Business Reengineering: Steigerung der Wirtschaftlichkeit in der

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Business Reengineering:
Steigerung der Wirtschaftlichkeit
in der Gemeinschaftsverpflegung
Markus Lehmann
1. Was ist Business Reengineering?
Business Reengineering ist zu einem Schlüsselbegriff der betriebswirtschaftlichen Diskussion der letzten Jahre geworden. In Verbindung mit Schlagworten wie Outsourcing, Prozeßoptimierung, Kundenorientierung, Schlanke
Organisation und Qualitätsmanagement bildet Business Reengineering den
Rahmen für eine grundlegende Reorganisation, die in einer Vielzahl von
Unternehmen im In- und Ausland in der jüngeren Vergangenheit vollzogen
worden ist (Hammer, Champy 1994; Deutsch 1995a).
Wesentliche Auslöser dafür sind die zunehmende Globalisierung der
Wirtschaft und der damit einhergehende, starke internationale Wettbewerb
vor dem Hintergrund vielfach gesättigter Märkte, der weltwirtschaftlichen
Rezession der vergangenen Jahre sowie des Strukturwandels in der
Wirtschaft. Der Strukturwandel drückt sich aus in vermehrten
Unternehmensfusionen, in Arbeitsplatzverlagerungen ins Ausland, in der
Privatisierung bisheriger staatlicher Aufgaben (Deregulierung), in den
Auswirkungen des rapiden Fortschritts der Informationstechnik (Übergang
zur Informationsgesellschaft) sowie im allmählichen Absterben alter
Industriezweige und dem gleichzeitig schnellen Wachstum von Branchen, in
denen neue Technologien entwickelt werden.
Zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit und zu ihrer langfristigen Existenzsicherung stehen die Unternehmen vor der Aufgabe, sämtliche
Strukturen (Aufbauorganisation) und Prozesse (Ablauforganisation) zu überprüfen, ggf. in zweckmäßiger Weise zu verändern und somit effizienter zu
gestalten. Durch Verbesserungen bei den Leistungen und/oder Einsparungen
bei den Kosten kann die Wirtschaftlichkeit gesteigert werden. Business Reengineering, das seinen Ursprung in den USA hat, steht dabei für eine radikale und fundamentale Form der Umgestaltung. Im Gegensatz dazu repräsentiert das aus Japan stammende Kaizen („Weg zum Guten”) einen stetigen
Weg kleiner Schritte zur Verbesserung der Unternehmensleistung (Konti106
nuierlicher Verbesserungsprozeß KVP). Gemeinsam ist beiden Vorgehensweisen jedoch das Ziel und die stark prozeßorientierte Denkweise (Herter
1995, Schneck 1995).
Die
Nahrungszubereitung
in
Einrichtungen
der
Gemeinschaftsverpflegung bleibt von den geschilderten Entwicklungen
nicht unberührt. Großküchen in der Betriebs-, Anstalts- und
Schulverpflegung waren als Teil der sozialen Einrichtungen eines privaten
oder öffentlichen Unternehmens lange Zeit nicht den Kräften des Marktes
ausgesetzt. Der starke Wettbewerbs- und Rationalisierungsdruck, unter dem
die jeweiligen Trägerunternehmen stehen, hat seine Spuren jedoch
zunehmend auch in den Verpflegungsabteilungen hinterlassen (o. V. 1994,
Pfannschmidt-Wahl 1995a). In den letzten Jahren sind deshalb auch in
Betrieben der Gemeinschaftsverpflegung in beträchtlichem Umfang
Maßnahmen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit durchgeführt worden.
Diese Maßnahmen lassen sich unter dem Dach des Business Reengineering
zusammenfassen. Sie sollen im vorliegenden Aufsatz vorgestellt und
diskutiert werden.
Zunächst werden die Symptome und Ursachen der Probleme erläutert, die
den Anlaß für Business Reengineering darstellen. Anschließend werden ausgewählte Maßnahmen zur Problemlösung aufgezeigt (s. Abbildung.). Dabei
handelt es sich um verschiedene Ausprägungen des Outsourcing sowie um
Maßnahmen zur Prozeßkettenoptimierung im Bereich der Materialwirtschaft. Einem intensiven Einsatz der Informationstechnik kommt in diesem
Zusammenhang große Bedeutung zu. Weiterhin wird dargelegt, welcher Informationsbedarf zur Entscheidungsfindung im Rahmen des Business Reengineering besteht und welchen Beitrag die Forschung zur Zielerreichung
leisten kann.
2. Anlässe für Business Reengineering
Nachfolgend werden die wesentlichen Probleme angesprochen, die den Anlaß für Business Reengineering bilden. Dabei wird zwischen den
Symptomen und den Ursachen der Probleme unterschieden.
107
2.1 Symptome
Unmittelbar greifbare Symptome sind die Ergebnisse des Rechnungswesens.
Im Betriebsergebnis stehen sich hierbei Leistungen und Kosten als monetäre
Größen gegenüber. Wichtige physische Größen in diesem Zusammenhang
sind die Absatzmengen. Hinsichtlich dieser Größen wird in den Trägerunternehmen häufig folgendes festgestellt. Das Betriebsergebnis verschlechtert
sich im Zeitablauf und nimmt z. T. negative Werte an. Ein solcher Betriebsverlust kann durch verminderte Leistungen und/oder durch gestiegene Kosten bedingt sein. Hinter einer Verringerung der Leistungen können gesunkene Marktpreise und/oder verminderte Absatzmengen stehen. Eine Erhöhung der Kosten ist auf einen Anstieg in den Faktorpreisen (z. B. Löhne und
Gehälter) und/oder in den verbrauchten Faktormengen zurückzuführen. Zu
hohe Kosten werden dabei nahezu in jedem Fall festgestellt. Nicht selten
gehen damit auch verminderte Leistungen einher. Die Schere zur Unwirtschaftlichkeit und mangelhaften Wettbewerbsfähigkeit öffnet sich auf diese
Weise.
