Transdermale Medikation mit Hochspannungspulsen

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Transdermale Medikation mit Hochspannungspulsen
Medikamente gelangen durch die Haut
in den Körper
Uwe Pliquett
Fakultät für Chemie
Die moderne Medizin kann auf Medikamente nicht verzichten. Es gibt verschiedene Methoden, einem Patienten
Medikamente zu verabreichen; die
Medikamente können geschluckt werden, oder sie werden mit einer Spritze
unter die Haut, in einen Muskel oder
in eine Vene befördert. Alle diese Verfahren haben spezifische Nachteile.
Man arbeitet inzwischen an der Entwicklung von Methoden der transdermalen Medikation, bei der die Medikamente durch kleine Poren in der
Haut in die Blutbahn gebracht werden.
Ein besonderes Verfahren zur Erzeugung von kurzfristig existenten Poren
ausreichender Größe in der Haut ist die
Elektroporation. Bei diesem Verfahren
werden mit kurzen Hochspannungspulsen vorübergehend winzige Poren in
der obersten Hautschicht, der Hornhaut, erzeugt. So können auch größere
Moleküle die sonst für sie undurchdringlichen Hornhautschichten passieren. In Bielefeld werden Grundlagen
der Hautelektroporation experimentell
erarbeitet und durch Computersimulation theoretisch untermauert.
Abb. 1: Temperaturverteilung auf der
Haut während eines Hochspannungspulses. Die Haut wird mit temperatursensitiven Flüssigkristallen
(Licristal®) bestrichen und unter dem
Mikroskop der Hochspannung ausgesetzt. Die Flüssigkristalle sind bei Zimmertemperatur farblos und färben
sich bei steigender Temperatur blau,
dann grün, dann rot und werden bei
höheren Temperaturen wieder farblos.
Die blauen Strukturen entsprechen
Isothermen bei 45oC. Das abgebildete
Hautareal ist etwa 1,4 mal 1,8 mm
groß.
Forschung an der Universität Bielefeld 19/1999
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Abb. 2: Querschnitte durch die menschliche Haut. Oben sieht man einen Schnitt durch die gesamte Dicke der Haut inklusive des Unterhautgewebes (Subcutis). Die Oberhaut (Epidermis) ist im Verhältnis zum gesamten Hautgewebe verhältnismäßig dünn. Die Epidermis ist unten
noch einmal vergrößert wiedergegeben. Ihre oberste Schicht, das Stratum Corneum, besteht aus Hornhaut und ist schmerzunempfindlich. Das
Stratum Corneum ist im Normalfall undurchlässig und bildet einen Schutz vor dem Eindringen von Fremdorganismen und von Schadstoffen.
Wenn Medikamente durch die Haut in den Körper gelangen sollen, muß das Stratum Corneum kurzzeitig permeabilisiert werden.
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Forschung an der Universität Bielefeld 19/1999
Die verschiedenen Methoden, Medikamente zu verbezeichnet, ist in den letzten Jahren durch die Anabreichen, haben spezifische Vor- und Nachteile.
wendung der Mikroelektronik erheblich weiterentNicht ohne Grund wird die orale Medikation, also
wickelt worden und verbreitet sich zusehends. Ein
das Schlucken von Tabletten oder Säften, am meierheblicher Vorteil der Iontophorese ist die Steuersten praktiziert, da sie am einfachsten anzuwenden
barkeit der Medikation: Ein Medikament wird nur
ist und keiner besonderen technischen Hilfsmittel
dann verabreicht, wenn es wirklich gebraucht wird.
bedarf. Ein großer Nachteil dabei ist allerdings, daß
Nachteilig ist auch hier die Beschränkung auf kleine
die Medikamente den Magen-Darm-Trakt passieren
Moleküle und geringe Dosen, da sowohl die Größe
müssen, wobei erhebliche Verluste auftreten. Außerder vorhandenen Kanäle als auch deren Dichte
dem ist diese Art der Medikation schwer kontrollierbegrenzt ist.
bar. Ein wesentlicher Teil
Da die vorhandenen
der Medikamente wird
Kanäle nicht ohne weiteabgebaut, ohne eine Wirres vergrößert werden
kung zu erzielen. Die
können, ist eine ErweiteKapselung der Wirkstoffe,
rung der Möglichkeiten
um sie vor der Zerstörung
nur durch die Schaffung
in der Magenumgebung
neuer Kanäle möglich.
zu schützen, ist nur beBesonders die Elektropodingt möglich.
ration bietet die MöglichIn vielen Fällen muß
keit, neue Kanäle für die
auf die Spritze zurückgeMedikation zu schaffen,
griffen werden, was speziaber auch geladene
ell bei wiederholter AnMoleküle durch lokale
wendung für den PatienElektorphorese zu transten unangenehm ist und
portieren.
