Vollständige Fassung des Beitrags auf Seite 13-14 in der Oktober-Ausgabe 2004 des AdventEcho Muslime und Siebenten-Tags Adventisten: Gibt es wesentliche Übereinstimmungen in der Lehre? Von Børge Schantz Der Islam und das Christentum begegnen sich heute weitaus feindlicher als jemals zuvor in der Geschichte. Die jüngsten Ereignisse wie die furchtbaren Terroristenangriffe oder die Stationierung westlicher Armeen auf muslimischem Boden und der israelisch/palästinensische Konflikt haben tiefe Feindschaft auflodern lassen. In der Presse, im Fernsehen und in anderen Medien wird sehr viel über diese ernsten Konfrontationen publiziert bzw. gesendet. Das meiste davon ist negativ und von Verdächtigungen und Misstrauen auf beiden Seiten geprägt. Die Christen haben muslimische Terroristen, Selbstmordattentäter und andere Untaten im Namen des Islam genauso im Visier, wie deren Rückständigkeit und die Unterdrückung der Frauen. Die Børge Schantz, Ph. D. Muslime attackieren die Christen wegen niedriger Moral, NeoNach einer 14jährigen Kolonialismus, selbstsüchtigen politischen Interessen, Tätigkeit als Missionar in wirtschaftlicher Ausbeutung, sowie der Vorherrschaft und ihres Afrika und dem Mittleren missbräuchlichen Einsatzes militärischer Gewalt. Osten war er GrünDurch die Geschichte hindurch waren die Spannungen dungsdirektor des Zentrums für Islamische zwischen den Angehörigen der beiden Weltreligionen bisher Studien der Gemeinschaft kein großes Problem. Jahrhunderte waren die Muslime und der Siebenten-TagsChristen durch das Mittelmeer und die Wüste getrennt und Adventisten. Zzt. ist er lebten isoliert in ihrer Heimat. Heute jedoch leben Tausende, die externer Professor der Loma Linda Universität, in Richtung Mekka beten, mitten unter uns. Das macht USA, und lebt mit seiner Konfrontationen äußerst brenzlig. Es wird nach Wegen gesucht, Frau (in Hamburg um die angespannte Situation zu entschärfen. geboren) in Dänemark. Christen versuchen außerdem, diese Spannungen zu mildern und sogar Muslime im direkten Dialog über die Ähnlichkeiten zwischen muslimischen und christlichen Glaubensüberzeugungen zu bekehren. Auf muslimischer Seite sind leider kaum Ansätze vorhanden, Gemeinsamkeiten in theologischen Fragen zu suchen. DER „KAMPF DER BÜCHER“ Auf der Suche nach gemeinsamen und unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen müssen die Bibel und der Koran herangezogen werden. Es besteht die Gefahr, dass solche Diskussionen sehr leicht in einem so genannten „Kampf der Bücher“ enden, weil Muslime an den Koran als ein perfektes Buch glauben – unverfälschte Worte Allahs aus dem Himmel. Auf der anderen Seite glauben die meisten Christen, dass die Bibel als Wort Gottes ein wichtiges Mittel ist, um mit dem Menschen zu kommunizieren. Allerdings glauben sie auch, dass die Bibel, obwohl sie ein sicherer Wegweiser zur Erlösung ist, nicht vollkommen ist. Muslime nehmen in Anspruch, dass Allah seinen Willen für die Menschheit in einem perfekten Buch offenbart hat. Christen dagegen erkennen die Fleischwerdung Jesu Christi als die einzige vollkommene Offenbarung Gottes für die Menschen an. Im Islam wurde das Wort Allahs zum Buch, nämlich dem Koran. Im Christentum wurde das Wort Fleisch und wohnte mitten unter uns (Jo 1,14). Aufgrund der islamischen Sicht wäre es Blasphemie, sich an