Die Geschichte der Kieferorthopädie

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Die Geschichte der Kieferorthopädie
1. Vorzeit und Mittelalter bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts
2. Pierre Fauchard bis Ende des 19. Jahrhunderts
3. Moderne Kieferorthopädie (beginnt mit Leistungen des Amerikaners Edward Hartley Angle)
Hippokrates (um 460 v.Chr.)
Erste Zitate über Unregelmäßigkeiten der Zahnstellung und Kieferanomalien
Celsus (25 v.Chr.-50 n.Chr.)
Medizinische Enzyklopädie „ De medicina“
„Ziehen“ persistierender Milchzähne
Regulierung unregelmäßig durchbrechender Zähne durch Fingerdruck
Galenos von Pergamon (um 129 n.Chr.)
erste Hinweise auf Behandlungsmöglichkeiten
Befeilen der Zähne bei Raummangel
Fabrizio d'Acquapendente (1533-1619)
Unregelmäßigkeiten der Zähne erwähnt
Behandlung nicht korrekt durchgebrochener Zähne mittels Extraktion
Richten von engstehenden Zähnen durch Befeilen
Ältestes zahnmedizinisches Werk:
„Artzney Buchlein, wider allerlei Krankheyten und gebrechen der tzeen“
(1.Auflage 1530 zu Leipzig)
im 3. Kapitel:
„ Wie den Kindern zu helfen ist, daß die Zähne leidlich wachsen“ ...
…sal man den alden tzan der außfallen sal…unnd offt wackeln…daß er sich leth austziehen/darnach
sal man den newen alle tage an den orth do der forige gestanden hat trucken/unnd lencken…
Pierre Fauchard (1678-1761)
Begründer der modernen Zahnheilkunde in Europa
1733: 1. dt. Auflage seines Lehrbuches
„Französischer Zahnarzt oder Tractact von den Zähnen”
1.Teil (36 Kapitel) Zahnärztliche Theorie und Extraktion
2.Teil (24 Kapitel) operativ-technischer Teil
Rechtzeitiges Entfernen der Milchzähne für korrekten Durchbruch der bleibenden Zähne
einfachste Behandlungsmethode ist der altbekannte permanente Fingerdruck
Behandlungsmittel: Feilen (Platzgewinn und Längenkorrektur)
Zwirnsfäden, Seidenfäden, silberne und goldene Drähte
Widerlager kleine Metallbleche (Expansionsbogen)
bei ungünstiger Position Luxation des Zahnes mit Zange und Fixierung in
korrekter Stellung mit Fäden
John Hunter (1728-1793)
1771: „The natural history of the human teeth”
definiert theoretische Grundlagen der Zahnregulierung:
- Zahnbewegung durch Druck in beliebige Richtung mgl.
- Extraktion der Milchzähne als Steuerungsmöglichkeit für Durchbruch der bleibenden Zähne
Beseitigung progener Bissverhältnisse:
- silbernes Instrument, mit welchem Patient selbst durch Aufbeißen die unteren Zähne nach
distal verlagern kann (Prinzip der schiefen Ebene)
Friedrich Hirsch (1750/53-1827)
1801: „Praktische Bemerkungen über die Zähne und einige Krankheiten derselben”
5.Kapitel:“ Von den unordentlichen Zähnen“:
…ein zu langer Aufenthalt des Milchzahnes an der Stelle des bleibenden Zahnes ist die gewöhnlichste
Ursache eines Übelstandes
…Extraktion zur rechten Zeit am rechten Ort… beste Vorbeugung von Stellungsanomalien
- Extraktionsinstrument der Wahl ist der Geißfuß
- kleine, schmale, goldene, gelöcherte Bleche und daran befestigte Silbersaiten
Joseph Fox (1776-1816)
1803: zweibändiges Werk: „Natural History of teeth”
bei Progenie:
- erstmals aus Leder gefertigte Kopf-Kinn-Kappe
- Goldband mit Seidenligaturen zur Vestibulärbewegung der OK- Incisivi zur Korrektur eines
frontalen Kreuzbisses
Calman Jacob Linderer (1771-1840) und Joseph Linderer (1809-1878)
1837: „Handbuch der gesamten Zahnheilkunde“ (1848 Neuauflage)
- Beschreibung der Lageanomalie der Zähne
- Prophylaxe von Kieferanomalien
- Erhalten der Milchzähne bis zum Durchbruch der Ersatzzähne
- „fünf Arten des Richtens“: nach vestibulär, nach palatinal, nach mesial o. distal, kombiniert,
Achsendrehung
Behandlungsmittel: - Schleifenligatur nach C. J. Linderer
- Molarenbänder zur Bisserhöhung
- Distalisations- und Derotationsapp.
