Master of Arts (MA) Erziehungs- und Bildungswissenschaften Schwerpunkt: Rehabilitationspädagogik MASTERARBEIT Der Förderansatz Applied Behavior Analysis mit Verbal Behavior für Kinder mit einer Autismus-SpektrumStörung in Deutschland Vorgelegt von Lotte Elisabeth Schewe Matrikelnummer: 9455340 4. Fachsemester Betreuende Gutachterin: Prof. Dr. Gisela Christel Schulze Zweiter Gutachter: Gerold Jacobs, MA Oldenburg, den 25. November 2011 1 ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ABLLS-R Assessment of Basic Learning and Language Skills - Revised AO Abolishing Operation ASS Autismus-Spektrum-Störung ATZ Autismustherapiezentrum AVT Autismus-spezifische Verhaltenstherapie BACB Behavior Analyst Certification Board BCaBA Board Certified assistance Behavior Analyst BCBA Board Certified Behavior Analyst BET Bremer Elterntraining CMO Conditioned Motivating Operation DGVA Deutsche Gesellschaft für Verhaltensanalyse DGVT Deutsche Gesellschaft für Verhaltenstherapie DSM-IV-TR Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders DTT Discrete Trial Teaching EBI Evidenz-basierte Intervention EIBI Early Intensive Behavior Intervention EO Establishing Operation FC Faciliated Communication (gestützte Kommunikation) GKV Gesetzliche Krankenversicherung GBA Gemeinsamer Bundesausschuss IBT Intensive Behavioral Treatment ICD-10 International Classification of Diseases IFA Institut für Autismusforschung (Bremen) ITT Intensive Trial Teaching MO Motivation Operations NET Natural Environment Teaching NLP Natural Language Paradigm OMT On The Move Training PECS Picture Exchange Communication System RDI Relationship Development Intervention SD Stimulus Diskriminativus SGB Sozialgesetzbuch SIG Special Interest Group SR Reinforcing Stimulus TE Tiefgreifende Entwicklungsstörung 2 TEACCH Treatment and Education for Autistic and related Communication handicapped Children UMO Unconditioned Motivating Operation VT Verhaltenstherapie WHO World Health Organisation 3 ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Diagnostikinstrumente (Bölte, 2009e, S. 158) 11 Abbildung 2: Evidenzgrade (Noterdaeme, 2011) 16 Abbildung 3: Das ABC-Modell (Schramm, 2009) 31 Abbildung 4: Das ABC-Modell im Fallbeispiel Jan (Schewe, 2011 modifiziert nach Schramm, 2009) 40 Abbildung 5: ABLLS-R-Fähigkeit A1 53 Abbildung 7: ABLLS-R Excel-Tabelle Kategorie E 72 Abbildung 8: Geschlechterverteilung 75 Abbildung 9: Alter der Kinder in Jahren beim Erstberatungstermin 76 Abbildung 10: Kategorie A 77 Abbildung 11: Kategorie B 78 Abbildung 12: Kategorie C 79 Abbildung 13: Kategorie D 80 Abbildung 14: Kategorie E 81 Abbildung 15: Kategorie F 82 Abbildung 16: Kategorie G 83 Abbildung 17: Kategorie H 84 Abbildung 18: Kategorie I 85 Abbildung 19: Kategorien A bis I 86 Abbildung 20: Kategorien A bis I einzeln 87 Abbildung 21: Prozentualer Fortschritt A bis I 87 Abbildung 22: Fähigkeiten und Fortschritt J bis Z 88 Abbildung 23: Anzahl eingestufter Kinder (Kategorien J bis Z) 89 Abbildung 24: Kategorien J bis Z 90 Abbildung 25: Prozentualer Fortschritt (A bis I)*Alter 92 Abbildung 26 : Streudiagramm Alter*Fortschritte A bis I 93 Abbildung 27: Einstufung des Korrelationskoeffizienten (Zöfel, 2003, S.151) 93 Abbildung 28: Korrelationstabelle Alter / Fortschritt 94 Abbildung 29: ABLLS-Datenblatt (Partington, 2006) 115 Abbildung 30: Alter in Monaten bei Beratungsbeginn 117 Abbildung 31: Deskriptive Statistik Fähigkeiten A1 bis Z1 117 Abbildung 32: Deskriptive Statistik Fähigkeiten A2 bis Z2 118 Abbildung 33: Deskriptive Statistik der prozentualen Fortschritte A bis Z 119 Abbildung 34: Korrelationen A*Alter 120 Abbildung 35: Korrelationen B*Alter 120 4 Abbildung 36: Korrelationen C*Alter 120 Abbildung 37: Korrelationen D*Alter 121 Abbildung 38: Korrelationen E*Alter 121 Abbildung 39: Korrelationen F*Alter 121 Abbildung 40: Korrelationen G*Alter 122 Abbildung 41: Korrelationen H*Alter 122 Abbildung 42: Korrelationen I*Alter 122 5 INHALTSVERZEICHNIS 1. Einleitung 1 2. Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) 3 2.1 Geschichte und Terminologie 3 2.2 Klassifikation nach ICD-10 und DSM-IV-TR 4 2.2.1 Frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom) 5 2.2.2 Atypischer Autismus 7 2.2.3 Nicht näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörung / Sonstige tiefgreifende Entwicklungsstörungen 7 2.2.4 Asperger-Syndrom 8 2.3 Ätiologie 8 2.4 Diagnostik 10 2.5 Prävalenz 13 3. Therapeutische Interventionen bei ASS 14 3.1 Evidenzbasierte Intervention 15 3.2 Allgemeine Interventionsrichtlinien 17 4. Applied Behavior Analysis (ABA) und Verbal Behavior (VB) 19 4.1 Der Begriff Verhaltenstherapie 19 4.2 Verhaltenstherapie für Kinder mit ASS 20 4.3 Definition Applied Behavior Analysis (ABA) und Verbal Behavior (VB) 23 4.3.1 Definition Applied Behavior Analysis (ABA) 23 4.3.2 Definition Verbal Behavior (VB) 25 4.4 Funktionale Verhaltensanalyse 4.4.1 Das ABC-Modell 4.4.1.1 Antecedent (A) 29 30 31 4.4.1.1.1 Stimulus Diskriminativus (SD) 32 4.4.1.1.2 Motivating Operation (MO) 32 4.4.1.1.3 Prompt 34 4.4.1.2 Consequence (C) 36 4.4.1.2.1 Verstärkung 36 4.4.1.2.2 Bestrafung und Löschung 37 4.4.2 Fallbeispiel I 4.5 Lernformate 38 40 4.5.1 Discrete Trial Teaching (DTT) 41 4.5.2 Intensiv Trial Teaching (ITT) 41 6 4.5.3 Natural Environment Teaching (NET) 42 4.5.4 On The Move Training (OMT) 42 4.6 Lernmethoden bei ABA/VB 43 4.6.1 Unterrichten von Mands 43 4.6.2 Shaping 44 4.6.3 Chaining 45 4.6.4 Pairing 45 4.6.5 Unterrichtskontrolle 46 4.6.6 Fehlerfreies Lernen 48 4.6.7 Unterrichtsabwechslung 48 4.6.8 Dokumentation 49 4.6.8.1 Assessment of Basic Learning and Language Skills (ABLLS) 50 4.6.8.2.ABLLS-R-Einstufung 50 4.6.9 Fallbeispiel II 54 5. Applied Behavior Analysis und Verbal Behavior (ABA/VB) in Deutschland 57 5.1 Ausbildung 58 5.2 Home-based-intervention 61 5.3 Finanzierung 61 5.4 ABA/VB-Anbieter in Deutschland 64 5.5 Das Institut Knospe-ABA 65 5.5.1 Mitarbeiter/innen 65 5.5.2 Ziel und Philosophie 66 5.5.3 Arbeitsweise 66 5.5.3.1 Kontaktaufnahme 66 5.5.3.2 Erstberatung 67 5.5.3.3 Folgeberatungen 68 6. Empirische Studie 69 6.1 Methodik, Datenauswahl- und Eingabe 70 6.2 Deskriptive Darstellung der Daten 73 6.2.1 Kategorie A: Verstärkereffektivität und Kooperation 77 6.2.2 Kategorie B: Visuelle Leistungsfähigkeit 78 6.2.3 Kategorie C: Rezeptive Fähigkeiten 79 6.2.4 Kategorie D: Motorische Imitationsfähigkeiten 80 6.2.5 Kategorie E: Sprachliche Imitationsfähigkeiten 81 7 6.2.6 Kategorie F: Bedürfnisäußerung 82 6.2.7 Kategorie G: Bennenungsfähigkeiten 83 6.2.8 Kategorie H: Intraverbale Fähigkeiten 84 6.2.9 Kategorie I: Fähigkeiten des spontanen Vokalisierens 85 6.2.10 Kategorien A bis I 86 6.2.11 Kategorien J bis Z 88 6.3 Korrelationsanalyse 90 6.4 Zusammenfassung der Ergebnisse 95 6.4.1 Kritik 97 6.4.2 Ausblick 99 7. Fazit und Ausblick 101 8. Literaturverzeichnis 103 8.1 Internetquellen 111 8.2 Seminarunterlagen 112 9. Anhang 113 9.1 ABLLS-R-Datenblatt 113 9.2 ABLLS-R-Dokumentationsblatt 116 9.3 Deskriptive Statistik: Alter in Monaten 117 9.4 Deskriptive Statistik: Fähigkeiten A1 bis Z1 117 9.5 Deskriptive Statistik: Fähigkeiten A2 bis Z2 118 9.6 Deskriptive Statistik Fortschritte A bis Z 119 9.7 Korrelationen Fortschritt*Alter 120 8 1. Einleitung Kinder mit einer tiefgreifenden Entwicklungsstörung aus dem autistischen Spektrum weisen in allen Entwicklungs- und Lebensbereichen unterschiedlich stark ausgeprägte Defizite auf. Besonders in der alltäglichen sozialen Kommunikation und Interaktion werden diese deutlich. Bislang gibt es keine Form der Intervention, die den Anspruch erheben kann, alle Symptome der Störung zu beseitigen. Die Ausprägung und der Schweregrad der Kernsymptomatik erfordern daher umfassende und individuell ausgerichtete Förderpläne, um den Betroffenen eine bestmögliche gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Der Förderansatz Applied Behavior Analysis (ABA) zusammen mit Verbal Behavior (VB) berücksichtigt die Tatsache, dass Kinder mit einer AutismusSpektrum-Störung (ASS) viele Verhaltensweisen nicht im Alltag nebenbei erlernen können, wie es bei neurotypisch entwickelten Kindern der Fall ist. Daher lernen Kinder mit ASS bei einer ABA/VB-Förderung mithilfe von Motivation und Verstärkung systematisch vielfältige, alltagsrelevante, insbesondere kommunikative Fähigkeiten und Verhaltensweisen, die ihre soziale Integration unterstützen. Im theoretischen Teil der vorliegenden Masterarbeit wird zunächst der Begriff der Autismus-Spektrum-Störung geklärt. Außerdem wird ein Überblick über die Klassifikation nach den Kategorien der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10 und DSM-IV-TR), die Geschichte, die Ätiologie, die Diagnostik und die Prävalenz des Autismus gegeben. Es folgt ein kurzer Überblick über gängige Interventionen bei ASS in Deutschland, bevor der Förderansatz Applied Behavior Analysis mit Verbal Behavior (ABA/VB) ausführlich dargestellt wird. Hierbei werden die (lern)theoretischen Hintergründe, die Anwendungsgebiete und die darauf basierende Methodik erläutert. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird die Situation von ABA/VB-Interventionen in Deutschland beschrieben und es wird die Arbeitsweise des Instituts Knospe-ABA vorgestellt, dem derzeit deutschlandweit größten Institut, das eine Förderung nach dem ABA/VB-Ansatz für Kinder mit ASS anbietet. 1 Der nachfolgende empirische Teil der Arbeit stellt anhand von Daten des Instituts Knospe-ABA den Verlauf einer ABA/VB-Intervention bei 170 Kindern mit ASS im ersten Jahr der Förderung deskriptiv dar. Anschließend wird eine Zusammenfassung der im theoretischen und empirischen Teil der Arbeit gewonnenen Ergebnisse gegeben und die mögliche Entwicklung von ABA/VB in Deutschland diskutiert. Die Ausarbeitungen des theoretischen Teils der Arbeit basieren auf wissenschaftlichen Standardwerken sowie aktuellen Publikationen und werden mithilfe eines Fallbeispiels aus meiner persönlichen Erfahrung anschaulich unterlegt. Grundlage für die Themenwahl dieser Masterarbeit bietet meine mittlerweile fast vierjährige Tätigkeit als Tutorin für Kinder mit ASS. Außerdem arbeitete ich in Südafrika 2005 ein Jahr lang intensiv mit fünf Kindern mit ASS nach dem klassischen ABA-Ansatz. Seit nunmehr fast drei Jahren arbeite ich, angeleitet und supervisiert durch das Institut Knospe-ABA, als Tutorin neben dem Studium mit Kindern nach dem ABA/VB-Ansatz. Durch meine Arbeit in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis und durch den Besuch von wissenschaftlichen Tagungen, Kongressen und Workshops zum Thema Autismus erhielt ich zudem die Möglichkeit, mein Wissen über Kinder mit ASS und über verschiedene Förderansätze zu vertiefen. 2 2. Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) werden zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen (TE) gezählt. Diese sind primär durch zwei Merkmale gekennzeichnet: x ÄGXUFK TXDOLWDWLYH %HHLQWUlFKWLJXQJHQ LQ GHU JHJHQVHLWLJHQ Kommunikation und Interaktion und x durch ein eingeschränktes, stereotypes, sich wiederholendes Repertoire YRQ ,QWHUHVVHQ XQG $NWLYLWlWHQ³ (Remschmidt & Kamp-Becker, 2008, S.135). Im folgenden Kapitel wird die Terminologie, die Geschichte, die Klassifikation nach ICD-10 und DSM IV-TR und die Diagnostik erläutert. 2.1 Geschichte und Terminologie 'DV:RUW$XWLVPXVOHLWHWVLFKYRQGHQJULHFKLVFKHQ:|UWHUQÄDXWRV³VHOEVWXQG ÄLVPRV³=XVWDQG2ULHQWLHUXQJab und bezeichnet ein auf sich selbst bezogenes Handeln und Denken (Bleuler, 1911). Der Begriff Autismus wurde 1911 von dem Schweizer Psychiater Bleuler eingeführt. Er bezeichnete damit eines der Grundsymptome bei Schizophrenien (Bleuler, 1911). Asperger, ein österreichischer Kinderarzt, hielt 1938 in Anlehnung an Bleuler einen Vortrag mit GHP 7LWHO Ä'DV SV\FKLVFK DEQRUPDOH .LQG³ $QKDQG HLQHV )DOOEHLVSLHOHV VNL]]LHUWHHUGLH&KDUDNWHULVWLNDÄDXWLVWLVFKHU3V\FKRSDWKHQ³$VSHUJHU,Q seiner Habilitationsschrift führte Asperger 1944 diese Theorie weiter aus. Hier erwähnte er erstmalig die Symptomatik dessen, was heute als AspergerSyndrom bezeichnet wird (Asperger, 1944). Der austro-amerikanische Kinderund Jugendpsychiater Kanner schilderte im Jahr 1943, unabhängig von Aspergers Ergebnissen, ein Phänomen bei Kindern, daVHUÄ$XWLVWLF'LVWXUEDQFH 2I $IIHFWLYH &RQWDFW³ QDQQWH .DQQHU .DQQHU EHQXW]WH LQ VHLQHQ folgenden 6FKULIWHQ HUVWPDOV GHQ %HJULII ÄIUKNLQGOLFKHU $XWLVPXV³ (DUO\ Childhood Autism); GDKHU ZLUG GLHVHU KHXWHRIWPDOV DXFKDOVÄ.DQQHU-6\QGURP³ bezeichnet. Die sich auf Kanner und Asperger beziehende und weiter forschende Wissenschaft fand seit 1943 eine fast unübersehbare Fülle diagnostischer Merkmale. Sie schuf etliche neue Syndrombezeichnungen für Entwicklungsstörungen, die sich durch qualitative Einschränkungen im Bereich der sozialen Interaktion, der Kommunikation und der Sprache sowie durch stereotypes und repetitives Verhalten auszeichnen. In der Literatur lassen sich zahlreiche unterschiedliche Termini finden, wenn über Kinder mit autistischem 3 Verhalten referiert wird. Da das Erscheinungsbild von Autismus ein vielfältiges Kontinuum von unterschiedlichen Symptomen und Symptomausprägungen beinhaltet, wird als Oberbegriff, der alle autistischen Ausprägungen zusammenfasst, vermehrt der Begriff Autismus-Spektrum-Störung (ASS)1 verwendet. Nach Bölte bezeichnet ASS ein Ä.RQWLQXXP « YRQ TXDOLWDWLY ähnlichen, nicht kategorLDO DEJUHQ]EDUHQ (QWLWlWHQ³ %|lte, 2009e, S. 34). und subsumiert somit angemessen alle Erscheinungsformen von Autismus. 2.2 Klassifikation nach ICD-10 und DSM-IV-TR Zur Operationalisierung von psychischen Störungen werden in der wissenschaftlichen und klinischen Praxis die zehnte Ausgabe der International Classification of Diseases (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie die vierte textrevidierte Ausgabe des Diagnostic And Statistic Manual Of Mental Disorders (DSM-IV-TR) der American Psychiatric Association verwendet (Zimbardo & Gerrig, 2004). Im Gegensatz zu der zunehmend inoffiziellen Nutzung des Begriffes ASS in Klinik und Forschung, wird dieser Begriff in der ICD-10 und im DSM-IV-TR nicht verwendet. Bölte geht jedoch GDYRQ DXV GDVV GHU %HJULII ÄLQ =XNXQIW höchstwahrscheinlich auch formal eingeführt wHUGHQZLUG³%|lte, 2009e, S. 37). Sowohl die ICD-10 als auch das DSM-IV-TR werden zurzeit überarbeitet und es ist anzunehmen, dass der Begriff ASS in der ICD-11 und im DSM-V-TR zu finden sein wird (Röttgers, 2011). In der ICD-10 und im DSM-IV-TR stimmen die diagnostischen Kriterien für ASS JXWEHUHLQLQEHLGHQ.ODVVLILNDWLRQVV\VWHPHQZLUGGHU2EHUEHJULIIÄWLHIJUHLIHQGH (QWZLFNOXQJVVW|UXQJ 7(³ IU $66 YHUZHQGHW $66 XPIDVVW LP HQJHUHQ 6LQQH jedoch nur eine Untergruppe der TE. Zu den ASS zählen: der frühkindliche Autismus (ICD-10-Klassifikation: F84.0), das Asperger-Syndrom (F84.5), der atypische Autismus (F84.1), die nicht näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörung (F84.9) und sonstige tiefgreifende Entwicklungsstörungen (F84.8). Bei anderen tiefgreifenden Entwicklungsstörungen wie dem RettSyndrom (F84.3), der anderen desintegrativen Störung des Kindesalters (F84.3) und der überaktiven Störung mit Intelligenzminderung und Bewegungsstereotypien (F84.4) werden von ASS abweichende Ursachen vermutet, obgleich die Symptomatik schweren Formen von Autismus ähnelt. 1 Im Englischen wird der Begriff Autism Spectrum Disorder (ASD) verwendet. 4 Im Folgenden sollen die tiefgreifenden Entwicklungsstörungen, die zur Subgruppe der ASS gezählt werden, erläutert und ihre individuelle Symptomatik hervorgehoben werden. 2.2.1 Frühkindlicher Autismus (Kanner-Syndrom) Kanner unterteilte 1943 die Verhaltensweisen von Kindern mit frühkindlichem Autismus in zwei Kardinalsymptome: x ÄH[WUHPH$ENDSVHOXQJYRQGHUVR]LDOHQ8PZHOWNHLQHDIIHNWLYH5HDNWLRQ auf die soziale Umwelt, Isolierung von der Umwelt [und] x ängstlich-zwanghaftes Bedürfnis nach Beibehaltung und Gleichhaltung der Umwelt³5HPVFKPLGWS. 16). Die extreme Abkapselung spiegelt sich nach Remschmidt in der Abwesenheit von kooperativem Spiel, empathischen Fähigkeiten, Blickkontakt und dem Fehlen von freundschaftlichen Bindungen zu anderen Kindern wider. Zudem fehlt häufig die normale kindliche Kontaktaufnahme mittels Antwortlächeln und Antizipationsgesten. Sobald es zu einer Veränderung in der unmittelbaren Umgebung kommt, wird das ängstlich-zwanghafte Festhalten am Gewohnten deutlich. Daraus können bei Menschen mit frühkindlichem Autismus leicht Angstund Panikzustände resultieren (Remschmidt, 2008). Aus diesen beiden Kardinalsymptomen ergeben sich zahlreiche Sekundärsymptome. So sind häufig unterschiedlich schwere Störungen der Sprachentwicklung zu erkennen. Die 6W|UXQJ UHLFKW ÄYRQ Mutismus (völligem Fehlen der aktiven Sprache und des Sprachverständnisses) bis zu einer gut entwickelten, aber in mancher Hinsicht DEQRUPHQ6SUDFKH³%Xndschuh, 2005, S. 305). Remschmidt zufolge gehören zu GHQ 6SUDFKDXIIlOOLJNHLWHQ EHL 0HQVFKHQ PLW IUKNLQGOLFKHP $XWLVPXV ÄGLH verzögerte Sprachentwicklung, die etwa bei der Hälfte der Kinder zu finden ist, sowie eine Neigung zu Wortneubildungen und zu Echolalien (echoartiges 1DFKVSUHFKHQ YRQ :RUWHQ XQG /DXWHQ³ 5HPVFKPLGW S.18). Weitere P|JOLFKH 6HNXQGlUV\PSWRPH VLQG ÄXQWHUGXUFKVFKQLWWOLFKH ,QWHOOLJHQ] DOV )ROJH GHV HLQJHVFKUlQNWHQ 8PZHOWNRQWDNWHV³ %XQGVFKXK S.306), sowie Probleme wie Phobien, Schlaf- und Essstörungen, Wutausbrüche, (Auto-) Aggressivität und fehlende Angst vor realen Gefahren. Frühkindlicher Autismus wird als tiefgreifende Entwicklungsstörung bezeichnet ÄGLH GXUFK HLQH DEQRUPH oder beeinträchtigte Entwicklung definiert ist und sich vor dem dritten Lebensjahr manifestiert³ :+2 S. 282). Zudem ist sie durch eine gestörte 5 Funktionsfähigkeit in drei Bereichen charakterisiert. Die Beeinträchtigung in diesen drei Bereichen besteht bei allen Kindern mit frühkindlichem Autismus, kann jedoch in ihrem Ausprägungsgrad stark variieren. Für die Diagnose des frühkindlichen Autismus müssen nach ICD-10 mindestens sechs Symptome aus den folgenden drei Bereichen vorliegen. Die Bereiche sind: 1. Qualitative Auffälligkeiten der gegenseitigen sozialen Interaktion (mindestens zwei Symptome) Die Auffälligkeiten zeigen sich durch eine mangelhafte oder nicht vorhandene Anteilnahme an anderen Personen. Es scheint, als würden Kinder mit frühkindlichem Autismus in ihrer eigenen Welt leben. Sie zeigen eine ÄXQDQJHPHVVHQH (LQVFKlW]XQJ VR]LDOHU XQG HPRWLRQDOHU 6LJQDOH KlXILJ inadäquate Verhaltensanpassungen im sozialen Kontext (...) und einen geringen *HEUDXFK VR]LDOHU XQG HPRWLRQDOHU 6LJQDOH³ (Remschmidt, 2008, S. 28). Außerdem wird die qualitative Beeinträchtigung wechselseitiger sozialer Interaktionen aufgrund fehlender oder unpassender sozialer, emotionaler und kommunikativer Verhaltensweisen deutlich. 2. Qualitative Auffälligkeiten der Kommunikation (und Sprache) (mindestens ein Symptom) Diese treten sowohl in der verbalen als auch in der nonverbalen Kommunikation auf. Bei der nonverbalen Kommunikation sind Gestik, Mimik und der Blickkontakt stark beeinträchtigt. Außerdem werden mimische und stimmliche Informationen nicht immer verstanden und es ist häufig eine unangemessene Sprachanwendung zu beobachten (Bundschuh, 2005). 3. Begrenzte, repetitive und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten (mindestens ein Symptom) Das Verhaltensrepertoire von Menschen mit frühkindlichem Autismus zeichnet sich durch einen hohen Anteil motorischer Stereotypien sowie der monotonen Beschäftigung mit Gegenständen aus. Es wird vermutet, dass diese Stereotypien dazu dienen, ein überhöhtes oder zu geringes zentrales Erregungsniveau zu verändern, welches durch Frustration, Belastung oder zu hohe bzw. zu geringe Stimulation hervorgerufen werden kann (Bundschuh, 2005). 6 Ergänzend zu den oben genannten Symptomen muss sich für die Diagnose Äfrühkindlicher Autismus³ bereits vor dem dritten Lebensjahr eine auffällige und beeinträchtigte Entwicklung manifestieren. Zudem sollte das klinische Erscheinungsbild keiner anderen tiefgreifenden Entwicklungsstörung oder einer anderen psychischen Störung zugeordnet werden können (Bölte, 2009). =XU3UlYDOHQ]GHVIUKNLQGOLFKHQ$XWLVPXVLVW]XVDJHQGDVVGLHVHUÄbei Jungen drei- bis viermDOKlXILJHU«DOVEHL0lGFKHQ³ (WHO, 2008, S. 282) auftritt. 2.2.2 Atypischer Autismus Beim atypischen Autismus handelt es sich um eine Störung, die sich entweder erst nach Vollendung des dritten Lebensjahres manifestiert oder bei der die diagnostischen Kriterien nicht in allen drei erwähnten Bereichen erfüllt werden. Nach ICD-10 werden demnach zwei Varianten des atypischen Autismus unterschieden: Autismus mit atypischem Erkrankungsalter und Autismus mit atypischer Symptologie. Bei Autismus mit atypischem Erkrankungsalter sind alle diagnostischen Kriterien für den frühkindlichen Autismus inhaltlich erfüllt, jedoch manifestieren sich diese erst nach dem dritten Lebensjahr. Von Autismus mit atypischer Symptologie spricht man, wenn typische Auffälligkeiten des frühkindlichen Autismus vorliegen, sie allerdings nicht dem ganzen Bild dieser Störung entsprechen. Diese Variante geht häufig auch mit einer deutlichen Intelligenzminderung einher (Remschmidt, 2008). 2.2.3 Nicht näher bezeichnete tiefgreifende Entwicklungsstörung / Sonstige tiefgreifende Entwicklungsstörung Diese Diagnosen sind der des atypischen Autismus ähnlich, werden jedoch nur YDJH GHILQLHUW 0HLVW ZHUGHQ VLH JHVWHOOW ÄZHQQ TXDOLWDWLYH $XIIlOOLJNHLWHQ GHU sozialen Interaktion vorliegen sowie die Kriterien für einen der beiden anderen Störungsbereiche erfOOW ZHUGHQ³ %|lte, 2009, S. 37). Diese Störungen sind durch eine zunächst unauffällige altersentsprechende Entwicklung gekennzeichnet. In einem Alter von mindestens zwei Jahren kommt es dann innerhalb weniger Monate zum Verlust von Fähigkeiten aus verschiedenen Bereichen der Entwicklung sowie zu Auffälligkeiten im Bereich der Sozial-, Kommunikations- und Verhaltensfunktionen. Darauf folgt entweder der ständig fortschreitende Verlust von Fähigkeiten oder der weitere Erwerb von Fähigkeiten stagniert. In den meisten Fällen bleibt eine schwere Intelligenzminderung bestehen. 7 Da es auch beim frühkindlichen Autismus bisweilen nach einer zunächst normal verlaufenden Entwicklung zu einem Verlust von Fähigkeiten kommen kann, sind diese beiden Störungen nicht immer klar voneinander abzugrenzen (Remschmidt, 2008). 2.2.4 Asperger-Syndrom Das Asperger-Syndrom ist grundsätzlich durch die gleichen Merkmale wie der frühkindliche Autismus gekennzeichnet: Beeinträchtigungen der Kommunikation und sozialen Interaktion sowie eingeschränktes, stereotypes Verhalten. Jedoch sind die Betroffenen nicht in ihrer allgemeinen Entwicklung verzögert. Auch die sprachliche sowie die kognitive Entwicklung verlaufen dem Alter entsprechend. Allerdings sind die Betroffenen üblicherweise motorisch auffällig ungeschickt. In erster Linie sind Jungen betroffen; das Mehrheitsverhältnis von Jungen zu Mädchen ist mit acht zu eins noch deutlicher ausgeprägt als beim frühkindlichen Autismus (Remschmidt, 2008). 2.3 Ätiologie Bei keinem anderen Störungsbild in der kindlichen Entwicklung gab und gibt es so vielfältige Erklärungsansätze wie bei Autismus. In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts publizierte Bettelheim die 7KHRULHGHUÄ.KOVFKUDQN-0WWHU³ in der er davon ausging, dass Kinder mit Autismus von ihren Müttern zu wenig emotionale Zuwendung erhielten und sich deshalb sozial zurückzögen (Bettelheim, 1967). Auch Zusammenhänge zwischen der Mumps-Masern-RötelnImpfung und Autismus wurden vermutet, konnten jedoch bald widerlegt werden (Bölte, 2009c). Nach heutigem Stand ist AXWLVPXVHLQHÄNRJQLWLYH6W|UXQJ«GLHVLFKDXIDOOH $VSHNWH GHU VR]LDOHQ (QWZLFNOXQJ HLQHV .LQGHV DXVZLUNW³ $DURQV *LWWHQV 2005, S. 9). Die Ursachen der ASS konnten bis zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht endgültig geklärt werden. In den letzten Jahren wurde die Erforschung der Ursachen jedoch sehr verstärkt XQG HV NRQQWHQ ÄLQVEHVRQGHUH LP %HUHLFK GHU Genetik, der Entwicklungs- XQG GHU 1HXURSV\FKRORJLH QHXH (UNHQQWQLVVH «³ gewonnen werden (Freitag, 2008, S. 24). Die bislang vorliegenden Ergebnisse GHXWHQ DXI GLH %HWHLOLJXQJ IROJHQGHU )DNWRUHQ KLQ ÄJHQHWLVFKH )DNWRUHQ assoziierte körperliche Erkrankungen, Hirnschädigungen bzw. Hirnfunktionsstörungen, biochemische Anomalien, neuropsychologische Defizite VRZLH GLH :HFKVHOZLUNXQJ GLHVHU )DNWRUHQ³ 5HPVFKPLGW .DPS-Becker, 2008,S. 136). 8 Die ASS kann demnach nicht über ein einziges Ursachen-Modell erklärt werden. Die möglichen Faktoren der ASS zu diskutieren, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Daher sollen nur kurz die oben aufgeführten und zurzeit am stärksten diskutierten Faktoren beschrieben werden. Die wichtigste Ursache wird aktuell in der genetischen Belastung gesehen. Zwillings- und Familienstudien sowie zytogenetische und molekulargenetische Untersuchungen haben ergeben, dass bei den meisten ASS eine Erblichkeit von über neunzig Prozent vorliegt. Den Studien zufolge müssten bis zu zwanzig verschiedene Gene Ursachenträger für Autismus sein. Jedoch ist der Erbgang an sich weiterhin ungeklärt (Remschmidt, 2008; Remschmidt & Kamp-Becker, 2008). Weiter wird angenommen, dass bei Menschen mit ASS funktionelle und strukturelle Störungen des zentralen Nervensystems vorliegen, die aus genetischen und anderen organischen Prozessen resultieren. So zeigHQÄ-60% GHU .LQGHU PLW IUKNLQGOLFKHP $XWLVPXV LP 6FKXODOWHU QHXURORJLVFKH %HIXQGH³ (Remschmidt, 2008,S. 29). Zudem leiden etwa fünfzehn bis dreißig Prozent der Menschen mit ASS an Epilepsie. Zahlreiche Befunde aus biochemischen Untersuchungen weisen auf Anomalien von Stoffwechselprozessen bei Menschen mit ASS hin. Zudem gibt es einige Anhaltspunkte, die auf eine Veränderung von Hormonen und Neurotransmittern als Ursache von Autismus hinweisen. Jedoch sind diese Befunde sehr uneinheitlich und bislang noch nicht wissenschaftlich bestätigt. Eine genaue Diagnose und die Erklärung der Ursachen einer Entwicklungsstörung sind notwendige Voraussetzungen, um Kinder mit ASS angemessen und erfolgsversprechend fördern zu können (Remschmidt, 2008; Aarons & Gittens, 2008). 