In den Verpflegungsbetrieben der Unternehmen ergibt sich ein davon teilweise abweichendes Bild. Einbußen auf der Leistungsseite lassen sich nicht
pauschal feststellen. So war es in der jüngeren Vergangenheit meist ohne
größere Widerstände möglich, notwendige Preiserhöhungen vorzunehmen.
Auch die Absatzmengen konnten häufig bei entsprechender Qualität gehalten oder gesteigert werden. Probleme bereiten hingegen zumeist die stark
steigenden Kosten, z. B. Personal- und Entsorgungskosten (Müllabfuhr-,
Abwassergebühren). Das sich dadurch verschlechternde Betriebsergebnis
hat zur Folge, daß der erforderliche betriebliche Zuschuß pro Menü wächst.
Der tatsächlich gewährte Zuschuß weist jedoch sinkende Tendenz auf
(Pfannschmidt-Wahl 1995b). Die Verpflegungsdienstleistung gerät somit,
gemeinsam mit den anderen Sozialleistungen des Unternehmens,
zunehmend in die Diskussion.
2.2 Ursachen
Bei der Analyse der Problemursachen kann zwischen dem Prozeß und dem
Ergebnis der Leistungserstellung unterschieden werden. Als Mängel im Prozeß der Leistungserstellung wird allgemein in den Unternehmen eine ineffiziente Aufbau- und/oder Ablauforganisation identifiziert. Die Schwächen
äußern sich in einer häufig verkrusteten, aufgeblähten und stark hierarchi108
schen Struktur der Aufbauorganisation. Flache Hierarchien mit kurzen Entscheidungs- und Kommunikationswegen in einer teamorientierten Struktur
fehlen hingegen. Im Rahmen der Ablauforganisation mangelt es vielfach an
einer prozeßorientierten Denkweise, die sämtliche Prozeßschritte innerhalb
der Funktionsbereiche und bereichsübergreifend optimal aufeinander abstimmt. Bei der Leistungserstellung in der Gemeinschaftsverpflegung steckt
das Verbesserungspotential vor allem in der Gestaltung der Prozeßabläufe.
So mangelt es hierbei u. a. am Einsatz der Informationstechnik.
Nicht kundengerechte und zu teure Produkte sind wesentliche Ursachen
für Mängel im Ergebnis der Leistungserstellung. Die Entwicklungszeit für
neue und innovative Produkte ist vielfach zu lang. Bei den Kosten fallen besonders die hohen Löhne und Gehälter in Verbindung mit einem hohem Personalstand ins Gewicht. Im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung haben
Schwächen im Leistungsbereich geringere Bedeutung. So wurde das Verpflegungsangebot in den vergangenen Jahren stetig erweitert und qualitativ
verbessert. Ein Beispiel hierfür sind regelmäßige Aktionswochen, in denen
z. B. ausländische Spezialitäten serviert werden. Dennoch sind beständige
Bemühungen erforderlich, um den wachsenden Anforderungen der Tischgäste dauerhaft gerecht zu werden. Das Augenmerk gilt in den Verpflegungsbetrieben jedoch in erster Linie den Kosten. Aufgrund des lange fehlenden Wettbewerbs und des obligatorischen Ausgleichs von Defiziten
durch Zuschüsse des Trägerunternehmens wurde ein stark kostenbewußtes
Handeln vielfach vernachlässigt. Ausgelöst durch den zunehmenden
internen Kosten- und Rationalisierungsdruck sowie die externe Konkurrenz
der Catering-Unternehmen gewinnt eine streng wirtschaftliche
Betriebsführung nunmehr höchste Bedeutung.
3. Problemlösung mit Hilfe von Business Reengineering
Mit verschiedenen Maßnahmen wird in den Unternehmen allgemein eine
Steigerung der Wirtschaftlichkeit und eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit angstrebt. Im einzelnen sollen eine qualitative und quantitative Verbesserung auf der Leistungsseite sowie eine Reduzierung auf der Kostenseite herbeigeführt werden. Als übergeordnetes Ziel steht dabei ein größtmöglicher Kundennutzen im Vordergrund. Diese Zielsetzungen gelten im
wesentlichen auch für Verpflegungsbetriebe. Besonders hervorzuheben sind
109
hier die Anstrengungen zur Kostensenkung. Das meist hohe Niveau der Leistungen soll dabei gehalten bzw. weiter verbessert werden.
Die Maßnahmen des Business Reengineering greifen jeweils in die
Gestaltung des Prozesses der Leistungserstellung ein. Angestrebt wird dabei
eine Optimierung der betrieblichen Abläufe auf der Basis einer effizienten,
schlanken Aufbauorganisation. Maßnahmen, die in den Verpflegungsbetrieben auf breiter Front angewendet werden, sind verschiedene Stufen des Outsourcing sowie spezielle Schritte zur Optimierung von Prozeßketten. Nachfolgend werden die genannten Maßnahmen mit ihren Merkmalen erläutert.
3.1 Outsourcing
Der Begriff Outsourcing (Outside Resourcing) beschreibt allgemein die
Auslagerung von Unternehmensaufgaben auf externe spezialisierte Anbieter. Der Umfang der Ausgliederung kann sich dabei auf einzelne Prozeßschritte beschränken, er kann aber auch gesamte Funktionsbereiche umfassen. Das Ziel des Outsourcing besteht darin, diejenigen Teilprozesse im
Rahmen der gesamten Wertschöpfungskette zu identifizieren und aus dem
Unternehmen auszugliedern, bei denen die interne, eigene Durchführung im
Vergleich zur externen, fremden Leistungserbringung unwirtschaftlich ist.