Abb. 3: Penetrationskammer (Ussing-Tp) für die
außerdem die Gefahr von
Messung des transdermalen Fluxes in AbhängigInfektionen birgt. Um
Elektroporation
keit von elektrischen Einflüssen. Die Haut wird
möglichst wenig zu spritzwischen den beiden Halbkammern festgehalten.
Beide Seiten sind mit einer Kochsalzlösung gefüllt
zen, wird gewöhnlich eine
Seit Mitte der sechziger
und haben je zwei Elektroden für die Applikation
höhere Dosis verabreicht,
Jahre ist ein elektrisches
der
elektrischen
Pulse
und
für
die
Messungen
der
was in den ersten MinuPhänomen bekannt, das
passiv-elektrischen Eigenschaften der Haut. Links
ten eine Überdosierung
wäßrige Kanäle in den
befindet sich Calcein, das unter der Einwirkung
bewirken kann. Danach
Lipidschichten von Biodes elektrischen Feldes durch die entstehenden
klingt die Wirkung aber
membranen ausbilden
Elektroporen nach rechts wandert.
schnell ab.
kann. Bei diesem als ElekEine Methode der Metroporation bezeichneten
dikation, die leicht anzuwenden und deren DosieEffekt wird die Lipidmembran durch den Einfluß
rung über lange Zeit nahezu konstant gehalten wereines elektrischen Feldes soweit destabilisiert, daß
den kann, ist die transdermale Medikation. Dabei
durch elektrostatische Kräfte Wasser in die Membran
werden Wirkstoffe direkt durch die Haut in die Blutgedrückt wird. Solange das Feld anliegt, können
bahn gebracht. Leider ist dies nur für eine sehr
diese als Elektroporen bezeichneten wäßrigen Kanäle
begrenzte Auswahl von meist sehr kleinen und lipoexpandieren. Durch lokale Elektrophorese ist dann
philen (fettlöslichen) Wirkstoffen möglich (z.B. Fender Transport geladener Moleküle – auch großer
tanyl, Nikotin). Diese Moleküle sind in der Lage, die
Moleküle wie Insulin oder Heparin – möglich. Die
Hauptbarriere der Haut, das etwa 15 µm dicke StraMethode der Elektroporation wird beispielsweise
tum Corneum (Hornschicht) direkt zu penetrieren.
erfolgreich dazu verwendet, DNA-Moleküle – die
Eine Reihe kleiner wasserlöslicher Moleküle kann
relativ groß sind – in Zellen einzuschleusen.
auch durch Haarfollikeln und Schweißdrüsen transEine wäßrige Pore in der Lipidmembran ist wegen
portiert werden, nur ist der passive Transport viel zu
der thermischen Fluktuationen nicht stabil. Kleine
wenig effektiv. Therapeutisch relevante Dosen werPoren schrumpfen und heilen innerhalb von Sekunden damit nicht erreicht. Für wasserlösliche Moleküle
den aus; größere Poren bleiben etwas länger bestewird deshalb ein schwacher Strom verwendet, um
hen. Unterhalb einer bestimmten Größe können die
den molekularen Flux um bis zu zwei GrößenordnunPoren nur durch das elektrische Feld offen gehalten
gen zu erhöhen. Dieses Verfahren, als Iontophorese
werden.
Forschung an der Universität Bielefeld 18/1998
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Die Haut von Säugetieren unterscheidet sich erheblich von den Membranen einzelner Zellen. Die
größte Barriere der Haut stellt das Stratum Corneum
(Hornschicht) dar. Die Hornschicht besteht aus mehreren Lamellen von langkettigen Lipiden (Sphingolipiden). Sie ist mechanisch sehr stabil und verfügt
über einen extrem hohen elektrischen Widerstand;
deshalb bildet sie eine exzellente Barriere für wasserlösliche Moleküle. Wird das Stratum Corneum durch
Anlegen einer Spannung aufgeladen, so kommt es
bei etwa 60 Volt zum rapiden Abfall des Widerstandes, die Haut wird stromdurchlässig. Dieses Phänomen ist auch aus Elektrounfällen hinreichend bekannt. Dabei werden im Stratum Corneum neue
wäßrige Kanäle ausgebildet. Untersuchungen am
Massachusetts Institute of Technology (USA) mit
dem Ziel, dieses Phänomen zur Unterstützung der
transdermalen Medikation zu nutzen, zeigen eine
Reihe vielversprechender Ergebnisse. An der Universität Bielefeld wurden Grundlagen der Hautelektroporation experimentell erarbeitet und durch Computersimulation theoretisch untermauert.