9 2.4 Diagnostik Die Diagnose ASS beruht aufgrund der bislang ungeklärten Ätiologie immer auf einer Beschreibung des Verhaltens und bedeutet, dass die entsprechenden diagnostischen Kriterien nach ICD-10 / DSM-IV-TR für ASS formal erfüllt sind. 'LH'LDJQRVWLNLVWPHLVWHLQÄXPIDQJUHLFKHVPXOWLSURIHVVLRQHOOHV*HVFKHKHQ³und benötigt viel Zeit und in der Regel mehrere Termine (Bölte, 2009d, S. 157). Sie XPIDVVW ÄSV\FKRGLDJQRVWLVFKH N|USHUOLFKH QHXURORJLVFKH XQG JHQHWLVFKH Untersuchungen mit anschließender Integration und Verdichtung der erhobenen Personendaten in Gestalt multiaxialer Klassifikationen nach ICD-³ %|lte, 2009d, S. 157). Die große Häufigkeit komorbider Störungen2, besonders bei Kindern mit frühkindlichem Autismus auf den Achsen I-IV, unterstreicht die Notwendigkeit einer ausführlichen und umfassenden Diagnostik. Komorbide Störungen aus dem Bereich der Psychiatrie werden auf Achse I, Entwicklungsstörungen auf Achse II und III und Störungen aus den Bereichen der Neurologie und Genetik auf Achse IV angezeigt. Auf Achse V werden die besonderen Belastungen im psychosozialen Umfeld und auf Achse VI die Gesamtbeeinträchtigung kodiert (Amorosa, 2010a). Mindestanforderung ist eine detaillierte mündliche und schriftliche Eltern- und Bezugspersonenbefragung sowie eine strukturierte klinische Verhaltensbeobachtung des Kindes, des Jugendlichen oder des Erwachsenen (Bölte, 2009d). Es stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, mit deren Hilfe eine Diagnostik erfolgen kann. Diese sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst. Die am besten evaluierten und in Deutschland am häufigsten verwendeten sind fett hervorgehoben 2 Freitag zählt genetische Syndrome, epileptische Erkrankungen, Depressionen, Angst-, und Zwangsstörungen zu den wichtigsten und häufigsten komorbiden Erkrankungen bei ASS (Freitag, 2008). 10 Fragebögen (schriftliche Befragung) Allgemeine x Fragebogen zur Sozialen Kommunikation (FSK) Fragebögen x Fremdbeurteilungsfragebogen für tiefgreifende Entwicklungsstörungen (FBB-TES) x Autismus-Fragebogen (AF) x Fragebogen zur Entwicklung von Verhaltensweisen (WSQ) Dimensionale x Skala zur Erfassung sozialer Reaktivität (SRS) Fragebögen x Checkliste für soziale und kommunikative Störungen (SCDC) Fragebögen zur Selbstbeurteilung Fragebogen zur Sprache und x Autismus-Spektrum-Quotient (AQ) x Empathie-Quotient (EQ) x Einschätzungsbogen kindlicher Kommunikationsfähigkeiten (CCC) Kommunikation Skalen Beobachtungsskalen x Diagnostische Beobachtungsskala für Autistische Störungen (ADOS) x Autismus-Beurteilungsskala (CARS) x Diagnose-Checkliste für tiefgreifende Entwicklungsstörungen (DCL-TES) x Erfassung von ASS bei Minderbegabten (SEAS-M) Förderdiagnostische x Entwicklungs- und Verhaltensprofil für Kinder (PEP-R) Beobachtungsskalen x Entwicklungs- und Verhaltensprofil für Jugendliche und Erwachsene (AAPEP) Skalen zu Erfassung x $XVWUDOLDQ6FDOHIRU$VSHUJHU¶V6\QGURP$6$6 des x Marburger Beurteilungsskala für das Asperger-Syndrom Asperger- Syndroms (MBAS) x Asperger-Syndrom-Diagnostik-Interview (ASDI) x Adult Asperger Assessment (AAA) Interview (mündliche Befragung) x Diagnostisches Interview für Autismus revidiert (ADI-R) Abbildung 1: Diagnostikinstrumente (Bölte, 2009e, S. 158) 11 Zwar kann anhand der oben genannten Fragebögen, Interviews und Skalen die Diagnose ASS formal gestellt werden, jedoch sollte DXFK DQGHUHQ Ä9HUKDOWHQVund Erlebensdeterminanten genügend Aufmerksamkeit geschenkt wHUGHQ³ (Bölte, 2009f, S. 187); da diese für einen möglichen Therapieverlauf von Bedeutung sein können. Eltern bemerken meist bereits in den ersten beiden Lebensjahren die Auffälligkeiten ihrer Kinder. Auch die Symptomkonstellation zwischen dem 18. und 24. Lebensmonat ist meist recht typisch. Trotzdem wird die Diagnose in der klinischen Praxis aufgrund der schwierigen und langwierigen Diagnostik aber auch aufgrund der Unkenntnis vieler Ärztinnen, Ärzte und Psycholog/innen oft sehr spät gestellt (Kamp-Becker u. a., 2010). Die Diagnose des frühkindlichen Autismus wird meist erst ungefähr im sechsten und die Diagnose des AspergerSyndroms erst ungefähr im neunten Lebensjahr gestellt (Amorosa, 2010b). 12 2.5 Prävalenz Die Prävalenz für frühkindlichen Autismus liegt zurzeit bei 5 / 10.000 und die Prävelenz für das Asperger-Syndrom bei 20 -100 / 10.000 (Bölte, 2009b; Röttgers, 2011). Angaben über das Vorliegen einer ASS sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Dies wird von zahlreichen wissenschaftlichen Forschungsstudien belegt (Bölte, 2009b; Remschmidt & Kamp-Becker, 2008; Amorosa, 2010). Jedoch ist die Zunahme nach den verschiedenen epidemiologischen Studien sehr unterschiedlich. Bölte geht davon aus, GDVVÄGLH Entwicklung der Prävalenzraten in erster Linie auf einer expliziten und impliziten Erweiterung des diagnostischen KonzeptV EHUXKW³ (Bölte, 2009b, S. 72). Amorosa geht ebenfalls davon ausÄGDVVHVVLFKEHLGHU=XQDKme nicht um eine tatsächliche Veränderung der Prävalenz, sondern um eine veränderte 'LDJQRVHVWHOOXQJKDQGHOW³(Amorosa, 2010b, S. 34). Ihrer Meinung nach könnten die Gründe hierfür die Veränderung in Richtung einer breiteren Definition von ASS, eine bessere Fallfindung, ein jüngeres Alter bei der Diagnosestellung, vor allem aber der höhere Bekanntheitsgrad sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch in Fachkreisen sein. Mit der aktuell recht hohen Prävalenz handelt es sich GHPQDFK EHL $66 QLFKW PHKU ÄQXU³ XP HLQH VHOWHQH 6\PSWRPDWLN3 . Dies kann Amorosa zufolge sowohl für die wissenschaftliche Forschung als auch für die Ä%HKDQGOXQJ)|UGHUXQJXQG%HVFKXOXQJYRQJURHU%HGHXWXQJVHLQ³Amorosa, 2010b). 3 Von den fünfziger bis in die neunziger Jahre wurde die Prävalenz mit lediglich 0,41/10.000 angegeben (Bölte, 2009b). 13 3. Therapeutische Interventionen bei ASS Seit den ersten Beschreibungen von Asperger und Kanner gibt es Bemühungen, Menschen mit ASS zu fördern. In Deutschland werden insbesondere Kindern vielfältige Formen therapeutischer Intervention angeboten. Bislang gibt es allerdings keine Förderung, die die Kernsymptomatik vollständig beheben kann (Bölte, 2009c; Amorosa, 2010a). Jedoch können mit den geeigneten Maßnahmen und gezielter therapeutiscKHU 8QWHUVWW]XQJ Ä9HUEHVVHUXQJHQ GHU kognitiven und sozial-DGDSWLYHQ (QWZLFNOXQJ³ Baude & Noterdaeme, 2010a, S. XQG ÄHUKHEOLFKH TXDQWLWDWLYH 9HUEHVVHUXQJHQ GHU /HEHQVTXDOLWlW XQG GHV psychosozialen Funktionsniveaus erzieOW ZHUGHQ³ %|OWH c, S. 225). FörderDQVlW]H GLH ÄVFKQHOOH PDVVLYH 9HUlQGHUXQJHQ YHUVSUHFKHQ N|QQHQ ELVODQJ DXVQDKPVORV DOV DEZHJLJ EHXUWHLOW ZHUGHQ³ %|OWH c, S. 225). Therapeutische Interventionen sind immer prozesshaft und langwierig. Kinder mit ASS unterscheiden sich massiv hinsichtlich des Schweregrades und der Ausprägung der Symptomatik. Aus diesem Grund profitiert nicht jede Person von derselben Intervention4 (Freitag, 2008b). In der Praxis innerhalb Deutschlands ist zu beobachten, dass Förderungen eher nach Praktikabilität und örtlichem Angebot durchgeführt werden, als innerhalb eines geplanten und wissenschaftlich fundierten Gesamt-Förderplans: ÄThis means typically two hours per week non-specific, eclectic intervention is the maximum offered to families of childrHQ GLDJQRVHG ZLWK $6'³ (Keenan, Dillenburger, Moderato, & Röttgers, 2010, S. 133). Die Orientierung innerhalb der verschiedenen therapeutischen Ansätze ist schwierig und es schien bis vor kurzem, als wäre die Auffassung einer geeigneten Autismus-Therapie dem Wandel der Zeit unterworfen5 (Baude & Noterdaeme, 2010a,b; Remschmidt, 2008; Weiß, 2002). Die zahlreichen Interventionsmöglichkeiten bei ASS werden je nach Autor/in nach wie vor unterschiedlich klassifiziert und bewertet Wenn verschiedene Fördermöglichkeiten diskutiert werden, lässt sich jedoch immer häufiger in der neusten Fachliteratur der Begriff Äevidenzbasierte Intervention³ (EBI) finden (Bölte, 2009c; Freitag, 2008a; Baude & Noterdaeme, 2010a; Poustka, 2009; Steinhausen, 2010). 4 Im weiteren Verlauf der Arbeit wird nur auf die Förderung von Kindern eingegangen. Förderprogramme für Jugendliche und Erwachsene werden nicht thematisiert. 5 Mehr zur aktuellen Diskussion in Deutschland in Kapitel 5. 14 3.1 Evidenzbasierte Intervention Evidenz wird im wissenschaftlichen Kontext durch objektive und quantitative (PSLULH HUUHLFKW 8QWHU HYLGHQ]EDVLHUWHQ ,QWHUYHQWLRQHQ ZHUGHQ GHPQDFK Äalle Maßnahmen zusammengefasst, für welche ausreichende datengestützte Hinweise der Wirksamkeit vorOLHJHQ³ %|OWH c, S. 221). Bölte geht davon DXV GDVV HYLGHQ]EDVLHUWH ,QWHUYHQWLRQHQ GLH ÄEHVWP|JOLFKH 6WUDWHJLH GHU allgemeinen Absicherung und Rechtfertigung von Maßnahmen in der *HVXQGKHLWVYHUVRUJXQJXQGVR]LDOHQ,QWHJUDWLRQ³sind (Bölte, 2009c, S. 226). Es existieren vier Evidenzstufen6 ZREHL GLHVH GDV Ä0D GHU ZLVVHQVFKDIWOLFKHQ *UXQGODJH HLQHU VSH]LILVFKHQ 7KHUDSLH³ )UHLWDJ a, S. 83) benennen. Das am häufigsten verwendete System zur Gradierung von Evidenz ist das der Canadian Task Force of the Periodic Health Examination (Bölte, 2009c), das sechs Evidenzgrade von Ia (höchste Evidenz) bis IV (niedrigste Evidenz) definiert. Freitag fasst die vier Stufen wie folgt zusammen: Ä6WXIH, Es gibt ausreichend Nachweise für die Wirksamkeit aus systematischen Überblicksarbeiten (Meta-Analysen) über zahlreiche randomisiert- kontrollierte Studien; Stufe II Es gibt Nachweise für die Wirksamkeit aus zumindest einer randomisierten, kontrollierten Studie; Stufe III Es gibt Nachweise für die Wirksamkeit aus methodisch gut konzipierten Studien ohne randomisierte Gruppenzuweisung; Stufe IVa Es gibt Nachweise für die Wirksamkeit aus klinischen Berichten und Fallbeschreibungen; Stufe IVb Meinung respektierter Experten, basierend auf klinischen (UIDKUXQJVZHUWHQ E]Z %HULFKWHQ YRQ ([SHUWHQNRPPLWHHV³ )UHLWDJ 2008a, S. 83-84). Die aktuellste Einteilung der Therapieverfahren hinsichtlich ihrer empirisch ermittelten Effektivität präsentierte Noterdaeme am 9.April.2011 während der 6 Der Begriff Evidenzstufen und Evidenzgrade wird synonym verwendet. 15 Ä3lGLDWULHWDJ 2011³ in Bamberg in einem 9RUWUDJ PLW GHP 7LWHO Ä$XWLVPXVSpektrum-Störungen ± ein ÜberEOLFN ]XP DNWXHOOHQ )RUVFKXQJVVWDQG³ ,Q GHU zum Vortrag ausgehändigten Zusammenfassung veröffentlicht sie folgende Übersicht zu Therapieverfahren bei ASS (Noterdaeme, 2011): Empirisch gut abgesicherte verhaltenstherapeutische und anerkannt Verfahren und wirksame Therapieprogramme, auch im Rahmen von Verfahren (Evidenzgrad II) Frühförderprogrammen, psychoedukative Programme wie TEACCH7, Medikation der Begleitsymptome, mäßig Training der sozialen Kompetenz, auch anhand Empirisch abgesicherte Verfahren, aber von Theory-of-Mind-Trainings, Social Stories, wirksam gruppentherapeutische Angebote, potenziell (Evidenzgrad III ± IV) nicht Ergotherapie, Empirisch abgesicherte, aber potenziell Reittherapie, wirksame Verfahren Logopädie, vor allem, Behandlungseinheiten Physiotherapie, wenn in die lerntheoretische Elemente eingebaut werden, Zweifelhafte Methoden ohne Festhaltetherapie, Diäten, empirische Absicherung und Mineralstofftherapien, ohne Vitamin- Sekretin, und auditives wissenschaftlich Integrationstraining, Irlen-Therapie fundierten Hintergrund Abbildung 2: Evidenzgrade (Noterdaeme, 2011) Ähnliche Einteilungen lassen sich bei zahlreichen weiteren Autor/innen finden (Bölte, 2009c; Poustka, 2008), wobei es insbesondere bei der Nennung der empirisch nicht abgesicherten Verfahren Unterschiede gibt. Dies lässt sich auf die große Fülle an möglichen therapeutischen Interventionen bei ASS zurückführen. Bölte differenziert bei den empirisch gut abgesicherten und anerkannt wirksamen Verfahren noch präziser. Seiner Aussage nach erreichen lediglich drei Konzepte zur Therapie von Menschen mit ASS Evidenzgradierungen im Bereich von IIa: Applied Behavior Analysis (ABA), TEACCH und PECS (Bölte, 2009c). Ospina und Andere veröffentlichten 2008 eine klinisch-systematische Übersicht aller Wirksamkeitsstudien zu gängigen Therapieverfahren bei ASS. Die 7 Treatment and Education of Autistic and related Communication handicapped Children 16 Metaanalyse ergab eine klare Evidenz (IIa) für verhaltenstherapeutische Verfahren sowie eine mäßige Evidenz (IV) für TEACCH, PECS und für eine Medikation der komorbiden Symptomatik (Ospina u. a., 2008). Seida u. a. veröffentlichten 2009, anknüpfend an die Übersicht von Ospina u. a. eine Zusammenschau der Arbeiten und konnten die Ergebnisse bestätigen (Seida u. a., 2009). Die erste deutsche Studie zu Therapieverfahren bei ASS wurde 2009 am Institut Health Technology Assessment (HTA), das ein Teil des Institute for Medical Documentation and Information (DIMDI) darstellt unter der Schirmherrschaft des Bundesministeriums für Gesundheit veröffentlicht. Auch diese Studie stellte fest, dass die höchste Evidenz für ABA vorliegt und Äverhaltensanalytische Interventionen, basierend auf dem Lovaas-Modell weiterhin als die am besten empirisch abgesicherten Frühinterventionen angesehen werden³ können. (Weinmann, Begemann, Roll, Willich & Greiner, 2009). Weiterhin fand die Studie heraus, dass Ä9RUVFKXONLQGHU PLW $XWLVPXV « durch verhaltensbasierte Interventionen mit einer Mindestintensität von 20 Stunden pro Woche Verbesserungen in kognitiven und funktionalen Bereichen (expressive Sprache, 6SUDFKYHUVWlQGQLVXQG.RPPXQLNDWLRQHUUHLFKHQ³ (Weinmann u. a., 2009, S. 2) können. Aufgrund von bislang fehlenden Studien bleibt jedoch weiterhin unklar, welche Rolle die Dauer, die Intensität und die Form der verhaltenstherapeutischen Intervention, das Alter der Kinder bei Förderungsbeginn und die Art der gestellten Diagnose spielen (Weinmann u. a., 2009). 3.2 Allgemeine Interventionsrichtlinien In Zusammenhang mit den oben aufgeführten Evidenzgradierungen hat die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie 2007 grundlegende Leitlinien zur Intervention der Menschen mit ASS publiziert. Diese Leitlinien der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften sind systematisch entwickelte Hilfen für Ärztinnen und Ärzte und Therapeut/innen zur Entscheidungsfindung in spezifischen Situationen. Für Menschen mit ASS ergeben sich folgende Paradigmen: 17 x Die Behandlung soll so früh wie möglich beginnen und über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden. x Die Eltern müssen ausführlich über ASS und über die (zusätzlichen) Entwicklungsdefizite ihres Kindes aufgeklärt und beraten werden. x Im Einzelfall ist eine zusätzliche medikamentöse Behandlung komobider Symptome hilfreich. x Die effektive Entlastung der Familie und der engen Bezugspersonen sollte frühzeitig ein bedeutender Bestandteil des Therapieplans sein. x Eine gezielte Therapie soll sich auf die Entwicklung der sozialen Wahrnehmung, sowie auf soziale Fertigkeiten, die Kommunikation und die Sprachförderung beziehen. x Ä'HP (LQVDW] YHUKDOWHQVWKHUDSHXWLVFKHU 7HFKQLNHQ « NRPPW HLQ besonderer Stellenwert zu.³(Amorosa, 2007, S. 233) Zusätzlich führen Baude und Noterdaeme folgende Überlegungen an, die bei dem Entscheidungsprozess für eine geeignete Therapie hilfreich sein können (Baude & Noterdaeme, 2010b): x Die Eltern sollen eine Komplianz hinsichtlich der geplanten Maßnahmen zeigen. x Die Therapieziele sollen konkret sein und in einem überschaubaren Zeitrahmen erreicht werden können; der Erfolg soll überprüfbar sein. 18 4. Applied Behavior Analysis (ABA) und Verbal Behavior (VB) Anspruch der vorliegenden Arbeit ist es nicht, alle Interventionsformen für ASS zu erläutern, zu vergleichen und hinsichtlich ihres Evidenzgrades zu untersuchen. Dies würde den Umfang einer Masterarbeit weit übersteigen. Vielmehr soll im Folgenden verhaltenstherapeutische auf das Verfahren nach Stufe Applied Behavior IIa evidenzbasierte Analysis (ABA) in Verbindung mit Verbal Behavior (VB) und die Anwendbarkeit für Kinder mit ASS eingegangen werden. Diese Interventionsmethode entspricht den Leitlinien der deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie. 4.1 Der Begriff Verhaltenstherapie Um das Prinzip von ABA verständlich zu machen, wird zunächst das zugrunde liegende Konzept der Verhaltenstherapie erläutert. Laut Pschyrembels NOLQLVFKHP :|UWHUEXFK LVW GLH 9HUKDOWHQVWKHUDSLH HLQ ÄDXI HPSLULVFKHU Psychologie (Verhaltensforschung psychotherapeutisches Verfahren; und Lerntheorien) basierendes Verhalten und Erleben werden durch störungsspezifische und -übergreifende Verfahren konkret und operationalisiert modifiziert. Nach Störungsdiagnostik und individueller Verhaltens- und Problemanalyse setzt Verhaltenstherapie an prädisponierenden, auslösenden und/oder aufrechterhaltenden Störungsbedingungen an. Verhaltenstherapie ist stark handlungsorientiert, interveniert häufig auch außerhalb von Praxis oder Klinik, bemüht sich um Transparenz gegenüber Patienten und ein Verständnis DOV+LOIH]XU6HOEVWKLOIH³(Pschyrembel, 2007, S. 83). Der Begriff der Verhaltenstherapie wurde, basierend auf den Erkenntnissen der behavioristischen Lerntheorien, die sich auf Pawlow und Skinner zurückführen lassen, in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts erstmalig verwendet. Ab 1960 wurde der Begriff von Eysenck verbreitet. Die Grundsätze der Verhaltenstherapie gehen auf die frühe Assoziationspsychologie von Ebbinghaus und Müller zurück (Matzies, 2004). Pawlow griff zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts die Überlegungen von Ebbinghaus und Müller auf und entwickelte daraus die Theorie der Klassischen .RQGLWLRQLHUXQJ GLH DXFK DOV Ä5HL]-Reaktions-/HUQHQ³ RGHU Ä5HVSRQGHQWHV /HUQHQ³EH]HLFKQHWZLUG/HEHZHVHQreagieren instinktiv auf äußere Reize. Diese instinktiven Reaktionen können mit anderen Reizen verknüpft und so für Lerneffekte genutzt werden (Gudjons, 2008). Darauf aufbauend stellte Skinner 19 einige Jahre später fest, dass nicht nur Instinkte, sondern auch die Reaktionen der Umwelt Lerneffekte hervorrufen. Das Individuum wirkt Skinner zufolge aktiv mit seinem Verhalten auf seine Umwelt ein und erwirkt Reaktionen. Diese Konsequenzen bestimmen im Weiteren die Häufigkeit des Auftretens eines Verhaltens. Skinner versuchte, die Auftretenswahrscheinlichkeit bestimmter Verhaltensweisen zu beeinflussen. Mit Hilfe so genannter Verstärkung oder %HVWUDIXQJ JHODQJ LKP GDV (U QDQQWH GHQ 9RUJDQJ ÄRSHUDQWHV .RQGLWLRQLHUHQ³ (Gudjons, 2008; Zimbardo & Gerrig, 2004). Verhaltenstherapien nutzen so definierte Lernvorgänge, um sozial erwünschtes Verhalten aufzubauen und sozial unerwünschtes Verhalten zu verlernen. Ä.HUQSULQ]LS GHU verhaltenstherapeutischen Intervention ist die Modifikation des Verhaltens mittels der Prozesse des Neulernens, Verlernens und Umlernens, da Verhalten als Ergebnis von Lernprozessen aufgefasst wird³ (Matzies, 2004, S. 63). Nach Petermann ist eine verhaltenstherapeutische Behandlung bei einer Vielzahl von Diagnosen in der klinischen und therapeutischen Praxis indiziert (Petermann, 2006). 4.2 Verhaltenstherapie für Kinder mit ASS Lovaas, ein norwegischer Forscher, war der erste Wissenschaftler, der sich ab 1964 die Prinzipien der verhaltenstherapeutischen Intervention für die Therapie von Kindern mit ASS zunutze machte. Bis zu seinem Tod im August 2010 war Lovaas Professor für Psychologie an der Universität von Los Angeles (UCLA) und arbeitete an der Verbesserung seiner verhaltenstherapeutisch orientierten Programme für Kinder mit ASS. Unter der Lovaas-Therapie versteht man eine früh einsetzende, zeitlich intensive Verhaltenstherapie, die alle Entwicklungsbereiche des Kindes umfasst, und die das von Lovaas entwickelte Curriculum verfolgt (Früh, 2002). Lovaas stützte sich bei der Entwicklung dieser Therapie auf Ferster, der zusammen mit Skinner an der Entwicklung des Modells der operanten Konditionierung gearbeitet hatte. Lovaas war der erste Wissenschaftler, der die Ursachen von ASS nicht im emotionalen Bereich suchte, sondern Autismus als /HUQSUREOHP DQVDK ³0RVW SURIHVVLRQDOV YLHZHG DXWLVWLF FKLOGUHQ¶V SUREOHPV DV an indicative of an underlying emotional disturbance, but Ferster suggested, that their problems could instead be viewed as D IDLOXUH WR OHDUQ³ (Lovaas & Smith, 1989, S. 23). Da Kinder mit ASS, so Lovaas, nicht genügend vom Verstärkerangebot ihrer Umwelt profitieren, müssen diesen Kindern primäre Verstärker angeboten werden, um ihnen die Lernprozesse zu erleichtern. 20 $Q GLHVH 7KHRULH NQSIWHQ /RYDDV XQG 6PLWK PLW LKUHU Ä&RPSUHKHQVLYH %HKDYLRUDO 7KHRU\ RI $XWLVP³ DQ 'LHse Theorie bildet die Grundlage für die Lovaas-Therapie. Um Lovaas¶ Interventionsansatz zu verstehen, muss vorab sein Verständnis von Autismus geklärt werden. Lovaas und Smith beschreiben Autismus als eine ÄPXOWLSOLFLW\RIEHKDYLRUSUREOHPVZLWKDPXOWLSlicity of etiologies³(Lovaas & Smith, 1989, S. 19). Aus diesem Grund ist es ihrer Meinung nach schwierig, eine Theorie zur Erklärung von Autismus zu formulieren, die Grundlage für eine Intervention sein kann. Sie schreiben die bisherigen Schwierigkeiten, die Ätiologie der autistischen Störungen zu erforschen und effektive Interventionsmethoden zu entwickeln, hauptsächlich zwei Gründen zu: Zum Einen führen sie sie auf die große Heterogenität des autistischen Spektrums zurück; zum Anderen weisen sie auf die Ähnlichkeit von autistischen 9HUKDOWHQVZHLVHQPLWÄQRUPDOHP³9HUKDOWHQLQGHUIUKHQ.LQGKHLW hin. Demnach betrachten sie Autismus als ein hypothetisches Konstrukt, welches die Forschung und Therapie erleichtern soll (Lovaas & Smith, 1989). Da das Konstrukt Autismus so wenig greifbar erscheint, teilen sie es in kleine Einheiten. Arbeitsgrundlage seien demzufolge einzelne, spezifische Verhaltensweisen des jeweiligen Kindes, die analysiert und einzeln therapiert werden müssten. Der Therapieplan müsse, so Lovaas und Smith, auf induktivem Wege individuell, auf der Basis von einzelnen Beobachtungen, auf das Kind ausgerichtet werden. Im Vergleich zum deduktiven Vorgehen ergebe sich hierbei ein umfassenderes Bild jedes einzelnen Kindes mit seinen Fähigkeiten und Problemen. In ihrer Comprehensive Behavioral Theory of Autism gehen die beiden Forscher von vier Grundsätzen aus: 1. Die behavioristische Lerntheorie kann das Verhalten autistischer Kinder erklären und ist deshalb als Basis für die verhaltenstherapeutische Intervention geeignet. 2. Die Auftretenswahrscheinlichkeit einer bestimmten Verhaltensweise hängt von der Verstärkung sowie von negativen Sanktionen durch die Umwelt ab. 3. Kinder mit Autismus haben viele verschiedene Schwierigkeiten, die insgesamt als Entwicklungsverzögerung und nicht als Krankheit zu sehen sind. 21 4. Kinder mit Autismus zeigen eine Vielzahl von Verhaltensschwierigkeiten, die jede für sich, Schritt für Schritt, angegangen werden müssen, damit sich das gesamte Verhalten ändert (Lovaas & Smith, 1989). Auf der zusammen mit Smith erarbeiteten theoretischen Basis erstellte Lovaas ein Programm speziell zur Förderung von Kindern mit Autismus und anderen Entwicklungsverzögerungen. Dieses wurde im Laufe der Jahre sowohl von Lovaas und seinem Forscher/innenteam als auch von anderen Autor/innen modifiziert. In dem 1981 veröffentlichten Handbuch für Eltern und Lehrkräfte Ä7HDFKLQJ 'HYHORSPHQWDOO\ 'LVDEOHG &KLOGUHQ 7KH 0( %RRN³ (Lovaas, 1981) werden die elementaren Prinzipien der Lovaas-Therapie, das Vorgehen, sowie die Basisprogramme dargestellt. Durch den 1993 veröffentlichten Erfahrungsbericht YRQ &DWKHULQH 0DXULFH Ä,FK ZUGH HXFKVRJHUQH YHUVWHKHQ³, in dem sie beschreibt wie sie die Prinzipien der Lovaas-Therapie bei ihren zwei Kindern mit ASS anwendete und sie dadurch von der Diagnose Autismus ÄEHIUHLWH³VWLHJGDVLQWHUQDWLRQDOH,QWHUHVVHDQ$%$IU.LQGHUPLW$66 (Maurice, 1995). Zahlreiche Forscher/innen beschäftigten sich in den darauffolgenden Jahren mit der Lovaas-Therapie und seiner Anwendung bei Kindern mit ASS. 1996 veröffentlichte Maurice in Zusammenarbeit mit Green und Luce dann ein auf den Prinzipien der Lovaas-Therapie basierendes Handbuch mit dem Titel Ä%HKDYLRUDO ,QWHUYHQWLRQ IRU <RXQJ &KLOGUHQ ZLWK $XWLVP³ 0DXULFH *UHHQ Luce, 1996). Dieses bietet einen Leitfaden für die Lovaas-Therapie mit vielen praktischen Tipps für die Anwendung. 1999 wurden die Handbücher von Leaf & 0F(DFKLQ ZHLWHUHQWZLFNHOW XQG XQWHU GHP 1DPHQ Ä$ Work in Progress³ herausgegeben (Leaf & McEachin, 1999). 2003 erschien eine überarbeitete Neuauflage des ursprünglichen Lovaas-Buches PLW GHP 7LWHO Ä7HDFKLQJ ,QGLYLGXDOV ZLWK 'HYHORSPHQWDO 'HOD\V %DVLF ,QWHUYHQWLRQ7HFKQLTXHV³(Lovaas, 2003). Im Vergleich zum Handbuch von 1981 wurden einige Lehrmethoden und die Inhalte der Einzelprogramme verändert. Im Vorwort von 2003 wird zudem auf ein ergänzendes Handbuch verwiesen, das Programme für Fortgeschrittene enthalten und in Kürze erscheinen sollte8. Die Lovaas-Therapie ist auch unter den Begriffen Early Intensive Behavioral Intervention (EIBI) oder Intensive Behavioral Treatment (IBT) bekannt. Zudem wird sie häufig auch unter dem Begriff ABA geführt. 8 Aufgrund seines Todes wurde das Buch bislang jedoch nicht veröffentlicht. 22 4.3 Definition Applied Behavior Analysis (ABA) und Verbal Behavior (VB) Auf Grundlage der oben beschriebenen allgemeinen Prinzipien der Verhaltenstherapie, insbesondere für Kinder mit ASS, werden nun die Begriffe Applied Behavior Analysis und Verbal Behavior erläutert. Anschließend werden die in der ABA/VB-Intervention verwendeten grundlegenden Konzepte und Methoden aufgeführt. 