Methoden - BIOspektrum

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Tumor-induzierte Angiogenese und
Möglichkeiten der antiangiogenen Therapie
Maria Wartenberg; Jürgen Hescheler und Heinrich Sauer
Institut für Neurophysiologie der Universität zu Köln
Angiogenese
Die Bildung neuer Blutgefäße aus bereits
bestehenden Gefäßen ist ein normaler physiologischer Vorgang und wird allgemein als
Angiogenese bezeichnet. Die Angiogenese
ist ein gut erforschter Prozess bei der frühen
Embryogenese. Im adulten Organismus ist
Angiogenese essentiell bei der Wundheilung
(9)
im weiblichen reproduktiven Zyklus etc.
Viele pathologische Prozesse wie z. B. das infantile Hämangiom, die Arthritis, die Psoriasis oder die diabetische Mikroangiopathie
des Auges sind gekennzeichnet durch andauernde Angiogenese (5). Größte Bedeutung
hat die Angiogenese als Komponente des
progressiven Wachstums solider Tumoren (4),
denn proliferierende Tumorzellen müssen
über Blutgefäße mit den für ihr Wachstum
notwendigen Nährstoffen und Sauerstoff
versorgt werden.
In vivo und in vitro Modellsysteme in der
Angiogeneseforschung
Studien zur Angiogenese werden häufig an
Tumortransplantaten in der transparenten
Augenkammer von Kaninchen und an der
transparenten, nichtvaskularisierten Chorioallantoismembran des Hühnchenembryos
untersucht (6).
Die Resultate von Studien aus zweidimensionalen in vitro Zellsystemen sind nur
eingeschränkt auf die in vivo Situation übertragbar, da sich gezeigt hat, daß nicht alle in
der in vivo Situtation effektiven angiogenen und antiangiogenen Faktoren ihre Wirksamkeit auch in Monolayerkulturen entfalten (1; 13). Die Komplexität der tumor-induzierten Angiogenese verlangt daher ein umfassenderes in vitro Modellsystem.
Embroid bodies werden in vitro aus pluBIOspektrum . 5/01 . 7. Jahrgang
Abb: Der Rezeptor-Tyrosinkinase Signaltransduktionsweg und der durch Zytokine stimulierte Signalweg
sind von Bedeutung für die Aktivierung von Genen welche bei der Angiogenese eine zentrale Rolle
spielen (z. B. Aktivierung der Matrix-Metalloproteinasen). Detaillierte Kenntnisse über die Signaltransduktionswege, die zu einer Stimulation der Angiogenese führen, ermöglichen die Entwicklung antiangiogener Signaltransduktionsinhibitoren. Antioxidantien und Radikalfänger inhibieren die
Angiogenese und greifen auch in ERK1/2 und JNK-Signalwege ein.
ripotenten embryonalen Stammzellen der
Maus kultiviert. Es handelt sich um multizelluläre Gebilde einer Größe von 1-2 mm,
die im Zuge ihrer Entwicklung Differenzierungen aller drei Keimblätter zeigen. Unter
anderem treten in Embryoid bodies auch
Vaskulogenese und Angiogenese auf, d.h. ein
differenzierter Embryoid body verfügt über
ein funktionelles Gefäßnetz (25, 24). WARTEN(25)
BERG et al.)
entwickelten eine neue Kulturmethode für die Anzucht von Embryoid
bodies in Rührkulturflaschenkultur. Das
Embryoid body Modell wurde auf seine Eignung als in vitro Testsystem für antiangiogene Substanzen untersucht. Antiangiogene
Substanzen wie Tamoxifen, Suramin, Tetrahydrocortisol/Heparin und Thalidomid (19; 25)
wurden auf ihre antiangiogene Wirksamkeit
getestet.
Thalidomid, eine neue
antiangiogene Substanz
Das Beruhigungsmittel Thalidomid wurde
auf dem deutschen Markt 1956 durch die
Firma Grünenthal unter dem Namen Handelsnamen Contergan eingeführt. Nach den
Veröffentlichungen von MCBRIDE (16) und
(15)
LENZ , welche einen Zusammenhang zwischen Mißbildungen an Extremitäten von
Neugeborenen und der Einnahme von Thalidomid während der Schwangerschaft offenlegten, wurde Thalidomid sofort vom
Markt genommen. Die Ursachen für die Wirkung von Thalidomid auf den Embryo waren über 30 Jahre Gegenstand lebhafter wissenschaftlicher Diskussionen (21). Erst in neuerer Zeit wurde nachgewiesen, daß diese
Substanz antiangiogene Eigenschaften aufweist (3).
Weiterhin konnte gezeigt werden, daß unter dem Einfluß von Thalidomid freie Sauerstoffradikale im Gewebe gebildet werden,
welche eine Ursache für die teratogenen Effekte sein könnten (17). Ein Zusammenhang
zwischen der Freisetzung von Sauerstoffradikalen und der antiangiogenen Wirkung
wurde erstmals von SAUER et al.(20) nachgewiesen. Frühere Studien zur Antiangiogenese nach Behandlung mit Thalidomid lie-
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ferten keine Aussagen zum molekularen
Wirkungsmechanismus. Von grundsätzlicher
Bedeutung war die Feststellung von SAUER
et al.(20), daß hochreaktive Hydroxylradikale
nach Behandlung von Embroid bodies mit
Thalidomid gebildet wurden. Thalidomid
und seine Metabolite verhindern in Embroid bodies die Ausbildung kapillärer Netzwerke. Bei gemeinsamer Inkubation von
Thalidomid mit spezifischen Radikalfängern
für Hydroxylradikale (Mannitol, 2-Mercaptoethanol) kann dieser Effekt jedoch aufgehoben werden.