Elektroporation – nur ein elektrisches Phänomen?
Die Entstehung, die Ausdehnung und das Wiederausheilen von Elektroporen ist zunächst ein rein
elektrisches Phänomen. In der Praxis ist aber nicht
zu verhindern, daß der in den Poren fließende
Strom diese erwärmt. Somit können elektrische
Effekte nicht klar von thermischen Effekten getrennt werden. Für die Untersuchung der Hautelektroporation werden nur kurze Pulse in der
Größenordnung von Millisekunden appliziert. Damit können Verbrennungen der Haut vermieden
werden. Bei einem Puls von einer Millisekunde
Dauer mit einer über der Haut abfallenden Spannung von etwa 100 Volt liegt die Erwärmung
unter Berücksichtigung der thermischen Relaxation
in der Größenordnung von 20 Grad. Betrachtet
man jedoch die Feinstruktur des Stratum Corneum,
so ist es möglich, daß lokale Erwärmungen auftreten, die 20 Grad erheblich überschreiten.
Abb. 4: Calceinfluß durch ein 0,6 cm großes Stück Hornhaut. Der Transport wurde
durch eine Serie von Hochspannungspulsen gesteuert, die jeweils eine Millisekunde
dauerten und in einem Abstand von einer Minute appliziert wurden. Es ist erkennbar,
daß der Calceinfluß nach dem Beenden der Pulsserie schnell abklingt, wodurch ein
gesteuerter Transport durch die Haut möglich wird.
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Die Messung der Temperaturdifferenzen, die
durch die Elektroporation in der Haut entstehen, ist
nicht ganz einfach. Wegen der winzigen Flächen (ca.
0,2 mm2) und der kurzen Zeiten (Millisekunden)
können herkömmliche Thermometer nicht verwendet
werden. Auch die Anwendung der Infrarot-Temperaturmessung gestaltet sich schwierig, da die Haut
während der Experimente immer mit Wasser umgeben ist, welches langwelliges Infrarotlicht sehr stark
absorbiert. Wir haben eine Methode entwickelt, mit
der eine schnelle Temperaturmessung an kleinen
Objekten unter Wasser während der Hochspannungsapplikation möglich ist. Dafür wurde die Haut
mit speziellen Flüssigkristallen (Licristal®) überzogen,
die bei Änderung der Temperatur mit einer Farbänderung reagieren. Damit ist es möglich, innerhalb
von Millisekunden die Temperatur in mikroskopisch
kleinen Regionen mit hinreichender Genauigkeit zu
bestimmen.
Basierend auf diesen Untersuchungen konnten wir
für sehr lange Pulse eine Temperaturerhöhung bis
zur Verdampfung des Wassers nachweisen. Interessanter ist aber die Tatsache, daß das Stratum Corneum bei einer thermisch bedingten Phasenumwandlung seiner wesentlichen Bestandteile, der langkettigen Sphingolipide, permeabel (durchlässig) wird.
Damit ist auch der Transport größerer Moleküle
möglich.
Beim passiven Transport, der nur durch den Konzentrationsgradienten getrieben wird, zeigt sich
jedoch bei Erwärmung keine wesentliche Erhöhung
des Transports. Erst durch die gleichzeitige Wirkung
des elektrischen Feldes ist ein therapeutisch verwertbarer Transport möglich.
Steuerung des transdermalen Transports
durch Hochspannungspulse
Die Tatsache, daß die Permeabilität der Haut noch
nicht ausreicht, um einen ausreichenden transdermalen Transport zu gewährleisten, legt die Idee nahe,
elektrische Felder zur Transportsteuerung zu verwenden. Für die Anwendung von Hochspannung zur
Steuerung des transdermalen Transports ist es sehr
wichtig, eine biologisch signifikante Beschädigung
der Haut durch Überhitzung zu verhindern. Deshalb
kommen nur sehr kurze Pulse zur Anwendung. Typischerweise werden Pulse mit einer Länge von 1 bis 4
Millisekunden mit einer Wiederholrate von einmal bis
zwölfmal pro Minute appliziert. Für die Detektion
des transdermalen Transports eignen sich vorzugsweise Substanzen, deren Konzentrationsbestimmung
auch in geringen Mengen sehr einfach ist. Dazu
gehören z.B. Farbstoffe, fluoreszierende Substanzen
Forschung an der Universität Bielefeld 19/1999
Abb. 5: Hautwiderstand vor und
nach Hochspannungsapplikation. Um die Kurven besser vergleichen zu können, wurde der
Widerstand auf die Werte vor
dem Puls normiert. Mit zunehmender Spannung wird die Zeit
für die Wiederherstellung des
Widerstandes länger, während
sich der Grad der Wiederherstellung verringert.
oder radioaktive Materialien. Im Interesse einer
hohen Empfindlichkeit bei einfachem Nachweisverfahren haben wir uns hier für Calcein entschieden,
einen grün fluoreszierenden Farbstoff, der gut wasserlöslich ist und intakte Zellmembranen nicht penetriert.