4.3.1 Definition Applied Behavior Analysis (ABA) Wörtlich ins Deutsche übersetzt bedeutet bedeutet Applied Behavior Analysis $%$ Äangewandte Verhaltensanalyse³. Dieser Begriff ist sehr allgemein und weit gefasst und bezeichnet die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Verhaltensänderung von Menschen und Tieren. ABA ist eine Form der Verhaltenstherapie, die die Anwendung operanter Lernmethoden beinhaltet, sich jedoch nicht nur auf diese beschränkt (Matson, 2009; Alberto, 2000; Austin, 2000). Ä%HL GHU $%$ ZHUGHQ /HUQWKHRULHQ DXV GHU H[SHULPHQWHOOHQ 3V\FKRORJLH DQJHZHQGHW XP V\VWHPDWLVFK 9HUKDOWHQVYHUlQGHUXQJHQ KHUEHL]XIKUHQ³ (Weinmann u. a., 2009, S. 27). ABA ist eine analytische und angewandte Wissenschaft, die von Baer, Wolf und Risley in dem 1986 veröffentlichen Artikel im Journal of Applied Behavior Analysis durch sieben grundsätzliche Dimensionen definiert wird. Nach Baer, Wolf und Risley ist ABA angewandt (applied), verhaltensorientiert (behavioral), analytisch (analytic), technologisch (tecnological), systematisch (conceptually systematic), effektiv (effective) und allgemeingültig (generality) (Baer, Wolf, & Risley, 1968, S. 95). Die folgenden Definitionen der grundlegenden Charakteristika helfen, ABA als eine Methodologie zu definieren ÄWKDW FDQ VHOHFW FKDQJH DQG HYDOXDWH KXPDQ EHKDYLRU³ (Matson, 2009, S. 17). Diese Elemente werden im nachfolgend im Einzelnen erläutert: Angewandt (applied) Eine Förderung nach ABA sollte angewandt sein. Dies bedeutet, dass ³the behavior or stimulus addressed was chosen because of its importance to KXPDQNLQG DQG VRFLHW\ UDWKHU WKDQ LWV LPSRUWDQFH WR WKHRU\´ (Matson, 2009, S. 16). Lehrende VROOWHQ VLFK GHPQDFK Äum funktionale und sozial bedeutsame 7KHUDSLH]LHOH EHPKHQ³ (Bernard-Opitz, 2009, S. 245). Für Kinder mit ASS bestehen diese vorrangig in der Verbesserung der sozialen Interaktion, insbesondere der (non)verbalen Kommunikation und des Sozialverhaltens. 23 Verhaltensorientiert (behavioral) Eine Förderung nach ABA sollte stets auf ein bestimmtes Verhalten bezogen sein, das verändert werden soll: ³WKHIRFXVVKRXOGEHLQZKDWLndividuals can be brought to do´ (Matson, 2009, S. 16). Zudem sollte das spezifische Verhalten messbar sein, ÄXP IHVW]XVWHOOHQ RE GLH WKHUDSHXWLVFKHQ 0DQDKPHQ LQ HLQHP GLUHNWHQ =XVDPPHQKDQJ PLW 9HUKDOWHQVlQGHUXQJHQ VWHKHQ³ (Bernard-Opitz, 2009, S. 245). Analytisch (analytic) ³ABA requires a believable demonstration of the events responsible for the EHKDYLRU´ (Matson, 2009, S. 16). Lehrende müssen demnach die Beziehung Äzwischen den YHUlQGHUWHQ%HGLQJXQJHQXQGGHP=LHOYHUKDOWHQ³(Bernard-Opitz, 2007, S. 245) aufzeigen können. Technologisch (technological) Es muss von den Lehrenden sichergestellt werden, dass ³WKHWHFKQLTXHVPDNLQJ up a particulDU EHKDYLRUDO DSSOLFDWLRQ DUH FRPSOHWHO\ LGHQWLILHG DQG GHVFULEHG´ (Baer u. a., 1968, S. 95). Somit soll gewährleistet werden, dass auch andere Lehrende die gleichen Techniken anwenden können und Forscher/innen Ergebnisse der Förderung replizieren können. Systematisch (conceptually systematic) DaV .ULWHULXP ³FRQFHSWXDOO\ V\VWHPDWLF´ IU $%$ VROO ³tie the technological GHVFULSWLRQ WR EDVLF SULQFLSOHV RI EHKDYLRU DQDO\VLV´ (Baer u.a., 1968, S. 95). Demnach müssen die eingesetzten Methoden in einer nachvollziehbaren systematischen Beziehung zu den theoretischen Konzepten stehen. Effektiv (effective) Die eingesetzten verhaltenstherapeutischen Maßnahmen bei ABA VROOWHQ ÄODUJH enough effects to be of practiFDEOHYDOXH³(Baer u. a., 1968, S. 96) produzieren. Das heißt, dass sie das Verhalten des Kindes mit ASS signifikant verbessern sollten und diese Verhaltensänderungen sich positiv auf das Kind und seine Umwelt auswirken sollten. 24 Allgemeingültig (generality) Die durch ABA erzielten Verhaltensveränderungen sollten dauerhaft und auf eine Vielzahl von Situationen und anderer ähnlicher Verhaltensweisen übertragbar, ergo generalisierbar, sein (Matson, 2009). ABA wird als Überbegriff für eine Vielfalt von Methoden verwendet, die ständig weiterentwickelt und evaluiert werden. ABA an sich ist demnach keine reine Fördermethode für Kinder verschiedenen Arten von mit ASS, sondern findet Entwicklungsstörungen, Anwendung Lernschwächen bei und Beeinträchtigungen. Das, was heutzutage unter einer ABA-basierten Förderung für Kinder mit ASS verstanden wird, enthält grundlegende Aspekte des ursprünglich von Lovaas entworfenen Therapiekonzeptes, ist jedoch durch zahlreiche Forscher/innen überarbeitet worden. Eine häufig verwendete Methode im Zusammenhang mit ABA ist Verbal Behavior (VB), die im Folgenden erläutert wird. 4.3.2 Definition Verbal Behavior (VB) Verbal Behavior (VB) 9, zu Deutsch Ä6SUDFKOLFKHV9HUKDOWHQ³, geht zurück auf das %XFK Ä9HUEDO %HKDYLRU³ das 1957 von dem US-amerikanischen Psychologen Skinner herausgegeben wurde und als eines der bedeutendsten Werke des Behaviorismus gilt (Skinner, 1957; Barbera & Rasmussen, 2007). Sein Buch beinhaltet unter anderem eine theoretische Analyse des sprachlichen Verhaltens aus der Sichtweise der Verhaltensanalyse. Skinners Grundannahme ist, dass sprachliches Verhalten den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie anderes Verhalten unterliegt. Demnach kann Sprache auch mit den Gesetzmäßigkeiten von ABA unterrichtet werden. Skinner definiert sprachliches Verhalten nicht nur als gesprochene Sprache, sondern auch als Zeichensprache, geschriebene und gedruckte Sprache sowie Gestik (Skinner, 1957). Er beschreibt die Einheiten von Sprache als verbale Operanten, die ÄGLH %H]LHKXQJ ]ZLVFKHQ DQWH]HGHQWHU Motivation und steuerbaren Reizen, verbalem Verhalten und 9HUKDOWHQVNRQVHTXHQ]HQ³GDUVWHOOHQ (Schramm & Claypool-Frey, 2009, S. 261). Skinner geht somit davon aus, dass jedes sprachliche Verhalten individuelle vorausgehende Bedingungen und Konsequenzen hat. Sollte ein Wort in einem bestimmten Zusammenhang gelernt werden, bedeutet das nicht, dass die 9 ABA/VB wird häufig unter dem Namen ABA oder AVB geführt (Freitag, 2008). 25 Fähigkeit besteht, das Wort auch auf andere Zusammenhänge zu übertragen10. Skinner definiert mehrere reine verbale Operanten. Die ersten drei zählt er zu den elementaren verbalen Operanten. Im Folgenden werden diese aufgeführt und erläutert: 1. Mand Die Begriffe Mand und Manding sind von Skinner eingeführte Neologismen, GLHHUYRQGHPHQJOLVFKHQ:RUWÄGHPDQG³ableitet, was mit Forderung oder Bitte übersetzt wird. Er bezeichnet damit die Fähigkeit nach gewünschten Gegenständen, Aktionen oder Informationen zu fragen. Demnach hat ein Mand gewöhnlich eine bestimmte Konsequenz in der Umwelt des Sprechers zur Folge. Ein Beispiel für Manding wäre: -DQVDJW]XVHLQHU0XWWHUÄIch will ein Bonbon haben!³'LH0XWWHU gibt ihm ein Bonbon. 2. Tact Tact oder Tacting wird mit Benennen oder Bezeichnen übersetzt. Demnach wird ein Tact als die Fähigkeit definiert, Objekte, Handlungen und Ereignisse verbal zu erkennen (Schramm, 2007). Ein Beispiel hierfür wäre: Jan sieht ein Bonbon XQG VDJW ]X VHLQHU 0XWWHU Ä'DV LVW HLQ Bonbon³ 3. Intraverbal Dieser verbale Operant bezeichnet die Fähigkeit, Fragen zu beantworten oder Unterhaltungen zu führen. Beim intraverbalen Verhalten werden Worte durch andere Worte beherrscht. Ein Beispiel wäre: -DQ VDJW ]X VHLQHU 0XWWHU Ä,FK KDEH KHXWH ein Bonbon EHNRPPHQ³ 'LH 0XWWHU DQWZRUWHW Ä6FK|Q YRQ ZHP GHQQ"³ -DQ VDJWÄ9RQ/LVD³ 10 So kann ein Kind, das Keks sagt, weil es hungrig ist, nicht zwangsläufig auch Keks sagen, wenn es nicht hungrig ist und einen Keks sieht . 26 4. Codic a. Textual Der verbale Operant Textual bedeutet soviel wie Textkenntnis. Er bezeichnet die Fähigkeit, geschriebene Wörter zu lesen. b. Transcription Transcritption wird mit Übertragung übersetzt. Dieser verbale Operant bezeichnet die Fähigkeit, gehörte oder gesehene Wörter zu schreiben, zu tippen oder mit den Fingern zu buchstabieren. 5. Dublic a. Echoic Der verbale Operant Echoic ]X 'HXWVFK Ãechoartig¶ bezeichnet die Fähigkeit, etwas zuvor Gehörtes (teilweise) zu wiederholen. Ein Beispiel wäre: Die Mutter sagt: Ä%RQERQ KHLW DXI (QJOLVFK FDQG\³ -DQ ZLHGHUKROWÄFDQG\³ b. Mimetic Mimetic betrifft die Imitation und ist dem verbalen Operant Echoic sehr ähnlich. Er bezeichnet die Fähigkeit eine zuvor gesehene motorische Handlung zu imitieren (Skinner, 1957). Verbale Operanten treten in der alltäglichen Sprache in reiner Form eher selten auf. Häufiger treten sie in verschiedenen Kombinationen auf. So würde beispielsweise die Situation, wenn Jan ein Bonbon sieht und seine Mutter daraufhin fragt, ob er eins haben darf, als Mand-Tact bezeichnet werden. Die Situation, wenn Jan ein Bonbon sieht, die Mutter ihn fragt was er möchte, und Jan mit ÄBonbon³DQWZRUWHWZUGHals Intraverbal-Mand-Tact bezeichnet werden (Frost & Bondy, 2006). Skinners Vermutung, dass (reine und komplexe) verbale Operanten funktionell unabhängig erworben werden (Skinner, 1957; 2009) konnte mittlerweile durch zahlreiche Forschungsstudien belegt werden (Schramm & Claypool-Frey, 2009). Demnach muss jeder einzelne verbale Operant als abhängig von den Umweltbedingungen und als das Produkt einer bestimmten Situation betrachtet werden. Die Umweltbedingungen bewirken dabei, ob und wann der Operant geäußert wird. 27 Die Wissenschaftler Sundberg und Partington und ihr Forscher/innenteam erkannten erstmals die Möglichkeit, mit den Erkenntnissen der verbalen Operanten aus Skinners Buch Applied Behavior Analysis für Kinder mit ASS zu verbessern und zu ergänzen. Sie gehen davon aus, ³that language is behavior that is primarily caused by environmental variables such as reinforcement, motivatLRQ H[WLQFWLRQ DQG SXQLVKPHQW´ (Sundberg & Partington, 1998, S. 98). Aus diesem Grund sollte Sprache so früh wie möglich mit den Methoden von ABA erlernt werden, da sonst die Gefahr besteht, dass verschiedene Formen von sozial unerwünschtem Verhalten die Hauptformen der Kommunikation für Kinder mit ASS darstellen (Sundberg & Partington, 1998). Traditionelle ABA-Ansätze differenzieren lediglich zwischen rezeptiver und expressiver Sprache. Das Kind soll zunächst ein rezeptives Sprachverständnis entwickeln. Dieses soll dann im Verlauf der Förderung mithilfe der ABAPrinzipien zur expressiven Sprache weiterentwickelt werden. Der Verbal-Behavior-Ansatz hingegen legt den Schwerpunkt zunächst auf die Förderung der grundlegenden expressiven Sprache und unterrichtet Sprache nicht nach Form (rezeptiv und expressiv) sondern in all ihren Funktionen, die anhand der verbalen Operanten definiert werden (Barbera & Rasmussen, 2007). ³Verbal Behavior (VB) is based on ABA principles but is focused on the acquisition of functional language³ (Matson, 2009, S. 72). Somit bietet der VB-Ansatz ÄHLQH YHUKDOWHQVDQDO\WLVFKH ,QWHUYHQWLRQ « LP 5DKPHQ GHU $SSOLHG %HKDYLRU $QDO\VLV³ (Schramm & Claypool-Frey, 2009, S.260), die sowohl Methoden von ABA als auch Skinners Analyse des Sprachverhaltens und der Motivationsvorgänge11 verwendet. Durch die Weiterentwicklung von ABA durch den VB-$QVDW] N|QQHQ ÄPRWLYDWLRQDOH )DNWRUHQ XQG GDV 8QWHUULFKWHQ YRQ NRPPXQLNDWLYHQ XQG VR]LDOHQ )lKLJNHLWHQ³ (Schramm & Claypool-Frey, 2009, S. 260) stärker gewichtet werden. Da die Kommunikation und die soziale Interaktion meist die größten Probleme im alltäglichen Leben der Kinder mit ASS darstellen, ist eine Fokussierung auf den sprachlichen Bereich als sinnvoll zu erachten (Freeman, 1997). Daher repräsentiert der VB-Ansatz eine erfolgversprechende Ergänzung, in der Förderung von Kindern mit ASS. 11 Dieser Begriff wird in Kapitel 4.4.1.1.2 im Zusammenhang mit dem ABC-Modell noch genauer erläutert. 28 Die Effizienz von ABA in Verbindung mit dem VB-Ansatz konnte durch mehrere systematische Fallstudien bestätigt werden (Matson, 2009). Diese Fallstudien weisen aufgrund ihrer Methodik jedoch keine wissenschaftliche Evidenzgradierung auf. 4.4 Funktionale Verhaltensanalyse Im Folgenden werden die Grundlagen von ABA/VB sowie die spezifischen eingesetzten Fördermethoden beschrieben12. Die Verhaltensanalyse ist die grundlegende Methode bei ABA/VB und stellt ein wichtiges diagnostisches Verfahren in der Förderplanung dar. Sie hilft, Verhalten zu strukturieren und zu beschreiben, die Entstehung und Aufrechterhaltung von Problemen zu erfassen und Veränderungsstrategien abzuleiten. Durand zufolge sind die Hauptfunktionen von Verhaltensweisen folgende: x Wunsch nach Aufmerksamkeit, x Vermeidung von Anforderungen, x Wunsch nach sensorischer Stimulation, x Zwänge und x Zugang zu materieller Verstärkung (Durand, 2003). ABA/VB ist eine Methode, mit deren Hilfe menschliches Verhalten in Bezug auf seine Funktionen analysiert werden kann und somit Ansatzpunkte für Verhaltensänderungen bietet. Es geht folglich nicht um eine objektive Bewertung des Verhaltens, sondern es wird beobachtet, inwiefern wichtige (Alltags-) Funktionen ausgeführt werden können. Insbesondere wird der Zusammenhang zwischen dem Verhalten und den umgebenden Bedingungen analysiert. Beim ABA/VB-Ansatz wird, anders als bei traditionellen ABA-Ansätzen, insbesondere auch das verbale Verhalten eines Kindes hinsichtlich formeller und funktioneller Aspekte analysiert. Ä'LH9RUDXVVHW]XQJIUGHQ(LQVDW]HIIHNtiver therapeutischer und pädagogischer 0DQDKPHQ LVW GLH 9HUKDOWHQVDQDO\VH³ (Freitag, 2008a, S. 99). Durch eine 12 Im Folgenden wird stets der Begriff ABA/VB verwendet um das gesamte Konzept von ABA/VB darzustellen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass viele Methoden auch beim klassischen ABA, beim EIBI oder anderen verhaltenstherapeutischen Ansätzen verwendet werden. 29 ÄP|JOLFKVWGHWDLOOLHUWHDXIGDVNRQNUHWHEHREDFKWEDUH9HUKDOWHQGHV.LQGHVXQG VHLQHU 8PJHEXQJ EH]RJHQH %HVFKUHLEXQJ³ (Baude & Noterdaeme, 2010a, S. 244) und durch Gespräche mit den Eltern und Bezugspersonen kann eine umfassende Verhaltensanalyse hinsichtlich der Funktion kommt das von Verhalten durchgeführt werden. 4.4.1 Das ABC-Modell Bei der funktionalen Verhaltensanalyse ABC-Modell zur Anwendung13. ABC steht für Antecedent ± Behavior - Consequence. Antecedent (das Vorhergehende) steht hierbei für alles, was sich in der Umgebung des Kindes befindet, bevor dieses ein Verhalten zeigt. Behavior (Verhalten) ist sowohl alles, was das Kind tut, als auch jede messbare Bewegung des Kindes. Consequence (Konsequenz) ist alles, was einem Verhalten des Kindes unmittelbar folgt (Verstärkung, Bestrafung, Löschung14) (Schramm, 2007). Ausgehend vom ABC-Modell werden bei der Analyse des Verhaltens eines Kindes drei Fragen gestellt: x Was hat das konkrete Verhalten des Kindes ausgelöst oder welche Situation ging dem konkreten Verhalten des Kindes unmittelbar voraus? x Mit welchem Verhalten reagiert das Kind? x Welche Konsequenz folgt der konkreten Verhaltensweise? Durch die Aufschlüsselung in diese Komponenten kristallisieren sich Faktoren heraus, die das Verhalten des Kindes beeinflussen. Werden diese Faktoren verändert, wird sich auch das Verhalten des Kindes verändern (Schramm, 2007). Das zugrunde liegende zentrale Konzept ist, dass jedes Verhalten erlernt ist und dass Verhalten (B) durch vorhergehende Umweltfaktoren (A) und Konsequenzen (C) determiniert ist. 13 In diesem Zusammenhang wird häufig auch das S-O-R-C-K Modell benannt, welches die gleichen Aspekte wie das ABC-Modell enthält: Eine bestimmte Person mit spezifischen biologisch/physiologischen sowie psychosozialen Organismuseigenschaften (O) zeigt ein bestimmtes Verhalten (Reaktion, R) unter bestimmten situativen Bedingungen (antezendente Stimuli, S), das durch bestimmte Handlungsfolgen (Consequenes, C) aufrecht erhalten wird, wenn es regelmäßige und nachvollziehbare Beziehungen zwischen den situativen Bedingungen und dem Verhalten sowie dem Verhalten und den Konsequenzen gibt (Kontingenz-Kontiguität) (K) (Baude & Noterdaeme, 2010a; Freitag, 2008). 14 In Kapitel 4.4.1.2 werden diese Begriffe noch näher erläutert. 30 Verhalten wird zunächst systematisch beobachtet; dann werden die Umweltbedingungen, die mit diesem Verhalten in Zusammenhang stehen könnten, experimentell verändert. Ziel ist eine Modifikation des zunächst gezeigten Verhaltens - nicht durch direkte Intervention, sondern mittelbar durch Stimulation und Motivation, die sich aus den veränderten Umweltbedingungen ergeben 0ROQiU, 2005). Es handelt sich somit um eine Form des operanten Konditionierens, das jedoch der Initiative der Kinder verstärkt Raum lässt. Das ABC-Modell, das häufig auch als Vierfach-Kontingenz bezeichnet wird, beinhaltet verschiedene Faktoren die im folgenden Schaubild dargestellt sind und anschließend erläutert werden. Abbildung 3: Das ABC-Modell (Schramm, 2009) 4.4.1.1 Antecedent (A) 'DV:RUW$QWH]HGHQ]OHLWHWVLFKYRPODWHLQLVFKHQ:RUWÄDQWHFHGHV³DEZDVPLW ÄGDV9RUDXVJHKHQGH³RGHUÄ8UVDFKH³bersetzt wird. Beim ABC-Modell, das bei der funktionalen Verhaltensanalyse bei ABA/VB angewandt wird, zählen zu den Antezedenzien x der Stimulus Discriminativus (diskriminativer Stimulus; SD), x Motivating Operations (MO), sowie x Prompts (Hilfestellungen). 31 4.4.1.1.1 Stimulus Diskriminativus (SD) Ein Stimulus Diskiminativus (SD), ein diskriminativer Reiz, ist alles, was in der Vergangenheit kontinuierlich ein spezielles Verhalten hervorgerufen hat. Somit signalisiert ein SD dem Kind, ÄGDVVDNWXHOOHLQH Bedingung gegeben ist, unter der « eine 9HUVWlUNXQJ HUIROJHQ NDQQ³ (Mietzel, 2007, S. 166). Im Rahmen von ABA/VB ist der SD meist eine Aufforderung oder eine Instruktion. Ein SD signalisiert somit die Verfügbarkeit einer Konsequenz, hat jedoch keinen Einfluss auf den Wert der Konsequenz (Schramm, 2007). 4.4.1.1.2 Motivating Operation (MO) Die Motivation eines Kindes ist für ein erfolgreiches Förderprogramm sehr wichtig. Durch die Fokussierung der ABA-Forschung auf Verhaltenskonsequenzen wurden Motivationsvorgänge in wissenschaftlicher Forschung und Praxis jedoch in den letzten zwanzig Jahren vernachlässigt (Schramm & Claypool-Frey, 2009). Der VB-Ansatz berücksichtigt neben den nach Skinner definierten verbalen Operanten auch die so genannten Motivating Operations (MO). Der Begriff ÃMotivating Operations¶ (MO) ]X 'HXWVFK ÄMotivationsfaktoren³ (Danne, 2009), wurde von Laraway, Snycerski, Michael und Poling 2003 erstmalig definiert und verwendet (Laraway, Snycerski, Michael & Poling, 2003). MO sind Umgebungsvariablen, die die Wirksamkeit eines Verstärkers beeinflussen können. Es gibt mehrere Arten von MO; die wichtigsten sind die Abolishing Operation (AO) und die Establishing Operation (EO). AO vermindern die Wirksamkeit eines Verstärkers: Dies kann zum Beispiel durch die (Über)sättigung mit Nahrungsmitteln oder durch einen vorhergegangenen Überfluss entstehen15. EO erhöhen die Wirksamkeit eines Verstärkers durch beispielsweise vorherigen Entzug oder Mangel16 (Danne, 2009; Schramm, 2007). MO beeinflussen folglich (negativ und positiv) den Wert einer Konsequenz. Wird der Wert einer Konsequenz durch einen EO positiv beeinflusst, demnach gesteigert, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines durch den diskriminativen Stimulus geforderten Verhaltens. Dies wird als evokative Wirkung 15 Wenn ein Kind beispielsweise schon zehn Kekse gegessen hat oder stundenlang mit einem Auto gespielt hat, vermindert dies den Wert des Kekses und des Autos als Verstärker. 16 Wenn ein Kind beispielsweise schon eine gewisse Zeit lang keine Kekse gegessen hat und hungrig ist oder seit längerem nicht mehr mit seinem Lieblingsauto gespielt hat, wird dies den Verstärkungswert des Kekses und des Autos erhöhen. 32 bezeichnet. Wird der Wert einer Konsequenz durch einen AO negativ beeinflusst, demnach vermindert, verringert sich die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines durch den SD geforderten Verhaltens. Dies wird als abative Wirkung bezeichnet (Schramm & Claypool-Frey, 2009). Bei den MO wird zudem zwischen unkonditionierten (ungelernten, angeborenen) MO (Unconditioned MO; UMO) und konditionierten (erlernten) MO (Conditioned MO; CMO) unterschieden. UMO sind Schramm und Claypool-Frey zufolge Bedürfnisse, wie Essen, Trinken, Schlafen, Bewegung, Sex, Wärme, Kälte, Luft und Schmerzminderung; demnach alle Bedürfnisse, die mit der Überlebensnotwendigkeit zu tun haben (Schramm & Claypool-Frey, 2009). CMO sind ehemals neutrale Reize, die durch Zusammenführung mit einem anderen MO oder durch Erfahrung zu einem CMO werden. CMO lassen sich in drei weitere Arten einteilen: x Surrogate CMO (Ersatz-CMO; CMO-S) o (KHPDOV QHXWUDOH (UHLJQLVVH HUKDOWHQ ³GXUFK LKUH Wechselbeziehung mit einem UMO oder bereits bestehenden &02 lKQOLFK PRWLYLHUHQGH :LUNXQJ´ (Schramm & Claypool-Frey, 2009, S. 261). x Reflexive CMO (CMO-R) o (LQ 6WLPXOXV ÄGHVVHQ $QZHQGXQJ GLH 0RWLYDWLRQ HU]HXJW ebendiesen Stimulus zusammen mit der möglicherweise nachfolgenden aversiven Situation zu vermeiden³ (Danne, 2009, S. 18). x Transitive CMO (CMO-T) o Transitive CMO sind MO die von einem neutralen Objekt oder einer neutralen Aktivität auf ein anderes Objekt oder eine andere Aktivität übertragen werden. CMO werden vermehrt bei ABA/VB eingesetzt und auch als Stiumuls-Stimulus-Pairing bezeichnet (Schramm & Claypool-Frey, 2009). Wie mithilfe von transitiven CMO ein positiver Beziehungsaufbau gefördert werden kann, wird in Kapitel 4.5.5 ausführlich erläutert. 33 4.4.1.1.3 Prompt Das dritte Merkmal der Antezedenzien beim ABC-Modell ist das Prompt (Hilfestellung). Ein Prompt ist definiert als alles, was einem SD hinzugefügt wird, um dem Kind zu helfen, die Zielreaktion zu zeigen (Schramm, 2007). Nach Schramm existieren verschiedenen Formen des Prompts, die sich in zwei Oberkategorien einteilen lassen (physische und verbale Prompts) und an dieser Stelle kurz aufgeführt werden. Die Prompts sind von der stärksten Hilfestellung zur schwächsten Hilfestellung aufgelistet (Schramm, 2007): Physische Prompts x Voll physische Prompts Die Lehrenden geben dem Kind manuelle Hilfestellung bei der Ausführung der korrekten Reaktion. x Teilweise physische Prompts Die Lehrenden geben dem Kind teilweise manuelle Hilfestellung bei der Ausführung der korrekten Reaktion. Das Kind muss die geforderte Bewegung jedoch selbstständig beenden. x Imitierende Prompts Die Lehrenden geben dem Kind eine visuelle Demonstration der gewünschten Antwort, die das Kind nachahmen kann. Voraussetzung ist, dass das Kind bereits Bewegungen imitieren kann. x Gestik-Prompts Hierbei wird dem Kind durch Zeigen oder Hinweisen demonstriert, wohin es sehen soll oder wie es die richtige Reaktion finden kann. x Positions-Prompts Das Kind soll ein bestimmtes Objekt unter Anderen auswählen. Um hierbei die Wahrscheinlichkeit einer korrekten Antwort zu erhöhen, wird GDVÄULFKWLJH³2EMHNWHLQZHQLJQlKHUam Kind positioniert. 34 Verbale Prompts x Voll echoartige Prompts Hierbei sagen die Lehrenden das ganze Wort oder den ganzen Satz vor. x Teilweise echoartige Prompts Hierbei sagen die Lehrenden das Teil eines Wortes oder eines Satzes vor, was vom Kind wiederholt werden soll. x Direkte verbale Anweisungsprompts Hierbei sagen die Lehrenden dem Kind genau das, was sie von ihm möchten. Zum Beispiel: Ä*LEGHU)UDXGLH+DQG³ x Indirekte verbale Anweisungsprompts Hierbei sagen die Lehrenden dem Kind etwas, worüber das Kind nachdenken soll. Zum Beispiel: Ä:DV PDFKt man, wenn man jemanden trifft, deQPDQNHQQW"³ Lovaas ergänzt diese Liste noch um zwei weitere Prompt-Arten: x Prompts, die mit einer vorherigen Antwort einhergehen: Hierbei helfen die Lehrenden, dem Kind die korrekte Antwort zu geben, indem sie im vorhergehenden Durchgang dem Kind eine Antwort geben, die das Kind als Hinweis für die nächste Antwort benutzen kann. Zum Beispiel: Ä:HOFKHV7LHUPDFKW0,$8"³ Ä.DW]H³ Ä5LFKWLJ:HOFKHV7LHUKDW)HOOXQGMDJW0lXVH"³ Ä.DW]H³ x Hilfestellung für emotionale Reaktionen: Zum Beispiel kann ein Kuss auf die Wange, der das Kind kitzelt, ein Lächeln hervorrufen. Wenn das Lächeln die korrekte Antwort darstellt, wird es verstärkt (Lovaas, 1981). Ein Nachteil von Prompts ist, dass das Kind nicht für eine korrekte Antwort, sondern für eine korrekte Antwort in der Verbindung mit einer Hilfestellung verstärkt wird. Um die Gefahr abzuwenden, dass das Kind nach einiger Zeit von 35 der Hilfestellung abhängig wird (Prompt Dependency), müssen die Hilfestellungen langsam ausgeblendet werden (Prompt Fading). Dies erfolgt durch eine kontinuierliche Verringerung der Intensität der Hilfestellungen. Generell sollte stets so viel Hilfestellung wie nötig und so wenig wie möglich gegeben werden (Schramm, 2007). 4.4.1.2 Consequence (C) Es gibt drei Arten von Konsequenzen: Verstärkung, Bestrafung und Löschung. Diese werden im folgenden Absatz ausführlich beschrieben. 4.4.1.2.1 Verstärkung Es existieren zwei Formen von Verstärkern. Zum einen die primären, ungelernten Verstärker wie Nahrung oder Wärme, die eher an biologischen Bedürfnissen ansetzen, zum anderen die sekundären, gelernten Verstärker wie Lob, Lächeln, Anerkennung, Aufmerksamkeit, Spiele oder Lieblingspersonen, die in ihrer Natur eher sozial sind. Durch das wiederholte Zusammenbringen von primären Verstärkern mit neutralen Stimuli können neue sekundäre Verstärker entstehen (CMO-T; siehe Kapitel 4.4.1.1.2)%HL$%$9%ZLUGGLHVHU3UR]HVVÄ3DLULQJ³JHQDQQW17. Positive Verstärkung bedeutet, dass ein positiver Stimulus auf ein erwünschtes Verhalten folgt und dadurch die Wahrscheinlichkeit steigt, dass dieses Verhalten in Zukunft vermehrt auftreten wird. Verhalten tritt auch dann vermehrt auf, wenn dadurch ein unangenehmer Zustand vermieden werden kann. Dies wird als negative Verstärkung bezeichnet. Verstärker, ob negativ oder positiv, sind nicht für jedes Kind gleich wirksam. Daher ist das Finden von effektiven Verstärkern für das jeweilige Kind zu Beginn der Förderung von elementarer Relevanz (Matzies, 2004). Primäre Verstärker sollten immer mit sekundären Verstärkern gekoppelt werden, wobei der Primärverstärker zuerst gegeben werden sollte. Der Verstärker sollte dem Kind immer direkt (am besten innerhalb einer Sekunde) nach der erwünschten Antwort gegeben werden, um die Effektivität des Verstärkers zu erhöhen. Um Sättigung zu vermeiden, sollten die Verstärker variiert und stets nur in kleinen Mengen dargeboten werden. Außerdem sollte zwischen kontinuierlicher und intermittierender Verstärkung differenziert werden. Kontinuierliche Verstärkung bedeutet, dass auf jedes 17 Dies wird in Kapitel 4.7.4 noch ausführlich beschrieben. 36 korrekte Verhalten unmittelbar eine Konsequenz folgt. Sie wird verwendet, um ein Verhalten zu lehren. Die intermittierende Verstärkung, bei der nur auf jedes zweite oder dritte korrekte Verhalten eine Konsequenz folgt, wird verwendet, um ein bereits gezeigtes Verhalten aufrechtzuerhalten. 