entfernnng, bet der schon die potentielle Energie
den V~Tert 3 ~ h v erreicht bzw. fiberschreitet. So
ist es aber nicht, sogar beliebig groBe Entfernungen
kommen vor, wenn auch m i t stark abuehmender
Wahrscheinlichkeit. Und das ist nicht etwa ein
nebens~ichliches Rechenergebnis, das irgendwie
beseitigt werden k6nnte, ohne die Theorie ins
Herz zu treffen: neben vielem anderen grtindet
sich auf diesen Sachverhalt die quantenmechanische Erkl~irung der Radioaktivit~tt (GAMow). - Die t3eispiele lieBen sich ins Unbegrenzte vermehren. Man beachte, dab you zeitlichen Vergnderungen gar nicht die Rede war. Es wtirde nichts
helfen, wenn m a n dem Modell erlauben wollte, sich
ganz ,,unklassisch" zu wergndern, etwa zu ,,sprin-
8II
gen". Schon ffir den einzelnen Augenblick klappt
es nicht. Es gibt in keinem Augenblick ein Kollektiv klassischer Modellzustgnde, auf das die
Gesamtheit der quantenmechanischen Aussagen
dieses Augenblicks zutrifft. Dasselbe lgBt sich
aueh so ausdrficken: wenu ich dem Modell in jedem
Angenblick einen bestimmten (mir bto13 nieht
genau bekannten) Zustand zuschreiben wollte
oder (was dasseIbe ist) allen Bestimmungsstficken
bestimmte (mir bloB nicht genan bekannte) Zahlwerte, so ist keine Annahme fiber diese Z a h l w e r t e
denkbar, die nicht mit einem Teil der quantentheoretischen Behauptungen im Widersprueh stiinde.
Das ist nicht ganz, was man erwartet, wend
man h6rt, dab die Angabeu der neuen Theorie
immer unseharf sind im Vergleich zu den klassischen.
5. Sind die Variablen wira~lich verwaschen?
Die andere Alternative bestand darin, dab m a n
bloB den jeweils scharfen Bestimmungsstticken
Realitgt zugestehe --- oder allgemeiner gesprochen
ether jeden Variablen eine sotche A r t der ¥ e r wirldichung, die genau der quantenmechanischen
Statistik dieser Variablen in dem betreffenden
Augenblick entspricht.
]DaB es nicht etwa unm6glich ist, Grad und A ~
der Verwaschenheit aller Variablen in e~nem vollkomrnen klaren Bilde z u m Ausdruck zu bringen,
geht schon daraus hervor, dab die Q.1K. ein solches
I n s t r u m e n t tats~clllich besitzt und verwendet, die
sog. Wellenfunktion oder y~-Funktion, auch Systemvektor genannt. Von ihr wird wetter untell noch
viel die Rede sein. ]DaB sie eiu abstraktes, unanschauliches mathemafisches Gebilde set, ist ein
Bedenken, das gegenfiber neuen Denkbehelfen
fast framer auftaucht und nicht viel zu sagen h~itte.
Jedenfalls ist sie ein Gedankending, das die Verwaschenheit aller Variablen in jedem Augenblick
ebenso klar und exakt kouterfeit, wie das klassische
iVIodell deren scharfe Zahlwerte. Auch ihr Bewegungsgesetz, das Gesetz ihrer zeitlichen ~nderung, solange das System sich selbst iiberlassen ist,
steht an Klarheit und Bestimmtheit hinter den
Bewegungsgleichungen des klassischen Modells
u m kein Jota zurfick. 15~ithink6nnte die ~-Funktion geradezu an desseu Stelle Irelen, solange die
Verwaschenheit sich auf atomare, der direkten
Kontrolle entzogeue Dimensionen besehrgnkt. In
der Ta~
hat
man
aus der Funktion
ganz
anschau-
liche und bequeme Vorstellungen abgeleitet, beispielsweise die ,,'Wolke negativer Elektrlzit~it" a m
den positiven Kern u. dgl. Ernste Bedenken
erheben sieh abet, wenn man bemerkt, dab die
Unbestimmtheit grob tastbare und sichtbare Dinge
ergreift, wo die t3ezeichnung Verwaschenheit dann
einfach falsch wird. Der Zusta.nd eines radioaktiven Kerns ist vermutlich in solehem Grade
und in solcher Art verwaschen, dab weder der ZeitpunlCc des Zerfalls noch die t~ichtung feststeht, in
der die a-Partikel, die dabei austritt, den Kern
verl/iBt. I m Innern des Atomkerns st6rt uns die
8~2
R~CK: Der Ausbruchscyklus des Merapi in den J a h r e n I933/34.