Ein Stück Hornhaut wird, wie in Abb. 3 zu sehen,
in eine Penetrationskammer eingespannt, und beide
Seiten werden mit Kochsalzlösung befüllt. Zusätzlich
enthält die Donorseite (links) 1 mM Calcein. Ein kontinuierlicher Fluß frischer Salzlösung sorgt für die
ständige Erneuerung der Receiverlösung (rechts). Mit
einem unmittelbar dahinter angebrachten Fluorimeter wird die Fluoreszenz der Receiverlösung gemessen. Durch die Verwendung der Durchflußapparatur
ist es gelungen, eine Zeitauflösung bis zu 10 Sekunden zu erreichen (Abb. 4).
Die Haut nach Hochspannungseinwirkung
Für die Anwendung in der Medizin ist es von entscheidender Bedeutung, daß die Haut nach der
Hochspannungsapplikation rasch wieder ausheilt.
Dazu reicht es nicht aus, daß der transdermale Flux
schnell wieder nachläßt. Ein sehr guter Indikator für
die Qualität der Barriere des Stratum Corneum ist
dessen elektrischer Widerstand. Der Hautwiderstand
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Abb. 6: Haut nach der Hochspannungsanwendung in
Gegenwart von Calcein
(grün) und Sulphorhodamin
(rot) unter dem Fluoreszenzmikroskop. Die Spuren der
Fluorphore zeigen charakteristische ringförmige Erscheinungen weitab von den
Haarfollikeln. Experimentell
wurde bewiesen, daß es sich
dabei um lokale Transportregionen handelt.
fällt bei der Hochspannungseinwirkung um bis zu
vier Größenordnungen ab (also bis auf ein Zehntausendstel seiner ursprünglichen Größe), ist aber sehr
schnell bis auf etwa 60 bis 95% seiner Ausgangsgröße wiederhergestellt.
Der unterschiedliche Grad der Wiederherstellung
des Hautwiderstandes wirft die Frage auf, inwieweit
die gesamte Hautoberfläche am Transport beteiligt
ist. Sind nur die Haarfollikeln und Schweißkanäle
beteiligt oder auch „intakte“ Regionen?
Wie in Abb. 6 gezeigt, entstehen durch die Hochspannungseinwirkung ringförmige Strukturen, die
experimentell als Transportregionen identifiziert wurden. Da es sich dabei offensichtlich um neu entstandene Transportwege handelt, wird dadurch die
Hypothese der Hautelektroporation unterstützt.
Die Wiederherstellung des Widerstandes des Stratum Corneum ist durch die starke Lokalisation der
Hautelektroporation beeinflußt. Während Randbereiche sehr schnell und fast vollständig wiederhergestellt werden, ist eine Wiederherstellung im Zentrum
der lokalen Transportregionen gewöhnlich nicht zu
beobachten (siehe Abb. 7).
Elektronenmikroskopische Untersuchungen zeigen
anstatt des multilamellaren Systems eine amorphe
Anordnung der Sphingolipide des Stratum Corneum
nach der Hochspannungsanwendung. Es konnte
aber durch in-vivo-Experimente an Ratten gezeigt
werden, daß keine biologisch signifikanten Schädigungen an der Haut auftreten. Selbst nach stundenlanger Applikation von Hochspannungspulsen bleibt
nur eine kurzzeitige Rötung der Haut. Ein unwesentlich (um 30%) erhöhter Wasserverlust an den porier-
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Was geschieht während der
Hochspannungsapplikation?
ten Stellen ist für etwa zwei Stunden festzustellen.