Es sind somit jeweils Entscheidungen über Eigenfertigung oder Fremdbezug
(make or buy) zu treffen. Von der Auslagerung sind häufig Prozesse betroffen, die nicht unmittelbar zum Kerngeschäft (core business) gehören und nur
mittelbar zur Wertschöpfung beitragen. Ein typisches Beispiel hierfür sind
Reinigungsdienstleistungen. Outsourcing bezieht sich aber vielfach auch auf
Teile der unmittelbaren Wertschöpfung. In diesem Fall ist die Auslagerung
mit einer Verringerung der Fertigungstiefe verbunden. Durch die Ausgliederung wird eine Konzentration auf die Kernkompetenzen des Unternehmens
möglich. Gleichzeitig soll die Fremdvergabe eine Verringerung der Kosten
bei gleicher oder verbesserter Leistungsqualität bewirken. Zudem ergeben
sich für das Unternehmen eine größere Flexibilität, eine Freisetzung gebundener Mittel, jedoch auch eine stärkere Abhängigkeit von externen Anbietern.
Im folgenden werden typische Formen des Outsourcing in Einrichtungen
der Gemeinschaftsverpflegung vorgestellt. Dabei handelt es sich zum einen
um die Auslagerung von Prozeßschritten im Rahmen des Einsatzes von
Convenience-Produkten. Zum anderen wird die Auslagerung des gesamten
Verpflegungsbereichs
betrachtet.
Hierbei
ist
zwischen
der
110
Fremdbewirtschaftung durch ein Catering-Unternehmen und der
Eigenbewirtschaftung durch eine ausgegliederte rechtlich selbständige
Verpflegungs-GmbH zu unterscheiden.
3.1.1 Outsourcing von Teilen des Verpflegungsbereichs und Einsatz von
Convenience-Produkten
Wirksame Möglichkeiten zur Beeinflussung von Kosten und Leistungen und
somit der Wirtschaftlichkeit ergeben sich durch den gezielten Einsatz von
Convenience-Produkten. Kennzeichen der „Bequemlichkeitsprodukte” ist
ein bestimmter Grad an Vorfertigung, der von küchenfertig über gar- und
aufbereitfertig bis hin zu verzehrfertig reicht. Die entsprechenden
Prozeßschritte sind somit ausgelagert und werden vom Verpflegungsbetrieb
bei der Lebensmittelbeschaffung zugekauft. Die Zustandsform der Produkte
ist vielfach tiefgefroren, häufig aber auch gekühlt. Geeignet für die
Verwendung als Convenience-Produkte sind grundsätzlich Lebensmittel und
Speisen aus allen Produktgruppen (z. B. Fleisch, Gemüse usw.).
Auf der Kostenseite lassen sich durch den Einsatz von Convenience-Produkten erhebliche Einsparungen in der erforderlichen Arbeitszeit erzielen.
Die Arbeitsproduktivität als Verhältnis zwischen Anzahl produzierter Essen
(Output) und eingesetzter Arbeitskapazität (Input) wird dadurch gesteigert.
Die vergleichsweise höheren Wareneinsatzkosten werden durch die geringeren Personalkosten meist überkompensiert. Zusätzliches Kostensenkungspotential resultiert aus den geringeren Energie-, Wasser- (Frisch- und Abwasser) und Entsorgungskosten. Weitere Einsparungen sind möglich, wenn
die Produktionsentscheidungen im Rahmen eines Um- oder Neubaus einer
Großküche erfolgen. In einem solchen Fall können die erforderlichen Raumund Gerätekapazitäten dem verringerten Faktorbedarf angepaßt werden. Dadurch werden Fixkosten abgebaut und in variable Kosten umgewandelt.
Schließlich kann auch eine Senkung der Lagerhaltungskosten erzielt werden,
sofern in Zusammenarbeit mit den Lieferanten eine Optimierung von Beschaffung und Logistik vorgenommen wird (vgl. 3.2).
Ein wesentliches Kennzeichen von Convenience-Produkten auf der Leistungsseite ist die exakte, gleichbleibende Rezeptur. Daraus ergeben sich
eine hohe Sicherheit und eine genaue Kalkulation im Bereich der Qualität
(sensorisch, ernährungsphysiologisch und hygienisch) und der Quantität
(Portionsmengen). Dies ist u. a. im Hinblick auf die Einhaltung der EU-Hygienerichtlinie bedeutsam (Grohmann 1994). Aufgrund erheblicher Anstrengungen (Innovationen und technologischer Fortschritt) der Ernährungsin111
dustrie sind die Qualitätsstandards kontinuierlich gestiegen („Premiumqualität“). Dies gilt für die Eigenschaften der einzelnen Speisen ebenso wie für
die Vielfalt des Produktspektrums. Häufig wird der Einsatz hochwertiger
und produktionsaufwendiger Gerichte erst durch den Einsatz von
Convenience-Produkten
ermöglicht.
Zudem
läßt
sich
der
Zubereitungsprozeß verkürzen und flexibler gestalten. Dies gewinnt vor
allem an Bedeutung, wenn die Anzahl an Essensteilnehmern, z. B. aufgrund
flexibler Arbeitszeiten, stark schwankt (Pfannschmidt-Wahl 1993).
Convenience-Produkte wurden in der Vergangenheit häufig als qualitativ
geringerwertig und zu teuer beurteilt. Eine solche Einschätzung ist gegenwärtig nicht mehr zutreffend. Trotz der geschilderten Vorteile sollte man
sich jedoch bewußt sein, daß ein übermäßiger Einsatz von ConvenienceProdukten auch nachteilige Wirkungen haben kann. So besteht u. a. die
Gefahr der geschmacklichen Gleichförmigkeit und der fehlenden
Individualität, wenn die eigene nicht normierte Zubereitung zu stark in den
Hintergrund tritt. Dieser Eindruck entsteht vor allem, wenn Tischgäste das
Menüangebot längerfristig in Anspruch nehmen, wie dies beispielsweise in
der Betriebsverpflegung der Fall ist. Dennoch wird zukünftig kaum eine
Großküche auf einen verstärkten und konsequenten Convenience-Einsatz
verzichten können, will sie den gewachsenen Anforderungen gerecht werden
und ihre Existenz langfristig sichern.
