GESUNDHEIT Wenn der URLAUBSFLIRT D Folgen hat Experten schlagen Alarm: Immer mehr Frauen kriegen es mit fiesen Sex-Krankheiten zu tun. Gerade in diesen Wochen wechseln Viren und Bakterien wieder fleißig ihren Besitzer... von Bernhard Hobelsberger und Ellen Warstat ie Sonne funkelt, die Seele lacht und alle Sinne werden leicht: Urlaubszeit ist Flirtsaison. Auch für Miriam F., 24, die diesen Sommer am Malia Beach mit einem kinnbärtigen Webgrafiker anbandelte. „Der Typ sah toll aus, war witzig und ein bisschen verrückt. Wir hatten echt Spaß.“ Bis sie sechs Wochen nach der Rückkehr stecknadelgroße Hautwucherungen zwischen den Beinen bemerkte. Der Urlaubssex hatte ihr Feigwarzen beschert! „Es war mir super peinlich, meine Ärztin mit einer Geschlechtskrankheit aufzusuchen“, so die 23-Jährige. Die Scham ist unnötig. „Gerade in der Feriensaison sehen meine Kollegen dieses Problem häufiger als sonst“, beruhigt die » XX/2013 => 99 GESUNDHEIT 100 => XX/2013 a Jede Frau, die Sex hat, kann sich infizieren. Es gibt keinen Grund, sich zu schämen. a Gynäkologin Dr. Verena Breitenbach aus Ehingen bei Ulm. „Ohnehin kann jede Frau, die Sex hat, eine Geschlechtskrankheit bekommen.“ Tatsächlich ist das Risiko in den letzten Jahren sogar gestiegen. So beobachten Ärzte bei jüngeren Frauen vermehrt Neuinfektionen mit Chlamydien und HP-Viren – letztere steckten hinter Miriams Feigwarzen. (Die Erreger werden auf der nächsten Seite erklärt). „Beide Krankheiten sind sehr leicht übertragbar. Ein Kontakt reicht schon aus“, erklärt Prof. Norbert Brockmeyer, der als Dermatologe an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum arbeitet. Der Anstieg hat auch damit zu tun, dass die Lockerheit im Bett gewachsen ist. Oralsex etwa gehört für die meisten Paare zum Standardprogramm – und so kann es eben passieren, dass Herpeserreger vom Mund des Partners auf die eigenen Genitalien wechseln – oder umgekehrt. „Beide Fälle sehen wir immer öfter“, so Norbert Brockmeyer, der auch Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft ist (STI steht für „Sexually Transmitted Infections“, also sexuell übertragbare Erkrankungen). Die Impfung schützt Frauen vor dem Sex-Virus Kondome schützen zwar vor Chlamydien und HP-Viren, aber weniger zuverlässig, als sie es bei HIV oder Syphilis tun. Wer Pech hat, so wie Miriam F., steckt sich also trotz Gummi an. „Umso wichtiger ist es, sich vorbeugend gegen HP-Viren impfen zu lassen. Ich empfehle das jungen Frauen bis 25“, sagt Brockmeyer. Ebenfalls wichtig: Nach einer Urlaubsliebe oder bei häufigerem Männerwechsel auf Chlamydien testen lassen! Die Untersuchung wird bis 25 einmal jährlich von der Krankenkasse bezahlt. ›› FRAGEN, die man sich beim Arzt nicht stellen traut Kann ich erkennen, ob mein Urlaubsflirt eine Sex-Krankheit hat? Nein. „Man sieht es einem infizierten Partner nicht an, solange er nicht sehr schwere Symptome beispielsweise für Syphilis oder Tripper offenbart“, erläutert Frauenärztin Breitenbach. (Mal ganz davon abgesehen, dass wohl niemand seinen Bettgefährten nach Sex-Krankheiten scannt.) Aber auch 60 bis 70 Prozent der Frauen, die sich mit Chlamydien oder Tripper infiziert haben, zeigen lange Zeit keine Anzeichen. Ich möchte mich testen lassen. Geht das anonym? Ja, vor allem in größeren Städten bieten die Gesundheitsämter neben dem HIV-Test weitere anonyme Untersuchungen an (z.B. Abstriche auf Chlamyiden und Gonorrhoe, Bluttest auf Hepatitis). Vor dem oft kostenlosen Check-up steht ein ausführliches Beratungsgespräch. Verena Breitenbach: „Auch an Krankenhäusern oder Universitätskliniken kann man sich anonym testen lassen.“ Wichtig: Ist das Ergebnis positiv, sollte auch der Sexpartner untersucht werden. FOTO: PLAINPICTURE Ich habe gehört, es gibt Selbsttests aus der Apotheke. Von diesen Heimtests auf Chlamydien, die auch im Internet zum Kauf angeboten werden, raten Experten ab. Prof. Brockmeyer: „Bei nicht fachgerechter Anwendung kann das Ergebnis falsch sein. Außerdem sind positive Ergebnisse erklärungs- und behandlungsbedürftig.