Leopoldina International Symposium

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Wissenschaft intern
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Von Menschen und Läusen:
Leopoldina International Symposium
„Parasitism, Commensalism, Symbiosis –
Common Themes, Different Outcome“
Christoph Schoen
Biozentrum, Lehrstuhl für Mikrobiologie, Universität Würzburg
Als die amerikanische Evolutionsbiologin
Lynn Margulis vor über 30 Jahren erstmals
die Endosymbiontenhypothese vorstellte,
der zufolge Zellorganellen wie Mitochondrien und Chloroplasten aus bakteriellen
Vorläufern entstanden seien, stieß diese unter den Wissenschaftlern auf große Skepsis.
Dass sich dies in der Zwischenzeit grundlegend geändert hat, beweist das Thema des
Symposiums, welches anlässlich des 350.
Geburtstags der Deutschen Akademie Naturforscher Leopoldina sowie des 600. Geburtstags der Universität Würzburg vom 24.
bis 26. Juli im Biozentrum der Universität
stattfand.
Die Tagung umfasste ein breites Spektrum von Themen, wobei einmal mehr die
enorme Bedeutung der Genomforschung für
die biomedizinische Forschung deutlich
wurde (siehe auch BIOspektrum 4/2002, S.
404).
Bemerkenswerter Weise sind Bakterien,
die zum wechselseitigen Nutzen in Zellen
höherer Organismen leben (Endosymbionten), im Pflanzenreich und bei wirbellosen Tieren weit verbreitet, bei Säugern hingegen nie beobachtet worden. Ein Modellsystem, anhand dessen sich viele Aspekte
dieser ganz besonderen Beziehung eingehender untersuchen lassen, ist zum Beispiel
die Endosymbiose des Bakteriums Buchnera
aphidicola mit der Blattlaus Acyrthosiphon pisum, wobei der Endosymbiont die Wirtszelle mit essentiellen Aminosäuren versorgt,
dafür andere von dieser erhält. Diese Symbiose geht wahrscheinlich auf eine Infektion des Ahnen der Blattlaus mit einem Vorläufer der heutigen Buchnera-Arten vor etwa 200–250 Millionen Jahren zurück. Durch
Weitergabe der Bakterien über Eier und
Embryo an alle Blattlausnachkommen kam
es zu einer Koevolution, ja sogar zu einer parallelen Artenbildung (Kospeziation) von
Wirt und Endosymbiont. Dabei wurde das
bakterielle Genom auf das Notwendigste reduziert – in diesem Fall auf nur noch 640.000
Basenpaare – und hat sich offenbar in den
letzten 50 Millionen Jahren kaum mehr verändert.
BIOspektrum · 6/02 · 8. Jahrgang
Elektronenmikroskopische Aufnahme von
Myzetozyten (Myz, auch Bacteriozyten genannt)
aus dem Mitteldarm der Ameise Camponotus
rufipens, die große Mengen des
endosymbiotischen Bakteriums Blochmannia
rufipens enthalten. Freundlicherweise zur
Verfügung gestellt von R. Gross (Würzburg).
Bei dem Symposium kamen noch andere Beispiele für Genomreduktionen und Verknüpfungen von Stoffwechselleistungen
(Synthropie und auch „metabolic interdependence“) bei Bakterien zur Sprache. So
sind beim entwicklungsgeschichtlich jungen
Pesterreger Yersinia pestis zahlreiche Gene
zwar noch vorhanden, aber inaktiviert (Pseudogene). Im Allgemeinen gilt eine Besiedlung mit zwei Endosymbiontenarten als
schädlich für den sie beherbergenden Wirt.
Um so erstaunlicher ist die „menage à trois“
des Meeressedimente bewohnenden Borstenwurmes Olavius algarvensis mit einem
sulfatreduzierenden Bakterium als sekundärem Endosymbionten, der einem weiteren, primären Endosymbionten Sulfid zur
autotrophen Fixierung von Kohlendioxid zur
Verfügung stellt, wovon wiederum auch der
Wirt profitiert. Auf diese Weise sind Wurm
und Bakterien unabhängig von externen Sulfidquellen, ein Vorteil bei der Besiedlung
neuer Habitate.
Zahlreiche bakterielle Krankheitserreger von Mensch und Tier benutzen eine Art
molekularer Injektionsnadel, Typ III-Sekretionsssytem genannt, um Proteine in ihre eukaryontische Zielzelle hinein zu bringen, welche diese blitzschnell für die
Zwecke des Bakteriums umprogrammieren.
Erstaunlicherweise finden sich die gleichen
Mechanismen auch bei Pflanzenpathogenen
und Symbionten von Insekten.
Gute Wirtsmodelle sind wichtig für die
Aufklärung bakterieller Infektionsvorgänge.
Neuerdings werden hierfür außer Amöben,
als Modell für phagozytische Säugerzellen,
sogar der Wurm Caenorhabditis elegans und die
Taufliege Drosophila eingesetzt.
Dass das Studium bakterieller Endosymbionten nicht nur von akademischen Interesse ist, zeigt das Beispiel des Nematoden
Onchocerca volvulus, Parasit des Menschen
und Erreger der Flussblindheit. Bakterielle
Endosymbionten der Gattung Wolbachia sind
für die Fertilität und Embryogenese dieses
Wurmes essentiell, tragen aber auch direkt
zur Entstehung der Onchocercose und der
damit einhergehenden Erblindung bei. Die
Kombination eines Wurmmittels mit einem
geeigneten Antibiotikum, das die Bakterien
eliminiert, stellt somit einen völlig neuartigen und vielversprechenden Ansatz in der
Therapie der Flussblindheit dar.
Die Genomforschung hält immer neue
Überraschungen bereit: Rickettsia prowazekii,
ein obligat intrazelluläres Bakterium und
Verursacher des klassischen Fleckfiebers des
Menschen, ist den Mitochondrien – ihrerseits Endprodukt einer Jahrmilliarden dauernden Entwicklung hin zu einem ultimativen Endosymbionten – der auf Genomebene am nächsten verwandte Mikroorganismus!
Ausführliche Zusammenfassungen aller
Vorträge werden in einem Tagungsband aus
der Reihe „Nova Acta Leopoldina“ zu finden sein, Programm und Abstracts schon
jetzt unter www.biozentrum.uni-wuerzburg/microbiology/symposium.html. Organisiert wurde die international hochkarätig
besetzte Tagung von Roy Gross, Werner
Goebel, Matthias Frosch, Jörg Hacker, Ute
Hentschel, Michael Steinert und Volker ter
Meulen von den verschiedenen infektiologisch ausgerichteten Instituten der Universität Würzburg sowie von Markus Riederer
vom botanischen Institut.
Der Evolutionsgedanke war das einigende Band in der Vielfalt und Komplexität der
untersuchten Systeme. Um es mit den Worten des Evolutionsgenetikers Theodosius
Dobzhansky zu sagen: „Nothing in biology
makes sense except in the light of evolution“.
Korrespondenzadresse:
Dr. Christoph Schoen
Biozentrum – Mikrobiologie
Am Hubland
D-97074 Würzburg
Tel.: 0931 – 888 4408
Fax: 0931 – 888 4402
[email protected]
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