3.1.2 Outsourcing des gesamten Verpflegungsbereichs und
Fremdbewirtschaftung durch ein Catering-Unternehmen
Im Gegensatz zu den Trägerunternehmen steht im Verpflegungsbereich
meist die Hauptaufgabe selbst, nämlich die Menüproduktion, zur
Disposition. Eine wesentliche Ursache der Outsourcing-Diskussion besteht
darin, daß die Verpflegungsdienstleistungen aus der Sicht des
Gesamtunternehmens einen betriebsfremden Aufgabenbereich umfassen. In
der Praxis wird deshalb vermehrt der bislang eigenbewirtschaftete
Verpflegungsbereich ausgelagert. Diese Entwicklung ist in der
Betriebsverpflegung bereits vorangeschritten und setzt sich derzeit in der
Anstaltsverpflegung, vor allem im Krankenhaus, fort (Schmid 1995c, S. 32).
Hierbei wird die gesamte Verpflegungsaufgabe einem externen CateringUnternehmen übertragen. Ein solches, auf Verpflegungsdienstleistungen
spezialisiertes, erwerbswirtschaftliches Unternehmen versorgt jeweils mit
eigenem Personal mehrere Objekte. Werden dabei ausschließlich bzw.
teilweise eigene Mitarbeiter eingesetzt, spricht man von Voll- bzw. Teil112
Catering. Die Großküche selbst mit Geräten und Einrichtungen, dem
Speisesaal sowie der Energie- und Wasserversorgung wird vom Kunden
bereitgestellt.
Welche Bewirtschaftungsform (eigen oder fremd) überlegen ist, muß fallspezifisch geprüft werden. Nachfolgend werden wesentliche Beurteilungskriterien beider Bewirtschaftungsformen vorgestellt, die zu einer sachgerechten Entscheidungsfindung beitragen können. Bei der Erläuterung dieser
Merkmale werden jeweils Vor- und Nachteile auf der Kosten- und auf der
Leistungsseite differenziert.
Die Fremdbewirtschaftung durch ein Catering-Unternehmen besitzt auf
der Kostenseite den Vorteil, daß die Entlohnung der Mitarbeiter nach dem
Entgelttarifvertrag der Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten (NGG)
erfolgt.
Demgegenüber
erhalten
die
Arbeitskräfte
einer
eigenbewirtschafteten Betriebskantine eine Vergütung, die dem Tarif des
Trägerunternehmens entspricht. Dieser jeweilige Branchentarif (z. B.
Metalltarif) ist meist erheblich höher als der NGG-Tarif. Weitere
Kostenvorteile des Catering können in einem vergleichsweise flexibleren
Personaleinsatz (z. B. eingearbeitete Springer) und in geringeren Fehlzeiten
bestehen. Darüber hinaus sind Kostenvorteile im Lebensmitteleinkauf
aufgrund
der
Unternehmensgröße
möglich. So können die
Beschaffungskonditionen mit den Großhandels- bzw. Herstellerunternehmen
zentral für alle betreuten Objekte vereinbart werden. Das im Vergleich zu
einem einzelnen Verpflegungsbetrieb dadurch wesentlich größere
Einkaufsvolumen gibt dem Catering-Unternehmen eine stärkere
Verhandlungsposition.
Auf der Leistungsseite kann für ein Catering-Unternehmen als Vorteil
verbucht werden, daß die Verpflegung das Hauptgeschäft bildet und somit
eine entsprechende Spezialisierung vorliegt. Dies drückt sich beispielsweise
in umfangreichen und regelmäßigen Maßnahmen zur Personalschulung aus.
Ein solches Personaltraining ist dabei nicht auf die Einarbeitung neuer
Mitarbeiter beschränkt, sondern wird auch im Rahmen einer laufenden
Fortbildung angeboten. Schließlich ist es für ein Catering-Unternehmen
leichter, ein eigenständiges, charakteristisches Firmenprofil zu entwickeln
und in einer Corporate Identity (CI, Systemkonzept) darzustellen. Einem
eigenbewirtschafteten Verpflegungsbetrieb gelingt dies weniger leicht, da
ein selbständiges Auftreten, z. B. sichtbar durch ein eigenes Firmenlogo,
nicht möglich ist.
Nachteile, die mit der Beauftragung eines Catering-Unternehmens verbunden sein können, sind wiederum auf der Kosten- und auf der Leistungsseite
113
zu suchen. Da ein Catering-Unternehmen erwerbswirtschaftlich ausgerichtet
ist, enthält das Entgelt, das der Kunde zu entrichten hat, einen Gewinnanteil.
Ob die Verpflegungskosten, die für den Kunden daraus insgesamt resultieren, geringer sind als bei Eigenbewirtschaftung, muß im Einzelfall geprüft
werden. In diesem Zusammenhang übt auch die Umsatzsteuer Einfluß aus.
So werden eigen- und fremdbewirtschaftete Betriebe umsatzsteuerrechtlich
derzeit noch ungleich, zum Nachteil der Fremdbewirtschaftung, behandelt
(Dietz 1995). Auf der Leistungsseite ist von Fall zu Fall zu prüfen, ob die
versprochene Qualität des Verpflegungsangebots auch tatsächlich dauerhaft
erreicht wird. So kann die Gefahr bestehen, daß Catering-Unternehmen nach
Vertragsabschluß in der Leistung nachlassen. Dies kann zu Auseinandersetzungen zwischen dem Kunden und dem Caterer führen, da die Qualität einer
Verpflegungsdienstleistung nicht umfassend vertraglich festgelegt werden
kann und somit ein Handlungsspielraum besteht. Diese Problematik hat zu
einem teilweise schlechten Ruf der Catering-Branche geführt.