4.4.1.2.2 Bestrafung und Löschung Bestrafung und Löschung sind Prozesse, die beim Abbau von unerwünschten Verhaltensweisen funktionale eingesetzt werden Verhaltensanalyse soll können. Durch herausgefunden eine umfassende werden, welche Konsequenzen für das Aufrechterhalten der unerwünschten Verhaltensweise verantwortlich sind. Nach Danne sind dies hauptsächlich (negative und positive) Aufmerksamkeit (beispielsweise durch Schimpfen mit dem Kind), Selbststimulation und Flucht vor oder Vermeidung von Aufgaben (Danne, 2009). Als Bestrafung wird bei ABA/VB alles bezeichnet, was sich nach einem Verhalten ereignet und die Wahrscheinlichkeit verringert, dass das Verhalten in Zukunft wieder eintritt (Schramm, 2007). Bei der Bestrafung wird, wie auch bei der Verstärkung, zwischen positiver und negativer Bestrafung unterschieden. Positive Bestrafung bedeutet das Hinzufügen eines aversiven Reizes zur Umwelt. Dies wurde in den anfänglichen ABA-Programmen zum Beispiel in Form von Wasserspritzern ins Gesicht des Kindes praktiziert (Lovaas, 1981). In den modernen ABA/VB-Programmen wird positive Bestrafung so gut wie nicht mehr eingesetzt. Zum Einen aus ethischen Gründen, zum Anderen aber auch, da der Beziehungsaufbau in den modernen Ansätzen, besonders bei ABA/VB, eine große Rolle spielt. Durch die Koppelung von positiver Bestrafung mit der Bezugsperson wird die Bezugsperson selbst zur positiven Bestrafung und so ist die Grundlage für eine positive Lernsituation nicht mehr gegeben. Negative Bestrafung bedeutet den unmittelbaren Entzug eines Verstärkers, sobald unerwünschtes Verhalten gezeigt wird18. Ein weiteres Konzept zum Abbau von unerwünschtem Verhalten ist das Prinzip der Löschung (extinction). Löschung bedeutet, ein zuvor verstärktes Verhalten nicht mehr zu verstärken und so die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass das Verhalten erneut auftritt. Ein Verhalten, das zuvor verstärkt wurde und dann gelöscht werden soll, wird mit großer Wahrscheinlichkeit zunächst häufiger 18 Ein Beispiel hierfür wäre das Time-Out: Dem Kind wird für eine kurze Zeit der Verstärker Aufmerksamkeit entzogen. 37 auftreten. Das Kind wird meist andere unerwünschten Verhaltensweisen zeigen, um die Verstärkung zu erlangen. Dies wird von Schramm als Löschungstrotz bezeichnet (Schramm, 2007). Löschungstrotz bedeutet, dass unerwünschtes Verhalten bei Einsatz der Löschprozedur erst häufiger und teils auch intensiver auftritt und dann erst abnimmt. In den meisten Fällen ist es ratsam, durch Verstärkung neue Verhaltensweisen aufzubauen, um dem Kind so eine erwünschte, angemessene Verhaltensalternative zu bieten. 4.4.2 Fallbeispiel I Da die Verhaltensanalyse die Basis für eine erfolgreiche ABA/VB Intervention bietet, soll im Folgenden ein Praxisbeispiel zur Verdeutlichung gegeben werden19. Jan, ein fünfjähriger, nonverbaler Junge mit der Diagnose Äfrühkindlicher Autismus³ zeigt immer wieder unerwünschtes Verhalten in Form von plötzlichem lauten, scheinbar grundlosen Schreien und Weinen (B=behavior). Mithilfe der Eltern und eines Verhaltensanalytikers wird eine Verhaltensanalyse in der natürlichen Umgebung des Kindes durchgeführt. Zunächst wird die Frage geklärt, was das konkrete Verhalten von Jan auslöst, beziehungsweise welche Situation dem konkreten Verhalten Jans unmittelbar vorausging. Nach einem ausführlichen Interview mit den Eltern und einer längeren Beobachtung von Jan stellt sich heraus, dass Jan nur dann plötzlich laut schreit und weint, wenn er sich in einem Raum befindet, in dem es Nahrungsmittel gibt (Küche, Esszimmer, Supermarkt, Tankstelle) (A=antecedent). Weiter wird analysiert, welche Konsequenzen dem Verhalten von Jan folgen. Es stellt sich heraus, dass die Eltern, wenn Jan anfängt zu schreien oder zu weinen, unmittelbar zu ihm gehen und ihm Lebensmittel zum Essen in die Hand geben (meist Kleinigkeiten in Form von Obst, Schokolade oder Gummibärchen) (C=consequence), da ihnen vor allem in der Öffentlichkeit die negative Aufmerksamkeit ihrer Umgebung unangenehm ist. Aber auch zu Hause empfinden sie den Lärm, den Jan in solchen Situationen produziert, unerträglich. Wenn Jan etwas zu essen bekommt hört er sofort auf, zu weinen und zu schreien. Diese Konsequenz stellt für Jan demnach eine positive Verstärkung dar. Jan hat also in der Vergangenheit gelernt, dass die unerZQVFKWH9HUKDOWHQVZHLVHÄ6FKUHLHQ 19 Das Beispiel entnehme ich meiner Tätigkeit als Tutorin. 38 XQG:HLQHQ³PLWVRIRUWLJHU:LUNXQJpositiv verstärkt wird. Um diese Verhaltensweise zu löschen, also die Wahrscheinlichkeit zu verringern, dass dieses Verhalten in Zukunft weiter auftritt, müssen die Eltern die Verstärkung des unerwünschten Verhaltens aufgeben. Demnach müssen sie in Zukunft jegliches Schreien und Weinen von Jan in den oben beschriebenen Situationen ignorieren und ihn weder mit Aufmerksamkeit noch mit Essen verstärken. Im weiteren Verlauf zeigte Jan bald erheblichen Löschungstrotz in Form von noch lauterem und längeren Weinen und Schreien. Er begann auch, Gegenstände umzustoßen und zu werfen. Die Eltern mussten lernen, diese unerwünschten Verhaltensweisen eine Zeitlang auszuhalten und nicht mehr zu verstärken. Zudem wurde dafür gesorgt, dass Jan in der Zeit, in der er die unerwünschten Verhaltensweisen zeigte, jeglicher Zugang zu Verstärkung entzogen wurde. Dies geschah durch negative Bestrafung. Beispielsweise nahmen die Eltern Jan ein Spielzeug, welches er während der unerwünschten Verhaltensweisen in der Hand hielt weg, oder verließen den Raum (Entzug von Aufmerksamkeit). Dies war im häuslichen Umfeld auch dank Tutor/innen und der engangierten Geschwister realisierbar. In außerhäuslichen Situationen, beispielsweise im Supermarkt, erforderte es von den Eltern viel Durchhaltevermögen. Hier wurde jedoch trotzdem stets sehr darauf geachtet, dass Jan für sein unerwünschtes Verhalten in keinem Fall verstärkt wurde. . 39 Das oben aufgeführte ABC-Modell (Abbildung 3) soll in der folgenden Abbildung 4 nun auf das vorgestellte Fallbeispiel angewandt werden: Abbildung 4: Das ABC-Modell im Fallbeispiel Jan (Schewe, 2011 modifiziert nach Schramm, 2009) Damit Jan Verhaltensweisen aufbauen kann, mit denen er in Zukunft sein Bedürfnis nach Essen auf angemessene Art und Weise signalisieren kann, sind vielfältige Methoden nötig. Diese werden in den folgenden Kapiteln 4.5 und 4.6 erläutert. Im Anschluss daran wird das Fallbeispiel wieder aufgegriffen. 4.5 Lernformate Bei ABA/VB gibt es verschiedene Lernformate, die sich hinsichtlich des Lernziels und der natürlichen Motivation des Kindes unterscheiden. Die Lernformate basieren alle auf dem von Lovaas eingeführten Discrete Trial Teaching (DTT). Es werden drei Unterrichtsarten unterschieden: Das Intensive Trial Teaching (ITT) (Unterrichten in intensiven Lernreihen), das Natural Environment Teaching (NET) (Unterrichten in natürlicher Umgebung) und das On-The-Move-Training (OMT) (Unterwegs-Unterricht), welches eine Unterform des NET darstellt (Schramm, 2007). Sundberg und Partington GLVNXWLHUHQLQLKUHP%XFK³7HDFKLQJ/DQJXDJH WRFKLOGUHQZLWK$XWLVPRURWKHU'HYHORSPHQWDO'LVDELOLWLHV´GHQ(LQVDW]YRQ,77 und NET ausführlich und kommen zu der Schlussfolgerung, dass ³the balance between ITT and NET may change «but training should always include both approaches³ (Sundberg & Partington, 1998, S. 270). Im Folgenden werden die verschiedenen Lernformate kurz erläutert. 40 4.5.1 Discrete Trial Teaching (DTT) Der Begriff Discrete Trail Teaching (DTT) wurde von Lovaas geprägt (Lovaas, 1981). Trial bedeutet im Deutschen ÃDurchgang¶ oder ÃVersuch¶ Ein Discrete Trial hat stets einen definierten Anfang und ein definiertes Ende. Somit erfolgt Lernen in einzeln aufeinander aufgebauten, klar abgegrenzten Schritten (Richman, 2004). Jede Lerneinheit (Trial) beginnt mit einer verbalen oder nonverbalen Instruktion, auch SD (siehe oben) genannt, die ein bestimmtes Verhalten auslösen soll. Der SD ist im Falle des DTT eine konkrete Aufforderung oder Anweisung, die in der Vergangenheit ein bestimmtes Verhalten hervorgerufen hat. Danach folgt die Reaktion des Kindes. Die Reaktion GHV .LQGHV ZLUG PLW Ä5³ 5HVSRQVH bezeichnet. Die Reaktion eines Kindes wird als jedes Verhalten definiert, das das Kind aufgrund eines SD zeigt (Schramm, 2007). Auf die Reaktion des Kindes IROJW HLQH .RQVHTXHQ] 'LHVH .RQVHTXHQ] ZLUG DXFK DOV ÄUHLQIRUFLQJ VWLPXOXV³ RGHUÄUHDFWLQJVWLPXOXV³ 65EH]HLFKQHW Wenn die Reaktion des Kindes dem erwünschten Verhalten entspricht, wird sie sofort positiv verstärkt. Entspricht die Reaktion des Kindes nicht dem erwünschten Verhalten, wird dem Kind durch Prompts geholfen, die gewünschte Reaktion zu zeigen, und es wird daraufhin unmittelbar verstärkt. Um den Lernerfolg des Kindes zu gewährleisten, sind klare und einfache Instruktionen, die von allen Teammitgliedern in gleichem Maße und auf gleiche Weise verwendet werden sollten, vor allem zu Beginn der Förderung vonnöten. ³Consistency in instructions minimL]HV WKH VWXGHQW¶V FRQIXVLRQ DQG PD[LPL]HV OHDUQLQJ³ (Lovaas, 2003, S. 62). Das Zeitintervall zwischen SD und Reaktion sollte nicht länger als drei Sekunden betragen, da das Nervensystem des Kindes nur so die Verbindung zwischen SD und eigener Reaktion herstellen kann. Reagiert GDV .LQG QLFKW LQQHUKDOE YRQ GUHL 6HNXQGHQ ZLUG GLHV DOV ÄNHLQH $QWZRUW³JHZHUWHW'HU6'VROOWHZLHGHUKROWZHUGHQ:HQQGDV.LQGZLHGHUQLFKW innerhalb von drei Sekunden reagiert, sollte der SD erneut wiederholt werden und die korrekte Reaktion durch ein Prompt herbeigeführt werden (Lovaas, 2003). 4.5.2 Intensiv Trial Teaching (ITT) Beim ITT werden Ziele unterrichtet, die künstlich in das Umfeld des Kindes eingeführt werden, obwohl keine natürliche Motivation des Kindes vorliegt. Der Unterricht ist auf geplante Ziele ausgerichtet und findet häufig am Tisch statt (Freitag, 2008a). Beim ursprünglichen Lovaas-Programm wurde ausschließlich 41 nach diesem Lernformat unterrichtet. Sundberg und Partington empfehlen den Einsatz des ITT hauptsächlich für x den Erwerb von akademischen Fähigkeiten (Lesen, Schreiben, Rechnen) und x für das strukturierte Lernen in der Grundschule (Sundberg & Partington, 1998). 4.5.3 Natural Environment Teaching (NET) Das NET, auch als Natürliches Lernformat bezeichnet (Natural Language Paradigm), wurde von Koegel und Koegel 1988 aus sprachtherapeutischen Ansätzen heraus entwickelt (Koegel & Koegel, 2006). In der Weiterentwicklung des Natural Language Paradigm entstand das Training von Schlüsselverhaltensweisen (pivotal response training). Beim NET ist der Unterricht zwar auf festgelegte Ziele ausgerichtet, jedoch liegt das Interesse oder die Motivation des Kindes vor. Deswegen ZHUGHQ ÄQDWUOLFKH 6WLPXOL XQG natürliche Verstärker, um den Kindern auch komplexe soziale Verhaltensweisen EHL]XEULQJHQ³ eingesetzt (Freitag, 2008a, S. 109). Die Aufgaben sind in QDWUOLFKH $OOWDJVVLWXDWLRQHQ HLQJHEHWWHW XQG EH]LHKHQ GLH Ä6SRQWDQHLWlW Wünsche und AktivitlWHQGHV.LQGHV³ (Baude & Noterdaeme, 2010b, S. 251) mit ein. Zentrales Ziel des NET ist es, die Generalisierung von im ITT erlernten Fähigkeiten zu fördern, zu generalisieren und dem Kind Verhaltensweisen beizubringen, mit denen es auf Anforderungen seines Umfelds angemessen regieren kann. Sundberg und Partington empfehlen den Einsatz von NET für x den Erwerb der ersten Fähigkeiten der Bedürfnisäußerung, x den Erwerb der Fähigkeit, generell Instruktionen zu befolgen (compliance), x Unterrichtskontrolle, x Pairing und x generell für soziales Lernen (Sundberg & Partington, 1998). 4.5.4 On-The-Move-Training (OMT) Beim OMT ist der Unterricht nicht auf vorher festgelegte Ziele ausgerichtet. Stattdessen zeigt das Kind von sich aus Interesse und Motivation. Der Ansatz des zufälligen Unterrichtens ÄLQFLGHQWDO WUDLQLQJ³ ZXUGH LQVEHVRQGHUH LQ 42 Zusammenhang mit dem Erlernen von Sprache von Hart und Risley eingeführt +DUW5LVOH\%HLP207JHKWHVGDUXPGHP.LQGYLHOIlOWLJHÄ]XIlOOLJH³ Lernmöglichkeiten zu bieten. Beispielsweise ist im Lernprogramm nicht YRUJHVHKHQGHP.LQGGLH)lKLJNHLWÄ%URWVFKPLHUHQ³]Xbeizubringen. Wenn das Kind aber nun ein Brot haben möchte und zusammen mit dem Vater in der Küche ist, kann versucht werden dem Kind mithilfe von Prompts, Chaining und Shaping das nicht gHSODQWH =LHO Ä%URW VFKPLHUHQ³ beizubringen. Wie beim NET auch wird der Eigeninitiative des Kindes viel Raum gegeben und das Unterrichten durch OMT fördert die Generalisierung von bereits erlernten Verhaltensweisen. Kombiniert sollten ITT, NET und OMT nach Sundberg und Partington bei folgenden Lernzielen eingesetzt werden: x Fragen und Bitten stellen, x Benennungsfähigkeiten, x rezeptiver Spracherwerb, x motorische Imitation, x verbale Imitation und x erste Konversationsfähigkeiten (Sundberg & Partington, 1998). 4.6 Lernmethoden bei ABA/VB Bei ABA/VB wird eine Vielfalt an Methoden eingesetzt, um das Kind zu fördern und zu unterrichten. Im Folgenden werden die wichtigsten Methoden vorgestellt. 4.6.1 Unterrichten von Mands ABA/VB liegt viel Wert darauf, dass Kinder lernen, ihre Bedürfnisse zu äußern. Solche formalisierten Bedürfnisäußerungen, Mands, werden als Schlüsselfähigkeiten angesehen, die beim Erwerb weiterer Fähigkeiten hilfreich sein können (Bosch & Fuqua, 2001). Wenn ein Kind lernt, seine Bedürfnisse in angemessener Form zu äußern, kann es sich Zugang zu verstärkenden Gegenständen oder Aktivitäten verschaffen. Dies verringert die Auftretenswahrscheinlichkeit von unerwünschtem Verhalten. Ein Mand macht sich die Eigenschaften des natürlichen MO zunutze und befähigt so das Kind, durch sprachliches Verhalten zu dem zu gelangen, was es möchte (Schramm & Claypool-Frey, 2009). 43 4.6.2 Shaping Shaping kann mit Ä)RUPHQ XQG 8PIRUPHQ YRQ 9HUKDOWHQVZHLVHQ³ (Freitag, 2008a, S. 106) übersetzt werden. Es erfolgt eine sukzessive Annäherung an das Zielverhalten bei differentieller Verstärkung. Dies ist insbesondere bei dem Erlernen von komplexen motorischen Abläufen oder dem Erlernen von sprachlichen Lauten sinnvoll (Freitag, 2008a). Das Kind wird für jedes Verhalten verstärkt, das dem Zielverhalten ähnlich ist. Wenn das Kind ein Verhalten, das dem Zielverhalten ähnelt, kontinuierlich beherrscht, wird die Verstärkung immer weiter an eine Verstärkung für das Zielverhalten angenähert. Schließlich wird nur noch das eigentliche Zielverhalten verstärkt. Ein Vorteil dieser Methode ist, dass das Kind nur wenige Misserfolge hat und deshalb motiviert ist und es auch bleibt. Ein Nachteil besteht darin, dass es sehr lange dauern kann, bis ein gewünschtes Verhalten erlernt wird (Lovaas, 2003). Zudem ist es erforderlich, dass das Zielverhalten sehr genau in Approximationsstufen untergliedert und deren Erreichung genau registriert wird (Poustka, 2009). 44 4.6.3 Chaining &KDLQLQJ 9HUNHWWXQJ ÄEDXW NRPSOH[Hs Verhalten durch die Kombination einfacher Verhaltensweisen auf, die in Sequenzen ein einziges komplexes VerKDOWHQIRUPHQ³0DW]LHV6 96). Es gibt zwei Arten von Chaining: zum Einen das so genannte Forward Chaining (Vorwärtsverkettung), bei dem mit dem ersten Schritt der Verhaltenskette begonnen wird. Zum anderen gibt es das so genannte Backward Chaining (Rückwärtsverkettung), bei dem mit dem letzten Schritt der Verhaltenskette begonnen wird. Um Verhalten nachhaltig zu verketten, müssen, so Lovaas, vier Schritte befolgt werden (Lovaas, 2003)20: x Das Zielverhalten muss identifiziert werden. x Das Zielverhalten muss in kleine Schritte aufgeteilt werden. x Die einzelnen Schritte müssen dem Kind beigebracht werden, wobei separate Instruktionen verwendet werden sollten und jeder Schritt einzeln verstärkt werden sollte. x Die einzelnen Instruktionen sowie Prompts und Verstärkungen sollten mit der Zeit langsam ausgeblendet werden, bis es nur noch eine Instruktion am Anfang der Kette und eine Verstärkung am Ende der Kette gibt. 4.6.4 Pairing Elementar für jede Intervention nach ABA/VB ist der Beziehungsaufbau. Es wird davon ausgegangen, dass ein Kind nur lernen kann, wenn es motiviert ist. Dazu muss zunächst der Aufbau einer positiven Beziehung stattfinden. Das erste Lernziel ist die Vermittlung der Erfahrung, dass das Zusammensein mit Menschen, insbesondere den Eltern, Spaß machen kann. Bevor begonnen werden kann, das Kind zu unterrichten, muss daher Pairing praktiziert werden: Der/die Lehrende21 beschäftigt sich mit dem Kind und lässt sich dabei von dessen Interessen leiten. Das Kind soll die Erfahrung machen, dass die Beschäftigung mit einem Spielzeug gemeinsam mit einer Bezugsperson ihm mehr Spaß bringen kann als 20 Jan soll beispielsweise lernen, sich selbstständig die Zähne zu putzen. Die Zielformulierung ODXWHWÄ-DQNDQQHLJHQVWlQGLJGLH=lKQHSXW]HQ³'LH(LQ]HO]LHOHN|QQWHQVHLQÄ-DQNDQQ =DKQEUVWHKDOWHQ³Ä-DQNDQQ=DKQSDVWDDXI=DKQEUVWHDXIWUDJHQ³Ä-DQNDQQ:DVVHUKDKQDXIXQGDEGUHKHQ³XQGÄ-DQNDQQ=DKQEUVWHLP0XQGEHZHJHQ³ 21 Welche Personen dies bei einer häuslichen ABA/VB-Förderung sein können, wird in Kapitel 4.6.2 noch näher erläutert. 45 die selbständige Beschäftigung damit. Es soll generell den Kontakt zu Menschen und somit die Lernsituation als etwas Positives erleben. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es gerne mitarbeiten wird. Um das für Menschen mit ASS typische Ausweichverhalten zu vermeiden, muss der/die Lehrende während der Pairingsituation über Verstärkerkontrolle verfügen. Das bedeutet, dass sämtliche Verstärker in Besitz der behandelnden Person sein müssen. Es darf nichts, für das sich das Kind interessieren könnte, frei zugänglich sein. Das Kind darf sich, wenn es möchte, mit seinen Verstärkern beschäftigen, jedoch nicht alleine. Das heißt, dass ihm nicht erlaubt werden darf, sich sein Lieblingsspielzeug zu nehmen und sich damit zurückzuziehen22 (Schramm, 2007). Durch Variationen und Kombinationen verschiedener Verstärker, gekoppelt mit Interaktionen, soll das Kind die Erfahrung machen, dass ihm das Zusammensein mit Menschen Spaß machen kann und dass dies interessanter als das selbständige Spiel sein kann. Hier kommt das Prinzip der transitiven CMO zur Anwendung (siehe Kapitel 4.3.1.1.2). Idealerweise sollte jede Zeit der Beschäftigung mit dem Kind zu drei Vierteln aus Pairing bestehen; nur ein Viertel der Zeit sollte durch gezieltes Bearbeiten von Aufgaben in Anspruch genommen werden (Schramm, 2007). 4.6.5 Unterrichtskontrolle Neben dem oben beschriebenen Beziehungsaufbau ist eines der ersten Ziele das Erlangen der Unterrichtskontrolle. Sundberg und Michael gehen bei einer nicht vorhandenen Unterrichtskontrolle davon aus, dass das Kind mit verweigerndem oder unerwünschten Verhalten reagiert, wenn es eine Aufgabe gestellt bekommt (Sundberg & Michael, 2001). Schramm und Claypool-Frey zufolge kann Unterrichtskontrolle durch folgende Schritte erreicht werden: x Koppelung von neutralen oder negativ besetzten Reizen23 mit bestehenden Verstärkern. Durch diesen Prozess, der auch StimulusStimulus-Pairing genannt wird, können neutrale oder negativ besetzte Reize zu positiven konditioniert werden (siehe auch Kapitel 4.3.1.1.2). 22 Dies stellt einen wichtigen Schritt zur Erlangung der Unterrichtskontrolle dar, die im nächsten Kapitel (4.6.5) erläutert wird. 23 Wie zum Beispiel das am Tisch-Sitzen, bestimmte Unterrichtsmaterialien oder Instruktionen. 46 x Wenn ein erfolgreicher Beziehungsaufbau (Pairing) stattgefunden hat, PXVV GDUDXI JHDFKWHW ZHUGHQ GDVV ÄGHU hEHUJDQJ YRQ QLFKW YHUKDOWHQVDEKlQJLJHU « 9HUVWlUNXQJ ]XU 9HUVWlUNXQJ IU die Lösung YRQ 8QWHUULFKWVDXIJDEHQ « NDXP ZDKUQHKPEDU LVW³ (Schramm & Claypool-Frey, 2009, S. 264). Besonders der zweite Schritt zur Erlangung der Unterrichtskontrolle macht deutlich, dass es wichtig ist, die Aufgabenanforderungen in einem ausgewogenen Verhältnis zu positiver Verstärkung stehen zu lassen um das Kind die Lernsituation als positiv erleben zu lassen. Schramm geht von sieben Schritten aus, die auf den Prinzipien von Verstärkung und Motivation aufbauen und zur Erlangung der Unterrichtskontrolle führen. Diese sind: 1. Dem Kind soll gezeigt werden, dass nur die Erwachsenen die Kontrolle über seine Lieblingsgegenstände besitzen, und dass nur sie entscheiden, ob und für wie lange es diese erhält und sich mit ihnen beschäftigen darf. 2. Dem Kind soll gezeigt werden, dass das Zusammensein mit anderen Menschen (insbesondere Eltern, Tutor/innen und Bezugspersonen) Spaß macht. Jede Interaktion sollte eine erfreuliche Erfahrung und so spaßig wie möglich für das Kind sein. Damit wird erreicht, dass das Kind sich an Aufforderungen hält, um dieses positive Zusammensein so oft und so lange wie möglich zu erleben (siehe auch Kapitel 4.6.4). 3. Dem Kind soll gezeigt werden, dass es Erwachsenen vertrauen kann. Deshalb soll immer klar und deutlich gesagt werden, was von dem Kind erwartet wird und vom Kind sollte immer erwartet werden, dass es jegliche Forderung erfüllt. Wenn das Kind aufgefordert wird, etwas zu tun, darf es keinen Zugang zu Verstärkung haben, bis es der Aufforderung nachgekommen ist. 4. Dem Kind soll gezeigt werden, dass sich das Befolgen von $XIIRUGHUXQJHQ ÄORKQW³ XQG GDVV dies der beste Weg ist, das zu bekommen, was es möchte. Um dem Kind Erfolgserlebnisse zu ermöglichen, sollen so oft wie möglich einfache Anforderungen 47 gestellt werden, die bei Befolgung zur umgehenden positiven Verstärkung führen. 5. Zu Beginn des Erlangens der Unterrichtskontrolle soll jede gewünschte Antwort oder Reaktion des Kindes verstärkt werden. Mit der Zeit soll dann das Prinzip der intermittierenden Verstärkung angewandt werden (siehe auch Kapitel 4.4.1.2.1). 6. Es soll das Prinzip der variablen Verstärkung angewandt werden. Dem Kind soll gezeigt werden, dass seine Vorlieben genau bekannt sind. 7. Dem Kind soll gezeigt werden, dass es keine Verstärkung erhält, wenn es Aufforderungen ignoriert oder unangemessenes unerwünschtes Verhalten zeigt (Schramm, 2007). 4.6.6 Fehlerfreies Lernen Auch der Einsatz des Prinzips des fehlerfreien Lernens trägt dazu bei, dass das Kind die Unterrichtssituation als positiv und erfolgreich erlebt. Durch die Ermöglichung von Erfolgserlebnissen kann das Kind in häufigen Kontakt mit positiver Verstärkung gebracht werden. Beim fehlerfreien Lernen werden dem Kind genügend Prompts gegeben, um sicher zu sein, dass es erfolgreich ist und für jedes angemessene Verhalten verstärkt wird. Durch Prompt-Fading und variable Verstärkung kann so das Kind ohne Frustration und Misserfolge neue Fähigkeiten erlernen. 4.6.7 Unterrichtsabwechslung Verschiedene Studien haben gezeigt, dass eine Mischung von Aufgaben, sowie Reizabwechslung ein unangemessenes und vermeidendes Verhalten beim Kind verringert und stattdessen die Motivation des Kindes erhöht (Dunlap & Koegel, 1980). Dies bedeutet, dass in einer Lerneinheit verschiedene Fähigkeiten unterrichtet werden sollten. Zudem sollten bereits erlernte und neue Fähigkeiten abwechselnd trainiert werden, um eine Überforderung des Kindes zu vermeiden. Studien belegen zudem GDVV ÄHLQ K|KHUHU $QWHLO YRQ HLQIDFKHQ XQG EHUHLWV erlernten Aufgaben zur ReduzierunJ YRQ 3UREOHPYHUKDOWHQ IKUW³ (Schramm & Claypool-Frey, 2009, S. 267). 48 4.6.8 Dokumentation Ä'DWHQEasierung ist beim Einsatz verhaltenstherapeutischer Programme REOLJDWRULVFK³(Schramm & Claypool-Frey, 2009, S. 268). Die Dokumentation soll Ä$XVJDQJVIlKLJNHLWHQ GHV MHZHLOLJHQ .LQGHV HUIDVVHQ /Hhrplanziele vorgeben XQG « GDV (UOHUQHQ YRQ )lKLJNHLWHQ PHVVHQ³ (Schramm & Claypool-Frey, 2009, S. 263). In traditionellen ABA-Interventionen wurde jeder Trail dokumentiert. Da dies bei ABA/VB aufgrund der vielfältigen natürlichen Unterrichtssituationen nicht mehr realisierbar ist, ZHUGHQKlXILJ³first cold probe GDWD³ HUVWH YRUOlXILJH 9HUVXFKVGDWHQ JHVDPPHOW 'LHV JHVFKLHKW folgendermaßen: x Zu Beginn einer Unterrichtseinheit müssen vom Kind die aktuellen Aufgaben ohne Prompts bearbeitet werden, um zu testen, ob das Kind die entsprechende Fähigkeit beherrscht. x Das Ergebnis der Testung wird folgendermaßen vermerkt: S+ = schnelles selbstständiges Bearbeiten; S- = langsames selbstständiges Bearbeiten und W = Weigerung. x Nach der Unterrichtseinheit oder am Ende des Tages wird für die einzelnen Fähigkeiten erneut eine Testung durchgeführt. Dieses Mal wird auch das nötige Prompt vermerkt. x Erst wenn ein Kind über die Mindestdauer von drei Tagen hinweg eine Fähigkeit mit dem Kriterium S zeigt, gilt diese als gemeistert. Diese kontinuierliche Dokumentation24 erleichtert es, bei mehreren Lehrenden den Überblick darüber zu behalten, welche Fähigkeiten das Kind bereits beherrscht und bei welchen es noch Hilfestellung benötigt. Bei ABA/VB werden die Fähigkeiten häufig sowohl zu Beginn, als auch im Verlauf der Förderung mithilfe des Assessment of Basic Learning and Language Skills (ABLLS-R) eingestuft und dokumentiert. Dieses Instrument wird im folgenden Kapitel vorgestellt. 24 Im Anhang 9.2 ist ein Beispiel zu finden. 49 4.6.8.1 Assessment of Basic Learning and Language Skills - Revised (ABLLS-R) Das Buch Assessment of Basic Learning and Language Skills, kurz ABLLS, wurde 1998 von Sundberg und Partington in Zusammenarbeit mit dem USUnternehmen Behavior Analysts Inc., EDVLHUHQG DXI 6NLQQHUV %XFK Ä9HUEDO %HKDYLRU³ Hntwickelt und veröffentlicht. 2006 wurde ein modifiziertes ABLLSBuch, das ABLLS-Revised (ABLLS-R) von Partington herausgegeben, welches sich allerdings nur geringfügig von der älteren Version unterscheidet. Das ABLLS-R ist ein Prozessdiagnostikum, bestehend aus 25 einzelnen Pfaden zur Einschätzung von verschiedenen Sprach- und Lernfähigkeiten. Es ist in folgende vier Subgruppen gegliedert: die einfachen Lernfähigkeiten (A-P)25, die akademischen Fähigkeiten (Q-T), die Selbsthilfefähigkeiten (U-X) und die motorischen Fähigkeiten (Y-Z). Diese Subgruppen haben wiederum bis zu 57 Unterpunkte, so dass insgesamt 544 Fähigkeiten aufgelistet sind. Jeder Unterpunkt enthält bis zu vier Kriterien für den Grad der Ausprägung der Fähigkeit. Nach Aussage von Sundberg und Partington umfasst die Auflistung der ABLLS-R alle Fähigkeiten, die ein neurotypisch entwickeltes Kind im Vorschulalter erworben haben sollte. Es sind bislang keine vergleichenden Standardnormen vorhanden, demnach repräsentieren die in den ABLLS-R vermerkten Fähigkeiten die auf Erfahrungswerten beruhende Einschätzung der beiden Wissenschaftler. Im Folgenden wird erläutert, wie eine ABLLS-R-Einstufung vorgenommen wird. 4.6.8.2.ABLLS-R-Einstufung Durch das bestimmte Vorgeben eines Reizes eines/einer ABA/VB-Berater/in soll bei dem Kind eine bestimmte Reaktion hervorgerufen werden, die anschließend bewertet wird. So kann der/die ABA/VB-Berater/in für jeden Fähigkeitsbereich eine Einschätzung vornehmen. In Microsoft-Excel-Tabellen werden die getesteten und vorhandenen Fähigkeiten des Kindes bei jedem Beratungstermin in einer anderen Farbe markiert. Dies bietet sowohl für die Eltern, als auch für das behandelnde Team eine schnelle Übersicht, in welchen Bereichen das Kind Fortschritte erzielen konnte. Es folgt eine Übersichtsliste über die 25 Pfade der ABLLS-R mit Erklärung26: 25 Buchstabe O ist bislang nicht benannt. 