„Juden-Christen-Moslems: Glauben wir an denselben Gott?“

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Fastenpredigten 2007
St. Mariä Himmelfahrt, Buer & St. Konrad
„Juden-Christen-Moslems: Glauben wir an denselben Gott?“
2. Fastensonntag:
„Propheten, Sprachrohre Gottes“
oder: Verständnis der Heiligen
Schrift und Offenbarung.
Mit seiner Vorlesung an der Universität
Regensburg, während seines Pastoralbesuches in
Bayern am 12. September 2006, hat Papst Benedikt XVI. eine Lawine los getreten: Eine Lawine,
die vordergründig zunächst einmal vor allem aus
Protesten bestand – aus den Protesten der Religionsführer des Islams, aber auch aus Protesten von
vielen verängstigten und schlecht informierten
Christen. Und so ist es glücklicherweise auch ein
Effekt dieser Lawine, dass viele Menschen in den
vergangenen Monaten vermehrt nach Informationen fragten, um sich selbst ein objektives Urteil
bilden zu können: Die Literatur und das Informationsangebot zum islamisch-christlichen Dialog
verzeichneten einen sprunghaften Boom.
Mit unserer diesjährigen Reihe der Fastenpredigten wollen wir uns in diese Bewegung
einreihen. So ist es das Ziel der heutigen zweiten
Predigt, Ihnen Informationen zum Verständnis der
Offenbarung, zum je verschiedenen Verständnis
der Heiligen Schrift im Islam und im Christentum
an die Hand zu geben.
Für einen Einstieg in dieses Thema ist es
zunächst unerlässlich festzuhalten, dass sich der
Islam selbst als die Fortsetzung und Erfüllung der
jüdischen und der christlichen Religion und Offenbarung versteht. Kurz skizziert stellt sich der
Glaube der Moslems zu diesem Thema wie folgt
dar: Von Allah wurden zunächst die Thora, die
fünf Bücher Mose, und die Psalmen offenbart.
Diese Offenbarung wurde jedoch von den Juden
im Lauf der Geschichte verfälscht. In einem zweiten Anlauf offenbarte Allah die vier Evangelien.
Diese wurden jedoch im Lauf der Geschichte von
den Christen verfälscht. Alle anderen Bücher des
Alten und Neuen Testamentes werden vom Islam
als rein menschliche Schriften gesehen und abgelehnt. In einem dritten Anlauf legte Allah seine
wirklichen Worte im Koran nieder, der bis heute
vor jeder Verfälschung bewahrt wurde.
Die Behauptung des Islams, nur im Koran seien die wirklichen Worte Allahs niedergelegt, werden mit drei Argumenten untermauert.
Allah hat seinem Propheten Mohammed
– durch die Vermittlung des Engels Gabriel – den
Koran buchstäblich selbst in die Feder diktiert. Es
gibt keinen menschlichen Eigenanteil des Propheten am Text; der Prophet ist das reine Werkzeug
Allahs, der den von Gott selbst diktierten Text nur
bekannt macht und weitergibt. Dies nennen die
muslimischen Theologen die „Verbalinspiration“.
Sie ist für sie der wichtigste Garant der Göttlichkeit des Korans.
Der zweite Garant für die Göttlichkeit
des Korans ist für die islamische Offenbarungslehre die völlige Sündenlosigkeit des Propheten
Mohammed. Nur weil der Prophet Mohammed
ohne jede Sünde war, konnte er die Worte Allahs
authentisch niederschreiben und weitergeben.
Der dritte Garant für die Göttlichkeit des
Korans ist für die islamische Theologie die Tatsache, dass es – zum Beispiel zum Unterschied zu
den vier Evangelien der Christen – nur einen Text
des Korans gibt. Nur der arabische Originaltext
des Propheten Mohammed ist für die Moslems
Gottes Wort. Deshalb kennen sie auch keine authentischen Koranübersetzungen. Übersetzungen
des Korans in die verschiedenen Weltsprachen –
die es auch gibt – stehen für die islamische Theologie nur im Rang einer Koranauslegung: Authentisch allein ist nur der von Mohammed niedergeschriebene und von Allah diktierte arabische Text
des Korans!
