Pflanze ausreißen (Mt 15,13 – Parallele: Ev Thom 40)

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Falsche Herkunft!
Pflanze ausreißen (Mt 15,13 – Parallele: Ev Thom 40)
Jede Pflanze, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird ausgerissen werden.
Sprachlich-narrative Analyse (Bildlichkeit)
Die Parabel steht in der Perikope über Rein und Unrein (Mt 15,1-20) innerhalb einer
JüngerInnenbelehrung (Mt 15,12-20), in einem Abschnitt (Mt 15,12-14), der Jesu Ausführungen
über Rein und Unrein mit einer direkten Pharisäerpolemik unterbricht (V. 15 schließt gut an V.
11 an!) und deshalb allgemein als sekundärer Einschub angesehen wird. Anders als die Parabel
von den blinden Blindenführern, mit der sie zusammensteht (15,14, vgl. – jedoch in anderem
Kontext – Lk 6,39), findet sich die Parabel von der Pflanze, die ausgerissen werden wird, nur bei
Mt. Die generalisierende Formulierung mit emphatischem pa=sa pasa (jede) meint ohne
Ausnahme alle Pflanzen, die, wie der folgende Relativsatz durch eine Negation präzisiert, Jesu
himmlischer Vater nicht gepflanzt hat. Dem „Pflanzen“ steht oppositionell das „Ausreißen“
(wörtlich: „Entwurzeln“) gegenüber, dem Aorist das Futur. Implizit ist dem himmlischen Vater
als Pflanzer ein anderer Pflanzer entgegengesetzt. Diese implizite Opposition erinnert an die
explizite Opposition des Menschen und seines Feindes in Mt 13,24f.37ff im weiteren Kontext
(mit Baumbach 1963, 90 gegen Gnilka 2001, 25). In Mt 13,24ff geht die zum „Menschen“
oppositionelle Figur nach der Aussaat weg und der Protagonist bleibt allein bestimmend (s.o.
hier bitte Verweis auf meine Auslegung von Mt 13,24ff!). In Mt 15,13 dagegen ist der
Antagonist nicht explizit erwähnt, was die zentrale Bedeutung des Protagonisten betont. Diese
geht auch daraus hervor, dass der himmlische Vater Jesu nach Mt 15,13 (auch) an den Pflanzen
handeln kann, die er gar nicht gepflanzt hat: „ ... jede Pflanze, die mein himmlischer Vater nicht
gepflanzt hat, wird ausgerissen werden.“ Das Passiv ist ein passivum divinum, verweist also auf
Gott. Das e0krizo/w ekrizoo (entwurzeln, ausreißen) erinnert wieder an die Parabel vom Unkraut:
Mt 13,29 ist die einzige Stelle im Matthäusevangelium, in der das Verb noch einmal verwandt
wird. Ist Mt 13,24f der Same über kalo/j kalos (gut) explizit positiv und über ziza&nia zizania
(Unkraut) als giftige Pflanze explizit negativ konnotiert, so wird in Mt 15,13 die Pflanze allein
durch die Herkunft (von himmlischen Vater gepflanzt oder nicht) determiniert. Nur die negative
Möglichkeit ist im Blick. Das Bild kann sich nach dem Kontext auf die Satzungen der Pharisäer
beziehen (vgl. Mt 15,3.6.9), aufgrund des Bildgebrauchs ist der Bezug auf Menschen, hier: die
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Pharisäer, jedoch wahrscheinlicher. Die indirekte Polemik gegen die Pharisäer in Mt 15,1-9, die
in den Auseinandersetzungen Jesu mit den Pharisäern in Mt 12 vorbereitet wurde, wird in Mt
15,13 zur Gerichtsansage zugespitzt.
Analyse des Bedeutungshintergrunds (Bildfeldtradition)
„Vater“ ist eine konventionelle Metapher für Gott; das „mein“ (in Mt nur noch in 18,35) macht
die besondere Beziehung zwischen Jesus und Gott deutlich. Der Begriff futei&a phyteia (Pflanze)
begegnet zwar nur hier im Neuen Testament, das Verb „pflanzen“ jedoch auch in Mt 21,33 (vom
Hausherrn/Gott), sowie in 1Kor 3,6ff (von Paulus) jeweils im Hinblick auf eine Gemeinschaft.