26 Da das ABLLS-R bislang nur in englischer Sprache vorliegt, wurde die deutsche Übersetzung von mir vorgenommen und ist daher nicht standardisiert, bzw. zertifiziert. 50 A. Die Verstärkereffektivität und Kooperation (A1 - A19, 30 Kriterien) zeigt an, wie gut ein Kind auf Motivation und Verstärkung reagiert / antwortet. B. Die visuelle Leistungsfähigkeit (B1 - B27, 76 Kriterien) zeigt die Fähigkeit des Kindes an, Dinge wie Puzzle oder Bilder visuell zu interpretieren. C. Die rezeptive Fähigkeit (C1 ± C 57; 162 Kriterien) beschreibt die Fähigkeit eines Kindes, Sprache zu verstehen. D. Die motorische Imitationsfähigkeit (D1- D27; 46 Kriterien) zeigt die Fähigkeit des Kindes an, motorische Bewegungen von Anderen zu imitieren. E. Die sprachliche Imitationsfähigkeit (E1 - E20; 36 Kriterien) zeigt die Fähigkeit des Kindes an, Laute und Worte von Anderen zu imitieren. F. Die Bedürfnisäußerung (F1-F29; 68 Kriterien) zeigt die Fähigkeit des Kindes an, Bedürfnisse zu äußern. Wird auch als Manding, abgeleitet von dem von Skinner definierten verbalen Operant Mand, bezeichnet. G. Die Benennungsfähigkeit (G1 ± G 47; 142 Kriterien) zeigt die Fähigkeit des Kindes an, Objekte und ihre Funktionen sowie Eigenschaften und Klassen zu benennen. H. Die intraverbale Fähigkeit (H1 - H49; 164 Kriterien) zeigt die Fähigkeit des Kindes an, auf Worte zu reagieren, wenn kein Objekt oder Motivator präsent ist. I. Die Fähigkeit des spontanen Lautierens (I1 -I 9; 28 Kriterien) zeigt die Fähigkeit des Kindes an, Worte oder Laute ohne Hilfestellung zu verwenden. J. Die Syntax- und Grammatikfähigkeit (J1 - J20; 44 Kriterien) zeigt an, wie gut ein Kind Wörter und Sätze zusammenfügen kann. 51 K. Die Spiel- und Freizeitfähigkeit (K1 - K15; 36 Kriterien) Zeigt an, wie gut ein Kind alleine und in einer Gruppe spielen kann. L. Die soziale Interaktionsfähigkeit (L1 - L35; 58 Kriterien) zeigt die Fähigkeit des Kindes an, mit Gleichaltrigen und Erwachsenen zu interagieren. M. Die Fähigkeit in der sozialen Umgebung (M1 - M12; 34 Kriterien) zeigt an wie gut ein Kind in einer Gruppe (nicht in einer Eins-zu-Eins-Situation) lernen kann. N. Die Schulfähigkeit (N1 - N10; 24 Kriterien) zeigt an, wie gut ein Kind gewöhnlichen Schulroutinen und ±regeln folgen kann. P. Die Generalisierungsfähigkeit (P1 - P6; 12 Kriterien) zeigt die Fähigkeit an, gelernte Aufgaben zu generalisieren und im alltäglichen Leben oder neuen Situationen anzuwenden. Q. Die Lesefähigkeit (Q1 - Q17; 48 Kriterien) zeigt die Kenntnisse des Kindes beim Buchstabieren und Lesen von geschriebener Sprache an. R. Die Mathematikfähigkeit (R1 - R29; 72 Kriterien) zeigt die Fähigkeiten des Kindes im Bereich Zahlen, zählen, Größer-Kleiner-Gleich und einfacher Addition und Subtraktion an. S. Die Schreibfähigkeit (S1 - S10; 32 Kriterien) zeigt die Fähigkeiten des Kindes im Bereich von (Aus- und Ab)malen, Zeichnen und Schreiben an. T. Die Buchstabierfähigkeit (T1 - T7; 24 Kriterien) zeigt die Fähigkeit des Kindes zu buchstabieren. U. Die Anziehfähigkeit (U1 ± U 15; 32 Kriterien) zeigt die Fähigkeiten des Kindes an, sich selbstständig an- und auszuziehen. V. Die Essfähigkeit (V1 - V10; 20 Kriterien) zeigt die Fähigkeit des Kindes an, selbstständig zu essen und einfache Speisen selbst zuzubereiten. 52 W. Die Körperpflegefähigkeit (W1 - W7; 14 Kriterien) zeigt die Fähigkeit des Kindes an, selbstständig für die eigene Körperhygiene zu sorgen. X. Die Toilettengangfähigkeit (X1 ± X 10; 22 Kriterien) zeigt die Fähigkeiten des Kindes an, selbstständig auf die Toilette zu gehen. Y. Die grobmotorische Fähigkeit (Y1 - Y30; 28 Kriterien) zeigt die grobmotorischen Fähigkeiten, wie zum Beispiel Ballspielen, Schwimmen, Krabbeln, Rennen, Springen, etc. an. Z. Die feinmotorische Fähigkeit (Z1 ± Z28; 28 Kriterien) zeigt die feinmotorischen Fähigkeiten des Kindes, wie zum Beispiel Seiten umdrehen, Ausschneiden, Kleben, etc. an (Partington, 2006). Anhand des Beispiels der Fähigkeit A1 soll verdeutlicht werden, wie die Einschätzungen vorgenommen werden. Aufgabe Aufgaben- Aufgabenziel Frage Beispiel Kriterien Erläuterung name A1 Nimmt Wenn dem Wenn Sie dem Jan angebotenen Kind Verstärker bekannter bekannten Schokolade. verstärkender Verstärker Es wird ihm entweder nicht Schokolade Gegenstand präsentieren, wiederholt ein immer angeboten wird das Kind Stück ein Kind mag 1 = Nimmt den Jan einen gerne verstärkenden jedes Gegenstand das Stück braucht länger von dreier Sekunden Schokolade als diesen. angeboten. Sekunden, annehmen? Mal oder innerhalb wird, nimmt es diesen Verstärker nimmt drei und isst es 2= nimmt den auf. verstärkenden Demnach Gegenstand beherrscht er immer die Fähigkeit innerhalb drei A1 Sekunden. unter dem Kriterium 2. Abbildung 5: ABLLS-R-Fähigkeit A1 53 4.6.9 Fallbeispiel II Im Kapitel 4.3.2 wurden anhand eines Fallbeispiels die Analyse einer unerwünschten Verhaltensweise und die Veränderung der Konsequenz anhand eines Fallbeispiels beschrieben. Nun soll mithilfe der oben aufgeführten Methoden erläutert werden, wie ÃJanµ neue Verhaltensweisen beigebracht werden können, mit denen er in Zukunft sein Bedürfnis nach Nahrung in angemessener Form äußern kann. Da Jan nicht spricht, soll ihm zunächst mithilfe von Gebärden die Möglichkeit gegeben werden, sein Nahrungsbedürfnis zu äußern. Dies geschieht mithilfe des Unterrichtens von Mands. Aufgrund der Tatsache, dass Jan am liebsten Äpfel isst, wird ihm zunächst die Gebärde für Apfel, später die Gebärde in Zusammenhang mLW GHP /DXW Ä$³ XQG YRUHUVW zuletzt das :RUW Ä$SIHO³ Eeigebracht (Prozess des shapings). Aufgrund einer intensiven, spaßigen Beschäftigung seiner Eltern und zwei weiterer Lehrende mit Jan (Pairing), hat er bereits eine positive Beziehung zu ihnen aufgebaut. Das Erlernen und Üben der Gebärde, des Lautes und des Wortes kann im Intensive Trail Teaching als auch im Natural Environment Teaching stattfinden27. Beim ITT wird Jan von der/dem Lehrenden, unabhängig davon ob Jan hungrig ist oder nicht (also unabhängig vom MO), ein Stück Apfel präsentiert. Hier stellt der Apfel den SD dar, da er die Erreichbarkeit des 9HUVWlUNHUV VLJQDOLVLHUW +LQ]XJHIJW ZLUG HLQ ZHLWHUHU YHUEDOHU 6' Ä6DJ $SIHO³ Dabei macht der/die Lehrende die vorher festgelegte Gebärde28 für Apfel vor (Faust an Kinn). Wenn Jan die Aufforderung ohne Hilfestellung befolgen kann, wird er in Form von Lob und einem Stück Apfel verstärkt (positive Verstärkung). Wenn Jan die Aufforderung nicht sofort befolgt, wird ihm durch einen Prompt geholfen (Prinzip des fehlerfreien Lernens). Der/die Lehrende präsentiert den Apfel, sagt: ÄSag Apfel!³ QLPPW -DQV Hand und hilft ihm die Gebärde auszuführen (vollphysischer Prompt). 27 Da es ein geplantes Ziel ist, kann hier nicht im On-the-move-training unterrichtet werden. 28 Hierbei ist es nicht wichtig, für jedes Kind einheitliche Gebärden zu finden, bzw. sich an der internationalen Gebärdensprache zu orientieren. Vielmehr sollte darauf geachtet werden, dass die Gebärde eine einfache motorische Handlung darstellt, die von dem Kind bereits beherrscht wird, bzw. sehr leicht zu erlernen ist. 54 Daraufhin bekommt er als Verstärkung ein Apfelstück. Im weiteren Verlauf wird der Prompt langsam ausgeblendet (Promtfading), indem immer weniger Hilfestellung gegeben wird. Wenn Jan NRQWLQXLHUOLFK GHQ 0DQG Ä$SIHO³ VSRQWDQ XQG DXFK DXHUKDOE YRQ strukturierten Situationen beherrscht, kann damit begonnen werden, die Gebärde mit dem /DXWÄ$³]XYerknüpfen. Hierbei wird zunächst jeder von Jan produzierte Laut, der in Zusammenhang mit der Aufforderung: Ä6DJ $SIHO³ DXIWULWW, verstärkt. WeQQ -DQ GHQ /DXW Ä$³ LQ =XVDPPHQKDQJ PLW der Gebärde für Apfel beherrscht, kann der Einsatz der Gebärde langsam ausgeblendet werden und damit begonnen werden, LKPGDV:RUWÄ$SIHO³ beizubringen. Auch hier kommen wieder die oben beschriebenen Prinzipien zur Anwendung. Besonders sollte darauf geachtet werden, dass das Prinzip des fehlerfreien Lernens und eine variable Verstärkung angewendet wird. Jan sollte also erstens keine Misserfolge haben (bei unterschiedlichen Lehrenden hilft die Dokumentation, herauszufinden, welchen Prompt Jan zurzeit benötigt) und für besonders gute und schnelle Antworten mit einem größeren Stück Apfel belohnt werden als für verzögerte oder ungenaue Reaktionen. Auch das Prinzip der intermittierenden Verstärkung sollte angewandt werden. Zunächst muss Jan für jede positive Reaktion belohnt werden, also ein Stück Apfel erhalten, später nur noch für jede dritte oder vierte Reaktion. So lernt er, dass er nicht immer sofort eine Verstärkung erhält29. Beim Natural Environment Teaching läuft der Vorgang ähnlich wie beim Intensive Trail Teaching ab. Der Unterschied besteht jedoch darin, Jans natürliche Motivation zu nutzen. Dies kann zum Beispiel erfolgen, wenn die Familie am Essenstisch sitzt oder wenn Jan in einem Supermarkt ist und einen Apfel sieht. In jeder Situation also, in der Jan Hunger hat (MO) und ein Apfel vorhanden ist (SD), kann die Gebärde, beziehungsweise GHU/DXWÄ$³ RGHUGDV:RUWÄ$SIHO³, unterrichtet werden. Im weiteren Verlauf der Förderung können Jan immer mehr Mands beigebracht werden, so dass er ein Repertoire an angemessenen Verhaltensweisen aufbauen kann, die ihm ermöglichen, seine (Nahrungs-) Bedürfnisse in sozial verträglicher Form zu äußern. In der ABLLS-R-Einstufung wäre bei dem Mand mit Prompt und 29 Ein neurotypisches Kind würde normalerweise auch nicht immer alles auf Nachfrage erhalten. 55 präsentem Verstärker (Apfel) die Fähigkeit F2 mit dem Kriterium 1 und ohne Prompt die Fähigkeit F3 mit dem Kriterium 1 erlangt. 56 5. Applied Behavior Analysis und Verbal Behavior (ABA/VB) in Deutschland Zahlreiche Wissenschaftler/innen haben in der fast fünfzigjährigen Geschichte von ABA zur Erweiterung und Modifizierung der Methode beigetragen. So kann mittlerweile auf ein breites Repertoire an verhaltenstherapeutischen Interventionen für Kinder mit ASS zurückgegriffen werden. Bernard-Opitz beschreibt unter anderem Varianten wie Präzisionslernen, das ausführlich beschriebene Verbal Behavior, ÃNatürliches Lernenµ und das Training von Schlüsselfähigkeiten (Pivotal Response Training) (Bernard-Opitz, 2007; 2009). Keine dieser Methoden ist jedoch ausreichend evaluiert und kann den Anspruch erheben, IU DOOH .LQGHU PLW $66 ÄGLH ULFKWLJH³ ]X VHLQ %LVODQJ JLEW HV ÄQXU ZHQLJH $QVlW]H IU HLQH &KDUDNWHULVLHUXQJ YRQ Ä5HVSRQGHUQ³ XQG Ä1LFhtRespondern³IUEHVWLPPWH$%$-0HWKRGHQ³(Bernard-Opitz, 2009, S. 242). ABA/VB-Interventionen besitzen bislang in Wissenschaft und Praxis keinen hohen Stellenwert in Deutschland und waren bis vor ein paar Jahren nur mäßig bekannt (Keenan u. a., 2010). Erst durch die 2009 herausgegebene Studie des Health Technology Assessment (Weinmann u. a., 2009) scheint sich der Bekanntheitsgrad zu verändern. ABA/VB schein in Deutschland viele Kritiker zu haben. Dies wurde zum Beispiel in einer Diskussionsrunde im Anschluss an einen Vortrag von Kamp-Becker am 18. März 2011 auf dem zweiten Autismus-Kongress in Frankfurt deutlich. Sie UHIHULHUWHEHUGHQÄ9HUJOHLFKYRQ(OWHUQEDVLHUWHQ7KHUDSLHYHUIDKUHQEHL.LQGHUQ mit Autismus-Spektrum-6W|UXQJHQ³ Besonders kritisiert wurde das angebliche Versprechen mancher ABA-Anbieter, die Intervention könne, wenn sie nur intensiv und lange genug durchgeführt würde, eine vollständige Normalisierung der Entwicklung der betroffenen Kinder bringen. Zudem geht Kamp-Becker davon aus, dass die Ablehnungshaltung in Deutschland historische Gründe habe. So verstehen Viele unter ABA noch das Programm, welches (in den siebziger Jahren) von Lovaas entwickelt wurde und unter anderem auch aversive Konsequenzen enthält. Diese Anfänge von ABA würden in Deutschland als Ä'ULOO³, der GLH .LQGHU ]X Ä5RERWHUQ³ PDFKH angesehen und abwertend als Ä*XPPLElUFKHQWKHUDSLH³EH]HLFKQHW. Auch im angelsächsischen Sprachraum meint man, die in Deutschland übliche Denkweise so beschreiben zu können: ³7KHHUURQHRXVYLHZRI$%$DV³EDVHGRQ /RYDDVWKHUDS\´UDWKHUWKDQWKH other way around is only one of the problems in Germany because despite these recommendations the everyday reality of autism 57 interventions looks very GLIIHUHQW´(Keenan u. a., 2010, S. 213). Seit Kurzem taucht gehäuft der Begriff ÄAutismus-spezifische Verhaltenstherapie (AVT)³ 30 auf. Dieser wurde von Röttgers ins Leben gerufen und steht in Zusammenhang mit ABA. ,Q VHLQHP 9RUWUDJ Ä$utismus-Spektrum-Störungen: Evidenzbasierte Interventionen und die reale Versorgungssituation in 'HXWVFKODQG³ DP -XQL 2011 an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg definiert Röttgers AVT als Sammelbegriff für alle evidenzbasierten Interventionen bei Menschen mit ASS (Röttgers, 2011). Bernard-Opitz stellt den amerikanischen Begriff ABA dem deutschen Begriff der AVT gegenüber. Ihr zufolge ständen bei ABA eher die verhaltensanalytischen und bei AVT eher die therapeutischen Konzepte im Vordergrund. Daneben wird ABA, wie oben erwähnt, oft mit der (meist negativ besetzten) intensiven Frühförderung des Lovaas-Ansatzes in Verbindung gebracht (Bernard-Opitz, 2009). Des Weiteren würde AVT, eher als ABA, dem breiten Kontinuum an DXWLVPXVVSH]LILVFKHQ 3UREOHPYHUKDOWHQ JHUHFKW GD DXFK ÄNRJQLWLYH 97 IU ,QGLYLGXHQ DP REHUHQ (QGH GHV 6SHNWUXPV PLWHLQEH]RJHQ ZHUGHQ NDQQ³ (Bernard-Opitz, 2009, S. 242). In weiterer deutscher Fachliteratur lässt sich der Begriff AVT bislang nicht finden31. 5.1 Ausbildung Freitag bemerkt, dass viele der verhaltenstherapeutischen Interventionen für .LQGHU PLW $66 ÄHLQH VSH]LILVFKH $XVELOGXQJ GLH ELVKHU LQ 'HXWVFKODQG NDXP P|JOLFK LVW³ verlangen (Freitag, 2008a, S. 141). Auch Keenan und Andere bemängeln, dass ³fully trained and qualified behavior analysts are non-existent in WKH VWDWXWRU\ VHFWRU DQG DUH XUJHQWO\ QHHGHG³ XQG ZHLWHU ³*HUPDQy needs training courses at uQLYHUVLW\OHYHOV´(Keenan u. a., 2010, S. 137). 30 'LH$ENU]XQJ$97ZLUGLQGHU3V\FKRORJLHDXFKIUÄDSSDUDWLYH9HUKDOWHQVWKHUDSLH³XQd den Ä$QVWUHQJXQJVYHUPHLGXQJVWHVW³XQGÄAsthma-Verhaltenstraining³ verwendet. Apparative Verhaltenstherapie wird bei der Reinlichkeitserziehung von Kindern angewendet und bezeichnet die Anwendung von Klingelgeräten, die beim Einnässen des Kindes ein Signal abgeben (Fegert, 2010)'HU$QVWUHQJXQJVYHUPHLGXQJVWHVWGLHQWGHU(UIDVVXQJGHUÄ1HLJXQJYRQ6FKOHUQ VFKXOLVFKHQ$QVWUHQJXQJHQDXVGHP:HJ]XJHKHQ³(Myschker, 2008, S. 182). AsthmaVerhaltenstraining ist ein Verhaltenstraining für asthmakranke Kinder (Schneider & Margraf, 2009). 31 $XFKEHLGHU,QWHUQHWVXFKPDVFKLQHÄ*RRJOH³HU]LHOWHGHU6XFKEHJULIIÄ$XWLVPXVVSH]LILVFKH 9HUKDOWHQVWKHUDSLH³DP1 lediglich 88 Treffer, eine Vielzahl davon wies auf noch in diesem Jahr stattfindende Veranstaltungen hin, die wenigsten auf Forschungsvorhaben, Veröffentlichungen oder Therapie-Angebote. 58 Freitag betont dabei, dass die grundlegenden verhaltenstherapeutischen Prinzipien in anderen, in Deutschland etablierten (sonder)pädagogischen Ausbildungsgängen, erworben werden können, was deren Umsetzung in Kindergarten oder Unterricht ermöglicht (Freitag, 2008a). Dies widerspricht jedoch der Auffassung der Autism Special Interest Group (SIG) der Association for Behavior Analysis International. Diese Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, Nutzer/innen von ABA-Dienstleistungen, sowie die hochwertige wissenschaftliche Forschung bezüglich ABA zu unterstützen. Diese Organisation veröffentlichte 1998 die Ä&RQVXPHU*XLGHOLQHVIRU Identifying, Selecting, and Evaluating Behavior Analysts Working with Individuals with Autism 6SHFWUXP 'LVRUGHUV³ und modifizierte diese in den Jahren 2004 und 2007 In diesen Richtlinien wird ausdrücklich der Einsatz von Verhaltensanalytiker/innen, die durch das Behavior Analyst Certification Board (BACB) zertifiziert sind, bei ABA-Förderprogrammen für Kinder mit einer ASS empfohlen (Autism Special Interest Group (SIG) of the Association for Behavior Analysis International, 2007). Das BACB ist eine Non-Profit-2UJDQLVDWLRQGLHJHJUQGHWZXUGHÄWRPHHW certification needs identified by FRQVXPHUVVXFKDVVWDWHJRYHUQPHQWV´ (Matson, 2009, S. 12). Das BACB akkreditiert die Ausbildung von BCBAs (Board Certified Behavior Analysts) und BCaBAs (Board Certified assistance Behavior Analysts). Ein BCBA ist zurzeit die Ausbildung der mit der höchsten Qualifikation im Bereich der angewandten Verhaltensanalyse im angelsächsischen Raum. Zum jetzigen Zeitpunkt umfasst die BACB circa viertausend Absolventen in zwanzig verschiedenen Ländern. Um das Zertifikates eines BCaBAs zu erlangen, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: x ein Bachelorabschluss in Verhaltensanalyse oder einem verwandten Studiengang, x 255 Theoriestunden über Verhaltensanalyse32, x 1500 praktische Arbeitsstunden unter der Supervision eines BCBA. Die Erlangung eines BCBA-Zertifikates verlangt neben den oben aufgeführten Kriterien auch einen Masterabschluss in Verhaltensanalyse oder einem ähnlichem Studiengang. 32 Diese entfallen, wenn bereits nachweisbare theoretische Kenntnisse über Verhaltensanalyse durch eine Lehrtätigkeit, Veröffentlichungen oder eine Doktorarbeit erworben wurden. 59 In Europa gibt es zurzeit etwa hundert Personen mit BCBA- und BCaBAAbschluss, von denen allein 72 in Großbritannien und lediglich sechs, die in Deutschland registriert sind33. Vergleicht man nun (sonder)pädagogische und therapeutische Ausbildungsgänge in Deutschland mit den Standards einer BCBA-Ausbildung, wird deutlich, dass ein BCBA wesentlich mehr theoretische und praktische Kenntnisse der angewandten Verhaltensanalyse vermittelt, als ein (sonder)pädagogisches oder psychologisches Studium in Deutschland. Auch die drei- bis fünfjährige Jugendlichenpsychotherapeut/in Ausbildung mit dem zum/zur Schwerpunkt Kinder- und Verhaltenstherapie enthält derzeit nur wenige theoretische und praktische Elemente im Bereich der Verhaltensanalyse. Keenan und Andere bestätigen, dass bis zum jetzigen Zeitpunkt ÄWKH %&%$ V\VWHP LV QRW IRUPDOO\ FRPSDWLEOH ZLWK DFDGHPLF SV\FKRWKHUDS\WUDLQLQJLQ*HUPDQ\³(Keenan u. a., 2010, S. 137). Bislang scheint es, als würde die Anerkennung und Etablierung von BCBAs in Deutschland an der Unvereinbarkeit des amerikanischen und des deutschen Sozialsystems scheitern. Es gibt zurzeit jedoch einige Ansätze, dem Mangel an qualifizierten Kräften entgegenzutreten und die Situation in Deutschland zu verbessern. Im Mai 2011 wurde die Deutsche Gesellschaft für Verhaltensanalyse e.V. (DGVA) von den in Deutschland agierenden BCBAs und BCaBAs gegründet. Die DGVA hat es sich zum Ziel gesetzt, eine dem BCBA gleichwertige Ausbildung in Deutschland zu etablieren und auch an die internationale ABA-Forschung in Deutschland anzuknüpfen. Wie dies in der Praxis umgesetzt werden soll, ist bislang jedoch nicht bekannt. Ein Anfang könnte der seit dem Wintersemester 2010 / 2011 an der Fachhochschule Münster angebotene Masterstudiengang Ä&OLQLFDO&DVHZRUN³mit dem 0RGXO ÄVerhaltenstherapeutische Interventionen bei Autismus-SpektrumStörungen³ sein. In Bremen wird vom Institut für Autismusforschung (IFA) in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V (DGVT) bereits zum vierten 0DOGLHÄ)RUWELOGXQJLQ$XWLVPXVWKHUDSLH³DQJHERWHQGLHXQWHU$QGHUHP HLQH Ä(LQIKUXQJ LQ GLH KRFKZLUNVDPH DXWLVPXVVSH]LILVFKH 9HUKDOWHQVWKHUDSLH $97³,)$-Bremen, 2011) bietet. Um die wissenschaftliche und praktische Qualität von ABA/VB zu erhalten, 33 Frankreich: 8, Schweiz: 1, Schweden: 6, Polen: 2; Niederlande: 3, Italien: 8, Griechenland: 2 (Behavior Analyst Certification Board, 2011). 60 umzusetzen und für alle Kinder mit ASS verfügbar zu machen, bedarf es einer intensiven und spezifischen Ausbildung, die sich in Deutschland erst noch großflächig etablieren muss. 5.2 Home-based-intervention Aufgrund der oben geschilderten Situation in Deutschland finden zurzeit hauptsächlich home-based-interventions, also Interventionen im häuslichen Umfeld der Kinder statt. ABA/VB ist in jeder Institution, in der mit Kindern mit ASS gearbeitet wird, einsetzbar. Bei einer home-based-intervention sollte das Förder-Team aus einem Board Certified Behavior Analyst (BCBA)34, das heißt aus einem oder einer Verantwortlichen, und mehreren Tutor/innen35 bestehen. Für die Tätigkeit als Tutor/in ist keine spezielle Ausbildung vonnöten, es sollte jedoch Spaß an der Arbeit mit dem Kind, ein grundlegendes Verständnis von ASS und eine intensive Einarbeitung in das Thema ABA/VB gewährleistet sein. Die oder der Verantwortliche informiert die Eltern, führt eine umfassende Verhaltensanalyse durch, nimmt die Einstufung anhand der ABLLS-R vor, legt gemeinsam mit den Eltern die Förderziele fest, modifiziert und evaluiert diese und leitet die Tutor/innen und Eltern in der praktischen Arbeit mit dem Kind an. In Kapitel 5.5.1 wird die Zusammensetzung des behandelnden Teams und der Ablauf einer home-based-intervention nach ABA/VB anhand des Instituts Knospe-ABA genauer erläutert. 5.3 Finanzierung ASS wird LQ'HXWVFKODQGDOVHLQH.UDQNKHLWHLQJHVWXIWGLHQLFKWÄKHLOEDU³LVW Der gemeinsame Bundesausschuss (GBA) der (Zahn-) Ärztinnen und (Zahn-) Ärzte, Psychotherapeut/innen und der Krankenhäuser in Deutschland bestimmt anhand von Leitlinien den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Diese Leitlinien legen fest, welche Leistungen der medizinischen Versorgung von den Krankenkassen erstattet werden. In der Auflistung der anerkannten Therapien ist für Menschen mit ASS keine Therapie indiziert, die von den Krankenkassen übernommen würde. Daher ist die gesetzliche Krankenversicherung bislang nicht verpflichtet, eine Therapie (wie dies bei 34 In jedem Fall sollte ein BCBA die Förderung und die daran beteiligten Lehrenden supervisieren. 35 Häufig wird auch das Wort Co-Therapeut/in verwendet. 61 anderen Krankheiten der Fall ist) zu zahlen. Stattdessen wird die Finanzierung von autismusspezifischen Interventionen durch die Sozial- und Jugendämter realisiert. Lediglich die Behandlung der komorbiden Störungen kann eventuell über die Krankenkassen abgerechnet werden. Grundsätzlich bestehen folgende gesetzliche Möglichkeiten, Kinder mit ASS zu behandeln und zu fördern: x Das Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz (SGB VIII) garantiert in §35a .LQGHUQ GLH ÄVHHOLVFK³ EHKLQGHUW RGHU YRQ HLQHU VHHOischen Behinderung bedroht sind, einen Anspruch auf Eingliederungshilfe. Diese Leistungen werden von den Jugendämtern gewährt x Der Anspruch auf Eingliederungshilfe, den Kinder und Jugendliche haben, GLH ÄN|USHUOLFK RGHU JHLVWLJ³ EHKLQGHUW VLQG RGHU YRQ HLQHr solchen Behinderung bedroht sind, leitet sich aus dem Rehabilitationsrecht (SGB XII, §§53ff) her. Dieses Gesetzbuch ist der Nachfolger des ehemaligen Bundessozialhilfegesetzes; die Leistungen werden von den Sozialämtern gewährt. x Früherkennung von Krankheiten, Krankenbehandlungen und medizinische Rehabilitation werden vor allem von Ärztinnen und Ärzten und anerkannten Psychotherapeut/innen erbracht und von den Krankenkassen bezahlt (SGB V). Es erschließt sich ohne Weiteres, dass bei ASS die Abgrenzung zwischen geistiger und seelischer Behinderung nicht leicht fallen kann. Auch die wissenschaftliche Frage, ob ASS eine Behinderung oder eine Krankheit ist, erzwingt praktische Konsequenzen: Nach Rehabilitationsrecht dürfen nur Leistungen gewährt werden, wenn eine nach ICD-10 eingestufte Behinderung vorliegt, nicht bei Krankheit oder Erziehungsdefiziten. Die Unsicherheit für Kostenträger und Eltern wird verstärkt durch die in dieser Master-Arbeit diskutierte Frage, welche Art der Förderung die richtige für Kinder mit ASS ist. Außerdem kann das Interesse der Kostenträger, eigene Kosten zu minimieren, zu Unsicherheiten für die betroffenen Familien führen. Grundsätzlich sind die Leistungen nach SGB VIII und IX nachrangig; sie werden nicht getragen, wenn es andere Möglichkeiten gibt, die Kosten zu tragen, beziehungsweise gehen die Träger nur in Vorleistung (Subsidaritätsprinzip). Die Bundesregierung sieht dies 62 NULWLVFK Ä'LH XQWHUVFKLHGOLFKH %HKDQGOXQJ VHHOLVFK EHKLQGHUWHU -XQJHQGOLFKHU einerseits und körperlich und geistig behinderter Kinder andererseits führt in der 3UD[LVLPPHUZLHGHU]X=XVWlQGLJNHLWVVWUHLWHUHLHQ³:LHVQHU6 Dabei sah der Gesetzgeber die Notwendigkeit der Frühförderung von Kindern durchaus: Die Paragraphen 30 und 56 SGB IX geben den Eltern von Kindern mit %HKLQGHUXQJHQ GHQ $QVSUXFK DXI ÄHLQKHLWOLFKH .RPSOH[OHLVWXQJHQ « 6LH umfassen therapeutische, psychologische, heilpädagogische, sonderpädagogische sowie psychosoziale Leistungen und die Beratung der Erziehungsberechtigten, in der Regel durch interdisziplinäre Frühförderstellen oder sozialpädiatrische Zentren. Eine in 2003 in Kraft getretene Verordnung enthält die erforderlichen Bestimmungen zur Abgrenzung der Leistungen und zur .RVWHQWHLOXQJ]ZLVFKHQGHQ5HKDELOLWDWLRQVWUlJHUQ³+aines, 2006, S. 467). Zurzeit werden Interventionen für Menschen mit ASS meist über die Autismustherapiezentren (ATZ) in Form von zwei ambulanten wöchentlichen Therapiesitzungen, die in der Regel eine Dreiviertelstunde dauern, geleistet. Diese verfolgen jedoch häufig keinen einheitlichen Gesamt-7KHUDSLHSODQ Ä« the everyday reality of autism interventions looks very different. Most so-called autism therapy centers choose an eclectic, polypragmatic approach mainly based on therapist preference, i.e., every therapist does what he or she thinks might be XVHIXO´(Keenan u. a., 2010, S. 131). Röttgers betont ebenfalls, dass die Therapie in ATZ sich häufig nicht nach evidenzbasierten Interventionsansätzen, sondern nach Vorliebe und Qualifikation der Therapeut/innen richtet (Röttgers, 2011). Eltern, die sich mit den zweistündigen ambulanten Therapiesitzungen in den ATZ nicht zufrieden geben wollen und sich aufgrund eigener Recherchen für eine intensive ABA/VB-Therapie ihres Kindes entscheiden, werden vor das Problem gestellt, selber die Finanzierung organisieren zu müssen ³« LQ*HUPDQ\ « statutory ABA-based services that are free to the end user are virtually nonexistent. In most cases parents still lose their fight for funding home-based early intensive behavioral intervention programs and end up funding them themselves´ (Keenan u. a., 2010, S. 125). Dies bedeutet meist einen erheblichen behördlichen Aufwand und ist nicht zuletzt abhängig vom sozialen Status der Eltern und von der persönlichen Einschätzung des/der Amtsarztes/Amtsärztin oder des zuständigen Sozialamtes. 