Reaktive Sauerstoffintermediate (RSI)
und Angiogenese
Unter physiologischen Bedingungen entstehen Superoxidanionen und Wasserstoffperoxid in der Zelle und greifen als sekundäre Botenmoleküle in Signalwege ein. Ein
niedriger Spiegel an Superoxidanionen und
Hydrogenperoxid fördert Prozesse wie Zellproliferation und Differenzierung bei vaskulärem Zellwachstum (7). Zum Zelltod (Apoptose) führen hohe Konzentrationen an RSI,
eine besondere Bedeutung haben hier die
hoch reaktiven Hydroxylradikale. Mit einem
Redox-Potential von +2V sind Hydroxylradikale in biologischen Systemen sehr toxisch, da sie mit fast jeder Art Molekül reagieren. Im Gegensatz zu der oben beschriebenen Wirkung der Hydroxylradikale ist für
Wasserstoffperoxid eine Förderung verschiedener an der Angiogenese beteiligter
Faktoren beschrieben. An isolierten Endothelzellen konnte eine Stimulation der Zellteilung und der Tubenbildung unter dem
Einfluß niedriger (nano- bis mikromolarer)
Konzentrationen Hydrogenperoxid festgestellt werden (14). Ein Transkriptionsfaktor,
Ets-1 , wurde aktiviert, welcher die Expression verschiedener für die Angiogenese bedeutungsvoller Gene aktiviert, z.B. die der
Matrix- Metalloproteinasen (MMP) (26). Die
Transkriptionsfaktoren c-Jun und NF-kB
waren an der Steuerung der Morphogenese
Mikrovaskulärer Strukturen beteiligt. Der
für die Angiogenese wichtige Wachstumsfaktor VEGF bindet an Rezeptor-Tyrosin
Kinasen Flt-1 oder KDR/Flk-1 und aktiviert
einen Signaltransduktionsweg an dem MAPKinasen beteiligt sind (18). Da es im weiteren zu einer Aktivierung des Transkriptionsfaktors Ets-1 kommt, besteht die Möglichkeit, daß RSI auf dem Signalweg zwischen den Rezeptor- Tyrosinkinasen und der
Ets-1 Aktivierung über MAP-Kinasen eine
regulatorische Funktion ausüben. Für zahlreiche Wachstumsfaktoren (EGF, NGF,
PDGF) konnte eine Einbindung von RSI als
sekundäre Boten in den Signalweg nachgewiesen werden, erstaunlicherweise ist dieser
Schritt für VEGF bisher ungeklärt. Der Promotor des VEGF-Gens hat verschiedene potentielle Bindungsstellen für Sp1, AP-1 und
AP-2 (23).
Eine neue Gruppe zytostatischer Therapeutika sind Signaltransduktionsinhibitoren,
welche gezielt die Funktion von Onkogenen
blockieren (12). Dazu gehören z.B Herceptin
und ras Farnesyltransferaseinhibitoren. Gezielt inhibitorisch auf die Angiogenese wirken auch Matrix-Metalloproteinase-Inhibitoren wie Maristamat. KERBEL et al.(11) verwendete in Tierversuchen an Mäusen neutralisierende Antikörper gegen den VEGFRezeptor als antiangiogene Therapiekomponente und niedrige Dosen von Vinblastin in einer kontinuierlichen Kombinationsbehandlung. Die Behandlung führte zu
einem dauerhaften Rückgang der Tumoren
ohne zusätzliche Belastung des Wirtsorganismus durch die Toxizität der Therapeutika. Innerhalb von 6 Monaten kontinuierlicher Behandlung wurden keine Anzeichen
für eine erworbene Resistenz festgestellt. Eine Kombination der antiangiogenen Therapie mit konventioneller Chemotherapie wurde bereits von TEICHER et al.(22) vorgeschlagen
und stellt gegenwärtig das hoffnungsvollste
Konzept dar.
Einordnung der Antiangiogenese in das
Feld therapeutischer Strategien
Eine Verhinderung der Angiogenese während der Tumortherapie ist sinnvoll, da durch
diese Maßnahme das Wachstum der Tumoren eingeschränkt oder gestoppt wird und eine weitere Metastasierung verhindert wird.
Die antiangiogene Therapie umgeht das
Problem der erworbenen Chemotherapeutikaresistenz, welches häufig in Folge von
Chemotherapie auftritt. Tumorzellen haben
eine hohe genetische Instabilität und bilden
in Folge der Chemotherapie Subpopulationen resistenter und weniger resistenter Zellen(10). Endothelzellen in tumorassoziierten
Gefäßen sind genetisch stabil, wodurch eine
Resistenzentwicklung gegenüber antiangiogenen Therapeutika verhindert wird (2). Ein
weiterer bedeutender Vorteil der antiangiogenen Therapie ist die gute Zugänglichkeit
aller Gefäße für die Therapeutika. Chemotherapeutika gelangen in großen soliden Tumoren häufig nicht an ihren Zielort, da sie in
peripheren gut kapillarisierten Schichten des
Tumors stark akkumulieren, jedoch in tiefere
Schichten des Tumors, in welchen ein erhöhter Gewebedruck herrscht, gar nicht eindiffundieren können(8). Mit einer durchdachten
Kombination aus Chemotherapie und antiangiogener Therapie könnte ein neuer, für den
Patienten verträglicherer Weg, bei der Behandlung solider Tumore gegangen werden.
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