Zur Beurteilung der Eigenbewirtschaftung eines Verpflegungsbetriebs
lassen sich folgende Ergänzungen vornehmen. Eine traditionell geführte
Verpflegungsabteilung verfügt meist über eine langjährige fachliche
Erfahrung, die der Kompetenz eines Caterers gleichkommen oder diese
übertreffen kann. So kennt die Wirtschaftsleitung die Wünsche der
Essenteilnehmer oft sehr genau und ist in der Lage, eine „maßgeschneiderte”
Leistung anzubieten. Die Möglichkeit der betriebsinternen unmittelbaren
Einflußnahme (Betriebsrat) sind im Vergleich zur Inanspruchnahme der
Dienstleistungen eines Caterers größer. Auf die Kosten nachteilig auswirken
können sich die höheren Tarife, ein unzureichend ausgeprägtes
unternehmerisches Denken sowie eine gewisse Trägheit aufgrund der über
lange Zeit unangefochtenen, gesicherten Position. Aufgrund des
Wettbewerbs, der von den Catering-Unternehmen ausgelöst worden ist, sind
jedoch in den letzten Jahren von den eigenbewirtschafteten Betrieben
verstärkt Anstrengungen zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit unternommen
worden. Die Position der Verpflegungsabteilungen in den Unternehmen hat
sich dadurch vielfach gefestigt. Es fällt den Caterern deshalb häufig nicht
mehr so leicht, eine traditionelle Eigenbewirtschaftung zu verdrängen
(Pfannschmidt-Wahl, Schmid 1995; Schmid 1995c).
114
3.1.3 Outsourcing des gesamten Verpflegungsbereichs und
Eigenbewirtschaftung durch eine Verpflegungs-GmbH
Die wachsende externe Konkurrenz hat bei verschiedenen Verpflegungsbetrieben das unternehmerische Potential bewußt gemacht und mobilisiert. So
gibt es mehrere Beispiele für den erfolgreichen Versuch, die Eigenbewirtschaftung grundsätzlich beizubehalten und mit den Vorteilen der Fremdbewirtschaftung zu verbinden. Diese Synthese wird in Gestalt einer rechtlich
selbständigen Verpflegungs-GmbH realisiert, die aus der vormals unselbständigen Verpflegungsabteilung gebildet wird (Schmid 1994b, 1995a). Die
GmbH ist Tochter des Gesamtunternehmens, aus dem sie hervorgeht. Im
folgenden sollen die wesentlichen Stärken und Schwächen dieser neuen
Form des Outsourcing charakterisiert werden. Dies ist jedoch nur
ansatzweise möglich, da Erfahrungen erst in wenigen Fällen und über einen
bislang noch kurzen Zeitraum vorliegen.
Hervorzuheben ist zunächst, daß im Rahmen der Rechtsform einer
GmbH unternehmerisches Denken und Handeln gefördert werden. Dies ist
gleichermaßen in den Risiken und Chancen begründet, die aus der
Selbständigkeit erwachsen. So wird das neu gegründete selbständige
Verpflegungsunternehmen zunächst weiterhin mit der Verpflegung im
Mutterunternehmen betraut. Auf lange Sicht steht es jedoch bei der Vergabe
dieses Auftrags prinzipiell auf dem freien Markt im Wettbewerb mit
Catering-Unternehmen. Dieser Wettbewerb bedeutet Risiko, eröffnet
andererseits aber auch die Chance, neue Märkte zu erschließen. So können
externe Aufträge akquiriert werden, wie beispielsweise die Versorgung
anderer Betriebe mit Mitarbeiterverpflegung, die kulinarische Betreuung
von Abendveranstaltungen oder die Ausrichtung privater Familienfeste an
Wochenenden. Auf diese Weise wird eine bessere Auslastung der
verfügbaren Produktionsfaktorkapazität und somit eine kostengünstigere
Produktion erreicht (Stückkostendegression). Außerdem kann die
Preisgestaltung gewinnorientiert erfolgen. Die Verpflegungs-GmbH kann
somit aus eigener Kraft langfristig ihre Existenz sichern. Weiterhin ist ein
eigenständiges Auftreten im Rahmen einer spezifischen Marketingstrategie
und einer Corporate Identity möglich. Das unternehmerische Handeln wird
auch angeregt durch die größere Flexibilität im Vergleich zur
organisatorischen Einbindung als Verpflegungsabteilung in den Gesamtbetrieb. Durch die Ausgliederung verkürzen sich die Dienst- und Entscheidungswege, Motivation und Verantwortungsbewußtsein steigen. Die Erfolgskontrolle wird aufgrund eines eigenen Rechnungswesens effizienter.
115
Durch finanzielle Leistungsanreize kann die Einsatzbereitschaft der
Mitarbeiter gesteigert werden.
Dabei dürfen aber verschiedene Probleme nicht vernachlässigt werden,
die mit der vorgestellten Form des Outsourcing einhergehen: Besonders
hervorzuheben ist dabei der Prozeß der Überführung der Mitarbeiter in die
neue Rechtsform und die Integration der neu eingestellten Mitarbeiter. So
bestehen bei den vorhandenen Arbeitskräften häufig Widerstände, die in der
Ablehnung einer niedrigeren Vergütung bis hin zur Angst vor dem Verlust
des Arbeitsplatzes ihre Ursache haben. Für die aus der alten Rechtsform
übernommenen Mitarbeiter gelten jedoch Übergangsregelungen (Besitzstandswahrung), so daß eine Schlechterstellung nicht eintritt. Da neues Personal nach einem anderen Tarifsystem entlohnt wird, können Spannungen
zwischen den beiden Personengruppen entstehen. Eine Abnahme der
Einsatzbereitschaft und somit auch der Arbeitsleistung sind die möglichen
negativen Folgen.
Grundsätzlich muß berücksichtigt werden, daß sich im Betriebsergebnis
deutlich meßbare Erfolge erst nach einer längeren Übergangsphase zeigen,
während der sich die Mitarbeiter innerhalb der veränderten Rahmenbedingungen zurechtfinden können. Bei der Beurteilung der vorgestellten neuen
Bewirtschaftungsform ist deshalb eine strategische Perspektive zugrundezulegen. Es wird deshalb in den nächsten Jahren interessant sein, die
qualitative und quantitative Entwicklung des Outsourcing in Gestalt
rechtlich selbständiger Verpflegungsbetriebe zu verfolgen.
3.2 Prozeßkettenoptimierung
Eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit im Rahmen des Business
Reengineering kann auch erzielt werden, indem bestehende Prozesse bzw.
