Molekulare Neurogenetik Georg Auburger http://www.kgu.de/znn/neurologie/mol-neurogenet/ click or download „neurogenetics course“ (.pdf) Risiko-Vorhersage und Beratung Identifizierung Schlüsselmoleküle der Pathogenese Genetische Modelle der Therapie Quellen: Thompson & Thompson, Genetics in Medicine, Saunders Passarge, Taschenatlas der Genetik, Thieme http://www.bvmedgen.de/main.html http://www.geneclinics.org http://www.neuro.wustl.edu/neuromuscular/ http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/query.fcgi?db=OMIM http://www.orphanet.org These: Jede Krankheit ist Anlage-bedingt, wenn sie nicht infektiös, oder durch Intoxikation, oder traumatisch, oder durch ähnliche Lebens-Ereignisse entstand. (und selbst dann... siehe nächste Seiten) wegen genetischer Suszeptibilität für Infektionen... Wie z.B. die Susceptibilität gegen Poliomyelitis und die schwere kombinierte Immundefizienz, beide vererbt auf Chromosom 19 ... und wegen genetischer Suszeptibilität für pharmakologische Intoxikationen: Maligne Hyperthermie Genetische Prinzipien: autosomal dominante Vererbung Ryanodin-Rezeptor oder CACNA1S oder 5 loci molekulargenet. Risiko-Diagnostik schwierig Molekulare Grundlagen der Neurologie: 1 in 5000 Narkosen mit Halothan oder Succinylcholin cytosolische Calcium-Erhöhung bis Rhabdomyolyse Fieber+Tachykardie+Muskelrigidität Halothan/Koffein-Kontraktur-Test Dantrolen+Volumen ... weiter wegen genetischer Suszeptibilität für pharmakologische Intoxikationen: Porphyrie Porphobilinogen Genetische Prinzipien: autosomal dominante Vererbung Molekulare Grundlagen der Neurologie: Porphobilinogen-Deaminase oder Coproporphyrinogen-3-Oxidase oder Protoporphyrinogen-Oxidase Polyneuropathie + Krisen Bauchschmerzen / Psychose / Anfälle Tödliche Krisen durch iatrogene Gabe von Barbiturat, Valium, Novalgin oder durch Ethanol Nachweis erhöhter delta-Amino-Lävulinsäure und Porphobilinogen im Urin während Attacke SSCP / Sequenzierung der Krankheitsgene zur Familiendiagnostik Trigger absetzen, Gabe von Hämatin / Hämarginat ? ... und wegen genetischer Suszeptibilität gegenüber Trauma: Charcot Marie Tooth 1A versus HNPP Polyneuropathie Genetische Prinzipien: aut. dominant mit voller Penetranz, aber variabler Expressivität Lokus-Heterogenität von PNP und CMT CMT1-Prävalenz 15 in 100.000 PMP22 Rekombination zwischen repetitiven Sequenzen, zu 90% bei männlicher Meiose Gen-Dosis Effekt CMT1A vs. HNPP (allelische Heterogenität) oder dominant negative Mutationen PMP22 mechanische Umwelt-Auslösefaktoren bei HNPP Molekulare Grundlagen der Neurologie: integrales Membran Glykoprotein PMP22 sowohl Überexpression als auch Funktionsverlust stört Myelinkompaktierung, sekundär Schwannzell-Hypertrophie und axonale Degeneration CMT1A: Nachweis der Genduplikation, Fallfuss mit ~20 Jahren, präsymptomatisch Leitungsgeschwindigkeit reduziert mit ~5 Jahren HNPP: Drucklähmungen CMT1A: immunsuppressive Behandlung der Abräum-Reaktion These: auch von Götterhand bewirkte Krisen (die „heilige Krankheit“ des Altertums, Epilepsie) oder „hypochondrisch/psychosomatische“ Entgleisungen können anlagebedingt sein (siehe folgende Seiten...). Attacken von Bewegungsstörungen durch Ionen-Kanal-Krankheiten : nokturne frontale Epilepsie – Tegretal Monotherapie hyperkaliämische familiäre periodische Parese – Süssigkeiten episodische Ataxie – Diamox für pH paroxysmale kinesiogene Dystonie – Tegretal Monotherapie Myotonie – Haschisch, Mexiletin allelische Bewegungsstörungen im CACNA1A : – familiäre hemiplegische Migräne („missense“) – episodische Ataxie 2 („truncation“) – progrediente Spinocerebelläre Ataxie 6 („expansion“) werden durch verschiedene Mutationen im gleichen Gen ausgelöst, der alpha 1A Untereinheit des spannungsabhängigen P/Q-Typ Calcium-Kanals Chorea Huntington Genetische Prinzipien: autosomal-dominante Polyglutamin-Expansion Gründereffekt in Venezuela geschlechtsspezifische Antizipation: Väter mit Prämutation zeugen mit 3% Risiko somatischer