Friedrich Christoph Kneisel (1797-1887)
Erstes kieferorthopädisches Spezialwerk:
1836: „Der Schiefstand der Zähne, dessen Ursachen und Abhilfe durch eine neue, sichere und
schmerzlose Heilmethode“
- Versuche einer Klassifikation der Bissanomalien
- erstmals Gipsmodelle zur Darstellung der Anomalie
- schiefe Ebenen bei Kreuzbiss
Georg von Carabelli (1788-1842)
1842: „Systematisches Handbuch der Zahnheilkunde“
akzeptable Klassifizierung der Okklusionsarten:
1. das regelmäßige Gebiss
mordex normalis
2. das gerade Gebiss
mordex rectus = Kopfbiss
3. das offene Gebiss
mordex apertus
4. das vorstehende Gebiss
mordus prorsus
= Prognathie
5. das rückstehende Gebiss
mordex retrorsus
= Inversion
6. das Zickzackgebiss
mordex tortuosus
= Kreuzbiss
7. das Greisengebiss
mordex senilis
8. der Greisenmund
- Schöpfer von Schraubenelementen, aufwendig gestaltete Apparaturen mit viel Feinmechanik
Norman William Kingsley (1829-1913)
1862 „Father of Orthodontia”
Verwendung von Kautschuk als einer der Ersten in der Kieferorthopädie in Verbindung mit einer
Schraubspindel und Verbindunselementen an den Zähnen
Vorbissplatte mit schiefer Ebene zur Bissumstellung
(„jumping the bite”)
Erstanwendung der Kopf-Kappe als extraorale Zugvorrichtung zur Distalisation der oberen
Frontzähne
John Nutting Farrar (1839-1913)
Regulierungskräften sind physiologische Grenzen gesetzt
intermittierende Kräfte
Schraubenapparaturen (Bewegung max. 1/10 mm)
Ludwig Holländer (1833-1897), Otto Walkhoff (1860-1934), Emil Herbst (1872-1940)
1882 : Extraktionstherapie der Prämolaren im Rahmen der orthodontischen Behandlung
Edward Hartley Angle (1855-1930)
Beginn der Neuzeit der Kieferorthopädie
1887: "Notes on Orthodontia"
erste und bis heute gängige Klassifikation der Bissanomalien
Bisseinteilung anhand des ersten oberen Molaren in die Angle-Klassen:
Klasse I Neutralbiss
Kasse II
Distalbiss
Klasse II/1
mit anteinklinierten OK- Incisivi
Klasse II/2
mit retroinklinierten OK- Incisivi
Klasse III
Mesialbiss
Apparaturen Angle´s
1887: 1,4 mm starker Expansionsbögen (basic E-arch) = „Einheitsgerät“
1889: Angle's Headgear (Anwendung bei Prognathie)
1910: Pin- and Tube appliance
1913: "ribbon arch system" erstmals Brackets zur Führung auf einem Kantbogen
1924: "Edgewise Mechanismus" mit Vierkant-Außenbogen in horizontal verlaufendem Bracketschlitz
(Slot)
Die Verdienste Angle´s:
- Konstanz des oberen 6-Jahr-Molaren und Einteilung der
Gebissanomalien in die drei 'Angle-Klassen'
- striktes Extraktionsverbot in der Kieferorthopädie
- Einführung von Expansionsgeräten
- Beginn der Edgewise-Technik
- erste kephalometrische Diagnostik
- Einführung der Fotografie in die KFO
Emil Herbst (1872-1940)
1904: Herbst-Geschiebe/ Herbst-Scharnier universelles Behandlungsmittel
Wilhelm Pfaff (1862-1942)
Wintersemester 1907/1908 in Leipzig: erster Lehrauftrag für Orthodontie in Deutschland
- Einführung der Orthodontie als Pflichtlehrveranstaltung im Zahnmedizinstudium
- 1906: „Lehrbuch der Orthodontie für Studierende und Zahnärzte“
1908: Gaumennahtsprengung: Kappenschienen mit verlöteter Schraube
1910: - Einweihung des neuen zahnärztliches Instituts
- Leipziger Klinik eine der bedeutendsten der Welt
- deutschlandweit größte orthopädisch-prothetische Abteilung
Modifikationen der Angle’schen Behandlungsweise (mod. Expansionsbogen)
H. Newell
1913: Verschlussapparat zur Vermeidung der Mundatmung
Alfred Körbitz (1875-1937)
1914: Lippenformer
Bekämpfung des Daumenlutschens
Viggo Andresen (1870-1950)/ Karl Häupl (1893-1960)
Mitte der 20er Jahre:
Grundlagen zur funktionellen Behandlung der Zahnstellungsund Bisslageanomalie
Funktionskieferorthopädie („Norwegisches System“)
Funktion als Faktor für Knochenumbau
Behandlungsgerät: Aktivator
1936: Buch „Funktionskieferorthopädie - die Grundlagen des norwegischen Systems“
zahlreiche Modifikationen des Aktivators:
Gebissformer nach Bimler (1949)
Kinetor nach Stockfisch (19539
Bionator nach Balters (1950)
starrer und elastisch offener Aktivator nach Klammt (1955, 1961)
Axel Frederik Lundström (1875-1941)
1923: Grundlagen für die neuzeitliche Extraktionstherapie Missverhältnis zwischen Zahnbogen u.