Prozeßketten überarbeitet und neu gestaltet werden. Ein Funktionsbereich,
der einer solchen Optimierung in Industrie- und auch in
Verpflegungsbetrieben unterzogen wird, ist die Materialwirtschaft. Hierbei
wird die gesamte Prozeßkette vom Hersteller des Verbrauchsmaterials
(Produzent) über den Großhändler (Distributor) bis hin zum Betrieb mit
seinem internen Materialfluß analysiert und neu geplant. Die dabei
eingenommene Sichtweise ist, daß jedem externen und internen
Prozeßschritt eine Kunden-Lieferanten-Beziehung zugrundeliegt, die es
bestmöglich zu gestalten gilt (Bea, Schnaitmann 1995,
116
S. 279). Die Effizienz der Aufgabenerfüllung wird durch den Einsatz der
Informationstechnik gefördert (Körmeier 1995).
Ein in der Öffentlichkeit viel diskutiertes Beispiel betrifft die
Materialwirtschaft in der Automobilindustrie. Die Reorganisation in diesem
Bereich ist eng mit dem Namen López verbunden, dem verantwortlichen
Einkaufsmanager bei der Volkswagen AG. Charakteristische Merkmale der
Prozeßoptimierung im Automobilbereich sind eine Konzentration auf
wenige sehr leistungsstarke und preisgünstige Zulieferbetriebe, eine
zunehmende Fertigungstiefe der bezogenen Teile („ganze Motoren anstelle
von Zündkerzen”), eine Belieferung just-in-time (wichtig: räumliche Nähe
der Zulieferbetriebe) und eine verstärkte Einbeziehung der Lieferanten in die
Produktentwicklung (Fischer 1994; o. V. 1995a).
Eine weitgehend vergleichbare Entwicklung zeichnet sich auch in der
Gemeinschaftsverpflegung ab. Dies soll im folgenden näher betrachtet werden. In der Diskussion wird die gesamte Materialwirtschaft in die Teilbereiche Bedarfs-, Beschaffungs-, Transport- und Lagerungsplanung gegliedert.
Das benötigte Verbrauchsmaterial sind weitgehend Lebensmittel. Eine nachgeordnete Bedeutung haben Reinigungsmittel, Hygieneartikel, Büromaterial
und ggf. Einweggeschirr. Diese Artikel werden deshalb nicht in die Diskussion einbezogen.
Folgende Ausgangssituation ist in den Betrieben häufig anzutreffen
(Ehrlich 1995a): Die Gesamtzahl der eingesetzten Lebensmittel ist sehr groß
(z. B. 1500 Artikel). Die Lieferanten, bei denen die Lebensmittel beschafft
werden, sind Großhandelsunternehmen und teilweise auch Lebensmittelhersteller. Ihre Anzahl ist meistens ebenfalls umfangreich. Die Vielzahl an Artikeln und Lieferanten führt zu häufigen Bestell- und Liefervorgängen. Weiterhin wird vielfach eine umfangreiche Lagerhaltung betrieben. Die Nutzung
der Informationstechnik ist noch wenig verbreitet. Das Ergebnis der geschilderten Verfahrensweise ist Unwirtschaftlichkeit, die sich vor allem in hohen
Beschaffungs- und Lagerungskosten des Materials äußert. Sie kann sich teilweise auch im Leistungsbereich auswirken, z. B. in Form einer schwankenden Qualität der gelieferten Lebensmittel.
Ziel der Reorganisation im Verpflegungsbetrieb ist es, gemeinsam mit
den Distributoren und den Herstellern die materialwirtschaftliche
Prozeßkette zu optimieren. Kennzeichen dafür sind ein optimaler
Lieferservice, eine kostengünstige Beschaffung und Lagerhaltung sowie ein
beständig hohes Qualitätsniveau der gelieferten Lebensmittel. Im weiteren
werden verschiedene Maßnahmen beschrieben, die in der Praxis von
Verpflegungsbetrieben ergriffen werden, um die genannten Ziele zu
117
erreichen. Die einzelnen Schritte zur Prozeßoptimierung haben eine
sachliche und eine technische Dimension. In sachlicher Hinsicht wird
aufgezeigt, welche Änderungen in den Handlungsweisen bei der Bedarfs-,
Beschaffungs-, Transport- und Lagerungsplanung vorgenommen werden.
Die technische Ebene betrifft den Einsatz der Informationstechnik zur
Unterstützung der Prozeßabläufe.
Die Grundlage für eine effiziente Bedarfsplanung sowie alle weiteren materialwirtschaftlichen Teilbereiche ist die detaillierte Erfassung, Dokumentation und laufende Pflege von Speisenrezepten. Auf dieser Basis ist eine genaue Kalkulation des Bedarfs an einzelnen Lebensmitteln möglich. Dabei
kann geprüft werden, wie das Artikelsortiment nach Art und Umfang gestrafft werden kann. Einschränkungen sind z. B. möglich, wenn gleiche Artikel bislang von verschiedenen Herstellern, in verschiedenen
Gebindegrößen und von verschiedenen Lieferanten bezogen werden. Eine
Reduzierung der Artikelzahl ergibt sich auch durch einen verstärkten
Einsatz von Convenience-Produkten. Ein realistisches Ergebnis ist die
Verringerung des Artikelstamms um bis zu 50 % (Ehrlich 1995a, S. 33).