Mosaizismus molekulargenetisch Expansionslänge prädiktiv für Krankheitsschwere – Erkrankungsalter – Todesalter keine Prädiktion bei asymptomatischen Kindern – therapeutische Konsequenz ? Prävalenz von 0.1 bis 7 in 100.000 toxischer Funktionsgewinn Molekulare Grundlagen der Neurologie: Huntingtin ist Teil des Endozytose-Komplexes und beeinflusst Internalisierung/Transport von BrainDerivedNeurotrophicFactor Neuronale intranukleäre Proteinaggregate von Huntingtin im Endstadium Choreatische Hyperkinesen mit striataler Atrophie im CT („medium spiny neurons“) Degeneration kortikaler „Schicht III, V, VI Neuronen“ mit Depression/Demenz Routine-Diagnostik der CAG-Expansion in PCR Brain-Bank Sammlungen Medikamentöse Therapien experimentell Schwangerschaftsberatung Gleiches klinisches Bild – verschiedene Gene – gleiche Mutation bei autosomal dominanten Spinocerebellären Ataxien : SCA1, SCA2 … SCA29, DRPLA These: Eine positive Familienanamnese ist ein starker Hinweis auf Anlagen (negative Familienanamnese schliesst Anlagen nicht aus) Verwandtschaftsgrad zum Indexpatienten: I. II. 1 2 2 2 22 2 2 3 4 3 2 42 1 1 1 1 1 1 4 2 1 1 2 1 3 2+4 2+4 2+4 2+4 Mitochondrial vererbte Krankheiten: LHON: Leber‘sche Hereditäre Optikusatrophie MELAS: Mitochond. Enzephalomyopathie, Laktatazidose mit Schlaganfall-ähnlichen Symptomen MERRF: „myoklonische Epilepsie und rissige rote Fasern“ MMC: maternal vererbte Myopathie und Kardiomyopathie NARP: neurogene Muskelschwäche mit Ataxie und Retinitis pigmentosa CEOP: Chronisch externe Ophthalmoplegie KSS: Ophthalmoplegie, Pigmentdegeneration der Retina, Kardiomyopathie ADMIMY: autosomal dominante mitochondriale Myopathie mit Deletionen in der D-Schleife MERRF – Myoklonische Epilepsie mit rissigen roten Fasern Genetische Prinzipien: matrilineale Vererbung mitochondriale DNA Mutation sicherer Ausschluss in pränataler Diagnostik oder Muskelbiopsie unmöglich wegen Gewebe-Selektion, Heteroplasmie, replikativer Segregation, somatischen Mutationen 10x höhere Mutationsrate mitochondrialer DNA Akkumulation von Mutationen mit Alter Expressionsschwelle Molekulare Grundlagen der Neurologie: tRNAlys Mutation (G8344A oder T8356C) in >90% der Patienten bei PCR / Sequenzierung Atmungskomplex I und IV haben reduzierte Aktivität und setzen erhöhte Mengen Sauerstoffradikale frei klinisch myoklonische Epilepsie mit Myopathie in Muskelbiopsie „ragged red fibers“ Therapien palliativ (Vitamine) Duchenne / Becker Muskeldystrophie Genetische Prinzipien: X-chromosomal rezessive Vererbung Inzidenz von 1 in 3500 männlichen Geburten grosse Deletionen 60%, grosse Duplikationen 10% (Southern blot) kleine Deletionen, Insertionen, Nukleotid-Wechsel 30% (PCR) Hohe Frequenz von Neumutationen (1/3 der Mütter nicht-Träger), die meisten de novo grossen Deletionen in Oogenese, die meisten de novo Nukleotid-Substitutionen in Spermatogenese allelische Heterogenität Duchenne (null) – Becker (partiell) weibliche Mutations-Träger haben 50% kardiales Risiko Keimzellen-Mosaizismus: bei Müttern ohne Träger-Status 7% Rekurrenz-Risiko Molekulare Grundlagen der Neurologie: Dystrophin-Komplex verbindet Sarkolemm mit Zytoskelett Western-blot-Immunreaktivität wird in Muskelbiopsie getestet sekundäre Erhöhung der CreatinKinase im Serum Molekulargenetische Diagnostik mit PCR und Southern blot Muskelschwäche Hüfte/Oberschenkel mit Wadenhypertrophie Therapie mit Glukokortikoiden Neurofibromatose 1 Genetische Prinzipien: autosomal dominante Vererbung Mehr-Schritt-Karzinogenese (Zwei-Treffer-Hypothese) Keimbahnmutationen versus somatische Mutationen variabler Phänotyp Haploinsuffizienz dieses Tumor-Suppressor-Gens aktiviert Onkogen Ras-GTPase Molekulare Grundlagen der Neurologie: Neurofibromin Haut Cafe au lait Flecken / Neurofibrome / Skelettdeformität / Iris-Hamartom / Optikus-Gliome / CMLeukämie Jährliche Vorsorge-Untersuchungen, Operationen Ataxie Teleangiektasie Genetische Prinzipien: autosomal rezessiv Tumor-Suszeptibilitäts-Gen