einer Kritik des Koran zu beteiligen, geschweige denn über die Unfehlbarkeit zu diskutieren. Daher wird ein Dialog mit einem strikten Moslem über geistliche Themen zu einem schwierigen, wenn nicht sogar unmöglichen Unterfangen. (Schantz, 27-32). AUGENSCHEINLICHE ÜBEREINSTIMMUNGEN Oberflächlich gesehen, scheint es Ähnlichkeiten zwischen Christentum und Islam zu geben. Diese können als Gesprächsöffner genutzt werden. Jede Religion beinhaltet einige Wahrheiten in Lehre und Praxis. Es liegt aber ein gefährlicher Trugschluss in dem Ansatz „Was-wir-gemeinsam-haben“. In den meisten Fällen haben die Hauptlehren wirklich nur Namen und Ausdrücke gemeinsam. Der Inhalt, der Zweck, die Wirkung und die dahinter liegende theologische Bedeutung von einzelnen Glaubenspunkten sind oft sehr verschieden, ja sogar gegensätzlich. So mancher Scharfsinnige ist der Versuchung erlegen, biblische Wahrheiten zu verbiegen, weil er Ähnlichkeiten finden und Gemeinsamkeiten nachweisen will, um Brücken zwischen den beiden Religionen zu bauen. 1. Gott und Allah.– Versuche wurden unternommen, den Allah des Koran mit dem Gott der Bibel gleichzusetzen. Bei oberflächlicher Betrachtung sind die Vorstellungen über die Gottheit zwar nicht identisch, haben aber zumindest wichtige Überschneidungen. Allerdings ist dieser Vergleich nicht stichhaltig. Wenn Christen über Gott reden, denken sie an die Trinität, d. h. an Vater, Sohn und Heiligen Geist. Für Muslime ist dies Polytheismus (Vielgötterei) und somit eine blasphemische Vorstellung (Koran 5:73). Allahs Eigenschaften und Charakter wird in 99 Namen offenbart. Er wird als heilig, gnädig, barmherzig, vergebungsbereit und schützend bezeichnet. Jedoch deuten auch einige Namen an, dass Allah sich rächt, dass er zwingt, demütigt und sogar Zerstörung bewirkt (Stade, 28.38.48.49.114). Drei wesentliche Eigenschaften, die Christen Gott zuschreiben, gibt es im Islam nicht: Niemals wird Allah als Vater, Liebe oder Geist bezeichnet. 2. Jesus und Issa.– Der muslimische Jesus, Issa genannt, wird als der größte der Propheten verehrt, auf den sich Allah bezog. Über Jesus wird 93 Mal im Koran berichtet, ebenso wird die Jungfrauengeburt im Koran erwähnt. Es gibt Hinweise zu vielen JesusWundern, einschließlich der Auferstehung der Toten (Koran 3:49). Christus wird „Geist“, „Wort“ und „Apostel“ genannt (Koran 4:171), aber auch „Prophet und Zeuge Allahs“. Christus hatte eine hohe Stellung und wurde von Mohammed verehrt. Trotz dieser Aussagen des Koran über das Leben von Christus wird seine Göttlichkeit völlig abgelehnt. Obwohl viel über seine Geburt und sein Leben berichtet wird, gibt es im Koran oder der Hadith (den islamischen Traditionen) keine Erwähnung der Lehren Christi. Auch werden seine Worte nicht zitiert. Die Hadith, mehr als 200 Jahre nach dem Tod des Propheten zusammengestellt, hat sehr stark die Rolle, den Status und die Wichtigkeit Christi heruntergespielt. Nach dem islamischen Verständnis der Sünde ist keine Versöhnung erforderlich, und somit auch kein Erlöser (Schantz, 150-152). 