In Fortsetzung zur Reduzierung der Artikelzahl erfolgt in der Beschaffungs- bzw. Einkaufsplanung eine Straffung des Lieferantenbestands. Das
angestrebte Ziel dabei ist die Konzentration auf wenige, besonders leistungsfähige Lieferanten, die einen breiten Bereich der benötigten Warenpalette
abdecken (z. B. Gemüse, Obst, Getränke, Tiefkühlprodukte usw.). Neben
solchen Systemlieferanten kommen ergänzend Produktspezialisten zum
Zug. Letztere versorgen den Verpflegungsbetrieb mit ausgewählten
Frischprodukten (z. B. Milchprodukte, Frischfleisch und Backwaren). Mit
einem Systemlieferanten wird meist ein Rahmenvertrag abgeschlossen, der
die Preis- und Lieferkonditionen mittelfristig, z. B. für ein Vierteljahr,
festlegt. Auf diese Weise werden laufende Preisverhandlungen und
Angebotsvergleiche entbehrlich. Aufgrund des größeren garantierten
Umsatzvolumens, das sich für den Lieferanten daraus ergibt, können zudem
entsprechende Preisnachlässe erzielt werden. Weiterhin wird dem
Verpflegungsbetrieb eine großzügige Handhabung von Reklamationen
gewährt. Schließlich reduziert sich die Anzahl der Beschaffungsvorgänge,
der Warenlieferungen und der zugehörigen Kontrollaufgaben sowie der
Lieferscheine und Rechnungen. Die damit einhergehende Verringerung des
Arbeitsaufwands ermöglicht eine Personalkosteneinsparung, die den bereits
erzielten Kostenvorteil aufgrund günstiger Preis- und Zahlungskonditionen
meist noch erheblich übersteigt. Für den Lieferanten selbst ergibt sich eine
118
wesentlich solidere Kalkulations- und Dispositionsbasis, z. B. bei seiner
eigenen Beschaffung, Lagerhaltung und Logistik.
Im Bereich der Transport- und Lagerungsplanung ist eine Tendenz zu
einer Lieferung just-in-time und somit zu einer Verringerung der Lagerhaltung zu beobachten. Neben Vorteilen auf der Leistungsseite wie einer größeren Produktfrische und einem geringeren hygienischen Risiko lassen sich
auf diese Weise vor allem Kostensenkungen erzielen. Diese resultieren aus
Einsparungen bei den Personal-, Energie-, Wartungs- und Reparatur- sowie
den Kapitalkosten. Voraussetzung für eine reibungslose Umsetzung des
Lieferprinzips just-in-time sind eine moderne Logistik und eine hohe
Zuverlässigkeit des Lieferanten. Der erforderliche Beitrag des Verpflegungsbetriebs besteht vor allem in einer genauen Kalkulation der Bedarfe
und der erforderlichen Sicherheitsbestände.
Die Nutzung von Software zur informationstechnischen Unterstützung
der materialwirtschaftlichen Aufgaben beginnt sich in den Verpflegungsbetrieben durchzusetzen (Ehrlich 1995b, 1995c; Prix 1995). Erst mit Hilfe spezifischer EDV-Programme können die geschilderten Maßnahmen zur Optimierung der Prozeßkette vollständig realisiert werden und ihre Wirkung entfalten. Auf der Grundlage von Artikel- und Rezeptdatenbanken lassen sich
Menüpläne erstellen und die erforderlichen Kalkulationen durchführen
(Vor- und Nachkalkulation, ggf. auch Nährwertberechnung). Als
Entscheidungshilfe für die Menügestaltung können u. a. Verkaufsstatistiken,
Umsatzzahlen und Kosteninformationen laufend abgerufen werden.
Anhand der erstellten Speisepläne ergibt sich durch Rezeptauflösung eine
Listung des gesamten Artikelbedarfs für den vorgesehenen Zeitraum. Mit
Hilfe eines automatischen Lagerabgleichs kann die notwendige Beschaffungsmenge an Lebensmitteln berechnet werden. Der Artikelbedarf kann somit unmittelbar in eine Bestellung umgewandelt werden. Die Übermittlung
der Bestellung an den Lieferanten erfolgt bei optimaler Prozeßgestaltung per
Datenfernübertragung (Schaupp 1992). Nach Erhalt der Waren kann ein
Abgleich zwischen Bestellung und Lieferschein vorgenommen werden. Evtl.
Abweichungen können am Computer korrigiert und die gelieferten Artikel
als Lagerzugang gebucht werden. In vergleichbarer Weise wird der Warenverbrauch auf der Basis der produzierten Speisen berechnet und als Lagerentnahme gebucht. Es findet somit eine permanente Inventur statt. Durch
solche übergreifenden Schnittstellen zwischen einzelnen Prozeßschritten
wird die Anzahl der Belege und der Buchungen auf das notwendige
Minimum reduziert.
119
Um das geschilderte System aktuell zu halten, ist eine regelmäßige Artikel-, Preis- und Rezeptpflege durchzuführen. Auch hierbei ermöglicht die
Informationstechnik eine wesentliche Arbeitserleichterung. So können neue
Artikel- und Preisdaten vom Lieferanten per Diskette oder Datenfernübertragung dem Kunden zur Verfügung gestellt werden. Eine solche Möglichkeit bietet beispielsweise ein bundesweit agierendes Unternehmen des Zustellgroßhandels in Zusammenarbeit mit einem Software-Haus an (Schmid
1994a). Darüber hinaus wird angestrebt, auch Lebensmittelhersteller mit
ihrem Angebot an Rezeptdiensten in das EDV-System einzubinden. Ziel ist
es, insgesamt eine Nutzenpartnerschaft zwischen Verpflegungsbetrieb,
Distributor, Hersteller und EDV-Anbieter zu entwickeln.
4. Beitrag der Forschung zur Zielerreichung
Im vorangehenden Abschnitt wurden verschiedene Maßnahmen des
Business
Reengineering
vorgestellt,
die
in
Betrieben
der
Gemeinschaftsverpflegung angewandt werden. Vor einer Entscheidung, ob
und ggf. in welcher Form Outsourcing oder eine spezielle
Prozeßoptimierung realisiert werden sollen, müssen sorgfältige Planungen
durchgeführt werden. Die hierzu erforderlichen Informationen betreffen u. a.
die organisatorische Gestaltung und die zu erwartenden Auswirkungen auf
Leistungen und Kosten. So besteht z. B. Informationsbedarf darüber,
welcher Grad an Convenience-Einsatz unter qualitativen und ökonomischen
Gesichtspunkten zum bestmöglichen Ergebnis führt und somit insgesamt
den größten Kundennutzen stiftet. Informationsbedarf besteht darüber
hinaus an weiteren Maßnahmen der Reorganisation, die hier nur angedeutet
werden können.