Im Kontrast zu diesem – kurz skizzierten
– Verständnis des Islams formuliert sich das
christliche Offenbarungsverständnis wie folgt:
Der Koran der Moslems und die Heilige
Schrift der Christen haben nicht die gleiche Wertigkeit. Das Äquivalent zur Heiligkeit des Korans
ist im Christentum nicht die Heilige Schrift, sondern die Heiligkeit der Person Jesu Christi selbst
– Jesus, der als Sohn Gottes in dieser Welt erschienen ist und der auch heute in seiner Kirche
und in den Sakramenten gegenwärtig ist, vor
allem in der leibhaften Gegenwart im Sakrament
der Eucharistie. Die Heilige Schrift ist für Christen von Gott inspiriertes, aber von Menschen
niedergeschriebenes Wort. Keiner dieser Schreiber war nach christlichem Verständnis sündenlos:
Gott bediente sich ganz normaler Menschen, um
seine Offenbarungen des Alten und Neuen Testamentes den Menschen zu überliefern. Die Heilige Schrift ist für uns Christen: „Gottes Wort in
Menschenwort“. Daher ist es für das christliche
Offenbarungsverständnis kein Problem, dass es –
zum Beispiel – mehrere Evangelien gibt und offizielle, das heißt authentische Übersetzungen in
allen Weltsprachen; denn entscheidend sind für
das christliche Offenbarungsverständnis die überlieferten Gedanken Gottes und nicht der von
Menschen niedergeschriebene Text selbst: Nicht
die Heilige Schrift ist für Christen von Gott her in
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diese Welt gekommen, sondern Jesus Christus,
über den sie berichten!
Es gilt also festzuhalten: Das islamische
und christliche Offenbarungsverständnis sind
grundlegend verschieden. Dies gilt es, in gegenseitiger Achtung zu respektieren! Genauso aber
gilt es, gegenseitig anzuerkennen, dass sich aus
dem islamischen Offenbarungsverständnis zwei
grundlegende Probleme für den islamischchristlichen Dialog ergeben:
Das erste Problem: Der offizielle Islam
sperrt sich aus guten Gründen – die da sind, die
vom Islam geglaubte Göttlichkeit und Heiligkeit
des Textes – bis heute gegen jede historischkritische Erforschung des Korans. Im Folgenden
möchte ich Ihnen – in aller Kürze – einige Fragen
skizzieren, wie sie von der, vom offiziellen Islam
unabhängigen Islamwissenschaft gestellt werden:
Zum Zeitpunkt des Todes des Propheten
Mohammeds, er lebte von 570 – 632, existierten
in Medina, Mekka, Basra, Kufa, Damaskus und
anderen Zentren unterschiedliche Versionen des
Korans, die zum Teil erheblich voneinander abwichen. Erst der dritte Nachfolger Mohammeds,
der Kalif Osman (Uthman) erklärte die Version
von Medina zur allein Verbindlichen und ließ alle
anderen vernichten. Die ältesten Handschriftenfragmente des Korans stammen aus der zweiten
Hälfte des 8. Jahrhunderts – also etwa 100 bis 150
Jahre nach dem Tod Mohammeds. Alle literarischen Quellen über den Propheten und die Entstehung des Islams stammen erst aus dem 9. und
10. Jahrhundert. Zudem schöpft der Koran in
seinem Inhalt aus vielen anderen zeitgenössischen
Quellen: dem jüdischen Alten und dem christlichen Neuen Testament, dem jüdischen Talmud
und den Apokryphen Evangelien und den Schriften christlicher Sekten, die dem Propheten Mohammed erwiesenermaßen gut bekannt waren und
die er im Koran reichlich benutzte.