Wurzelgrund
erste wissenschaftlich stichhaltige Begründung für gelegentliche Notwendigkeit der Extraktion
Birdsall Holly Broadbent (1894-1977)
Herbert Hofrath (1889-1952)
1931: ersten Fernröntgenaufnahmen von Schädeln mit Kieferfehlbildungen
Arthur Martin Schwarz (1887-1963)
1935: „aktive Platte“ nach A. M. Schwarz
neu: geführte Schrauben („Fischer Schrauben“) und Anwendung der nach ihm benannten
Pfeilklammern
universelles Behandlungsmittel
sozialer Aspekt: kieferorthopädische Behandlung für breite Bevölkerungsschichten zugänglich
Charles Henry Tweed (1895-1970)
1940-50: Schule nach Tweed
neue Behandlungstechniken
bevorzugt Extraktionstechnik statt Expansion
Weiterführung der Edgewise- Technik
1966: Kantbogentechnik
Biegungen 1.,2.u. 3.Ordnung:
1.Ordnung - horizontale Biegung
2.Ordnung - vertikale Biegungen
3.Ordnung - Torque
A. Björk
1964: Handröntgenbild zur Beurteilung der skelettalen Reife
L.F. Andrews
1970: 6 Schlüssel der Normalokklusion
Molarenrelation, Kronenangulation, Kronenneigung, keine Rotationen, enger Kontakt, Spee´sche
Kurve
1976: „Straight-Wire-Apparatur“
Biegungen 1., 2. und 3.Ordnung im Bracket integriert: „intelligente Brackets“ und gerader Bogen
Kinja Fujita
Anfang der 70er Jahre: Konzept der Lingualbrackets in Japan
primär zum Schutz der Weichgewebe (Lippe, Wange) bei Patienten, die Kampfsport praktizieren
Craven Kurz
1975 : Weiterentwicklung der lingualen Bracket- Fixation
Begründer der Lingualtechnik – unsichtbare KFO
G. H. Hanson
1980: Speed- Bracket - erstes Bracket mit aktiven Verschlussmechanismus
Selbstligierende Brackets
sog. low-Friction-Brackets: - kürzere Behandlungszeiten
- weniger Kontrolltermine
- Zahnkorrektur, ohne Extraktion, und Zusatz-Apparaturen
D. Damon
1996: Damon- SL- Bracket
1999: Damon II- Bracket
2005: Damon III- Bracket
2001: Invisalign
„unsichtbare “ Behandlung von leichteren Zahnfehlstellungen
Computergestützte dreidimensionale Simulation der gewünschten Zahnbewegung
Scannen der Silikonabformung des Ist- Zustands
Stereolithographieverfahren zur Fertigung der Schienen
Sequenz individueller, transparenter Kunststoffschienen
2001: Pins und Minischrauben–
temporäre kieferorthopädische Verankerung
dentale Kraftapplikation z.B. Lückenschluss: reaktive Kräfte und gegengerichtete Zahnbewegung
Gegenlager erforderlich: transversal und sagittal versteifende Bügel zur Verblockung
Headgear oder Gesichtsmaske extraoral
Techniken der kortikalen Verankerung mit Minischrauben und Pins aus Titan
selbstschneidende (self-tapping) oder selbstbohrende (self-drilling) Gewinde
weltweit etwa 30 verschiedene Systeme von Minischrauben
drei Schraubenvarianten: - Länge 6, 8 und 10 mm
- Durchmesser 1,6 mm
Einsatzgebiet: sagittale Zahnbewegungen, Distalisation, Mesialisation
Lückenschluss, vertikale Zahnbewegungen: Intrusion und Extrusion
Gaumennahterweiterung, präprothetische Behandlung
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