V e r w a s c h e n h e i t n i c h t . Die a u s t r e t e n d e P a r t i k e t
wird, w e n n m a n a n s c h a u l i e h d e u t e n will, als Kugelwelle b e s c h r i e b e n , die n a c h alien R i c h t u n g e n n n d
f o r t w ~ h r e n d v o m K e r n e m a n i e r t u n d e i n e n benachbarten Lenchtschirm fortw~hrend in seiner
g a n z e n A u s d e h n u n g trifft. D e r S c h i r m a b e r zeigt
n i c h t e t w a ein b e s t ~ n d i g e s m a t t e s F l ~ c h e n l e u c h t e n ,
s o n d e r n b l i t z t in e i n e m A n g e n b l i c k a n einer Stelle
a u f - - oder, u m d e r W a h r h e i t die E h r e zu geben,
er b l i t z t b a l d hier, b a l d d o r t auf, weft es u n m 6 g l i c h
ist, d e n V e r s u c h m i t bloB e i n e m e i n z i g e n r a d i o a k t i v e n A t o m a u s z u f / i h r e n . ]3entitzt m a n s t a r t
des L e u c h t s c h i r m s e i n e n r g u m l i c h a u s g e d e h n t e n
D e t e k t o r , e t w a ein Gas, d a s v o n d e n c~-Teilchen
i o n i s i e r t wird, so f i n d e t m a n die I o n e n p a a r e lgngs
g e r a d l i n i g e r K o l o n n e n a n g e o r d n e t ~, die rfickw~rts
verlfi.ngert d a s r a d i o a k t i v e M a f e r i e k 6 r n c h e n fretfen, y o n d e m die a - S t r a h l u n g a u s g e h t (C.T.R.
WILSONsche B a h n s p u r e n , d u r c h N e b e l t r 6 p f c b e n
s i c h t b a r g e m a c h t , die a n t d e n I o n e n k o n d e n s i e r e n ) .
M a n k a n n a u c h g a n z b u r l e s k e F~Ite k o n s t r u i e r e n . E i n e K a t z e w i r d i n eine S t a h l k a m m e r
gesperrt, z u s a m m e n m i t f o l g e n d e r H511enmaschine
(die m a n gegen d e n d i r e k t e n Zugriff d e r K a t z e
Zur Veranschaulichung kann Fig. 5 oder 6 a.uf
S. 375 des Jg. 1927 dieser Zeitschrift dienen; oder auch
Fig. ~, S. 734 des vorigen Jahrganges (I934), da sind es
aber B a h n s p u r e n yon \¥asserstoffkernen.
Die Naturwissenschaften
s i c h e r n m u g ) : in e i n e m G E m E a s c h e n Z g h I r o h r
b e f i n d e t sich eine winzige Menge r a d i o a k t i v e r
S u b s t a n z , 8o wenig, daG i m L a u f e i n e r S t u n d e
vielleicht eines y o n d e n A t o m e n zerfallt, e b e n s o
w a h r s c h e i n l i c h a b e r a u c h keines; g e s c h i e h t es, so
spricl~t d a s Z a h l r o h r a n n n d b e t a t i g t fiber ein
Relais ein H ~ m m e r c h e n , d a s ein K 5 1 b c h e n m i t
B l a u s g u r e z e r t r f i m m e r t . H a t m a n dieses g a n z e
S y s t e m eine S t u n d e l a n g sich s e l b s t fiberlassen,
so w i r d m a n sich sagen, d a b die K a t z e n o c h lebt,
vven:n i n z w i s c h e n k e i n A t o m zerfallen ist. D e r e r s t e
Atomzerfa11 wfirde sie v e r g i f t e t h a b e n .
Die
w - F u n k t i o n des g a n z e n S y s t e m s wfirde das so z u m
A u s d r u c k b r i n g e n , d a b i n i h r die l e b e n d e u n d die
t o t e K a t z e (s. v. v.) zu gleichen T e i l e n g e m i s c h t
o d e r v e r s c h m i e r t sind.
D a s T y p i s c h e a n diesen F ~ l l e n ist, d a b eine
ursprfinglich auf den Atombereich beschrgnkte
U n b e s t i m m t h e i t sich in g r o b s i n n l i c h e U n b e s t i m m t h e f t u m s e t z t , die sich d a n n d u r c h d i r e k t e B e o b a c h t u n g entscheide~ l~gt. D a s h i n d e ~ nns, in so
n a i v e r ~Veise ein , , v e r w a s c h e n e s M o d e l l " als A b bild d e r \ ¥ i r k l i c h k e i t g e l t e n zu lassen. A n sich
e n t h i e l t e es n i c h t s U n k l a r e s o d e r \ ¥ i d e r s p r u c h s volles. E s ist ein U n t e r s c h i e d z w i s c h e n einer v e r wackelten oder unscharf eingestellten Photographie
u n d e i n e r A u f n a h m e y o n W'olken n n d NebeIschwaden.
(Fortsetzung fotgt.)
Der Ausbruchscyklus des Merapi in den Jahren I933/34.
V o n HANS RECK, Berlin.