Das Bild rekurriert auf ein – im Gegensatz zur Saatmetaphorik – verbreitetes traditionelles
Teilbildfeld (Quell 1990, 542 Z 11ff), wonach Israel bzw. eine Gruppe in Israel als von Gott
gepflanzt vorgestellt wird oder als Pflanzung bzw. Pflanze Gottes. Die Metaphorik hebt im Alten
Testament die Erwählung Israels hervor und ist ganz auf Gott bezogen: JHWH hat sein Volk ins
Land gepflanzt oder wird es dort wieder einpflanzen (Ex 15,17; 2 Sam 7,10; Jer 24,6; 32,41;
u.ö.), bzw. seinen Weinstock (ein Gemeinschaftsbild für Israel: Jer 2,21; Jes 5,2; vgl. Ps 80,9-16).
Die Metaphorik des Pflanzens umschreibt JHWHs Heilshandeln an seinem Volk, häufig seine
Hineinführung in das verheißene Land (Bach 1961; v. Gemünden 1993, 50 mit Anm. 2; 66 mit
Anm. 3). Ihm kann (so bei Jeremia) das Aus- bzw. Niederreißen als Ausdruck der Verwerfung
opponiert werden (v. Gemünden 1993, 66 m. Anm. 6; Bach 1961, 28). Ein Antagonist, der
Schlechtes pflanzt, fehlt im Alten Testament. Seltener als „pflanzen“ und im Bildempfängerkreis
verengt ist der substantivische Gebrauch: Das Bild der Pflanzung (JHWHs) meint das
eschatologische Gottesvolk, das nur aus Gerechten besteht (Jes 60,21; vgl. Jes 61,3). Ausgehend
von Jes 60,21 wurde das Gemeinschaftsbild der Pflanzung (vgl. dazu: LibAnt 18,10) in der Folge
häufig weitergebildet zur eschatologisch konnotierten „Pflanze der Gerechtigkeit“ (1Hen 10,16;
93,5.10; Jub 1,16; 16,26; 36,6; u.ö.), die mit Segen und Erwählung verbunden ist (v. Gemünden
1993, 95.105). Der Ausdruck signalisiert die Verengung auf das „wahre Israel“ (Reese 1967, 74f
Anm. 34). In den von pharisäischem Geist geprägten PsSal heißt es in 14,4f: „Ihre [der
Frommen] Pflanzung ist verwurzelt für die Ewigkeit, sie werden nicht ausgerissen alle Tage des
Himmels; denn Gottes Teil und Erbe ist Israel [im Sinn von: die Frommen]“ (Holm-Nielsen
1977, 91 Anm. 5a; Fujita 1976, 31). Die Qumrangemeinde verstand sich ganz analog als „ewige
Pflanzung“ (1QS 8,5; 11,8; vgl. CD 1,7), war sich dabei aber der Spannung zwischen der
bestehenden Gemeinschaft und der eschatologischen „ewigen Pflanzung“ bzw. der kommenden
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„Pflanze der Gerechtigkeit“ bewusst (v. Gemünden 1993, 118). Das Selbstverständnis der
Gemeinde ist durch einen Dualismus geprägt (Baumbach 1963, 90) – ihre Mitglieder erfüllen
demnach im Gegensatz zu den Nichtmitgliedern wirklich das Gesetz (1QS 1,8ff; 2,2; 3,3 u.ö.).
Die positive Konnotation der Metaphorik wird in mSanh 10,1a aufgegriffen, wo unter Bezug auf
Jes 60,21 festgestellt wird, dass ganz Israel Anteil an der zukünftigen Welt haben wird. Das
Ausreißen ist ein Gerichtsbild. Auffälligerweise wird es in Mt 15,13 nicht mit fehlender Frucht
motiviert und zielt im Unterschied zu Mt 3,10 (vgl. Lk 13,7ff) auch nicht auf eine
Verhaltensänderung, sondern bestimmt die „Identität“ und das Schicksal der Pflanze ganz durch
deren Herkunft.