63 Zusätzlich zu den oben beschriebenen Finanzierungsmöglichkeiten können folgende Leistungen der Pflegekasse in Anspruch genommen werden: Das Pflegegeld, welches, abhängig von der festgestellten Pflegestufe, monatlich gezahlt wird; die Verhinderungspflege, die einmalig für bis zu 28 Kalendertage im Jahr gezahlt wird und die sogenannte erhöhte zusätzliche Betreuungsleistung, die über einen anerkannten Pflegedienst abgerechnet werden muss. 'LH3IOHJHNDVVHILQDQ]LHUWMHGRFKQXU%HWUHXXQJXQGNHLQHÄ7KHUDSLH³'HPQDFK können die Ansprüche an die Pflegekasse offiziell nicht die Finanzierung von Tutor/innen für eine intensive ABA/VB-Intervention unterstützen. Die Rechtslage ist sehr komplex und es sind oft langwierige Prozesse notwendig um den Anspruch einzuklagen36. 5.4 ABA/VB-Anbieter in Deutschland In Deutschland gibt es zurzeit vier kommerzielle Anbieter von ABA/VB, die eine home-based-intervention nach dem oben beschriebenen Modell anbieten. Dazu zählen das Melody Learning Center in Donaueschingen, die Praxis von Mareike Overhof in Göttingen, die Praxis von Cathrin Wolf in Braunschweig und das Institut Knospe-ABA in Hespe. Es sind auch noch die Praxis von Melanie Taxer in Rosenheim, Bautismus in Bruchsal das Early Autism Projekt in Stuttgart und das Bremer Elterntraing (BET) in Bremen zu nennen. In diesen Institutionen wird allerdings nicht explizit nach ABA/VB, sondern eher nach dem klassischen ABAAnsatz unterrichtet37. Die erste und bislang größte Institution, die home-based-interventions für Kinder mit ASS in Deutschland anbietet, ist das Institut Knospe-ABA. Da die in Kapitel 6. beschriebene empirische Studie mit Daten von Kindern, die durch das Institut Knospe-ABA betreut werden, realisiert wurde, soll das Institut Knospe-ABA und seine Arbeitsweise im folgenden Kapitel vorgestellt werden. 36 Dies wird in zahlreichen Internetforen, in denen sich betroffene Eltern austauschen können, deutlich. So zum Beispiel auf den Webseiten des Bundesverband ABA-Eltern e.V. (ABA-Eltern e.V., 2011) 37 Alle Adressen sind im Literaturverzeichnis zu finden. 64 5.5 Das Institut Knospe-ABA Das Institut Knospe-ABA wurde im Jahr 2004 von Robert Schramm (MA, BCBA) und seiner Frau Nadine Knospe gegründet und ist in Deutschland das am längsten praktizierende Institut mit den meisten Klient/innen, das eine Förderung nach ABA/VB für Kinder mit ASS anbietet. Der Name, der sich aus dem Nachnamen von Nadine Knospe ergibt, soll gleichzeitig ein Sinnbild für die Entwicklung eines Kindes mit Autismus darstellen. Zusammen mit seinem Team bietet Robert Schramm Workshops und Beratungen für Familien mit Kindern mit ASS und ähnlichen Entwicklungsstörungen in Europa an. Diese hauptsächlich in Deutschland, Österreich und in der Schweiz stattfindenden Workshops beinhalten die Entwicklung von Förderprogrammen nach den Prinzipien der ABA/VB-Methode. Zudem geben er und sein Team Workshops in Schulen, Kindergärten, Autismustherapiezentren und ähnlichen Einrichtungen. Das Team des Instituts Knospe-ABA unterstützt zurzeit die Förderung von über dreihundert Kindern in Deutschland und den umliegenden deutschsprachigen Ländern. Der Sitz des Instituts liegt im niedersächsischen Hespe, die Mitarbeiter/innen sind jedoch in ganz Deutschland situiert. Dem Institut zufolge besteht eine lange Warteliste und ständig werden neue Anfragen von Familien aus ganz Deutschland an das Institut herangetragen. Es wurde bislang eine knapp dreijährige (zwischen Januar 2004 und Dezember 2006) interne Evaluation mithilfe von Elternbefragungen hinsichtlich der Fortschritte der Kinder und der Zufriedenheit der Eltern durchgeführt. Dem Institut zufolge lieferte diese durchweg positive Ergebnisse. Eine externe Evaluation wurde 2009 von Oefner realisiert. In dieser Studie (n=30) untersuchte sie mithilfe von Fragebögen die Zufriedenheit der Eltern mit einer ABA/VBIntervention durch das Institut Knospe-ABA. Die Studie konnte folgende Hypothese verifizieren: Ä'LH )|UGHrung nach ABA/VB ist, gemessen an der Zufriedenheit der Eltern, in besonderem Maße geeignet, um die ganzheitliche Entwicklung von Kindern mit einer Autismus- Spektrum- 6W|UXQJ ]X I|UGHUQ³ (Oefner, 2009, S. 126). 5.5.1 Mitarbeiter/innen Das Team des Instituts Knospe-ABA besteht insgesamt aus sechzehn Mitarbeiter/innen sowie zurzeit zwei Voluntären. Hinzu kommen zahlreiche Tutor/innen, meist Student/innen, die nebenamtlich in den Familien arbeiten. Diese sind nicht beim Institut Knospe-ABA, sondern direkt bei den Familien angestellt. Fünf der Mitarbeiter/innen (Robert Schramm, Benno Böckh, Veneta 65 Dimitrova, Mike Myers und Silva Kleinfeld) sind staatlich anerkannte Verhaltensanalytiker (BCBA). Die elf weiteren Mitarbeiter/innen werden als Consultants (Berater/innen) bezeichnet, besitzen unterschiedliche Qualifikationen (Diplom-Psycholog/in, Diplom-Sozialpädagog/in, Diplom-Sozialarbeiter/in, Diplom-Ergotherapeutin, Erzieher/in) und arbeiten in Vollzeit für das Institut Knospe-ABA. Zwei der Consultants arbeiten berufsbegleitend an der Qualifizierung zum BCaBA und BCBA. Jede/r der Berater/innen ist für etwa fünfzehn bis zwanzig Familien zuständig. Die Zuordnung der Berater/innen zu den Familien erfolgt abhängig vom Wohnort. Alle Mitarbeiter/innen haben an verschiedenen Weiterbildungen und Workshops zu dem Thema ABA/VB teilgenommen und sich zusätzlich vor Beginn ihrer Arbeit einem intensiven Training durch den Leiter und Supervisor des Instituts unterzogen. 5.5.2 Ziel und Philosophie Ziel des Instituts Knospe-ABA ist es, Eltern, Lehrer/innen, Erzieher/innen, Therapeut/innen, Psycholog/innen und anderen Fachkräften das Konzept von ABA und VB zu vermitteln, damit diese Kinder mit ASS bestmöglich fördern können. Die damit zusammenhängende Philosophie des Instituts Knospe-ABA wird von Robert Schramm auf der Internetseite des Instituts publiziert: Ä.LQGHUPLW einer Autismus-Spektrum-Störung können und werden von ihrem Umfeld und von der ABA-Methode lernen. Durch die Wissenschaft der angewandten Verhaltensanalyse (Applied Behavior Analysis - ABA) und Verbal Behavior können wir ihr Umfeld auf verschiedene Art und Weise verändern, um somit zu einer deutlich verbesserten Lebensqualität beizutragen³(Institut Knospe-ABA). 5.5.3 Arbeitsweise Die Förderung eines Kindes mit ASS nach ABA/VB durch das Institut KnospeABA beinhaltet verschiedene Schritte, die im Folgenden kurz dargestellt werden. 5.5.3.1 Kontaktaufnahme Eltern eines Kindes mit ASS oder ähnlichen Entwicklungsstörungen wenden sich telefonisch oder schriftlich an das Institut Knospe-ABA. Diese sind meist durch Freund/innen, Bekannte, durch Literaturrecherche oder durch das Internet auf das Institut Knospe-ABA aufmerksam geworden. Daraufhin sollten die Eltern (und mögliche wichtige Bezugspersonen) an einem ABA/VB- Einführungsworkshop teilnehmen, der normalerweise zwei Mal im Jahr angeboten wird. In diesem Workshop werden den Eltern und Bezugspersonen 66 erste theoretische Grundlagen der ABA/VB-Methode vermittelt. Die Eltern werden bezüglich der Finanzierungsmöglichkeiten einer ABA/VB-Intervention im Vorfeld meist per E-Mail oder Telefon beraten. Wenn die Eltern sich nach dem Einführungsworkshop entscheiden, eine Förderung ihres Kindes nach ABA/VB zu beginnen, wird eine Erstberatung festgelegt, die in der Regel drei Tage dauert. Die Länge der Erstberatung hängt davon ab, wie schnell sich Eltern, Tutor/innen und Bezugspersonen sicher genug fühlen, um ABA/VB mit ihrem Kind auch ohne eine präsente Beratungsperson durchzuführen. Bestenfalls sollten sich die Eltern zudem vor dem Erstberatungstermin um Tutor/innen bemühen und sich in das Thema ABA/VB einlesen. 5.5.3.2 Erstberatung Bei der Erstberatung, die in der häuslichen Umgebung des Kindes stattfindet, ist die/der für den Wohnort der Familie zuständige Berater/in anwesend. Nach Möglichkeit sollten zudem die gesamte Familie, die Tutor/innen und sonstige Bezugspersonen des Kindes zugegen sein. Im Laufe der drei Tage werden dann das Verhalten und die Fähigkeiten des Kindes analysiert und anhand ABLLS-R eingeordnet. In jedem Fall werden die Fähigkeiten der ersten neun Kategorien (A bis I) getestet und eingestuft. Bei einigen Kindern, die bereits viele Fähigkeiten zeigen, werden auch die restlichen Kategorien eingestuft. Meist geht es in der Erstberatung vorwiegend darum, den Eltern, Bezugspersonen und Tutor/innen zu vermitteln, wie sie die Unterrichtskontrolle erreichen können, damit das Kind Spaß und Freude am Lernen findet und somit eine erhöhte Lernbereitschaft zeigt (siehe Kapitel 5.3). Auf Basis der Protokollierung und Auswertung des ABLLS-R-Verfahrens sowie der Beobachtungen und Verhaltensanalyse wird der jeweilige Förderplan erstellt. Die Eltern, Geschwister, Bezugspersonen und mögliche Tutor/innen werden von den Berater/innen in der praktischen Arbeit mit dem Kind angelernt. Der jeweilige individuelle Förderplan des Kindes enthält unter Anderem genaue Einzelziele für jede Fähigkeit, die das Kind lernen soll. Ziel ist es vor Allem, insbesondere die Eltern so anzuleiten, dass sie die ABA/VB-Prinzipien während der Interaktion mit dem Kind in den Alltag einfließen lassen können, um somit - wann immer möglich - am Aufbau von angemessenen Verhaltensweisen und Fähigkeiten zu arbeiten. Anschließend sollen nun die Eltern, Bezugspersonen und Tutor/innen nach den Prinzipien von ABA/VB anhand des Förderplans mit dem Kind arbeiten. Bei Fragen und Problemen können sie sich telefonisch, per Video oder schriftlich an den/die zuständige Berater/in wenden. 67 5.5.3.3 Folgeberatungen Nach der dreitägigen Erstberatung finden im ersten Förderjahr Folgeberatungen im Regelfall an einem Tag monatlich, statt (je nach Bedarf auch alle zwei Monate an zwei Tagen). Im zweiten Jahr der Förderung kann der Beratungsumfang oftmals schon reduziert werden auf beispielsweise einen Beratungstag alle sechs Wochen. Die Häufigkeit richtet sich jedoch stets nach dem individuellen Bedarf der Familie und ist deshalb recht unterschiedlich. In diesen Folgeberatungen wird der Förderplan kontrolliert, angepasst und weiterentwickelt. Außerdem können mögliche Probleme besprochen werden. Der/die Berater/in sollte auch dabei behilflich sein, Tutor/innen anzulernen oder weitere Bezugspersonen des Kindes (Erzieher/innen, Lehrer/innen etc.) über die Förderung des Kindes aufzuklären. Im Anschluss an die Beratungstermine, die sowohl bei den Familien zu Hause als auch in der Schule, dem Kindergarten oder in sonstigen relevanten Institutionen stattfinden können, aktualisiert der/die zuständige Berater/in einen aktuellen Förderplan. Sollte es nötig sein überarbeitet er oder sie die ABLLS-R-Ziele, die den Familien daraufhin zugesandt werden. Wie oft Beratungstermine stattfinden, wird individuell festgelegt. Außerdem bietet das Institut Knospe-ABA einen weiteren Workshop an, in dem fortgeschrittene Unterrichtsmethoden behandelt werden, die von den Eltern, Bezugspersonen und Tutor/innen besucht werden können. 68 6. Empirische Studie Ä$XWLVPXV-Spektrum-Störungen (ASS) sind bei den einschlägigen Experten wie DXFKLQ)RUVFKXQJXQG0HGLHQSRSXOlUJHZRUGHQ³(Poustka, 2011, S. 73). Nicht allein durch den 2009 veröffentlichten Bericht des Health Technology Assessment (siehe Kapitel 3.1) steigt die Bekanntheit von ABA/VB für Kinder mit ASS, insbesondere in Deutschland rapide. Das oben beschriebene Institut Knospe-ABA ist die derzeit größte Institution in Deutschland, die eine häusliche ABA/VB-Förderung für eine Vielzahl von Kindern mit ASS anbietet. Es stellt sich die Frage ob, und wenn ja welche Ergebnisse die dortige Förderung der Kinder zeigt. Ist die Förderung nach der ABA/VB-Methode effektiv, lernen die Kinder hinzu? Welche Fähigkeiten können Kinder mit ASS durch eine solche Förderung lernen, welche nicht? Ist es wichtig früh mit der Förderung zu beginnen, oder zeigen sich Ergebnisse erst nach langen Jahren elterlicher und professioneller Förderung? Selbstverständlich können im Rahmen einer Master-Arbeit solche Fragen nicht vollständig beantwortet werden. Es können jedoch einige Ergebnisse der Förderung beschrieben werden ± um anschließend weiteren Forschungsbedarf aufzuzeigen. Aussagekräftig könnte etwa sein, wie schnell Kinder auf die Förderung ansprechen: Zeigen sich schon Ergebnisse im ersten Förderjahr? Welche Fähigkeiten lernen die Kinder durch diese Fördermethode? Ist eine besonders frühe Förderung besonders effektiv? Ausschlaggebend für die Forschungsplanung war die technische und methodische Durchführbarkeit im Rahmen einer Master-Arbeit. Es soll deskriptiv dargestellt werden, welche und wie viele Fähigkeiten Kinder mit ASS, die durch eine ABA/VB- basierte Intervention durch das Institut KnospeABA, gefördert werden und wurden, innerhalb des ersten Jahres der Förderung erworben haben. Zudem soll eine mögliche Korrelation zwischen dem Alter der Kinder bei Förderungsbeginn und dem erzielten Fortschritt untersucht werden. 69 6.1 Methodik, Daten- auswahl und -eingabe Aufgrund des vorhandenen Datenmaterials soll ein quasiexperimenteller Eingruppen-Pretest-Posttest-Plan realisiert werden (Bortz & Döring, 2006). Vom Institut Knospe-ABA wurden für das Forschungsvorhaben alle ABLLS-RDaten38 (siehe Kapitel 4.6.8.2) anonymisiert zur Verfügung gestellt, die dort seit der Gründung des Instituts im Jahr 2004 bis März 2011 angefallen waren. Es handelt sich hierbei um 302 Datensätze. Somit kann eine Vorauswahl durch das Institut Knospe-ABA ausgeschlossen werden. Die Grundgesamtheit der Daten repräsentiert demnach eine Vollerhebung. Das Institut Knospe verfügt für jedes Kind über einen Dateiordner in dem alle relevanten Informationen gesammelt werden (Briefe, ABLLS-R-Einstufungen, Berichte etc.). Dieser wird ständig von den zuständigen Berater/innen aktualisiert. Durch Einsicht in die Ordner konnte zu jedem ABLLS-R-Datensatz das Geburtsdatum des jeweiligen Kindes ermittelt werden. Da sich bei der Durchsicht der Datensätze herausstellte, dass nicht alle vollständig ausgefüllt waren, mussten aus der Grundgesamtheit Datensätze ausgewählt werden um die Daten vergleichen zu können. Weil Lernerfolge im ersten Förderjahr beschrieben werden sollen, mussten auch Fälle eliminiert werden, in denen die Förderung (bisher) kürzer dauerte. Ferner mussten überhaupt Ergebnisse im relevanten Zeitraum erhoben worden sein; das heißt es musste eine Einstufung der Fähigkeiten des Kindes nach einem Jahr Förderung vorgenommen worden sein. Auch dies war nicht überall der Fall. Den relevanten Zeitraum grenzte ich aus Gründen der Praktikabilität auf den Zeitraum von zehn bis 13 Monaten nach der Erstberatung ein. Folglich waren die Daten der Grundgesamtheit nach folgenden Kriterien zu filtern: x Der Datensatz ist vollständig ausgefüllt; x das Datum der Erstberatung liegt mindestens zehn Monate oder länger zurück; x es ist ein Beratungsdatum vorhanden, das zwischen zehn und 13 Monaten nach dem Erstberatungsdatum liegt und an dem eine ABLLS-REinstufung stattgefunden hat. 38 Diese enthalten neben den Einstufungen auch die Termine der Beratung und das Geschlecht des Kindes. 70 Aufgrund der oben genannten Kriterien konnten nur 170 von 302 Datensätzen in der Datenanalyse verwendet werden. Die in dieser empirischen Studie untersuchte Fallzahl beträgt folglich n=170, immerhin mehr als die Hälfte (56,3%) der bisher im Institut Knospe-ABA geförderten Kinder. Die Daten lagen in Form von elektronischen Tabellen vor, die mit dem MicrosoftRechenprogramm Excel verfasst waren39. Diese Tabellen enthielten graue Markierungen für alle Fähigkeiten, die die Kinder schon zum Zeitpunkt der Erstberatung zeigten. Die Tabellen waren dann jeweils aktualisiert worden: Jede zusätzliche Fähigkeit des betreffenden Kindes war farbig markiert worden. Die Farbe symbolisierte ein Beratungsdatum. Bei der Auswertung konnten nun also durch Auszählen erste Ergebnisse erhalten werden. Um die Anzahl der Fähigkeiten beim Erstberatungstermin für die jeweiligen Bereiche (A-Z) zu erhalten, wurden die grau markierten Felder ausgezählt und jedes Kriterium als eine Fähigkeit gewertet. Die Anzahl der Fähigkeiten bei der ErsWEHUDWXQJ ZXUGH PLW $ % &«Z1 bezeichnet. Um die Anzahl der Fähigkeiten bei der Folgeberatung zu erhalten, wurden die bunt markierten Felder ausgezählt und zu der Anzahl der Fähigkeiten beim Erstberatungstermin (graue Felder) addiert. Diese wurden mit $%&«=EH]HLFKQHW Um Fehler bei der Dateneingabe zu vermeiden und zur Qualitätssicherung beizutragen, wurde folgende Vorgehensweise gewählt: x Programmierung von Excel-Makros, die den Farben die Zahl des Colourindexes zuweisen, x Definieren von Excel-)XQNWLRQHQ ÄZähle wenn³ IU die mithilfe der ExcelMakros gewonnen Zahlen des Colourindexes für A1 bis Z1 und für A2 bis Z2, x Kontrolle der Dateneingabe durch zwei weitere unabhängige Personen40 und Vergleich der Ergebnisse. 39 In leerer Form ist eine Übersicht der ABLLS-R Excel-Tabelle in Anhang 9.1 zu finden. 40 Indah Siemon und Anna Taube 71 Zur Verdeutlichung der Vorgehensweise wird das folgende Beispiel (Abbildung 7) der ABLLS-R-Kategorie E (36 Kriterien) gegeben. Hier sind zum Erstberatungszeitpunkt E1 (grau) 34 und zum zweiten Zeitpunkt der Einstufung E2 (grau und rot) 35 Fähigkeiten vorhanden: 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 15 E verbale Imitation E1 E2 9 9 9 9 15 15 15 15 15 15 15 15 15 3 15 15 9 9 7 8 grau: Colourindexnummer 15; rot: Colourindexnummer 3; Ergebnis: 15 15 15 15 15 E1 9 9 9 7 E1 = 9 + 9 + 9 + 7 = 34 E2 9 9 9 8 E2 = 9 + 9 + 9 + 8 = 35 mithilfe der Excel-Funktion Ä]lKOHZHQQ³ (E1) XQGÄ]lKOHZHQQ + ]lKOHZHQQ³ (E2) gewonnene Werte Abbildung 7: ABLLS-R Excel-Tabelle Kategorie E Aus dieser rein quantitativen Übersicht lassen sich keine validen Ergebnisse gewinnen. Um Antworten auf die eingangs in Kapitel 6 formulierten Fragen zu erhalten, mussten die Daten unter relevanten Gesichtspunkten summiert und eingeteilt werden. Dies geschah mithilfe des Statistikprogrammes SPSS 18 (Statistical Package for the Social Sciences). Folgende Variablen konnten aufgrund der Excel-Tabellen entwickelt werden: x Datum der Erstberatung, x Datum der relevanten Folgeberatung, x Geburtsdatum der Kinder, x Geschlecht der Kinder, x Anzahl der Fähigkeiten der Kinder zum Zeitpunkt der Erstberatung (A1; %&«Z1), x Anzahl der Fähigkeiten der Kinder nach zehn bis 13 Monaten (A2; %&«=. Diese Variablen beschreiben jeweils einzelne Kinder. Um die Forschungsfragen zu beantworten, bedurfte es geeigneter Untersuchungsvariablen: Benötigt wurden Angaben über das Alter der Kinder sowie vergleichende Angaben über 72 ihre Fähigkeiten zu verschiedenen Zeitpunkten. Das Alter der Kinder zum Förderungsbeginn lässt sich auf Basis ihrer Geburtsdaten und dem Termin der Erstberatung errechnen. Um eventuelle Zeitfenster für Lernfortschritte genauer eingrenzen zu können, wurde das Alter sowohl in Jahren als auch in Monaten errechnet. Die ABLLS-R-Kriterien können dazu genutzt werden, den Anteil beherrschter Fähigkeiten im Vergleich zu den Fähigkeiten von neurotypisch entwickelten Kindern zu beschreiben. Am einfachsten lässt sich dieser Anteil in Prozent ausdrücken. Dieser Prozentsatz kann an zwei Zeitpunkten erhoben werden. Also wurden mit SPSS folgende neue Variablen berechnet: x Alter der Kinder beim Erstberatungstermin in Jahren, x Alter der Kinder beim Erstberatungstermin in Monaten, x prozentuale Fähigkeiten beim Erstberatungstermin für jede ABLLS-RKategorie x prozentuale Fähigkeiten nach zehn bis 13 Monaten für jede ABLLS-RKategorie, x prozentualer Fortschritt für jede ABLLS-R-Kategorie. 6.2 Deskriptive Darstellung der Daten Insgesamt bestehen die ABLLS-R-Fähigkeiten aus 25 Kategorien mit 544 Kriterien, die im Folgenden noch einmal kurz aufgeführt werden (siehe auch Anhang 9.1): A. Verstärkereffektivität und Kooperation (30 Kriterien), B. visuelle Leistungsfähigkeit (76 Kriterien), C. rezeptive Fähigkeit (162 Kriterien), D. motorische Imitationsfähigkeit (46 Kriterien), E. sprachliche Imitationsfähigkeit (36 Kriterien), F. Bedürfnisäußerung (68 Kriterien), G. Benennungsfähigkeit (142 Kriterien), H. intraverbale Fähigkeit (164 Kriterien), I. Fähigkeit des spontanen Vokalisierens (28 Kriterien), J. Syntax- und Grammatikfähigkeit (44 Kriterien), K. Spiel- und Freizeitfähigkeit (36 Kriterien), L. soziale Interaktionsfähigkeit (58 Kriterien), M. Fähigkeit in der sozialen Umgebung (34 Kriterien), N. Schulfähigkeit (24 Kriterien), 73 P. Generalisierungsfähigkeit (12 Kriterien), Q. Lesefähigkeit (48 Kriterien), R. Mathematikfähigkeit (72 Kriterien), S. Schreibfähigkeit (32 Kriterien), T. Buchstabierfähigkeit (24 Kriterien), U. Anziehfähigkeit (32 Kriterien), V. Essfähigkeit (20 Kriterien), W. Körperpflegefähigkeit (14 Kriterien), X. Toilettengangfähigkeit (22 Kriterien), Y. grobmotorische Fähigkeit (28 Kriterien), Z. feinmotorische Fähigkeit (28 Kriterien) Die Fähigkeiten A bis I wurden bei allen 170 Kindern sowohl bei der ersten als auch bei der zweiten relevanten Einstufung nach zehn bis 13 Monaten getestet. Ob und welche Fähigkeiten der Kategorien J bis Z getestet wurden, hing davon ab, über wie viele Fähigkeiten der Kategorien A bis I die Kinder beim Erstberatungstermin bereits verfügten und wie der individuelle Förderplan jedes Kindes aussah. Es lag im Ermessen der Berater/innen des Instituts Knospe-ABA, welche Fähigkeiten der Kategorien J bis Z getestet wurden. Aus diesem Grund wurden die Fähigkeiten der Kategorien J bis Z nur bei einigen Kindern getestet (91; 53,5 %). Bei 79 Kindern (46,5 %) wurde keine der Fähigkeiten J bis Z innerhalb der ersten zehn bis 13 Monate getestet. Aber auch bei den oben genannten 91 Kindern wurde nicht jede Kategorie von J bis Z getestet. Keines der Kinder wurde im ersten Jahr der Förderung in allen Kategorien (A bis Z) getestet. Die Anzahl der Kinder, bei denen die Fähigkeiten der Kategorien J bis Z getestet wurden, wird daher stets bei der Beschreibung der Daten mit angegeben. 74 Wie aus dem unten stehenden Kreisdiagramm (Abbildung 8) zu entnehmen ist, sind von den 170 Kindern 141 männlichen (82,9 %) und 29 (17,1 %) weiblichen Geschlechts. Diese Ungleichheit in der Geschlechterverteilung resultiert aus dem in Kapitel 2 beschriebenen Mehrheitsverhältnis der ASS bei Jungen. Abbildung 8: Geschlechterverteilung Aus der unten stehenden Abbildung 9 ist zu entnehmen, dass die Kinder beim Erstberatungstermin zwischen einem und 13 Jahren alt waren. Daraus ergibt sich ein Mittelwert von 4,9. Demnach waren die Kinder durchschnittlich etwa vier Jahre und neun Monate alt, als mit einer Förderung durch das Institut KnospeABA begonnen wurde. Da, wie in Kapitel 2.3 beschrieben, die Diagnose ASS meist erst zwischen dem sechsten und dem neunten Lebensjahr gestellt wird, ist dies als ein sehr junges Alter bei Förderungsbeginn zu werten. Ein möglicher Erklärungsansatz hierfür könnte sein, dass sich Eltern schon bei ersten Verdachtsmomenten und vor einer formal gestellten Diagnose (die häufig erst nach langen Wartezeiten erfolgt) an das Institut Knospe-ABA wenden, um mit einer Förderung ihres Kindes zu beginnen. 75 Abbildung 9: Alter der Kinder in Jahren beim Erstberatungstermin Um die Darstellung und die später folgende Korrelationsanalyse übersichtlich zu gestalten, wurde hier das Alter der Kinder in Jahren angegeben. Im Anhang 9.3 ist die deskriptive Statistik des Alters der Kinder in Monaten zu finden. Die für die Studie relevanten Beratungstermine an denen eine ABLLS-REinstufung stattfand, liegen zwischen zehn und 13 Monaten. Bei allen Kindern fanden in diesen zehn bis 13 Monaten weitere Beratungstermine statt, die jedoch nur zum Teil einer ABLLS-R-Einstufung dienten. Diese wurden hier nicht erfasst. Im Folgenden werden die ABLLS-R-Kategorien A bis I zunächst einzeln ausführlich beschrieben und die Fähigkeiten und Fortschritte in den jeweiligen Kategorien graphisch dargestellt. 