So sind vom Outsourcing häufig auch andere, z. T. nicht unmittelbar
wertschöpfende Prozesse betroffen. Beispiele hierfür sind das Rechnungswesen, die Reinigung, die Wäschepflege (vor allem im Krankenhaus) sowie
die
Hausund
Energietechnik.
Zunehmend
werden
somit
hauswirtschaftliche Funktionsbereiche von externen Anbietern abgedeckt.
Bemerkenswert dabei ist, daß die betreffenden Dienstleistungen häufig von
einzelnen Unternehmen aus einer Hand als umfassendes Facility
Management angeboten werden (Haus 1994; Hauptvogel 1995). Für die
Beurteilung solcher Full-Service-Pakete sind wiederum objektive
Vergleichs- und Entscheidungskriterien erforderlich. Zudem besteht
grundsätzlicher Informationsbedarf, für welche Bereiche und in welchem
Umfang insgesamt Outsourcing eine langfristig wirtschaftliche Lösung ist.
120
Die Klärung dieser Frage erscheint wichtig, da in verschiedenen
Industriebetrieben ausgelagerte Prozesse teilweise wieder in das
Unternehmen zurückgeholt werden (Deutsch 1995b; o. V. 1995b). Dieser
Vorgang des Insourcing deutet darauf hin, daß die Konsequenzen der
Auslagerung zunächst nicht vollständig und richtig eingeschätzt worden
sind.
Im Hinblick auf die Optimierung der Prozeßketten zeichnen sich
ebenfalls neue Entwicklungen ab. Im Rahmen der Speisenproduktion wird
verschiedentlich das Cook-Chill-Verfahren praktiziert (Schmid 1995b).
Kennzeichen dieses Konzepts, das sich z. B. für die Vollverpflegung im
Krankenhaus eignet, ist die zeitliche und thermische Entkopplung von
Zubereitung und Ausgabe der Menüs. Nach einer Vorratsproduktion für
zwei bis drei Tage (z. B. für ein Wochenende) folgt eine Schockkühlung auf
etwa 3 °C und die erforderliche kurzfristige Lagerung. Daran schließen sich
Regenerierung und Ausgabe zum geplanten Zeitpunkt an. Vorteile dieses
Systems sind u. a. eine bessere Auslastung der Gerätekapazität und ein
effizienter Personaleinsatz. Für eine fallspezifische, umfassende Beurteilung
der Eignung des Cook-Chill-Konzepts sind wiederum fundierte
Informationen erforderlich.
Zu allen genannten Bereichen sollte die Forschung laufend
praxisgerechtes Datenmaterial als Entscheidungshilfe bereitstellen.
Einschlägige Institutionen hierfür sind die Forschungsinstitute,
Fachhochschulen und Hochschulen. Ein Forschungsinstitut, das sich über
einen Zeitraum von ca. 15 Jahren (von 1972 bis 1987) in einem
Forschungsschwerpunkt mit der Gemeinschaftsverpflegung beschäftigt hat,
ist das Institut für Ernährungsökonomie und -soziologie (IÖS, früher Institut
bzw.
Bundesforschungsanstalt
für
Hauswirtschaft)
der
Bundesforschungsanstalt für Ernährung in Stuttgart-Hohenheim (Werner,
Irion 1973). Untersuchungsgegenstand waren verschiedene Verpflegungssysteme, die für einen Einsatz in Ganztagsschulen in Betracht kamen. Diese
Systeme unterschieden sich im wesentlichen in der Zustandsform (z. B. tiefgekühlt, gekühlt, sterilisiert oder warmgehalten) und im Grad der Vorfertigung (z. B. roh, küchen-, aufbereit- oder verzehrfertig) der Ausgangsware.
Als Verpflegungssysteme resultierten daraus in aufsteigendem ConvenienceGrad eine Mischküche, verschiedene Ausprägungen der Aufbereitungsküche
sowie eine Verteilerküche. Alle Systeme wurden einer interdisziplinären
Beurteilung unterzogen. Kriterien der durchgeführten Analysen und
Kalkulationen
waren
die
Sensorik,
Ernährungsphysiologie,
Verfahrenstechnik,
Arbeitswirtschaft
sowie
die
Kosten.
Die
121
Forschungsergebnisse wurden in umfangreichen Berichten den jeweiligen
Entscheidungsträgern und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt
(Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und
Bundesforschungsanstalt
für
Hauswirtschaft
(Hrsg.)
1974,
Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und
Bundesforschungsanstalt für Ernährung (Hrsg.) 1976, 1977, 1979, 1982 und
1986).
Forschungen der erläuterten Art treffen den Informationsbedarf, der in
der Praxis besteht. Sie beschreiben, erklären und bewerten die vielfältigen
Handlungsalternativen im Rahmen der
Nahrungsproduktion in der
Gemeinschaftsverpflegung. Anhand differenzierter Vergleiche können
Empfehlungen für die Wahl der jeweils am besten geeigneten System- und
Prozeßgestaltung abgeleitet werden. Darüber hinaus stellen die einzelnen
Forschungsergebnisse universelle Bausteine für die Durchführung von
Planungsrechnungen dar, z. B. bei Maßnahmen des Business Reengineering.
Beispiele solcher Datensammlungen sind ein Planzeitenkatalog für die
Kalkulation von Arbeitszeitbedarfen (Deist et al. 1976; Stübler et al. 1978a,
1978b), eine Nährwertdatenbank für verzehrfertige Speisen (Bognár 1990)
sowie eine Datenbasis mit Mengen- und Wertkomponenten für eine
detaillierte Kostenkalkulation (Pfau, Reuer 1989). Die Verantwortlichen in
den Verpflegungsbetrieben, die sich einem zunehmend komplexen internen
und externen Umfeld gegenübersehen, können davon in hohem Maße
profitieren. Den hauptsächlichen Nutzen daraus ziehen aber letztendlich die
Tischgäste, denen fundierte und sachgerechte Entscheidungen der
Wirtschaftsleiter in Form hochwertiger und preiswürdiger Menüs zugute
kommen.
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Frankfurt/M., 1996, 435 S. (Oltersdorf 157) (BFE-Nr. W 1189)
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