S c h o n e i n m a i b a b e ich in dieser Z e i t s c h r i f t 1
fiber e i n e n d e r s t ~ r k s t e n A u s b r t i c h e dieses r e g s t e n
und gef~hrlichsten Vulkans NiederlXndisch-Indiens
b e r i c h t e t , n~imlich fiber d e n des J a h r e s I93 o, m i t
d e m n a c h l a n g e r P a u s e eine n e u e U n r u h e p e r i o d e
seines H e r d e s e i n g e l e i t e t w u r d e . D i e s e r P a r o x y s mus, dessert A b k l i n g e n n o c h w e f t i n d a s J a h r I93 i
h i n e i n r e i c h t e , ist v o m v u l k a n o l o g i s c h e n D i e n s t Niederl. I n d i e n s s e h r grfindlich s t u d i e r t u n d i n z w i s c h e n
in e i n e r s c h 6 n e n M o n o g r a p h i e y o n NEUMANN V&N
PADANG ~ v e r 6 f f e n t l i c h t w o r d e n . D r e i V u l k a n o l o g e n v o r a l l e m : S~rEHN, NEUS~ANN VAN PADANG
u n d I-L~RT~ANN, v e r d a n k e n w i t die w e i t g e h e n d e
K l g r u n g d e r E r s c h e i n u n g e n dieses A u s b r u c h e s
u n d d a m i t eines A u s b r u c h s t y p s , d e r n i c h t y o n
minderem allgemein vulkanologischem Interesse
und nicht yon geringerer praktischer Bedeutung
i s t als e t w a d e r eines S t r a t o v u l k a n s , wie d e r
Vesuv, o d e r eines S c h i l d v u l k a n s , wie d e r S k j a l d b r e i d a u f I s l a n d einer ist.
D i e s e r T y p l~tBt sich a l l g e m e i n d a h i n c h a r a k ±erisieren, d a b eine e r s t e E x p l o s i v p h a s e TrXger d e r
B e f r e i u n g des i n d e r v o r a n g e g a n g e n e n R u h e z e i t
~uBerlich m e h r o d e r m i n d e r u n m e r k l i c h e r u p t i o n s It. RECK, Der Merapi-Vulkan auI J a v a und sein
Ausbruch im Dezember I93 o. Naturwiss. 19, 369--373
(~93~)2 1~. I~EUMAIN-N VAN PADANG, D e u i t b a r s t i n g
van
den Merapi (Midden Java) in de jaren I 9 3 o - - I 9 3 I.
Vulkanol. en seismolog. Mededeel z933, Nr 12.
reif g e w o r d e n e n M a g m a s ist. Diese P h a s e k e n n z e i c h n e n sowohl auf- wie a b s t e i g e n d e E r u p t i o n s w o l k e n ; sie ist d a d u r c h bet w e i t e m die g e f g h r l i c h s t e
des g a n z e n Cyklus. Sie w i r k t z e r s t 6 r e n d u n d v e r ausgabt stfirmisch den angesammelten f3berschug
a n E n e r g i e i m H e r d . E i n e zweite P h a s e f f i h r t
zghes, g a s g r m e r g e w o r d e n e s M a g m a d u r c h d e n
S c h l o t e m p o r u n d s t a u t es zu d n e r K u p p e fiber
d e m A u s t r i t t s p u n k t auf. E i n e d r i t t e , m i t d e r
v o r a n g e h e n d e n m e i s t eng v e r k n f i p f t e P h a s e e n d lich ffihrt, ebenfalls gas- u n d e x p l o s i o n s a r m , d e n
A n d r a n g d e r L a v a m a s s e n , die d e r s t e t s r e l a t i v
klein b l e i b e n d e K u p p e n b a u n i c h t zu fassen v e r mag, in S t r o m f o r m a n d e r g e e i g n e t s t e n Stelle
aus d e m K r a t e r b e r e i c h fiber die V u l k a n h g n g e ab.
Diese b e i d e n P h a s e n sind die A u f b a u p h a s e n des
V u l k a n s . E i n e v i e r t e P h a s e e n d l i c h i s t die s e h r
verschieden tange Pause der Ersch6pfung, wghrend
w e l c h e r d e r V u l k a n Stoff u n d Kr~ifte e r g / i n z t u n d
zu n e u e m D u r c h b r u c h s a m m e l t .
E s ist s e l b s t v e r s t g n d l i c h , d a b bet d e m iibergewaltigen, v e r w i r r e n d e n K r g f t e s p i e l eines V u l k a n a u s b r u c h e s diese E i n z e l p h a s e n e b e n s o w e n i g s c h e m a t i s c h gleich a b l a u f e n wie die g a n z e n Cyklen. Die
V a r i a b i l i t g t aller E i n z e l h e i t e n ist ftir u n s e r S c h a u e n
u n d V e r s t e h e n f a s t u n b e g r e n z t ; sie k 6 n n e n die erk a n n t e n G e s e t z m ~ G i g k e i t e n s o g a r zeitweise fiberw u c h e r n ; a b e r die G r u n d z f i g e des C y k l u s a b l a u f e s ,
d a s Typologische, schXlt sich d o c h bet j e d e m Ges a m t t i b e r b l i c k fiber eine solche E r u p t i o n s p e r i o d e
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