76 6.2.1 Kategorie A: Verstärkereffektivität und Kooperation Die ABLLS-R-.DWHJRULH Ä9HUVWlUNHUHIIHNWLYLWlW XQG .RRSHUDWLRQ³ $ besteht aus 30 Kriterien. Jedes vorhandene Kriterium wird als eine Fähigkeit definiert. Die Fähigkeiten aus dem Bereich A sind die Grundlage für eine erfolgversprechende Lernsituation. Daher wird diesem Bereich zu Beginn jeder Förderung besonders viel Beachtung geschenkt: Ä,WLVYHU\LPSRUWDQWWRGHYHORSWKHFKLOGCVFRRSHUDWLRQ and to gradually thin the schedule of reinforcement for participation in learning task³ (Partington, 2006, S. 30). Das Kind soll durch effektive Verstärker lernen, mit den Personen in seiner Umwelt zu kooperieren und die ihm gestellten Aufgaben zu befolgen. Dazu gehört unter anderem die Fähigkeit, angemessen am Tisch zu sitzen, auf die Austeilung der Arbeitsmaterialien und eine Arbeitsaufforderung zu warten und dann die gestellte Aufgabe zeitnah zu erledigen (Partington, 2006). Konkrete Ziele in der Kategorie A sind zum Beispiel: ÄDas Kind antwortet auf Instruktionen immHULQQHUKDOEYRQGUHL6HNXQGHQ³RGHU ÄDas Kind reagiert auf soziale Verstärkung und arbeitet fünfzehn Minuten für ein /RE³. Aus dem unten stehenden Balkendiagramm (Abbildung 10) ist zu entnehmen, dass die geförderten Kinder durchschnittlich 39,73 % der Fähigkeiten in der Kategorie A zum Zeitpunkt der Erstberatung (A1) beherrschten. Zum Zeitpunkt der Zweitberatung (A2) waren durchschnittlich 68,49 % der Fähigkeiten der Kategorie A vorhanden. Somit wurde in dem Zeitraum zwischen Erst- und Zweiteinstufung ein durchschnittlicher Fortschritt (A) von 28,76 % erzielt. Die Kinder haben folglich durchschnittlich etwa zwölf neue Fähigkeiten erworben. Abbildung 10: Kategorie A 77 6.2.2 Kategorie B: Visuelle Leistungsfähigkeit Die ABLLS-R-.DWHJRULH Ä9LVXHOOH /HLVWXQJVIlKLJNHLW³ % besteht aus insgesamt 76 Kriterien. Viele Kinder ohne oder nur mit sehr eingeschränktem sprachlichen $XVGUXFNVYHUP|JHQ ]HLJHQ ÄFRQVLGHUDEOH VWUHQJWK LQ DWWHnding to and PDQLSXODWLQJ QRQYHUEDO VWLPXOL³ (Partington, 2006, S. 30). Daher sollen bei den ABLLS-R-Zielen der Kategorie B Fähigkeiten gefördert werden, die auf den Stärken des Kindes aufbauen, so dass das Kind durch einfache, ihm nicht schwer fallende Aufgaben Verstärkung erhalten kann. Somit erfährt das Kind eine positive Lernerfahrung, während gleichzeitig die Fähigkeit trainiert wird, die Aufmerksamkeit des Kindes gegenüber visuellen Reizen aus seiner Umwelt und die Unterscheidungsfähigkeit zwischen verschiedenen Reizen zu fördern. Ein Beispiel für eine Fähigkeit der Kategorie B ist das Matching (Zuordnen). Hier soll das Kind lernen, gleiche oder ähnliche Gegenstände, Formen, Farben und Handlungen einander zuzuordnen. Ein weiteres Beispiel ist die Fähigkeit, Puzzles in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen zu komplettieren. Aus der folgenden Abbildung 11 ist zu entnehmen, dass die Kinder zu Beginn der Förderung (B1) über 31,93 % der Fähigkeiten der Kategorie B verfügten. Nach etwa einem Jahr ABA/VB-Intervention (B2) waren durchschnittlich 61,33 % der Fähigkeiten vorhanden. Somit wurde ein durchschnittlicher Fortschritt (B) von 29,40 % erzielt. Dies entspricht etwa 22 neu erworbenen Fähigkeiten. Die Kinder konnten ihre Fähigkeiten in dieser Kategorie demnach durchschnittlich fast verdoppeln. Abbildung 11: Kategorie B 78 6.2.3 Kategorie C: Rezeptive Fähigkeiten Die ABLLS-R-Kategorie Ä5H]HSWLYH)lKLJNHLWHQ³C) besteht aus insgesamt 162 Kriterien. Bei den rezeptiven Fähigkeiten geht es darum, das Sprachverständnis des Kindes zu fördern. Dem Kind soll beigebracht werden, verschiedenen einfachen bis schweren Anweisungen zu folgen sowie Wörter und Sätze rezeptiv zu verstehen. Ein Beispiel für Fähigkeiten der Kategorie C ist, verschiedene Gegenstände, Bilder, Körperteile oder Kleidungsstücke nach Aufforderung zu zeigen, zu berühren oder zu holen. Die Fähigkeiten der Kategorie C sind ebenfalls elementar für eine positive und erfolgreiche Unterrichtssituation. Denn erst wenn das Kind gelernt hat, verschiedene sprachliche Reize zu diskriminieren, können auch komplexere Anweisungen gestellt werden. Aus dem unten stehenden Balkendiagramm (Abbildung 12) ist zu entnehmen, dass die Kinder zu Beginn (C1) 30,26 % der Fähigkeiten der Kategorie C beherrschten. Nach etwa einem Jahr (C2) waren 51,58 % der Fähigkeiten vorhanden. Dies bedeutet einen durchschnittlichen Fortschritt (C) von 21,32 %, was einem Fähigkeitserwerb von etwa 35 Fähigkeiten entspricht. Abbildung 12: Kategorie C 79 6.2.4 Kategorie D: Motorische Imitationsfähigkeiten Die ABLLS-R-Kategorie Ä0RWRULVFKH ,PLWDWLRQVIlKLJNHLWHQ³ D) besteht aus insgesamt 46 Kriterien und entspricht dem von Skinner definierten verbalen 2SHUDQWHQ ÄPLPHWLF³ 6NLQQHU . Imitationsfähigkeit ist die Vorraussetzung für fast alle Lernprozesse. ³Teaching students with developmental delays to imitate is a major step toward helping them overcome their delays³ (Lovaas, 2003, S. 85). Durch Imitation kann schnell und einfach komplexes Verhalten gelernt werden. Neurotypisch entwickelte Kinder imitieren bereits im sehr frühen Kindesalter. Da Kinder mit ASS aufgrund fehlender Motivation und Verstärkung häufig nicht oder nur wenig imitieren, ist es ihnen meist nicht möglich, durch Nachahmung von ihrer Umwelt zu lernen. Daher sollen in der Kategorie D imitative Fähigkeiten gelernt werden, um sich auf verschiedenen Gebieten weiterzuentwickeln. Zudem kann motorische Imitationsfähigkeit dazu beitragen, ³GHYHORSWKHVWXGHQW¶VDELOLW\WRDWWHQGWRDQLQVWUXFWLRQIRUDORQJHUSHULRGRIWLPH and to attend to the dynamic characteristics of tKH UHTXLHUHG UHVSRQVHV³ (Partington, 2006, S. 32). Beispiele aus der ABLLS-R-Kategorie D sind die Imitation von grob- und feinmotorischen Bewegungen wie in die Hände Klatschen oder Zungerausstrecken. Aus der unten stehenden Abbildung 13 ist zu entnehmen, dass die Kinder zu Beginn der Förderung (D1) über 32,67 % der Fähigkeiten der Kategorie D verfügten. Zum zweiten Messzeitpunkt (D2) beherrschten die Kinder 63,51% der Fähigkeiten der Kategorie D. Somit wurde in etwa einem Jahr Förderung ein durchschnittlicher Fortschritt (D) von 30,84 % erzielt, was einem Erwerb von etwa 14 Fähigkeiten entspricht. Abbildung 13: Kategorie D 80 6.2.5 Kategorie E: Sprachliche Imitationsfähigkeiten Die ABLLS-R-Kategorie Ä6SUDFKOLFKH ,PLWDWLRQVIlKLJNHLWHQ³ (E) besteht aus insgesamt 36 Kriterien. Nahezu alle Kinder mit ASS vokalisieren. Jedoch verfügen die meisten von ihnen über keine oder nur über wenig expressive Sprache, da sie nicht mithilfe von Wörtern kommunizieren. Aus diesem Grund soll bei der Kategorie E der Grundstein für die Sprachentwicklung vor allem bei nonverbalen Kindern gelegt werden. Sie entspricht dem von Skinner definierten YHUEDOHQ2SHUDQWÄHFKRLF³(Skinner, 1957). Die ersten Laute, die mithilfe der verbalen Imitation gelehrt werden, sollen für Kinder, GLHNHLQHRGHUQXUZHQLJHÄ(FKRIlKLJNHLWHQ³]HLJHQ, einfache Laute sein, die das Kind von sich aus in der Vergangenheit bereits produzierte. Ergänzt ZHUGHQ VLH GXUFK HLQIDFKH /DXWH ZLH ]XP %HLVSLHO ÄDDK³ ÄHHK³ ÄEXK³ ÄPPP³ RGHU ÄWXW³ 6FKZLHULJH /DXWH ZLH beispielsweise Konsonanten, werden erst bei Beherrschung der einfachen Laute gelehrt. Aus den einzelnen Lauten, die das Kind im Laufe der Zeit gelernt hat, können dann Silben zusammengesetzt werden. Diese werden anschließend zu Wörtern und zuletzt zu Sätzen verbunden, die dann vom Kind imitiert werden sollen. Aus der unten stehenden Abbildung 14 ist zu entnehmen, dass die Kinder zu Beginn der Förderung (E1) durchschnittlich 34,15 % der Fähigkeiten der Kategorie E beherrschten. Zum zweiten Messzeitpunkt (E2) beherrschten sie durchschnittlich 50,98 % der Kategorie E. Demnach konnten die Kinder im ersten Jahr der Förderung durchschnittlich etwa sechs Fähigkeiten erwerben, was 16,83 % der gesamten Kategorie E entspricht (E). Abbildung 14: Kategorie E 81 6.2.6 Kategorie F: Bedürfnisäußerung Die ABLLS-R-Kategorie Ä%HGUIQLVlXHUXQJ³ F) besteht aus insgesamt 68 Kriterien. Diese Kategorie entspricht der von Skinner definierten Kategorie des Ämand³ (Skinner, 1957). In dieser Kategorie geht es darum, dem Kind beizubringen, auf nonverbale und verbale Art seine Bedürfnisse zu äußern. Dies ist ebenfalls zu Beginn der Förderung sehr wichtig, da davon auszugehen ist, dass jede Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten positive Auswirkungen auf das Sozialverhalten des Kindes hat. Aufgrund von fehlenden verbalen Fähigkeiten haben Kinder mit ASS oftmals sozial unerwünschte oder unangemessene Strategien (beispielsweise Schreien oder Weinen) entwickelt, um an Verstärker oder Informationen zu gelangen und so ihre Bedürfnisse zu befriedigen41. Demnach ist es unerlässlich, dem Kind durch das Erlernen von angemessenen und sozial akzeptierten Verhaltensweisen die Möglichkeit zu bieten, seinen Wunsch nach Verstärkung zu erfüllen. Beispiele hierfür sind das Zeigen auf Gegenstände oder Personen, der Gebrauch von einfacher Zeichensprache und für Kinder mit verbalen Fähigkeiten das Fragen nach Gegenständen, Personen oder Aktivitäten mit einzelnen Wörtern oder ganzen Sätzen. Aus der unten stehenden Abbildung 15 ist zu entnehmen, dass die Kinder zum Zeitpunkt der Erstberatung (F1) durchschnittlich über 26,81% der Fähigkeiten der Kategorie F verfügten. Im Laufe des ersten Jahres der ABA/VBFörderung wurden 18,37 % der Fähigkeiten hinzugewonnen (F), was etwa 12 neu erworbenen Fähigkeiten entspricht. Somit beherrschten die Kinder zum zweiten Zeitpunkt der Einstufung (F2) 45,18 % der Kategorie F. Abbildung 15: Kategorie F 41 Siehe auch das Fallbeispiel in Kapitel 4.3.2. 82 6.2.7 Kategorie G: Bennenungsfähigkeiten Die ABLLS-R-Kategorie Ä%HQHQQXQJVIlKLJNHLWHQ³G) besteht aus insgesamt 142 Kriterien. Diese Kategorie entspricht dem von Skinner definierten verbalen Operant Ätact³ (Skinner, 1957). Bei den Fähigkeiten der Kategorie G geht es darum, dem Kind beizubringen Objekte, Personen, Tätigkeiten, Handlungen und Ereignisse verbal und nonverbal zu benennen. Auch soll dem Kind beigebracht werden, Objekte zu benennen, nachdem eine Beschreibung der Funktion, des Merkmals oder der Klasse gegeben wurde42. Diese Fähigkeiten werden dem Kind jedoch nur beigebracht, wenn es bereits Fähigkeiten in der Kategorie E beherrscht. Beispiele für Fähigkeiten, die in der Kategorie G erreicht werden sollen, sind das Benennen von Bildern mit alltäglichen Handlungen (verbal oder mithilfe von Gebärden) oder das Benennen von Objekten, nachdem deren Funktion vorher genannt wurde. Aus der unten stehenden Abbildung 16 ist zu entnehmen, dass die Kinder durchschnittlich zu Beginn der ABA/VB-Förderung (G1) über etwa 14,76 % der Fähigkeiten der Kategorie G verfügten. Während des ersten Jahres der Förderung wurde ein durchschnittlicher Fortschritt (G) von etwa 13,78 % erzielt, was einem Zuwachs von etwa zwanzig Fähigkeiten entspricht. Nach dem ersten Jahr der Förderung (G2) waren durchschnittlich etwa 28,54 % der Fähigkeiten der Kategorie G vorhanden. Abbildung 16: Kategorie G 42 Hier wird oftmals von FFC (feature, function, class) gesprochen. 83 6.2.8 Kategorie H: Intraverbale Fähigkeiten Die ABLLS-R-Kategorie Ä,QWUDYHUEDOH )lKLJNHLWHQ³ H) besteht aus insgesamt 164 Kriterien und entspricht dem von Skinner definierten verbalen Operant Äintraverbal³ (Skinner, 1957). 'LH )lKLJNHLWHQ GLHVHU .DWHJRULH ÄDUH XVXDOO\ appropriate for a vocal child who can request at least a few items or activities, DQGKDVVRPHODEHOLQJDQGUHFHSWLYHODQJXDJHVNLOOV³(Partington, 2006, S. 33). In dieser Kategorie geht es hauptsächlich darum, dem Kind beizubringen, Fragen zu beantworten oder Unterhaltungen zu führen wobei Wörter mit anderen Wörtern verbunden sein sollen. Die Fähigkeiten lassen sich in zwei Klassen aufteilen: die Beantwortung von W-Fragen (warum, wo, wie, was, wer etc.) und GLH VRJHQDQQWHQ ÄILOO-LQV³ EHL GHQHQ GDV .LQG YRUJHJHEHQH 6lW]H VLQQYROO vervollständigen soll. Beispiele aus der Kategorie H sind das Ergänzen von einzelnen Wörtern, von Liedern oder das Beantworten von Was-Fragen zu Gegenständen in der Umgebung. Aus der unten stehenden Abbildung 17 ist zu entnehmen, dass die Kinder zu Beginn der Förderung (H1) durchschnittlich über 7,78 % der Fähigkeiten der Kategorie H verfügten. Nach einem Jahr ABA/VB-Intervention (H2) konnten durchschnittlich 19,74 % der Fähigkeiten der Kategorie H festgestellt werden. Dies bedeutet einen durchschnittlichen Fortschritt von 11,96 %, was etwa zwanzig neu erworbenen Fähigkeiten entspricht. Abbildung 17: Kategorie H 84 6.2.9 Kategorie I: Fähigkeiten des spontanen Vokalisierens Die ABLLS-R-Kategorie I besteht aus insgesamt 28 Kriterien. Bei dieser Kategorie geht es darum, die spontane Produktion von Lauten, Worten und Sätzen zu fördern. Häufig ist es nicht notwendig und teilweise auch nicht möglich, spezielle Unterrichtseinheiten für diese Fähigkeiten zu etablieren, da ³spontaneous language often increases as a direct result of the naturallyRFFXULQJ UHLQIRUFHPHQW RI XVLQJ ODQJXDJH³ (Partington, 2006, S. 34). Wenn ein Kind bereits eine Reihe von verbalen Fähigkeiten erworben hat, diese jedoch nicht spontan benutzt, kann es sinnvoll sein, an Zielen der Kategorie I zu arbeiten, indem die Lehrenden ÄUHYLHZWKHPRWLYDWLRQDOIDFWRUVUHODWHGWR the use of tKH VWXGHQW¶V VNLOOV³ (Partington, 2006, S. 34). Beispiele für Fähigkeiten der Kategorie I sind das unaufgeforderte spontane Singen von Liedern oder spontane Benennungen von Objekten oder Tätigkeiten. Aus der unten stehenden Abbildung 18 ist zu entnehmen, dass die Kinder zu Beginn der ABA/VB-Förderung (I1) durchschnittlich über 40,48 % der Fähigkeiten der Kategorie I verfügten. Nach etwa einem Jahr (I2) waren durchschnittlich 55,61 % dieser Fähigkeiten vorhanden. Dies entspricht einem durchschnittlichen Zuwachs (I) von 15,13 % der Fähigkeiten, was etwa vier neu erworbenen Fähigkeiten gleichkommt. Abbildung 18: Kategorie I 85 6.2.10 Kategorien A bis I Die Kategorien A bis I werden bei jeder Erstberatung durch das Institut KnospeABA getestet. Außerdem wird an ihnen intensiv während des ersten Jahres der Förderung gearbeitet, da sie die Grundlage für eine erfolgversprechende Intervention darstellen. Nur bei Kindern, die bereits einen Großteil der Fähigkeiten der Kategorien A bis I beherrschen, wird auch an den Kategorien J bis Z gearbeitet. Aus der unten stehenden Abbildung 19 ist zu entnehmen, dass die Kinder durchschnittlich zu Beginn der Förderung über 28,73 % der Fähigkeiten der Kategorien A bis I verfügten. Im ersten Jahr der Förderung wurde ein Fortschritt von durchschnittlich 20,71% der Fähigkeiten der Kategorien A bis I erzielt. Dies entspricht einem Neuerwerb von etwa 145 Fähigkeiten. Insgesamt beherrschten die Kinder zum zweiten Messzeitpunkt nach etwa einem Jahr durchschnittlich 49,44 % der Fähigkeiten der ersten neun Kategorien. Abbildung 19: Kategorien A bis I Zur besseren Übersicht werden in der folgenden Abbildung 20 nochmals die Kategorien A bis I mit den durchschnittlichen prozentualen Fähigkeiten zum ersten und zweiten Einstufungszeitpunkt in einem Diagramm dargestellt. 86 Abbildung 20: Kategorien A bis I einzeln Aus der unten stehenden Abbildung 21 lässt sich entnehmen, dass der durchschnittlich größte prozentuale Fortschritt mit 30,84 % in der Kategorie D (motorische Imitationsfähigkeit), der zweitgrößte in der Kategorie B (visuelle Leistungsfähigkeit) mit 29,4 % und der drittgrößte in der Kategorie A (Verstärkereffektivität und Kooperation) mit 28,76 % erzielt wurde. Die geringsten Fortschritte lassen sich in der Kategorie H (intraverbale Fähigkeiten) mit 11,96 % verzeichnen. Abbildung 21: Prozentualer Fortschritt A bis I 87 6.2.11 Kategorien J bis Z Die Kategorien J bis Z werden nicht bei jeder Erstberatung durch das Institut Knospe-ABA getestet und eingestuft. Es unterliegt der individuellen Einschätzug der Berater/innen des Instituts Knospe ABA, ob und welche der Kategorien J bis Z im ersten Jahr der Förderung eingestuft werden Dies resultiert daraus, dass es zunächst elementar ist, die grundlegenden Fähigkeiten für eine erfolgreiche Intervention zu fördern. Besonders bei nonverbalen Kindern mit wenigen Anfangsfähigkeiten wird daher im ersten Jahr verstärkt an den ersten neun Kategorien gearbeitet. Daher kann keine Aussage darüber getroffen werden, ob bei den Kinder, bei denen einige Werte in den Kategorien J bis Z vorhanden sind, in den Kategorien von J bis Z, in denen sie einen Wert gleich Null aufweisen, keine Fähigkeiten und Fortschritte gezeigt haben oder lediglich nicht getestet worden sind. Daher macht es an dieser Stelle aus methodischen Gründen keinen Sinn, die Kategorien J bis Z einzeln und ausführlich zu erläutern. Aus der folgenden Abbildung 22 ist zu entnehmen, dass die Kinder (n=91) zu Beginn der Förderung durchschnittlich über 4,06 % der Fähigkeiten der Kategorien J bis Z verfügten. In etwa einem Jahr ABA/VB-Intervention konnten 12,57 % der Fähigkeiten hinzugewonnen werden, so dass nach etwa einem Jahr Intervention 16,63 % der Fähigkeiten der Kategorien J bis Z vorhanden waren. Abbildung 22: Fähigkeiten und Fortschritt J bis Z Da nicht alle der 91 Kinder auch wirklich in jeder der Kategorien J bis Z getestet wurden, sind die durchschnittlichen prozentualen Fähigkeiten und Fortschritte 88 sehr gering. Aus der unten stehenden Abbildung 23 ist daher zu entnehmen wieviele Kinder (n) jeweils in den Kategorien J bis Z getestet wurden. Es werden nur die Kinder aufgeführt, die in den einzelnen Variablen J2 bis Z2 (zum zweiten Messzeitpunkt) einen Wert größer Null aufweisen. Abbildung 23: Anzahl eingestufter Kinder (Kategorien J bis Z) Auf Basis der n-Werte (Abbildung 23) wird in der folgenden Abbildung 24 eine Übersicht über die durchschnittlichen prozentualen Fähigkeiten der Kategorien J bis Z zu Beginn der Beratung (T1) und des durchschnittlichen prozentualen Fortschrittes der Kategorien J bis Z gegeben. 89 Abbildung 24: Kategorien J bis Z Aus Abbildung 24 lässt sich entnehmen, dass die Kinder, bei denen Einstufungen in den Kategorien J bis Z vorgenommen wurden, erhebliche Fortschritte erzielten. So konnten .LQGHU LQ GHU .DWHJRULH Ä6\QWD[- und *UDPPDWLNIlKLJNHLWHQ³ - GXUFKVFKQLWWOLFK der erlernbaren Fähigkeiten hinzugewinnen XQGLQGHU.DWHJRULHÄ*HQHUDOLVLHUXQJVIlKLJNHLWHQ³3.LQGHU durchschnittlich 48,08 % der erlernbaren Fähigkeiten hinzugewinnen. Die Kinder, bei denen eine Einstufung in den Kategorien J bis Z vorgenommen wurde, konnten im ersten Jahr einer ABA/VB-Förderung durch das Institut Knospe-ABA einen durchschnittlich 36,61% aller Fähigkeiten der Kategorien J bis Z hinzugewinnen. 6.3 Korrelationsanalyse Bisher existiert keine randomisierte, kontrollierte, wissenschaftliche Studie zu Interventionen bei ASS, die einen Zusammenhang von Alter der Kinder mit ASS bei Interventionsbeginn und Fortschritten belegen könnte (Weinmann u. a., 2009). Es gibt demnach ÄNHLQH VROLGH GLUHNWH (YLGHQ] IU HLQH hEHUOHJHQKHLW eines frühen BHJLQQVGHU,QWHUYHQWLRQ³(Weinmann u. a., 2009, S. 89) bei Kindern mit ASS. 90 Dennoch wird in der Literatur vermehrt darauf hingewiesen, dass eine frühzeitig einsetzende Förderung die meisten Fortschritte verspricht (Bernard-Opitz, 2007; Freitag, 2008a; Schramm, 2007; Steinhausen, 2010; Trefzger, 2009). Weiterhin ist in der Psychologie allgemein bekannt, dass es jüngeren Kindern leichter fällt, Fähigkeiten zu erlernen, beizubehalten und auf verschiedene Situationen zu übertragen (Zimbardo & Gerrig, 2004). Auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie befürwortet in ihren 2007 veröffentlichten grundlegenden Leitlinien zur Intervention für Menschen mit ASS eine möglichst früh einsetzende Förderung (Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, 2007). Aufgrund dieses theoretischen Hintergrundes und meiner eigenen persönlichen Erfahrungen mit der Förderung von Kindern mit ASS nach ABA/VB lautet die zu prüfende Hypothese, dass eine negative Korrelation zwischen Alter der Kinder bei Beginn der Förderung und der Anzahl der Fortschritte besteht. Anders ausgedrückt: Je früher die Kinder eine ABA/VB-Förderung erhalten, desto mehr Fortschritte werden sie erzielen. In der folgenden Korrelationsanalyse, die mithilfe des Microsoft- Statistikprogrammes SPSS 18 erstellt wurde, werden nur die Fähigkeiten der Kategorien A bis I berücksichtigt, um ein möglichst unverfälschtes Abbild der Grundgesamtheit (n=170) zu gewährleisten. Das unten stehende Liniendiagramm (Abbildung 25) zeigt die durchschnittliche prozentuale Verteilung der Fortschritte in den Kategorien A bis I, abhängig vom Alter, an. Anhand dieser Abbildung lässt sich eine leichte negative Korrelation von Alter bei Beginn der Beratung und durchschnittlichem prozentualen Fortschritt in den Kategorien A bis I feststellen. 91 Abbildung 25: Prozentualer Fortschritt (A bis I)*Alter Um eine bessere Übersicht zu erhalten, ist in der folgenden Abbildung 26 ein Streudiagramm mit den Korrelationen der prozentualen Fortschritte von A bis I und dem Alter der Kinder und der dazugehörigen linearen Regressionslinie zu finden. Das Streudiagramm und die Regressionslinie lassen auf einen schwachen negativen Zusammenhang schließen. 92 Abbildung 26 : Streudiagramm Alter*Fortschritte A bis I Mithilfe des Korrelationskoeffizienten nach Pearson soll nun geprüft werden, ob ein linearer Zusammenhang zwischen dem Alter der Kinder in Jahren und den Fortschritten der Kategorie A bis I vorliegt. Nach Zöfel ist folgende Einstufung üblich: Korrelationskoeffizient Einstufung I r I <= 0,2 sehr geringe Korrelation 0,2 < I r I <= 0,5 geringe Korrelation 0,5< I r I < = 0,7 mittlere Korrelation 0,7 < I r I <= 0,9 hohe Korrelation 0,9 < I r I <= 1 sehr hohe Korrelation Abbildung 27: Einstufung des Korrelationskoeffizienten (Zöfel, 2003, S.151) Die unten stehenden Korrelationstabelle (Abbildung 28) weist einen Korrelationskoeffizient nach Pearson von r= -,185 auf. Demnach ist diese Korrelation als sehr gering zu werten (Zöfel, 2003). Bei einem festgelegten Signifikanzniveau von 0,05 ist die Korrelation mit einem Signifikanzwert von .016 93 als zweiseitig statistisch signifikant zu werten. Demnach liegt, Pearson zufolge, nur eine geringe statistisch relevante, negative Korrelation zwischen dem Alter der Kinder bei Förderungsbeginn und dem durchschnittlichen prozentualem Fortschritt der Kategorien A bis I vor. Prozentualer Fortschritt A bis Alter Korrelation nach Pearson Alter in Jahren I 1 -,185 Signifikanz (2-seitig) N Fortschritte_A_I_Prozent * ,016 170 Korrelation nach Pearson -,185 Signifikanz (2-seitig) ,016 N 170 170 * 1 170 *. Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant. Abbildung 28: Korrelationstabelle Alter / Fortschritt Werden die prozentualen Fortschritte der Kategorien A bis I einzeln mit dem Alter der Kinder korreliert (alle Korrelationen sind im Anhang 9.7 zu finden), lassen sich keine nach Zöfel definierten mittleren bis sehr hohen Korrelationen feststellen. Lediglich bei den Kategorien F und I lassen sich Korrelationen finden, die, Zöfel zufolge, als gering zu werten sind. Bei der Kategorie F liegt r bei -,209 mit einem Signifikanzwert von ,006 und bei der Kategorie I liegt r bei -,250 mit einem Signifikanzwert von ,001. Abschließend kann daher festgehalten werden, dass nur eine geringe negative statistisch relevante Korrelation zwischen dem Alter der Kinder bei Förderungsbeginn und den durchschnittlichen prozentualen Fortschritten der Kategorie A bis I vorliegt. Wird jedoch berücksichtigt, dass jeder noch so kleine Fortschritt für Kinder mit ASS einen wichtigen Schritt zur gesellschaftlichen Teilhabe, zum Abbau von Problemverhalten und zum Erwerb von Sprache darstellen kann, unterstützt diese Korrelationsanalyse die oben beschriebene Forderung, Kinder mit ASS möglichst früh intensiv zu fördern. 94 6.4 Zusammenfassung der Ergebnisse Die oben beschriebenen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die 170 Kinder mit ASS, die durch das Institut Knospe-ABA gefördert wurden und werden, sind zu 82,9 % männlichen Geschlechts und im Durchschnitt 4,9 Jahre alt. Sie besitzen zum Zeitpunkt der Erstberatung durchschnittlich etwa 175 (28,73%) der von den ABLLS-R-Kategorien A bis I definierten Fähigkeiten und gewinnen im ersten Jahr der Förderung in diesen Kategorien etwa durchschnittlich 142 (20,71%) neue Fähigkeiten hinzu. Die Kategorien J bis Z wurden nicht näher betrachtet, da diese aus oben genannten Gründen nicht bei allen 170 Kindern getestet wurden. Weiter konnte herausgefunden werden, dass eine sehr geringe negative Korrelation zwischen dem Alter der Kinder bei Förderungsbeginn und den Fortschritten in den Kategorien A bis I besteht. Der erworbene Fortschritt in den Kategorien A bis I kann zur Verdeutlichung in drei Gruppen zusammengefasst werden. Die Einteilung der Gruppen wurde mithilfe einer Clusteranalyse des Statistikprogrammes SPSS 18 vorgenommen. Die erste Gruppe besteht aus den Kategorien A, B und D mit einem durchschnittlichen Fortschritt von etwa 30%43. Die zweite Gruppe aus den Kategorien C und F mit einem durchschnittlichen Fortschritt von etwa 20%44 und die dritte Gruppe aus den Kategorien E, G, H und I mit einem durchschnittlichen Fortschritt von etwa 15%45. Die erste Gruppe umfasst Fähigkeiten der Bereiche Verstärkereffektivität und Kooperation (A), visuelle Leistungsfähigkeit (B) und motorische Imitationsfähigkeiten (D). Fähigkeiten in diesen drei Bereichen sind besonders zur Etablierung einer positiven und erfolgversprechenden Lernsituation von elementarer Bedeutung. In dieser Gruppe konnte der größte durchschnittliche Fortschritt erzielt werden. In der Kategorie Verstärkereffektivität und Kooperation (A) erfährt das Kind, dass Lernen und das Zusammensein mit anderen Menschen Spaß machen kann und 43 Kategorie A: 28,76%; Kategorie B: 29,4%; Kategorie D: 30,85% 44 Kategorie C: 21,32%; Kategorie F: 18,37% 45 Kategorie E: 16,83%; Kategorie G: 13,78%; Kategorie H: 11,96%; Kategorie I: 15,13% 95 lohnenswert ist. Erst wenn effektive (soziale) Verstärker etabliert sind und das Kind ausreichend motiviert ist, kann erfolgreiches Unterrichten stattfinden. Fortschritte im Bereich der visuellen Leistungsfähigkeit (B) zeigen, dass das Kind gelernt hat, einfache gestellte Aufgaben zu befolgen. Die Fähigkeiten im Bereich der motorischen Imitation (D) sind die Voraussetzung für einen schnellen Aufbau von komplexen Verhaltensweisen. Daher kann aufgrund der erheblichen Fortschritte in diesem Bereich davon ausgegangen werden, dass das Kind das Imitieren gelernt hat. Da nach etwa einem Jahr intensiver ABA/VB-Förderung durchschnittlich jeweils etwa 65%46 der Fähigkeiten der Kategorien A, B und D vorhanden waren, kann davon ausgegangen werden, dass die sieben Schritte zur Unterrichtskontrolle weitgehend erreicht wurden (siehe Kapitel 4.6.5). Außerdem wurde durch die verbesserte Imitationsfähigkeit die Grundlage für ein einfaches und schnelles Erlernen von schwierigen Verhaltensweisen im weiteren Verlauf der Förderung geschaffen. Die Gruppe mit dem zweitgrößten Fortschritt von durchschnittlich etwa 20% besteht aus den Bereichen rezeptive Fähigkeiten (C) und Bedürfnisäußerung (F). Durch den erheblichen Zuwachs im Bereich des rezeptiven Sprachverständnisses (C) wird die Voraussetzung geschaffen, dass das Kind verschiedene Aufforderungen und Instruktionen unterscheiden und diese auch befolgen kann. Wie in Kapitel 4.6.1 beschrieben, stellen selbst vereinzelte Fähigkeiten der Bedürfnisäußerung (F) einen wichtigen Schritt zum Abbau von Verhaltensproblemen dar (siehe auch das Fallbeispiel in Kapitel 4.6.9). Aus diesem Grund kann bei einem etwa zwanzigprozentigen Fortschritt in dieser Kategorie davon ausgegangen werden, dass dieser eine erhebliche Verringerung von unerwünschtem Verhalten bewirkt. In der dritten Gruppe, in der die Kategorien sprachliche Imitationsfähigkeiten (E), Benennungsfähigkeiten (G), intraverbale Fähigkeiten (H) und Fähigkeiten des spontanen Vokalisierens (I) zusammengefasst sind, konnten die Kinder durchschnittlich etwa 15% Fortschritt erwerben. Die Fähigkeiten, die in diesen Kategorien erworben werden sollen, bauen auf den Fähigkeiten der Kategorien A, B, C, D und F auf. Denn erst, wenn mithilfe der Fähigkeiten der Kategorien A, B, C und D die Grundlage für eine positive erfolgreiche Lernsituation geschaffen 46 Kategorie A: 68,49%; Kategorie B: 61,33%; Kategorie D: 63,52% 96 wurde und mithilfe der Kategorie F, insbesondere bei nonverbalen Kindern, Problemverhalten abgebaut werden konnte, ist es möglich an Fähigkeiten der Kategorien E, G, H und I intensiv zu arbeiten. Es lässt sich demnach vermuten, dass im weiteren Verlauf der Förderung in diesen Bereichen größere Fortschritte erzielt werden könnten. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass im ersten Jahr einer ABA/VBFörderung durch das Institut Knospe-ABA große Fortschritte in den Bereichen erzielt wurden, die der Etablierung einer positiven Beziehung zum Kind und einer erfolgreichen Lernsituation dienen. Daraus lässt sich schließen, dass im ersten Jahr der Grundstein für eine positive Entwicklung in allen anderen Bereichen gelegt wird. 6.4.1 Kritik Die dargestellten Ergebnisse können zwar einige erfolgsversprechende Tendenzen angeben, müssen jedoch aufgrund des gewählten Studiendesigns kritisch betrachtet werden. Vorrangig ist zu bemerken, dass die erzielten Fortschritte keinen direkten Rückschluss auf die ABA/VB-Förderung zulassen, da die Ergebnisse der untersuchten Kinder nicht denen einer Vergleichsgruppe gegenübergestellt wurden. Aus diesem Grund ist in dieser Studie die interne Validität nicht gewährleistet. Bortz und Döring gebHQ DQ GDVV Ä(YDOXDWLRQVVWXGLHQ bei denen GLH XQDEKlQJLJH Ä9DULDEOH³ QXU DXV GHU ]X EHZHUWHQGHQ 0DQDKPH EHVWHKW wenig aussagekräftig sind, weil die auf der abhängigen Variable festgestellten Merkmalsausprägungen nicht zwingend auf die Maßnahme zurückgeführt ZHUGHQ N|QQHQ³ (Bortz & Döring, 2006, S. 118). Bisher ist unbekannt, wie sich Kinder mit ASS ohne Förderung entwickeln. Zu vermuten ist jedoch, dass sich Verhaltensprobleme verstärken und ohne die Etablierung positiver Lernsituationen keine oder nur wenige neue Fähigkeiten erworben werden. Aus ethischen Gründen kann keine Studie durchgeführt werden, in denen die Ergebnisse einer ABA/VB-Interventionsgruppe mit denen einer Nullgruppe verglichen werden könnten. Um die Wirkung einer ABA/VB-Intervention wissenschaftlich fundiert zu belegen und die gewonnen Ergebnisse einzuordnen, müsste sie daher mit einer oder mehrerer anderer Interventionen für Kinder mit ASS über einen längeren Zeitraum verglichen werden. 97 Ein weiterer Aspekt, der kritisch betrachtet werden muss, ist die Wahl des ABLLS-R-Instruments als Ergebnisparameter. Das ABLLS-R wurde gewählt, da das Institut Knospe-ABA mit diesem Instrument arbeitet und dadurch auf vorhandene Daten zurückgegriffen werden konnte. Dies ermöglichte die Untersuchung einer größtmöglichen Anzahl von Studienteilnehmer/innen im Rahmen einer Masterarbeit. Problematisch sind dabei jedoch die Aspekte der Objektivität und der Reliabilität anzusehen. Die Fähigkeiten wurden von Berater/innen des Institut Knospe-ABA eingestuft und protokolliert. Die Einstufung repräsentiert demnach nur die Fähigkeiten, die am Tag der Einstufung auch vom Kind gezeigt werden, bzw. die Dokumentation und die Aussagen von Eltern und Tutor/innen. Zudem unterliegt die Einstufung stets auch der Fähigkeit der Berater/innen, das Kind zu motivieren, bestimmte Verhaltensweisen zu zeigen. Weiter ist fraglich, ob das ABLLS-R in Deutschland als Instrument für eine Interventionsevaluationsstudie geeignet ist. Die Einstufung aller Kategorien erfordert durch die erhebliche Komplexität (25 Kategorien mit 544 Kriterien) sehr viel Zeit. Für die Einstufung aller Kategorien müssen zwischen zehn und 14 Stunden veranschlagt werden. Zudem setzt die Einstufung eine intensive Einarbeitung und Erfahrungen in der Arbeit mit ABA/VB voraus. Da es, wie in Kapitel 5 beschrieben, in Deutschland bisher nur sehr wenig fachlich qualifiziertes Personal gibt, das über ABA/VB- und ABLLS-R-Kenntnisse verfügt, wird es schwierig sein, externe Evaluatoren zu finden, die ABLLS-REinstufungen vornehmen können. Da jedoch erstens ÄH[WHUQH (YDOXDWRUHQ « HLQHU 6HOEVWHYDOXDWLRQ YRU]X]LHKHQ³ sind (Bortz & Döring, 2006, S. 104), und zweitens der Vergleich zu neurotypischen Kindern (der beim ABLLS-RInstrument aufgrund von fehlenden Standardnormen nicht gegeben ist47) sinnvoll wäre, ist es ratsam für weitere Studien andere gängige Instrumente zu wählen, mit denen relevante Ergebnisparameter einer Intervention gemessen werden und mit denen neurotypisch entwickelter Kinder verglichen werden können 48. Der dritte Kritikpunkt besteht darin, dass in der vorliegenden Studie verschiedene Einflussgrößen nicht erfasst werden konnten, die für die Einschätzung des 47 48 Siehe Kapitel 4.6.8.1 Im HTA-Bericht werden allein 21 verwendete Ergebnisparameter aufgeführt (Weinmann u.a., 2009). 98 Fördererfolgs relevant sein können. Dieses Problem beeinträchtigt, wie auch das Fehlen der Kontrollgruppe die interne Validität. So konnte die genaue Diagnose jedes Kindes und die komorbiden Erkrankungen nicht ermittelt werden. Des Weiteren wurde die Intensität der Förderung nicht erfasst. Es ist folglich nicht bekannt, wie viele Stunden ABA/VB-Intervention die Kinder durch Tutor/innen, Bezugspersonen oder Eltern wöchentlich erhielten und ob ABA/VB-Prinzipien auch in Kindergarten oder Grundschule von Lehrer/innen und Betreuer/innen angewandt wurden. Eine weitere unbekannte, kaum messbare Einflussgröße stellt das psychosoziale Umfeld der Kinder dar. Viele Eltern nehmen auch während einer ABA/VBFörderung zusätzlich andere Interventionen in Anspruch (Ergotherapie, Logopädie etc.), um ihre Kinder bestmöglich zu fördern. Diese anderen Maßnahmen, aber auch sonstige Parameter (Engagement und Qualifikation der Tutor/innen, allgemeines Familienklima, sozialer Status der Eltern, Geschwister, etc.) können die Ergebnisse beeinflussen. 6.4.2 Ausblick Ungeachtet der oben genannten Kritikpunkte hat die vorliegende Studie gezeigt, dass Kinder mit ASS während des ersten Jahres der ABA/VB-Förderung durch das Institut Knospe-ABA erhebliche Fortschritte in den Bereichen erzielen, die für einen ÄerfolgreicheQ³8QWHUULFKW als elementar zu erachten sind. Interessant wäre es, auch den weiteren Verlauf der Förderung zu untersuchen und hierbei zu prüfen, wie sich die im ersten Jahr etablierten positiven Voraussetzungen auf weitere Förderjahre auswirken. Hierfür könnten die bereits aufbereiteten Daten verwendet und erweitert werden. Auch könnte die Ergänzung von qualitativen Aspekten einzelner Fälle zu interessanten und aufschlussreichen Ergebnissen führen. Die in dieser Studie angegebenen Tendenzen sollten durch Studien, in denen die interne Validität sowie Reliabilität und Objektivität gewahrt werden, präzisiert und verifiziert werden. Zurzeit gibt es ÄQXU ZHQLJH PHWKRGLVFK DQJHPHVVHQH 6WXGLHQ ]XU %HXUWHLOXQJ der WiUNVDPNHLWYRQ)UKLQWHUYHQWLRQHQEHL.LQGHUQPLW$XWLVPXV³(Weinmann u. a., 2009, S. 7). Durch die stetig wachsende Aufmerksamkeit der (Fach-)Öffentlichkeit und die steigende Prävalenzrate von ASS, ist jedoch zu hoffen, dass in den nächsten Jahren weitere Studien, die allen wissenschaftlichen Kriterien entsprechen, 99 durchgeführt werden. Dabei sollte der Fokus auf die durch frühere Studien bereits evaluierten, evidenzbasierten verhaltenstherapeutischen Interventionsmöglichkeiten für Kinder mit ASS gelegt werden und diese hinsichtlich verschiedener Faktoren weiter untersucht werden. Es sollte ergründet werden, welche Form von ABA, für Kinder mit welcher Diagnose geeignet ist. Dem Verbal Behavior Ansatz sollte aufgrund der vorliegenden Ergebnisse dabei besondere Beachtung geschenkt werden. Zudem sollte erforscht werden, welche Intensität der Förderung angemessen und erfolgversprechend ist und bei welchem Alter der Kinder welche Förderung am effektivsten ist. $XFK GHU ELVODQJ ÄXQ]XUHLFKHQGHQ « 9HUDOOJHPHLQHUEDUNHLW LQ GHQ GHXWVFKHQ 9HUVRUJXQJVNRQWH[W³ (Weinmann u. a., 2009, S. 7) sollte entgegengewirkt und die Vereinbarkeit von effektiver Förderung und Anwendbarkeit für die Familien, aber auch für das deutsche Versorgungssystem, berücksichtigt werden. Aufgrund der großen Heterogenität der ASS wird es wohl auch durch zahlreiche randomisierte kontrollierte Studien nicht möglich sein, für jedes Kind mit einer ASS die Äperfekte³ )|UGHUPHWKRGH aufzuzeigen. Jedoch sollten zumindest Anhaltspunkte in Erfahrung gebracht werden, mit welcher Methode jedes Kind mit ASS individuell und bestmöglich gefördert werden kann. 100 7. Fazit und Ausblick Die vorliegende Arbeit hat das Autismus-Spektrum als eine tiefgreifende Entwicklungsstörung dargestellt, die vor allem durch Auffälligkeiten in der sozialen Kommunikation und Interaktion gekennzeichnet ist. Der verhaltenstherapeutisch orientierte Förderansatz ÄApplied Behavior Analysis mit Verbal Behavior³ wurde ausführlich erläutert und der Fokus dieser Fördermethode, der auf dem Erwerb von sozialen und kommunikativen Fähigkeiten und dem Aufbau einer positiven Lernumgebung durch Motivation und Verstärkung liegt, hervorgehoben. Die derzeitige Situation von ABA/VB in Deutschland wurde diskutiert und es wurde deutlich, dass allmählich auch hierzulande die Fördermethode ABA bzw. ABA/VB bekannter wird. Anschließend wurde die Arbeitsweise des Instituts Knospe-ABA, das eine ABA/VB-Förderung für Kinder ASS in Deutschland anbietet, erläutert. Im darauffolgenden empirischen Teil der Arbeit wurden anhand von Daten des Instituts Knospe-ABA die Fortschritte von 170 Kindern im ersten Jahr der Förderung beschrieben. Bei der Beschreibung der Ergebnisse der quasiexperimentellen Studie wurde deutlich, dass die Kinder im ersten Jahr der ABA/VB-Förderung besonders in denjenigen Bereichen erhebliche Fortschritte erzielten, die für die Etablierung einer erfolgreichen Lernsituation von grundlegender Bedeutung sind. Daraus wurde gefolgert, dass im ersten Interventionsjahr die Unterrichtskontrolle verbessert wird und dies mit einer erheblichen Verringerung von unerwünschten Verhaltensweisen einhergeht. Die Ergebnisse des empirischen Teils der vorliegenden Arbeit spiegeln die Erfahrung wieder, die ich während meiner Tätigkeit als ABA/VB-Tutorin für Kinder mit ASS gewinnen konnte. So machte ich die Erfahrung, dass im ersten Jahr der Förderung eine positive Beziehung zum Kind geschaffen und eine produktive Lernumgebung etabliert wird, aus der eine Verringerung von Problemverhalten, Entlastung der Eltern und eine Steigerung der Lernmotivation der Kinder resultiert. Durch die vorliegende Arbeit wurde die Notwendigkeit sichtbar, dass, um möglichst vielen Kindern mit ASS eine hochwertige wissenschaftlich fundierte 101 Förderung durch den ABA/VB-Ansatz zu ermöglichen, randomisierte kontrollierte Studien notwendig sind, die die im empirischen Teil der Arbeit gewonnen Ergebnisse verifizieren und in denen untersucht wird, welche Fortschritte mithilfe der Intervention möglich sind und für welches Kind welche Interventionsmethode den größten Erfolg bringt. Die persönlichen Erfahrungen, das intensive Literaturstudium sowie die Ergebnisse des empirischen Teils dieser Arbeit geben deutlich zu verstehen, dass es an der Zeit ist, endlich auch im deutschsprachigen Raum der ABA/VBIntervention mehr Beachtung zu schenken, als dies bislang der Fall ist. Außerdem sollte allen Kindern mit ASS die Möglichkeit geboten werden, die bestmögliche evidenzbasierte Förderung in Anspruch nehmen zu können. Daher möchte ich mit dieser Arbeit unter anderem dazu beitragen, den Bekanntheitsgrad von ABA/VB-Förderungen für Kinder mit ASS in Deutschland zu erhöhen und somit die Fördermöglichkeiten für Kinder mit ASS in Deutschland zu verbessern. 102 8. Literaturverzeichnis Aarons, M. & Gittens, T. (2005). Autismus kompensieren: Soziales Training für Kinder und Jugendliche ab drei Jahren. Weinheim, Basel: Beltz. Aarons, M. & Gittens, T. (2008). Das Handbuch des Autismus: Ein Ratgeber für Eltern und Fachleute. Weinheim, Basel: Beltz. Alberto, P. (2009). 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Autismus : Therapien im Vergleich - ein Handbuch für Therapeuten und Eltern. Berlin: Spiess. Wiesner, H. (2006).Kapitel 8. In: Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Bildung und Wissen) (Hrgs.), Übersicht über das Sozialrecht: Nürnberg. 110 Williams, B. F., & Williams, R. L. (2011). Effective Programs For Treating Autism Spectrum Disorder: Applied Behavior Analysis Models. New York: Routledge. Zimbardo, P. G. & Gerrig, R. J. (2004). Psychologie (16. Aufl.). München: Pearson. Zöfel, P. (2003). Statistik für Psychologen im Klartext. München: Pearson Studium. 8.1 Internetquellen ABA/VB - Melody Learning Center. Verfügbar unter http://www.melodycenter.de [10.01.2011] ABA-Eltern e.V.. Verfügbar unter http://www.aba-eltern.de/ [10.01.2011] Autism Special Interest Group (SIG) Of The Association For Behavior Analysis. (2007). Consumer Guidelines For Identifying, Selecting, And Evaluating Behavior Analysts Working With Individuals With Autism Spectrum Disorders. Verfügbar unter http://www.abainternational.org/Special_Interests/AutGuidelines.pdf [18.10.2010] Bautismus. Verfügbar unter http://www.bautismus.de [10.01.2011] Behavior Analyst Certification Board. http://www.bacb.com/ [30.04.2011] Bremer Elterntraining (BET). Verfügbar unter http://www.autismushamburg.de/betbremer-elterntraining.html [16.05.2011] Cathrin Wolf Praxis. Verfügbar unter http://wolf-aba.com/ [16.05.2011] Deutschsprachige kommerzielle Anbieter von ABA/VB. Verfügbar unter http://www.aba-eltern.de/index.php/webverweise/43-kommerzielle-anbieter-vonaba [27.05.2011] Early Autism Projekt Stuttgart. Verfügbar unter http://www.earlyautismprojekt.de/ [16.05.2011] Institut für Autismusforschung (IFA). Verfügbar unter http://www.ifa-bremen.de/ [13.05.2011] Institut Knospe - ABA. http://knospe-aba.com/cms/de/home.html [10.01.2011] 111 Mareike Overhof Praxis. Verfügbar unter http://www.aba-praxis.de/ [16.05.2011] Melanie Taxer Praxis. Verfügbar unter http://www.autismus-ro.de/ [16.05.2011] Melody Learning Center. Verfügbar unter http://www.melodycenter.ch/german/ [16.05.2011] Schramm, R: (o.J.) Unsere Philosophie ist einfach. Verfügbar unter http://www.knospe-aba.com/cms/de/home/1-texte-de/13-unsere-philosophie-isteinfach.html [30.01.2011] 8.2 Seminarunterlagen Noterdaeme, M. (2011). Autismus-Spektrum-Störungen - ein Überblick zum aktuellen Forschungsstand. Gehalten auf den Pädiatrietagen 2011, Bamberg: Thieme. doi:http://dx.doi.org/10.1055/s-0030-1256068 Schramm, R. (2009). ABA/VB - Modern Applied Behavior Analysis And Its Value In Treating Autism Spectrum Disorders. Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Röttgers, H.R. (2011) Autismus-Spektrum-Störungen: Evidenzbasierte Interventionen und die reale Versorgungssituation in Deutschland. Carl von Ossietzky Universität Oldenburg 112 9. Anhang 9.1 ABLLS-R-Datenblatt 113 114 Abbildung 29: ABLLS-Datenblatt (Partington, 2006) 115 9.2 ABLLS-R-Dokumentationsblatt ABLLS B-5 Sortieren von multiplen Exemplaren Ziel Jan wird in der Lage sein, 5 oder mehr Exemplare von 6 oder mehr verschiedenen Gegenständen und Bildern in einem Feld von 4 zu sortieren. Verfahren SD 6DJWLKPÄVRUWLHUH³XQGpromptet ihn mehrere Male, die restlichen Exemplare zu sortieren Prompts Alle üblichen Korrektes Letztendlich sollte Jan in der Lage sein, einen vor ihm liegenden Haufen von Verhalten Bildern und Fotos selbständig anhand der Kategorien ohne visuelle Hilfe zu sortieren. Verstärker Alle Arten ! Kommentar Wir arbeiten jetzt mit Fotos von den Objekten!! Sobald Jan diese Fähigkeit in Unterrichtssituationen mit Bildkarten und auch Gegenständen gut beherrscht, baut sie bitte in den Alltag ein. Wenn Ihr z.B. die Spülmaschine ausräumt, könnt Ihr Jan auffordern, z.B. die Gabeln und die Löffel zu sortieren; nach dem Wäschewaschen, könnt Ihr ihn z.B. auffordern, die Strümpfe von den Unterhosen zu trennen oder wenn Ihr Wäsche aufhängt, könnt Ihr Jan auffordern, euch alle T-Shirts anzugeben; etc. Folgende Kategorien können wir nutzen: Kleidung: Hose, Socken, T-Shirt, Pullover Tiere: Hund, Katze, Hahn, Pferd, Kuh, :HUN]HXJ+DPPHU6FKUDXEHQ]LHKHU6lJH« Besteck Obst Datum Name 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Kommentar 15.1. Lotte G G G V 16.1. Lotte V V Tiere, Besteck, Werkzeug 17.1. Lotte W W W Müde und lustlos 18.1. Lotte S- Tiere, Besteck, Kleidung Sehr motiviert, tolles Arbeiten! Erklärung: W = Weigerung, VP = Voller physischer Prompt nötig, TP = Teilweise physischer Prompt nötig, G = Gestikprompt nötig, V = Verbaler Prompt nötig, S = Selbständig, + = schnell, - =langsam 116 9.3 Deskriptive Statistik: Alter in Monaten Abbildung 30: Alter in Monaten bei Beratungsbeginn Standardabweic N Minimum Maximum Mittelwert hung Alter_in_Monaten 170 16,79 164,90 64,6470 26,52287 Gültige Werte (Listenweise) 170 9.4 Deskriptive Statistik: Fähigkeiten A1 bis Z1 Abbildung 31: Deskriptive Statistik Fähigkeiten A1 bis Z1 Standardabweic N Minimum Maximum Mittelwert hung A1_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 100,00 39,7255 20,84483 B1_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 100,00 31,9272 27,86492 C1_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 96,91 30,2614 27,90221 D1_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 100,00 32,6726 32,74299 E1_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 100,00 34,1503 35,18271 F1_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 97,06 26,8080 27,55356 G1_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 85,21 14,7556 22,20686 H1_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 67,07 7,7798 13,55584 I1_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 100,00 40,4832 35,49158 J1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 54,55 1,3237 8,11042 K1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 86,11 2,6862 13,65514 L1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 65,52 1,6024 9,19544 M1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 58,82 2,1978 10,47317 N1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 75,00 2,6557 12,82775 P1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 4,2125 19,01809 Q1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 41,67 1,5339 6,54280 R1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 27,78 1,6026 5,13001 S1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 112,50 5,0824 20,16990 T1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 3,3883 15,45244 U1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 5,2541 17,54755 V1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 7,4176 20,96773 W1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 85,71 2,9042 13,80041 X1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 6,4436 22,30997 Y1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 9,0267 22,98168 Z1_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 6,2009 18,53350 Gültige Werte (Listenweise) 91 117 9.5 Deskriptive Statistik: Fähigkeiten A2 bis Z2 Abbildung 32: Deskriptive Statistik Fähigkeiten A2 bis Z2 Standardabweic N Minimum Maximum Mittelwert hung A2_Fähigkeiten_Prozent 170 16,67 100,00 68,4902 19,69211 B2_Fähigkeiten_Prozent 170 1,32 100,00 61,3313 29,38438 C2_Fähigkeiten_Prozent 170 2,47 100,00 51,5832 30,19733 D2_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 100,00 63,5166 32,07171 E2_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 100,00 50,9804 37,38084 F2_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 100,00 45,1817 28,39119 G2_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 100,00 28,5377 32,35087 H2_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 97,56 19,7418 25,89959 I2_Fähigkeiten_Prozent 170 ,00 100,00 55,6093 35,76039 J2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 11,2138 27,44224 K2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 14,8657 31,00227 L2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 96,55 12,7700 26,23106 M2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 83,82 4,3651 16,20440 N2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 91,67 4,7161 19,45643 P2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 11,0806 28,68128 Q2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 16,9872 27,47390 R2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 97,22 14,1636 24,08050 S2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 112,50 14,6978 29,99745 T2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 6,0440 20,37708 U2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 23,7981 30,84378 V2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 30,0000 36,10171 W2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 19,4662 31,48022 X2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 28,9710 35,42765 Y2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 23,9796 34,02049 Z2_Fähigkeiten_Prozent 91 ,00 100,00 25,7849 33,99347 Gültige Werte (Listenweise) 91 118 9.6 Deskriptive Statistik Fortschritte A bis Z Abbildung 33: Deskriptive Statistik der prozentualen Fortschritte A bis Z Standardabweic N Minimum Maximum Mittelwert hung A_Fortschritt_Prozent 170 ,00 70,00 28,7647 15,04684 B_Fortschritt_Prozent 170 ,00 86,84 29,4040 18,96593 C_Fortschritt_Prozent 170 ,00 74,69 21,3217 14,21397 D_Fortschritt_Prozent 170 ,00 97,82 30,8440 22,54848 E_Fortschritt_Prozent 170 ,00 83,33 16,8300 17,61157 F_Fortschritt_Prozent 170 ,00 61,76 18,3737 12,36623 G_Fortschritt_Prozent 170 ,00 71,13 13,7821 16,31692 H_Fortschritt_Prozent 170 ,00 70,73 11,9620 15,86491 I_Fortschritt_Prozent 170 ,00 89,29 15,1261 18,92334 J_Fortschritt_Prozent 91 ,00 100,00 9,8901 24,72153 K_Fortschritt_Prozent 91 ,00 91,67 12,1795 27,02298 L_Fortschritt_Prozent 91 ,00 96,55 9,7764 21,72240 M_Fortschritt_Prozent 91 ,00 58,33 2,1673 8,16499 N_Fortschritt_Prozent 91 ,00 62,50 2,0604 9,48874 P_Fortschritt_Prozent 91 ,00 100,00 6,8681 21,96354 Q_Fortschritt_Prozent 91 ,00 100,00 15,4533 26,56931 R_Fortschritt_Prozent 91 ,00 97,22 12,5611 23,51096 S_Fortschritt_Prozent 91 ,00 93,75 9,6154 22,62710 T_Fortschritt_Prozent 91 ,00 100,00 2,6557 11,93986 U_Fortschritt_Prozent 91 ,00 93,75 18,5440 28,32032 V_Fortschritt_Prozent 91 ,00 100,00 22,5824 34,05357 W_Fortschritt_Prozent 91 ,00 100,00 16,5620 29,25529 X_Fortschritt_Prozent 91 ,00 100,00 22,5275 32,09771 Y_Fortschritt_Prozent 91 ,00 92,86 14,9529 27,57135 Z_Fortschritt_Prozent 91 ,00 100,00 19,5840 30,37634 Gültige Werte (Listenweise) 91 119 9.7 Korrelationen Fortschritt*Alter Abbildung 34: Korrelationen A*Alter A_Fortschritt_A Alter Korrelation nach Pearson Alter _Prozent 1 ,038 Signifikanz (2-seitig) A_Fortschritt_A_Prozent ,625 N 170 170 Korrelation nach Pearson ,038 1 Signifikanz (2-seitig) ,625 N 170 170 Abbildung 35: Korrelationen B*Alter B_Fortschritt_B Alter Korrelation nach Pearson Alter _Prozent 1 -,103 Signifikanz (2-seitig) B_Fortschritt_B_Prozent ,182 N 170 170 Korrelation nach Pearson -,103 1 Signifikanz (2-seitig) ,182 N 170 170 Abbildung 36: Korrelationen C*Alter C_Fortschritt_C Alter Korrelation nach Pearson Alter _Prozent 1 -,096 Signifikanz (2-seitig) C_Fortschritt_C_Prozent ,211 N 170 170 Korrelation nach Pearson -,096 1 Signifikanz (2-seitig) ,211 N 170 170 120 Abbildung 37: Korrelationen D*Alter D_Fortschritte_ Alter Korrelation nach Pearson Alter D_Prozent 1 -,093 Signifikanz (2-seitig) D_Fortschritte_D_Prozent ,228 N 170 170 Korrelation nach Pearson -,093 1 Signifikanz (2-seitig) ,228 N 170 170 Abbildung 38: Korrelationen E*Alter E_Fortschritte_ Alter Korrelation nach Pearson Alter Prozent 1 -,193 Signifikanz (2-seitig) N E_Fortschritte_Prozent * ,012 170 170 Korrelation nach Pearson -,193 Signifikanz (2-seitig) ,012 N 170 * 1 170 *. Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,05 (2-seitig) signifikant. Abbildung 39: Korrelationen F*Alter F_Fortschritt_Pr Alter Korrelation nach Pearson Alter ozent 1 -,209 Signifikanz (2-seitig) N F_Fortschritt_Prozent ** ,006 170 Korrelation nach Pearson -,209 Signifikanz (2-seitig) ,006 N 170 170 ** 1 170 121 Abbildung 40: Korrelationen G*Alter G_Fortschritt_P Alter Korrelation nach Pearson Alter rozent 1 -,140 Signifikanz (2-seitig) G_Fortschritt_Prozent ,068 N 170 170 Korrelation nach Pearson -,140 1 Signifikanz (2-seitig) ,068 N 170 170 Abbildung 41: Korrelationen H*Alter H_Fortschritte_ Alter Korrelation nach Pearson Alter Prozent 1 -,033 Signifikanz (2-seitig) H_Fortschritte_Prozent ,666 N 170 170 Korrelation nach Pearson -,033 1 Signifikanz (2-seitig) ,666 N 170 170 Abbildung 42: Korrelationen I*Alter I_Fortschritte_P Alter Korrelation nach Pearson Alter rozent 1 -,250 Signifikanz (2-seitig) N I_Fortschritte_Prozent ** ,001 170 Korrelation nach Pearson -,250 Signifikanz (2-seitig) ,001 N 170 170 ** 1 170 **. Die Korrelation ist auf dem Niveau von 0,01 (2-seitig) signifikant. 122 EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG Hiermit versichere ich, dass ich diese Arbeit selbstständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Außerdem versichere ich, dass ich die allgemeinen Prinzipien wissenschaftlicher Arbeit und Veröffentlichung, wie sie in den Leitlinien guter wissenschaftlicher Praxis der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg festgelegt sind, befolgt habe. Oldenburg, den 25. November 2011 123