Verstehensangebote/Deutehorizonte
In Mt 15,13 greift der mt Jesus mit der „Pflanze“ ein Gemeinschaftsbild auf, welches deutlich
abgrenzend das elitäre Selbstverständnis Israels bzw. des „wahren“ Israels ausdrückt, das sich
von Gott gepflanzt und durch die rechte Toraauslegung ausgezeichnet weiß. Das Bild entspricht
dem kollektiven Selbstverständnis der Pharisäer. Im Kontext eines Konflikts mit den
„Pharisäern“ wendet der mt Jesus es im Kreis seiner JüngerInnen kritisch gegen jene. Er spricht
den Pharisäern die Zugehörigkeit zur Gottespflanzung ab und droht ihnen das Ausreißen (vgl. das
Unkraut in Mt 13,29!), also das Gericht an. Neu gegenüber der Tradition ist die polemische
Verwendung der Metapher der Pflanze/Pflanzung gegenüber Dritten. Dabei macht der mt Jesus
durch die Formulierung „mein Vater“ deutlich, warum er mit solcher Autorität sprechen kann
(Käsemann 1970, 240; Hagner 1995, 436). Die Parabel hat die Funktion, die Position des mt
Jesus zu rechtfertigen (Münch 2004*, 70). Ist die dort ausgedrückte Distanzierung von den
Pharisäern als Distanzierung des Christen Matthäus vom Judentum seiner Zeit zu verstehen?
Oder zeichnet sich diese Distanzierung in die allgemeine Distanzierung des rabbinischen
Judentums nach 70 n. Chr. von den Pharisäern ein? (Zu dieser Neubewertung der Pharisäer nach
70 n. Chr. vgl. Schäfer 1991, 126ff). Trotz der klaren Distanzierung macht die futurische
Formulierung in Mt 15,13 deutlich, dass erst im künftigen Gericht die falsche Pflanzung
ausgerissen und die „wahre“ Pflanzung bestehen wird – weshalb sich auch die mt Gemeinde
nicht in Heilssicherheit wiegen darf.
Textparallelen und wirkungsgeschichtliche Aspekte
Nach einem negativen Logion über die Pharisäer, lesen wir in EvThom 40:
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„Jesus sagte: Ein Weinstock ist gepflanzt worden außerhalb des Vaters; und da er nicht befestigt
ist, wird er ausgerissen werden mit seiner Wurzel, (und) er wird verderben.“
Statt von „jeder Pflanze“ erzählt EvThom 40 von „einem Weinstock“; statt vom Pflanzenden ist
lokal vom Pflanzen „außerhalb des Vaters“ die Rede und finden sich einige Erweiterungen
gegenüber Mt 15,13. Auch hier ist das Bild dualistisch und prädestinatianisch geprägt (vgl.
EvThom 49; Schrage 1964, 105) und zeigt kein Interesse am Fruchtbringen. Hat es den
Nichtgnostiker im Blick? EvPhil (NHC II,3) 85,29f greift auf Mt 15,13 zurück, um deutlich zu
machen, dass das Heil des Pneumatikers darin begründet ist, dass er von Gott gepflanzt ist (v.
Gemünden 1993, 383f mit weiteren Parallelen). Die Pflanze von Mt 15,13 wird in der
Auslegungsgeschichte a) auf die Lehre der Pharisäer, b) auf die Pharisäer oder c) auf beide
interpretiert (Belege bei Fonck 1909, 300). Luther interpretiert sowohl auf die Gesetze Mose´s als
auch kollektiv auf die Pharisäer (WA 38, 590,12ff). Selten wird das Bild individualisiert (so Th.
v. Aquin 51951, 200f, Nr.1307: der falsche Wille wird ausgerissen werden). Interessanterweise
kann in der Auslegung trotz des deterministischen Bildes an der Möglichkeit zur Änderung
festgehalten werden. So hat der Mensch nach Hieronymus nur nach der Abkehr seines freien
Willens von Gott aufgehört, eine Pflanzung Gottes zu sein (Hier., com in Mt 15,13 [SC 242]).
Literatur zum Weiterlesen:
L. Fonck, Die Parabeln des Herrn im Evangelium exegetisch und praktisch erläutert. Dritte,
vielfach verbesserte und vermehrte Aufl., Christus, lux mundi III/1, Innsbruck 31909, 299f.
P. von Gemünden, Vegetationsmetaphorik im Neuen Testament und seiner Umwelt. Eine
Bildfelduntersuchung, NTOA 18, Freiburg (Schweiz)/Göttingen 1993, 174-176, vgl.50f; 66f; 81;
94ff; 105; 116; 118f; 340ff; 383f.
PETRA VON GEMÜNDEN
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