Allen diesen und anderen Anfragen versperrt sich der offizielle Islam bis heute – und
blockiert damit jeden fruchtbaren und wissenschaftlich verantworteten islamisch-christlichen
Dialog.
Aber noch ein weiteres, delikateres Problem ergibt sich: Nach der in unserer Kultur gängigen Definition des Begriffes muss das skizzierte
Offenbarungsverständnis des Islams als Fundamentalismus eingeschätzt und bezeichnet werden.
Der Begriff Fundamentalismus entstand und wurde zum ersten Mal verwendet für bestimmte Kreise und Sekten im Protestantismus, die – entgegen
der christlichen Offenbarungslehre – auf einem
wortwörtlichen und der geschichtlichen Vermittlung enthobenen Verständnis der Bibel bestanden.
Da der Islam – wir erinnern uns – desgleichen tut
und jedes Wort und jedes Komma des Korans
göttlichen Ursprunges und für heilig erklärt, ist es
in unserer Kultur legitim, die Offenbarungslehre
des Islams als religiösen Fundamentalismus zu
kennzeichnen. Genauso legitim ist es, dass dieser
Vorwurf von den religiösen Führern des Islams
empört zurückgewiesen wird. Die Sprengkraft
allerdings, die in dieser Problematik für den islamisch-christlichen Dialog steckt, ist nicht zu unterschätzen. Ich möchte Ihnen dies an einem Beispiel erläutern:
In Sure 9,29-33 spricht der Koran darüber, dass – und warum – wir Christen Ungläubige sind und wie mit uns zu verfahren ist: „Kämpfet wider jene …, welchen die Schrift gegeben
ward, die nicht glauben an Allah und an den
Jüngsten Tag und nicht verwehren, was Allah und
sein Gesandter“ (Mohammed) „verwehrt haben
… Und es sprechen die Nazarener“ (Christen):
„’Der Messias ist Allahs Sohn.’ Solches ist das
Wort ihres Mundes. Sie führen ähnliche Reden
wie die Ungläubigen von zuvor. Allah schlag sie
tot! Wie sind sie verstandeslos!“
Wie dürfen wir nun – Bitte schön! – diesen Text verstehen? Als heilige und unantastbare
Offenbarung Gottes – vom ersten Buchstaben bis
zum letzten Punkt? Oder sind eine Interpretation
des Textes oder eine verschiedene Gewichtung
einzelner Textteile entsprechend den Erkenntnissen einer historisch-kritischen Methode zumindest
zulässig und möglich? Bis heute werden alle solche Anfragen vom offiziellen Islam empört zurück gewiesen.
Und so stellt sich zum Schluss die Frage:
Wie kann es um den islamisch-christlichen Dialog
gut bestellt sein und wie kann er vernünftig geführt werden, wenn alle Anfragen von christlicher
Seite an den Islam – seien es Anfragen zur Theologie des Korans, wie zum Beispiel nach dem
Verständnis des Djihad, des „Heiligen Krieges“,
oder seien es Anfragen zum islamischen Staatsverständnis, oder sei es die Anfrage des Papstes in
seinem akademischen Regensburger Traktat über
die Vernunft – von den geistlichen Führern der
Moslems unisono mit verletzter Empfindlichkeit
und aggressiver Gereiztheit beantwortet werden.
In einem solchen Klima ist ein Dialog nicht möglich. Jeder Dialog setzt den gegenseitigen Respekt
voraus, den wir Christen gerne bereit sind zu
geben, aber auch das Recht, dem Gegenüber Fragen zu stellen. Dieses Defizit des islamischchristlichen Dialogs – bewusst oder unbewusst –
offen gelegt zu haben, ist das mutige Verdienst
unseres Papstes!
(P.Gottfried M. Wolff OSM,
Provinzial Innsbruck)
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