“ Davon abgesehen reicht der einfache Bluttest aus den Apotheken-Sets für ein zuverlässiges Ergebnis meist nicht aus. „Der Arzt muss auch einen » XX/2013 => 101 GESUNDHEIT Diese vier SEX-KRANKHEITEN treten bei Frauen am häufigsten auf – und nehmen sogar noch weiter zu! Abstrich machen oder den Urin prüfen.“ Ich habe mich beim Fremdgehen angesteckt. Wie kann ich meinen Partner beim Sex schützen, ohne es ihm zu sagen? Am besten, Sie finden eine Ausrede (z.B. „Unterleibsschmerzen“), um das Sexleben für einige Zeit auf Eis zu legen. Also bis die Antibiotika-Therapie bei Chlamydien angeschlagen hat bzw. bis das Immunsystem mit den HP-Viren fertig geworden ist. Kondome bieten nämlich keinen garantierten Schutz vor diesen Infektionen. Das trifft auch für Genitalherpes zu. Frauenärztin Breitenbach: „Hier hilt nur abzuwarten, bis die Bläschen abgeheilt sind.“ Ich habe mich bei meinem 102 => XX/2013 CLAMYDIEN: 300.000 Frauen infizieren sich jährlich mit diesen Bakterien – meist heilt die Infektion unbemerkt von alleine. Manchmal stellen sich Ausfluss und Brennen ein. Bei positivem Urintest verschreibt der Arzt ein Antibiotikum. Unbehandelt können Chlamydien im schlimmsten Fall unfruchtbar machen. HPV-VIREN: Mit Humanen Papillomaviren (HPV) steckt sich fast jede Frau mal an. In 90 Prozent der Fälle heilt die Infektion von allein aus. Bestimmte Hochrisiko-Viren können Gebärmutterhalskrebs auslösen. HPV bilden auch Genitalwarzen, die durch Vereisen, Abtragen oder Medikamente entfernt werden. GENITAL-HERPES: Er wird durch das HS-Virus-2 ausgelöst, einen Verwandten des Lippenherpes-Erregers. Die akute Infektion mit Bläschen und Juckreiz heilt nach 2–3 Wochen ab, danach schläft das Virus im Körper, um bei Stress o.ä. erneut auszubrechen. Der Arzt kann virenhemmende Medikamente verschreiben. GONORRHÖ: Auch der Tripper zählt den häufigsten SexKrankheiten. Nur jede 4. infizierte Frau verspürt die typischen Beschwerden wie Ausfluss oder Juckreiz. Die Gefahr: Unbehandelt droht eine Verklebung der Eileiter. Mit einem Abstrich stellt der Arzt die Ansteckung fest. Freund angesteckt. Er schwört, er sei nicht fremdgegangen. Glauben Sie ihm ruhig. „Weil ChlamydienBetroffene oft nichts von der Infektion bemerken, kann er sich schon Jahre zuvor bei einer anderen Partnerin angesteckt haben“, erklärt Gynäkologin Breitenbach. Denkbar ist auch, dass der Arzt ein sensibleres Testverfahren eingesetzt hat und dass die früheren negativen Ergebnisse falsch waren. Die weit verbreiteten Humanen Papillomaviren wiederum können in seltenen Fällen sogar ganz ohne Sex übertragen werden: etwa als Schmierinfektion, wenn man gemeinsam ein Handtuch oder Glas benutzt. Ich hatte schon mal eine Geschlechtskrankheit. Bin ich jetzt vor derselben Krankheit immun? Leider nein. „Sie können sich immer wieder aufs Neue infizieren“, erklärt Norbert Brockmeyer. Wichtig zu wissen: Wer akut mit einem Liebesleiden zu tun hat, trägt ein erhöhtes Risiko, sich weitere Krankheiten zu holen. Denn viele der Erreger erzeugen Verletzungen im Intimbereich. Damit schaffen sie die Eintrittspforte für weitere Bakterien und Viren. Stimmt es wirklich, dass man vom Oralverkehr Krebs bekommen kann? Ja, das überraschende Geständnis von Hollywood-Star Michael Douglas trifft tatsächlich zu. Beim Oralverkehr mit einem infizierten Partner können sich dessen HP-Viren in der Mundschleimhaut ansiedeln – und das kann nach Jahrzehnten zu Tumoren in Hals oder Rachen führen. Dennoch besteht kein Grund zur Panik: Solche Karzinome sind selten, außerdem werden sie vor allem durch Rauchen und Alkohol begünstigt, weniger durch Sex. freundin-Redakteur Bernhard Hobelsberger hat bislang vor allem mit Schnupfenviren Bekanntschaft geschlossen. Sex-Krankheiten blieben ihm erspart. Und das, hofft er, wird so bleiben: Er lebt in fester Beziehung. XX/2013 => 103 ›