Mehr-Schritt-Karzinogenese (Zwei-Treffer-Hypothese) Komplementationsgruppen 2 Keimbahnmutationen plus Strahlung: dann somatische Mutationen, Tumor variabler Phänotyp Molekulare Grundlagen der Neurologie: ATM ist homolog zu Phosphoinositol-3`-Kinasen Ataxie und erhöhtes Lymphom/Leukämie-Risiko Teleangiektasien an Konjunktiven, Nase, Hals, Ellbogen Diagnose mit erhöhtem Serum-alpha-Fetoprotein und eventuell SSCP / Sequenzierung Röntgenindikation restriktiv stellen ! Lebenserwartung jetzt jenseits 20. Lebensjahr Myoklonische (alkohol-responsive) Dystonie Genetische Prinzipien: Vererbung autosomal dominant parentales Imprinting (Methylierung) Molekulare Grundlagen der Neurologie: ε-Sarcoglycan ist Zytoskelettprotein Manifestation bis 20. Lebensjahr mit Myoklonien und Dystonie Arme-Hals-Rumpf, benignem Verlauf, dramatischer Besserung durch Alkohol Dystonie wurde früher als psychosomatisch gewertet, weil sie im Schlaf verschwindet Molekulargenetische Diagnose durch SSCP / Sequenzierung Therapie Alkohol, Clonazepam, Elektrodenimplantation zur Tiefen-Hirn-Stimulation These: auch bei den Volkskrankheiten mit sporadischem Auftreten (negativer Familienanamnese) wird immer wieder der Einfluss besonders starker Anlagen durch besonders frühe klinische Manifestation sichtbar. Alzheimer Demenz Genetische Prinzipien: variable Expressivität multifaktoriell (5% EOFAD, 20% LOFAD, 75% sporadic): Assoziation mit ApoE-Polymorphismus, ε4-Allel Lebenszeit-Risiko 5% Relatives Risiko (RR) bei Verwandtem 1. Grades mit LateOnsetAD 3-6x RR bei betroffenem Elternteil und betroffenem Geschwister mit EarlyOnsetAD 7-9x autosomal dominant (10% of FAD): genetische Heterogenität APP, PSEN1/2 Gen-Dosis-Effekt Aβ42/43 (Down) Toxischer Funktionsgewinn Molekulare Grundlagen der Neurologie: Neuropathologie: extrazelluläre Amyloid-Plaques enthalten Aβ und ApoE intrazelluläre neurofibrilläre Bündel enthalten p-Tau Kurzzeitgedächtnis bei Neuropsychologie-Testung vor allem betroffen, in Bildgebung (MRT) Atrophie des Hippocampus und des Temporalcortex Cholinerge Behandlung, Aβ42/43 Impfung derzeit experimentell Prion-Krankheiten: Genetische Prinzipien: autosomal-dominant, infektiös oder spontan knock-out Mäuse sind resistent Sowohl Infektionen als auch Mutationen führen zu vermehrter beta-Faltblatt-Konformation, zu toxischer Oligomerisierung / Aggregation, zu spongiformer Neurodegeneration Molekulare Grundlagen der Neurologie: Prion-Protein (PRNP, ein Membran-Glycosylphosphatidylinositol -verankertes Glykoprotein) hat eine unbekannte Funktion Manifestation: Myoklonien, Insomnie, Ataxie, Demenz mit rascher Progression Diagnose: EEG mit periodischen scharfen Wellen, spongiforme Neurodegeneration / Prion-Plaques 14-3-3 Proteine im Liquor erhöht Mutationsnachweis bei erblichen Fällen Behandlung symptomatisch (Phenytoin bei Anfällen, Clonazepam) These: krankhafte Anlagen sind kein unentrinnbares Schicksal, sondern werden durch Einsicht in die Pathogenese therapierbar (ohne Gentherapie, Stammzellen, Nervenwachstumsfaktoren...). Behandelbar: Dopamin: Segawa Vitamin E für FIVED Ataxie Phytan-Diät: Refsum Wilson‘sche Krankheit Genetische Prinzipien: autosomal-rezessiv hepatische/anämische Manifestation unter Einfluss „modifier“ Gewebe-spezifische Expression (Leber) missense/truncation-Mutationen Funktionsverlust von ATP7B (beta-Untereinheit der ATPase, die Kupfer aus Leber in Galle transportiert) Molekulargenetik-Diagnostik nicht sehr nützlich, meistens „compound heterozygotes“, Mutationen auch im Promoter, bis zu einem Drittel nicht nachweisbar Molekulare Grundlagen der Neurologie: Kupfer/Eisen-Überschuss abgelagert in Gewebe, dann Oxidativer Stress Früh-Manifestation: Anämie, Leberzirrhose Spät-Manifestation: Tremor, Dystonie, Dysarthrie, Depression Diagnose mit Serum-Coeruloplasmin/Kupfer und Urin-Kupfer Behandlung mit Zink, oder Kupfer-Chelatoren Penicillamin, Tetrathiomolybdat Heilung denkbar durch experimentelle Lebertransplantation