3. Sünde oder Vergesslichkeit? – Muslime stimmen zu, dass Adam und Eva ungehorsam waren und Eden verlassen haben. Allerdings hat der Sündenfall die Beziehung zu Allah nicht beeinträchtigt. Es gibt keine Erbsünde, Männer und Frauen sind unschuldig geschaffen (Koran 30:30). In diesem Stadium bleiben sie so lange, bis sie einen Fehler machen und daher schuldig werden. Sie sind keine Sünder. Sie sind schwach, unwissend, machen Fehler und sind vergesslich. Der Fehler besteht im Ungehorsam gegenüber einem göttlichen Gebot. Allah vergibt und sagt dem Übertreter, dass er wieder in den Stand des Gehorsams gegenüber den Regeln zurückkehren soll. Im Islam wird Erlösung folgendermaßen erlangt: ■ Glaube an Allah und Gehorsam den Lehren Mohammeds gegenüber, wie sie im Shariah-Gesetz ausgedrückt sind. ■ Gute Taten in Übereinstimmung mit den fünf Säulen und den islamischen Gesetzen. Die fünf Säulen des Islam Ein Muslim ist verpflichtet, 1) das Bekenntnis zu Gott auszusprechen: „Es gibt keinen Gott außer Allah und Muhammad ist sein Prophet“; 2) das fünfmal tägliche Gebet auf Arabisch Richtung Mekka zu verrichten; 3) das 30-tägige Fasten im Monat Ramadan einzuhalten; 4) einen Teil seines Einkommens als Almosen zu geben, 5) die Wallfahrt nach Mekka einmal im Leben durchzuführen. Mit anderen Worten: Der Islam ist eine „Errettung durch Werke“-Religion (Geisler und Saleeb, 40-45). Dies steht im krassen Gegensatz zur christlichen Sicht, in der Erlösung durch einen göttlichen Akt geschieht. Möglich wird das, weil Gott in Christus gehandelt hat. Es geschieht durch Glauben, Bekehrung und Annahme von Christus als Erlöser. Diese gegensätzlichen Vorstellungen über Sünde und Erlösung sind wahrscheinlich die größten Hindernisse, die ein Moslem überwinden muss, bevor er Christ werden kann (Schantz, 152). 4. Das zweite Kommen Christi.– Eine der wichtigsten Glaubensüberzeugungen der Siebenten-Tags Adventisten ist das zweite Kommen Christi. Einige meinen, dass es sich hierbei in gewisser Weise um einen übereinstimmenden Glaubenspunkt handelt, der als „Öffner“ gegenüber den Moslems genutzt werden kann. Moslems glauben, dass „Jesus am Ende der Geschichte zurückkehren wird, um den Islam auf der ganzen Erde einzurichten“ oder dass „Christus zurückkehren wird, um den Weg für Mohammed vorzubereiten, der dann ein ewiges islamisches Königreich gründet, das auf die Lehren des Koran basiert“. Mit anderen Worten: Moslems sehen Jesus in der selben Rolle wie Johannes den Täufer. Er ist kein Teil der Trinität. Er ist nicht der Erlöser, der als König zurückkehrt. Ihm wurde die Rolle eines Propheten (Botschafters) zugeschrieben, der den Weg für Mohammed vorbereitet. Abd al-Badawi (gestorben 1291), als der kenntnisreichste und maßgeblichste Kommentator des Korans angesehen, beschreibt Jesus Christus als Verfolger, Zerstörer und Mörder der Christen: „Er [Jesus] wird vom Himmel herabkommen … dann wird er alle Schweine töten und alle Kruzifixe in Stücke hauen, alle Synagogen und Kirchen zerstören und alle Christen töten, die nicht glauben … er wird keinen vom Volk des Buches [Christen und Juden] in Ruhe lassen, bis es eine vereinte Religion gibt, nämlich den Islam. Am Tag der Auferstehung wird er gegen die Christen Zeugnis ablegen und ihr Ankläger sein.“ Für adventistische Christen bedeutet die Wiederkunft Jesu, dass Christus als König mit seinen Engeln erscheint, um Sünde und Leid zu beseitigen und sein Königreich zu errichten. 5. Das Prophetenamt des Mohammed.