Experimentell konnten wir nachweisen, daß Hochspannungsapplikation an der Haut zur Bildung neuer
Kanäle führt und daß ein Transport großer wasserlöslicher Moleküle möglich wird. Dabei sind elektrische
und thermische Effekte nur bedingt voneinander zu
trennen. Nach den derzeitigen Erkenntnissen werden
die multilamellaren Schichten des Stratum Corneum
elektroporiert. Nach deren Aufladung bis zu einer
Schwellenspannung erfolgt spontan die Schaffung
neuer Kanäle. Durch den lokal hohen Stromfluß wird
Wärme produziert, die die anliegenden Bereiche aufwärmt. Die zur Elektroporation notwendige Spannung wird wesentlich von der Temperatur bestimmt
und sinkt bei Erwärmung der Lipide ab. Dadurch
steigt die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von
Elektroporation rund um die bereits porierten Stellen.
Durch die größere permeable Fläche erhöht sich
dann der Wärmeumsatz, was zu einer fortschreitenden Wärmefront mit anschließender Elektroporation
führt. In den Kernbereichen dieser Regionen kann
die Temperatur 70oC, die Phasenumwandlungstemperatur der Sphingolipide, erreichen, wodurch
eine Wiederherstellung dieser Bereiche verhindert
wird. Die vorher multilamellaren Strukturen werden
aufgelöst, und es kommt zur Bildung von LipidWasseraggregaten mit einem vergleichsweise niedrigem elektrischen Widerstand.
Es ist wichtig zu betonen, daß das elektrische Feld
durch den hohen Widerstand des Stratum Corneum
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Abb. 7: Örtliche Widerstandsverteilung in der Haut nach Elektroporation. Hier wurde die Haut auf
eine als Anode (+) geschaltete
polierte Silberplatte gelegt und
kurzzeitig ein Strom von 1 mA
angelegt. Durch die Abscheidung
von Silberchlorid (dunkle Stellen)
kann man gut den wesentlich
geringeren Widerstand der Zentren
der lokalen Transportregionen
erkennen.
dort konzentriert ist. Damit wird Wärme fast ausschließlich in der (schmerzunempfindlichen!) Hornhaut umgesetzt. Eine signifikante Erwärmung der
vitalen Unterschichten der Haut wurde nicht festgestellt. Zusammen mit einem elektrischen Feld als
Triebkraft werden wasserlösliche Moleküle durch die
porierte Haut transportiert; dagegen ist ein signifikanter Transport ohne elektrisches Feld nicht zu verzeichnen. Beide Phänomene zusammen ermöglichen
eine gezielte Steuerung des transdermalen Flusses.
Ausblick
In unseren Studien wurde die generelle Möglichkeit
der Anwendung von Hochspannungspulsen zur
transdermalen Medikation gezeigt.
Die Kompatibilität mit moderner Elektronik konnte
bereits in Prototypen von kleinen Geräten, die direkt
auf dem Körper befestigt werden, demonstriert werden. Weitere Untersuchungen zur Aufklärung des
Mechanismus der Elektroporation der Haut und zu
Reaktionen des Immunsystems von Säugetieren auf
die in der Haut hervorgerufenen Änderungen werden notwendig sein. Die Methode muß noch für verschiedene Arten von Molekülen (Medikamenten)
erprobt werden, bis es zu einer praktischen Anwendung in der klinischen Praxis kommen kann.
Es gibt viele Krankheiten, bei denen es darauf
ankommt, die Medikamente über längere Zeit möglichst exakt zu dosieren. Für die Zukunft vorstellbar
ist aufgrund unserer Untersuchungen die Entwicklung eines kleinen Apparates, den der Patient auf der
Haut trägt. Dieser Apparat wird elektronisch gesteu-
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ert sein und auf schmerzlose Weise dem individuellen Fall präzise angepaßte Serien von Hochspannungspulsen abgeben, so daß eine exakte Medikation auf transdermalem Wege erzielt wird.
Dr. Uwe Pliquett stammt aus
Leipzig. Nach einer Ausbildung
zum Nachrichtentechniker studierte er an der Ingenieurhochschule Mittweida in der Fachrichtung Technologie des elektronischen Gerätebaus. Nach
dem Abschluß als Diplomingenieur 1988 begann er ein Aufbaustudium, das 1991 mit der
Promotion zum Dr.-Ing. abschloß. Danach war Dr. Pliquett
Computersupervisor und freier
Mitarbeiter am Institut für Biophysik der Universität Leipzig.
Von 1993 bis 1996 erhielt er ein
Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft und war
Postdoctoral Fellow an der Harvard-MIT Division of Health
Science and Technology. Seit
1996 hat er ein Habilitationsstipendium der Deutschen
Forschungsgemeinschaft an der
Universität Bielefeld in der
Arbeitsgruppe von Prof. Dr.
Eberhard Neumann und befaßt
sich mit elektrisch induziertem
Membrantransport.
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