– Ein sensibles Gebiet ist das Prophetenamt des Mohammed. Er beansprucht, der letzte in einer langen Kette von Propheten zu sein, das Siegel der Propheten (Koran 33:40), in der Christus nur ein Glied war (McCurry, 102.223). Mohammed wird als direkte Verbindung zwischen Allah und der Menschheit gesehen, da er die Botschaften von Gabriel erhalten hat. Sie wurden vom Throne Allahs gesandt und im Koran gesammelt. Die Hadith mit detaillierten Ereignissen aus dem Leben Mohammeds und seiner Begleiter sind ebenfalls Grundlage für viele islamische Überzeugungen und Rituale. Ernsthafte Gespräche mit Moslems machen deutlich, dass Mohammed als der wahre Prophet angesehen werden muss. Sein Leben und Einfluss sind wesentlich für das Verständnis des Islam. Wer sich weigert, sein Prophetenamt zu akzeptieren, wird selber zum größten Hindernis in einem ehrlichen Dialog. Ein Moslem darf sich solch einer Ablehnung erst gar nicht aussetzen. 6. Gesundheit und Speisevorschriften.– Die größten Übereinstimmungen und Ähnlichkeiten gibt es wahrscheinlich bei den Speisevorschriften, da sie sich im Allgemeinen auf das Alte Testament beziehen. Zu beachten ist, dass Moslems den Verzehr von Kamelen und Hasen und alles, was aus dem Wasser gefangen werden kann, erlauben. Das Verbot von Alkohol und Drogen ist ein interessanter Punkt, an dem Adventisten und Moslems gemeinsame Überzeugungen teilen. SCHLUSSBEMERKUNGEN Wir haben hier nicht den Platz, um uns anderen scheinbaren Übereinstimmungen wie Himmel und Hölle, Engel, den Schriften, dem Tag des Gerichts, dem Zustand der Toten usw. zu widmen. Aber auch diese Lehren haben – wie in den anderen Fällen – in Wirklichkeit nur den Namen gemeinsam. Wie bereits erwähnt, sind die tiefere theologische Bedeutung, die Begründung und der Zweck der besonderen Lehren nicht nur unterschiedlich, sondern sie stehen im Gegensatz zu den biblisch fundierten Glaubensüberzeugungen. Biblische Ereignisse und Personen werden ebenfalls im Koran erwähnt. In vielen Fällen kann man jedoch nur schwer erkennen, dass es sich um ursprüngliche Inhalte der Bibel handelt, weil sie bis zur Unkenntlichkeit entstellt sind. Abschließend ist festzuhalten: Trotz der Unterschiedlichkeit in der tieferen Bedeutung sind die Ähnlichkeiten zwischen biblischen Auffassungen und Namen und deren Vorkommen im Koran immer noch ein ausgezeichneter Anknüpfungspunkt, auf dem man bauen kann. Voraussetzung ist allerdings, dass der christliche Gesprächspartner sich in seinem Glauben und in der Lehre sehr gut auskennt. Darüber hinaus ist es äußerst wichtig, den Islam, sein Glaubensgebäude, die besonderen Gesetze und Rituale genau zu studieren und zu verstehen. Weiter ist es unerlässlich, sich einen Einblick in die nationalen und kulturellen Hintergründe der Moslems zu verschaffen, um sie mit unserem Zeugnis erreichen zu können. Literatur Geislar, Norman L. and Abdul Saleeb, Answering Islam. The Crescent in the Light of the Cross, Baker Books, Grand Rapids, MI., 1993. McCurry, Don, Healing the Broken Family of Abraham, Ministries to Muslims, Colorado Springs, USA, 2002. Schantz, Børge, Islam in the Post 9/11 World, Autumn House, Grantham, UK, 2003. Stade, Robert Charles, Ninety-Nine Names of God in Islam, Daystar Press, Ibadan, Nigeria, 1970. Übersetzung des Koran An-Nabawiyah and Mushaf Al-Madinah, The Holy Qur-án, English Translation of the Meanings and Commentary, King Fahd Holy Qur-a Printing Complex, Medina, Saudi Arabia, o. J.